AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS
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as Update der Leitlinie der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) misst der Diagnose und Behandlung des Eisenmangels bei Patienten mit Herzinsuffizienz (HI) eine zentrale Bedeutung zu: Fortan sollen alle HI-Patienten regelmäßig und nicht wie bisher nur bei Erstdiagnose der HI auf einen Eisenmangel kontrolliert werden [1]. Liegt ein Eisenmangel vor, empfehlen die Leitlinien, die Therapie mit i.v. Eisencarboxymaltose (Ferinject®) [2] in Betracht zu ziehen*. Eine weitere Neuerung ist die Empfehlung, bei kardiorenalen Patienten regelmäßig den Kaliumwert zu bestimmen, da der Einsatz der bestmöglichen, leitliniengerechten Herzmedikation häufig eine Hyperkaliämie zur Folge hat [1]. Zur raschen und langfristigen Senkung des Kaliumspiegels hat sich der natriumfreie Kaliumbinder Patiromer (Veltassa®) bewährt [3]. Behebung des Eisenmangels verbessert HI-bedingte Symptome und senkt die Hospitalisierungsrate
Bis zu 80 % der Patienten, die wegen akuter Herzinsuffizienz hospitalisiert werden [4], und etwa 50 % der chronischen HI-Patienten [5] weisen einen Eisenmangel auf. Weil dieser die HI-Symptome und damit auch die körperliche Leistungsfähigkeit sowie die Lebensqualität der Betroffenen verschlechtern kann [6, 7, 8] und sich * Ferinject® ist indiziert zur Behandlung von Eisenmangelzuständen, wenn orale Eisenpräparate unwirksam sind, nicht angewendet werden können oder die medizinische Notwendigkeit einer raschen Eisengabe besteht. Die Diagnose eines Eisenmangels muss durch geeignete Laboruntersuchungen bestätigt sein [2].
Herzinsuffizienz: Neue ESC-Leitlinie empfiehlt regelmäßige Kontrolle der Eisen- und Kaliumwerte durch ein Eisendefizit auch das Risiko für eine Hospitalisierung und einen kardiovaskulär bedingten Tod erhöht [9], empfiehlt die ESC in ihrem Leitlinien-Update 2021, alle HI-Patienten, auch solche ohne Anämie, im Rahmen der Diagnostik auf einen Eisenmangel zu screenen (Evidenzklasse I, Empfehlungsgrad C; Abb. 1) [1]. Hierfür soll ein vollständiges Blutbild, inklusive der Ferritinkonzentration im Serum und der Transferrinsättigung (TSAT), erstellt werden [1]. Geändert haben sich auch die Empfehlungen für die Behandlung des Eisenmangels: Wird bei einem symptomatische Patienten (LVEF ˂50 %) nach herzinsuffizienzbedingter Klinikeinweisung ein Eisendefizit festgestellt (Serumferritin ˂100 ng/ml oder Serumferritin 100 – 299 ng/ml mit TSAT ˂20 %), wird die i.v. EisencarboxymaltoseGabe empfohlen, um das Risiko für weitere Hospitalisierungen zu senken (Evidenzklasse IIa, Empfehlungsgrad B) [1]. Dies geht über die bisherige Empfehlung der Leitlinie von 2016 hinaus, in der i.v. Eisencarboxymaltose aufgrund der überzeugenden Ergebnisse mehrerer Studien [z.B. 10, 11, 12] bislang nur zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit, Belastbarkeit und Lebensqualität bei symptoma-
JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 3/2022 · 31. JAHRGANG
tischen Patienten mit LVEF ≤45 % und Eisenmangel (Serumferritin <100 ng/ml oder Serumferritin 100 – 299 ng/ml mit TSAT ˂20 %) eingesetzt werden sollte (Evidenzklasse IIa, Empfehlungsgrad A). Grundlage für diese Neuerung waren die Ergebnisse der AFFIRM-AHF-Studie [13]. In dieser randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Untersuchung wurden 1.108 Patienten, die mit akuter HI und Eisenmangel in ein Krankenhaus eingeliefert wurden, nach Stabilisierung zur Therapie des Eisenmangels entweder mit Eisencarboxymaltose oder Placebo behandelt. Primärer Wirksamkeitsendpunkt war eine Kombination aus HI-bedingter Hospitalisierung und kardiovaskulärem Tod im Zeitraum von 52 Wochen. Der primäre Endpunkt wurde mit 21 % relativer Risikoreduktion zugunsten des VerumArmes nur knapp verfehlt (RR: 0,79; 95%-KI: 0,62 – 1,01; p = 0,059), was nachweislich auf einer Verzerrung der Studienergebnisse durch COVID-19 beruhte. Nach Bereinigung der Ergebnisse mithilfe einer vorab spezifizierten Sensitivitätsanalyse – wie von der europäischen Heart Failure Association empfohlen – ergab sich dann eine Risikoreduktion von 25 % für den primären Endpunkt (RR: 0,75; 95%-KI: 0,59 – 0,96; p = 0,024) [13]. © VERLAG PERFUSION GMBH