82
NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL
Brolucizumab zur Behandlung des diabetischen Makulaödems
D
as diabetische Makulaödem (DMÖ) ist die häufigste Erblindungsursache bei Erwachsenen in Industrieländern und betrifft 12 % der Menschen mit Typ-1-Diabetes und 28 % der Menschen mit Typ-2-Diabetes [1]. Infolge des dauerhaft zu hohen Blutzuckerspiegels bei Diabetes kommt es zu strukturellen Veränderungen kleiner Blutgefäße im Auge und zu einer Ischämie-induzierten übermäßigen Ausschüttung des vaskulären endothelialen Wachstumsfaktors (VEGF), einem Protein, das das Wachstum von Blutgefäßen stimuliert [1]. VEGF ist außerdem an einer erhöhten Gefäßdurchlässigkeit beteiligt [2], wodurch sich vermehrt Flüssigkeit in der Makula ansammelt. Das daraus resultierende Makulaödem kann zum Sehverlust führen [3, 4]. Das DMÖ ist eine Erkrankung mit hohem therapeutischem Bedarf. Dies schließt die Notwendigkeit einer konsequenten Reduktion der Netzhautflüssigkeit und eine Verringerung der Therapielast durch häufige Injektionen ein [1]. Eine neue Option zur Behandlung des DMÖ bei erwachsenen Patienten ist Brolucizumab (Beovu®), das im April 2022 von der Europäischen Kommission zugelassen wurde [5]. Die Zulassung basiert auf den 1-Jahres-Daten der PhaseIII-Studien KITE und KESTREL, die die Wirksamkeit und Sicherheit von Brolucizumab (Beovu®) im Vergleich zu Aflibercept (Eylea®) bei der Behandlung erwachsener
Patienten mit DMÖ untersuchten [6]. Sowohl Brolucizumab als auch Aflibercept werden intravitreal injiziert, zielen auf eine Hemmung des VEGF ab und werden auch zur Behandlung der neovaskulären („feuchten“) altersabhängigen Makuladegeneration (nAMD) eingesetzt. Nicht-Unterlegenheit gegenüber Aflibercept in Bezug auf Visusgewinn
In die Studien KITE und KESTREL wurden insgesamt 926 Patienten mit Visusbeeinträchtigung infolge eines DMÖ eingeschlossen. Pro Studienteilnehmer wurde nur ein Auge untersucht. Nach 1:1-Randomisierung erfolgte die Behandlung in KITE mit 6 mg Brolucizumab oder 2 mg Aflibercept, in KESTRELL erhielten die Teilnehmer 1:1:1 randomisiert 3 mg Brolucizumab*, 6 mg Brolucizumab oder 2 mg Aflibercept. In beiden Studien wurden die Patienten in den Brolucizumab-Armen in der Aufdosierungsphase alle 6 Wochen (Wochen 0, 6, 12, 18 und 24) mit insgesamt 5 Injektionen und anschließend alle 12 Wochen behandelt, mit der Option, das Dosierungsintervall bei Krankheitsaktivität dauerhaft auf 8 Wochen zu verkürzen. Die Patienten in den * Der 3-mg-Brolucizumab-Arm in der Studie KESTREL entspricht nicht der zugelassenen Dosierung, daher werden die entsprechenden Ergebnisse im Folgenden nicht dargestellt.
JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 3/2022 · 31. JAHRGANG
Aflibercept-Armen wurden entsprechend der Aflibercept-Fachinformation während der Aufdosierungsphase alle 4 Wochen mit insgesamt 5 Injektionen und anschließend alle 8 Wochen behandelt [6]. In beiden Studien wurde der primäre Endpunkt, die Nicht-Unterlegenheit von Brolucizumab gegenüber Aflibercept hinsichtlich der mittleren Veränderung der bestkorrigierter Sehschärfe (best corrected visual acuity; BCVA) gegenüber Baseline, im ersten Jahr erreicht: In der KITE-Studie betrugen die durchschnittlichen Visusgewinne 10,6 Buchstaben unter Brolucizumab bzw. 9,4 Buchstaben unter Aflibercept (p < 0,001 bei einer Nicht-Unterlegenheitsspanne von 4 Buchstaben). In der KESTRELStudie waren es 9,2 Buchstaben versus 10,5 Buchstaben (Tab. 1) [6]. Der Anteil der Patienten, die in der KITE-Studie einen Visusgewinn von ≥15 Buchstaben im Vergleich zum Studienbeginn oder einen Visus von ≥84 Buchstaben erreichten, war unter Brolucizumab höher als unter Aflibercept; in der KESTREL-Studie waren die Anteile zwischen dem Brolucizumab-Arm und dem Aflibercept-Arm vergleichbar (Tab. 1). Längere Behandlungsintervalle
In beiden Zulassungsstudien blieben nach der Aufdosierungsphase © VERLAG PERFUSION GMBH