Brückenbau 1-2/2022

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Symposium Brückenbau in Leipzig

ISSN 1867-643X www.verlagsgruppewiederspahn.de www.maurer.eu
Ausgabe 1/2 . 2022 22.

Brückenbau | Tunnelbau | Hochbau | konstruktiver Ingenieurbau

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© Büchting + Streit AG

Zu einer (höchst) populären Anverwandlung Grün als großzügiger Gradmesser von Michael Wiederspahn

»Cosimo war auf der Steineiche. Die Zweige, hohe Brücken über dem Erdboden, bewegten sich lebhaft. Es wehte ein schwacher Wind, die Sonne schien. Die Sonne drang durch das Blätterdach, und so mussten wir die Hand vor die Augen halten, wenn wir Cosimo sehen wollten. Er aber betrachtete die Welt vom Baum aus. Alles, was man von dort oben sah, war andersartig, und schon das machte Vergnügen. Die Allee zeigte sich in einer ganz anderen Perspektive und so auch die Gartenbeete, Hortensien, die Kamelien, das Eisentischchen, das zum Kaffeetrinken im Garten diente.«

Grün, grüner, noch viel grüner oder eben am grünsten: Im Wettbewerb der Superlative bleibt einem kaum mehr eine Wahl, will man nicht als Ewiggestriger, als unbelehrbarer Ignorant, werteloser Umweltbanause oder rigoroser Zukunftsvernichter gelten, dem es an jedweder Form des Verantwortungsbewusstseins für die Lebensgrundlagen seiner wie der ihm unweigerlich nachrückenden Generation(en) ermangelt. Wer irgendetwas auf oder von sich hält, muss heute also fast zwangsläufig mit ein paar exakt umrissenen Attributen aufwarten oder wenigstens durch angemessen markig klingende Verlautbarungen auffallen, die ihn als politisch korrekt handelnden oder zumindest denkenden Menschen ausweisen.

Und das ist beileibe nicht so schwer, wie sich allerorten, insbesondere aber am Beispiel von unzähligen Amts- und Würden trägern feststellen lässt, die sich nachgerade vorbildhaft im grünen Bereich zu bewegen vermögen, und zwar legislatur periodenübergreifend und zudem unabhängig von der Frage, ob sie der gleichoder einer andersfarbigen Partei angehören. Ähnliches trifft im Übrigen auf Lobbyisten, Konformisten und sämtliche Umetikettierungsspezialisten zu, die in Summe ja das Gros der Früh- oder Spätbekehrten repräsentieren, weshalb inzwischen wohl auch wesentlich häufiger sogenannte Green Cars und Green Buildings auftauchen, die vor Green IT und Green Technology nur so zu strotzen scheinen. Bevorzugt von Unternehmen der Green Economy angefertigt und ausgeliefert, werden solche (vermeintlichen) Ressourcenschoner oft und gerne als das einzig Wahre, Gute und Schöne angeprie sen, verfügen sie doch stets über eine, wen wundert’s, Zertifizierung nach dem jüngsten und damit besten Green-LabelStandard.

Selbst Vokabeln oder Bezeichnungen, denen in grauer Vorzeit ein eher schaler Bei- oder Nachgeschmack anzuhaften pflegte, wie nicht zuletzt Giftgrün, Grünspan oder Grünschnabel, gewinnen in einem derart betörenden Kontext urplötzlich an Akzeptanz, wirken beinahe wie Neuschöpfungen und insofern erheblich frischer, prickelnder, sympathischer und dank ihrer offenkundig naturaffinen Herkunft sogar ein klein bisschen fortschritts orientierter – mal ganz abgesehen von den ohnehin beliebten und durchgängig positiv besetzten Phänomenen wie der grünen Welle, dem Immergrün in seinen verschiedenen Ausprägungen, dem Ostergrün, dem Frühlingsgrün, dem sommerlichen Grün des Rasens oder Rasengrün, dem Tannengrün kurz vor Weihnachten oder dem Flaschengrün als stark verbreitetem Symbol für abendliche Vergnügungen.

Wem das nun (alles) zu grünlastig oder arg bedeutungsschwanger anmutet, sollte einfach einen bequemen Stuhl aufsuchen und in Ruhe die vorliegende Ausgabe des »Brückenbau« lesen – als eine hervorragen de Möglichkeit, um Lösungen in Entwurf und Realisierung kennenzulernen, die sich trotz oder gerade wegen ihrer nicht selten grüngesättigten Umgebung ausschließlich durch Qualität legitimieren und infolgedes sen keiner (sie) popularisierenden Anverwandlungsbemühungen noch irgendwel cher Vermarktungs- oder Theoriefindungs strategen bedürfen, um ihr Potential zu veranschaulichen. Und dieses Potential ist per se außerordentlich groß: Die hier thematisierten Brückenbauwerke erfüllen höchste Anforderungen in puncto Ästhetik, Konstruktion, Funktionalität, Wirtschaft lichkeit, Innovationsgehalt und Dauerhaftigkeit – und genau wie Italo Calvinos Roman »Der Baron auf den Bäumen« bieten sie dementsprechend von oben wie unten präzise definierte Perspektiven, die für Klarheit sorgen und daher über den (einen) Tag der Lektüre weit hinausreichen.

3 1/2 2022 | BRÜCKENBAU EDITORIAL
Dipl.-Ing. Michael Wiederspahn

Editorial 3 Grün als großzügiger Gradmesser Michael Wiederspahn Brückenbauwerke 6 Erweiterung der Bundesautobahn A 1 in Hamburg Gregor Gebert, Helge Lezius 14 Von der Stadtbahnbrücke in Stuttgart zur Oderbrücke bei Küstrin Lorenz Haspel 22 ÖPNV-Querung im Erlanger Regnitzgrund Angelika Feil, Julian Seisenberger, Hans Grassl, Markus Karpa 30 »Die Güßbacher Welle« Bernd Endres, Rolf Jung 36 Kunst im Brückenbau oder Brückenbau in der Kunst Andreas Galmarini, Bob Gramsma 44 Brückenklappverfahren auf der S 07 Michael Kleiser, Johann Kollegger, Clemens Proksch-Weilguni, Alfred Steiner 52 Talbrücke Langer Grund im Zuge der A 44 Stefan Franz 62 Die Aicherparkbrücke der Westtangente Rosenheim Karl Kergl, Jürgen Schmidt, Thomas Hehne, Thomas Wolf 74 Instandsetzung des Riddes-Viadukts Jean-Marc Waeber, Stéphane Cuennet

INHALT 4 BRÜCKENBAU | 1/2 2022

82 Ersatzneubau der Schwelmetalbrücke im Zuge der A 1 Ines Nordhaus 92 Pattullo Bridge Replacement Project in Vancouver Peter Walser, Philippa Maier 100 Die Hängebrücke der A 26 in Österreich Franz Sempelmann, Sebastian Stöcklegger, Mathias Widmayer 110 Brückenbauwerk Nordstern der U-81-Strecke in Düsseldorf Dieter Reitz 116 Ersatzneubau der Elsenbrücke in Berlin Arne Huhn 126 Generalinstandsetzung der Ludwigsbrücken in München Otto Wurzer, Matthias Gunsch Aktuell

Brücken in der Stadt Siegfried Löffler

5 1/2 2022 | BRÜCKENBAU INHALT
140 Produkte und Projekte 146 Software und IT 147 Nachrichten und Termine 149 Branchenregister 151 Impressum
136

Ganzheitliche Gestaltung einer Verkehrsanlage Erweiterung der Bundesautobahn A 1

in Hamburg

Das Projekt »Achtstreifiger Ausbau der Bundesautobahn A 1 zwischen dem Autobahndreieck ›Hamburg Südost‹ und der Anschlussstelle ›Hamburg Harburg‹« bietet die große Chance, den 8,20 km langen stadtnahen Abschnitt nach einheit lichen Kriterien zu erneuern und auszubauen. Das Projekt beinhaltet mit der Norderelb- und der Süderelbbrücke zwei bedeutende Großbrücken, mit der Galerie Kirchdorf das am weitesten gespannte Galeriebauwerk Deutschlands und darüber hinaus eine Vielzahl typischer Standardbauwerke sowie bis zu 8 m hohe Lärmschutzwände, welche den Streckenabschnitt zukünftig stark prägen werden. Wie es gelingen kann, diese Vielfalt zu einem gestalterischen Ganzen zu verbinden, das für die Straßennut zer und Anlieger gleichermaßen nachvollziehbar bleibt, ist Gegen stand der folgenden Darstellung.

1 Zur Historie der A 1 im Hamburger Stadtgebiet

Der erste Spatenstich für die Autobahn A 1 erfolgte 1934 bei Oyten, in der Nähe von Bremen. Nach zwei Jahren Bauzeit wurde bereits ein 71 km langer Abschnitt zwischen Oyten und Dibbersen, südlich von Hamburg gelegen, für den Verkehr freigegeben. Ein Jahr später, im Mai 1937, folgte der Abschnitt von Hamburg-Ost nach Lübeck. Hamburg selbst wurde 1939 durch die Süderelbbrücke in Richtung Süden an die A 1 angeschlossen. Die sogenannte Hansalinie von Hamburg nach Bremen wurde bis 1939 mit 120 km Autobahn fertiggestellt und sollte Richtung Ruhrgebiet erweitert werden. Durch den Zweiten Weltkrieg wurden die Arbeiten unterbrochen und erst Mitte der 1950er-Jahre fortgesetzt.

1 Lage des Planungsbereichs © DEGES GmbH/gmp Generalplanungsgesellschaft mbH

2 Aktuelle Ausbauplanung

1963 wurden die Autobahnstrecken Hamburg–Lübeck und Hamburg–Bremen durch die 13 km lange sogenannte südöstliche Umgehung Hamburgs miteinander verbunden. Das bedeutendste Bauwerk dieses Abschnitts war die Norderelbbrücke mit ihrer damals innovativen Schrägseilkonstruktion. Mit dem Bau der Umgehung erfolgte 1965 auch die Verbreiterung der Süderelbbrücke durch einen neuen, zweiten Überbau. Ende der 1980er-Jahre wurde in diesem Abschnitt die A 1 durchgehend sechsstreifig ausgebaut, die originären Unterführungs bauwerke aus den 1930er- bzw. 1960erJahren wurden dazu verbreitert. Die Norderelbbrücke wurde umgebaut und für eine sechsstreifige Verkehrsführung ertüchtigt.

Seitdem haben die Verkehrszahlen erheblich zugenommen, so dass nun, nach weiteren rund 40 Jahren, die nächste Ausbaustufe der A 1 erforderlich wird. Dem stetig steigenden Schwerlastverkehr geschuldet, haben insbesondere die beiden Großbrücken das Ende ihrer Nutzungsdauer erreicht und müssen durch zeitgemäße Neubauten ersetzt werden.

Im Jahre 2016 wurde die DEGES von der Freien und Hansestadt Hamburg mit der Planung und Baudurchführung für die achtstreifige Erweiterung der A 1 zwischen dem Autobahndreieck (AD) Hamburg-Südost und der Anschlussstelle (AS) Hamburg-Harburg beauftragt. Inzwi schen ist die Zuständigkeit von Hamburg auf die Autobahn GmbH des Bundes übergegangen. Die achtstreifige Erweiterung ist in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans 2030 eingestuft. Wegen der dringend zu erneu ernden Süderelbbrücke ist der Strecken abschnitt zwischen dem AD Süderelbe und der AS HH-Harburg dem Projekt angegliedert worden.

Das Projekt umfasst damit drei Planungs abschnitte:

Nordabschnitt: zwischen AD HH-Südost (A 1/A 25) bis nördlich AD Süderelbe (A 1/A 26) Mittelabschnitt: Bereich des neuen AD Süderelbe (A 1/A 26)

Südabschnitt: südlich AD Süderelbe (A 1/A 26) bis südlich AS HH-Harburg (A 1)

SYMPOSIUM 6 BRÜCKENBAU | 1/2 2022

Aufgrund ihrer Lage im Stadtgebiet von Hamburg hat die A 1 neben ihrer überregionalen Funktion als Bundesfernstraße auch eine wichtige innerstädtische Bedeutung. Sie trägt zur Entlastung des nachgeordneten Netzes im östlichen Stadtgebiet von Hamburg bei und bündelt die Verkehrsströme in Nord-SüdRichtung. Die Umgebung der Trasse ist im nördlichen und mittleren Bereich durch die anstehende Bebauung beidseitig der Autobahn geprägt. Entlang der querenden Wasserläufe von Norderund Süderelbe haben sich biotopartige Strukturen ausgebildet, die auch der Naherholung dienen. Im südlichen Teil der Baustrecke lockert die seitliche Bebauung im Bereich der Elbmarsch auf, beidseitig der Trasse schließen sich Grünlandbereiche an.

3 Ingenieurbauwerke

3.1 Nordabschnitt

Das prägende Bauwerk im Nordabschnitt ist die Norderelbbrücke. Aufgrund der großen gestalterischen Bedeutung wurde für den Ersatzneubau 2018/2019 ein Realisierungswettbewerb durchgeführt, über den bereits auf dem »Symposium Brückenbau« im Jahr 2020 berichtet wurde [1].

Der Siegerentwurf von der Planungsge meinschaft aus Leonhardt, Andrä und Partner und gmp Generalplanungsgesell schaft sieht als Konstruktion eine asymmetrische Schrägseilbrücke vor, für die aktuell die Entwurfsplanung erstellt wird. Das im Planungsabschnitt befindliche AD Hamburg-Süd wird aufgrund der veränderten verkehrlichen Bedeutung umgestaltet und es wird eine durchgängige Linienführung der A 1 hergestellt, was

bisher, historisch bedingt, nicht der Fall war. Der Knotenpunkt wird mit seinen Bauwerken komplett neugestaltet und dann den Namen AD Norderelbe erhalten.

Im Weiteren ist dieser Abschnitt geprägt durch zahlreiche einfache Unterführungsbauwerke für Straßen, Wege und Kleingewässer, die im Zuge der Auto bahnverbreiterung komplett durch Neubauten ersetzt werden.

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4 Siegentwurf für den Ersatzneubau der Norderelbbrücke © DEGES GmbH/gmp Generalplanungsgesellschaft mbH/Leonhardt, Andrä und Partner AG 3 Norderelbbrücke: Bestandsbauwerk aus zwei Perspektiven © DEGES GmbH 2 5 Typisches Unterführungsbauwerk © DEGES GmbH

3.2 Mittelabschnitt

Der Ausbau der A 1 erfordert in diesem Abschnitt aufgrund der naheliegenden Hochhaussiedlung Kirchdorf umfangrei che Lärmschutzmaßnahmen, die für die Richtungsfahrbahn Bremen die Errich tung eines ca. 950 m langen Galeriebauwerks bedingen.

Darüber hinaus ist der Mittelabschnitt geprägt durch die zukünftige Anbindung der neuen A 26, die als sogenannte Hafenpassage eine Querverbindung zwischen der A 7 im Westen und der A 1 im Osten herstellt. Die A 26 wird in diesem Bereich in Tunnellage geführt. Das Ostportal des ca. 1,50 km langen Wilhelms burgtunnels ist gestalterisch in das neue AD Süderelbe zu integrieren, ebenso zahl reiche Rampenbauwerke, Lärmschutzwände und Verkehrszeichenbrücken.

3.3 Südabschnitt

Dieser Abschnitt wird durch die im Bestand ca. 350 m lange Süderelbbrücke geprägt. Darüber hinaus gibt es hier, analog zum Nordabschnitt, einige Unterfüh rungsbauwerke.

Für die Süderelbbrücke, die zweite Großbrücke im Planungsbereich, wurde aufgrund der damals noch unklaren Randbedingungen entschieden, keinen Realisierungswettbewerb durchzuführen, sondern den Planungsauftrag zusammen mit der Streckenplanung und den weiteren Bauwerken im Ergebnis eines VgV-Verfah rens an eine Ingenieurgemeinschaft zu vergeben. Für die Süderelbbrücke wurde anschließend eine umfassende Varianten untersuchung durchgeführt, in der meh-

rere Tragwerksvarianten miteinander verglichen wurden: gevoutete Deckbrücke in Stahlverbund bzw. Spannbeton, Balkenbrücke in Stahlverbund analog dem Bestand, Fachwerk-Bogen-Brücke, Zügel gurtbrücke und Bogenbrücke. Die Bewertung in Bezug auf statisch-konstruktive, funktionale, verkehrliche, bauliche, gestalterische, umweltbezogene und wirtschaftliche Aspekte ergab die Variante »Stabbogen« als Vorzugslösung. Die architektonische Bewertung wurde zunächst offengehalten, weil dafür der für die gestalterische Beratung noch zu beauftragende Architekt hinzugezogen werden sollte.

Im Rahmen des Auswahlverfahrens zur baugestalterischen Beratung wurde gleich von zwei Teilnehmern ebenfalls eine Stabbogenbrücke vorgeschlagen. Nach Beauftragung von gmp, die schließlich den Zuschlag erhielten, erfolgte eine nochmalige Bewertung der Varianten in Bezug auf die Gestaltung, und dies ohne Wissen um die getroffene Vorauswahl aus technischer Sicht. Auch danach blieb der Stabbogen die klare Vorzugslösung. In den anschließenden Abstimmungen mit der Stadt Hamburg, dem Bundesverkehrs ministerium und der Autobahn GmbH konnte diese Lösung schließlich als Vorzugslösung festgelegt werden. Im Vergleich zum Realisierungswettbewerb der Norderelbbrücke wurde hier ein anderer Weg zur Bestimmung einer Vorzugslösung eingeschlagen, der aber gleichermaßen zu einem sehr guten Ergebnis führte.

3.4 Lärmschutzwände

Der Ausbau von Autobahnen ist heutzutage immer auch mit umfangreichen Lärmschutzmaßnahmen verbunden. Die aufwendigste Maßnahme im Planungsbereich ist das bereits erwähnte Galerie bauwerk im Mittelabschnitt. Darüber hinaus sind im Streckenverlauf nach derzeitigem Planungsstand auf einer Länge von insgesamt ca. 7 km Lärmschutzwände zu errichten, teilweise auf Erdwällen, zum überwiegenden Teil aber auch als freistehende Wände mit einer Höhe bis 8 m. Diese Anlagen prägen unsere heutigen Autobahnen in besonderem Maße, so dass viel Sorgfalt auf ihre Gestaltung zu legen ist. Wichtig ist hierbei insbesondere auch die harmonische Einbindung der Brücken und sonstigen Ingenieurbauwerke, wie zum Beispiel der Verkehrszeichenbrücken.

4 Gestalterische Begleitung der Planung Neue Verkehrsanlagen und der Ausbau der A 1 in Hamburg – sie stellen in ihrer Dimension quasi eine neue Verkehrsanlage dar, auch wenn die Trasse schon vorhanden ist – sind heute unter gesamtheitlichen Gestaltungsaspekten zu planen. Derartige Verkehrsanlagen mit ihren Ingenieurbauwerken werden unsere Landschaft für die nächsten Jahrzehnte prägen. Es ist Teil der kulturellen Verantwortung der Planer, sie so zu gestalten, dass sie sich verträglich in unsere Umwelt einfügen. Ausgangspunkt dieses Bestrebens war der erfolgreich durchgeführte Realisierungswettbewerb für die Norder-

SYMPOSIUM 8 BRÜCKENBAU | 1/2 2022
6 Galeriebauwerk zum Schutz der Wohnbebauung: Visualisierung des aktuellen Arbeitsstands © DEGES GmbH/gmp Generalplanungsgesellschaft mbH 7 Komplexität am Autobahndreieck Süderelbe als Visualisierung © DEGES GmbH/gmp Generalplanungsgesellschaft mbH 8 Erscheinungsbild der bestehenden Süderelbbrücke © DEGES GmbH 9 Süderelbbrücke: Vorzugslösung des Ingenieurbüros © DEGES GmbH/Schüßler-Plan GmbH

elbbrücke. Der nächste Schritt war, ein Architekturbüro zu finden, das die ganzheitliche Gestaltung aller drei Planungs abschnitte begleitet. Der Fokus lag auf der Gestaltungsidee, die zusammen mit den planenden Büros weiterentwickelt werden sollte. Die Federführung für die Bauwerksplanung verblieb dabei bei den Ingenieurbüros.

Im Rahmen eines beschränkten Ideen wettbewerbs wurden drei Architekturbüros, die bereits am Wettbewerb Norderelbbrücke beteiligt waren, eingeladen, ihre Ideen zu entwickeln und zu präsen tieren. Dies erfolgte für ausgewählte Ingenieurbauwerke wie die Süderelbbrücke, das Galeriebauwerk, aber auch für kleine Unterführungsbauwerke und typische Lärmschutzwandabschnitte.

Die eingereichten Beiträge wurden durch ein Fachgremium aus Vertretern der Stadt Hamburg und der DEGES in Bezug auf Gestaltung und Einpassung in die Umgebung, aber auch in Bezug auf Funktionalität und Wirtschaftlichkeit bewertet.

Im Ergebnis des Verfahrens wurde der Auftrag schließlich im September 2019 an gmp erteilt.

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Zusammenspiel von Tragwerksplanung und Gestaltung

Das Zusammenwirken von Tragwerksplanung und Gestaltung soll beispielhaft am Galeriebauwerk Kirchdorf illustriert werden. Die Galerie überspannt bis zu sechs Fahrstreifen und hat eine rekord verdächtige Deckenspannweite von ca. 30 m. Ursprünglich war geplant, die Stützen in die Decke einzuspannen, um zum einen Lager zu vermeiden und zum anderen eine höhere Steifigkeit des Systems zu erzeugen. In der weiteren Planung zeigte sich aber, dass die erforderliche Rahmenbewehrung an den Stützen problematisch war, mit der Folge, dass zum einen der Stützenabstand immer enger und zum anderen die Stützenabmessun gen immer größer wurden. Weder gestalterisch noch in Bezug auf die bautechni sche Umsetzung und die Wirtschaftlich keit war dies ein zufriedenstellendes Ergebnis. Daraufhin wurde als Alternative ein System mit gelenkig-verschieblicher Auflagerung der Decke auf den Stützen untersucht. Dies führte zwar erwartungs gemäß zu einer größeren Durchbiegung der Decke, die allerdings durch eine Vorspannung weitgehend kompensiert werden konnte. Bei der Spannweite der Decke ist eine solche Lösung auch wirtschaftlich sinnvoll. Weil die Stützen nur noch Normalkräfte aufnehmen müssen, kann ihr Abstand vergrößert und können die Abmessungen gleichzeitig verringert

werden. Zudem lassen sich die Stützen als Fertigteile ausführen, was im Hinblick auf die Qualität, die Kosten und eine kurze Bauzeit vorteilhaft ist. Das Ergebnis spricht für sich.

6 Architektonische Gestaltung der Ingenieurbauwerke

6.1 Annäherung an die Aufgabe

Die Gestaltung von Verkehrsinfrastruktur wird von vielfältigen Parametern beeinflusst. Gestalterisch herausfordernd ist, dass die Streckenführung dreiachsige Krümmungen aufweist. Besonderen Einfluss haben einzuhaltende Trassierungs parameter in Bezug auf die Verkehrssi cherheit und Sichtweiten, aber auch Themen wie Sichtachsen, Orientierung, Seitenwind, Lichtblendung usw. Wie schon erwähnt, werden die neuen Lärmschutzmaßnahmen mit Lärmschutz linien bis 8 m über der Fahrbahn und mit der neuen Lärmschutzgalerie unüberseh bar sein. Auch Naturschutzmaßnahmen,

wie zum Beispiel Über- und Unterquerun gen für Flora und Fauna, sind unter vielem anderen zu berücksichtigen. Unterschiedliche Wahrnehmungsweisen kennzeichnen den Umgang von Men schen mit solchen Verkehrsbauwerken. Durchreisende erleben sie nur sequenti ell, als Bestandteile eines geschwindig keitsabhängigen Zeitraums. Für Anwoh ner hingegen sind sie Bestandteile der teilweise urbanen Landschaft.

Weniger abgestimmte Gestaltungsansät ze aus verschiedenen Jahrzehnten haben in anderen Bereichen der Verkehrsinfra struktur zu einer Mischung der Formen und Farben geführt, die häufig ihrer landschafts- und stadtprägenden Wirkung nicht gerecht wurde. Aber Bundesauto bahnen mit ihren Brücken, Unterführun gen und Lärmschutzbauwerken sind in ihrer Gestalt maßgeblicher und unüber sehbarer Bestandteil unserer Umgebung und sollten als Teil der Baukultur betrachtet werden.

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10 Querschnitt des Galeriebauwerks © DEGES GmbH/Schüßler-Plan GmbH 11 Gestaltungsoptionen bei eingespannten Stützen (oben) und gelagertem System (unten) © DEGES GmbH/Schüßler-Plan GmbH

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6.2

Bestandsaufnahme und Analyse

Die Bestandsanalyse zeigte eine große Vielfalt an ortsbestimmenden Faktoren.

Bei Befahrungen des Streckenabschnittes und dessen Umgebung entstanden eine Fotodokumentation und erste Skizzen. Es wurden sechzehn größere Bestandsbau werke erfasst, digitale Geländemodelle wurden dann bearbeitet, vereinfacht und zusammengefügt. Aufgrund der Erfahrung aus vorherigen Planungsprojekten wurde früh in BIM-kompatiblen 3-DModellen gearbeitet, die sich später als hervorragende Entwurfs- und Kommunikationswerkzeuge herausstellten.

Der Streckenabschnitt westlich des AD Hamburg-Südost bis AS Hamburg-Har burg verläuft durch eine Landschaft, die von Wasser geprägt und geformt ist. Das Wasser dient als Schifffahrtsweg und ist das Element, das den weiten Raum topographisch geformt hat, mit angren zenden Deichen und Naherholungsgebie ten. Sogenannte »Wettern«, Kanäle zur Be- und Entwässerung, teilen hier den weiten, flachen Raum.

Ein in Teilen ausgewiesenes Flora-FaunaHabitat und ein Vogelschutzgebiet befinden sich ebenfalls im Bereich der Baumaßnahme. Die an den Streckenabschnitt angrenzende Bebauung wirkt sehr heterogen, teils ist es Einzelbebauung, teils hat sie dörflichen Charakter. Auch urbaner bzw. suburbaner Geschosswohnungs bau ist hier angesiedelt. Backstein als Fassadenmaterial findet sich bei zahllosen Bauten. Am östlichen Ende der Wilhelms burger Insel gibt es eine Ansammlung von Gewerbebauten, Energie- und Logistikzentren. An der durch die Schifffahrt geprägten Norderelbe sind nahe der Norderelbbrücke Anlegestellen für Binnengüterschiffe anzutreffen.

Mit dem Überfahren der Süderelbe von Süden oder der Norderelbe von Osten erreicht man die Insel Wilhelmsburg. Dort befindet sich der südliche Hauptzugang zur Hamburger Innenstadt. Bei der Anfahrt von Süden, über die heutige Süderelbbrücke, erfolgt diese Querung eher unbemerkt, ohne baulichen Akzent.

6.3 Entwurf

Der Entwurf ist von der sequentiellen Wahrnehmung der Reisenden inspiriert. Die Bauwerke verändern mit der Geschwindigkeit des Reisenden nachvoll ziehbar die wahrnehmbare Bauhöhe, in Form einer autobahnbegleitenden Linie, entstehend aus Schwung und Gegen schwung der Brückenbögen, von den oberen Abschlüssen der Lärmschutzwände und den Portalen der Lärmschutzgalerie.

Die Vermeidung plötzlicher Seitenwinde am »abrupten« Ende einer Lärmschutz wand, die statische Sinnhaftigkeit des Bogens, Aufweitungen des Straßenraums, langsame Zunahme des Lichteinfalls etc. als Kennzeichen der gewählten Linie unterstützen Funktion und Sicherheit. Diese Linie trennt auch Materialien und unterschiedliche in sich vertikal monotaktische Anordnungen. Sinnvolle Elementgrößen, Stützweiten und angreifende Lasten bestimmen die Abstände. Die Unterquerung eines Bauwerks soll fließend und leicht stattfinden. Vertikale Kanten der sichtbaren Bauwerke werden abgerundet und zitieren damit auch den

jetzigen Bestand. Detailreiche, sichtbare Elemente an den Bauwerken und deren Scharfkantigkeit im Transitraum werden verringert. Sichtbare Bauwerkselemente wie Widerlager setzen sich durch eine Sockelzone von mindestens 80 cm vom Erdreich und von angrenzenden Bodenbelägen ab.

Das Materialkonzept sieht robuste, wartungsarme Baustoffe vor, deren Eigenfar bigkeit für sich spricht, die wertig altern und ein harmonisches Einfügen der Bauwerke in die umgebenden Natur- und Kulturlandschaften begünstigen. Klinker- bzw. Backstein-Fassadenmaterial prägt seit langem das Hamburger Stadtbild und macht einen großen Teil des baukulturellen Erbes aus. Dieses Baumaterial hat eine generationenübergrei fende Bedeutung über die erlebbare Architektur hinaus und trägt damit die Identität der Freien und Hansestadt Hamburg mit. Backstein kommt an Widerlagern und Stützwänden zum Einsatz und differenziert somit das »Unten« der Bauwerke vom »Oben«.

SYMPOSIUM 10 BRÜCKENBAU | 1/2 2022
12 Dreidimensionales Entwurfsmodell der Anschlussstelle Norderelbe © DEGES GmbH/gmp Generalplanungsgesellschaft mbH Auszug aus dem Gestaltungskatalog
©
DEGES GmbH/gmp Generalplanungsgesellschaft mbH
14
Prinzip des Konzepts
©
DEGES GmbH/gmp Generalplanungsgesellschaft mbH 15 Gerundete Widerlager mit Backsteinverkleidung
©
DEGES GmbH/gmp Generalplanungsgesellschaft mbH

6.4 Süderelbbrücke

Die A 1 trifft im Südabschnitt nicht nur auf die Süderelbe mit ihrer schutzwürdi gen Flusslandschaft, sondern das Überfahren der Brücke markiert auch die nahe Landes- und Stadtgrenze zwischen Hamburg und Niedersachsen.

Der Entwurf sieht zum einen vor, für den Fahrer diese bedeutsame Querung erlebbar zu machen, zum anderen wird in den Naturraum ein dem Momentenver lauf folgendes, sinnhaftes Ingenieurbauwerk, inspiriert von den Bogenbrü cken der Speicherstadt, eingebracht.

Die Hauptträger gehen durchlaufend fugenlos mit einem Gegenschwung in die Bögen über. Die Bauhöhe der Längsträger im Bereich der Bögen ist kleiner als außerhalb und stärkt so den »Fenster charakter« der Bogenöffnung.

Die Bogenkonstruktion erlaubt eine Spannweite von 134 m oberhalb der schiffbaren Süderelbe und eine signifi kante Erhöhung des Lichtraumprofils im Vergleich zum Bestand. Auch durch die Verschiebung der Pfeilerstandorte gegenüber dem Bestand ergibt sich ein größerer Raum entlang der Flussachse.

Nahtlos geht das Bauwerk in den bewusst schlicht gehaltenen Vorland- und nicht schiffbaren Flussbereich mit konstanter Bauhöhe über. Die Hauptträger- und Bogenprofile sind im sichtbaren Bereich gefast, um einerseits die Ansichtsfläche scheinbar zu reduzieren und andererseits die Linienführung zu betonen.

11 1/2 2022 | BRÜCKENBAU SYMPOSIUM
16 Neue Süderelbbrücke als Visualisierung © DEGES GmbH/gmp Generalplanungsgesellschaft mbH 17 Süderelbbrücke aus Nutzerperspektive © DEGES GmbH/gmp Generalplanungsgesellschaft mbH
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18 Querschnitt der Süderelbbrücke © DEGES GmbH/gmp Generalplanungsgesellschaft mbH

Auf der östlichen Seite des Bauwerks befindet sich ein Fußgänger- und Fahrrad weg, angebracht mit nur wenigen Querschwertern alle ca. 12 m und einem lichten Abstand von 1,50 m zum Längsträger. Dem Nutzer soll durch diese Maßnahme neben dem Graffitischutz und durch die leicht unterhalb des Notgehweges der A 1 verlaufende Gradiente auf östlicher Seite ein Abstand und Sicherheitsgefühl gegenüber dem Autobahnverkehr geboten werden.

An der Süderelbbrücke sind Geländer mit vorgespannten Edelstahlnetzen geplant, da sich Füllstabgeländer auf solchen längeren Strecken für den Nutzer perspektivisch zu einer Wand verdichten.

Eine helle metallische Beschichtung des Bauwerks spiegelt durch die gebroche nen Ansichtsflächen facettenartig die Farben des umgebenden Naturraums und des Wassers wider – im obenliegenden Tragwerk die Farbe des Himmels. Die Widerlager entsprechen dem bereits erwähnten Prinzip.

6.5 Unterführungen

Die Durchquerung eines Unterführungs bauwerks hinterlässt eine andere Wahrnehmung als die Nutzung der Bundesautobahn nur wenige Meter höher. Sie werden aus der Fußgänger- und Fahrradfahrerperspektive mit entsprechend langsamer Geschwindigkeit passiert. Der Übergang von der Widerlager- zur Flügelwand von Unterführungen wird auch hier als Rundung ausgebildet. Ähnliche Radien an unterschiedlichen Bauwerken können angeglichen werden, damit so wenig wie möglich unterschied liche Klinker-Formsteine benötigt werden. Die Kappe wird ohne zusätzliche Kantung in der Ansichtsfläche mit einem durchgehenden Winkel von 3–7° aus der Vertikalen ausgeführt. Bevor Kappe und Böschung aneinanderstoßen, trifft ein Kappenschlussstein in 90° auf die Böschungspflasterung aus Bruchstein.

6.6 Lärmschutz

6.6.1 Lärmschutzwände

einer Unterführung

Es sind Lärmschutzmaßnahmen mit einer Länge von insgesamt ca. 7 km vorgese hen. Natürliche Gestaltungselemente und Materialien wie Pflanzen, Erdmaterial, Holz und Glas sollen bevorzugt und standortgemäß eingesetzt werden. Bei fahrbahnnahen Wänden wird im unteren Bereich durchgefärbter Porenbeton verwendet.

Ein Schwerpunkt liegt auf der anliegerseitigen Gestaltung. Die Anwohner erleben die Lärmschutzeinrichtung als festen Bestandteil ihres unmittelbaren Umfel des. Für sie stellt die Anlage positiven Lärmschutz und negative Sichtbehinde rung dar. Glatte Wandflächen sind zudem Vandalismus und Graffitikunst ausgesetzt. Dort wo die Platzverhältnisse es zulassen, bieten Grün- und Steilwälle einen Vorteil in puncto Vandalismus. Außerdem erzeugt ein Wall mit Steigungsverhältnis sen von 1 : 1,50–1 : 2 insgesamt weniger Eigenverschattung und fügt sich organischer in die Landschaft ein. Anliegerseitige opake Wandflächen erhalten eine vorgesetzte, vertikale Lärchenholzlattung. Die Latten werden mit einer Unterkonstruktion zueinander und zur Wand auf Abstand gehalten, so dass es keine planare Angriffsfläche für Graffitis gibt.

Der zweite gestalterische Schwerpunkt ist der sequentielle Blick der vorbeifahren den Verkehrsteilnehmer. In erster Linie wird die fahrbahnseitige Grobgestaltung der Lärmschutzmaßnahmen wahrgenom men. Um die Konzentration des Autofah rers nicht zu stören, gilt es hier die Waage zwischen überinstrumentalisierter Gestaltung und einschläfernder Monotonie zu finden. Als Teil der autobahnbegleitenden Linie laufen die Lärmschutzwände mit geschwungener Oberkante im Verhältnis von 1 : 8 aus. Bei den bis 8 m hohen Wänden erfolgt auf den oberen 2 m ein Materialwechsel: Bei Abfahrten sowie den beiden Autobahndreiecken und nahege legenen Siedlungen kommt transparenter Lärmschutz und an den übrigen Wänden Holzlärmschutz zum Einsatz, an Unterführungen weitet sich der transparente Anteil auf. Ergänzt werden die Lärm schutzwände durch dunkelgrau durchgefärbte Betonsockel, Kopfbleche und Abschlüsse.

SYMPOSIUM 12 BRÜCKENBAU | 1/2 2022
19 Exemplarischer Schnitt © DEGES GmbH/gmp Generalplanungsgesellschaft mbH 20 Ansicht einer Lärmschutzwand © DEGES GmbH/gmp Generalplanungsgesellschaft mbH

6.6.2 Lärmschutzgalerie

Die Lärmschutzgalerie im Mittelabschnitt, in Fahrtrichtung Bremen, wird gestalte risch als Teil des neu entstehenden Dreiecks konzipiert und ist mit ca. 950 m das längste Bauwerk der gesamten Maßnahme. Ziel der Gestaltung ist es, mit der dynamischen Linie hier eine optische Leichtigkeit und Durchlässigkeit zu vermitteln. Die geschwungenen Portale teilen, ähnlich wie bei der Süderelbbrü cke, die Ostansicht in eine obere und eine untere, fensterhafte Rahmung. Dank des optimierten statischen Systems mit gelenkiger Lagerung der Decke und den neuen Stützenabmessungen und -abständen ergibt sich ein fast quadrati sches Lichtmaß der Öffnungen. Sockel und Fries fassen die helleren Stützen und zeigen sich in der Ansicht mit ähnlichen Breiten. Die Westseite des Bauwerks wird teilweise angeschüttet, teilweise begrünt und teilweise mit vertikaler Lärchenholz lattung verkleidet.

7 Fazit

Mit dem nahezu fertiggestellten Gestaltungskatalog »Achtstreifiger Ausbau der Bundesautobahn A1 zwischen dem Autobahndreieck ›Hamburg Südost‹ und der Anschlussstelle ›Hamburg Harburg‹« ist eindrucksvoll dokumentiert, wie die ganzheitliche Gestaltung einer grundhaft zu erneuernden und auszubauenden Autobahnstrecke gelingen kann – anstatt der Summierung zahlreicher Einzelmaß nahmen von unterschiedlicher Qualität und Erscheinung. Es ist das Ergebnis eines teils auch anstrengenden und iterativen Prozesses, der das verständnisvolle Zusammenwirken von Architekt, Bauherrn und Ingenieurbüros erfordert. Das Ergebnis spricht für sich. Die detailgenaue Ausarbeitung der unterschiedlichen Bauwerkstypen wird in den nächsten Phasen vertieft.

Autoren: Dipl.-Ing. Gregor Gebert DEGES Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH, Berlin Dipl.-Ing. Helge Lezius gmp Generalplanungsgesellschaft mbH, Hamburg

Bauherr Autobahn GmbH des Bundes, Berlin

Projektdurchführung DEGES Deutsche Einheit Fernstraßenplanungsund -bau GmbH, Berlin

Planung Norderelbbrücke Planungsgemeinschaft: Leonhardt, Andrä und Partner, Beratende Ingenieure VBI AG, Hamburg gmp Generalplanungsgesellschaft mbH, Hamburg

Planung Nordabschnitt Bung GmbH, Heidelberg Ingenieurbüro Grassl GmbH, Hamburg Böger + Jäckle Gesellschaft Beratender Ingenieure mbH & Co. KG, Henstedt-Ulzburg

Planung Südabschnitt Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft mbH, Hamburg Inver Ingenieurbüro für Verkehrsanlagen GmbH, Erfurt IBV Bockhold und Vossen Beratende Ingenieure PartGmbB, Marl

Planung Mittelabschnitt Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft mbH, Hamburg Inver Ingenieurbüro für Verkehrsanlagen GmbH, Erfurt Rambøll Group, Hamburg

Baugestalterische Beratung gmp Generalplanungsgesellschaft mbH, Hamburg

13 1/2 2022 | BRÜCKENBAU SYMPOSIUM
21 Perspektivische Darstellung der Lärmschutzgalerie © DEGES GmbH/gmp Generalplanungsgesellschaft mbH

bei Küstrin

Das Prinzip der Netzwerkbogenbrücke erlaubt die Realisierung von effizienten und verformungsarmen Brückentragwerken unter Einsatz von schlanken, vorwiegend normalkraftbeanspruchten Haupttrag gliedern. Hohe ermüdungswirksame Lastwechselamplituden, winderregte Schwingungen und die Vermeidung von Druckkräften stellen an die Hänger von Netzwerk bogen außergewöhnliche Anforde rungen. Für die Stadtbahnbrücke über die A 8 bei Stuttgart wurden dafür erstmals Zugglieder aus Carbon eingesetzt und deren Eignung für hohe Zug- und Ermü dungsbelastung bestätigt. Darüber hinaus wurde erkennbar, dass die geringe Steifigkeit der schlanken Carbonzugglieder zu einem vorteilhaften Gesamttragverhalten des Netzwerkbogens führt und zudem Materialeinsparungen ermöglicht. Im Zuge einer Anwendung für den Ersatzneubau der zweigleisigen Oderbrücke Küstrin wird realisiert, was auf den ersten Blick nicht gleich zusammenpassen will: Ressourcen schonung und CO2-Einsparung durch Leichtbau für schweren Eisenbahnverkehr.

1

Ein Netzwerkbogen

für die Stadtbahn Stuttgart Um das südliche Stadtgebiet Stuttgarts, das Messegelände und den neuen Fernbahnhof am Flughafen Stuttgart besser erschließen zu können, wird die Stadt bahnlinie U 6 bis zum Flughafen und zur Messe Stuttgart verlängert. Hierzu muss die Bundesautobahn A 8 östlich der Anschlussstelle Stuttgart-Degerloch (B 27) überquert werden. Diese neue zweigleisi ge Querung befindet sich in exponierter Lage, in einem komplexen Umfeld eines großen Verkehrsknotens. Die A 8 ist eine der wichtigsten Verkehrsadern des Landes und die Anschlussstelle StuttgartDegerloch eines der stark frequentierten Tore nach Stuttgart.

Die zu querenden Spuren der A 8 sowie die begleitenden Ein- und Ausfädelspu ren verlaufen im Bereich der Querung in Dammlage ca. 1–3 m über dem umlie genden Gelände. Die neue Trasse muss daher auf vor- und nachgelagerten Rampen die erforderliche Höhe zur Überwin dung des Lichtraumprofiles gewinnen. Einschränkungen des fließenden Verkehrs sollten an diesem wichtigen Verkehrsknotenpunkt vermieden werden. Deshalb wurde eine Brücke gewählt, deren Hauptfeld alle Verkehrsflächen stützenfrei überspannt. Auf die Weise wurden umfangreiche Baumaßnahmen auf den schwer zugänglichen schmalen Grünstreifen zwischen den Verkehrsflächen und damit verbundene Beeinträchtigungen des fließenden Verkehrs vermieden. Gleich zeitig ergeben sich damit eine maximale Transparenz und gute Sichtbeziehungen für die Autofahrer.

SYMPOSIUM 14 BRÜCKENBAU | 1/2 2022
Innovative Netzwerkbogen: Leichtbau auch für schweren Schienenverkehr Von der Stadtbahnbrücke in Stuttgart zur Oderbrücke 1 Stadtbahnbrücke Stuttgart © sbp/Andreas Schnubel 2 Oderbrücke Küstrin: siegreicher Wettbewerbsentwurf von Schüßler-Plan und Knight Architects; hier dargestellt die technische Alternativlösung mit Carbonhängern von schlaich bergermann partner © schlaich bergermann partner

Aufgrund der vorgegebenen Trassierung der neuen Stadtbahnlinie konnte bei einer Spannweite von ca. 80 m nur eine Brücke mit obenliegendem Tragwerk verwirklicht werden. Mit dem Ziel, eine möglichst transparente und elegante Bogenbrücke zu realisieren, fiel die Wahl auf eine Netzwerkbogenbrücke. Auch die Herstellung in Seitenlage neben der Autobahn mit anschließendem Einschub über die Verkehrsflächen ließ sich mit dieser Konstruktion gut umsetzen. Um die sehr exponierte Brückensilhouette weitestgehend offen und transparent zu halten, wurden beidseitig zwei zusätzli che Seitenfelder angefügt und der Bogen bis zum Straßenniveau weitergeführt. Für maximale Robustheit und minimalen Wartungsaufwand wurde die Brücke als integrales Bauwerk entworfen. Dabei sollten die Auflagerwände an den Widerlagern und die Tiefgründungen der Bogenfundamente in Längsrichtung möglichst nachgiebig sein, um Zwangskräfte zu minimieren.

2 Ursprünge des Netzwerkbogens

Im späten 19. Jahrhundert, etwa zur gleichen Zeit, als Joseph Langer die heute als »Langerscher Balken« bekannte Form der Stabbogenbrücke entwickelte, wurde auch das Prinzip des Netzwerkbogens erstmals angewandt. In Riesa wurde 1878 eine Bogenbrücke mit gekreuzten Füllstäben errichtet, wobei das Tragverhalten von Fachwerk und Bogen kombiniert wurde. Die Aussteifungen und die Komplexität der Details der planmäßig auf Druck beanspruchten Diagonalen lassen erahnen, warum sich der Stabbogen mit vertikalen, nur auf Zug belasteten Hängern deutlich schneller verbreitete.

Eine Anzahl von Bogenbrücken in Dänemark, Frankreich und Schweden aus dem frühen 20. Jahrhundert mit geneigten, jedoch nicht überkreuzten Hängern belegt, dass im Spannweitenbereich ≥ 100 m die Vorteile geneigter Hänger weiterhin genutzt wurden. Allerdings traten bereits damals aufgrund der steil geneigten Hänger Schwierigkeiten mit ausfallenden, also auf Druck belasteten Hängern bei einseitiger Verkehrslast auf. Es wurde erkannt, dass das Problem mit flach geneigten Hängern beherrschbar wird, aber erst durch die Verwendung zweier sich überkreuzender Hängerscharen gelang es dem norwegischen Ingenieur Per Tveit 1963 mit entspre chend flachen, ausschließlich auf Zug beanspruchten Hängern die Vorteile des sogenannten Netzwerkbogens mit extrem schlanken Bogen und Fahrbahnplatten voll zu nutzen. Die im selben Jahr fertiggestellte Fehmarnsundbrücke wurde als kombinierte Straßen- und Eisenbahnbrücke mit deutlich robusteren Querschnitten ausgestattet, nutzt jedoch das gleiche vorteilhafte Konstruk tionsprinzip. Bis zum Jahr 2000 wurde in

Deutschland keine weitere Brücke nach diesem Prinzip errichtet, während in Japan schon seit den späten 1960er Jahren über 50 Netzwerkbogenbrücken entstanden. Um die Jahrtausendwende wuchs das Interesse an diesem Brückentyp in Europa und wenig später auch in den USA.

3 Tragprinzip des Netzwerkbogens Durch die aussteifende Wirkung der geneigten, sich kreuzenden Hängerscharen können Bogen und Überbau beim Netzwerkbogen sehr schlank ausgebildet werden, beschreibt Per Tveit [1] die Vorteile dieses Tragwerktyps und zeigt, dass sich die deutliche Reduktion der Biegemomente in Bogen und Überbau im Vergleich zu anderen Bogentragwerken auch wirtschaftlich und ökologisch in einer Einsparung der Stahltonnage niederschlägt. Gerade im Kontext hoher Verkehrslasten aus Schienenverkehr zeichnet sich diese Bauweise durch eine effektive, wirtschaftliche und ästhetische Tragkonstruktion aus, siehe Gauthier und Kronthal [2]. Das lässt sich insbesondere auf das Tragverhalten des Netzwerkbo gens bei halbseitiger Last zurückführen.

4 Verformungsbild und Differenzkräfte in Netzwerkhängern infolge halbseitiger Belastung: rot = zusätzliche Zugkraft, blau = Abbau der Zugkraft (Druckkraft) © schlaich bergermann partner

15 1/2 2022 | BRÜCKENBAU SYMPOSIUM
3 Verbreitung von Netzwerkbogenbrücken ab 1963, weltweite Auswahl von 153 Bauwerken © sbp/Marion Macaudiere

Der Lastabtrag erfolgt vornehmlich über zusätzliche Normalkraftbeanspruchung (Be- und Entlastung) der Hängerebene, wie in Bild 5 dargestellt. Die beiden geneigten Hängerebenen wirken wie ein fachwerkartig aufgelöstes Schubfeld zwischen Bogen und Überbau, deren Biegebeanspruchung und Verformung damit deutlich reduziert werden. Für die integrale Lagerung der Stadtbahnbrücke spielen die damit einhergehenden kleinen Endtangentenrotationen an den Kämpfern eine wichtige Rolle.

In der Literatur wird auf das komplexe Tragverhalten und die besonderen Herausforderungen im Kontext der hoch beanspruchten Hänger und deren Anschlüsse eingegangen [2][3][4]. Die Vermeidung von Druckkräften in den schlanken Hängern, das Auftreten von windinduzierten Schwingungen und die Vermeidung unerwünschter Zwangs spannungen in dem vielfach statisch überbestimmten Hängernetz im Zuge der Errichtung stellen vor allem in Verbindung mit den hohen Ermüdungslasten eine besondere technische Herausforderung dar. Geißler [4] erläutert außerdem, »dass die Normalkrafteinfluss linien nicht nur von den objektspezifi schen Eingangsgrößen Stützweite und Bogenstich sowie der Netzgeometrie abhängen, sondern aufgrund des statisch unbestimmten Systems auch von den Steifigkeitsverteilungen in Bogen und Versteifungsträger«. Der Einfluss der Steifigkeit des Hängernetzes bleibt hierbei

noch unbeachtet, kann aber bei der Verwendung von Zuggliedern aus Carbon Fibre Polymer Composite (CFPC), nachfolgend »Carbon« genannt, eingesetzt werden, um das Gesamttragverhalten nachhaltig zu begünstigen.

Im Gegensatz zum Stabbogen ist beim Netzwerkbogen für den Lastabtrag aus einseitiger Last auch dann ein Lastpfad vorhanden, wenn Bogen und Deck nahezu keine Biegesteifigkeit aufweisen.

4 Seilgestützter Druckbogen

4.1 Prinzipien

Ein ähnliches Prinzip seilgestützter Druckbogen liegt vielen weit gespannten Stadionüberdachungen zugrunde. Ähnlich einer Fahrradfelge wird ein hoch auf Druck belasteter Ring durch das Seiltrag werk so in seiner Lage gehalten, dass ein Ausweichen in der Ebene des gekrümm ten Druckgliedes nicht möglich ist.

4.2 Stabilisierung durch die Seilebene Insbesondere bei der Montage solcher Tragwerke kann die Wirkung des Seilsystems gut beobachtet werden. Bild 7 zeigt den Druckring des Nationalstadions Warschau während der Montage. Zunächst wird der Druckring geschlossen und das Seiltragwerk auf den Rängen liegend vormontiert. Um das Seilsystem anzuheben und in den Ring einzubauen, müssen alle radialen »Speichen« gleichzeitig mit entsprechender Kraft immer weiter gespannt werden, und zwar in einer Weise, dass die Form des Druck-

rings zu jedem Zeitpunkt nahe der Endgeometrie liegt. Würde man an einer Seite unplanmäßig stark spannen, würde sich dort der Ring nach innen bewegen und erhebliche Biegemomente erfahren und gegebenenfalls versagen. Für die Montage ist daher eine ausreichende Biegesteifigkeit des Druckringes wichtig. Nachdem das Seilsystem vollständig gespannt ist, wirkt es für den gekrümmten Druckgurt als Aussteifung in der Dachebene und verhindert zuverlässig dessen Ausweichen. Die radialen Rückstellkräfte aus dem Seiltragwerk sind bei diesem Tragwerkstyp mit innenliegendem Zugring aus geometrischen Gründen grundsätzlich immer größer als die Abtriebs kräfte eines ausgelenkten Druckringknotens. Im Endzustand könnte der Druckring daher auch als Gelenkkette auf Druck ohne jegliche Biegesteifigkeit auskommen. Eine übermäßig große Biegesteifigkeit des Druckringes wirkt sich sogar ungünstig aus: Sie hindert das Seilsystem daran, sich bei asymmetrischer Laststellung entsprechend zu verformen, um die gewünschten Rückstellkräfte im Seiltragwerk zu mobilisie ren. Der Druckring wirkt hier unnötiger weise auf Biegung mit. Um ein effizientes Tragwerk zu gewährleisten, ist es zudem unerlässlich, die Form des Druckringes zusammen mit dem Seilsystem so auf die Belastungssituation abzustimmen (Formfindung), dass sich aus den permanenten Einwirkungen ein rein axialer Belastungs zustand im Druckglied ergibt.

SYMPOSIUM 16 BRÜCKENBAU | 1/2 2022
6 Stadtbahnbrücke: freistehender Bogen im Montagezustand und mit montiertem Hängernetz © sbp/Lorenz Haspel/Andreas Schnubel
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Nationalstadion Warschau: Montagezustand und fertiggestelltes Ringseildach © ncs, narodowe centrum sportu
7

Beim Netzwerkbogen handelt es sich zwar grundsätzlich um eine andere Art des seilgestützten Druckgliedes – es besteht jedoch eine gewisse Analogie in Bezug auf das Zusammenwirken des Seilsystems und des Bogens. Bei ausreichend vorgespannten Hängern wirkt das Hängernetz als aussteifende Ebene für den Druckbogen und verkürzt dessen Knicklänge ähnlich wie beim elastisch gebetteten Balken deutlich. Auch hier beteiligt sich ein Bogen mit großer Biegesteifigkeit in der Bogenebene bei einseitiger Last am Lastabtrag, obwohl für eine solche Last über das Hängernetz ein alter nativer Lastpfad zur Verfügung steht. Es deutet sich an, dass ein Netzwerkbogen mit geringerer Biegesteifigkeit in der Hängerebene zu einem effizienteren Tragwerk führen kann. Gleichwohl wird eine gewisse Biegesteifigkeit zwingend erforderlich, um beispielsweise auch beim Ausfall eines oder gegebenenfalls mehrerer Hänger ein zuverlässiges und robustes Tragverhalten zu gewährleisten. Dieser Zustand kann zur Festlegung einer Mindestbiegesteifigkeit herangezogen werden.

4.3 Bogenquerschnitt

Es ist daher nicht ausschließlich dem Entwurfsgedanken eines schlanken Tragwerkes geschuldet, dass der Bogen der Stadtbahnbrücke im Scheitel lediglich 30 cm Bauhöhe misst. Für die freistehen den Bogen ohne Windverband spielt zusätzlich die Stabilisierung gegen Ausweichen aus der Bogenebene eine wichtige Rolle. Ein veränderlicher Bogenquer schnitt mit vergrößerter Biegesteifigkeit in Querrichtung in Bogenmitte zeigte sich in diesem Zusammenhang vorteilhaft. Am Kämpfer weist der Bogen Außenmaße von 1,00 m × 0,60 m auf, weitet sich in der Draufsicht und verjüngt sich in der Ansicht zur Bogenmitte auf 0,30 m × 1,36 m. Die Querschnittsfläche wird hierbei annähernd konstant gehalten, während das Flächenträgheitsmoment um die vertikale Achse zum Bogenscheitel ansteigt (Bild 10). Die Verzweigungslast

konnte dabei im Vergleich zu einem konstanten Bogenquerschnitt deutlich gesteigert werden. Mehrfach wurde im Projektteam darüber diskutiert, wie viel mehr Stahl ein freistehender Bogen im Vergleich zu einem mit Windverbänden ausgesteiften Tragwerk benötigt. In einer Wettbewerbsstudie wurden unlängst beide Varianten für einen Netzwerkbogen mit 80 m Spannweite gegenübergestellt. Für den freistehenden Bogen ergab sich infolge der Stabilitätsbetrachtungen des Bogens eine reduzierte effektive Nutzbarkeit der Bogen von ca. 70 %. Für die Lösung mit Windverband zeigte sich eine zusätzlich erforderliche Stahlmasse von ca. 30 %, bezogen auf die Struktur der Bögen. Eine signifikante und allgemein gültige Aussage zum vorteilhafteren System ist auf jener Basis nicht ableitbar.

4.4 Bogenform

Bei Bogen mit konstant vertikaler Last ergibt sich als ideale Stützlinie eine quadratische Parabel – unter Eigengewichts belastung eine Hyperbelkosinusfunktion, die sich aber bei flachen Bogen durch eine quadratische Parabel annähern lässt. Beim Netzwerkbogen hingegen wird wie bei einem radial beanspruchten Druckglied, siehe auch »Speichenrad« im vorhergehenden Abschnitt, als erste Näherung der Stützlinie häufig von einer Kreisbogenform ausgegangen. Aufgrund des vielfach statisch überbestimmten Sys

tems und durch planmäßiges Vorspannen des Hängernetzes kann auf den Bogen ein Belastungszustand einwirken, dessen zugehörige momentenfreie Bogenform von einem Kreisbogen abweicht. Eine Optimierung der Bogenform vermag dann zu einer deutlichen Reduktion der Bogenmomente im Eigengewichtszu stand zu führen. Im Fall der Stadtbahn brücke wurde die Bogenachse im Zuge einer Formfindung nahe einer Parabel vierter Ordnung definiert und anschlie ßend zur Fertigung über drei Kreisbogen segmente genähert. Im Fall der Oderbrü cke Küstrin, vergleiche Kapitel 6, liegt im Eigengewichtszustand ein asymmetri scher Beanspruchungszustand vor, auf welchen mit der Bogenform reagiert wurde.

4.5 Hängeranschlüsse am Bogen Als Endbeschläge der Carbonzugglieder kommen gefräste Kauschen (Thimbles) aus Titan in Kombination mit einem Bolzen aus Duplexstahl zum Einsatz (Bild 11). Titan hat sich in dieser Funktion als Endbeschlag von Carbonzuggliedern seit Jahren in extrem korrosiver Umgebung bei Marineanwendungen bewährt, während bei Edelstählen in Kontakt mit Carbon Kontaktkorrosionsschäden möglich sind. Um auch am Übergang zu den Hängerlaschen aus S355 eine dauerhafte Materialpaarung zu gewährleisten, wurden die Bohrungen der Hängerlaschen mit Bronzebuchsen ausgestattet.

17 1/2 2022 | BRÜCKENBAU SYMPOSIUM
9 Stadtbahnbrücke: Blick in Längsrichtung mit Verlauf der Bogen © sbp/Lorenz Haspel 10 Entwicklung der Bogenquerschnitte entlang des Bogens: blau = Querschnittsfläche, rot = Flächenträgheitsmoment um die vertikale Achse © schlaich bergermann partner 11 Stadtbahnbrücke: Details der oberen Hängerverankerung am Bogen © sbp/Lorenz Haspel

5 Hängernetz aus Carbon

Die Entscheidung, bei der Stadtbahnbrücke erstmals Zugglieder aus Carbon für die Hänger eines Netzwerkbogens einzusetzen, wurde zunächst vor dem Hintergrund der außergewöhnlich guten Ermüdungsfestigkeit [5] und der daraus resultierenden Reduktion der Querschnit te getroffen. Erst in der weiteren Planung zeigte sich das Potential dieser Lösung auch im Hinblick auf das Gesamttragverhalten des Systems Netzwerkbogen durch Vergleichmäßigung der Hänger kräfte, Vermeidung von auf Druck ausfallenden Hängern sowie die vorteilhaften dynamischen Eigenschaften der leichten, hoch vorgespannten Zugglieder. Beim Einsatz von Carbonzuggliedern [6] als Hänger von Netzwerkbogen lassen sich verschiedene Eigenschaften des Materials gleichzeitig vorteilhaft nutzen: Aufgrund der Unempfindlichkeit gegenüber Ermüdungsbeanspruchung können Hänger von Netzwerkbögen aus Carbon deutlich schlanker ausgebildet werden als herkömmliche. Bemessungsrelevant für die Dimensionierung ist nunmehr nicht der Ermüdungswiderstand, sondern die maximal ertragbare Zugkraft im Grenzzustand der Tragfähigkeit (ULS).

Die Steifigkeit dieser Carbonhänger liegt damit in etwa bei 20–25 % jener von Stahlhängern. In der Konsequenz ergeben sich bei gleicher Vorspannkraft vierbis fünffach größere Dehnungen im Eigengewichtszustand. Dieser Umstand trägt maßgeblich dazu bei, dass die Tendenz zu Seilausfall bei Hängern aus Carbon deutlich geringer ist – vereinfacht kann man sagen, dass der Überbau sich lokal deutlich mehr heben muss, um einen vorgedehnten Carbonhänger ganz zu entlasten. Aus den dargelegten Zusammenhängen ergeben sich neue Randbedingungen für ein optimales Hängernetzwerk, welche deutlich von den derzeitig angewandten Planungsparametern für Stahlhänger abweichen. Eine Optimierung zur Begren zung der Schwingbreiten ist nicht erforderlich, es kann auf die Begrenzung maximaler Zugkräfte optimiert werden. Verstärkte Hänger mit abweichendem Querschnitt im Bereich der Bogenfuß punkte sind nicht erforderlich. Im Ergebnis lassen sich sehr effiziente Hängernetzwerke erzielen, die mit einem konstant bleibenden Hängerquerschnitt über einen weiten Bereich eine gleichmäßig hohe Auslastung der Hänger ermöglichen. Zudem zeichnen sich diese Carbonhängernetzwerke mit gleichmäßiger Hängerverteilung durch ein harmonisches Gestaltungsbild aus. Das geringe Längengewicht trägt maßgeblich zu den positiven dynamischen Eigenschaften bei, wodurch Maßnahmen zur Dämpfung der Hänger zur Vermei dung von winderregten Schwingungen weitgehend oder ganz entfallen können.

Die Beständigkeit gegenüber Witterungs einflüssen spielt vor dem Hintergrund einer zuverlässigen Verfügbarkeit und langen Lebensdauer der Bauteile sowie im Hinblick auf die zu erwartenden Wartungs- und Folgekosten eine wichtige Rolle.

Das geringe Bauteilgewicht der Hänger erlaubt eine manuelle Montage, welche ohne Rücksicht auf Temperatur- und Witterungseinflüsse und ohne Einhau sung erfolgen kann. Wie auch bei anderen austauschbaren Hängersystemen ergibt sich die Option, Hänger gezielt und präzise vorzuspannen, jederzeit nachzuspannen, zu Inspektionszwecken zu entnehmen oder zu ersetzen. Unter wirtschaftlichen und ökologischen Gesichtspunkten ist das Einsparungspo tential im Gesamttragwerk am weitrei chendsten, weil auf Ballastieren des Überbaus zur Vermeidung von Hängerausfällen verzichtet werden kann. Das Potential, durch weitere Optimierung des Hängernetzes das Gesamttragverhalten des Systems Netzwerkbogen vorteilhaft zu steuern, wurde erst Stück für Stück erkennbar und ließ sich bei der Erstan wendung an der Stadtbahnbrücke noch nicht in vollem Umfang ausschöpfen. Erst am Beispiel der zweigleisigen Oderbrücke mit 130 m Hauptspannweite und erhöhten Eisenbahnverkehrslasten (a = 1,21) werden die vorteilhaften Eigenschaften des Carbonnetzwerkbogens deutlich.

SYMPOSIUM 18 BRÜCKENBAU | 1/2 2022
12 Hängermontage bei der Stadtbahnbrücke © sbp/Lorenz Haspel 13 Stadtbahnbrücke: Vormontage des Bogenfeldes und Vorbereitung für den Einschub über die Autobahn © octonauten

6 Effizienter Leichtbau für die Oderbrücke

6.1 Entwurf und Alternative

Das Gestaltungskonzept für die Oderbrü cke bei Küstrin (Bild 14) geht aus einem Realisierungswettbewerb hervor, den Knight Architects und Schüßler-Plan mit ihrem Siegerentwurf für sich entscheiden konnten: einen »strahlend weißen eleganten Netzwerkbogen, welcher Polen und Deutschland auf Augenhöhe miteinander verbindet«.

Das zur Ausführung kommende Tragwerk orientiert sich sehr eng am Gestaltungs konzept des Wettbewerbsgewinners. Die technisch optimierte, von sbp geplante Alternativlösung verwendet jedoch ein Hängernetz aus Carbonzugelementen. Basierend auf den Erfahrungen bei der Stadtbahnbrücke in Stuttgart, wurde die Eignung von Carbonhängern für die Oderbrücke Küstrin untersucht. Im Rahmen eines durch Prof. Dr.-Ing. Gerhard Hanswille begleiteten umfangreichen Gutachterverfahrens und auf Basis von Bauteilversuchen erteilte das Eisenbahn bundesamt eine Zustimmung im Einzelfall (ZiE) für die Umsetzung.

6.2 Netzwerkbogen mit Durchlaufwirkung

Die Netzwerkbogen der Stadtbahnbrücke Stuttgart und der Oderbrücke Küstrin weisen eine Besonderheit auf: In beiden Fällen wird der Überbau am Bogenkämp fer monolithisch mit Seitenfeldern fortgesetzt. Aus den Einflüssen der Seitenfelder resultieren zusätzliche Beanspru chungen für das Hängernetz des Netzwerkbogens, das heißt, bei entsprechen der Laststellung werden die maßgeben den maximalen Hängerkräfte vergrößert.

Gleichzeitig ergeben sich Laststellungen in den Seitenfeldern, die für die maßge benden Hänger mit minimaler verblei bender Zugkraft eine weitere Entlastung bewirken. Daraus folgen einerseits vergrößerte ermüdungswirksame Lastwech sel der Hänger, die an den Einspannstellen mit den verformungsbedingten Rotationen am Hängeranschluss zu überlagern sind. Andererseits vergrößert sich durch die Durchlaufwirkung die ohnehin schwer beherrschbare Anforderung, eine vollständige Entlastung der Hänger (Hängerausfall infolge vollständigen Abbaus der Zugkräfte) im Ultimate Limit State (ULS) zu vermeiden. Die Gestaltung des Hängernetzes wurde im aktuellen Tragwerksentwurf für die Eigenschaften der Carbonzugglieder optimiert. Mit bloßem Auge kaum zu erkennen ist zudem eine Optimierung der Bogen geometrie: Diese weicht von einer symmetrischen Bogen- oder Parabelform ab und reagiert damit im Zuge einer Formfindung auf die asymmetrischen Randbedingungen der Lagerung des Bogens.

Der Bogenquerschnitt wird, wie auch bei der Stadtbahnbrücke Stuttgart, zur Bogenmitte hin in der Ansicht verjüngt und im Grundriss aufgeweitet, um bei nahezu gleichbleibender Querschnittsfläche eine zur Bogenmitte hin vergrößerte Knickstabilität um die vertikale Achse zu erzielen.

6.3 Life Cycle Assessment

In einer vergleichenden Analyse des ökologischen Fußabdruckes wurden die Tragwerkslösungen mit Flachstahlhängern und Carbonhängern einander gegen übergestellt. Carbon hat aufgrund seines hohen Energieverbrauches in der Herstellung einen aktuell (noch) sehr ungünsti gen ökologischen Fußabdruck. Am Hängeranschluss werden zudem mehrere Bauteile aus Titan und verschiedenen Edelstählen eingesetzt. Betrachtet man lediglich die beiden Hängersysteme, ergibt sich auf Basis der aktuellen Datengrundlage für das System mit Carbonhängern ein ca. 30 % schlechteres ökologisches Ergebnis. Der Anteil der Hänger am Gesamttragwerk ist jedoch gering:

19 1/2 2022 | BRÜCKENBAU SYMPOSIUM
14 Oderbrücke Küstrin: gestalterischer Entwurf von Schüßler-Plan und Knight Architects; hier dargestellt die technische Alternativlösung mit Hängern aus Carbon nach dem Konzept von schlaich bergermann partner 15 Oderbrücke Küstrin: Netzwerkbogen mit monolithisch angeschlossenen Seitenfeldern © schlaich bergermann partner

In der Betrachtung der Gesamttonnagen ist eine deutliche Einsparung an Beton im Überbau erkennbar, welche darauf zurückzuführen ist, dass im Falle der Carbonhängerlösung auf eine Ballastierung verzichtet werden kann. Die Reduktion des Eigengewichtes im Überbau schlägt sich überdies in einer Reduktion der Stahltonnagen in Bogen und Versteifungsträger nieder. Im direkten Vergleich ergibt sich insgesamt eine Reduktion des ökologischen Fußabdru ckes von 20 %. Auch wenn die Aussage kraft von Life-Cycle-Analysen kritisch im Kontext zu werten ist, lässt sich allein an der beobachteten Reduktion des Tragwerkseigengewichtes von insgesamt 25 % unschwer die Tragweite der Einsparungen ablesen. Sekundäre Effekte wie mögliche Einsparungen in Unterbauten und Gründungen sind dabei noch nicht berücksichtigt.

7 Fazit

Netzwerkbogen erlauben systembedingt die Realisierung effizienter, verformungs armer Brückentragwerke. Durch geeigne te Wahl des Bogenquerschnittes und der Bogenform können die Vorteile des Netzwerkbogens optimal genutzt werden. Mit der Materialsubstitution der hoch belasteten Hänger steht eine Alternative zur Verfügung, welche die Prinzipien des Leichtbaus auch für schwere Eisenbahnverkehrslasten erschließt: Mit nur 2–3 Gew.-% Carbon im Vergleich zu Hängern aus Stahl lässt sich die »Achillesferse« des Netzwerkbogens durch eine robuste und dauerhafte Lösung ersetzen. Gleichzeitig führen die mechanischen Eigenschaften von Carbon zu einer vorteilhaften Veränderung des Systemverhaltens von Netzwerkbogen, wodurch ein Lösungsansatz gegen Hängerausfall und wirbelerregte Schwingungen vorliegt. Einsparungen am Tragwerkseigen gewicht von 25 % lassen das Potential dieser Lösung bezüglich Ressourcenschonung in wirtschaftlicher und ökologischer Hinsicht erkennen.

Autor: Dipl.-Ing. Lorenz Haspel schlaich bergermann partner sbp GmbH, Stuttgart

16 Oderbrücke Küstrin: vergleichende Betrachtung des ökologischen Fußabdruckes © schlaich bergermann partner/Eidgenössische Materialprüfung- und -forschungsanstalt (Urs Meier)

Literatur

[1] Tveit, P.: The Network Arch. 2015. Online: https:// home.uia.no/pert (abgerufen am 26.11.2021). Will be updated occasionally, as long as the author is active.

[2] Gauthier, P.; Krontal, L.: Erfahrungen mit Netzwerkbogenbrücken im Eisenbahnbrückenbau; in: Stahlbau 79, H. 3, 2010, S. 199–208.

[3] Fettke, M.: Phänomen der wirbelerregten Querschwingungen bei Netzwerkbogenbrücken im Eisenbahnverkehr; in: Stahlbau 86, H. 12, 2017, S. 1063–1072.

[4] Geißler, K.; Steinmann, U.; Graße, W.: Netzwerkbogenbrücken. Entwurf, Bemessung, Ausführung; in: Stahlbau 77, H. 3, 2008, S. 158–171.

[5] Meier, U.; Winistörfer, A.; Haspel, L.: World’s First Large Bridge Fully Relying on Carbon Fiber Rein forced Polymer Hangers; in: SAMPE Journal, 57(1), 2021, S. 22–30.

[6] Schlaich, M.; Zwingmann, B.; Liu, Y.: Zugelemente aus CFK und ihre Verankerungen; in: Bautechnik 89, H. 12, 2014, S. 841–850.

Stadtbahnbrücke Stuttgart Bauherr Stuttgarter Straßenbahnen AG, unterstützt durch das Tiefbauamt der Stadt Stuttgart

Entwurf und Planung schlaich bergermann partner sbp GmbH, Stuttgart Bauteilversuche und Gutachten Carbon Prof. Urs Meier, Eidgenössische Materialprüfungs- und -forschungsanstalt (EMPA), Dübendorf, Schweiz

Prüfingenieur

Prof. Dr.-Ing. Ulrike Kuhlmann, Stuttgart Geotechnik

Prof. Dr.-Ing. E. Vees und Partner Baugrundinstitut GmbH, Leinfelden-Echterdingen

Geotechnischer Prüfer Prof. Dr.-Ing. habil. Christian Moormann, Stuttgart

Bauausführung

Arbeitsgemeinschaft: Adam Hörnig Baugesellschaft mbH & Co. KG, Aschaffenburg (Massivbau, integrale Gründung) MCE GmbH, Linz, Österreich (Stahlbau, Montage Bogen und Hänger, Einschub)

Carbonhänger

Carbo-Link AG, Fehraltdorf, Schweiz (Subunternehmer von MCE)

Oderbrücke Küstrin Bauherr DB Netz AG, Anlagen- und Projektmanagement Regionalnetze Ost, Berlin

Gestaltungskonzept und Vorplanung Knight Architects, High Wycombe, Großbritannien Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft mbH, Berlin

Gründung, Unterbauten und Verkehrsanlagen Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft mbH, Berlin

Überbau schlaich bergermann partner sbp GmbH, Stuttgart

Prüfingenieur Prof. Dr.-Ing. Karsten Geißler, Berlin

Bauteilversuche »Carbon« Eidgenössische Materialprüfungs- und -forschungsan stalt (EMPA), Dübendorf, Schweiz

ZiE-Gutachter Prof. Dr.-Ing. Gerhard Hanswille, Bochum Geotechnik GuD Geotechnik und Dynamik Consult GmbH, Berlin

Geotechnischer Prüfer Dr.-Ing. Lutz Vogt, Dresden

Bauausführung Sächsische Bau GmbH, Dresden

Carbonhänger Carbo-Link AG, Fehraltdorf, Schweiz

SYMPOSIUM 20 BRÜCKENBAU | 1/2 2022

EINFACH. MEHR. LEISTUNG.

21 1/2 2022 | BRÜCKENBAU
www.seh-engineering.de
Ems © FOTOGRAFIEIMRAUM
Kanalbrücke

Erster Preis im Realisierungswettbewerb ÖPNV-Querung im Erlanger Regnitzgrund

Die neue ÖPNV-Querung im Erlanger Regnitzgrund wird Teil der sich in Planung befindlichen Stadt-Um land-Bahn, kurz StUB, welche die Städte Nürnberg, Erlangen und Herzogenaurach verbinden soll. Aufgrund der Lage des Naturraums Regnitzgrund im urbanen Umfeld und der Vielzahl an Rahmenbedin gungen wurde von Seiten des Zweckverbandes Stadt-UmlandBahn ein Realisierungswettbewerb für den Brückenneubau ausgelobt. Der Siegerentwurf der ca. 1.500 m langen Brücke schafft als innovative vollintegrale Stahlverbundbrücke aus wetterfestem Baustahl eine nachhaltige und wirtschaftliche Querungsmöglichkeit für den ÖPNV in Erlangen. Durch die Integration eines Radschnellwegs dient die Brücke zudem als schattenspendendes und vor Niederschlag schützendes Dach für Radfahrerinnen und Radfahrer und Fußgän gerinnen und Fußgänger.

1 Einleitung

Die ÖPNV-Brücke soll zukünftig den Regnitzgrund in Erlangen, zwischen der Autobahn A 73 im Osten und Alterlangen bzw. Büchenbach im Westen, queren. Sie ist Teil der Stadt-Umland-Bahn – eines der derzeit größten Straßenbahnprojekte in Deutschland. Die StUB soll die Städte Nürnberg, Erlangen und Herzogenaurach auf einer ca. 26 km langen Strecke mitein ander verbinden und damit eine schnelle und vor allem nachhaltige Verkehrsalter native für die Region schaffen.

Startpunkt bildet die Haltestelle »Am Wegfeld«, der heutige Endhalt der Linie 4 im Nürnberger Norden. Vorläufiges Ziel der Strecke ist die Innenstadt von Herzogenaurach. Auf ihrer Fahrt dorthin wird die StUB an insgesamt 30 Haltestellen zentrale Universitäts-, Schul- und Unternehmensstandorte sowie wichtige Verkehrsknotenpunkte und Siedlungsgebiete anbinden. Mit dem Bau der Strecke soll nach aktuellem Stand noch Mitte der 2020er-Jahre begonnen werden.

SYMPOSIUM 22 BRÜCKENBAU | 1/2 2022
1 Visualisierung der künftigen ÖPNV-Brücke mit Blick von der bestehenden Regnitzbrücke nach Westen © Ingenieurbüro Grassl GmbH/Firmhofer+Günther Architekten 2 Geländeaufsicht mit den beiden Regnitzarmen und der A 73 (rechts im Bild) © Ingenieurbüro Grassl GmbH/Firmhofer+Günther Architekten

Die Querung des als Landschaftsschutz gebiet eingestuften Regnitzgrundes ist ein unverzichtbarer Teil der geplanten Strecke. Aufgrund des großen öffentli chen Interesses wurde in einem transparenten Verfahren mit frühzeitiger Bürgerbeteiligung eine Vielzahl von Trassenvarianten untersucht und schließlich unter Berücksichtigung aller Randbedin gungen die Vorzugslösung bestimmt. Auf dieser quert die StUB den in jenem Bereich ca. 1.000 m breiten Talraum zum Großteil entlang bereits vorhandener und intensiv genutzter Geh- und Radwege und umfährt besonders schützens werte Biotope. Daraus resultiert eine fast 1.500 m lange und im Grundriss beinahe S-förmige Straßenbahntrasse. Da wegen seiner Eigenschaft als Retentionsfläche der Abflussquerschnitt im gesamten Regnitzgrund nur so wenig wie möglich eingeschränkt werden darf, muss auf Dämme weitestgehend verzichtet und die Trasse aufgeständert werden.

2 Randbedingungen

Um eine möglichst umweltverträgliche, optisch ansprechende und technisch optimale Gestaltung der Brücke zu erreichen, wurde vom Zweckverband Stadt-Umland-Bahn ein Realisierungs wettbewerb für die Querung des Regnitzgrundes ausgelobt. Neben der Planung einer knapp 1,50 km langen Brücke, welche durch Straßenbahn und Linien busse befahren wird, war ein Konzept zur Querung der im Osten liegenden A 73, und zwar inklusive Planung eines Rampenbauwerks, sowie ein Ideenteil zur Freianlagengestaltung im Umfeld der Brücke zu entwickeln. Aufgrund der vielseitigen Nutzung des sensiblen Wettbe werbsumfelds wurde beim Entwurf ein Hauptaugenmerk auf die Umweltverträg lichkeit gelegt. Die natürlichen Randbe dingungen sollen weitestgehend aufgegriffen werden und das Bauwerk sich dem Naturraum unterordnen.

Der Regnitzgrund ist dem Fluss Regnitz als Überflutungsfläche vorbehalten und wichtiges Habitat für heimische Tier- und Pflanzenarten. Da der Landschaftsraum inmitten urbanen Siedlungsraums liegt, ist der Regnitzgrund beliebtes Naherholungsgebiet und als Kaltluftleitbahn wichtig für das lokale Klima. Das Gebiet ist zudem zu großen Teilen landwirt schaftliche Nutzfläche. Von Erlangen wird der Freiraum scharf durch die A 73 begrenzt. Die Autobahn hat eine stark trennende Wirkung und aktuell durch den davon östlich liegenden Großparkplatz

noch einen weiteren Pkw-dominierten Puffer zur Bahnlinie und schließlich zur Erlanger Innenstadt. Durch weitere städtebauliche Entwicklungen wird sich die Stadt bis zur A 73 hin ausdehnen, wodurch eine unmittelbare Anbindung an den Naturraum Regnitzgrund notwendig wird. Neben der zukünftigen Mobilität per Straßenbahn spielt im als Radfahrer stadt bekannten Erlangen bereits heute der Ausbau des Radwegnetzes eine große Rolle. Der bestehende und intensiv genutzt Radweg durch den Regnitzgrund soll durch den Brückenneubau nicht verdrängt, sondern beflügelt werden. Der vorhandene Baugrund lässt sich in zwei Homogenbereiche gliedern. Es stehen oben mächtige quartäre Sedimente, überwiegend schwach bindige Sande, über den darunterliegenden Gesteinen des Coburger Sandsteins an. Die im Vergleich zum Sandstein sehr weichen Sandschichten besitzen eine Schichtdicke von ca. 9 m im Mittel und bis zu 19 m im Bereich der Regnitz. Der danach anstehen de, sehr tragfähige Sandstein eignet sich sehr gut für eine Tiefgründung des Bauwerks. Mit Grundwasser ist im Regnitz grund bereichsweise bereits ab 0,30 m unter Geländeoberkante zu rechnen, mit Hochwasser muss regelmäßig, auch während der Bauausführung, gerechnet werden.

3 Wettbewerbsentwurf 3.1 Gestaltungsidee

Die Grundidee des Entwurfs ist ein auf die Bauaufgabe bezogen leichtes und filigranes Bauwerk, das sich durch seine Schlankheit und organische Form wie selbstverständlich in die Landschaft einfügt und durch seine Transparenz die Einheit und Natürlichkeit des Regnitz grunds erhält.

Der flache Brückenträger schwebt elegant wie ein geschwungenes Band über dem Regnitzgrund und kommt mit der nur unbedingt notwendigen Anzahl an Berührungspunkten mit bzw. Stützen in der schützenswerten Landschaft aus. Das filigrane Band setzt für den Brückenschlag zur Wellenbewegung an. Es schwingt mit dem gerade hierfür notwendigen Einsatz harmonisch über die Regnitzarme, um anschließend unter der Autobahn hindurch in die Stadt Erlangen einzutauchen. Aus der Ferne ziert ein filigranes freischwebendes Band den Regnitzgrund. Auch aus der Nähe belegen die unbehan delten und rohen Materialien sowie die harmonisch schwungvolle Formenspra che die gute Einbindung in den Natur raum. Durch die großzügig gewählten Stützweiten von 34 m im Regel- und bis 70 m im Flussbereich sowie die Schlank heit des Überbaus und die filigranen Stahlstützen ist der Hochwasser- und Luftmassenabfluss weiterhin gewährleistet.

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3 Skizzenhafte Darstellung der Gestaltungsidee © Ingenieurbüro Grassl GmbH/Firmhofer+Günther Architekten

Neben Transparenz und unbehandelten Materialien ermöglicht auch die Bünde lung der Wege für Radler und Landwirt schaft unter dem Brückenüberbau eine verträgliche und behutsame Erschließung. Durch den filigranen Brückenüberbau und die Radwegführung im Schutze der Brückentrasse genießen die Verkehrsteil nehmerinnen und Verkehrsteilnehmer auf und unter der Brücke den freien Blick auf die unberührte Landschaft. Durch die Gestaltung der schwungvollen Untersicht der Brücke, die Wahl des unbehandelten wetterfesten Baustahls als naturnaher Baustoff und die Integration der Beleuchtung wird für die pendelnden Radfahre rinnen und Radfahrer ein vollkommen neues Erlebnis geschaffen.

3.2

6 Brückenquerschnitt des Stütz- und Feldbereichs im westlichen Regelbereich © Ingenieurbüro Grassl GmbH/Firmhofer+Günther Architekten 5

Hauptquerschnitt und Pfeiler

Der Wettbewerbsentwurf ist als vollintegrale Stahlverbundbrücke mit Stahlstüt zen und Bohrpfahlgründung über die Gesamtlänge von 1.435,50 m konzipiert. Den Auftakt des Bauwerks im Osten bildet die Querung der beiden Flussarme der Regnitz mit sich aufbauenden Stützweiten von 24 m + 34,50 m + 50 m + 65 m + 68 m + 51 m + 39 m. Aufgrund der größeren Stützweiten löst sich das flache Tragwerk in vier Stützbereichen und einen obenliegenden Bogen auf. Die Form folgt der größeren Zugbean spruchung an der Oberseite des Quer schnitts. In der Folge sind 30 Felder mit einer gleichmäßigen Stützweite von 34 m sowie einer statisch vorteilhaften Reduktion der Stützweiten am westlichen Ende auf 32 m, 29,50 m und 21,50 m vorgesehen.

Der Überbau setzt sich aus zwei außenlie genden, dichtgeschweißten Hohlkästen zusammen, welche über eine gewölbte Stahlbetonplatte und einzelne Querträ ger verbunden sind. Zur Ausnutzung des maximalen Hebelarms werden die Kästen bis an die Oberseite gezogen, wodurch sich ein trogartiges Tragsystem ergibt. Auf eine zusätzliche Brückenkappe wird verzichtet. Im Regelbereich besitzen die Hohlkästen eine maximale Höhe von 1,20 m und eine maximale Breite von 2,50 m. Im Bereich der größeren Stützweiten im Flussbereich weitet sich der Querschnitt an den Außenseiten nach oben bis auf 2 m Höhe auf. Die Verstär kung des Querschnitts in den Stützberei chen folgt der höheren Zug- und Schubbeanspruchung des Überbaus in den Flussfeldern.

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4 Visualisierung des Regelbereichs im Regnitzgrund mit Blick von Norden © Ingenieurbüro Grassl GmbH/Firmhofer+Günther Architekten

Die Herstellung der Quertragrichtung erfolgt maßgeblich über die gewölbte Stahlbetonplatte. Für eine Optimierung des Bauablaufs werden Fertigteile berücksichtigt, welche auf die Überstände der Hohlkästen und die Querträger aufgelegt und anschließend mit Hilfe einer Ortbetonschicht mit dem Stahlbau verbunden werden. Für die Konstruktion wird Stahl der Güte S355 in Blechdicken zwischen 20 mm und 60 mm verwendet.

Die Fertigteile und die Ortbetonfahr bahnplatte werden aus C35/45 schlaff bewehrt ausgeführt.

Eine massive Fahrbahnplatte wurde unter anderem gewählt, da die Schwingungs anfälligkeit im Vergleich zu einem reinen Stahlquerschnitt deutlich geringer ist.

In Kombination mit dem vorgesehenen elastisch eingebetteten Schienenlage rungssystem können die Schallemissio nen auf ein umweltverträgliches Minimum reduziert werden. Für die Entwässe rung der Brücke sind eine Bordsteinlinienentwässerung sowie eine Schienenent wässerung vorgesehen, die das Niederschlagswasser zu den Stützen leiten, wo es über in die Stützen integrierte Fallleitungen abgeleitet wird.

An den Brückenenden im Osten und Westen wird der Überbau jeweils in massive Widerlager eingespannt, die auf beiden Seiten tiefgegründet werden. Die Steifigkeit der Widerlager gewährleistet die statisch erforderliche volle Einspannung der integralen Brücke. In den restlichen Brückenachsen werden filigrane Stahlstützen angeordnet, die im unteren Anprallbereich mit Beton ausgesteift werden. Die Stützen werden in den Regelbereichen als Rohrquerschnitte mit einem

Durchmesser von 710 mm aus Baustahl S460 ausgeführt. Die Stützen werden integral an den Überbau und an die Pfahlkopfplatte angeschlossen. Die Gründung erfolgt ebenfalls über Bohrpfähle im tragfähigen Sandstein.

3.3 Querung der Regnitz und der Wöhrmühlinsel Im östlichen Bereich des Wettbewerbs umfeldes quert die Trasse die beiden Regnitzarme und die Wöhrmühlinsel. Dieser Bereich erfährt durch Gewerbe bauten, ein Jugendzentrum und eine Kulturfläche eine vielfältige Nutzung. Gleichzeitig ist entlang der Regnitz die Hauptflugroute für Fledermäuse. Die veränderten Randbedingungen durch die

Flussarme einerseits und das urbanere bebaute Umfeld andererseits werden von der Brücke aufgenommen: Die Stützweiten müssen vergrößert werden. Die Aufweitung des Querschnitts in den Stützbereichen ist die logische Konse quenz. Die Zu- und Abnahme des Wellenschlags gleichlaufend mit der Änderung der Stützweiten ist statisch sinnvoll und für die Betrachterinnen und Betrachter nachvollziehbar. Zum Schutz der Fledermäuse werden am Bauwerk Irritationsschutzzäune aus sehr transparent wirkenden Edelstahlnetzen angebracht. Das Netz irritiert das Ortungssystem der Fledermäuse und stellt sicher, dass die Brücke in einer ausreichenden Höhe überflogen wird.

9 Querschnittsaufweitung im Bereich der Regnitzarme

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© Ingenieurbüro Grassl GmbH/Firmhofer+Günther Architekten 8 Draufsicht und Ansicht von Süden im Bereich der Regnitzarme und der Wöhrmühlinsel © Ingenieurbüro Grassl GmbH/Firmhofer+Günther Architekten 7

3.4

Querung der A 73

Der metaphorische Wellenschlag über die Regnitzarme wird durch das Absinken und Eintauchen der StUB-Trasse unter der Autobahn weitergeführt. Die aufgrund der Hochwassersicherheit benötigten höheren Trogwände des Rampenbau werks werden über sanfte Böschungen landschaftlich integriert. Das dadurch verbaute Retentionsvolumen wird im unmittelbaren Bereich wiederhergestellt.

Mit Hilfe einer Geh- und Radwegbrücke kann das Radwegnetz ebenfalls in die Unterführung eingegliedert werden.

Durch die Bündelung der Trassen wird ein offenes Portal erzeugt und der Naturraum Regnitzgrund mit der Stadt Erlangen verbunden.

Das Rampenbauwerk wird als Grundwas serwanne ausgeführt. Für die Herstellung der Grundwasserwanne in einer wasser

dichten Baugrube wird eine Unterwasser betonsohle angeordnet, welche für den Bauzustand rückverankert wird. Im Endzustand ist die Grundwasserwanne in Kombination mit dem übrigen Eigenge wicht gegen Auftrieb gesichert. Dabei bringt der höher gelegte Radweg in der Grundwasserwanne eine zusätzlich Auflast, die eine wirtschaftlichere Auslegung der Grundwassersohle ermöglicht.

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10 Einbindung des östlichen Brückenendes in das Trogbauwerk © Ingenieurbüro Grassl GmbH/Firmhofer+Günther Architekten
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12 Draufsicht und Ansicht von Süden im Bereich der Querung der A 73 © Ingenieurbüro Grassl GmbH/Firmhofer+Günther Architekten

3.5 Tragwerksplanung

Die eingangs beschriebenen vielfältigen Randbedingungen zwingen die StUBTrasse, den Regnitzgrund nicht in einer geraden Linie, sondern über zwei langgezogene Kurven zu queren. In Kombina tion mit der Gesamtlänge von 1.434,50 m würden bei einer konventionell gelager ten Brücke, je nach Lagerungsart, große Längs- und/oder Querverschiebungen entstehen und eine Vielzahl von Lagern, Übergangskonstruktionen und Schienen auszügen wäre erforderlich. Bei der gewählten integralen Bauweise kann auf diese Verschleißteile vollständig verzichtet werden. Zudem hat die Bauweise den Vorteil, dass die horizontalen Kräfte aus der Verkehrsbelastung nicht an einzelnen massiv ausgebildeten Stützen abgefan gen werden müssen, sondern gleichmä ßig an alle Stützenpaare verteilt und selbige schlanker ausgeführt werden können.

Herausforderung der integralen Bauweise ist stets der Umgang mit Temperaturbe anspruchungen. Es stellt sich die Frage, wie mit jahreszeitlichen Schwankungen und den daraus resultierenden Längenänderungen des Bauwerks verträglich umgegangen werden kann. Kann sich die Brücke nicht frei ausdehnen und zusammenziehen, entstehen Zwangsspannun gen. Damit sich das Bauwerk trotz fester Lagerung zu verformen und Zwänge abzubauen vermag, ist es entscheidend, eine ausreichende Flexibilität der Stützen und der Gründung zu gewährleisten. Aus diesem Grund wurde bereits im Rahmen des Wettbewerbsentwurfs ein detaillier tes Gesamtmodell der Brücke erstellt und ausgewertet. Wie in den daraus entwi ckelten stark überhöhten Bildern des Modells unter Temperaturanstieg und -abfall dargestellt, erlaubt die gekrümmte Trassenführung ein seitliches Ausweichen der Brücke. Die Zwangsbeanspruchungen können »weggeatmet« werden und die seitlichen Verschiebungswege am Überbau von maximal 55 mm sind für das Bauwerk verträglich.

3.6 Montagekonzept

Das dem Wettbewerbsentwurf beigelegte Montagekonzept trägt den sensiblen Umgebungsbedingungen Rechnung. Durch den hohen Vorfertigungsgrad im Werk und die Planung einer Linienbaustelle können die Bauzeit und der Eingriff in den Naturraum minimiert werden. Die Herstellung der Tiefgründungen und Unterbauten erfolgt von vier Startpunkten aus und berücksichtigt einen Puffer für Hochwasserereignisse. Nach Fertigstel lung der Unterbauten beginnt die Stahlbaumontage, ausgehend vom »rechnerischen Festpunkt«, in zwei Richtungen als Linienbaustelle. Der »rechnerische Festpunkt« befindet sich im Bereich des Krümmungswechsels der beiden Grundrisskurven, also ungefähr in Brückenmitte. Wie in Bild 14 zu sehen, sind dort die Temperaturverformungen am geringsten. Eingeprägte Spannungen aus den Bauzuständen lassen sich dadurch minimieren. Die Vorfertigung im Werk wird auf die Just-in-time-Andienung zur Montage abgestimmt, wodurch auf große Lagerflächen im Landschaftsschutzgebiet verzichtet werden kann. Das Verschwei ßen, der Korrosionsschutz, die Abdich tung und die Brückenausstattung werden nachlaufend, ebenfalls in Form von Linienbaustellen, realisiert.

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14 Draufsicht und Isometrie der verformten Brücke unter Temperaturanstieg und -abfall © Ingenieurbüro Grassl GmbH 13 Ausschnitt aus dem statischen Gesamtmodell der Brücke © Ingenieurbüro Grassl GmbH

4 Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit

Die Nachhaltigkeit eines Brückenbau werks ergibt sich aus der Betrachtung des gesamten Lebenszyklus inklusive seiner Verwertung nach Nutzungsende. Wichtige Kriterien bilden unter anderem die Wartungsfreundlichkeit des Bauwerks, um Folgekosten gering zu halten, sowie die Recycling-Eigenschaften. Somit ist ein nachhaltigeres Bauwerk in der Regel auch wirtschaftlicher. Bei der Auswahl der Baumaterialien und der Tragkonstruktion wurde aus diesem Grund besonders auf Langlebigkeit und Verlässlichkeit geachtet.

Die Langzeiterfahrung der BASt und der WSV zeigen die große Dauerhaftigkeit und Wartungsfreundlichkeit vom eingesetzten wetterfesten Baustahl. Es entfällt die Beschichtung bei der Herstellung und Wiederbeschichtung zur Erneuerung des Korrosionsschutzes nach einem Zeitraum von jeweils ca. 30 Jahren. Dadurch erübrigen sich sonst notwendige Korrosions schutzmaßnahmen und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Umwelt. Somit stellt der unbehandelte wetterfeste Stahl eine ökologisch sinnvolle und wirtschaftliche Alternative zu organisch beschichtetem Stahl dar. Die unbehandelte Oberfläche des wetterfesten Stahls ermöglicht in Kombination mit den Sichtbetonoberflächen der Stahlbetonfertig teile die konsequente Integration des Brückenbauwerks in den natürlichen Lebensraum des Regnitzgrunds. Für die

Berechnung und Konstruktion gelten die Regeln der DIN EN 1993 trotzdem uneingeschränkt. Die Anwendungsgrenzen für wetterfesten Baustahl lassen sich bei der Brücke über den Regnitzgrund einhalten: Der Überbau liegt in allen Bereichen mehr als 2,50 m über der Vegetation und 3 m über fließendem Gewässer. Die Konstruktion ist so ausgebildet, dass sich im Bereich des wetterfesten Stahls keine Wassersäcke oder Feuchtigkeitsnester bilden können. Um das Regenwasser rasch abzuführen, wurden die Obergurte mit einer Neigung von > 3 % ausgeführt. Da im Bereich der Busfahrspuren Tausalz eingesetzt wird, bedarf es auf der Brückenoberseite hingegen eines herkömm lichen Korrosionsschutzes, die zu beschichtenden Flächen sind jedoch auf ein Minimum reduziert. Im Kappenbereich wird ein Dünnbelag aufgebracht und über der Regnitz werden die innenliegen den Außenflächen der obenliegenden Hauptträger mit einem herkömmlichen Korrosionsschutz versehen. Die Längsträger benötigen keine Längssteifen, wodurch die Anzahl der Schweißnähte im Hohlkasten minimiert wird. Die Hohlkästen werden luftdicht verschweißt, so dass mangels Sauerstoff in ihrem Inneren auch kein Korrosionsschutz erforderlich ist. Dadurch sind die zu beschichtenden Flächen auf ein Minimum in den vorgenannten Teilbereichen reduziert, was den Aufwand deutlich reduziert, um nach erreichter Lebensdauer von ca. 100 Jahren die Stoffe zu trennen und sie dem Wertstoffkreislauf wieder zuzuführen.

Die integrale Bauweise der Brücke über den Regnitzgrund stellt eine sehr wirtschaftliche Lösung dar, da auf Verschleiß teile wie Lager verzichtet werden kann. Als Querschnitt wurde ein Verbundquer schnitt gewählt, welcher die wirtschaftlichen Vorteile von Beton und Stahl vereint. Es wurden Stahlhohlkästen als Längsträger eingesetzt, um eine große Stützweite bei gleichzeitig niedriger Konstruktionshöhe zu erzielen. Die Konstruktion ermöglicht es zudem, die Gründungslasten zu minimieren. Die Herstellung mit schussweisem Einhub der Stahlschüsse und eine Verbundfahr bahnplatte aus Fertigteilen mit Ortbeton ergänzung reduzieren die Baukosten. Es kann so auf aufwendige Schalwagen oder Traggerüste verzichtet werden. Der hohe Vorfertigungsgrad im Werk und die Anlieferung der Bauteile just in time im Baufeld reduzierten zudem das Risiko der Auswirkungen eines möglichen Hochwas sers, derart wird eine hohe Qualität der einzelnen Bauteile sichergestellt, und zwar bei gleichzeitiger Minimierung der Errichtungskosten.

SYMPOSIUM 28 BRÜCKENBAU | 1/2 2022
15 Visualisierung der künftigen ÖPNV-Brücke im Regnitzgrund mit Blick von Norden © Ingenieurbüro Grassl GmbH/Firmhofer+Günther Architekten

5 Fazit

Der in Zusammenarbeit vom Ingenieur büro Grassl mit Firmhofer+Günther Architekten und Toponauten Landschaftsarchi tektur eingereichte Wettbewerbsentwurf wurde aus den fünf eingesandten Beiträgen im Rahmen der Preisgerichtssit zung einstimmig auf den ersten Platz gewählt: »Mit dem Brückenentwurf gelingt es den Entwurfsverfassern, ein anspruchsvolles Ingenieurbauwerk mit Anmut und zeichenhafter Gestalt in einer sensiblen Landschaft zu verwirklichen.

Es wird eine Brücke konzipiert, die leicht, durchgängig und verträglich wirkt, zugleich ein neues, ästhetisches Element in die Aue einfügt. Dabei ist insbesondere hervorzuheben, dass keinerlei Abstriche in der geforderten Funktion erforderlich sind und die Überfahrt durch den Regnitzgrund zu einem Erlebnis wird.« Nachfolgend wurde das Ingenieurbüro Grassl mit Firmhofer+Günther Architek ten für die weitere Planung der ÖPNVQuerung des Regnitzgrundes und der A 73 bis zur Realisierung beauftragt.

Autoren:

Angelika Feil, M.Sc.

Julian Seisenberger, M.Sc.

Dr.-Ing. Hans Grassl

Dipl.-Ing. Markus Karpa

Ingenieurbüro Grassl GmbH, München

Bauherr

Zweckverband Stadt-Umland-Bahn, Nürnberg, Erlangen, Herzogenaurach

Wettbewerbsentwurf Ingenieurbüro Grassl GmbH, München

Firmhofer+Günther Architekten, München

Toponauten Landschaftsarchitektur Gesellschaft mbH, Freising

29 1/2 2022 | BRÜCKENBAU SYMPOSIUM

Ersatzneubau

im Zuge der A 73 »Die Güßbacher Welle«

1.2 Lage

Mit dem Ersatzneubau der Auto bahnbrücke bei Breitengüßbach wurde in kürzester Planungs- und Ausführungszeit eine ingenieur technisch höchst anspruchsvolle Aufgabe unter laufendem Verkehr sowie unter Einhaltung des Kostenund Terminrahmens realisiert. Form und Gestaltung, technische Rand bedingungen sowie geometrische und terminliche Zwangspunkte wurden dabei auf sinnhafte und elegante Weise miteinander kombiniert. Die »Güßbacher Welle« ist somit ein hervorragendes Beispiel, wie zukünftig die Erneuerung unserer Verkehrsinfrastruktur in kurzer Planungs- und Ausführungs zeit im vorgegebenen Kostenrah men erfolgen soll und dabei gleichzeitig einen Beitrag zur Baukultur in Deutschland leisten kann.

1 Allgemeines

1.1 Bestand und Ablauf

Die Bahnlinie Nürnberg–Erfurt kreuzt südlich von Breitengüßbach die Bundes autobahn (BAB) A 73. Die unter der Brücke verlaufende Bahnstrecke Nürnberg–Ebensfeld wird im Rahmen des VDE-Projekts 8.1 durch die DB Netz AG viergleisig ausgebaut, so dass das bestehende Kreuzungsbauwerk abgebrochen und mit einer größeren Durchfahrtsbreite neuerrichtet werden musste. Die Autobahn GmbH des Bundes, Niederlassung Nordbayern, verbreitert im Rahmen dieses Ersatzneubaus gleichzeitig die BAB-Fahr bahn auf den derzeit gültigen Regelquer schnitt RQ 31.

Die für die Vorspannung des bestehenden Überbaus in Fahrtrichtung Lichten fels (Baujahr 1966) in Längsrichtung verwendeten Spannglieder der Firma Sager & Woerner sind als spannungsrisskorrosionsgefährdet eingestuft. Es sind Koppelfugen vorhanden.

Das Bestandsbauwerk ist aufgrund der festgestellten baulichen und altersbe dingten Defizite und der daraus resultierenden schlechten Zustandsnote von 2,9 (Fahrtrichtung Lichtenfels) und des Traglastindex V im Brückenmodernisie rungsprogramm des Bundes in der höchs ten Priorität gelistet.

Die vorhandene Brücke bestand aus zwei unterschiedlichen Teilbauwerken, die in den Jahren 1966 bzw. 1986 fertiggestellt wurden.

Beide Teilbauwerke, ein längsvorge spannter dreifeldriger Spannbetonhohl kasten und eine vierfeldrige Brücke mit einem aus fünf Spannbetonplattenbal kenfertigteilen bestehenden Überbau, mussten innerhalb von kurzen Wochen endsperrpausen der DB unter permanent laufendem BAB-Verkehr abgebrochen und erneuert werden.

Die beiden neuen Teilbauwerke wurden ebenfalls unter laufendem Verkehr hergestellt. Die neuen Stahl-Überbauten wurden dabei hinter dem Widerlager Süd vorgefertigt und in kurzen Sperrpausen der Bahn in Längsrichtung eingeschoben.

Aufgrund der langfristig vorgegebenen Sperrpausen der Bahn hatte die vollstän dige Entwurfsplanung innerhalb von zwölf Monaten abgeschlossen zu sein, wobei die Ausführungsplanung parallel mit der Ausschreibung erstellt wurde, so dass unmittelbar mit Beauftragung der Bauunternehmen die Ausführung mit der Materialbestellung begonnen werden konnte.

Die A 73 beginnt am Autobahndreieck Suhl (A 71) und führt zunächst über Coburg, Lichtenfels und Bamberg nach Nürnberg. Es handelt sich um eine Überregionalautobahn der Entwurfsklasse EKA 1 B, auf der eine Begrenzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf 120 km/h herrscht. Die durchschnittliche Verkehrsbelastung beträgt 36.500 Kfz/24h bei einem Schwerverkehrsanteil von 10 %. Das Bauwerk 93 b im Zuge der BAB 73 befindet sich nördlich des Autobahnkreu zes Bamberg unmittelbar im Bereich der Anschlussstelle Breitengüßbach Süd. Die BAB 73 überführt in einem Winkel von ca. 45° die B 4 mit nebenliegendem Radweg, die Gleisanlagen der Deutschen Bahn AG und einen Feldweg.

Für den geplanten Streckenausbau unter dem Bauwerk im Zuge der Ausbau- bzw. Neubaustrecke Nürnberg–Ebensfeld–Erfurt wurde die Bahnanlage auf vier Gleise verbreitert.

Die wesentlichen Randbedingungen bezüglich der Gleisanlagen sind die Einhaltung einer lichten Höhe über der Oberkante Gleis von ≥ 6,00 m und ein lichter seitlicher Abstand der Stützen des Bauwerks zur Gleisachse entspre chend dem gleisgeometrischen Projekt von ≥ 7,00 m.

Neben den Belangen des Aus- und Neubaus der Bahnstrecke sind die Trassierung und die Gradiente der A 73, die Trassie rung der B 4 und die Unterführung eines Feld- bzw. Wirtschaftsweges und eines Radweges zu berücksichtigen.

SYMPOSIUM 30 BRÜCKENBAU | 1/2 2022
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©
Lageplan
Autobahndirektion Nordbayern

2 Entwurfsplanung

Mit der Variantenuntersuchung und der Entwurfsplanung wurde im Frühjahr 2016 begonnen. Aufgrund der großen Schiefwinkeligkeit der kreuzenden Verkehrswege und zur Reduzierung der Brücken flächen wurden im Grundriss versetzte Stützen und schiefwinkelige Widerlager als Vorzugslösung im Rahmen der Vorplanung ermittelt.

Weiterhin wurde aufgrund der vorhandenen Gradientenlage der BAB und der geringen Konstruktionshöhe von nur ca. 1,50 m über dem Lichtraumprofil der DB ein obenliegendes Tragwerk bei den hier vorhandenen maximalen Stützweiten von 80 m für die Brücke erforderlich. Durch die Vorgabe von getrennten Überbauten je Richtungsfahrbahn ergeben sich dann insgesamt vier Tragwerksebe nen, die zudem im Raum versetzt angeordnet werden müssen.

Diese gestalterisch anspruchsvolle Aufgabe wurde noch durch die Vorgabe für einen zusätzlichen Lärmschutz, kombi niert mit einem Berührschutz an den außenliegenden Fahrbahnrändern, vergrößert. Ein weiterer wichtiger Aspekt der Entwurfsplanung war die Herstellung des Ersatzneubaus unter Berücksichti gung des geringen Zeitfensters für die Montage über den Gleisanlagen der DB und die Verkehrsführungen der BAB 73 im Bauzustand. Als Vorzugslösung wurde eine Stahlverbundbrücke als Durchlauf träger über drei Felder mit Stützweiten von 35 m, 80 m und 35 m gewählt.

Aufgrund der begrenzten Bauhöhe über den Gleisen der DB wird für beide Teilbauwerke jeweils ein Trogquerschnitt mit außenliegenden Hauptträgern als Doppelwelle geplant. Die beiden getrennten Überbauten haben eine Nutzbreite zwischen den Hauptträgerstegen von jeweils 16,30 m. Die Gesamtbreite der beiden Überbauten zwischen den inneren Stegen der äußeren Hauptträger beträgt 36,40 m. Zwischen den beiden inneren Hauptträgern ergibt sich somit ein Wartungsgang mit 1,00 m lichter Breite. Die Hauptträger werden als luftdicht verschweißte, jedoch notbegehbare Hohlkästen ausgeführt. Die jeweils außenlie genden Hauptträger der Teilbauwerke 1 und 2 werden wellenförmig, dem Momentverlauf folgend, mit Hochpunkten jeweils über den Stützen ausgeführt. Die Bauhöhe der äußeren Hauptträger, die jeweils einer Doppelwelle folgen, misst an den Widerlagern 3,40 m, über den Stützen jeweils 5,10 m und in Feldmitte 3,25 m.

Im Wellental in der Bauwerksmitte werden auf den äußeren Hauptträgern transparente Schutzwände angeordnet, die ebenfalls der Wellenform folgen. Die maximale Höhe der äußeren Ansichtsseite beträgt im Bereich der Schutzwand 7,10 m. Auf den beiden äußeren Hauptträgern wird im Mittelfeld jeweils ein transparenter Berührungsschutz gemäß RIZ Elt 2 realisiert, die Oberkante der Wand dabei als Gegenwelle gekrümmt

ausgeführt. Somit ergeben sich trapezförmige Elemente mit unterschiedlichen Höhen bis ca. 4,20 m. Die Glaselemente werden hier ohne horizontale Fugen an einem Stück eingebaut, die Ober- und Unterkanten der Elemente verlaufen somit ohne Versprünge.

Die 20 mm dicken Acrylglaselemente werden am unteren Rand und an den Seitenrändern mit einer EPDM-Profildich tung und einem U-Profil aus Edelstahl eingefasst. Der obere Rand erhält keine Einfassung. Die Elemente werden fahrbahnseitig mittels Klemmleisten aus nichtrostendem Stahl an die Pfosten geklemmt und am Pfostenfuß gelagert. Die Klemmleisten fixieren die seitlichen Elementränder und sind über am Pfosten angeschweißte Ankerschienen befestigt. Somit können die Verformungen aus dem Überbau im Bereich der Fugen sicher ausgeglichen werden.

Die Pfosten werden als T-Profil mit nach oben veränderlicher Profilhöhe ausge führt. Ihr Abstand beträgt ca. 1,60 m, was dem halben Querträgerabstand entspricht. Zum Ausgleich der geneigten Obergurte der Hauptträger werden keilförmige Ankerplatten auf den Obergurt geschweißt, auf die dann die Fußplatten der Pfosten aufgeschraubt werden. Die beiden inneren Hauptträger werden aufgrund der Schiefwinkeligkeit des Bauwerks als einfache flache Welle mit dem Hochpunkt in Bauwerksmitte ausgeführt.

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2 Ansicht des Ersatzneubaus © Leonhardt, Andrä und Partner AG 3 Querschnitt des Überbaus © Leonhardt, Andrä und Partner AG

Die maximale Bauhöhe der innenliegen den Hauptträger beträgt 4,60 m. Die Stege der Hauptträger werden entsprechend ihren Belastungen aus den Bauzuständen und dem Endzustand mit Trapezhohlsteifen gegen Stabilitätsversagen gesichert.

In Brückenquerrichtung werden die Lasten der Fahrbahnplatte über Stahlquer träger, die als Doppel-T-Profil ausgebildet sind, zu den äußeren Hauptträgern abgetragen. Die Bauhöhe der Querträger ist variabel, wobei ihre Obergurte der Querneigung der Fahrbahnplatte folgen. Der Regelabstand der Querträger beträgt 3,20 m. Zur Vermeidung von Verschmut zungen auf den offenen Untergurten erhalten die Querträger seitliche Taubenbleche, die gleichzeitig ihrer Aussteifung dienen.

Die Fahrbahnplatte wird als Stahlver bundkonstruktion mit 12 cm dicken Halbfertigteilen und einer 22 cm dicken Ortbetonergänzung ausgeführt. Die Gesamtdicke der Fahrbahnplatte beträgt somit 34 cm und ist über Kopfbolzen mit den Stahlquerträgern verbunden. Im Bereich der Bahngleise wird anstelle der Halbfertigteile ein Stahlblech als verlorene Schalung verwendet, das im Verbund mit der Fahrbahnplatte trägt. Im Bereich

der Endquerträger wird ebenfalls ein geschlossenes Deckblech verwendet, so dass auf Sonderfertigteile bzw. örtliche Schalungsarbeiten verzichtet werden kann. Die Fahrbahnplatte wird zur Vermeidung von offenen Längsfugen mit Kopfbolzendübeln seitlich fest mit den Hauptträgerstegen verbunden.

Zur Vermeidung von abhebenden Lagerkräften werden die Endquerträger und die Zwickelbreiche vor den Endquerträ gern mit Ballastbeton verfüllt. Zur weiteren Erhöhung der vertikalen Auflager kräfte am Widerlager wird der Überbau nach dem Endverschub in den Pfeilerach sen ca. 20 cm abgesenkt, so dass eine zusätzliche vertikale Zwangskraft in die Lager eingeprägt wird. Diese Verformun gen werden neben der Verkehrslastüberhöhung bereits in der spannungslosen Werkstattform berücksichtigt. Die Gesamtbreite der beiden Überbauten zwischen den inneren Stegen der äußeren Hauptträger beträgt 36,40 m. Zwischen den beiden inneren Hauptträgern ergibt sich somit ein Wartungsgang mit 1,00 m lichter Breite.

Der innovative Lösungsansatz mit unterschiedlich geformten Tragebenen, bei der die beiden mittleren Tragebenen optisch zu einer Einheit verschmelzen,

ist ein Alleinstellungsmerkmal. Das Bauwerk bildet ein Merkzeichen und hält sich dennoch in der Erscheinung zurück. In Kombination mit den gläsernen Lärm schutzwänden auf den äußeren Trägern ergibt sich ein elegantes Wellenspiel, welches sich selbstverständlich in die Landschaft einfügt.

3 Ausschreibung und Ausführungsplanung Nach Abgabe der Entwurfsunterlagen wurde im Frühjahr 2017 unmittelbar nach Genehmigung des Entwurfs mit der Ausführungsplanung begonnen sowie parallel mit der Erstellung der Ausschrei bungsunterlagen und der Vorbereitung der Vergabe der Bauleistungen. Zur Sicherstellung der Bautermine und insbesondere der eng begrenzten Sperrpausen musste zwingend mit Beauftra gung der Bauausführung bereits der geprüfte Materialverteilungsplan mit geprüfter statischer Berechnung unter Berücksichtigung der Bauzustände aus dem Taktschiebeverfahren vorliegen. Nur so konnten die Lieferfristen für Material bestellungen und auch die geplanten Zwischentermine und Sperrpausen für die Abbruch- und die Neubauarbeiten zielsicher eingehalten werden.

SYMPOSIUM 32 BRÜCKENBAU | 1/2 2022
4 Längsschnitt des äußeren Hauptträgers © Leonhardt, Andrä und Partner AG 5 Längsschnitt des inneren Hauptträgers © Leonhardt, Andrä und Partner AG

Aufgrund der hohen Planungstiefe mit genauen und bereits geprüften Ausfüh rungsmengen in der Angebotsphase waren die Bieter in der Lage, zweifelsfreie Angebote zu kalkulieren, und der Kostenrahmen des Bauherrn konnte sicher eingehalten werden.

4 Bauausführung

4.1 Vorwegmaßnahme

Im Juli und August 2016 wurde als vorgezogene Maßnahme der Umbau des Berührungsschutzes am Teilbauwerk 2 ausgeführt. Die Bauarbeiten erfolgten im Bereich über der Bahnstrecke, um das Zeitfenster der Vollsperrung der DB-Strecke unterhalb des Bauwerks zu nutzen.

Im Zuge der Arbeiten wurde der Berührungsschutz umgebaut und dessen Erdung entsprechend den Bahnvorschrif ten erneuert. Weiterhin wurden die äußeren Kappen so weit umgebaut, dass sich die erforderliche Nutzbreite von 11,50 m für den 4+0-Verkehr realisieren ließ. Damit konnte das Bauwerk zum Beginn der Arbeiten für den Ersatzneubau ohne eine weitere Bahnsperrpause und ohne weitere Bauarbeiten für einen 4+0-Verkehr ertüchtigt und der Verkehr sofort auf dieses Teilbauwerk umgelegt werden.

4.2 Abbruch

Die Beauftragung der bauausführenden Arbeitsgemeinschaft erfolgte zum 17. August 2018. Zur Aufrechterhaltung des BAB-Verkehrs wurde er mit Beginn der Baumaßnahme auf das bereits für den 4+0-Verkehr vorbereitete Teilbau werk verlegt.

Die wesentlichen Randbedingungen für den Abbruch der Bestandsbauwerke waren die Berücksichtigung des Bahnver kehrs unterhalb des Bauwerks und der Schutz der Gleis- und Oberleitungsanla gen. Der Abbruch der Teilbauwerke 1 und 2 erfolgte jeweils in Bahnsperrpausen. Beide Überbauten wurden in dieser Zeit ohne Sprengen abgebrochen, wobei die Oberleitungsanlagen zuvor zurückgebaut und gesichert worden waren. Die Gleisanlagen wurden anschließend durch eine Geotextiltrennlage und ein Schutzpolster aus Kies oder Schotter gegen Beschädi gungen gesichert.

Der Abbruch erfolgte innerhalb der vorgegebenen Sperrpausen von 48 h mit Abbruchbaggern, die mit Meißeln und Abbruchzangen ausgestattet waren.

4.3 Neubau der Pfeiler

In den Achsen 20 und 30 liegen die Überbauten auf runden Massivpfeilern auf. Aufgrund der geringen Höhe über Gelände werden zur Vermeidung von Pfeiler kopfverbreiterungen nur die Lager auf dem Pfeilerkopf angeordnet. Die Pressen für den Lagerwechsel werden auf Hilfsstützen abgestellt, die sich auf den vorhandenen Pfahlkopfplatten abstützen können. Im Grundriss weisen die Pfeiler einen Kreisquerschnitt mit einem Durchmesser von 1,60 m auf. Der Pfeilerkopf verfügt über eine Fase von 10 cm.

Die Tiefgründung der Pfeiler erfolgte über Pfahlkopfplatten mit einer Dicke von 1,50 m und jeweils drei Großbohrpfählen mit einem Durchmesser von 1,50 m. Die Pfahlkopfplatten wurden zusätzlich mit einem Fundamentsockel bis Gelän deoberkante zur Aufnahme der Hilfsstützen sowohl im Bauzustand als auch im Zustand des Lagerwechsels versehen.

4.4 Neubau der Widerlager

Bei der Herstellung der Widerlager im ersten und zweiten Bauabschnitt waren die Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Bauabschnitten zu berücksichtigen. Insbesondere der Rückbau der Widerlager des Teilbauwerks 1, während der Verkehr der BAB 73 auf dem Teilbau werk 2 geführt wurde, konnte nur mit zusätzlichen Baubehelfen realisiert werden. Für die Herstellung der neuen Widerlager wurde vor dem Abbruch des ersten höher liegenden Bauwerks Bohrpfähle zwischen die Bestandsstrukturen eingebracht, die im Zuge des Abbruchs des Widerlagers des Teilbauwerks 1 rückverankert wurden und der Sicherung der Widerlagergründung des Teilbauwerks 2 dienen.

33 1/2 2022 | BRÜCKENBAU SYMPOSIUM
6 Abbruch des Bestandsbauwerks © Hajo Dietz/Nürnberger Luftbild

4.5 Neubau des Überbaus

Mit Beauftragung der Bauausführung konnten auf Grundlage der bereits geprüften Materialverteilung die Stahlbleche für den ersten Überbau bestellt und mit der Werkstattplanung begonnen werden.

Die Herstellung der Überbauten erfolgte im Taktschiebeverfahren, beginnend vom Widerlager 10 aus. Dabei wurden die bereits in der Werkstatt vorgefertigten Hauptträgersegmente und die Querträger innerhalb der 120 m langen Taktanlage abschnittsweise zusammengebaut und anschließend in Längsrichtung verscho ben. Der erste Teilverschub mit einer Länge von ca. 40 m über die Bundesstraße 4 erfolgte am 23. Januar 2020. Zum Höhenausgleich wurde am Vorbauschnabel eine Hubvorrichtung angebracht, die beim Auffahren des Überbaus auf die Verschiebelager selbigen entsprechend angehoben hat.

Nachdem der restliche Teil des Überbaus in der Taktanlage montiert und verschweißt worden war, wurde der komplette Überbau innerhalb einer Sperrpause in seine Endlage verschoben. Nach dem Endverschub wurden die Verschiebelager ausgebaut und der Stahlüberbau auf seinen endgültigen Lagern positioniert. Danach konnte die Fahr bahnplatte bewehrt und betoniert

werden, wobei die Betonage der gesamten Fahrbahnplatte ohne Querfugen in einem Arbeitsgang erfolgte.

Nach der Fertigstellung der Fahrbahn platte wurden die Abdichtungen, die Kappen und die Fahrbahnbeläge aufgebracht.

Anschließend wurden die transparenten Lärmschutzwände auf dem Bauwerk montiert.

Das erste Teilbauwerk konnte am 19. November 2020 nach zweijähriger Bauzeit termingerecht dem Verkehr übergeben werden.

Nach Umverlegung des Verkehrs auf die neuerrichtete Richtungsfahrbahn Erfurt wurde das zweite Teilbauwerk abgebro chen und analog zum ersten Bauab schnitt hergestellt.

SYMPOSIUM 34 BRÜCKENBAU | 1/2 2022
10 Aufbringen des Fahrbahnbelags © Hajo Dietz/Nürnberger Luftbild 7 Höhenausgleich am Vorbauschnabel © Hajo Dietz/Nürnberger Luftbild 9 Betonage der Fahrbahnplatte in einem Arbeitsgang © Hajo Dietz/Nürnberger Luftbild 11 Schutzwand nach Montage © Hajo Dietz/Nürnberger Luftbild 8 Endverschub des kompletten Überbaus © Hajo Dietz/Nürnberger Luftbild

5 Zusammenfassung

Aufgrund der detaillierten Entwurfsund der vorgezogenen Ausführungspla nung war es den Beteiligten möglich, die engen und zudem an feste Sperrpausen der ICE-Strecke München–Berlin gekoppelten Termine sowie den Kostenrahmen für die Herstellung des anspruchsvollen Ingenieurbauwerks unter komplexen Randbedingungen sicher einzuhalten. Für die Gesamtmaßnahme ist eine Bauzeit von 4,5 Jahren veranschlagt. Die relativ lange Bauzeit ist abhängig von

den Sperrpausen der DB im Rahmen des VDE-Projekts 8.1 und daher geprägt von größeren bauzeitlichen Unterbre chungen.

Die gesamte Planung von der Erstellung und Genehmigung des RAB-ING-Entwurfs einschließlich der Kreuzungsvereinba rung mit der DB AG über die vorgezogene geprüfte Ausführungsplanung und die Erstellung der Ausschreibungsunterlagen bis zur Submission wurde hingegen in nur knapp 2,5 Jahren abgewickelt.

Planungsbeginn 01.02.2016

Ausschreibungsbeginn 01.02.2017

Submission 26.04.2018

Auftragnehmerbeauftragung 17.08.2018

Abbruch von Teilbauwerk 1 30.03.2019–02.04.2019

Verschub bis Achse 20 23.01.2020 Verschub bis Achse 40 17.04.2020–27.04.2020

Fertigstellung des ersten Bauabschnitts 19.11.2020 Abbruch des zweiten Teilbauwerks 15.01.2021–18.01.2021

Verschub bis Achse 20 28.10.2021 Verschub bis Achse 40 18.02.2022–21.02.2022

Fertigstellung des zweien Bauabschnitts bis 30.11.2022 Gesamtfertigstellung bis 31.03.2023

13 Terminschiene und Ablauf © Leonhardt, Andrä und Partner AG

Die Autoren bedanken sich für die sehr gute und konstruktive Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten zur erfolgrei chen Realisierung dieses anspruchsvollen Bauvorhabens.

Autoren: Dipl.-Ing. Bernd Endres Leitender Baudirektor Autobahn GmbH des Bundes Niederlassung Nordbayern, Nürnberg Dipl.-Ing. Rolf Jung Leonhardt, Andrä und Partner Beratende Ingenieure VBI AG, Niederlassung Dresden

Bauherr Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Autobahn GmbH des Bundes, Niederlassung Nordbayern, Nürnberg

Entwurfs- und Ausführungsplanung Leonhardt, Andrä und Partner Beratende Ingenieure VBI AG, Niederlassung Dresden

Prüfingenieur Prof. Dr.-Ing. Karsten Geißler, Berlin

Bauausführung und Baubehelfe Arbeitsgemeinschaft: Adam Hörnig Baugesellschaft mbH & Co. KG, Aschaffenburg Donges SteelTec GmbH, Darmstadt

Bauoberleitung Autobahn GmbH des Bundes, Niederlassung Nordbayern, Außenstelle Bayreuth

35 1/2 2022 | BRÜCKENBAU SYMPOSIUM
12 Erstes Teilbauwerk nach Fertigstellung © Stephan Wilm

Das Riff, PD#18245 in der niederländischen Provinz Flevoland Kunst im Brückenbau oder Brückenbau in der Kunst

Das Riff, PD#18245 ist ein Land schaftskunstwerk, das von der niederländischen Provinz Flevoland anlässlich des 100. Jahrestags des Gesetzes über die Abtrennung der Zuidersee beim Künstler Bob Gramsma bestellt wurde. Als Bestandteil der international beachte ten Landart Flevoland Collection steht das 37 m lange und 7 m hohe Kunstwerk aus Beton auf Pfählen auf dem Marschland Flevolands. Seine Form entwickelte sich als Grabung in einer künstlichen temporären Schüttung aus lokalem Boden. Für die Realisierung wurden in einer inspirierenden Zusammen arbeit von Künstler, Ingenieuren und Unternehmern verschiedene bauliche Lösungen aus dem Brücken- und dem Hochbau in einen neuen Kontext gestellt und an die spezifischen Bedürfnisse der Kunst angepasst.

1 Einleitung

Am 14. Juni 1918 wurde in den Niederlan den das Gesetz über die Abtrennung der Zuidersee (Zuiderzeewet) verabschiedet. Damit war der Grundstein gelegt, die ambitionierten Pläne des niederländi schen Wasserbauingenieurs Cornelis Lely umzusetzen und dem Meer eine zusätzliche Provinz abzugewinnen. Die Trockenlegung des mehrere Meter unter dem Meeresspiegel liegenden Bodens in sogenannten Poldern dauerte einige Jahrzehnte. So entstand mit Flevoland die zwölfte und jüngste Provinz der Niederlande, welche nicht nur durch die Namensgebung der Hauptstadt Lelystad nach einem Wasserbauingenieur tief mit der Ingenieurskunst verbunden ist.

Noch während des Baus entwickelte sich die Idee, anstelle eines Kunstmuseums den Umgang mit der Natur bzw. die menschlichen Eingriffe in die Landschaft zu thematisieren und eine Sammlung von Landschaftskunstwerken zu schaffen. Damit wurde an die in den 1960er Jahren in Amerika entstandene Bewegung in der bildenden Kunst, die Land Art, angeknüpft und über die Jahre neun monu mentale Werke teils weltberühmter Künstler wie Robert Morris, Richard Serra, aber auch vom bekannten Architekten Daniel Liebeskind realisiert, welche heute als Land Art Flevoland Besucher aus aller Welt anziehen. Alle Werke nehmen dabei Bezug auf oder thematisieren das dem Meer abgewonnene Bauwerk Flevoland.

Zur Feier des 100. Jahrestags des Zuiderzeewets wurde ein internationaler Kunstwettbewerb ausgeschrieben, den der Schweizer Künstler Bob Gramsma 2018 mit seinem monumentalen Vorschlag »Riff, PD#18245« (Bild 1) für sich entscheiden konnte. Gramsma sah vor, einen Hügel aus Acker- und Zuiderzeeboden zu errichten und in diesen einen großen Hohlraum zu graben, selbigen mit Beton auszukleiden, ihn nach oben mit einer flachen, glatten Deckenplatte abzuschlie ßen und danach das Erdreich wieder abzutragen, um einen mit Zuiderzee-Bodenresten vermischten Betonguss zu hinterlassen.

Riff, PD#18245 ist sowohl ein skulpturales Objekt als auch eine Restform. Das Werk ist ein Abdruck von Gramsmas Grabun gen im Boden von Flevoland und spiegelt die Urbarmachung und die Künstlichkeit des Polders wider. Wie ein gigantischer aufgeworfener Lehmbrocken steht es in Dronten auf dem landwirtschaftlich genutzten Marschland nahe einem Deich. Der Besucher kann eine Treppe hinaufgehen und auf einer Plattform von oben einen Blick auf das alte Land bei Elburg und die neue, künstliche Landschaft des Polders mit ihren Deichen, Straßen und Gräben werfen. Die Skulptur stellt aber auch eine visuelle Verbindung zwischen dem Veluwemeer und dem Flevopolder dar. »Ich versuche, das Unfassbare erfahrbar zu machen. Durch die elementare Freilegung der Erde, durch das fehlende Material und die Vergangenheit, die sie verkörpert, werden wir daran erinnert, dass die Erde und ihre Geschichte –ebenso wie die kosmischen Kräfte oder Energien, die sie formen – jenseits der menschlichen Verständlichkeit liegen. Aber wir können versuchen, ihre unergründliche Präsenz in der historischen Zeit zu verstehen oder zu würdigen, wenn wir uns Zugang zu diesem exhumierten Überbleibsel verschaffen«, meint Gramsma zu seinem Werk.

SYMPOSIUM 36 BRÜCKENBAU | 1/2 2022
1 Riff, PD#18245, Wettbewerbseingabe von Bob Gramsma © Bob Gramsma

In der Bauterminologie wirkte Gramsma für die Erstellung des Kunstwerks als Totalunternehmer, der sowohl die Planung als auch die Ausführung übernahm. Für die Entwicklung seiner Riff-Idee in ein konkretes Projekt und dessen Umsetzung in ein Bauwerk arbeitete Gramsma eng mit den Ingenieuren von WaltGalmarini zusammen. Während der Künstler es gewohnt ist, alles von der Idee bis zum fertigen Werk als kreativen Schaffenspro zess zu verstehen, bei dem das Objekt ständig angepasst, moduliert und handwerklich-künstlerisch bearbeitet wird, sind Ingenieure es gewohnt, die Ideen in Konzepte zu überführen und die Konzepte in Plänen zu konsolidieren, worauf die Realisierung dann gerne mit möglichst wenig Abweichungen den Plänen zu folgen hat. Zudem sollten die Geometrie und Materialisierung der tragenden Elemente sowie der Kraftfluss gerne so weit definiert sein, dass ein Tragwerk mittels Nachweisen auf Tragfähigkeit und Gebrauchstauglichkeit verifiziert werden kann. Aufgrund der Größe der 37 m langen, bis zu 13 m breiten und 7 m hohen Skulptur, welche zudem noch punktge stützt über dem Marschland schweben sollte, war es nicht möglich oder sinnvoll,

diese unterschiedliche Prozessauffassung durch »konservatives Bereitstellen von Tragwiderstand überall und für alles« zu übertünchen. Vielmehr wurde in einem intensiven Prozess gemeinsam identifi ziert, welche Aspekte und Bereiche vorrangig »ingenieurmäßig« definiert werden können sowie wo und inwieweit während der Errichtung »künstlerische Freiheit« gelebt werden kann. Nachfol gend werden Aspekte des realisierten Bauwerks beschrieben, ohne auf die vielen während dieses Prozesses verworfe nen Konzepte und Lösungen einzugehen, obwohl auch diese einen wesentlichen Einfluss auf das gebaute Werk haben.

2 Tragwerkskonzept und Konstruktion

Zu Beginn der ingenieurmäßigen Bearbeitung stellte sich erst einmal die Frage, wie das Kunstwerk dimensioniert werden soll: Für Brücken wie für Gebäude existieren Normen, welche Einwirkungen und deren Kombinationen sowie Tragsicher heits- und Gebrauchstauglichkeitsanforderungen weitgehend definieren, und oft finden sich Behörden, die recht genaue Vorstellungen davon haben,

welche Prozesse und Dokumentations schritte zu durchlaufen und welche Vorgaben zu erfüllen sind, damit eine Brücke oder ein Gebäude gebaut werden darf –aber für ein Kunstwerk auf dem freien Feld?

So wurde vieles nach »engineering judgement« festgelegt. Das Kunstwerk wurde zum Beispiel für Windlasten wie bei einem Gebäude und für eine einem Balkon entsprechende Flächenlast auf der Deckenplatte ausgelegt und die Deckenplatte mit einem großzügigen Gefälle geplant, so dass Regenwasser nicht liegen bleibt. Es wurden aber keine expliziten Verformungskriterien aufge stellt und die Betonüberdeckung wurde nach den Normwerten für bewitterte, aber ungesalzene Außenflächen gewählt.

Ausgehend von der künstlerischen Idee, einer groben Form des Riffs mit einer mergelstein- oder brekzienartigen Oberfläche auf Pfählen, wurde für das Tragwerk die Idee vom Schiff, das zur Brücke wird, entwickelt. Im Bauzustand »schwimmt« das Riff im tonigen Boden, im Endzustand spannt sich das Riff brückenartig von Pfahlgruppe zu Pfahlgruppe.

37 1/2 2022 | BRÜCKENBAU SYMPOSIUM
2 Riff, PD#18245, Übersichtsplan: Prinzip und Struktur © WaltGalmarini AG

Das Tragwerkskonzept baut dementspre chend auf einer durch Spanten und Kiel ausgesteiften Außenhaut, auf aufgelösten Längs- und Querschotten und Pfählen mit entsprechenden Pfahlkopfplatten auf. Da die künstlerische Idee von Anfang an eine Stoßrichtung und nicht das fertige Kunstwerk darstellte, musste in einem intensiven Prozess früh geklärt werden, welche Bauelemente bzw. Geometrien wann und wie zu definieren waren. Die Hauptachsen mit den vertikalen und horizontalen Positionen der Zentren der Pfahlgruppen wurden so sehr früh im Planungsprozess festgelegt, während die Außenhaut erst auf der Baustelle während der Herstellung ihre finale Form erhielt. Bei allen grundsätzlichen Freiheiten musste jedoch auch diese Form überall dort planmäßigen geometrischen Anforderungen genügen, wo Übergänge zu in den vorhergegangenen Phasen realisierten Bauteilen vorhanden waren. Eine große Hilfe bei der Entwicklung zusammen mit dem Künstler, aber auch für die Verständigung auf der Baustelle waren die vom 90-jährigen Walter Bolliger handgezeichneten Pläne, welche ohne viel Text Klarheit schafften, siehe Bild 2 und Bild 3.

Die Umsetzung des Tragwerkkonzepts wurde nebst dem Bestreben, die künstlerische Freiheit so lange und so weit wie möglich zu bewahren, maßgeblich durch die Zwänge eines vorgegebenen, knappen Budgets und der bauhandwerklichen Fähigkeiten und Präferenzen der örtlichen Unternehmer beeinflusst. So war zum Beispiel bald klar, dass vorfabrizierte und im Spannbett vorgespannte Betonpfähle mit quadratischem Querschnitt zum Einsatz kommen würden, weil diese zu tausenden Verwendung finden und dadurch sehr günstig und flexibel erhältlich sind.

Eine der wenigen Vorgaben, welche seitens der Behörde gemacht wurde, war, dass Pfahlarbeiten wegen der Brutzeiten verschiedener Vogelarten nur in bestimmten Zeitfenstern erfolgen durften und bis Ende August abgeschlossen sein mussten. Da das Kunstwerk im Zusam menhang mit den »100-Jahre-Feierlich keiten« eingeweiht werden sollte, mussten die Pfähle 2018 gerammt werden. Dies führte zu einer rollenden Planung, bei der die Pfähle zu definieren und zu erstellen waren – weit vor der Fertigpro jektierung des Gesamtwerks (Bild 4).

Durch die erzwungene vorgezogene Herstellung der Pfähle ergaben sich auch neue, einschneidende Randbedingungen für den Bauablauf: Trotz einer künstleri schen Arbeitsweise, bei welcher von oben nach unten gegraben wird, mussten nun die Pfahlgruppen recht genau getroffen werden. Da die eingesetzten Pfähle zudem durch die Bagger beim Graben leicht hätten beschädigt werden können, wurde entschieden, die Pfahlköpfe in klassische Pfahlkopfplatten einzubinden und diese ebenfalls vorgezogen auszuführen. Die drei Pfahlkopfplatten stellen den Kraftfluss von der Skulptur in die 18 Pfähle sicher. Sämtliche Pfähle sind geneigt, um als Pfahlgruppe auch Horizontallasten als Pfahlnormalkräfte abtragen zu können.

SYMPOSIUM 38 BRÜCKENBAU | 1/2 2022
3 Riff, PD#18245, Schema der Querschnitte © WaltGalmarini AG 4 PRiff, PD#18245, Rammpfähle als eigenständige Installation im Marschland © Bob Gramsma

Auf den Pfahlkopfplatten bilden aufgelöste Querschotten sowie ein geknicktes Längsfachwerk, welches zwischen den Pfahlkopfplatten spannt bzw. darüber hinausragt, zusammen mit dem Treppen haus das Rückgrat des Tragwerks. Das Vorziehen der Pfahlkopfplatten ermög lichte, diese Elemente schon früh zu realisieren und damit die übergeordnete Geometrie mit den wichtigsten Fixpunk ten vor Ort eindeutig zu definieren, was entsprechende Fehlerquellen auszu schließen half (Bild 5). Auch während der formbildenden künstlerischen Grabungs arbeiten dienten diese Elemente als Orientierungshilfe, um am richtigen Ort zu landen. Entlang der Enden der Querschotten unter der Deckenebene sichert ein Randbalken die Spritzbetonschale im Bau gegen ein Abrutschen und dient im Endzustand der einachsig tragenden Decke als Auflager.

Die Querschotten bestehen aus ver schweißten RRW-Profilen und wurden mittels einbetonierter Gewindestangen auf die Pfahlkopfplatten gespannt. Die beiden kleineren konnten vollständig im Werk vorgefertigt werden, die größeren beiden sind durch geschraubte Montage stöße in transporttaugliche Teile gegliedert worden. Aufgeschweißte IPE-Profile stellen als Schubnocken die Krafteinlei tung aus dem Randbalken sicher, gegen die Decke ermöglichen Kopfbolzendübel eine Verbundwirkung.

Das Längsfachwerk wird durch unter der Deckenebene angeordnete HEB-Träger, vertikale HEB-Pfosten, Zugstreben aus Spannstangen mit zentralen Spann schlössern und den als Balken ausgebil deten, vor Ort betonierten untersten Teil der Außenform gebildet. Die HEB-Träger sind mit Kopfbolzendübeln ausgestattet und wirken im Bauzustand als Auflager für die vorfabrizierten Deckenträger sowie im Endzustand im Verbund zur Längs verteilung der Lasten und als Obergurt des Fachwerks. Da der den Untergurt bildende Betonbalken stark gekrümmt ist, war vorauszusehen, dass er je nach Steifigkeitsverhältnissen und definitiver künstlerischer Formgebung auch mehr oder weniger als Bogen tragen würde.

Im Sinne der Robustheit wurden die Elemente so dimensioniert, dass sich beide Tragweisen einstellen können. Das Treppenhaus besteht aus einer am unteren Ende auskragenden und am oberen Ende in ein Podest übergehenden Treppe, welche zwischen zwei Längswänden eingelassen ist. Das Podest stützt sich auf einem Querschott ab, unter der Treppe sichert eine Tür den Zugang zum Innern für Inspektion und Unterhalt.

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5 Riff, PD#18245, Stahlfachwerke und Treppenwände während der Schüttarbeiten © Bob Gramsma 6 Riff, PD#18245, Auszug aus dem Werkstattplan: Isometrie der Stahlkonstruktion © Ackermann Konstruktiebedrijf

Nach anfänglicher Absicht des Unterneh mers, das Treppenhaus in Elementen im Werk vorzufabrizieren und vor Ort zusammenzusetzen, wurde es zu einer schlaff bewehrten Ortbetonkonstruktion umgeplant, bei der zuerst die Längswände, an welche die Außenform und die Decken platte anschließen, hergestellt werden und erst ganz zum Ende, nach der Freilegung der Skulptur, die Treppe betoniert wird. Ein Querträger unterhalb der Treppe erlaubt Kräfte in der Ebene der Außen form durchzuleiten. Die Deckenplatte stellt die Formstabilität im oberen Bereich mittels Scheibenwirkung sicher.

Der Randbalken (Bild 7) hat einen planerisch-statischen Querschnitt von b × h = 30 cm × 75 cm, welcher konventionell bewehrt ist. Effektiv hat er gegen die gegrabene Skulpturaußenseite ein Übermaß, um sich der künstlerischen Form anzupassen, wobei die äußere Oberfläche zusätzlich mit einem Netz analog der Außenform bewehrt ist.

Die Außenform wurde als in zwei Phasen gespritzte und mit einem 75-mm-Netz (d = 5 mm) bewehrte Konstruktion geplant und als zweilagig stabbewehrte Spritzbetonkonstruktion mit einer Dicke von 15–25 cm ausgeführt. Alle ca. 3 m ist die Spritzbetonform mit Rippen ausge steift. Die konventionell bewehrten und mitgespritzten Rippen schließen oben an den Randbalken und unten an das Längsfachwerk an.

Die 24 cm dicke Deckenplatte besteht aus Leichtbeton-Hohlsteinelementen, welche zwischen spannbettvorgespannte Rippenelemente gelegt und mit einer zweilagig bewehrten, 8 cm dicken Ortbetonschicht übergossen wurden. Die Rippenelemente sind zwischen 2 m und etwas über 5 m lang und spannen parallel zu den Querschotten vom zentralen

HEB-Träger bis zum Randbalken in einem Achsabstand von 63,50 cm. Entlang der Obergurte der Querschotten dienen zwei parallele Rippenelemente als seitliche Begrenzung für den verbundbildenden, bewehrten Bereich, der zusammen mit dem Überbeton gegossen wurde (Bild 8). Die Planung des Bauablaufs mit vielen Schnittstellen von noch zu realisierenden zu bereits realisierten Elementen und mit dem »Richtungswechsel« des Bauens von unten nach oben zu von oben nach unten sowie der planerischen Berücksichtigung der künstlerischen Freiheit erforderte einen nicht zu unterschätzenden Mehraufwand in der Koordination, der Statik und der Konstruktion. Als zentral erwies es sich, jede Person, die neu ins Projekt eintrat, und zwar unabhängig von ihrer Funktion, sehr gründlich einzuführen, sie mit den Eigenheiten und Zielen des Projekts vertraut zu machen und anschließend eng zu begleiten, weil sonst sehr schnell aus Gewohnheit Arbeit in Lösungen gesteckt wurde, welche gar nicht eingesetzt werden konnten.

SYMPOSIUM 40 BRÜCKENBAU | 1/2 2022
7 Riff, PD#18245, Randbalken während der Grabungsarbeiten © Bob Gramsma 8 Riff, PD#18245, Hohlsteindecke: Verlegen der Elemente © Bob Gramsma

3 Bauausführung

Nach dem Rammen der Pfähle wurde so weit geschüttet, dass die Form der Pfahlkopfplatten ausgegraben werden konnte. Auf die Pfahlkopfplatten wurden die Stahlbauteile gestellt, die dann ausgerichtet und verspannt wurden. Anschließend konnten parallel die Treppenhauswände erstellt und der temporä re Hügel geschüttet werden. Nach dem Ausschalen wurden die Wände horizontal gesprießt, um dem Erddruck der Schüttung standzuhalten.

Eine intensive Regenperiode führte, auch wegen nicht optimaler Berücksichtigung des Ober-flächenwasserablaufs bei der Schütt-geometrie, zu einer Durchnässung und einer Verzögerung der Arbeiten. Zudem erwies sich die Gewohnheit des Unternehmers, großzügigen Arbeits- und Manövrierraum zu schaffen, für dieses Projekt als doppelt ungünstig: Erstens musste mehr Boden vom Bauern angemietet werden und zweitens erfordert mehr Schütten auch mehr Zeit.

Aufgrund des hohen Grundwasserspie gels konnte nur die oberste Bodenschicht verwendet werden und jede weitere benötigte Menge führte zu einer größeren Entnahmefläche und zusätzlichen Wegen. Insgesamt wurden ca. 15.000 m 3 Boden für die temporäre Schüttung verwendet. Oben angekommen, wurde die Grobform ausgesteckt und unter Anleitung Bob Gramsmas deren Außenseite auf Höhe des Randbalkens abgegraben. Nach dem Bewehren wurde die Innenseite zuge schalt und der Balken gegossen. In Etappen wurde danach die Außenform weiter abgegraben, bewehrt und gespritzt. Nach einer Einübungsphase erwies sich dieser Prozess inklusive des Mitspritzens der Rippen als sehr effizient. Das trockene Wetter und die hohe kurzzeitige Standfestigkeit der Schüttung, welche fast vertikale Abgrabungen ermöglichte, erlaubten einen schnellen Baufortschritt.

Unten angekommen mit der Außenform, wurde wieder nach oben gewechselt und die Deckenplatte erstellt. Dass für diese Deckenart keine auf den Boden abgesprießte Schalung erforderlich ist, war angesichts der unebenen und stark variierenden Außenform ein großer Vorteil. Die Oberfläche des Überbetons wurde abgeflügelt, nicht aber zusätzlich abgedichtet. Ähnlich einem Geschenk konnte das Kunstwerk anschließend ausgepackt werden: Der geschüttete Boden wurde wieder abgetragen, an seinen Platz zurückgebracht und erneut seiner ursprünglichen landwirtschaftlichen Nutzung zugeführt.

41 1/2 2022 | BRÜCKENBAU SYMPOSIUM
10 Riff, PD#18245, »Auspacken« durch Abtrag © Bob Gramsma 9 Riff, PD#18245, Spritzbetonarbeiten an der mittleren Pfahlkopfplatte © Bob Gramsma

Die gegen das Erdreich betonierte Oberfläche wurde mit Wasser gereinigt, die Treppe erstellt und der Zugang ins Innere unter der Treppe mit einer Tür gesichert, bevor das Kunstwerk der Gemeinde übergeben werden konnte.

4 Zusammenfassung und Rückblick »Riff, PD#18245 besitzt einen im Grundriss gekrümmten, 37 m langen, mehrzelligen geschlossenen Kastenträger mit aufgelösten Verbundfachwerksschotten und einem variablen Querschnitt, der als Durchlaufträger das Marschland überspannt. Die Breite der leichten, quertra genden Deckplatte variiert und beträgt bis 13 m. Der Träger ist über Pfahlkopf platten direkt auf Rammpfahlgruppen gelagert, wobei die nördliche Gruppe den Fixpunkt bildet. An diesem Ende ermöglicht eine in den Träger eingelassene Treppe den Besuchern, das Riff zu besteigen und die Umgebung aus 7 m Höhe zu erleben.« Dies beschreibt aus der Sicht eines Ingenieurs das gleiche Bauwerk wie in den Worten eines Künstlers: »Wie eine archäologische Entdeckung ragt Riff, PD#18245 aus der künstlichen Topogra phie des Ijsselmeerpolders und des Zuiderzee-Bettes heraus. Es knüpft an den Geist der Land Art an und etabliert eine neue Wahrnehmung. Das mächtige Volumen erinnert an die Charakteristika des Polders, gleichzeitig ragt die Skulptur aus der Landschaft und wirkt in dieser Umgebung fremd. Riff, PD#18245 wurde zu einem Raum, in dem das Publikum sein Verständnis des Ortes, seiner Geschichte

und Geschichten und seiner Gegenwart projizieren und reflektieren kann. Das Werk visualisiert sowohl Abwesenheit als auch Anwesenheit. Durch den Gestus des Grabens und der Materialisierung der geformten Leere wird der Entstehungs prozess als Spur erfahrbar und Verborge nes sichtbar gemacht. Riff, PD#18245 manifestiert sich als skulpturale Setzung, die Raum eröffnet, um die Beziehung zwischen Material und Erinnerung neu zu denken. Entstanden im Kontext seiner Umgebung und Produktion, aktiviert Riff, PD#18245 Öffnungen zwischen Erinne rung und Projektion, indem es die Vergangenheit ehrt und der Gegenwart dient.«

So unterschiedlich diese Beschreibungen sind, so unterschiedlich ist der Zugang bei der Erschaffung des Kunst-Bau-Werks. Es bedingt einen Willen aller, sich auf die andern einzulassen und ein gemeinsames Ziel zu verfolgen. Dies ergibt sicherlich überall am Bau die besten Resultate und ist im Grunde nichts Neues, aber die Ausgangspositionen liegen weiter auseinan der und es fehlt eine etablierte gemeinsame (Fach-)Sprache. Die noch größere Herausforderung war jedoch das Nebeneinander von »plangemäß definiert« und »künstlerisch vor Ort zu bestimmen«.

SYMPOSIUM 42 BRÜCKENBAU | 1/2 2022
11 Riff, PD#18245, Treppenhaus vor dem Einbau der Treppe © Bob Gramsma 12 Riff, PD#18245, verwischte Grenzen: Integration des fertiggestellten Kunstwerks in die Landschaft © Andreas Galmrini

»Wie sollen wir das bauen, wenn auf dem Plan nichts definiert ist?« und »Das darf man nicht bauen, auf dem Plan ist es anders definiert!«, waren tägliche Themen auf der Baustelle zwischen dem Künstler und den Bauarbeitern und zwischen Künstler wie Ingenieur und den Behörden während des Bewilligungsprozesses.

Für Riff, PD#18245 hat sich glücklicher weise schnell eine vertrauensvolle Zusammenarbeit der Hauptpersonen etabliert, dank derer das Landschaftskunst werk innerhalb des Budgets erstellt und am 12. Oktober 2019 feierlich eingeweiht werden konnte, um dann sowohl in der Kunstwelt als auch in der breiten Bevölkerung rege diskutiert zu werden. Den Beteiligten selbst bleibt das Projekt als eine intensive Zeit in Erinnerung, die sowohl fachlich bereichernd als auch horizonterweiternd war und in der nicht nur physisch, sondern auch im übertragenen Sinn Brücken geschlagen wurden.

Autoren:

Dr. Andreas Galmarini

WaltGalmarini AG, Zürich, Schweiz Bob Gramsma Zürich, Schweiz

Besteller Provinz Flevoland, Niederlande

Künstler Bob Gramsma, Zürich, Schweiz Tragwerksplanung WaltGalmarini AG, Zürich, Schweiz Kinkel + Partner Gesellschaft Beratender Ingenieure GmbH, Dreieich

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13 Riff, PD#18245, fertiggestelltes Werk aus nördlicher Blickrichtung © Andreas Galmarini

Es hat geklappt!

Brückenklappverfahren auf der S 07

In den Jahren 2019 und 2020 wurde nach jahrelanger Vorbereitung und vielen Vorversuchen das neue, an der Technischen Universität Wien entwickelte Brückenklappverfahren an zwei realen Projekten im Zuge des Neubaus der Fürstenfel der Schnellstraße S 07 erprobt. Das neue Bauverfahren ermöglicht eine schnelle Montage von schlanken Brückenträgern über eine freie Spannweite ab ca. 50 m ohne jegliche Hilfsstützen und soll in der Zukunft eine Alternative zu den schon verfügbaren und etablierten Baumethoden in diesem Spannweitensegment bieten. Bereits 2008 ist innerhalb der ASFiNAG beschlos sen worden, diesem innovativen Verfahren eine Chance zu geben und dessen Praxistauglichkeit nachzuweisen. Nachfolgend wird der Entwicklungsprozess, begin nend mit der Idee bis zur finalen Umsetzung und einem ersten Projektreview zusammengefasst.

1 Einleitung

Das Rotieren von Brückenelementen um eine Gelenkachse ist grundsätzlich nichts Neues. Einerseits entwickelten schon die Römer 8 m lange bewegliche Enterbrücken, die ihnen im Seekampf einen großen Vorteil verschafften [1], andererseits sind Zugbrücken des Mittelalters bekannte Technologien in der Brückenbaukunst. Um bei der Herstellung von Brücken zwei Bogenhälften ohne Zuhilfenahme von umfangreichen Lehrund Hilfsgerüsten in Position zu bringen, setzte erstmals Riccardo Morandi 1955 den Klappmechanismus bei der Fußgän gerbrücke Lussia beim Lago di Vagli in Italien ein. In größerem Maßstab wurden 1984 bei der Argentobel-Brücke im Landkreis Lindau in Bayern zwei Bogenhälften nach einer vertikalen Betonage mittels Selbstkletterschalung eingeklappt. Die horizontalen Rückhängekräfte betrugen bei einer zu überbrückenden Spannweite von 145 m allerdings beidseitig bis zu 16.000 kN, die entsprechend im Bau grund verankert werden mussten [2]. Um das heute weltweit etablierte Bogenklappverfahren auch auf horizontale Brückenträger zu adaptieren, entstand die Idee, möglichst leichte Fertigteilträger von einem zentralen Pfeiler in einem symmetrischen und somit ausbalancier ten Bewegungsablauf einzuklappen.

Die Rückhängekräfte werden nun kurzgeschlossen und ihre Verankerung damit obsolet. Um die zu überbrückenden Spannweiten zu erhöhen und trotzdem die Trägermassen und infolgedessen die Hubkräfte zu minimieren, werden Druckstreben als Systemergänzung vorgese hen. Sie bilden einen integralen Bestand teil des Tragsystems im Endzustand und ermöglichen einen sparsamen Einsatz an Materialien. Insbesondere die aktuellen umweltpolitischen Entwicklungen zeigen, dass ein ressourcenarmer Umgang mit Baustoffen immer mehr an Bedeutung gewinnt und demzufolge ein Auflösen von biegebeanspruchten Tragsystemen in Druck- und Zugstäbe immer attraktiver wird.

Es werden zwei Anwendungsmöglichkei ten für das Brückenklappverfahren unterschieden, die auch in 19 Ländern, unter anderem in den USA, Japan, China, Russland und Indien, erfolgreich patentiert worden sind. In Bild 1a wird das Prinzip für die Anwendung bei hohen Talbrücken dargestellt. Dabei werden die entspre chenden Tragwerksteile als Fertigteile vertikal montiert und deren Gesamtge wicht über den Punkt A mittels Hubseilen nach oben gezogen. Der Mechanis mus selbst erinnert an das Öffnen eines Regenschirms. Bei Brücken wie im gegenständlichen Anwendungsfall auf der S 07 mit geringer Pfeilerhöhe werden die Fertigteile über Festhalten des Punktes C kontrolliert nach unten gefahren (Bild 1b). Dabei muss nur ein Bruchteil des Gesamtgewichts über Hubseile gehalten werden. Allerdings ist der Einsatz eines Hilfspfeilers notwendig.

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1 Anwendungsmöglichkeiten des Brückenklappverfahrens für Talbrücken mit hohen Pfeilern (a) und für Brücken mit geringer Pfeilerhöhe (b) © John Wiley and Sons/aus [3]

2 Die neue Fürstenfelder Schnellstraße S 07 und deren Pilotmeile

Die ASFiNAG als Betreiber und Erhalter des österreichischen Autobahn- und Schnellstraßennetzes ist stets bestrebt, neuen zukunftsfähigen Technologien die Möglichkeit zu geben, sich unter Praxisbedingungen im Zuge von Pilotprojekten zu bewähren, um ihr Innovationspotential für die Zukunft auszuloten. Aus diesem Grund sind seit 2009 auf der S 07 einige Forschungsprojekte in einer sogenannten Pilotmeile in der Nähe von Fürstenfeld aufgesetzt worden, die im Zuge des Streckenneubaus durchgeführt wurden bzw. sich noch in der Durchführung befinden. Die neue Fürstenfelder Schnellstraße S 07 im Südosten Österreichs ist seit 2015 in Bau und wird voraussichtlich im Jahr 2024 dem Verkehr übergeben. Sie verläuft künftig vom Knoten Riegersdorf der Südautobahn A 2 über Fürstenfeld bis zur Staatsgrenze nach Ungarn bei Heiligenkreuz (Bild 2). Neben einem 800 m langen Wannenbauwerk, das derzeit ohne risssteuernde Bewehrung durch Verwendung eines klinkerarmen Betons realisiert wird, konnten zwei Brückenstandorte für eine sinnvolle Anwendung des Brückenklappverfahrens gefunden werden. Der Streckenverlauf der S 07 kreuzt die Fließgewässer des Lahnbachs und der Lafnitz in einem Natura-2000Gebiet, in dem der unmittelbare Naturraum durch Hilfsstützen und Lehrgerüste nicht beschädigt werden darf, siehe unter anderem Bild 10. Dadurch ergab sich für beide Brücken eine stützenlose Herstel lung von Spannweiten bis 60 m. Der erste Entwurf aus dem Jahr 2008 sah die Errichtung als Stahl-Beton-Verbundbrücke mit einer Trägerhöhe von 4,20 m (Lahnbach brücke) bzw. 4,60 m (Lafnitzbrücke) vor. Die Brückenträger sollten gemäß damaliger Planung mittels Längsverschubs in die endgültige Lage gebracht werden. Durch eine Initiative der ASFiNAG wurde ein Alternativentwurf mittels des Brückenklappverfahrens für beide Flussüber gänge vorgeschlagen. 2009 erfolgte ein Kostenvergleich des Alternativentwurfs mit der ursprünglichen Variante der Stahl-Beton-Verbundbrücke, der einen ca. 25%igen Vorteil des Brückenklappverfahrens nachwies. Dieser Kostenvorteil resultierte insbesondere aus der Minimierung der Baustoffmassen, die durch die Reduktion der Einzelspannweiten infolge der Druckstreben und der Verringe rung der Bauhöhe von 4,20 m bzw. 4,60 m (Stahl-Beton-Verbundbrücke) auf 2,00 m (Spannbetonbrücke) erreicht wurde. Des Weiteren war die Verwendung von Beton statt Stahl unter Ansatz des 2009 verfüg-

baren Stahlpreises ausschlaggebend für die Kostenreduktion. Auf Basis der Kostenschätzungen wurde der Planungsauf trag vergeben. Er beinhaltet im Sinne eines Anreizsystems eine Bonusregelung, die einen expliziten Honoraranteil vorsieht, sobald die spätere Vergabesumme der Bauleistungen der ursprünglichen, jedoch indexierten Kostenschätzung des Brückenklappverfahrens entspricht. Abweichungen der Vergabesumme hin zur Kostenschätzung der Stahl-BetonVerbundbrücke würden den Bonus entsprechend verringern.

3 Planung und Vorversuche Wie aus Bild 3 ersichtlich, besteht jede Brücke aus zwei Einzeltragwerken je Richtungsfahrbahn mit einer Breite von je 14,50 m. Der Alternativentwurf sieht bei allen Brücken als Querschnitt einen vorgespannten zweistegigen Plattenbalken mit einer Konstruktionshöhe von 2 m vor, wobei nur die Stege eingeklappt und danach die Fahrbahnplatten auf den Stegen mittels eines Verbundschalwa gens hergestellt werden. Insgesamt erfordern die zwei Brücken über den Lahnbach und die Lafnitz mit je zwei Rich tungstragwerken acht Klappvorgänge. Die Planung der Brückenträger und der Druckstreben erfolgte mittels dünnwan diger Fertigteilelemente, um das Gewicht während der Klappvorgänge so weit wie möglich zu reduzieren. Die Wahl von Halbfertigteilen ergab sich erst im Zuge der Ausarbeitung der Alternativentwürfe, da nur vorgefertigte und leichte Elemente zu einer sparsamen Dimensionie rung der Stahlgelenke und zu geringen Kräften für die Absenkvorgänge führen.

Die Dicke der Fertigteilelemente beträgt 7 cm. Beide Fertigteilelemente werden im Fertigteilwerk zu einem U-Querschnitt mittels einer 12 cm dicken Bodenplatte und eines obenliegenden stabilisieren den Verbands aus Bewehrungsstäben miteinander verbunden. Die Halbfertig teilelemente wirken einerseits als verlorene Schalung für den späteren Füllbeton und gewährleisten andererseits durch die qualitativ hochwertige Herstellung im Fertigteilwerk mit einer Betonfestigkeits klasse C40/50 eine widerstandsfähige Außenhaut. Über den Druckstreben weiten sich die Stege auf, so dass dem negativen Biegemoment durch eine vergrößerte Betondruckzone Rechnung getragen wird, siehe Schnitt C–C in Bild 5. Nach einem Feldversuch mit zwei 7,50 m langen Trägern im Jahr 2007, bei dem der Klappmechanismus grundsätzlich nachgewiesen werden konnte, ergaben sich im Zuge der Ausarbeitung der Alternativentwürfe Fragestellungen, die durch weitere Forschungsvorhaben abgeklärt werden konnten [4] [5] [6]. So wurde 2010 ein weiterer Großversuch mit der Unterstützung der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG), des Verbands der Österreichischen Betonund Fertigteilwerke (VÖB) und der Infrastrukturbetreiber ASFiNAG und ÖBB auf dem Werksgelände der Firma Oberndorfer an einem Modell mit 50 m Länge durchgeführt, um unter anderem die Genauigkeitsanforderungen zu ermitteln und den geeigneten Einsatz der Pressen und die Eigenheiten bzw. Empfindlichkei ten des Klappvorgangs selbst zu untersuchen.

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2 Übersicht: neue Fürstenfelder Schnellstraße mit Hinweis auf die S-07-Pilotmeile © ASFiNAG Bau Management GmbH

Des Weiteren wurde infolge der Verwen dung von vorgespannten dünnwandigen Fertigteilen die Stabilität des U-Querschnittes unter Druckkraft, die Einleitung der Vorspannkräfte sowie das Zusammen wirken der Fertigteilträger mit Füllbeton in großmaßstäblichen Versuchen erfolgreich nachgewiesen. Da sich der für 2011 angepeilte Bau durch zahlreiche Einsprüche in der Genehmi gungsphase verzögerte, wurde die Zeit zur Verfeinerung des Entwurfs und der Ausschreibungsunterlagen gut genützt. Somit war man für die Erstanwendung des Brückenklappverfahrens auf der Fürstenfelder Schnellstraße S 07 bestens gerüstet, die Bauleistungen wurden letztlich 2019 vergeben.

4 Bauphasen und Bauumsetzung Nach Bekanntwerden der Vergabesumme war klar, dass diese nur geringfügig von der auf 2019 indexierten Kostenschät zung aus 2009 abwich, so dass annähernd der gesamte bonusrelevante Honoraranteil dem Planer zustand: ein Hinweis darauf, dass das Brückenklappverfahren als wirtschaftliches Bauverfahren im Vergleich zu anderen bewährten Baumetho den eingestuft werden kann. Nach einer entsprechenden Bauvorberei tung und der zügigen Herstellung wie dem Zusammenbau der Fertigteilträger einschließlich Verlegung der Spannglied hüllrohre im Werk (Bild 6) erfolgte die Erstanwendung des Brückenklappverfah rens im Herbst 2019 beim Bau der Brücke über den Lahnbach. In Bild 7 sind die einzelnen Bauphasen zur Realisierung der Stege schematisch zusammengestellt.

Zuerst wurde der gesamte Unterbau einschließlich der Fundierung, der Mittel stützen und der Widerlager errichtet. Im Bereich der Mittelstützen wurde danach ein 37 m hoher Hilfspfeiler aus üblichen Liebherr-Turmdrehkranstücken montiert und mit den Mittelstützen durch Gewindestangen und Stahlkeile verbunden.

Große Sorgfalt erforderte das präzise Ausrichten und das Untergießen der Fußgelenkachsen (Gelenk A in Bauphase 1), auf welche danach die 18 m langen Druckstreben durch Mobilkräne eingehoben und mit 100 mm dicken Gelenk bolzen mit der Materialgüte C45 fixiert wurden.

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5 Grundriss und Schnitte am Beispiel der Brücke über den Lahnbach © John Wiley and Sons/aus [3] 4 3 6 Vorbereitung der Fertigteilträger im Werk © Technische Universität Wien

In der Bauphase 2 wurden nun die Fertigteilbrückenträger mit einer Gesamtlänge von 36 m aufgrund der örtlichen Gegebenheiten in zwei Teilen montiert, die mit einer 2 cm dicken Vergussfuge aneinandergefügt und vorgespannt wurden (Bild 8). Wiederum war das präzise Versetzen der Stahlgelenk-Einbauteile in den Fertigteilen der Schlüssel zur erfolgreichen, passgenauen Trägermontage (Bild 9). Durch Vorspannen der vier Spannglieder mit jeweils vier Monolitzen St 1860 wurden die Trägerenden zusammengeführt (Bauphase 3). Anschließend wurden zwei Litzenheber auf einer Arbeitsplattform am oberen Ende der Hilfspfeiler einschließlich zweier Kabel eingebaut (Bild 10), die wiederum am Knoten C für den Absenkvorgang verankert wurden. Noch hatte das System einen stabilen, nicht öffnungswirksamen Zustand. Erst durch eine horizontale, systemspreizende Initialkraft von 60 kN durch eine eingebaute hydraulische Presse in der Bauphase 4 wurde der Klappvorgang als eine durch das Eigengewicht induzierte Bewegung ausgelöst. Diese Bewegung wurde jedoch durch die Litzenheber in Schritten stetig kontrol liert (Bauphase 5), bis eine horizontale Lage der Brückenträger erreicht war (Bild 11). Außerdem wurde jeder Senkschritt mittels Vermessung überprüft. Nach dem Klappvorgang wurde eine planmäßige Längsneigung der Lahnbach brücke von 0,60° durch eine Relativver schiebung am Knoten C in horizontaler Richtung durch einfaches Drehen mit einem Schraubenschlüssel an einer Gewindestange, an der eine Mutter befestigt ist, eingestellt. Durch die außergewöhn lich präzise Ausführung konnte eine Genauigkeit der vertikalen Lage der Brückenträgerenden auf ± 3 mm zur Solllage erreicht werden.

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7 Schematische Darstellung der einzelnen Phasen des Brückenklappverfahrens © John Wiley and Sons/aus [3] Statik | Planung | ÖBA | Projektsteuerung | Begleitende Kontrolle | BauKG | Ausschreibung Alles aus einer Hand. SPIRK + Partner Ingenieur GmbH 5020 Salzburg | Austria Tel.: +43 662 64 20 12-0 | office@spirk.at | http://www.spirk.at

Die Geometrie der Brücke wurde anschließend durch die Verfüllung der Gelenkknoten A und C und später des Gelenkknotens B einschließlich entspre chender Ergänzungsbewehrung mit Beton fixiert.

Im Zeitraum von der Montage der oberen Fertigteilträger bis zum Ende des Klappvorgangs (Bauphasen 2–5), der nicht mehr als 48 h betrug, konnten die Arbeiten nur bei Windgeschwindigkeiten ≤ 12 m/s durchgeführt werden, um die Stabilität des temporären Systems zu gewährleisten. Diese Vorgabe wurde in den Ausschreibungsunterlagen entspre chend berücksichtigt. So wählte die Bauausführung für die windabhängigen Arbeitsschritte die geeigneten Zeitfenster mit Hilfe einer standortspezifischen Wettervorhersage vorab aus. Es zeigte sich, dass bei allen Klappvorgängen über dem Lahnbach und der Lafnitz ausreichende Windbedingungen vorherrschten, so dass sich Verzögerungen vermeiden ließen. Die Dauer des Klappvorgangs selbst (Bauphase 5) konnte von anfangs ca. 8 h bei der Brücke über den Lahnbach auf letztlich 3 h bei der Brücke über die Lafnitz reduziert werden, da sich die Vorgänge durch immer neue Erfahrungszuwächse perfektioniert hatten.

In Bauphase 6 wurden temporäre Abspannseile zur statischen Unterstützung der nächsten Bauphasen montiert und lagegenau vorgespannt. Nach dem Betonieren der Druckstreben erfolgte das Einheben der Einhängeträger aus ebenfalls dünnwandigen Elementen mit Längen

von 9,40 m und 20,40 m (Lahnbachbrü cke) bzw. jeweils 21,95 m (Lafnitzbrücke) mittels Mobilkräne (Bauphase 7). Die Einhängeträger wurden temporär auf vorbereitete Konsolen der Brückenträger eingerichtet, der ca. 20 mm große Spalt danach mit Vergussmörtel verschlossen.

Anschließend wurden zwei Spannglieder mit jeweils 19 Litzen über die gesamte Trägerkette verlegt und nach dem Erhärten des Vergussmörtels in einer ersten Spannstufe vorgespannt. In Bauphase 8 erfolgte nach der Montage ergänzender Abspannseile die Verfüllung der U-Steg querschnitte etappenweise mit Beton. Nach der Herstellung der Stege sorgte ein üblicher Verbundschalwagen für die Herstellung der Fahrbahnplatten in Abschnitten von 15 m (Bild 12). Die Tragwerke über den Lahnbach und die Lafnitz wurden schließlich im Dezember 2020 fertiggestellt.

Die Verkehrsfreigabe der Fürstenfelder Schnellstraße S 07 erfolgt voraussichtlich Ende 2024.

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8 Vertikale Montage der dünnwandigen Brückenträger bei der Brücke über den Lahnbach © Technische Universität Wien 9 Stahlgelenke als Augenstabverbindungen © Technische Universität Wien

5 Projektreview

Nach Fertigstellung der Klappvorgänge fand im Mai 2021 ein Projektreview mit allen Projektbeteiligten statt, bei dem alle Erfahrungen im Zuge der Planung und der Errichtung in einem ehrlichen und wertschätzenden Austausch besprochen wurden, um Empfehlungen für weitere Anwendungen und eventuelle Verbesserungen festzuhalten. Dieses Review ist ein wichtiger Baustein im Projektab schluss eines Forschungsvorhabens der ASFiNAG, um Forschungsergebnisse im Licht der anfangs gestellten Fragestellungen zu rekapitulieren und entspre chende Erkenntnisse und Schritte daraus abzuleiten.

Folgende Erkenntnisse wurden aus dem Projektreview gewonnen: Grundsätzlich wird die Entscheidung der ASFiNAG zur Umsetzung dieser Pilotanwendung allgemein begrüßt, da dadurch neue, zukunftsfähige Technologien gefördert und deren Praxistauglichkeit an einem realen Objekt erprobt werden.

Das Brückenklappverfahren ermöglicht wegen der Reduktion der Spannweiten durch Vorsehen von Druckstreben Masseneinsparungen im Vergleich zu Freivorbau- oder Taktschiebebrücken.

Die Aufwendungen in der Planung, Arbeitsvorbereitung und Ausführung sind höher als bei anderen Bauverfah ren. Es wird jedoch erwartet, dass diese mit Zunahme der Routine geringer werden. Beispielhaft wird hierbei die Optimierung der Klappvorgänge angeführt, deren Dauer sich von anfangs 8 h auf ca. 3 h verkürzte.

Es sind ausreichende Vorlaufzeiten für die Arbeitsvorbereitung erforderlich.

Die Dimensionierung der Brückenquerschnitte war bei den Nachweisführun gen sehr ausgereizt. Mit dem heutigen Kenntnisstand, unter anderem durch einige normativen Änderungen während der Planungsphase, wäre eine Trägerhöhe von 2,20 m statt 2,00 m besser gewesen.

Der Abschluss der Fertigteilelemente im Querschnitt mit der Unterkante der Fahrbahnplatte wäre sicher von Vorteil. Damit wäre auch ein Verlegen von Fertigteilplatten als verlorene Schalung für die Fahrbahnplatte, was kurzfristig zur Diskussion stand, möglich gewesen.

Durch die hohe Komplexität und den hohen Bewehrungsgehalt in den Stegen ist eine 3-D-Modellierung aus heutiger Sicht sowohl für die Planung als auch für die Arbeitsvorbereitung von großem Vorteil.

Die Genauigkeits- und Toleranzanforderungen waren sehr hoch, jedoch seitens der bauausführenden Firma umsetzbar.

Der Systemzustand vor dem Klappen und der Klappvorgang selbst sind für eine maximale Windgeschwindigkeit von 12 m/s ausgelegt. Es besteht jedoch im Sommer das Risiko eines lokalen, nicht vorhersehbaren Gewittersturms. Kurzfristige Sicherungsmaßnahmen sind deshalb immer vorzusehen.

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10 Blick auf die obere Arbeitsplattform mit den zwei Litzenhebern © Michael Kleiser

6 Fazit und Ausblick

Das Brückenklappverfahren als Pilotanwendung auf der Fürstenfelder Schnellstraße S 07 wurde erfolgreich umgesetzt. Damit ist die Machbarkeit dieser Baumethode unter realen Praxisbedingungen im Maßstab 1:1 nachgewiesen und gilt nun als erprobt. Das Brückenklapp verfahren eignet sich für Spannweiten

überbrückungen ohne Stützmöglichkeiten ≥ 50 m. Damit ist das Ziel der ASFiNAG erreicht, den Boden für neue Technologien wie das Brückenklappverfahren zu bereiten, um ihnen die Chance zu eröffnen, als wirtschaftliche und nachhaltige Bauweise und -methode im freien Markt zu reüssieren.

Der »Ball« liegt nun bei den Planenden und der Industrie, die Scheu abzulegen und dieses neue Verfahren bei geeigne ten Rahmenbedingungen aufzugreifen und zumindest als Variantenvergleich zu berücksichtigen.

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11 Brückenklappverfahren: erster von vier Stegen bei der Brücke über die Lafnitz im Februar 2020 © Michael Kleiser 12 Vor Beginn des letzten Klappvorgangs bei der Brücke über die Lafnitz © Technische Universität Wien

Nach der anfänglichen Intention des Brückenklappverfahrens, kürzere Bauzeiten und wirtschaftlichere Brückenbauverfahren zu erzielen, ergaben sich in dessen Entwicklungsphase durch die Einführung von dünnwandigen Elementen weitere Innovationsalter nativen. Das Bauen von materialeffizienten und widerstandsfähigen Tragsystemen mit einem hohen Vorfertigungsgrad bekommt insbesondere in Zeiten der Ressourcenverknappung eine immer größere Bedeutung, welche in den nächsten Jahrzehnten nicht zu unterschätzen ist. Darum bemühen sich die Technische Universität Wien gemeinsam mit der ASFiNAG und anderen Forschungspartnern, weiterhin Innovationen von Brückenbauweisen mit dünnwandi gen Segmenten und optimalen Fügetechniken, die wie aus einem Guss hergestellt werden und deshalb robuste, ressourcenarme und nachhaltige Brückentragwerke versprechen, in der nahen Zukunft voranzutreiben.

Autoren:

Dipl.-Ing. Dr. techn. Michael Kleiser

ASFiNAG Bau Management GmbH, Wien, Österreich

O. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.-Ing. M.Eng. Johann Kollegger, Dipl.-Ing. Clemens Proksch-Weilguni

Technische Universität Wien, Institut für Tragkonstruktionen, Wien, Österreich

Ing. Alfred Steiner

ASFiNAG Bau Management GmbH, Wien, Österreich

Referenzen

[1] Connolly, P.: Die Römische Armee. Hamburg, 1976.

[2] Pucher, H.: Der Bau der Argentobelbrücke. Das »Bogenklappverfahren«, ein neues Herstellungsverfahren für den Bau von Bogen brücken; in: Zement und Beton 30, Heft 3, 1985, S. 94–104.

[3] Kollegger, J.; Suza, D.; Proksch-Weilguni, C.; Träger, W.: Entwicklung und erste Anwendung des Brückenklappverfahrens; in: Betonund Stahlbetonbau (115), 2020, S. 484–494.

[4] Gmainer, S.: Brückenklappverfahren. Untersuchungen zur Entwicklung eines praxistauglichen Bauverfahrens. Dissertation, Technische Universität Wien, 2011.

[5] Wimmer, D.: Entwicklung eines neuen Brückenbauverfahrens durch die Kombination von dünnwandigen Betonfertigteilen und Vorspannung. Dissertation, Technische Universität Wien, 2016.

[6] Kollegger, J.; Foremniak, S.; Suza, D.; Wimmer, D.; Gmainer, S.: Building bridges using the balanced lift method; in: Structural Concrete (15), 2014, No. 3, S. 281–291.

Bauherr

ASFiNAG Baumanagement GmbH, Wien, Österreich

Entwurf und statisch-konstruktive Bearbeitung

Technische Universität Wien, Österreich

Kollegger GmbH, Wien, Österreich

Konstruktionszeichnungen

Schimetta Consult ZT GmbH, Wien, Österreich

Bauwerksprüfung

Öhlinger + Partner ZT GmbH, Wien, Österreich

Örtliche Bauaufsicht

Spirk + Partner Ingenieur GmbH, Salzburg, Österreich

Bauausführung

Kostmann GmbH, St. Andrä, Österreich (Hauptaufragnehmer)

Oberndorfer GmbH & Co KG, Radfeld, Österreich (Produktion der Fertigteile)

KB Vorspann-Technik GmbH, Weitwörth, Österreich (Vorspann- und Hubarbeiten)

ACO KerbDrain® Bridge

die lineare Brückenentwässerung

Die KerbDrain Bridge ist eine Kombination aus Entwässerungsrinne und Schrammbordstein der Kappe und steht damit für eine neue Form linea ren Brückenentwässerung.

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51 1/2 2022 | BRÜCKENBAU ACO Tiefbau Vertrieb GmbH · Am Ahlmannkai · 24782 Büdelsdorf

Konvention trifft Innovation Talbrücke Langer Grund im Zuge der A 44

2 Das konventionelle Bauwerk und sein Umfeld

2.1 Allgemeines

Am Beispiel einer üblichen Talbrü cke, wie sie aktuell im Zuge des Neubaus der A 44 errichtet wird, zeigt dieser Beitrag das Potential einer innovativen Vorschubrüstung auf. Mittels einer Unterspannung kann nicht nur das Gesamtgewicht der Gerüstkonstruktion signifikant reduziert werden, sondern lässt sich während des Betoniervorgangs auch die Traggerüstdurchbiegung über hydraulische Pressen nach steuern. Der Erfolg zeigt sich in der zielgerichteten Herstellung der Sollgradiente: Weder Fräs- oder Spach telarbeiten noch eine Ausgleichs gradiente waren erforderlich.

1 Einführung

Verkehrsanlagen werden für eine sehr lange Nutzungsdauer hergestellt. Aufgrund der weitgehenden Unveränderlichkeit werden an Brückenbauwerke besonders hohe Anforderungen gestellt. Die Schnittstelle der Nutzer zum Bauwerk ist die Fahrbahn.

Der Bauherr formuliert seine hohen Anforderungen an die Herstellgenauigkeit der Fahrbahn von Brückenbauwerken in der ZTV-ING Teil 1, Abschnitt 4. Ein wesentlicher Hintergrund der hohen Anforderungen ist der Wunsch nach einer ähnlich glatten und damit fahrdynamisch unbedenklichen Fahrbahnoberfläche wie in den angrenzenden Streckenbereichen. Gelingt dies nicht, hält der Unmut genauso lange an wie die Nutzung. Jede Strategie, mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand zu der bestellten Fahrbahnober fläche zu kommen, liegt daher im Interesse des Bauherrn und des Betreibers.

Die Talbrücke Langer Grund wird im Zuge des Neubaus der A 44 zwischen Kassel und Herleshausen errichtet. Von den ca. 65 km des vierstreifigen Auto bahnneubaus ist DEGES seit dem Vorliegen bestandskräftiger Planfeststellungs beschlüsse für die östlichen ca. 30 km verantwortlich.

In diesem Abschnitt, der in fünf Verkehrseinheiten gegliedert ist, werden sieben Tunnel und acht Talbrücken sowie insgesamt etwa 150 weitere kleinere Ingenieurbauwerke errichtet. Die Talbrücke Langer Grund befindet sich in der östlichsten Verkehrseinheit C241 in der Nähe von Unhausen nahe der heutigen B 400 (Nr. 15 in Bild 1). Die A 44 stellt einen Lückenschluss auf der West-Ost-Achse über die Städte Rotterdam, Dortmund, Kassel, Erfurt, Chemnitz, Dresden, Prag, Budapest und Bukarest zum Schwarzen Meer dar. Weite Streckenabschnitte gehören damit zu europäischen Korridoren (TEN). Der Neubau der A 44 ist ferner Bestandteil des Verkehrsprojektes Deutsche Einheit Nr. 15.

Die Lage im Mittelgebirgsraum des WerraMeißner-Kreises stellte hohe Anforderun gen an eine verträgliche Trassenwahl, zumal sich durch die 40 Jahre währende Teilung Deutschlands in diesem sogenannten Zonenrandgebiet ein Refugium für schützenswerte und bedrohte Arten entwickeln konnte. In der Folge windet sich die Trasse um ökologisch wertvolle und schützenswerte Zonen oder unterquert sie in Form von Tunneln. Die bewegte Topologie erfordert wegen dieser Zwangsbedingungen zahlreiche Ingenieurbauwerke. Dies schlägt sich in einer ungewöhnlichen Kostenstruktur nieder: ca. 3/4 der Herstellungskosten entfallen auf Ingenieurbauwerke (zum Vergleich: beim Neubau der A 20 war es etwa 1/5). Aktuell werden die Herstellungskosten der 29,40 km der A 44 zwischen Waldkappel und dem Wommener Dreieck bei Herleshausen mit 1,43 Mrd. € veranschlagt.

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1 Übersichtskarte zur A 44 © DEGES GmbH

Die Talbrücke Langer Grund unterführt zwei Wirtschaftswege und einen namenlosen Bachlauf, der wenig später in den Breitzbach mündet, der sich letztlich in die Werra ergießt. Die flache Talregion »Langer Grund« ist namensgebend für die Talbrücke. Die Bauwerksachse liegt langgestreckt im Bereich eines Über gangsbogens (Klothoide) mit A = 1.000, ausgehend von einem Radius R = 2.400 m, ca. 25 m westlich des Bauwerks. Im Aufriss liegt das Bauwerk in einer leichten Wannenlage mit einem Längsgefälle von West nach Ost zwischen 2,50 % und 1,20 %. Die Querneigung der Fahrbahnen beträgt im gesamten Bauwerksbereich 3,50 % in südlicher Richtung.

2.2 Baugrund

Der Baugrund ist im Bauwerksbereich von einem 3–8 m unter Gelände befindlichen Felshorizont des Unteren Buntsandsteins gekennzeichnet. Der Fels ist aufgrund einer globalen Grabenstörung tektonisch vorbeansprucht (Schichtflächenneigun gen zwischen 10° und 90°) und stark geklüftet. Die darüberliegenden Zersatzzonen, Fließerden mit Lößlehmüberdeckung und Auensedimente stellen keine ausreichend tragfähigen Böden dar. Es kommt daher in allen Achsen eine Tiefgründung zur Ausführung.

Da die Trasse den Talgrund spitzwinklig kreuzt, ergeben sich senkrecht zur Bauwerksachse signifikant unterschiedliche Höhenlagen des Felshorizontes, was ebenfalls zur Favorisierung einer generellen Tiefgründung gegenüber vereinzelt immerhin denkbaren Flachgründungen auf Bodenaustausch beigetragen hat, um eine mögliche Verkippung der Pfeiler bzw. Widerlager zu vermeiden (siehe auch Bild 7).

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3
© DEGES GmbH 2
Grundriss und Ansicht
4 Geotechnischer Längsschnitt (überhöht) © DEGES GmbH

Die Baugruben für die Pfahlkopfplatten an den Pfeilern im Talgrund wurden mit Spundwänden eingefasst und konnten mit offener Wasserhaltung trocken gehalten werden. Aufgrund eines nennens werten Sulfatgehalts der anstehenden Böden wurde von mäßigem Betonangriff für die Wahl der Expositionsklassen ausgegangen.

2.3 Bauwerkskonstruktion und Gestaltung

Die Brücke besteht aus zwei Teilbauwer ken, die in allen Achsen auf Großbohr pfählen (d = 150 cm) gegründet sind. Die Einzelpfeiler mit prismatischer Formgebung tragen einen auf Kalottenlagern abgesetzten zweistegigen Plattenbalken mit einer Regelstützweite von 40 m bei insgesamt sieben Feldern (Endfelder: 30 m). Die Bauwerksgesamtlänge beträgt somit 260 m zwischen den Endauflagern. Der Querschnitt ist in Längsrichtung vorgespannt und in Querrichtung schlaff bewehrt. In den Auflagerachsen wird er mit steghohen Querträgern versteift. Die Fahrbahn liegt bis 20 m über dem Talgrund.

Die Fahrbahnbreite ist mit 12 m zwischen den Borden festgelegt, um gegebenen falls einen 4+0-Verkehr einrichten zu können. Die Fahrbahnplatte besitzt an den Anschnitten eine Dicke von 45 cm bzw. 50 cm, die Konstruktionshöhe der Stege beträgt 1,90 m, deren mittlere Breite 2,40 m. Die Spreizung der Stegachsen misst 6,55 m, so dass alle Pfeiler einer Reihe etwa den gleichen Achsabstand besitzen.

Auf dem Bauwerk wird eine Spritzschutz wand mit einer Höhe von 2 m vorgese hen, die im Osten etwa ab Achse 60 in eine 4 m hohe Kollisionsschutzwand zum Schutz der querenden Fledermauspopu lationen in den angrenzenden Waldbereichen übergeht, siehe auch Bild 1.

Die Wände werden im Bauwerksbereich transluzent aus Acrylglas mit schwarzen Polyamidfäden für den Vogelschutz ausgebildet. Diese undurchsichtige, aber durchscheinende Bauweise hat sich bewährt, da einerseits den naturschutzfach lichen Belangen Rechnung getragen wird und andererseits den ästhetischen einer Bauwerksgestaltung.

Die matte Verglasung nimmt jeweils abhängig von der Witterung und den Lichtverhältnissen sowie der Blickrichtung annähernd die Färbung des Hintergrunds an. Sie entzieht sich somit förmlich dem Auge des Betrachters und überlässt dem Brückentragwerk den Vorrang und betont dessen Schlankheit und Eleganz. Die prismatische Form der Pfeiler ist an der Notwendigkeit von Pressenansatz punkten am Kopf und einer ausreichen den Steifigkeit am Fuß orientiert. Die Pfeiler, die mittels geneigter ebener Schalungsflächen von einem achteckigen Querschnitt am Kopf zu einem fast rautenförmigen am Fuß übergehen, können immer mit dem gleichen Schalungssatz gefertigt werden. Der Höhenzuwachs findet unten durch zusätzliche Schüsse und einen individuellen Anfangsschuss statt. Das ergibt ein ruhiges Gesamtbild mit einem konstruktiv sinnvol len Steifigkeitszuwachs bei den höheren mittleren Pfeilern.

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6 Regelquerschnitt © DEGES GmbH

Die schlichte Formensprache, die im Streiflicht stets dezent schattierte Flächen bewirkt, betont zu jeder Tageszeit und aus jeder Blickrichtung die schlanken Pfeiler. In Längsrichtung sind die Überbauten in den Pfeilerachsen 40 und 50 gefesselt, während sie in Querrichtung in jeder Auflagerachse mit je einem Lager fixiert sind. Aufgrund der Dehnlänge des Überbaus sind mehrschlaufige Fahrbahnübergangskonstruktionen erforderlich.

Die Widerlager werden demzufolge begehbar ausgebildet.

Das gesamte Brückenbauwerk repräsen tiert eine wirtschaftlich solide und hundertfach bewährte Bauweise. Mit der kon ventionellen Konstruktion entsteht ein robustes und zukunftssicheres Bauwerk. Dennoch wird es in den nächsten Jahren die Notwendigkeit geben, im Hinblick auf den Ressourcenverbrauch auch diese Strategien zu überdenken.

3 Das innovative Traggerüst 3.1 Besonderheiten

Aufgrund der vergleichsweise geringen Höhe dieser Talbrücke über Grund wurde im Entwurf die Herstellung des Überbaus auf bodengestütztem Traggerüst angenommen. Zum Einsatz gekommen ist jedoch auf Vorschlag des Auftragnehmers eine Vorschubrüstung mit einigen höchst interessanten Besonderheiten, von denen hier drei hervorgehoben werden sollen: sehr leichte und filigrane Konstruktion mit Unterspannung, drei Fachwerklängsträger, die einzeln vorgeschoben werden, steuerbare Unterspannung zur computergestützten Justierung der Durchbiegung während des Betoniervor gangs.

3.2 Eigengewicht und Steifigkeit Das Gesamtgewicht der Vorschubrüstung einschließlich der Schalung und aller Auflagerkonstruktionen beträgt lediglich 430 t und damit nur ca. 2/3 vergleichba rer konventioneller Vorschubrüstungen. Gleichzeitig ist die Steifigkeit des Gerüstes durch die Unterspannung größer als bei vergleichbaren Alternativen mit der Folge geringerer Durchbiegungen im Betonierzustand. Aufgrund der Unter spannung besitzt die hier vorgestellte Vorschubrüstung allerdings eine größere Bauhöhe, das muss beim Einsatz bei geringer Höhe über Grund bedacht werden.

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© BERD®
7 Pfeiler in den Achsen 50 und 60 © DEGES GmbH Vorschubrüstung: Mittellängsträger mit Unterspannung

Die Unterspannung wird über je zwei Umlenksattel als Versteifung für den Längsträger zwischen den Auflagerpunkten (Abhängung und Pfeiler) nur im Betonierzustand wirksam. Die Sattel und Stiele können für den Verschubvorgang »eingeklappt« werden.

3.3 Umsetzen des Traggerüstes

Das separate Vorschieben der Längsträger bewirkt nur geringe Horizontallasten bei Auffahren auf den nächsten Pfeiler. Dies kann besonders bei großen Pfeilerhöhen im Bauzustand ein relevanter Bemessungsvorteil für die Pfeiler sein. Um die Pfeilerköpfe passieren zu können, werden nach dem Absenken der Schalung zunächst die äußeren Schalungskörper nach außen geschoben. Nachein ander werden dann erst die äußeren Längsträger zum nächsten Betonierabschnitt vorgefahren, anschließend folgt der innere. Der Verschub gliedert sich in drei Phasen:

9 Querschnitt der Vorschubrüstung © BERD®

ca. 10 m auf zwei Lagerpunkten bis zum Auffahren des Frontschlittens am nächsten Pfeiler, ca. 20 m auf drei Lagerpunkten bis zum Verlassen des Heckschlittens des vorletzten Pfeilers, ca. 10 m auf zwei Lagerpunkten zur Endausrichtung des Längsträgers für den nächsten Betonierabschnitt.

Die Gleitkufen der Längsträger fahren auf die Kippkonsolen (Drehgestelle) an den Pfeilern auf, die in Höhe, Lage und Richtung justiert werden können. Einzig die Reibung aus dem (geringeren) Eigengewicht eines einzelnen Trägers wirkt als Horizontallast auf den Pfeiler. Haben alle drei Längsträger die nächste Betonierposition erreicht, werden die Schalungskörper wieder zusammenge schoben und höhenmäßig ausgerichtet.

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10 Vorlaufträger beim Anfahren der nächsten Pfeilerachse © Kropp Bau GmbH

3.4 Steuerung der Vorspannung der Unterspannung

Die Unterspannung besteht aus mehre ren Spanngliedbündeln, die nach der Ausrichtung über die Umlenksattel mittels einer hydraulischen Presse vorge spannt werden. Der Stich der Unterspan nung ist beim mittleren Längsträger entsprechend der größeren Lastanteile höher. Die Durchbiegung des Gerüstes unter Eigengewicht wird beim Ausrichten der Schalungsträger mithilfe der Unterspannung im Mittel auf null gestellt. Damit ist die Unterspannung vor dem Betonieren ausreichend straff, so dass nichtlineare Formänderungen vernach lässigt werden können.

An den Längsträgern der Rüstung sind mehrere Schlauchwagen positioniert. Mit deren Hilfe lässt sich während des Betonierens die tatsächliche Durchbiegung der Längsträger sehr genau (< 1 mm) messen. Die computergesteuerten Spannpressen der drei Unterspannungen können nun während des Betoniervorgangs unabhängig voneinander über eine spezielle Software so nachgesteuert werden, dass die zuvor berechneten Durchbiegungen genau erreicht werden.

Damit kann die größte Unwägbarkeit bei der Herstellung der Überbaugeometrie, nämlich die tatsächliche Durchbiegung des Traggerüstes, beinahe vollständig eliminiert werden. Es verbleiben jedoch weiterhin die Unebenheiten beim Abziehen und Glätten der Betonoberfläche und der Einfluss der tatsächlichen Steifigkeitsentwicklung des Betons sowie dessen Kriech- und Schwindverhaltens.

3.5 Verformungsberechnung und Überhöhung

Das Betoneigengewicht des Überbaus muss im Herstellungsprozess zunächst von dem Traggerüst aufgenommen werden, das sich hierbei verformt. Der frei von Biegespannungen erhärtende Beton erfährt erstmals eine Biegebeanspru chung, wenn das Gerüst abgesenkt wird, und verformt sich nun seinerseits unter der Wirkung des Eigengewichts. Zeit gleich wird die Vorspannung aufgebracht, die idealerweise dem Eigengewicht entgegenwirkt und so eine gegenläufige Verformung zur Folge hat.

Zur Bestimmung der Überhöhung des Traggerüstes vor dem jeweiligen Betoniervorgang wurde in mehreren Schritten vorgegangen:

Rechnerische Ermittlung der Bauwerksverformungen (Festbeton) entspre chend dem Bauablauf in der statischen Berechnung und Überlagerung mit den Verformungen aus den vorhergehen den Bauabschnitten.

Als äußere Einwirkung wird in jedem Betonierabschnitt in zwei getrennten Schritten das Eigengewicht der Vorschubrüstung am Abhängepunkt (außer beim ersten Betonierabschnitt) und das Betoneigengewicht in Ansatz gebracht.

Zeitlich dazwischen wird das Kriechverhalten während dieses Bauzustan des (vor dem Betonieren) abgebildet. Das Vorspannen wenige Tage nach dem Betoniervorgang wird in einem gesonderten Rechenschritt abgebildet. Hierbei wird auch der Wegfall der Eigengewichtslast aus dem angehäng ten Gerüst berücksichtigt.

Am Ende werden noch die Ausbaulasten aus Kappen und Belag aufgebracht sowie der Kriecheinfluss bis zur Verkehrsfreigabe bzw. bis t = ∞ ermittelt.

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11 Betonieren eines Brückenfeldes © Kropp Bau GmbH

Seitens des Gerüstplaners wurde ergänzend die differenzierte Berechnung der Durchbiegung aller drei Längsträger unter der Frischbetonlast und somit relative Verformungsunterschiede in Querrichtung beigesteuert [3]. Diese Berech nung geht von einer starren Auflagerung sowohl an der Abhängung als auch an dem Pfeilerauflager aus. Zur Einstellung der Schalungshöhen wurden diese beiden Teilberechnungen überlagert. Das geringe Eigengewicht der Vorschub rüstung wirkt sich bei den Verformungsberechnungen grundsätzlich günstig aus, da sich die Unsicherheiten zum Verfor mungsverhalten des jungen Tragwerks betons unter dieser relativ großen und temporär über das Bauwerk wandernden Abhängelast entsprechend reduzieren. Es handelt sich hier immerhin um 725 kN je Steg (normalerweise noch ca. 50 % mehr) am Kragarm im Bauzustand. Mit der Frischbetonlast sind dann insgesamt 2.965 kN anzuhängen. Der Lastanteil aus dem Gerüst beträgt also hier nur 25 % gegenüber sonst etwa 33 %. Um das Traggerüst möglichst effektiv einsetzen zu können, hat sich die ausführen de Firma in Abstimmung mit dem Bauherrn dazu entschlossen, im Bereich der Widerlager oberhalb der Pfahlkopfplatten zunächst nur die Auflager-»Pfeiler« herzustellen und zu eigenen Lasten jegliche angrenzenden Wände und Zwischen-

12 Durchbiegung der Vorschubrüstung © BERD®

decken nebst Flügeln über Bewehrungs schraubanschlüsse nachträglich anzubinden. Entsprechende Nachweise zum Beispiel für Windlasten im Bauzustand

auf die reduzierten Querschnitte wurden erbracht. Somit konnte die Vorschubrüs tung auch »durch« das Widerlager geschoben und alle Felder mit gleichblei bender Technologie betoniert werden. Dabei waren natürlich die abweichenden Stützweiten bzw. Belastungssituationen in den Endfeldern mit eigenen Überhö hungsfiguren zu berücksichtigen.

4 Ergebnisse der Bauausführung »Am Ende zählt, was hinten rauskommt.« An diesem Ziel arbeiten alle am Bau Beteiligten. Als besonders geschickt steht am Ende derjenige da, der klug geplant hat und mögliche Abweichungen frühzeitig erkennt und Mechanismen vorgesehen hat, um Korrekturen vorzunehmen.

Diese Binsenweisheit bestätigt sich durch die Verwendung der nachsteuerbaren Vorschubrüstung in besonderer Weise. Ohne die Leistung anderer zu diskreditie ren, muss im vorliegenden Fall konstatiert werden, dass eine beeindruckende Lagegenauigkeit der Fahrbahnoberfläche gelungen ist.

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13 Durchfahren des Widerlagers © DEGES GmbH

kropp-gruppe.de

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Unweit des hier beschriebenen Bauwerks wird zeitgleich eine andere Talbrücke mit ebenso großer Sorgfalt hergestellt. Dort ist ebenfalls eine Vorschub rüstung mit drei Längsträgern im Einsatz, allerdings ohne Unterspannung. Die Regelstützweite beträgt dort 37 m und die Konstruktionshöhe 2 m. In Bild 14 ist ohne Anspruch auf Allgemeingültig keit für beide Bauwerke das Aufmaß der Rohbau-Ist-Gradiente im Vergleich zur Sollgeometrie unter Berücksichtigung der zu diesem Zeitpunkt noch zu erwarten den Verformungen aufgetragen. Ergänzend wurde noch der Toleranzkorridor eingezeichnet, der gemäß ZTV-ING allein durch die Mindest- bzw. Maximaldicke der Schutzschicht ausgeglichen werden kann.

Rohbau-Ist-Gradiente versus Sollgeometrie © DEGES GmbH

Es ist gut zu erkennen, dass die Rohbau geometrie der Talbrücke Langer Grund so genau hergestellt werden konnte, dass die Einhaltung der Sollgradiente ohne

zusätzliche Spachtel- oder Fräsarbeiten möglich ist und auf den Vorschlag einer Ausgleichsgradiente verzichtet werden kann.

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14 15 Blick auf die Trasse in Richtung Osten mit der Wartburg im Hintergrund © Kropp Bau GmbH

5 Zusammenfassung

In diesem Beitrag wurde eine konventio nelle Bauwerkskonstruktion vorgestellt, die während der Ausführung auf eine innovative Herstellungstechnologie mit einer besonderen Vorschubrüstung traf. Das auf den ersten Blick kleine Detail einer steuerbaren Unterspannung bewirkte neben der zielsicheren Herstellung der Sollgeometrie eine Reihe weiterer Vorteile, wie zum Beispiel geringes Gewicht, hohe Steifigkeit, geringe Überhöhungswerte. Die professionellen Arbeitsunterlagen (Bedienhandbuch, Checklisten etc.) und klug abgestimmte Schnittstellen sorgten für eine effiziente und reibungslose Abwicklung. Für die Arbeiten auf der Baustelle hat sich die Zusammenarbeit mit dem Team, das die Vorschubrüstung betreut hat, als sehr effektiv erwiesen. Eine gut abge stimmte Aufgabenteilung einerseits und das Handling der besonders leichten Vorschubrüstung andererseits erleichterten viele Verfahrensabläufe und führten letztlich zu einem jeweils zügigen Umsetzen und Ausrichten des Gerüstes.

Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Vorteil bestand in der Steuerung des Absenkvorgangs des Gerüstes während des Aufbringens der Vorspannung: Auch hierfür konnte die Unterspannung programmgesteuert eingesetzt (abgelassen) werden, so dass sich jegliche Risiken aus dem Nachfedern des Traggerüstes vermeiden ließen.

Die im Sommer 2022 fertiggestellte Baumaßnahme ist ein gelungenes Beispiel für die lösungsorientierte Zusammenarbeit der beteiligten Fachleute der ausführenden Firmen und des Bauherrn. Die gute Idee und das schlüssige Konzept dieser innovativen Gerüstkonstruktion haben nicht nur das beauftragte mittelständische Bauunternehmen, sondern auch den Bauherrn überzeugt.

Autor: Dr.-Ing. Stefan Franz Projektabteilungsleiter DEGES Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH, Berlin

Anmerkungen

[1] Franz, S.: Fahrdynamische Verträglichkeit; in: Bautechnik 93, 2016, H. 7, S. 433–443.

[2] BERD: 16962 Betriebshandbuch M40, Stand 22.09.2020.

[3] BERD: 16962 Konstruktionszeichnungen, diverse.

Bauherr

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Autobahn GmbH des Bundes, endvertreten durch die DEGES Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH, Berlin

Entwurf SSF Ingenieure AG, Berlin

Tragwerksplanung (Ausführung) be+p Ingenieurgesellschaft für das Bauwesen mbH, Limburg

Fachplanung Traggerüst BERD® Bridge Engineering Research & Design, Matosinhos, Portugal

Prüfingenieur Univ.-Prof. Dr.-Ing. Ekkehard Fehling, Kassel

Bauausführung Kropp Bau GmbH, Großenlüder (Hauptauftragnehmer) ConstruGomes Engenharia e Construção, Perelhal, Portugal (Nachunternehmer Traggerüst)

Bauoberleitung und Bauüberwachung EIBS Entwurfs- und Ingenieurbüro Straßenwesen GmbH, Dresden

50 Jahre Beschleunigung

In 50 Jahren haben wir von SSF Ingenieure zahllose Projekte für viele unterschiedliche Auftraggeber und Bauherren begleitet.

Unser Erfolg ist eine Gemeinschaftsleistung, denn er gründet auf einem vertrauensvollen Miteinander.

Deshalb möchten wir an dieser Stelle Danke sagen für das uns entgegengebrachte Vertrauen.

Mit Freude und Zuversicht blicken wir auf eine gemeinsame Zukunft.

Tragwerksplanung §51 HOAI Lph 4

- Genehmigungsplanung der Verbreiterung der Überbauten mit Unterbauten

- Ertüchtigung Megastützen Ermittlung der Lagerkräfte für den Bestand mit Verbreiterung

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ssf-ing.de
Neubau der Westtangente Rosenheim Aicherparkbrücke, Blick Richtung Süden
Foto: HABAU

Großprojekt mit bautechnischen Herausforderungen Die Aicherparkbrücke der Westtangente Rosenheim

von Karl Kergl, Jürgen Schmidt, Thomas Hehne, Thomas Wolf

Die Bundesstraße 15 ist eine bedeutende bayerische Verkehrsachse in Süd-Nord-Richtung, östlich des Großraums München verlaufend. Sie stellt die Verbindung zwischen den Bundesautobahnen A 8 und A 93 aus dem Raum Rosenheim mit den Autobahnen A 3 und A 93 im Raum Regensburg her und führt weiter bis nach Hof in Oberfranken. Neben den geographischen und infrastrukturellen Anforderungen einer 11,30 km langen Neubautrasse in einem dichtbesiedelten Gebiet sind es vor allem die hochkomple xen Baugrundverhältnisse, die die größte Herausforderung darstellen. Der weiche, strukturempfindliche, feinkörnige Boden aus mächtigen Beckenablagerungen (Stichwort: Seeton) ist mit äußerster Sorgfalt zu behandeln, da er bei mechanischer Beanspruchung zur Verflüssigung neigt. Darüber hinaus ist die Lastaufnahme des Baugrundes auch wegen der Setzungsempfindlichkeit des Bodens stark eingeschränkt. Diese Bodeneigenschaften stellen an die Planung und die Herstellung von tragfähigen Bauwerksgründun gen enorme Anforderungen, die sich nur mit wissenschaftlicher Begleitung bewerkstelligen ließen und lassen. Die Aicherparkbrücke ist zusammen mit dem zweiten Teilbauwerk, der Mangfallbrücke, mit insgesamt ca. 670 m Länge das größte Brückenbauwerk der Westtangente Rosenheim, das sich diesen bislang beispiellosen Anforderungen stellen muss.

1 Gesamtprojekt

1.1 Projektumfang

Die Westtangente Rosenheim beginnt als einbahnige, zweistreifige Bundesfernstraße an der A 8 München–Salzburg, an der neuerrichteten Anschlussstelle Rosenheim West, führt westlich an Rosenheim vorbei und mündet nach 11,30 km nördlich von Pfaffenhofen in die bestehende B 15.

Neben der neuen Autobahnanschlussstelle am Bauanfang erhält die Westtan gente vier weitere Verknüpfungen zum nachgeordneten Straßennetz. Im Streckenverlauf kreuzt sie unter anderem zwei größere Gewässer, ein Gewerbegebiet, drei Eisenbahnlinien und drei Staatsstraßen.

SYMPOSIUM 62 BRÜCKENBAU | 1/2 2022
1 Trassenverlauf der B 15 Westtangente Rosenheim © Staatliches Bauamt Rosenheim

Das Projekt umfasst 26 Bauwerke unterschiedlicher Größe und Komplexität, darunter die genannte Aicherparkbrücke sowie eine Bahnbrücke, die die Bundes straße unter der europaweit wichtigen Bahnlinie München–Salzburg hindurch weiter nach Norden führt.

Die Gesamtkosten des Projekts belaufen sich aktuell auf ca. 234 Mio. €, wobei etwa die Hälfte der Kosten auf die Aicherparkund die Bahnüberführung entfällt.

1.2 Planungsgeschichte

Die Bundestraße 15 verläuft bisher durch die Ortschaften Pfraundorf, Rosenheim und Pfaffenhofen. Verkehrsbehinderun gen sowie erhebliche Lärm- und Abgasbelastungen für die Anwohnerinnen und Anwohner, vor allem in der hochbelaste ten Ortsdurchfahrt von Rosenheim, sind die Folge.

Mit dem Bau der Westtangente Rosen heim sollen die Ortsdurchfahrten vom Durchgangsverkehr und von einem Teil des Quell- und Zielverkehrs entlastet werden. Durch die Ausbildung von teilplanfreien Anschlusspunkten auf der Westtangente kann auch eine erhebliche Steigerung der Reisegeschwindigkeit auf der B 15 gegenüber der bestehenden Situation erreicht werden. Das Verkehrs aufkommen wird in den hochbelasteten Abschnitten der Westtangente mit ca. 20.000 Kfz/24h prognostiziert.

Die Westtangente Rosenheim ist entscheidender Meilenstein im Sinne einer Gesamtbetrachtung für eine attraktive und durchgängige Süd-Nord-Verbindung von Rosenheim über Landshut bis Regensburg.

Nachdem im Sommer 1991 vom damaligen Straßenbauamt Rosenheim ein grundsätzlich möglicher Trassenkorridor ermittelt worden war, wurde das Projekt 1993 in den Bedarfsplan für die Bundes fernstraßen im vordringlichen Bedarf aufgenommen. 1997 wurde das Raumord nungsverfahren durchgeführt, 1999 der Vorentwurf zur haushaltsrechtlichen Genehmigung vorgelegt. Im Dezember 2000 wurde die Einleitung des Planfeststellungsverfahrens beantragt, der Bescheid wurde im September 2005 erlassen und im September 2010 rechtskräftig. Damit konnte, nach fast zehn Jahren Verfahrensdauer, der Bau beginnen.

1.3 Bauablauf

Das Projekt wurde wegen des Umfangs in vier verkehrswirksame Bauabschnitte (BA 1–4) unterteilt. Nach der Bauvorbe reitung erfolgte im August 2012 der Spatenstich für den ersten Bauabschnitt von der A 8 bis zur Staatsstraße 2078 Rosenheim-Kolbermoor. Nach knapp drei Jahren konnte er dem Verkehr übergeben werden.

Ebenso abgeschlossen, seit dem Sommer 2018, ist der vierte Bauabschnitt zwischen der Staatsstraße 2080 und dem nördlichen Bauende. Gemeinsam mit der

zeitgleich ausgebauten Staatsstraße 2080 entlastet dieser Abschnitt die Ortsdurch fahrt von Pfaffenhofen nahezu vollstän dig vom Durchgangsverkehr. Die beiden verbleibenden Bauabschnitte zwei und drei sind derzeit im Bau. Die Gesamtfertigstellung der Maßnahme ist für 2025 anvisiert.

2 Eisenbahnüberführung an der Strecke München–Salzburg 2.1 Bauwerksentwurf Bautechnisch mindestens genauso herausfordernd wie die Mangfall- und Aicherparkbrücke, wenn auch mit deutlich geringeren Abmessungen, gestalten sich die Planung und Bauabwicklung der Eisenbahnüberführung an der Strecke München–Salzburg. Aufgrund der obenliegenden, hochfrequentierten transeuro päischen Bahnlinie muss die Errichtung »unter dem rollenden Rad« erfolgen.

Die Topographie und die wegen der Baugrundverhältnisse erforderliche Misch gründung bezüglich der Setzungsanfor derungen analog Aicherpark machen in Verbindung mit dem hohen und bodenmechanisch schwierigen Bahndamm einen »klassischen« Einschub eines neben der Gleisanlage errichteten Bauwerks unmöglich.

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2 Tragwerksmodell des Bauwerks © Konstruktionsgruppe Bauen AG 3 Übersicht: Gründungselemente inklusive Spundwandverbau © Konstruktionsgruppe Bauen AG

Sämtliche Spundwände, die für Baubehelfe und Hilfsbrückenauflager im Bereich des Bahndammes benötigt werden, dürfen nur gepresst und zusätzlich in einem Spezialverfahren vorgebohrt werden. Erforderliches Spezialgerät ist in Europa lediglich sehr begrenzt verfügbar und muss daher von den Firmen frühzeitig disponiert werden. Der spätere Boden aushub unter den Hilfsbrücken muss zur Vermeidung einer Grundbruchgefahr abschnittsweise sowie unter Auflastung und Sicherung der Baugrubensohle durchgeführt werden.

Die Gründung des späteren Bauwerks erfolgt außerhalb des Gleisbereiches und stützt sich auf einen trogartigen Träger, der die beiden Gründungselemente verbindet. Nach Fertigstellung werden die beiden Hälften der Fahrbahntafel der Überführung außerhalb des Gleisberei ches betoniert und in Bahnsperrpausen eingeschoben.

2.2 Baudurchführung

Die größte Herausforderung der Eisenbahnüberführung stellt dabei die planerische, geotechnische, statische und bauliche Umsetzung der Bauhilfskonstruktionen unter Aufrechthaltung eines sicheren Bahnbetriebes dar.

Das wurde auch im Zuge der ersten Bauphase 2019 nochmals deutlich: Die ersten genehmigten Zugsperrpausen der Bahn reichten für den Einbau der Spundwände wegen unvorhergesehener Hindernisse im Bahndamm nicht aus. Die nächsten Bahnsperrpausen standen erst wieder Ende 2020 zur Verfügung. Der zwangs weise Baustillstand wurde genutzt, um die Ausführungsplanung zusammen mit Planungsbüro, Fachberatern und Baufirma bis ins kleinste Detail zu konkreti sieren (Bild 3).

Seit Beginn der Planung wird dieses Teilprojekt ebenso wie die Aicherparkbrücke wissenschaftlich vom Zentrum Geotech nik der Technischen Universität München begleitet. Zusätzlich werden die Gleislage, der Bahndamm, die Behelfsbrücken sowie das umliegende Gelände mit diversen messtechnischen Einrichtungen an der Oberfläche und im Untergrund laufend überwacht und ausgewertet. Hierzu zählen unter anderem die geodätische Erfassung von über 200 Messpunkten, Schlauchwagen auf dem Gleis und an der Behelfsbrücke sowie Vertikalinklinometer und Porenwasserdruckgeber (Bild 4).

Die beiden Behelfsbrücken für den Bahnbetrieb wurden in der Folge Ende 2020 erfolgreich eingebaut.

Anschließend wurde 2021 der lagenweise Aushub inklusive Sicherungsmaßnahmen für den Verbau mit drei Ebenen Gurtun gen und Durchankerungen sowie zwei Lagen Steifen unter den Behelfsbrücken ausgeführt. Derzeit wird die Bauwerks gründung außerhalb des Bahngleises auf einer Zwischenebene hergestellt. Nach Fertigstellung der Mischgründung Ende 2022 wird sich unter Zuhilfenahme weiterer Sicherungsmaßnahmen für den

Verbau lagenweise auf die Baugruben sohle vorgearbeitet. In der Folge kann Ende 2023 mit dem eigentlichen Betonbauwerk für die Brücke begonnen und mit dem Einschub der Überbauten Ende 2024 das Bauwerk vollendet werden. Der Termin für die Gesamtfertigstellung der Westtangente Rosenheim hängt somit von der Fertigstellung der Eisenbahn überführung ab, sie stellt das dafür maßgebliche Teilprojekt dar.

SYMPOSIUM 64 BRÜCKENBAU | 1/2 2022
4 Arbeiten im Gleis mit Spundwandpressgeräten © Schellmoser/Staatliches Bauamt Rosenheim 5 Bauzustand Ende 2021 mit Bohrschablonenherstellung für die Gründungspfähle © Staatliches Bauamt Rosenheim

6 Übersichtslageplan: Aicherparkbrücke im Kontext

© SSF Ingenieure AG

3 Aicherparkbrücke

3.1 Einleitung

3.1.1 Lage und Anfordungen

Die Aicherparkbrücke ist ein Teilbauwerk des Brückenzuges über die Mangfall, den Mangfallkanal, das Gewerbegebiet »Aicherpark« sowie die Bahnstrecke Holzkirchen–Rosenheim im Zuge der Westtangente Rosenheim, Bauabschnitt 2. Im Bereich des Aicherparks wird die Westtangente neu über die Georg-Aicher-Straße, die Oberaustraße sowie die Äußere Oberaustraße geführt, wobei die GeorgAicher-Straße mittels eines teilplanfreien Knotenpunktes an die Westtangente neu angeschlossen wird. Die innerörtliche Lage des Baufeldes, die beengten Verhält nisse im Gewerbegebiet Aicherpark, die vorhandenen Verkehrswege, die hohe Zahl der im Baufeld vorhandenen Versorgungsleitungen sowie die Belange der Bahn bilden wesentliche Zwangspunkte für die Bauwerksplanung. Erschwerend kommt hinzu, dass das Bauwerk zum großen Teil auf den Grundstücken der jeweiligen Gewerbetreibenden unter Aufrechterhaltung von deren Produktion und Logistik hergestellt werden muss.

3.1.2 Verkehrsanlage

Die Planung der Trassierung ergab aufgrund der örtlichen Gegebenheiten und Randbedingungen der kreuzenden Verkehrswege im Bereich der Aicherparkbrücke, von Süden kommend, zunächst einen Links- und dann einen Rechtsbo gen mit den zugehörigen Klothoiden in den Übergängen. Daraus folgen variable Querneigungen und ein Querneigungs wechsel in der Trasse der Westtangente. Die Anschlussrampen an die GeorgAicher-Straße beginnen jeweils mit einer konstanten einseitigen Querneigung der Fahrbahn, welche dann zum Anschluss

an die Trasse der Westtangente allmählich in ein Dachprofil übergeht. Im Bereich des Herzstückes entsteht durch die unterschiedlichen Querneigungen der einzelnen Fahrstreifen einschließlich der zwei Beschleunigungs- und Verzögerungsstrei fen eine äußerst komplexe Faltung der Fahrbahnplattenoberseite. Der Knoten der beiden Anschlussäste und der Trasse der Westtangente neu konnte im Grundriss nicht symmetrisch ausgebildet werden. Die Rampen schließen versetzt und mit unterschiedlichen Radien an die Trasse der Westtangente neu an.

7 Vorgaben der Verkehrsanlage

© SSF Ingenieure AG

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3.1.3 Vorplanung

Im Zuge der Planungen für den Vorent wurf 1999 wurde eine Variantenuntersuchung für die Ingenieurbauwerke im betrachteten Bereich durchgeführt. Im Ergebnis daraus wurde als Vorzugsvariante für das Teilbauwerk über den Aicherpark eine mehrfeldrige, durchlaufende Deckbrücke mit einem schlaff bewehrten breiten einstegigen Plattenbalken als Überbauquerschnitt mit minimaler Bauhöhe vorgesehen. Die Stützweiten wurden mit ca. 20 m gering gehalten. Im Bereich der Aufweitung und der Anschluss rampen an die Georg-Aicher-Straße, dem sogenannten Herzstück, war eine Platte als Überbau vorgesehen. Der Überbau sollte auf Rundstützen gelagert werden. Die Gründung war flach in den gering mächtigen Kiesschichten über dem Seeton auszubilden. Durch die geringen Stützweiten, den leichten Überbauquer schnitt und die Stahlbetonbauweise wurde eine kostengünstige Lösung gefunden, die den Anforderungen des Baugrundes mit den zu erwartenden Setzungen und den daraus resultierenden Zwangsbeanspruchungen im Bauwerk gerecht wurde.

3.1.4 Vorgaben aus dem Genehmigungsverfahren

Mit einem Gewebetreibenden wurde eine Vereinbarung getroffen, welche die Stützenstellung, die Form der Stützen sowie die einzuhaltenden lichten Höhen in seinem Bereich verbindlich regelt. Die Stützen einer Achse sind nicht mehr als einzelnstehende Rundstützen, sondern zusammengefasst als jeweils ein Pfeiler mit Hammerkopf auszuführen, wobei eine lichte Höhe von 5 m unter dem Hammerkopf einzuhalten ist. Die Vergröße rung der Stützweite in einem Feld auf 28 m war für den ursprünglich gewählten Überbau als Stahlbetontragwerk problematisch.

3.2 Bauwerksentwurf

3.2.1 Gestaltung

Anhand der zuvor beschriebenen besonderen örtlichen Randbedingungen, der Vorgaben aus der Planfeststellung, der schwierigen Baugrundverhältnisse und der bereichsweise fest vereinbarten Entwurfsparameter wurde die Gestaltung der Aicherparkbrücke überarbeitet. Der Überbau wurde in eine Stahl-Beton-Verbundkonstruktion geändert, um ihn noch leichter und für die zu erwartenden Baugrundsetzungen unempfindlicher zu machen. Die Stützweiten konnten vergrößert werden, was weniger Eingriff in den Bereichen der Gewerbetreibenden und eine höhere Flexibilität bei den Stützenstellungen bedeutet. So konnten beispielsweise vorhandene Trassen von Versorgungsleitungen belassen werden.

Der Verbundquerschnitt wird von luftdicht verschweißten Stahlhohlkästen und der Fahrbahnplatte aus Stahlbeton gebildet. Es werden je nach Fahrbahnbreite zwei oder drei Stahlhohlkästen im Querschnitt angeordnet. Die Randbedingun gen haben immer den gleichen Abstand zur Überbauaußenkante, so dass die Geometrie im Bereich des Kragarms gleich bleibt. Querträger werden an den Auflagerachsen und am Übergang von zwei auf drei Längsträger erforderlich. Die Stahlhohlkästen sind in der Regel gleich hoch.

Das Gestaltungskonzept für die Überund Unterbauten der Aicherparkbrücke wird aus den vereinbarungsgemäß teilweise herzustellenden Pfeilern mit Hammerköpfen abgeleitet. Die Hammerkopf pfeiler werden überall dort angeordnet, wo drei Stahlhohlkästen im Querschnitt erforderlich werden. Für die Bereiche mit der Regelfahrbahnbreite von 8 m mit zwei Stahlhohlkästen im Querschnitt werden wie in der Vorplanung Einzelstützen vorgesehen.

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8 Ansicht: Vorzugsvariante der Vorplanung © SSF Ingenieure AG 9 Ansicht der künftigen Aicherparkbrücke © SSF Ingenieure AG

Die Kragarme der Hammerköpfe können aufgrund der einzuhaltenden lichten Höhe am Anschnitt zum Pfeilerschaft von 5 m nur mit einer maximalen Bauhöhe von 1,30 m errichtet werden. Als Ergebnis der Abwägungen mit Bauweisen in Spannbeton werden die Hammerköpfe aus Stahl und die Pfeiler in Stahlverbund bauweise hergestellt. Die Hammerköpfe werden dabei etwas zurückgesetzt und die Pfeilerschäfte auf ganzer Höhe bis über die Auflagerbank geführt. Dadurch sind die stählernen Kragarme in Material und Form vom Pfeilerschaft getrennt und erscheinen weniger wuchtig.

Die Hammerköpfe sind als luftdicht verschweißte Stahlhohlkästen konzipiert. Der Obergurt läuft durch, die Untergurte stützen sich am Pfeilerschaft ab. Der Verbund wird über Kopfbolzendübel realisiert. Im Bereich des Pfeilerschaftes sind Betonieröffnungen vorhanden.

Die Außenseiten der Pfeilerschäfte und der Hammerköpfe werden in der Queransicht geneigt. Diese Neigung wird auch an den Außenseiten der Kappengesimse des Überbaus fortgeführt. In der Längsansicht wird der Pfeiler tailliert. Für die Gestaltung der Einzelstützen wird der Hammerkopfpfeiler in der Mitte quasi gedanklich getrennt und gegeneinander verschoben, so dass die Auskragungen nun nicht mehr außen, sondern innen liegen und zur Aufnahme der Pressenstandorte dienen. Die Neigungen der Außenseiten in Queransicht werden modifiziert, um dem einseitig angeordneten Kragarm optisch etwas entgegenzusetzen und die Ausmitte der Pressenstandorte zu minimieren. Die Innenseiten sind deshalb doppelt so stark geneigt wie die Außenseiten. Die Taillierung in Längsansicht wird beibehalten. Die Geometrie der Pfeilerköpfe ist jeweils konstant.

Die im Querschnitt rechteckigen Pfeilerschäfte erhalten umlaufende Fasen von 10 cm Seitenlänge, um die Formgebung zu unterstützen.

Das ganzheitliche Gestaltungskonzept für Pfeiler und Überbauten ergibt ein auch in der Schrägansicht interessantes und gut durchgebildetes Bauwerk. Die Gesamtlänge der Aicherparkbrücke in der Trasse der Westtangente neu zwischen dem Trennpfeiler in Achse 40 und dem Widerlager am Gangsteig beträgt 450 m, die abgewickelte Länge zwischen den Widerlagern der Anschlussrampen 220 m. Die Brückenfläche ergibt sich zu 9.300 m².

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10 Hammerkopfpfeiler: Regelquerschnitt mit Ansichten © SSF Ingenieure AG 11 Einzelstützen: Regelquerschnitt mit Ansichten © SSF Ingenieure AG

3.2.2 Baugrund und Gründung

Das Bauvorhaben liegt geologisch im sogenannten Rosenheimer Becken, welches zwischenzeitlich einen See bildete, dessen Entstehung auf den Ausläufer des Inngletschers zurückzuführen ist. Es liegen daher Beckenablagerungen mit einer Mächtigkeit von 150 m vor, welche hauptsächlich aus Seetonen, Tonen, Schluffen und Seesanden bestehen, die von Kiesschichten mit einer Mächtigkeit von 4–7 m überdeckt sind. Die zunächst vorgesehene Flachgründung in den Kiesschichten konnte aufgrund der erkunde ten geringeren Mächtigkeiten und der in der Folge unzureichenden Tragfähigkeit nicht weiterverfolgt werden. Die Empfehlungen des Bodengutachtens aufnehmend, wurde eine Tiefgründung geplant. Im Gutachten war vorgesehen, die Rechenannahmen für die Pfahltragfähigkeiten durch eine Pfahlprobebelastung zu bestätigen. Die Probebelastung wurde durchgeführt, die Rechenannahmen konnten jedoch nicht bestätigt werden, so dass die geplante Tiefgründung so nicht realisierbar war.

Anhand der Ergebnisse weiterer Pfahlprobebelastungen wurde unter Leitung von Prof. Dr.-Ing Roberto Cudmani vom Zentrum Geotechnik der Technischen Universität München das Gründungskonzept für die Aicherparkbrücke ausgearbeitet.

Die Gründung ist danach als Mischgrün dung, bestehend aus Ortbetonbohrpfäh len, Vertikaldrains und Verdrängungssäu len, vorgesehen, die in ihrer Gesamtheit ein robustes Bauwerksteil darstellen, welches nicht nur auf das Tragverhalten einzelner Bohrpfähle angewiesen ist.

Die Vertikaldrains ermöglichen einen raschen Abbau des durch die Bodenver drängung infolge der Herstellung der Verdrängungspfähle induzierten Porenwasserüberdruckes und somit eine schnelle Konsolidierung des Seetons.

Die Vertikaldrains führen das Wasser in die Kiesschicht unterhalb der Pfahlkopf platte, diese wird dann durch eine zusätzliche Drainageleitung entspannt.

Durch die für die Herstellung der Pfahlkopfplatten vorgesehenen Spundwände, die ausreichend in den Seeton einbinden und auch nach Fertigstellung der Pfahlkopfplatten verbleiben sollen, wird dauerhaft eine hydraulische Verbindung der Vertikaldrains mit dem quartären Grundwasserhorizont in den kiesigen Deckschichten verhindert. Die Verdrän gungssäulen bewirken eine Verdichtung und eine Verspannung des Bodens, die eine Erhöhung der Scherfestigkeit und der Steifigkeit des Seetons sowie des aktivierbaren Mantelreibungswiderstan des der Bohrpfähle hervorrufen. Zudem bewirken die Verdrängungssäulen eine Homogenisierung des Baugrundes hinsichtlich seines Tragverhaltens und wirken herstellungsbedingten Störungen entgegen.

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12 Konzept der Mischgründung © SSF Ingenieure AG

the construction family

Als zentraler Bestandteil der 11,5 Kilometer langen Umfahrungsstraße Westtangen te Rosenheim realisiert die HABAU GROUP, vertreten durch die HABAU Hoch- und Tiefbaugesellschaft m.b.H. und die MCE GmbH, den Bau der etwa 670 Meter langen, hochkomplexen Stahlverbundbrücke. Dabei handelt es sich um eine im Freivorbau hergestellte Schrägseilbrücke (Stahlverbundbauweise), welche in schwierigsten geologischen Verhältnissen gegründet ist.

„Dieses spannende Brückenprojekt ist für die HABAU GROUP ein weiterer, strategisch wichtiger Schritt, um mit unserer Straßen- und Brückenbau-Expertise im gesamten deutschen Raum weiter Fuß zu fassen. Mit diesem Großprojekt liefern wir eine wei tere wichtige Referenz.“, so Hubert Wetschnig, Geschäftsführer der HABAU GROUP.

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3.3 Ausführungsplanung

3.3.1 Hammerköpfe

Für die Statik der Hammerköpfe samt Pfeilern stellten vor allem die ungleichen, asymmetrischen Belastungen der Kragarme eine besondere Herausforderung dar. Bei beidseitig gleichen Auflagerlas ten steht der Stahlträger im Gleichge wicht, die Zugkräfte im Stahlobergurt schließen sich kurz und im Pfeiler kommen hauptsächlich vertikale Lasten an. Wird jedoch eine Seite deutlich höher belastet, entsteht ein einhüftiger Rahmen, dessen Momentenbeanspruchung bis in die Gründung zu verfolgen ist. Dabei muss der überschüssige Zugkraft anteil im Stahlobergurt über Kopfbol zendübel in den Betonstahl übertragen werden. Aus der großen Beanspruchung resultierte ein hoher Bewehrungsgehalt.

Es war daher unabdingbar, die Vielzahl an Kopfbolzendübeln mit der erforderlichen Bewehrung sowie den Betonieröffnungen detailliert zu planen und mit der Baufirma abzustimmen. Bereits im Fundament war die Anschlussbewehrung mit Schablonen eingebaut worden und im restlichen Bereich gab es für jede Position eine vorgegebene Einbaureihenfolge, um die Pfeiler erfolgreich herstellen zu können.

3.3.2 Herzstück

Der Bauwerksentwurf sieht vor, die Stahlhohlkästen der Rampen an die durchlau fenden außenliegenden Träger der Trasse der Westtangente neu heranzuführen. Diese werden durch im Grundriss gekrümmte Elemente miteinander verbunden, um die Geometrie der Kragarme gleichbleibend durchlaufen zu lassen. Durch weitere Ergänzung von Trägerelementen entsteht der Trägerrost im Herzstück.

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14 Trägerrost als Herzstück © SSF Ingenieure AG 13 Herstellung der Hammerkopfpfeiler © SSF Ingenieure AG

Die Ausführungsplanung erfolgte am 3-D-Modell. Nach Eingabe der Stahlträger im Grundriss wurde deren Höhenlage anhand der Fahrbahnoberfläche und der vorgesehenen Betonhöhen festgelegt. Aus diesem Modell wurden alle Ausfüh rungspläne abgeleitet, womit sich eine hohe Qualität der geometrischen Angaben bei den vorliegenden Randbedin gungen erreichen ließ. Die statische Berechnung wurde an einem räumlichen Gesamtsystem mit Stab- und Flächenelementen erarbeitet, wobei der Bauablauf auf Querschnitts- und Systemebene vollständig abgebildet wurde. Die erforderlichen Nachweise wurden am Gesamtsystem geführt.

Besonderes Augenmerk lag auf dem Herzstück, welches komplett auf einem bodengestützten Traggerüst zu realisie ren war. Das Traggerüst wurde als Flächengerüst mit insgesamt 440 Gerüsttürmen konzipiert. Um die Setzungsunterschiede zwischen den einzelnen Gerüsttürmen zu minimieren, wurde eine großflächige 0,20 m dicke Stahlbeton platte als Gründung eingebaut. Auf den Gerüsttürmen wurde die äußerst aufwendige Einschalung in sehr guter fachlicher Handarbeit hergestellt. Nach den Bewehrungsarbeiten erfolgte in einem Großeinsatz die 24-h-Betonage der 3.400 m² Fahrbahnplatte einschließlich Herstellung der komplexen Faltung der Oberseite. Allein die Einrichtung der Abziehleisten stellte hohe Anforderungen an die ausführende Firma. Bei den vorhandenen Ausdehnungen des Herzstückes stellt die Temperaturbeanspruchung eine besondere Heraus forderung in Planung und Ausführung dar. Ursprünglich war vorgesehen, das Herzstück und die beiden Rampen zusammen zu errichten. Der Verformungs ruhepunkt wurde über allseits feste Lager in den Achsen 110, 120 und 130 realisiert. Bei einer moderaten Temperaturänderung von beispielsweise ± 20 K im Bauzustand ergeben sich daraus Verschiebungen von ca. ± 20 mm an den am weitesten vom Ruhepunkt entfernt stehenden Gerüsttürmen an den Widerlagern der Rampen.

Um die daraus resultierende Beanspru chung auf das Traggerüst zu reduzieren, wurde in Abstimmung mit der Baufirma festgelegt, die Bauwerksteile Herzstück, Rampe Ost und Rampe West getrennt voneinander herzustellen und erst danach den Lückenschluss auszuführen. Der Einlagerungsprozess, das heißt die Vorgänge beim Ausbau des bodenge stützten Traggerüstes, musste ebenfalls detailliert geplant werden. Das hochgradig statisch unbestimmt gelagerte Herzstück reagiert aufgrund von Lastumlagerungen aus zum Beispiel Stützensenkungen und Temperatur sensibel. Für den Ausbau des Traggerüstes wurde der Überbau feldweise angehoben und die Gerüsttürme damit sukzessive freigestellt. Die Pressen hierfür wurden auf den planmäßig dafür vorgesehenen Standorten für den Lagerwechsel angeordnet. Für die Berechnung selbst wurden alle Gerüsttürme in das statische Modell integriert.

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17 Herstellung des Herzstücks: Stahlbau, Bewehrung, Betonage der Fahrbahnplatte © SSF Ingenieure AG

Der Gesamtprozess »Ausbau Traggerüst« wurde damit detailliert und optimiert, wofür eine mehrstufige nichtlineare Berechnung notwendig war. Überlastungen einzelner Tragelemente, wie etwa Gerüsttürme, Stahlbau, Fahrbahnplatte etc., konnten vermieden werden.

Abschließend wurden die ermittelten Schnittgrößen aus dem Einlagerungsprozess mit jenen der übrigen Einwirkun gen überlagert, um die Bewehrung sowie die Spannungen der Bauteile für den Endzustand zu prüfen.

Ein einzelnes Absenken der Gerüsttürme hätte zur Folge haben können, dass sich dabei eine Art Dominoeffekt einstellt. Bei jedem Ausbau einer Einzelstütze wäre dann eine Lastumlagerung auf die nächstliegende Bauwerksachse, aber auch auf die umliegenden Gerüststützen erfolgt. Bei ungünstiger Umlagerung wäre eine erste Stütze ausgeknickt und weitere wären womöglich gefolgt.

3.4 Bauausführung

Die Bauausführung ist noch nicht abgeschlossen. Die Zeitschiene stellt sich wie folgt dar: Baubeginn: November 2018

Spezialtiefbau: Januar 2019 bis Mai 2020

Fundamente, Widerlager Pfeiler: November 2019 bis September 2020

Stahlbau: Mai 2020 bis Dezember 2021

Überbau: Dezember 2020 bis Februar 2022

Kappen, Rampen, Lärmschutzwände, Restarbeiten: Februar 2022 bis Oktober 2022 Bauende: voraussichtlich November 2022

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19 Spundwandpresse im Einsatz © SSF Ingenieure AG 18 Planung des Traggerüst-Ausbaus © SSF Ingenieure AG

Die Bauzeit beträgt ungefähr vier Jahre. Im Folgenden werden ausgewählte Teile der Bauausführung kurz bildhaft vorgestellt.

Autoren: M.Sc. Karl Kergl Staatliches Bauamt Rosenheim Dipl.-Ing. Jürgen Schmidt M.Sc. Thomas Hehne, Dipl.-Ing. Thomas Wolf SSF Ingenieure AG, München

Bauherr

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Freistaat Bayern, vertreten durch das Staatliche Bauamt Rosenheim

Entwurfs- und Tragwerksplanung SSF Ingenieure AG, München

Verkehrsplanung Wagner Ingenieure GmbH, München Geotechnische Beratung und Begleitung Technische Universität München, Zentrum Geotechnik

Bauoberleitung und Bauüberwachung SSF Ingenieure AG, München

Fachbauüberwachung Geotechnik Ingenieurbüro Gebauer, Traunstein Fachbauüberwachung Stahlbau Ingenieurbüro Koller PartGmbB, Nürnberg, München

Prüfingenieur Prof. Dr.-Ing. Robert Hertle, Gräfelfing

Bauausführung Habau Hoch- und Tiefbaugesellschaft m.b.H., Perg, Österreich MCE GmbH, Linz, Österreich Bauer Spezialtiefbau GmbH, Niederlassung Dachau (Gründung) Menard GmbH, Niederlassung München (Gründung)

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22 Geräteeinsatz zur Herstellung der Gründung: Bohrpfähle, Drainagesäulen, Verdrängungspfähle © SSF Ingenieure AG
Aicherparkbrücke, Rosenheim

Sofortmaßnahmen für 40-t-Lkws Instandsetzung des Riddes-Viadukts

von Jean-Marc Waeber, Stéphane Cuennet

Das 1,25 km lange »Viadukt von Riddes« ermöglicht es einer Kan tonsstraße, nacheinander eine Eisenbahnlinie (SBB-SBB), eine Nationalstraße (N 09) und einen Fluss (Rhône) zu überqueren. Auf der Höhe der Autobahnüberque rung befindet sich ein Anschluss, der aus vier Rampen besteht. Dieses imposante Bauwerk, das zu 65 % dem ASTRA und zu 35 % dem Kanton Wallis gehört, wurde 1976 in Betrieb genommen. Wie jedes Inventarobjekt unseres Netzes war es Gegenstand der alle fünf Jahre durchgeführten Hauptinspektionen. Trotzdem musste kürzlich von den Bauherren eine Sofortmaßnahme beträchtlichen Umfangs ausgelöst werden. Thema dieses Artikels ist es, anhand jenes Falles die Bedeutung und die Folgen nicht umfassender Inspektionen aufzuzeigen und die Sofortmaßnahmen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und zur Instandsetzung zu erläutern.

1 Einleitung

Anfang 2019 gab das Schweizerische Bundesamt für Straßen (ASTRA) eine Studie in Auftrag, um dieses Bauwerk, das in der Erdbebenzone (Z3b) mit der stärksten Erdbebengefährdung in der Schweiz liegt, zu sanieren und erdbeben sicher zu machen. Trotz der schwierigen und beschwerlichen Zugänglichkeit wurden erstmals Besichtigungen im Inneren der gesamten Hohlkästen des Überbaus vorgenommen. Diese zeigten erhebliche von außen nicht sichtbare Schäden, darunter Betonschäden aufgrund der AlkaliAggregat-Reaktion (AAR) sowie beträcht liche Querschnittsverluste durch Korrosion der passiven und aktiven Bewehrung, die durch das Eindringen von Chloriden verursacht worden sind.

Diese visuelle Zustandserfassung wurde im Sommer und Herbst 2019 durch eine umfangreiche Untersuchungskampagne ergänzt, um eine zuverlässige Bestands aufnahme des gesamten Bauwerks zu erhalten.

Die festgestellten schwerwiegenden Mängel erforderten als Vorsichtsmaßnahme eine sofortige Verkehrsbeschränkung, indem die Zufahrt auf das Viadukt nur noch für Fahrzeuge mit einem Maximal gewicht ≤ 3,50 t zugelassen wurde. Um eine Wiedereröffnung für den 40-t-Ver kehr zu ermöglichen und eine irreparable Verschlechterung aufgrund der Entwick lung der AAR zu vermeiden, wurden ein Maßnahmenprojekt sowie Arbeiten als Sofortmaßnahme geplant.

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1 Lage und Geometrie © ASTRA
Gesamtbauwerk im Kontext © ASTRA

Das gewählte Konzept lenkte den gesamten Verkehrsfluss im Gegenverkehr auf das linke Viadukt und setzte das am stärksten beschädigte rechte Viadukt außer Betrieb. Der Bereich über der Nationalstraße mit den Anschlussrampen musste beibehalten werden, während beide Viadukte in Betrieb waren. Diese Änderung ermöglichte es, das Ausmaß der Eingriffe auf die für den Betrieb unbedingt notwendigen Erfordernisse zu beschränken. Die Arbeiten bestanden darin, das Brückendeck mit einer Schicht aus bewehrtem Ultra-Hochleistungs-Faserbeton (UHFB) zu überziehen, um die Fahrbahnplatte und die Auflagerbereiche zu verstärken. Das Auflagersystem wurde unter Berücksichtigung der seismischen Einwirkungen überarbeitet. Das defekte Entwässerungssystem wurde ausgebaut und durch ein neues ersetzt, das unter den Konsolen befestigt wurde. Im Inneren der Hohlkästen wurden lokale Reparaturen und Verstärkungen durchgeführt.

2 Geschichte des Bauwerks

»Es stand von Anfang an unter keinem guten Stern!« Nach weniger als fünfzehn Jahren in Betrieb wies das Bauwerk aufgrund von Konstruktionsfehlern bereits erhebliche Schäden auf, die seine Gebrauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeit beeinträchtigten. Die Konstruktionsfehler, deren Auswirkungen bereits Ende der 1980er Jahre deutlich sichtbar waren, betrafen vor allem die Details der Abdichtung und des Belags sowie jene in den Verbindungen der Brückenplatte.

3 Ergebnisse von Zustandserhebung und Untersuchungen

In einem ersten Schritt wurde eine kritische Analyse des Bauwerks erstellt, die die anfänglichen konzeptionellen Defizite aufzeigte. Dazu gehörten eine hohe Schlankheit des Feldes über der Auto bahn, niedrige Kastenhöhen, inhomoge ne Spannglieder und Bewehrungsdetails im Bauwerk, relativ geringe Betondicken sowie Probleme mit den Ausrüstungen.

In einem zweiten Schritt wurden visuelle Inspektionen des Inneren der Hohlkästen durchgeführt. Dabei wurden zahlreiche Schäden festgestellt, darunter: Wasserinfiltrationen, Schäden am Entwässe rungssystem, Schäden an den Spannkabeln, Risse in den Hohlkästen, Betonschäden an der Fahrbahn- und der Bodenplatte.

1972 Baubeginn des Viadukts

1976 Inbetriebnahme des Bauwerks

1988 teilweise Inspektion des Inneren der Hohlkästen, Sanierung der stark gerissenen Beläge 1990 Bericht »Dringlichkeit der auszuführenden Arbeiten«

1992 Sanierungsprojekt

1994 Arbeiten der ersten Dringlichkeit: Auflager, Fahrbahnfugen, Anheben von Widerlagern, Verbreiterung von Pfeilerköpfen

1995–1998 Arbeiten der zweiten Dringlichkeit: Ausbesserung, vollständiger Austausch des Abdichtungssystems mit Abdichtung der Druckentlastungsöffnungen und des Belags, Kanalisationen, vor Ort gegossene Brückenränder, Austausch der Rückhaltesysteme, lokale Betonreparaturen

2012–2014 Konzept und Maßnahmenprojekt auf Basis der Inspektion von 2009, Umfang: lediglich einige lokale Instandsetzungsarbeiten an den Pfeilern in der Nähe der Autobahn sowie Verbreiterung der Auflagerbänke

2017 Erdbebensicherheitsstudie

2019 Mandatsvertrag zur Erstellung eines aktualisierten Maßnahmenprojekts, das auf dem Projekt von 2014 sowie dem Konzept zur Erdbebenertüchtigung von 2017 basiert. Ende März 2019 wurde eine vollständige Inspektion des Inneren der Senkkästen durchgeführt. Die Hohlkästen waren 1988 nur teilweise inspiziert worden.

07.2019 Verbot für den Verkehr > 3,5 t (Bild 4) inklusive Einrichtung einer Umleitungsstrecke für Lkws

Initiierung einer großen Untersuchungskampagne als Sofortmaßnahme 01.2021 grundsätzliche Bestätigung des Maßnahmenprojekts durch den Lenkungsausschuss und Bestätigung der Notwendigkeit, die Arbeiten so schnell wie möglich durchzuführen, um die Erhaltung der Bausubstanz garantieren zu können

02.2021 Vorbereitungsarbeiten (Baustelleneinrichtung) 03.2021 Beginn der Arbeiten 12.2021 Verkehrsfreigabe des Bauwerks

2022 Ende der Bauarbeiten

3 Chronologie der Instandsetzungsmaßnahmen © ASTRA

4 Ausfahrt 24 mit Verbot für Fahrzeuge ≥ 3,50 t © ASTRA

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In einem dritten Schritt wurden verschie dene vertiefende Untersuchungen an Beton, Bewehrung und Vorspannung verordnet und begutachtet. Daraus ergaben sich zahlreiche kritische Punkte: Die Vorspannkabel sind durch Korrosion angegriffen und einige sind durchtrennt und entspannt; die Hüllrohre weisen Wassereinbrüche auf und der Füllmörtel ist mit Chloriden kontami niert.

Die Hohlkästen sind in einigen Feldern trotz vollständiger Vorspannung ungewöhnlich stark gerissen. Lokale Bereiche der Fahrbahnplatte und der unteren Platte weisen zerbröckelnden Beton mit stark korrodierten Bewehrungen auf.

Betonabplatzungen, die korrodierte Bewehrungen freilegen, sind an der Innenseite der Fahrbahnplatte, der Stege und der unteren Platte vorhanden.

Eine signifikante Entwicklung der AAR bis zum Kern der Querschnitte mit einer Beeinträchtigung der mechanischen Eigenschaften ist im gesamten Bauwerk einschließlich der Fundamente vorhanden.

Die Chloridgehalte im Beton der Fahrbahnplatte sind lokal sehr hoch.

Die Karbonatisierungsfront erreicht in weiten Bereichen das Niveau der Bewehrung.

Die Abdichtung der Fahrbahnplatte und das Entwässerungssystem sind defekt.

In den letzten Inspektionsberichten aus dem Jahr 2015 wurde das Viadukt als in akzeptablem Zustand (Zustandsklasse 2) eingestuft. Angesichts der Schäden und Mängel, die bei der umfassenden Inaugenscheinnahme des Hohlkasteninne ren aufgelistet wurden, wurde es jedoch auf einen schlechten Zustand (Zustands klasse 4) herabgestuft. Darüber hinaus mussten drei Bereiche des Viadukts aufgrund der kumulierten Schäden und der fortgeschrittenen Degradierung in einen alarmierenden Zustand (Zustands klasse 5) eingestuft werden. Angesichts der aufgelisteten Mängel und des pathologischen Entwicklungszustands der AAR auf dem gesamten Viadukt war eine Wiederinbetriebnahme des Bauwerks für den schweren Straßen verkehr ohne Verstärkungsmaßnahmen nicht denkbar. Es ist zu betonen, dass der von der AAR verursachte Verfallsprozess anisotrop und schwer kontrollierbar ist.

Aufgrund der Untersuchungen konnte davon ausgegangen werden, dass das gesamte Viadukt bis zum Kern signifikant von AAR betroffen ist. Selbst in visuell »gesunden« Bereichen ist das Auftreten von AAR oft signifikant.

Mikroskopische Analysen von Dünnschliffen zeigten eine systematische Ausrichtung der Risse parallel zu den Oberflächen der unteren Platten und der Deckschichten. Diese mikrostrukturelle Anisotropie induziert eine Anisotropie der mechanischen Eigenschaften, die teilweise nachgewiesen werden konnte. Dies deutet darauf hin, dass die gemessenen Verluste an mechanischen Eigenschaften derzeit wahrscheinlich unterschätzt werden.

Die Orientierung der AAR-Rissbildung in der Ebene war auch die Ursache dafür, dass es nicht möglich war, signifikante Anzeichen von AAR durch visuelle Inspektion in den Hohlkästen zu erkennen.

Ohne Intervention wird sich das Schadensphänomen weiterentwickeln und beschleunigen, bis es allgemein das »pathologische« Stadium erreicht, indem es den Verlust der mechanischen Eigenschaf ten des Betons vorantreibt:

durch die Entwicklung neuer Risse und die Verdichtung der Rissbildung, insbesondere jener, welche eine Blätterbildung des Betons in den Platten erzeugt, durch die Entwicklung von Ablösungen zwischen der Zementmasse und den Aggregaten.

Eine Verstärkung der Struktur war daher unerlässlich.

Es ist anzumerken, dass 2012 durchgeführte Untersuchungen die AAR-Problematik erwähnten, ohne deren Entwicklung in den Betonen der Fahrbahn und der Pfeiler aufzuzeigen. Die Untersuchungen 2019–2020 zeigen nun, dass der Beton des Viadukts signifikant von AAR betroffen ist, was auf einen besonders schnellen Verfall hindeutet.

10 Besonderheiten der Alkali-Aggregat-Reaktion

© ASTRA

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8 Sehr aggressive Korrosion am Spannstahl © ASTRA 9 Bindemittelfüllungslücke und Risse © ASTRA 7 Schäden an den Decken der Kästen
©
ASTRA 6 5

Die vorrangige Methode zur Wiederher stellung eines gesunden strukturellen Zustands und zur deutlichen Verlangsa mung der Schädigungsprozesse bestand darin, das durch die Fahrbahnplatte eindringende Wasser zu beseitigen und die Fahrbahnplatte zu verstärken.

Die Dringlichkeit der Erhaltungsmaßnahme ergab sich aus der Tatsache, dass das Bauwerk in einem solchen Zustand nicht mehr für den Schwerlastverkehr genutzt werden konnte. Tatsächlich waren die beobachteten Schäden schwerwie gend und laut Experten in der Schweiz bisher nur selten gemeldet worden. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass die Korrosion der Vorspannkabel und die Entwicklung der AAR zu einem erheblichen Verlust der mechanischen Eigenschaften geführt haben. Darüber hinaus beschleunigen ungewöhnlich hohe Chloridwerte im Beton die Korrosionsprozesse.

4 Tragwerksanalyse und Überprüfungen

4.1 Ist-Zustand

Bei der Prüfung der Struktur wurden verfeinerte Nachweise des bestehenden Bauwerks durchgeführt, die auf einer Aktualisierung der Materialwiderstände und der Einwirkungen basierten. Diese wurden unter Berücksichtigung von zwei Szenarien durchgeführt: »ohne« und »mit« Schäden, um eine geringere Betonqualität und Korrosion der Bewehrung bzw. der Spannglieder zu berücksichtigen.

Aufgrund der vollständigen Vorspannung in Längsrichtung wies das bestehende Viadukt ein hohes Widerstandsniveau auf. Tatsächlich zeigte die Analyse der Brücke »ohne« Schäden, dass die verschiedenen Abschnitte, einschließlich der Rampen, sowohl in Längs- als auch in Querrichtung eine konforme Biege- und Querkraftfes tigkeit aufwiesen. Nur ein Bereich wies eine unzureichende Querkraftfestigkeit auf. Die Analyse der Brücke »mit« Schäden ergab hingegen mehrere Bereiche mit unzureichenden Erfüllungsgraden, die verstärkt werden mussten.

Die durchgeführten statischen Überprü fungen zeigten folgende kritische Punkte auf:

eine unzureichende seismische Kapazität, insbesondere in Bezug auf den Querkraftwiderstand der Pfeiler und Fundamente, einen lokal unzureichenden Schubwiderstand der Brückendecke, in Längsrichtung lokale Unzulänglichkeiten der Biege- und Querkraftwider stände aufgrund des Verlusts von Vorspannkabeln durch Korrosion, in Querrichtung lokale Unzulänglichkeiten des Querkraftwiderstands der Fahrbahnplatte aufgrund der Entwick lung von AAR und dem Verlust von Bewehrungsquerschnitten, einen unzureichenden Widerstand der Pfeiler in der Nähe von Eisenbahngleisen gegenüber dem Anprall.

4.2 Verstärkter Zustand 4.2.1 Statische Untersuchungen Im Rahmen des Maßnahmenprojekts wurden statische Analysen durchgeführt, um die Verstärkung aus bewehrtem UHFB zu bemessen. Angesichts der Verstärkung der Fahrbahnplatte erfolgte der Ansatz für Verkehrslasten bei 40-t-Straßenver kehr einschließlich mobiler Kräne bis 96 t.

4.2.2 Queranalyse Elastische Analyse:

Die Kräfte in der Fahrbahnplatte wurden durch eine lineare elastische Analyse mit Hilfe eines Schalenmodells ermittelt. Parallel dazu wurde die Festigkeit durch Querschnittsberechnungen bewertet, die die mit der bewehrten UHFB-Schicht verstärkte Fahrbahnplatte umfassten. Die Nachweise zeigten, dass die Festigkeit höher ist als die Beanspruchung, selbst unter Berücksichtigung von Betonschä den und Korrosion der Bewehrung.

Darüber hinaus verfügt die Platte über Umlagerungsfähigkeiten für Biegebean spruchungen.

Der Querkraftwiderstand der durch AAREffekte beschädigten Platte kann sich schnell verschlechtern und einen lokalen Sicherheitsmangel darstellen. Die bewehrte UHFB-Schicht, die fest mit der Platte verbunden ist, leistet selbst bei einer geringen Dicke (50 mm) einen wichtigen Beitrag zum Querkraftwiderstand und kompensiert die Festigkeitsverluste des beschädigten Betons.

4.2.3 Längsanalyse Elastische Analyse: Die statischen Nachweise in Längsrich tung wurden mit Finite-Elemente-Model len vom Typ Balken modelliert. Quer schnittsänderungen und Vorspannungen wurden ebenfalls in den Modellen berücksichtigt. Kritische Querschnitte wurden unter Einbeziehung von UHFB-Ver stärkungen und Schäden überprüft. Einige Querschnitte im Feld »mit« Beschädigung erreichten keinen einheitlichen Erfüllungsgrad. Die Widerstandsreserve auf der Stütze ermöglicht es jedoch, die Fehlstellen im Feld zu decken, wenn man von mäßigen Umlagerungsfähigkeiten der Kräfte ausgeht. Analyse nach der kinematischen Methode: Statische Längsanalysen für ein laufendes Feld des Hauptviadukts und ein laufendes Feld der Zubringer wurden mit der kinematischen Methode durchgeführt, um einen Wert für die Grenzlast zu ermitteln. Für diese Felder wurde der wahrschein lichste Versagensmechanismus (Bild 11) durch drei plastische Gelenke definiert. Die Gleichheit der Arbeitsgleichung ergibt dann den Koeffizienten, der die externe Arbeit und damit die Lasten erhöht.

11 Versagensmechanismus eines laufenden Feldes

ASTRA

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Die Bewertung der laufenden Spannweite eines Zubringers ergibt den Koeffizienten γ M = 1,59.

Die Bewertung des laufenden Felds des Hauptviadukts ergibt den Koeffizienten γ M = 1,75.

Gemäß dem in der Projektbasis festgelegten Ziel sollte dieser Gesamtwiderstandskoeffizient γ M ≥ 1,20 erreichen, um die Anforderungen an die Tragsicherheit zu erfüllen.

Nichtlineare Analyse: Ein laufendes Feld des Hauptviadukts sowie ein laufendes Feld der Zubringer (Bild 12) wurden mit Hilfe von 3-D-FiniteElemente-Modellen detailliert analysiert. Die Struktur wurde durch ein Netz diskretisiert, das aus Volumenelementen für den Beton, aus »Kabel«-Elementen für die Vorspannung und aus Membranelemen ten für die passive Bewehrung bestand. Geometrische und materielle nichtlineare Analysen wurden durchgeführt, um die Rissbildung im Beton zu berücksichtigen und so die Umlagerungsfähigkeit der Kräfte zwischen den Bereichen im Feld und jenen auf den Pfeilern auszunutzen, wo der Beitrag der bewehrten UHFBSchicht wichtig ist. Diese Analyse ermöglichte es, mit zunehmender Belastung die Entwicklung der Spannungen und die Bildung von Plastikgelenken zu verfolgen und schließlich den Einsturzmechanismus zu ermitteln.

Die Analyse wurde mit den charakteristischen Werten des Materials und der Belastung durchgeführt. Die bewehrte UHFB-Schicht wurde zunächst als Last betrachtet und dann aktiviert, um einen Spannungszustand zu erhalten, der für die Belastungsgeschichte repräsentativ ist. Anschließend wurden die Verkehrslasten aufgebracht, während der Laststeigerung wurden die Einwirkungen durch ihre jeweiligen Lastfaktoren verstärkt. Die Gesamtheit der Einwirkungen wurde dann um einen Faktor erhöht, der als Gesamtwiderstandskoeffizient für das Material interpretiert werden kann. Dieser Koeffizient musste den Mindestwert von γ M ≥ 1,20 erreichen, um die Anforde rung an die strukturelle Sicherheit des Bauwerks zu erfüllen.

Alle untersuchten nichtlinearen Berech nungsszenarien (mit und ohne verstär kende UHFB-Schicht) führten zu einem konformen Sicherheitsfaktor. Insgesamt ermöglichte die Hinzufügung einer verstärkenden UHFB-Schicht: die Biege- und Torsionssteifigkeit der Struktur zu erhöhen und dadurch Verschiebungen und Drehungen zu reduzieren, die maximale Öffnung von Rissen zu verringern, die Spannungen in den Bügeln im Auflagerbereich gleichmäßiger zu verteilen.

Die fortgeschrittenen nichtlinearen Berechnungen waren sehr nützlich, da die Ergebnisse zu einem besseren Verständ nis des Tragverhaltens führten, indem sie realistischere Werte für die Festigkeit und signifikante Reserven der Tragfähigkeit der mit bewehrtem UHFB verstärkten Struktur lieferten.

5 Sichernde Sofortmaßnahmen und Instandsetzung

5.1 Maßnahmen in Bezug auf den Straßenverkehr Aufgrund der verschiedenen Beobach tungen, die im Laufe der Studien gemacht wurden, mussten Sofortmaßnah men im Bereich des Verkehrsmanage ments getroffen und angeordnet werden: Das Bauwerk wurde zunächst für Sonder- und Spezialtransporte > 44 t gesperrt, nachdem Schäden im Inneren der Hohlkästen festgestellt worden waren.

Als Sofortmaßnahme wurde eine Untersuchungskampagne eingeleitet, um den Zustand der Vorspannkabel und des Betons zu ermitteln.

Das Bauwerk wurde daraufhin für den Schwerverkehr > 3,50 t gesperrt, da ein stark korrodiertes Spannkabel entdeckt wurde, siehe Bild 4.

Es wurde eine Sondergenehmigung für im Einsatz befindliche Rettungsfahr zeuge bis 18 t (Blaulicht eingeschaltet) erteilt.

Das Verbot für Fahrzeuge > 3,50 t wurde bis zur Durchführung der Verstärkungen aufrechterhalten, da sich die Schäden in einigen Bereichen kumuliert haben.

Für Schneeräumfahrzeuge wurde eine Sonderbewilligung mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf 60 km/h und einem Abstand von 100 m zwischen den Lastwagen erteilt.

Ziel der Erhaltungsmaßnahme war es, das Viadukt für den freien Straßenverkehr wieder in Betrieb zu nehmen. Das rechte Viadukt wird nicht mehr genutzt und das linke unterstützt den Gegenverkehr. Am Autobahnanschluss wurden das linke und das rechte Viadukt in Betrieb gehalten, um die Funktion des Anschlusses zu gewährleisten.

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12 Teil des Modells der Nordostspange (ohne Fahrbahnplatte) © ASTRA

5.2 Typologie der Hauptmaßnahmen

5.2.1

Umfang

Die Sofortmaßahmen umfassten: Einbringen einer Verstärkungs- und Abdichtungsschicht aus armiertem UHFB auf der gesamten Fahrbahnplatte, um das Eindringen von Wasser zu verhindern und die Platte zu verstärken, lokale Sanierung der unteren Platte des Hohlkastens mit einer Schicht aus armiertem UHFB, Kompensation inaktiver Spannglieder durch zusätzliche Vorspannung im Inneren der Hohlkästen in drei Bereichen der Passage über die National straße, Verstärkung der Festigkeit der Querschnitte der Randfelder der Rampen mit unter die Fahrbahnplatte gekleb ten CFRP-Lamellen, also mit pultrudier ten Lamellen aus kohlenstofffaserver stärktem Kunststoff, Änderung des Straßenentwässerungssystems, um die Sammelleitungen im Inneren der Hohlkästen zu entfernen, Verbreiterung einiger Pfeilerköpfe und Änderung des Auflagersystems, um den Anforderungen der Erdbebensicherheit zu entsprechen. Im Folgenden werden nur die ersten drei Maßnahmen näher erläutert.

5.2.2 Fahrbahnplatte

Die Fahrbahnplatte wurde mit einer bewehrten UHFB-Schicht verstärkt und geschützt. Diese Schicht erfüllte die folgenden drei Funktionen: Verstärkung der Fahrbahnplatte gegen Biegung und Schub, Verstärkung der Fahrbahnplatte in Längsrichtung gegen Biegung und Querkraft in den aufgestützten Bereichen, Abdichtung der Fahrbahnplatte.

Die UHFB-Schicht wurde mit einer konstanten Dicke von 50 mm eingebracht, außer an den Rändern der Platte, wo die Dicke 80 mm beträgt, um die mechani sche Verankerung mit den vorhandenen Bewehrungen zu erreichen. Ein UHFB der Klasse UB-C120 wurde für diese Verstär kung spezifiziert.

Nach dem Abfräsen und Mikrofräsen des Belags und der Abdichtung wurde die gesamte Oberfläche der Fahrbahnplatte 20 mm dick hydroabgetragen, um den beschädigten Beton zu entfernen und eine ausreichend raue Oberfläche für die Verbindung des UHFB zu gewährleisten.

In der Nähe der Brückenränder wurden 30 cm breite und 50 mm tiefe Einschnitte vorgenommen, um die UHFB-Schicht mit der vorhandenen Bewehrung zu verankern. Die Bewehrung bestand aus Stäben mit einem Durchmesser von 12 mm in beiden Richtungen.

Der UHFB wurde hauptsächlich mecha nisch mittels eines schienengebundenen Fertigers eingebaut. Für jeden Hohlkas ten wurden zwei Queretappen mit einer Breite von 4,50 m für das Hauptviadukt und 3,60 m für die Rampen durchgeführt. Die Arbeitsfuge wurde in der Dicke der Verstärkung stufenförmig ausgebildet. Die bewehrte UHFB-Schicht wurde mit einer gleichmäßigen Dicke eingebracht, die dem bestehenden Längenprofil der Betonfahrbahnplatte folgt. Die Unterseite der Fahrbahnplatte innerhalb der Hohlkästen wurde nicht instand gesetzt. Die UHFB-Verstärkung auf der Oberseite der Fahrbahnplatte ist ausreichend, um die festgestellten Schäden zu beheben. Die Entwicklung der Schäden wird jedoch weiterverfolgt.

5.2.3 Untere Platte des Hohlkastens Die stark beschädigten unteren Platten der Hohlkästen wurden mit einer Schicht aus bewehrtem UHFB mit einer konstan ten Dicke von 55 mm saniert. Diese Instandsetzung war notwendig, um die Querschnitte wiederherzustellen, die für das Gleichgewicht der Biegekräfte in Längsrichtung in Verbindung mit einer Verstärkung der oberen Platte in den Auflagerbereichen erforderlich sind. Für diese Verstärkung wurde ebenfalls ein UHFB der Klasse UB-C120 spezifiziert. Die Oberseite der Platte wurde in den zu behandelnden Bereichen 30–50 mm dick hydroabgetragen, um den beschädigten Beton zu entfernen und die Bewehrung freizulegen. Die Verstärkungsbewehrung bestand ebenfalls aus Stäben mit einem Durchmesser von 12 mm in beiden Richtungen. Die Bewehrungsstäbe wurden in die Stege eingelegt, um die Verstärkung mit der Fahrbahn zu verbinden.

In jedem behandelten Feld wurde vorab eine 1 m × 1 m oder 1 m × 2 m große Öffnung in der Fahrbahnplatte durch Kernbohrungen erstellt, um die Arbeiten durchzuführen (Bild 14, 15). Der UHFB wurde von Hand eingebracht, die Zwickel wurden mit der UHFB-Schicht wiederhergestellt. Diese Öffnung wurde anschließend erneut mit bewehrtem Beton geschlossen, bevor die Verstärkung der oberen Platte erfolgte.

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13 Bewehrungseinbau (links) und abgeschlossene UHFB-Betonage (rechts) © ASTRA

5.2.4

Zusätzliche Vorspannung

Bei den Untersuchungen der Vorspan nung wurden 4 nicht injizierte und durchtrennte Spannkabel an mehreren Feldern des Viadukts im Bereich über der Nationalstraße und an einer Rampe festge stellt, siehe Bild 8.

Die statischen Analysen zeigten, dass trotz des Verlustes von 30 % des Querschnitts der Spannglieder die Gesamtsicherheit eines gängigen Feldes der Rampen gewährleistet ist. Folglich wurde der nachgewiesene Verlust dieses Spannkabels nicht kompensiert. Die Spannfelder der Überführung über die National straße mit nachgewiesenen Kabelverlus ten sind hingegen besonders, da sie die Vorläufe der Rampen verbinden und daher überlastet sind. Für diese drei besonderen Spannfelder wurde eine zusätzliche externe Vorspannung eingesetzt, um die Verluste auszugleichen. Für jedes betroffene Feld bestand die zusätzliche Vorspannung aus einem Kabel mit sieben Litzen, das im Inneren des Hohlkastens angeordnet ist. Das Kabel hat einen polygonalen Verlauf und erstreckt sich über ein bis zwei Felder. In einem Drittel des Feldes wurden Umlenkungen aus Stahlbeton errichtet, die vorhandenen Streben ermöglichten die Umlenkung auf Abstützungen. An jedem Umlenker und an jeder Strebe wurden Stahlsättel angebracht, um das Kabel richtig auszurichten. An jedem Ende wurde hinter der aufgestützten Strebe bzw. vor der Endstrebe für Randfelder ein Verankerungsmassiv erstellt.

16

6 Überwachung und Ersatz des Bauwerks

Die Verstärkung sowie die Instandsetzung und der Schutz des vorgespannten Stahlbetons mit Hilfe des bewehrten UHFB ergeben eine Konstruktion, die in Bezug auf Tragfähigkeit und Dauerhaftigkeit verbessert wurde. So wird das verbesserte Viadukt eine Nutzungsdauer haben, die weit über die in der Nutzungsverein barung festgelegte Mindestanforderung von 15 Jahren hinausgeht – vorausge setzt, dass die AAR infolge der Abdich tung der exponierten Betonoberflächen durch die UHFB-Schicht wirksam gebremst werden kann. Um die Entwicklung des Zustands des Bauwerks zu verfolgen, wird ein Überwachungskonzept für das sanierte Viadukt erarbeitet, das die Stabilisierung des Zustands bestätigen soll.

Der beschädigte und außer Betrieb genommene Teil des Bauwerks wird ebenfalls Teil des Überwachungskonzepts sein und durch die Ausarbeitung eines Rückbaukonzepts ergänzt werden. Studien über den langfristigen Betrieb des Anschlusses werden durchgeführt, um den zukünftigen Rückbau dieses Bauwerks, das mit einer Gesamtfläche von 33.000 m 2 zu den größten der Schweiz gehört, zu antizipieren. Die Studien werden wahrscheinlich zu einem in Bezug auf die Größe optimierten Bauwerk führen. Es ist anzumerken, dass die aktuelle Maßnahme es ermöglichen sollte, den Ersatz auf einen fernen Horizont von mindestens einem Vierteljahrhundert oder sogar darüber hinaus zu verschieben.

Länge der Brücke: 2 × 1.250 m + 4 × 200 m (Zubringer) = 3.300 m

Inbetriebnahme: 1976

Gesamtfläche des Bauwerks: 33.000 m2

UHFB-Fläche: ~ 22.000 m2

Bauzeit: Februar 2021 bis Frühjahr 2022

Kosten: 23,5 Mio. CHF ohne MwSt.

Kostenverteilung: 65 % Schweizerische Eidgenossenschaft, 35 % Kanton Wallis

17 Kennzahlen © ASTRA

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15 Einbau von UHFB in den Kästen © ASTRA 14 Zusätzliche Vorspannung für ein Feld über die N 09 © ASTRA

Schlussfolgerungen

Die dringende Instandsetzung und Verstärkung dieses imposanten Viadukts wurde durch eine unvollständige und nicht sorgfältige Inspektion des Bauwerks über mehrere Jahrzehnte hinweg ausgelöst. Aufgrund des schwierigen Zugangs zum Inneren der Hohlkästen war in der Vergangenheit keine vollständige und sorgfältige Inspektion derselben durchgeführt worden. Ihr Zustand wurde als gesund angenommen, da von außen keine sichtbaren Schäden zu erkennen waren. Kürzlich ergab eine umfassende Inspektion jedoch, dass die Schäden im Inneren dieser Elemente fortgeschritten waren. Darüber hinaus haben Untersu chungen ergeben, dass das gesamte Viadukt bis zum Kern signifikant von AAR betroffen ist. Selbst optisch »gesunde« Bereiche weisen oftmals gravierende Vorkommen von AAR auf.

Um diesen vielfältigen Schadensursachen entgegenzuwirken, bestand die Haupt maßnahme in der Erneuerung der Abdichtung der Fahrbahnplatte und der dauerhaften Verstärkung der gesamten Fahrbahnplatte durch eine Schicht aus bewehrtem UHFB, die auf der Oberseite des Decks verlegt wurde.

Trotz des Umfangs der Aufgabe konnten die Planung und die Ausführung des Vorhabens dank der intensiven und reaktionsschnellen Zusammenarbeit aller Projektbeteiligten unter Zeitdruck erfolg reich abgeschlossen werden.

»Nehmen Sie nichts als gegeben an, wenn Sie es überprüfen können.« Rudyard Kipling (englischer Autor, 1865–1936)

Autoren: Jean-Marc Waeber

Bereichsleiter Stéphane Cuennet Fachspezialist Kunstbauten Bundesamt für Strassen (ASTRA) Bern, Schweiz

Bauherr Bundesamt für Strassen ASTRA und Kanton Wallis, Schweiz

Entwurf, Tragwerksplanung und örtliche Bauleitung INGPHI SA Concepteurs d’ouvrages d’art, Lausanne, Schweiz

Bauherrenunterstützung und Oberbauleitung Emch + Berger AG, Bern, Schweiz

Experten

TFB Romandie SA, Dr. J. G. Hammerschlag, Puidoux, Schweiz (AAR)

Ganz Consulting, Hans-Rudolf Ganz, Bösingen, Schweiz (Vorspannung)

Prof. Dr. Eugen Brühwiler, Eidgenössische Technische Hochschule Lausanne, Schweiz (UHFB)

Prüfingenieur

Prof. Dr. Eugen Brühwiler, Eidgenössische Technische Hochschule Lausanne, Schweiz (UHFB)

Ausführung Consortium VEMA 111, Weibel-Walo-Dénériaz-Evéquoz, Schweiz

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Schorgasttalbrücke 1. Platz Realisierungswettbewerb Entwurf Ausführungsplanung Bauüberwachung Straßen Brücken Tunnel www.bpr-consult.com www.srp-consult.de Foto: Oliver
Kleinschmidt

Bauzeitliche

Doppelnutzung der neuen Stahltragkonstruktion

Ersatzneubau der Schwelmetalbrücke im Zuge der A 1

Die Schwelmetalbrücke befindet sich im verkehrsreichen NordrheinWestfalen und überspannt ein städtisches Gewerbegebiet mit zahlrei chen zu berücksichtigenden Randbedingungen. Das originäre Bauwerk stammt aus den 1960er Jahren und wurde 2006 um zwei neue, außenliegende Teilbauwerke für die Auf- und Abfahrten der Anschluss stelle Wuppertal-Langerfeld zuzüglich Standstreifen ergänzt. Das hier vorgestellte Projekt beinhaltet den Ersatzneubau der beiden inneren Teilbauwerke aus den 1960er Jahren unter vollständiger Aufrechterhal tung der bestehenden sechs Fahrstreifen der A 1 mit einer Verkehrs belastung von ca. 100.000 Kfz/d sowie des öffentlichen Straßenund Bahnverkehrs unterhalb der Brücke. Die Baumaßnahme gleicht aufgrund ihrer Komplexität einem chirurgischen Eingriff. Diesem projektbestimmenden Umstand wurde bei der Entwicklung des Rückbau konzeptes unter Nutzung der Stahlkonstruktionen der neuen Teilbau werke als Bauhilfskonstruktionen Rechnung getragen.

1 Veranlassung 2014 wurde der DEGES die Planung und Baudurchführung für die Erneuerung der Schwelmetalbrücke im Zuge der A 1 übertragen. Das Projekt umfasst den Ersatz neubau der im Jahre 1960 errichteten inneren Teilbauwerke (TBW) 2 und 3.

In einer im Dezember 2013 durchgeführten Sonderprüfung erhielten die Bestandsbauwerke die Zustandsnoten 3,4 (TBW 2) und 3,5 (TBW 3). Es folgte eine kurzfristige statische und konstruktive Überprüfung entsprechend der Nach rechnungsrichtlinie. Hierbei ergaben sich erhebliche Defizite, welche durch ausgeprägte Rissbilder in bestimmten Bereichen der Hohlkästen sichtbar wurden. Die Brücke ist im Grenzzustand der Tragfähig keit gemäß der Nachrechnungsrichtlinie bzw. DIN 4227 bereits unter Eigenlast nicht mehr nachweisbar.

Als sofortige Maßnahme erfolgte die Sperrung der TBW 2 und 3 für Schwerlast verkehr sowie ein wöchentliches Rissmonitoring; die 1960er-Jahre-Bauwerke standen somit unter Dauerbeobachtung. Die Fahrstreifen für den Schwerlastver kehr werden seitdem ausschließlich über die neuen, äußeren Teilbauwerke von 2006 geführt. Während des Abbruchs und Neubaus von TBW 2 wird der Pkw-Verkehr über das TBW 3 geleitet, welches bereits eine Notverstärkung in Form einer externen Vorspannung in Längsrichtung sowie Schubverstärkungen in vertikaler Richtung erhalten hat.

2 Lage im Straßennetz, Verkehrsbedeutung, örtliche Randbedingungen

Die A 1 liegt am bestehenden Brückenstandort in ca. 18 m hoher Dammlage. Die Straßenachse ist in diesem Bereich in einer Geraden trassiert. Der Kreuzungs winkel der Teilbauwerke 1–4 beträgt ca. 87,11 gon. Die Gradiente des Bestandes wird für den Ersatzneubau übernommen und durch eine Wannenausrundung auf dem Bauwerk mit H = 2.5217 m bestimmt. Es ergeben sich Längsneigungen von 1,062–1,882 % auf dem Überbau. Beide Richtungsfahrbahnen der Ersatz neubauten erhalten analog zu den Bestands-TBW 1 und 4 jeweils ein zum äußeren Rand geneigtes Quergefälle von 2,50 %.

Durch die zu erhaltenden außenliegen den TBW wird der neu zu erstellende Brückenquerschnitt baulich begrenzt und kann nur wie im derzeitigen Bestand mit einer Gesamtbreite von 31,09 m neu errichtet werden. Die Fahrbahnbreite auf den innenliegenden Teilbauwerken wird somit sechsstreifig ohne Standstreifen ausgebildet.

Durch die Lage im Anschlussstellenbe reich Wuppertal-Langerfeld ergibt sich eine zentrale Bedeutung der Brücke sowohl für den Individual- als auch für den Lieferverkehr. Die werktägliche Nutzung der Auf- und Abfahrten der Anschluss stelle ist insbesondere für die ca. 200 ansässigen Unternehmen von großer Bedeutung.

SYMPOSIUM 82 BRÜCKENBAU | 1/2 2022
1 Bestehende Schwelmetalbrücke in Nordrhein-Westfalen @ Hajo Dietz/Nürnberg Luftbild

Im Bauwerksbereich werden zudem zahlreiche Verkehrswege und Anlagen unterführt: vierstreifige Bundesstraße B7/B483 inklusive Fuß- und Radweg mit ca. 22 m Verkehrsraumbreite, Dieselstraße mit ca. 10 m Verkehrsraumbreite zur Erschließung eines Gewerbegebietes, Gleisanlage: zweigleisige elektrifizierte DB-Fernbahnstrecke (160 km/h), zweigleisige elektrifizierte S-Bahnstrecke (120 km/h), eingleisige elektrifizierte Regionalbahn (100 km/h) sowie privater, nicht elektrifizierter Gleisanschluss eines Gashandels, Betriebsgelände des Gashandels mit 6 m breiter Zufahrt und Parkfläche unter der Brücke, befestigter Fluss Schwelme mit ca. 10 m Breite und umfangreichen Schacht- und Schieberanlagen, zahlreiche Leitungen und Medien.

3 Historie

Die Schwelmetalbrücke wurde 1960 mit zwei getrennten Teilbauwerken als zweizelliger Spannbetonquerschnitt auf Pendelstützen und Brunnengründung der Achsen 10–30 hergestellt. Die Länge beträgt 207 m mit Einzelstützweiten 60-87-60, die Gesamtbreite 31 m.

Die A 1 wurde im Jahr 2006 auf sechs Fahrstreifen ausgebaut. Dazu wurde die Brücke mit zwei außenliegenden Stahlverbundbrücken, TBW 1 und 4, ergänzt, welche die Ausfahrt bzw. die Auffahrt der Anschlussstelle Wuppertal-Langerfeld

und den jeweiligen Standstreifen aufnehmen. Auf der Westseite der Richtungs fahrbahn Köln wurde mit dem neuen Verbundüberbau eine 4,50 m hohe Lärmschutzwand als TBW 5 angeordnet.

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2 Aufrechtzuerhaltende Verkehrswege und Anlagen im Bestand © Bung GmbH 3 Planung von 1958 © Hochtief Infrastructure GmbH 4 Presseartikel zum Neubau von 1962 © Hochtief Infrastructure GmbH 6 Baubericht zum Neubau der Schwelmetalbrücke von 1960 © Hochtief Infrastructure GmbH
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4 Planung

4.1 Machbarkeitsstudie

2015 wurde auf Grund der hohen Komplexität und der umfangreichen Randbedingungen zunächst eine Machbar keitsstudie erstellt. Zum Rückbau wurden mögliche Abbruchverfahren untersucht, die insbesondere durch die Anforderun gen an den Rückbau der Überbauten im Bahnbereich bestimmt werden: Sprengen: wegen zahlreicher baulicher Anlagen ausgeschlossen, maschineller Abbruch auf untenliegendem Traggerüst: ausgeschlossen wegen zu geringer lichter Höhe über Oberleitung der DB AG, Längsausschub aus dem Bahnbereich: ausgeschlossen wegen massiver Eingriffe in den Bahnbereich durch Hilfsstützungen, maschineller Abbruch auf Schutzpolster im Bereich DB AG: lange Sperrpau sen der Gleisanlagen der DB AG sowie Privatgleisanschluss > 14 d erforderlich, Überbau-Rückbau durch obenliegendes Vorschubgerüst mit Betonschnei den und Ausfahren von Abbruchsegmenten.

Als realisierbare Lösungen wurden die vierte und fünfte Variante mit der DB AG abgestimmt. Seitens der Bahn erfolgte eine Prüfung bezüglich der Genehmigung einer längeren Sperrpause der unterführten Bahnanlage mit ICE-, Güter-, Regional- und S-Bahn-Verkehr im Rahmen der betrieblichen Bündelung 2017/ 2018. Im Ergebnis konnte einer längeren Vollsperrung nicht zugestimmt werden. Somit »verblieb« als einzige Lösung die Variante »Rückbau mit Vorschubgerüst«, die dann der weiteren Planung zu Grunde gelegt wurde. Seitens der Bahn wurden kleinteilige 6-h-Sperrpausen von einzelnen bzw. mehreren Bahngleisen nachts und am Wochenende als genehmigungs fähig in Aussicht gestellt. Für die Überbaukonstruktion wurden die Varianten Stahlverbund, einzelliger Hohlkasten bzw. zweistegiger Plattenbalken sowie ein einzelliger Spannbetonhohlkas ten untersucht. Unter Berücksichtigung der zu realisierenden Stützweite im Mittelfeld von 87 m, der geringen lichten Höhe zwischen Oberkante Tragseil und Unterkante Überbau sowie den örtlichen Gegebenheiten wurde der zweistegige Plattenbalken in Stahlverbundbauweise als Vorzugsvariante festgelegt. Die vorhandenen Stützenstandorte wurden auf Grund der bestehenden baulichen Anlagen und Zwangspunkte als konflikt ärmste Lösung beibehalten.

4.2 Entwurf des Neubaus

Die Entwurfsplanung und Erstellung der Vergabeunterlagen erfolgte 2016–2017 durch Inros Lackner SE im Rahmen eines Pilotprojektes des Landes NordrheinWestfalen mit der BIM-Methodik.

Die beiden getrennten Überbauten bestehen jeweils aus einem zweistegigen Plattenbalken als Stahlverbundkonstruk tion mit zwei Stahlhohlkästen und einer Stahlbetonfahrbahn mit Einzelbreiten von 15,50 m bzw. 15,59 m pro Überbau.

Der vorhandene Kreuzungswinkel von 87,11 gon entspricht dem Bestand. Der Brückenquerschnitt ist unterteilt in eine Fahrbahnbreite von 12,50 m und Kappenbreiten von 1,60 m jeweils zu den außenliegenden Stahlverbundbauwerken bzw. 1,35 m im Mittelkappenbereich.

Der Untergurtverlauf der Stahlhohlkästen wird in der Längenausdehnung parallel zum Obergurt ausgeführt. Die Stege der ca. 2 m breiten Hohlkästen werden vertikal ausgerichtet. Die Bauhöhe beträgt 3,50 m und entspricht dem Bestand.

Die Schlankheit, mit einem Verhältnis der Stützweite von 87,00 m zur Bauhöhe von 3,50 m, ist 24,85.

Die beiden Hauptträger sind durch stählerne Querträger in allen vier Auflagerachsen miteinander verbunden. Die Stahlbauteile der Überbauten werden in der Stahlsorte S355 und begehbar ausgeführt. Zur Gewährleistung der Beulsicherheit werden Querrahmenkonstruk tionen mit längslaufenden Trapezhohl steifen vorgesehen. Das Quertragsystem wird durch eine mit Betonstahl B500B schlaff bewehrte Fahrbahnplatte mit einer maximalen Dicke von 45 cm aus Ortbeton C35/45 gebildet.

Die Unterbauten und Gründungen werden weitgehend weiterverwendet. Dieser Entscheidung gingen umfassende Erkundungen und Nachrechnungen voraus. Folgende Bestandsgründungen sind vorhanden:

Widerlager Köln: Brunnengründungen auf quaderförmigen Brunnen (13 m × 5 m × 10 m bzw. 11 m),

Widerlager Kamen: Flachgründung als durchgehende Platte (32 m × 11 m × 3 m),

Stützenreihen: Brunnengründungen aus zylinderförmigen Brunnen D = 4,25 m (verschiedene Gründungstiefen zwischen 5,50 m und 9,80 m) mit Verbindungsbalken.

Im Zuge der geophysikalischen Untersu chungen in den Gründungsachsen wurde Massenkalk mit einheitlicher Struktur, kompakt bis stark zerklüftet, und teilweisen Hohlräumen im Felsgestein fest-

gestellt. Die bestehenden Gründungen wurden daraufhin durch weitere Bodenund Materialerkundungen untersucht und nachgerechnet. Die Absetzordinaten der Brunnengründungen, die mindestens 2 m in den kompakten Fels einbinden, konnten entsprechend der Bestandsunterlagen nachgewiesen werden. Beim Widerlager Kamen steht der Fels bereits 2 m unter dem Gelände an, so dass hier eine Flachgründung als durchgehende Platte zur Überbrückung eventueller Hohlräume angeordnet wurde.

Der Neubau beschränkt sich damit auf die Errichtung neuer, eingespannter Stützen mit Vollquerschnitt aus Stahlbeton einschließlich Fundamentbalken. Die Form der bis 14,70 m hohen Pfeiler orientiert sich am Bestand mit ovalem, kontinuierlichem Querschnitt über die gesamte Pfeilerhöhe mit Abmessungen von 2,20 m in Längs- bzw. 3,30 m in Querrichtung.

Bei den Widerlagern werden lediglich die Auflagerbänke und Kammerwände erneuert. Die neu zu schaffenden Auflagerbänke werden mit Injektionsdübeln mit den bestehenden Widerlagerscheiben verbunden. Zusätzlich werden die Auflagerbänke mit Mikropfählen rückveran kert.

Im Ergebnis der vorab erstellten detaillierten statischen Berechnungen wurden Maßnahmen zur Ertüchtigung der Widerlager und Gründungen festgelegt:

Widerlager Kamen (Festlagerseite): Zur Ableitung der Horizontalkräfte aus Lagerreibung und Bremsen werden zug- und drucksteife Mikropfähle eingebaut.

Pfeilerachsen 20 und 30: Bodenverbesserungen durch Baugrundinjektionen mit Zementsuspension mittels Rammverpresslanzen zur Stabilisierung der Brunnengründungen.

Zusammenfassend waren folgende Argumente für eine Weiternutzung der Gründungen ausschlaggebend:

Es sind keine nutzungsbedingten Schäden vorhanden.

Die Überbrückung gegebenenfalls vorhandener Hohlräume im Fels wird als nach wie vor funktionsfähig bewertet.

Die rechnerischen Nachweise zur Ableitung der aktuellen Vertikal- und Horizontallasten in die vorhandenen Gründungen und den sie umgebenden Fels konnten erbracht werden.

Das Bauvolumen wird im Sinne der Nachhaltigkeit reduziert und es ergeben sich erhebliche Vorteile in Bezug auf die Kosten und die Bauzeit.

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85 1/2 2022 | BRÜCKENBAU SYMPOSIUM
7 Neubauplanung für die Schwelmetalbrücke © Inros Lackner SE 8 Blick unter das bestehende Brückenbauwerk © DEGES GmbH 9 Neubauplanung: Querschnitt © Inros Lackner SE

5 Das Rückbauverfahren

5.1

Planung

Im Folgenden wird das dem Entwurf zugrundeliegende Rückbaukonzept, das auch Grundlage der Ausschreibung war, erläutert.

Dieses Konzept beinhaltet, wie bereits erwähnt, die Verwendung des neuen Stahlüberbaus als Traggerüst für den Abbruch: Er dient als Kranbahnträger für die erforderlichen Schwerlastgleiswagen, die auf dem Überbau mittels handelsüblicher Schienensysteme verfahren werden.

Die neue Stahlkonstruktion wird segmentweise zur Baustelle geliefert, in überhöhter Lage montiert und auf Hilfsstützen gelagert. Der vorhandene Überbau wird über Litzen an den Schwerlastgleiswagen befestigt, in Segmente geschnitten und aus den Bereichen der Verkehrsräume in die Absenkbereiche verfahren und abgelassen.

Nach Abbruch der bestehenden Überbauten, der Herstellung der neuen Pfeiler und Anpassungen der Widerlager erfolgt das Absenken des Überbaus in die Endlage. Die Fahrbahnplatte wird mittels Schalwagen und die Kappen mit Kappenschalwagen konventionell realisiert.

Folgender prinzipieller Bauablauf ist vorgesehen (Bauphasen 1a–1d): Zu den vorbereitenden Arbeiten gehören unter anderem die Einrichtung von Verkehrssicherungen und Baustelleneinrich tungsflächen, die Herstellung von Verbauten und Abbruchpolstern unterhalb der Bestandsüberbauten, die Verrohrung der Schwelme für die Herstellung eines Abbruchplatzes für das Randfeld, die Festsetzung und Leichterung des Überbaus, die Herstellung von Hilfsstützen einschließlich Gründungen auf Mikro pfählen inklusive Durchbrüchen in der Fahrbahnplatte sowie die Sicherung der Pendelstützen.

Die Stahlhohlkästen werden mittels Kran vom TBW 2 in Schüssen von ca. 16 m eingehoben und mittels Vorkopfmontage auf dem TBW 2 montiert. Die Andienung erfolgt auf dem nebenliegenden TBW 1. Durch die Lastrestriktionen des TBW 2 sind die Hilfsstützen in den Achsen 7, 23 und 39 lastgesteuert auszuführen, um Überbeanspruchungen des Tragwerks zu vermeiden.

In der Bauphase 1c, dem Rückbau des Mittelfeldes, werden Schwerlastgleiswagen auf der Widerlagerseite Köln montiert und auf dem neuen Stahlüber bau eingefahren.

Mit Hilfe der Schwerlastgleiswagen werden anschließend die Gerüstträger eingefahren und auf den äußeren Hilfsstüt zen der Achsen 20 und 28 abgelegt. Auf diesen Gerüstträgern wird im Bahnbe reich dann ein fahrbares Schutzgerüst (Rollgerüst) installiert, welches unabhän gig von den Schwerlastgleiswagen verfahren werden kann. Das Schutzgerüst besteht aus zwei Segmenten, die einzeln in zwei Nachtsperrpausen der Bahn eingefahren werden.

Die Hilfsstützen in den Achsen 7 und 39 werden lastgesteuert, um beim Trennen des Hauptfeldes die zusätzlich auftreten den Feldmomente in den Randfeldern zu vermeiden. In Feldmitte der Brücke in Achse 23 wird die Hilfsstütze zum Trennen des Überbaus genutzt.

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11 Rückbaukonzept: Stahlbaumontage (Bauphase 1b) © Inros Lackner SE 10 Rückbaukonzept: vorbereitende Arbeiten (Bauphase 1a) © Inros Lackner SE

12

Es wird von der Feldmitte der Brücke in Richtung Köln, also über dem Bahnbe reich, zurückgebaut. Die Fahrbahnplatte wird in Teilen abgetrennt und vor dem Abbruch der Hohlkästen mittels Schwer lastgleiswagen zu den Abbruchplätzen ausgefahren. Anschließend werden die Abhängungen zur Aufnahme der Lasten

1d)

für die verbleibenden Rückbauabschnitte der Hohlkästen montiert. Nach Trennung des statischen Systems durch Quer-Trenn schnitte mit Seilsägen werden die sich ergebenden zwei Rückbauabschnitte ausgefahren, mittels Litzenhebern abgelassen, maschinell abgebrochen und verwertet.

Die Hilfsstützen in Achse 23 unter dem Bestandsbauwerk werden anschließend zurückgebaut, um Platz zum Ausschieben weiterer Rückbauabschnitte aus dem Bahnbereich zu gewährleisten. Die nächsten Trennschnitte folgen in den Achsen 18 und 20.

13 Rückbau der Randfelder (Bauphasen 1e und 1f) © Inros Lackner SE

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Rückbau des Mittelfelds (Bauphasen 1c und © Inros Lackner SE

Die Bauphase 1d umfasst den Rückbau über dem Bahnbereich bzw. nachfolgend über der B 7/B 483 analog Bauphase 1c. Das Schutzgerüst wird anschließend in zwei Teilen ausgefahren und demontiert. Die Schwerlastgleiswagen werden in die Randfelder verbracht und übernehmen dort den Abbruch in der zuvor beschrie benen Weise. Die Abbruchplätze werden nun in den Bereich der Dieselstraße bzw. der verrohrten Schwelme verlegt. Damit können die gesicherten und lastfreien Pendelstützen mittels der Schwerlastwagen bereichsweise ausgefahren und rückgebaut werden. Die Sicherung der Stützen muss entsprechend dem Rückbaufortschritt angepasst werden.

Die Schwerlastgleiswagen werden in die jeweils erforderliche Position verfahren.

Die auszubauenden Segmente werden analog der Bauphasen 1c und 1d aufgenommen, verfahren und auf die Abbruch polster in den Randfeldern abgesenkt. Nach Fertigstellung der Beton-, Komplet tierungs- und Ausstattungsarbeiten erfolgt die Verkehrsumlegung auf das neue TBW 2. Der Ersatzneubau des TBW 3 wird analog errichtet, die vorhandene Notverstärkung dabei berücksichtigt.

5.2 Bauausführung

Die Auftragserteilung für den Ersatzneubau der Schwelmetalbrücke erfolgte nach europaweiter Veröffentlichung Mitte 2018 an Hochtief Infrastructure GmbH Deutschland West. Die Ausführungsplanung wird durch Arup Deutschland GmbH in BIM erstellt. Damit ist dieses Projekt eines der ersten, welches eine durchgängige BIM-Planung aufweist. Das Koordinationsmodell wird mit der Übergabe an den Baulastträger nach Gewährleistung als Bestandsmodell für den Einsatz in der Unterhaltung übergeben. Dort sehen wir aktuell den größten Nutzen der BIM-Technologie.

Die Neubauplanung verläuft vertragsgemäß auf Basis des Entwurfs der DEGES. In diesem Bereich fanden relativ wenige Optimierungen statt.

Die Rückbauplanung erforderte deutlich größere Aufmerksamkeit. Trotz frühzeiti ger Einbindung des zuständigen Prüfingenieurs Dr.-Ing. Heinrich Bökamp in die Entwurfsstatik ergab sich insbesondere bei der detaillierten Ausführungsstatik weiterer Abstimmungs- und Klärungsbedarf. Grundsätzlich folgt die Ausführungsstatik für den Rückbau des TBW 2 dem vertraglich vorgegebenen Konzept.

Für den Ansatz der Rückverankerungslänge der Spannglieder nach Trennschnitt wurde im Bauvertrag eine Annahme getroffen. In der weiteren Bearbeitung wurden konkrete Angaben zum tatsächlichen Bestand in statisch relevanten Bereichen erforderlich. Die DEGES veranlasste daraufhin ein Untersuchungsprogramm und das Öffnen von Hüllrohren zur lokalen Bewertung des Verpresszustandes. Es wurden insgesamt 38 Untersuchungsstellen an Wänden und Böden der begehbaren Hohlkästen über Bahn und Dieselstraße mittels HDW-Verfahren freigelegt. Drei der 38 Untersuchungsstellen wurden aufgrund der festgestellten Verpressfeh ler als »ungenügend« eingestuft, jene Bereiche befinden sich an Wänden mit stark geneigtem Spanngliedverlauf.

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14 Anpassungen an den Unterbauten, Absenken der Stahlkonstruktion in Endlage, Komplettierungsarbeiten (Bauphasen 1g und 1h) © Inros Lackner SE

Bei 35 Öffnungsstellen waren die Spanndrähte vollständig mit Mörtel umhüllt. Es wurden keine wesentlichen Korrosionser scheinungen festgestellt. In Auswertung der Untersuchungsergebnisse konnte den Spanngliedern eine Resttragfähigkeit nach Trennschnitt von ca. 75 % im Mittel zugeordnet werden. Infolge der detaillierten Berechnungen wurden der Einsatz eines dritten Schwerlastgleiswagens und der Einbau von Schubverstärkungen für einzelne Rückbauzustände erforderlich.

Das geplante Stahlbau-Montagekonzept beinhaltete eine Kranmontage im Doppelhub. Die Standorte von Kränen und Transportfahrzeugen waren auf TBW 1 im Rahmen von Verkehrsführungen vorgesehen. Während des Anhebens sollten kurzzeitige Sperrungen erfolgen. Dieses Konzept wurde zur Minimierung der Verkehrsein griffe sowie wegen etwaiger witterungs bedingter Störungen auf SPMT-Montage umgestellt.

Zum Schutz der Bahnanlagen wurde im Dezember 2019 ein großflächiges wasserdichtes Schutzgerüst unter dem TBW 2 errichtet. Dadurch entfallen punktuelle Verschiebevorgänge des ursprünglich geplanten Rollgerüstes. Die vorbereiten den Sägeschnitte über den Bahnanlagen erfolgten ohne Sperrpausen im Rahmen von statisch gesicherten Zuständen. Für die Restschnitte und das Verfahren waren kurze Sperrpausen aller Gleise notwendig.

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16 Beispiel eines im Inneren unverpressten Spannglieds © Raupach Bruns Wolff GmbH & Co. KG 15
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Bad Wünnenberg Aftetalbrücke Projektbeispiel Talbrücke Kallenbach bei Herborn
Projektbeispiel

Auch der Rückbau der Überbausegmente über den öffentlichen Verkehrsräumen bedurfte des Einsatzes von Schutzgerüs ten und Vollsperrungen der unterführten öffentlichen Straßen und Zuwegungen.

Der Rückbau des Überbaus von TBW 2 erfolgte ab Juli 2020 durch die Firmen DTL Betonrückbau GmbH, Hebetec Engineering AG und Moß Abbruch-Erd bau-Recycling als Nachunternehmen von Hochtief. Auf das ursprünglich vorgese hene Leichtern wurde verzichtet, der Abbruch schrittweise in 20 Einzelsegmenten realisiert. Die Trennschnitte wurden über den gesamten Querschnitt geführt und im Zeitraum von Mai bis Oktober 2020 mit Blatt- und Seilsägen vorgenommen. Die Segmente wurden entsprechend den statischen Erfordernissen in einer vorgegebenen Reihenfolge verfahren, auf Abbruchpolster abgelassen, zerkleinert und abgefahren.

Der Rückbau wurde im Auftrag der DEGES als Zeitraffervideo dokumentiert und kann über die Projektwebsite aufgerufen werden.

Ende März 2021 erfolgte das Absenken der überhöht eingebauten Stahlhohlkästen in 22 Absenkschritten über eine Höhendifferenz von 5 m. Der Vorgang dauerte ca. 3 h und wurde in Sperrpausen der unterführten Verkehrswege durchge führt.

Im Juni 2021 begannen die Arbeiten zur Herstellung der Fahrbahnplatte. Betoniert wurde im Pilgerschrittverfahren mit obenlaufendem Schalwagen, nachfolgend wurden die Kappen betoniert. Die Abdichtungsarbeiten erfolgten witte rungsbedingt unter Einsatz einer Schutzeinrichtung.

Aktuell wird die Fahrbahndecke auf der Brücke TBW 2 und im angrenzenden Streckenbereich eingebaut. An die Durchführung der witterungsabhängigen Markierungsarbeiten schließen sich die Verkehrsumlegung auf das neue TBW und der Ersatzneubau des TBW 3 in gleicher Bauweise an. Als vorbereitende Maßnah me wird derzeit das Schutzgerüst über der Bahnanlage montiert.

Der Fertigstellungstermin ist nach derzeitigem Kenntnisstand Mitte 2024.

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20 Impressionen vom Rückbau des Teilbauwerks 2
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© DEGES GmbH

6 Fazit

Das Thema »Bauen im Bestand« braucht innovative Ideen, teils kreative und mutige Lösungsansätze, ausreichend Vorbereitungszeit für erforderliche Untersu chungen und Erkundungen – und geht trotz verantwortungsbewusster Vorberei tung stets mit Überraschungen einher. Auch bei diesem Projekt wurden frühzeitig umfassende Recherchen, Untersu chungen und Erkundungen durchgeführt. Dennoch gab es im Zuge des Baufort schritts verschiedene unvorhersehbare Erkenntnisse und Festlegungen. Neben Abweichungen der Bestandsunterlagen vom tatsächlichen Bestand zeigten sich auch umfangreiche Differenzen im Streckenbestand. Das Bauwerk befindet sich zudem auf einer Zuständigkeitsgrenze unterschiedlicher Behörden. Die Abstimmungen mit den Rettungskräften zur Vermeidung unübersichtlicher Verkehrssituationen im Einsatzfall mündeten in zusätzlichen Konzepten und baulichen Maßnahmen, wie zum Beispiel der Einrichtung einer mobilen Stauwarnmelde anlage vor Verkehrsumlegung, der Installierung einer Kameraüberwachung, den Forderungen bezüglich einer zusätzlichen Auffahrt und weiterer Zufahrten für Rettungskräfte, der Erstellung und Umset zung eines Notfall-Sperrkonzepts.

Die konkrete Kenntnis über den Zustand der vorhandenen Spannglieder in den kritischen Bereichen ist ebenso elementar wie das Wissen um die tatsächlich benötigten Tragfähigkeiten gemäß Rückbaustatik. Theoretische Annahmen sind insbesondere in dichtbesiedelten und verkehrsreichen Räumen als nicht ausreichend zu bewerten. Die Sicherheit von Verkehrsteilnehmern und Baubeteiligten hat oberste Priorität.

Wichtige Erkenntnisse für zukünftige Projekte mit BIM konnten im Rahmen der Planung und Ausführung erworben werden. Durch konsequente Anwendung der BIM-Methode wurden und werden Abläufe verbessert und Kollisionen frühzeitig erkannt.

Insbesondere bei Ersatzmaßnahmen ordnet sich der Neubau in der Außen wahrnehmung dem spektakulären Rückbau komplett unter. Tatsächlich liegt das Interesse der Öffentlichkeit ausschließlich in der Nutzung des Bauwerkes, was zu einem Umdenken in der Planung führen muss: weg vom konstruktiven Detaildenken hin zum kundenorientierten Verfügbarkeitsgedanken.

Jedes erfolgreiche Projekt braucht ein Team mit dem Willen zum Erfolg. Wir bedanken uns an dieser Stelle bei allen Projektbeteiligten für die geleistete Arbeit. Auch die DB AG hat durch unkompliziertes und kooperatives Mitwirken zur Relativierung eingetretener Bauzeitver schiebungen beigetragen.

Unter www.deges/projekte/nrw/ Schwelmetalbrücke kann man sich jederzeit über den aktuellen Stand der Arbeiten informieren.

Die Operation verläuft bislang erfolg reich.

Autorin: Dipl.-Ing. Ines Nordhaus DEGES Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH, Zweigstelle Düsseldorf

Bauherr DEGES Deutsche Einheit Fernstraßenplanungsund -bau GmbH, Berlin

Entwurf und Planung Inros Lackner SE, Rostock

Prüfingenieur Dr.-Ing. Heinrich Bökamp, Münster

Auftragnehmer Hochtief Infrastructure GmbH, Köln (Ausführung)

Nachunternehmer Arup Deutschland GmbH, Düsseldorf (Ausführungsplanung in BIM) Donges SteelTec GmbH, Darmstadt (Stahlbau) DTL Betonrückbau GmbH, Dortmund (Rückbau) Hebetec Engineering AG Hindelbank, Schweiz (Rückbau) Moß Abbruch-Erdbau-Recycling GmbH & Co. KG, Lingen (Rückbau)

91 1/2 2022 | BRÜCKENBAU SYMPOSIUM

Ersatzneubau einer Brückenquerung über den Fraser River Pattullo Bridge Replacement Project in Vancouver

Die 1.227 m lange Stahlbogenbrü cke aus dem Jahr 1937 wird täglich von ca. 76.000 Pkw und 4.000 Lkw befahren, ist den gestiegenen Anforderungen nicht mehr gewachsen und muss nun ersetzt werden. Nachfolgend wird über den Wettbewerb, die Detailplanung und die Betreuung der Baustelle für die einhüftige Schrägseilbrücke als Ersatzbauwerk berichtet.

1 Projekt und Lage

Die Pattullo-Brücke kreuzt den Fraser River flussaufwärts von Vancouver und stellt eine wichtige innerstädtische Verbindung zwischen den Städten New Westminster und Surrey dar. Die 1937 für den Verkehr eröffnete Bestandsbrücke zeigt Alterungserscheinungen und ist mit ihren engen Fahrspuren ohne Mitteltren nung der Fahrtrichtungen dem heutigen Verkehrsaufkommen und den gestiege nen Anforderungen an die Verkehrssi cherheit nicht mehr gewachsen (Bild 1). Im Jahre 2019 wurde in einem beschränk ten Wettbewerb unter drei Teilnehmern der Entwurf und der Bau eines Ersatzbau werks ausgeschrieben. Hierzu wurde vom Bauherrn eine funktionale Ausschreibung mit allen einzuhaltenden technischen und vertraglichen Randbedingungen erstellt: 100 Jahre Nutzungsdauer. Für auswechselbare Elemente sind minimal zu erreichende Lebensdauern angegeben.

Bemessung nach kanadischer Brückenbaunorm CAN/CSA S6 mit Anpassun gen für Britisch-Kolumbien. Schifffahrtsprofil und Anpralllasten für Schiffe bis max. 60.000 DWT. Auslegung für Erdbeben mit einer maximalen Fußpunkterregung ≤ 6,50 m/s 2 für eine Wiederkehrperiode von 2.475 Jahren. Breitere Fahrspuren mit Mitteltrennung und Standspuren. Anfangs sollen vier Fahrspuren angeordnet werden, eine mögliche Verbreiterung auf sechs ist vorzusehen und vollständig zu planen. Eigene Fuß- und Radwege, die auf beiden Seiten der Brücke durch eine Schutzvorrichtung vom Verkehr getrennt sind, nach außen mit einer 3 m hohen Anti-Suizid-Sicherung.

Optimierte Anbindungen der Brücke. Die Entwürfe wurden zunächst vertrag lich und technisch durch den Bauherrn geprüft, danach wurde der günstigste Bieter beauftragt. Eine spätere Wartung wird getrennt ausgeschrieben und war nicht anzubieten. Die Erhebung einer Maut ist nicht vorgesehen.

Die neue Brücke soll im Jahr 2024 eröffnet werden, das bestehende Bauwerk bleibt bis zur Freigabe der neuen Brücke in Betrieb. Sobald die neue Brücke eröffnet ist, wird die alte rückgebaut. Am 7. Februar 2020 beauftragte die Regierung von Britisch-Kolumbien die Arbeitsgemeinschaft »Fraser Crossing Partners (FRP)«, eine Partnerschaft von Acciona Infrastructure Canada und Aecon Group, mit der Planung und dem Bau der

Ersatzbrücke und dem Rückbau des Bestandsbauwerks. Der Auftrag zum Festpreis von 1,377 Mrd. C$ (ca. 950 Mio. €) umfasst auch die Errichtung neuer Straßenverbindungen an den Brückenköpfen in New Westminster und Surrey.

2 Entwurf

Auf Grundlage der funktionalen Anforde rungen, der Baubarkeit und der Kosten wurden verschiedenste weitgespannte Brücken entworfen und mittels einer Bewertungsmatrix verglichen. Dabei waren insbesondere die Einschränkungen durch vorhandene Bauwerke, vor allem durch die unmittelbar daneben angeordnete 105 Jahre alte Eisenbahnbrücke, zu beachten (Bild 2). Am südlichen Flussufer stehen Sedimentschichten an, welche im Erdbebenfall zu Bodenverflüssigungen neigen.

Die Entscheidung fiel zugunsten einer einhüftigen Schrägseilbrücke (Bild 3) mit einer Hauptspannweite von 332 m (Bilder 4, 5). Ihre Gesamtlänge beträgt 1.235 m, gegliedert in eine 531 m lange Hauptbrücke, eine 239 m lange Nordrampe und eine 465 m lange Südrampe. Die seilverspannte Hauptöffnung über der Fahrrinne wird von einem einzigen 167 m hohen, H-förmigen Pylon (Bilder 6, 7) getragen. Die Rückhaltebereiche messen 162 m und 84 m. Der Trennpfeiler zur Südrampe befindet sich in Achse S 3. Eine statisch optimierte Anordnung des Trennpfeilers ca. 20 m weiter südlich war wegen strenger archäologischer Auflagen nicht möglich.

SYMPOSIUM 92 BRÜCKENBAU | 1/2 2022
1 Ausgangssituation: bestehende Flussquerungen © FCCGP 2 Situation im Bau mit Bestandsbrücken © FCCGP
93 1/2 2022 | BRÜCKENBAU SYMPOSIUM
3 Neues Brückenbauwerk im Kontext © FCCGP
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5 Ersatzneubau in Draufsicht und Ansicht © Leonhardt, Andrä und Partner AG

Der Hochpunkt des Überbaus befindet sich im Hauptfeld und liegt ca. 53 m über dem mittleren Wasserstand. Mit einem Ausrundungsradius von 1.600 m schließen sich die Rampen mit Steigungen von jeweils 5,5 % bis zu den Widerlagern an.

Den Überbau bildet ein stählerner Trägerrost mit im Verbund liegender Stahlbetonplatte (Bilder 8, 9). Die Stahlkonstruktion besteht aus wetterfestem Feinkornbaustahl mit Mindeststreckgrenzen von 350 MPa bzw. 485 MPa. Gemäß den örtlichen Brückenbaunormen ist über die Lebensdauer von 100 Jahren keine Abrostung zu berücksichtigen, sämtliche Baustellenstöße sind geschraubt auszuführen. Die Fahrbahnplatte wird aus Fertigteilen erstellt und ist komplett mit Edelstahlbewehrung versehen. Auf der Platte werden eine Abdichtung und ein Asphaltbelag mit 100 mm Gesamtdicke angeordnet.

Der nördliche sich aufweitende Fahrbahn bereich wird durch eine unsymmetrische Schrägseilanordnung vermieden. Im Bereich der Schifffahrtsrinne beträgt der Freiraum 275 m mit einer maximalen Durchfahrtshöhe von 46,86 m über dem mittleren Wasserstand, wobei hier bereits ein Anstieg des Meeresspiegels um 1,20 m infolge des Klimawandels berücksichtigt worden ist.

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SYMPOSIUM 94 BRÜCKENBAU | 1/2 2022
7 Längs- und Querschnitt des Pylons © Leonhardt, Andrä und Partner AG
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9 Querschnitte mit vier und sechs Fahrstreifen © Leonhardt, Andrä und Partner AG

Im Norden ist der Überbau (Bild 10) monolithisch mit der Hauptbrücke verbunden. Die Spannweiten betragen 115 m zwischen den Pfeilern N 1 und N 2 über den Gleisen und dem Wartungshof des Bahnbetreibers CN Rail sowie 77 m zwischen den Pfeilern N 2 und N 3 über eine Ortstrasse. Die abgetrennte südliche Rampe weist Spannweiten von 85,70 m, 82 m, 100 m, 73,50 m, 75 m und 49 m auf.

Die Bilder 8–10 veranschaulichen die Anordnung und die Abmessungen der Fahrspuren. Die ursprüngliche Anord nung mit vier Fahrspuren innerhalb der vertikalen Seilebenen weist folgende Merkmale auf:

eine 0,60 m breite und 0,81 m hohe Betongleitwand zur Trennung der Fahrtrichtungen, vier 3,60 m breite Fahrspuren für den Fahrzeugverkehr (zwei Fahrspuren je Richtung), zwei 2 m breite äußere Seitenstreifen (einer je Richtung), und zwei 3,50 m breite kombinierte Radund Gehwege (einer je Richtung) mit einem 1,80 m breiten einseitigen Radfahrstreifen; Trennung von den Seitenstreifen durch eine Gleitwand und einen Anti-Suizid-Zaun.

Die künftige sechsspurige Anordnung sieht sechs Fahrspuren für den Fahrzeug verkehr innerhalb der vertikalen Seilebenen vor. Hierzu werden die beiden ursprünglich kombinierten Rad- und Gehwege in Fahrspuren umgewandelt und zwei neue 4 m breite Kragarme am Überbau außerhalb der vertikalen Seilebenen ergänzt.

Die Bilder 6–7 zeigen den H-förmigen Pylon aus Stahlbeton mit zwei vorge spannten Betonquerriegeln. Die äußeren Querschnittsabmessungen der Pylonbeine verjüngen sich von 9 m × 5 m auf

Höhe der Pfahlkopfplatte zu 6,50 m × 4 m knapp unterhalb des oberen Querträgers. Darüber ist der Querschnitt konstant. Ein 5,40 m hoher und 8 m breiter Überzug oberhalb der Pfahlkopfplatte ist als Hohlkastenquerschnitt konzipiert und verteilt einen Großteil der Pfahllasten auf die Pylonbeine. Als Seilverankerungen dienen einfache Stahltraversen, welche an einen innenliegenden Kasten bildende Stahlwände angeschweißt sind.

Die Pylongründung umfasst 27 Pfähle in der Anordnung 3 × 9. Sie bestehen aus unten offenen Stahlrohren mit einem Durchmesser von 2,50 m und Wanddicken zwischen 35 mm und 55 mm, welche mit Längen bis 70 m in die Moränekiesschicht bzw. den Horizont des verwitterten Felses gerammt werden. Um die Kräfte aus dem Stahlrohr auszuleiten und diese dann flächig über Betonpfropfen in die

Pfahlkopfplatte mit Abmessungen von 56,40 m × 19 m × 3,40 m einzutragen, werden die Stahlrohre im oberen Bereich ausbetoniert.

Die Brückenpfeiler in den Achsen N 1 (Bild 11), S 2 und S 3 bestehen aus Stahlbetonvollquerschnitten mit einem Durchmesser von 3,50 m und sind ebenfalls auf massiven Pfahlkopfplatten und Stahlrohren von 2,50 m bzw. 2 m Durchmesser und mit Längen bis 88 m gegründet. Die Pfeiler an den Achsen N 3, N 2 und S 4–S 9 haben einen Durchmesser von 1,80 m und gehen direkt über in Ortbetonbohrpfähle mit Durchmessern von 2 m (an der Nordrampe) bzw. in unten offene Stahlrammpfähle mit D = 2 m an der Südrampe. Die Pfahlgründungen im Fluss werden durch ca. 2,50 m dicke Steinschüttungen auf einem Geotextilfilter gegen Auskolkung geschützt.

95 1/2 2022 | BRÜCKENBAU SYMPOSIUM
10 Überbau der Nordrampe © Leonhardt, Andrä und Partner AG 11 Pfeiler in Achse N 1 © Leonhardt, Andrä und Partner AG

Die Seile sind als Semiharfe in vertikalen Ebenen angeordnet. Sie bestehen aus konventionellen Bündeln von 23 bis 80 Litzen mit einer Querschnittsfläche von 150 mm 2 und einer Nennfestigkeit von 1.860 MPa. Die Drähte der Monolit zen sind verzinkt und von einer aufge schrumpften HDPE-Hülle umgeben, wobei die Hohlräume mit Wachs gefüllt sind. Das äußere Schutzrohr besteht aus einem HDPE-Rohr im Farbton »Lichtgrau« und ist zur Reduktion von Regen-Windindizierten-(RWI-)Seilschwingen mit einer doppelläufigen Helix ausgestattet. Da an anderen Schrägseilbrücken in der Region Probleme mit von Seilen herunterfallen den Eisschollen auftraten, verlangt der Bauherr, hier ein Enteisungssystem zu installieren. Das ausgeschriebene System sieht vor, Stahlketten entlang der Seile heruntergleiten zu lassen, um damit das Eis gezielt vom Seil zu lösen. Weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Ketten die Helix zumindest teilweise beschädigen, wurden die Nachweise gegen RWI-Schwingungen auch ohne einen Ansatz der Helix geführt. Alle Seile sind mit Hydraulikdämpfern versehen, welche sowohl in als auch aus der Seilebene mindestens 4 % logarithmisches Dekrement zusätzlicher Dämpfung erbringen. Die Inspektion erfolgt über Bühnen, welche entlang der Seile bis zu zwei Personen befördern können und von denen aus sich auch geringfügige Reparaturen am HDPE-Rohr durchführen lassen.

Die Überbauten sind auf stahlbewehrten Gummilagern mit Bleikernen gelagert. Mit Durchmessern bis 1,50 m und einer Gesamtdicke der Gummischicht bis 375 mm liegen diese an der Grenze des Machbaren. Die Lager werden in Querrichtung geführt, wobei der Bleikern für reguläre Lasten wie Wind etc. eine große Steifigkeit erzeugt. Im Falle größerer Erdbeben kommt der Bleikern ins Fließen, die Steifigkeit des Lagers wird lediglich vom Gummi erzeugt und reduziert sich damit wesentlich. Dadurch wird der Überbau von den Schwingungen des Untergrundes entkoppelt, was die Eigenschwingungsdauern vergrößert und die steifigkeitsabhängigen Erdbebenlas ten erheblich verringert. Das Hin-undher-Gleiten des Bleikerns ergibt zusätzlich eine große Dämpfung des Systems. Die Hauptbrücke mitsamt der angehängten Nordrampe ist am Pylon mittels längs liegender Kalottenlager gehalten. Das Bauwerk wird mit einem MonitoringSystem zur Bauwerksüberwachung ausgestattet. Es dient hauptsächlich dazu, den Zustand der Brücke unmittelbar nach einem starken Sturm oder Erdbeben

den Sollwerten schnell gegenüberzustellen. Damit erhält der Bauherr die Möglichkeit, gezielt eventuell beeinträch tigte Bauteile zu lokalisieren, zu inspizie ren und die Strecke möglichst frühzeitig wieder in Betrieb nehmen zu können. Die angeordneten Sensoren messen sowohl Verschiebungen im Baugrund als auch Beschleunigungen und Verschiebungen an verschiedensten Bauteilen. Diese werden in Echtzeit zusammen mit den Daten anderer Bauwerke in der Provinz Britisch-Kolumbien an eine zentrale Kontrollstelle gesandt und ausgewertet.

3 Detailbearbeitung

Hauptauftragnehmer für die Detailpla nung ist das kanadische Büro Hatch Ltd., welches mit Nachunternehmern arbeitet. Die Beauftragung geht weit über eine übliche Tragwerksplanung hinaus. Für die einzelnen Bauwerke ist jeweils ein sogenannter Engineer of Record (EoR) zu benennen. Dessen Aufgabe beinhaltet neben der persönlichen Verantwortung für die Tragwerksplanung auch die Erstellung der Spezifikationen, die Prüfung der Werkstattpläne und der vorgesehe nen Produkte sowie die Qualifikation der eingesetzten Hersteller und deren Mitarbeiter. Der EoR hat bis zur Schlussabnahme zur Verfügung zu stehen und sämtliche Unterlagen persönlich verantwortlich freizugeben.

Die Arbeitsteilung für den Hauptbrücken zug, die beiden Rampen und die Hauptbrücke umfassend, ist wie folgt: Hauptauftragnehmer Hatch: allgemeine Koordination mit Baufirma und Bauherr Stellung des für die Südrampe und die anschließenden kleineren Bauwerke verantwortlichen EoR Straßen- und Entwässerungsplanung Flusshydraulik mit Betreuung der Versuche im Wasserkanal, Bemessung Kolkschutz Bemessung der Pfeiler N 3 und N 2 sowie der Südrampe

Nachunternehmer

Leonhardt, Andrä und Partner: Stellung des für die Nordrampe und die Hauptbrücke verantwortlichen EoR

Erstellung eines globalen Rechenmodells für die Bauzustände von Pylon und Überbauten, das Endsystem und die Time-History-Erdbebenberechnungen für insgesamt 240 Kombinationen aus 15 verschiedenen Zeitschrieben und 16 verschiedenen Annahmen für Lagerund Bodensteifigkeiten Detailplanung der kompletten Hauptbrücke und der Nordrampe einschließlich der Gründungen und Unterbauten der Achsen N 1, S 1–S 3 Windkanalversuche und erforderliche Seildämpfungen

Nachunternehmer EXP: Stellung des geotechnischen EoR Auswertung der Bodenerkundungen und Festlegung der Erdbebenintensitäten Ermittlung der Erdbebenlasten sowohl als Antwortspektren als auch als Zeitschriebe des Verlaufes der Scherwellen im Boden und der Querlasten auf die Pfähle aus Bodenverflüssigungen sämtliche geotechnischen Nachweise der Gründungen Ausarbeitung des Konzeptes und Betreuung der Pfahlprobebelastungen Abnahme der Pfähle vor Ort Nachunternehmer GNEC: Planung der elektrotechnischen Ausstattung einschließlich der Sensorik für das Bauwerksmonitoring

SYMPOSIUM 96 BRÜCKENBAU | 1/2 2022
12 Globales Berechnungsmodell © Leonhardt, Andrä und Partner AG

Im Globalmodell wurden die Steifigkeiten der Pfahlgründungen über Flexibilitäts matrixen berücksichtigt. Ihre Ermittlung erfolgte an getrennten Modellen für die maßgebenden Einwirkungen mit nichtlinearen Federn zur Abbildung der Bodensteifigkeiten, wobei Variationen in den angesetzten Bodensteifigkeiten und Kote des Flussbettes durch Auskolkung berücksichtigt wurden. Für die maßge benden Erdbebenkombinationen wurde dann auch ein Gesamtmodell (Bild 12) benutzt, um Systemantworten der Gesamtkonstruktion, einschließlich der durch Scherwellen im Boden beanspruch ten Pfähle, kombinieren zu können. Pylone und Pfeiler wurden entsprechend als Stäbe modelliert. Der Verbundüber bau mit seinen mehrfachen Längsträgern wurde ebenfalls mit Stabelementen modelliert, wobei zur Berücksichtigung einer Scheibenwirkung der Fahrbahnplatte in Querrichtung ein fiktiver K-Verband eingeführt wurde. Somit konnten bereits am Globalmodell die Spannungen sowohl an den Stahlträgern als auch in der Beton platte abgelesen werden. Gemäß kanadischer Norm ist der Ausfall einzelner Stahlteile und die daraus resultierende Lastumleitung zu untersuchen. Falls diese nicht gelingt, werden recht hohe Anforderungen an die verwendeten Stahlgü ten, die Ausführung und vor allem die späteren Inspektionen gestellt. Aus diesem Grund wurde zur Erhöhung der Redundanz ein mittlerer Längsträger angeordnet.

Die Steifigkeit der Gummilager mit Bleikern wurde für die maßgebenden Erdbebenfälle iterativ für die maximale Verschiebung ermittelt und als lineare Feder unter Berücksichtigung einer Variation in der Steifigkeit des Gummis berücksich tigt. Im Nicht-Erdbebenfall fließt der Bleikern nicht und stellt somit den wesentlichen Anteil an der Lagersteifigkeit dar. Die Schnittgrößenermittlung einschließ lich der Untersuchungen gemäß Theorie II. Ordnung wurde für die üblichen Lasten gemäß kanadischer Brückennorm CAN-S6-14 vorgenommen. Neben dem Schiffsanprall sind die Erdbebenlasten maßgebend für die Bemessung der Gründungen, des Pylons und der Lager. Für den offenen Überbau mit seiner geringen Torsionssteifigkeit ist der planmäßige Seilaustausch bzw. Seilbruch maßgebend. Bei Letzterem wurde der plötzliche Ausfall von zwei Seilen in Kombination mit reduzierter Verkehrsbelastung berück sichtigt. Die dynamischen Erhöhungsfak toren wurden für verschiedene Ausfallszenarien im Zeitschrittverfahren zu ca. 1,50 ermittelt, wobei die Zeitdauer zur Inaktivierung der Seilkraft auf 0,05 s angenommen wurde.

Es wurden auch verschiedene Brandsze narien untersucht. Bei einem Feuer auf der Brücke infolge eines Benzintankwa genunfalls wird davon ausgegangen, dass sich eine Lache von 200 m 2 Grundfläche bildet und eine Temperaturkurve analog eines Kohlenwasserstoffbrandes erzeugt wird. Für die Branddauer wurden 60 min angesetzt. Mit den vorhandenen Betondeckungen von mindestens 50 mm ist die Bewehrung hinreichend geschützt. Die HDPE-Ummantelung der Seile tropft bei einer Temperatur ≥ 140 °C ab und entzündet sich bei ca. 340 °C, um dann selbst eine Brandquelle darzustellen. Durch Leonhardt, Andrä und Partner wurden verschiedene Brandszenarien und deren Auswirkungen auf die Oberflächentem peratur der Verrohrung untersucht. Ziel war es, zu ermitteln, in welchen Berei chen Brandschutzmaßnahmen in Form einer Umwicklung mit Steinwollematten etc. angeordnet werden müssen, damit maximal zwei Seile ausfallen. Die erforderliche Schutzhöhe wurde zu 17 m ermittelt, die unteren 3 m erhalten zusätzlich eine Ummantelung aus Stahl, um die Seile gegen Vandalismus zu schützen. Vom Büro EXP wurden sowohl die Antwortspektren als auch die Zeitschriebe für verschiedene Wiederkehrperioden von Erdbeben erstellt. Zusätzlich wurden die Querlasten infolge Bodenverflüssi gung angegeben bzw. der Umfang der notwendigen Bodenverbesserungen ermittelt. Des Weiteren hat EXP die äußeren Pfahltragfähigkeiten nachgewiesen. Das Büro Wacker war bereits in der Wettbewerbsphase eng eingebunden und ist auch in der Ausführungsphase gesamt verantwortlich mit allen Fragen bezüglich Windeinwirkungen beauftragt. Dabei sind die unterschiedlichen Konstellationen mit vier bzw. sechs Spuren zu berücksichti gen und, falls erforderlich, gegebenen falls aerodynamische Gegenmaßnahmen wie Windnasen etc. zu entwerfen.

Zum Leistungsumfang gehören die Festlegung des an der Örtlichkeit anzusetzen den Windklimas, und zwar unter Berücksichtigung des globalen Klimawandels, und die Festlegung der zu berücksichtigenden Windgeschwindigkeiten. Im eigenen Windkanal wurden an Teilmodel len (Bild 13) die statischen und aerodyna mischen Windbeiwerte des Überbaus und des Pylons ermittelt. Daneben wurden für den Überbau auch die aerodynamischen Dämpfungswerte nach Scanlan in laminarer Strömung gemessen.

Mittels dieser Kennwerte wurden vom Büro Wacker die für die Bemessung im End- und in den Bauzuständen anzuset zenden Windersatzlasten und der Nachweis einer ausreichenden Stabilität infolge von Wirbelablösungen, reinen Biegeeffekten (Galloping) und kombinierten Biege-Torsionsbewegungen (Flattern) sowohl versuchstechnisch als auch rechnerisch nachgewiesen. Um die Ergebnisse beiderseits gegenzuprüfen, wurde die Berechnung mit insgesamt drei Methoden durchgeführt: Methode 1: Messung der Kräfte und Bewegungen für unterschiedliche Windgeschwindigkeiten am starren bzw. schwingend gelagerten Teilmo dell im Maßstab 1 : 100, um die Kraftbeiwerte zu bestimmen und um Instabilitäten ausschließen zu können. Zusätzlich werden an einem Gesamt modell im Maßstab 1 : 300 in einem Grenzschichtkanal, welcher die naturähnlichen Geschwindigkeitsverteilun gen sowohl im Höhenprofil als auch in den räumlichen Ausdehnungen der Windböen abbildet, die auf den Überbau wirkenden fluktuierenden Winddrücke gemessen. In Kombination mit den vom Tragwerksplaner ermittelten Eigenformen und -frequenzen, Massen verteilungen und der angenommenen Systemdämpfung wird von Wacker ein dynamisches Rechenmodell im

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13 Teilmodell im Windkanal © Wacker Ingenieure GmbH

Frequenzbereich erstellt und damit die Ersatzlasten ermittelt.

Methode 2: Methode nach Davenport unter Berücksichtigung des gemesse nen Verlaufes der Kraftbeiwerte und der theoretischen Ansätze zur Winddruckverteilung über die Höhe und über die betrachtete Längenausdeh nung, womit unterschiedliche Böenintensitäten bei unterschiedlicher Ausdehnung berücksichtigt werden können.

Methode 3: Vom Büro GMTiB wurde ein FE-Rechenmodell im Zeitschrittverfah ren mit der Schrittweite 0,020 s erstellt. Es stützt sich auf das von Leonhardt, Andrä und Partner zur Verfügung gestellte Gesamtmodell und benutzt die von Wacker gemessenen statischen und dynamischen Kennwerte einschließlich der in den gemessenen Scanlan-Derivativa ausgedrückten Luftdämpfung.

Alle drei Methoden ergaben sehr ähnliche Bemessungsschnittgrößen und Verfor mungen und wurden vom Prüfingenieur bestätigt.

Gemäß Bauvertrag waren die Ergebnisse an einem Gesamtmodell im Maßstab 1 : 150 unter Einbeziehung der umgeben den Bauwerke zu bestätigen. Unter der Regie von Wacker wurden diese Versuche im Großkanal von Force Technology durchgeführt (Bild 14). Diese bestätigten die Ergebnisse von Wacker sowie die getroffene Annahme, dass die Umge bungsbebauung (Bestandsbrücken) keinen Einfluss auf Lasten und Stabilität des neuen Bauwerks haben wird.

4 Bauausführung

Die Fertigung der ca. 13.000 t Stahlrohre für die Pfähle erfolgte in China. Die Rohre wurden aus Blechen kalt gebogen (Bild 15) und zu ca. 13 m langen Rohren verschweißt. Für jede Schmelze wurden die Angaben der Walzzeugnisse an zusätzlichen Proben von einem unabhängigen Labor geprüft. Die Schweißnähte wurden zu 100 % mittels Phased Array Ultraschall (PAUT) geprüft. Bei Ankunft auf der Baustelle wurden die Rohre nochmals stichprobenartig auf Maßhaltigkeit und auf Schweißnahtfehler kontrolliert. Die Rohre werden mit Rammbären mit einer Energie ≤ 800 kJ eingetrieben (Bild 16).

Zur Herstellung der Pfahlkopfplatten im Wasser werden Betonfertigteilschalen auf den Pfählen angeordnet, welche dann als verlorene Schalung dienen (Bild 17). Die ca. 12.000 t Stahlteile für den Überbau werden ebenfalls in China gefertigt. Die Werkstattzeichnungen werden vom Fertiger erstellt, von der Baufirma im Detail geprüft und vom EoR auf Überein stimmung mit der Bemessung bestätigt. Zurzeit (Stand: Anfang Januar 2022) werden die Bleche zum Zuschnitt vorbereitet. Auch hier werden die Walzzeugnisse und die Fertigung durch unabhängige Institutionen vor Ort geprüft. Im Werk erfolgt eine Probemontage der Stahlteile, um deren Passgenauigkeit zu kontrollieren. Die Betonfertigteile der Fahrbahnplatten werden in Nordamerika gefertigt. Hier ist wiederum eine permanente Überwachung seitens der Baufirma und des Bauherrn im Werk vorgesehen. Der EoR selbst prüft stichprobenartig, wobei ihm sämtliche Material- und Überwachungs zeugnisse zur Verfügung stehen.

Der Überbau der Hauptbrücke wird mittels Derrick eingehoben und montiert. Danach erfolgen der Verguss der Fertigteilfugen und das Einziehen der Seile.

SYMPOSIUM 98 BRÜCKENBAU | 1/2 2022
14 Gesamtmodell im Force-Technology-Windkanal © Leonhardt, Andrä und Partner AG 15 Biegen der Rohre im Werk © FCCGP 16 Einrammen der Pfähle © Leonhardt, Andrä und Partner AG

Die Stahlträger der Nordrampe werden mittels Kranen vom Boden aus eingehoben. Anschließend werden die vorgespannten Teilfertigteilplatten aufgelegt und die Ortbetonergänzung betoniert. Der Pylon wird mittels einer für das Projekt speziell geplanten und erstellten Kletterschalung in typischen Schusshöhen von 5 m errichtet. Wegen der hohen Erdbebenbelastung ist sämtliche Längsbewehrung mit Durchmessern bis 55 mm in der Festigkeitsklasse 400 MPa mechanisch mittels Muffen zu koppeln und sehr eng in typischen Rastern von 100 mm zu verbügeln.

Die Gummilager mit Bleikern werden in Indien gefertigt. Für jede Größe muss ein Prototyp dynamisch auf Übereinstim mung mit den Rechenansätzen bezüglich erreichter Verformbarkeit, Hysterese und Stabilität unter Erdbebenlasten geprüft werden. Hierzu werden die entsprechen den Auflasten von bis 31 MN und ca. 4 MN Horizontallast bei ca. 350 mm Verformung dynamisch mit einer sich aus Erdbeben ergebenden sinusförmigen Geschwindig keit getestet. Da weltweit lediglich ein Labor in der Lage ist, solch große Lager zu testen, ist es aus terminlichen Gründen vorgesehen, die Leistungsfähigkeit an Lagern von reduzierter Größe zu testen. Des Weiteren sind sämtliche Lager, welche ins Bauwerk eingebaut werden, einer Produktionskontrolle zu unterziehen. Dazu wird eine der Erdbebenbeanspru chung vergleichbare statische Vertikallast sowie die entsprechende ± Horizontalver schiebung in fünf Zyklen aufgebracht und die einwandfreie Vulkanisation geprüft. Zurzeit (Januar 2022) sind an den Achsen S 1 und S 2 die Pfähle eingeschlagen und an Achse S 1 ist die verlorene Schalung für das Fundament teilweise installiert.

Sobald die Montage auf der Baustelle stärker voranschreitet, werden Mitarbei ter von Leonhardt, Andrä und Partner für ca. 35 Monate vor Ort sein, um die Übereinstimmung mit der Planung zu bestätigen und auf Abweichungen schnell reagieren zu können. Dies beinhaltet auch Anpassungen von Seilkräften, sofern Abweichungen in der Geometrie oder bei den Lasten auftreten sollten.

Autoren:

Dipl.-Ing. Peter Walser P. Eng. Dipl.-Ing. Philippa Maier P. Eng. Leonhardt, Andrä und Partner Beratende Ingenieure VBI AG, Stuttgart

Bauherr

Ihre Majestät, Königin Elisabeth II., im Recht der Provinz Britisch-Kolumbien, Kanada, vertreten durch das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur und BC Transportation Financing Authority

Generalunternehmer und Montage Arbeitsgemeinschaft: Fraser Crossing Constructors General Partnership (FCCGP), bestehend aus Aecon Constructors und Acciona Infrastructure Inc., Vancouver, Kanada

Planung

Hatch Ltd., Vancouver, Kanada Leonhardt, Andrä und Partner Beratende Ingenieure VBI AG, Stuttgart (Nachunternehmer) Wacker Ingenieure GmbH, Birkenfeld (Nachunternehmer)

GMTIB Guido Morgenthal Technologien im Bauwesen (Nachunternehmer)

Force Technology, Lyngby, Dänemark (Nachunternehmer)

EXP, Burnaby, Kanada (Nachunternehmer) GNEC, Burnaby, Kanada (Nachunternehmer)

Fertigung

Jiangsu Yangzi Chankong Offshore Engineering Co. Ltd., China (Stahlpfähle)

China Railway Shanhaiguan Bridge Group Co. Ltd., China (Stahlüberbau)

Mageba Services & Technology AG, USA (Bleikernlager)

Freycan Major Projects Ltd., USA (Seile)

Innovation aus Tradition

Kreative und innovative Entwürfe wettbewerbsfähige Sondervorschläge

Ausführungsplanungen auf dem neuesten Stand der Technik

Jahrzehntelange Erfahrung auf allen Gebieten des Ingenieurbaus

www.lap-consult.com

99 1/2 2022 | BRÜCKENBAU SYMPOSIUM
17 Anordnen der verlorenen Schalung für die Pylongründung © FCCGP Beratende Ingenieure VBI AG Rheinbrücke Leverkusen Pattullo Bridge Vancouver Güßbacher Welle

Ein neues Wahrzeichen für Linz im Bauzustand Die Hängebrücke der A 26 in Österreich

Die A 26 Linzer Autobahn ist als Westumfahrung eines der wichtigs ten Projekte zur Verbesserung der Verkehrslage in Linz sowie im Umfeld der Landeshauptstadt. Linzerinnen und Linzer profitieren von weniger Verkehr, Pendler aus dem westlichen Mühlviertel von den kürzeren Wegen. Mit der A 26 wird viel Verkehr sinnvoll auf die neue Autobahn verlagert und das städtische Straßennetz damit maßgeb lich entlastet. Teil der ersten Bauetappe ist die Errichtung einer neuen Donaubrücke. Mit einer Spannweite von über 300 m wird die schlanke Hängebrücke über die Donau zu einem ebenso eleganten wie funktionalen Wahrzei chen der Stadt. Die vierte Linzer Donaubrücke ist bis dato die einzige Hängebrücke in Österreich über die Donau. Der Startschuss für die Errichtung der A 26 Linzer Autobahn, Etappe 1 Donaubrücke war im Januar 2019. Drei Jahre später erfolgt die Montage der Hänge brücke an mehreren Schauplätzen gleichzeitig unter Volllast. 65 t schwere Tragseile werden über die Donau gezogen und die sieben bis 280 t schweren Schüsse des Stahlfahrbahnträgers für das Einschiffen vorbereitet. Kurz gesagt: Die echte Hängebrücke in Linz wird Realität.

1 Die A 26 Linzer Autobahn

Mit der A 26 entsteht eine neue, leistungsfähige Straßenverbindung zwischen der bestehenden A 7 Mühlkreis-Autobahn beim Knoten Hummelhof und der B 127 Rohrbacher Straße. Die Strecke beträgt ca. 4,70 km, davon 68 % unterirdisch im Tunnel.

Zur Überquerung des Donautals sowie der Westbahn werden zwei weitgespann te Brücken errichtet. Die A 26 wird in drei Etappen gebaut (Bild 1).

Gemäß aktuellem Planungsstand werden folgende Baubeginne und Fertigstel lungszeitpunkte angestrebt:

Etappe 1 (Donaubrücke inklusive Anschlussstellen im Berg): 2019–2024 Etappe 2 (Tunnel Freinberg, Unterflurtrasse Waldeggstraße): 2024–2029 Etappe 3 (Westbrücke, Anschluss an die A 7): 2029–2031

Der Bau der A 26 dient der Bündelung der Verkehrsströme im Kfz-Verkehr auf einer umweltschonenden Trasse mit Tunnelund Unterflurstrecken und wird begleitet von entsprechenden Schutzmaßnahmen. Im ersten Ausbauschritt werden die neue Linzer Donaubrücke und die Auf- und Abfahrten zur B 127 Rohrbacher Straße und B 129 Eferdinger Straße errichtet. Die Anschlüsse an das Landesstraßennetz befinden sich vollständig im Tunnel. Nach ihrer Fertigstellung wird die Brücke für den Verkehr freigegeben. Zunächst, bis zur Realisierung der Bauetappe 2, wird in jede Richtung eine Fahrspur über die Donau befahrbar sein.

SYMPOSIUM 100 BRÜCKENBAU | 1/2 2022
1 Übersicht über die Realisierungsabschnitte der A 26 Linzer Autobahn © ASFiNAG Bau Management GmbH

Ohne die A 26 würden laut Verkehrsprognose im Jahr 2030 ca. 62.200 Kfz/d die innerstädtische Nibelungenbrücke, Teil einer vierstreifigen Landesstraße, passieren. Die Nibelungenbrücke wird bereits mit der Verkehrsfreigabe der neuen Donaubrücke der A 26 Etappe 1 um 20.000 Kfz/d deutlich entlastet. Nach Gesamtfertigstellung der A 26 wird sich das Fahrzeugaufkommen auf ca. 38.800 Kfz/d reduzieren. Dies entspricht einer Entlastung der innerstädtischen Bestandsbrücke von ca. 38 %.

2 Startschuss für die echte Hängebrücke

Nach langjährigen Planungen und Genehmigungsverfahren konnte im Januar 2019 mit der Errichtung Etappe 1 der A 26 Linzer Autobahn gestartet werden. Herzstück der Etappe 1 ist die ca. 300 m lange echte, erdverankerte Hängebrücke über die Donau. Die einzigartige Topographie und die guten geologischen Verhältnisse in diesem Bereich des Donautals ermöglichen einen Kraftabtrag über die angrenzenden Felswände südlich und nördlich der Donau und somit die Ausführung einer echten Hängebrücke.

2 Linzer Autobahn, Etappe 1: Donaubrücke

© Geoconsult Holding ZT GmbH

Durch die ingenieurmäßige Ausnutzung des gegebenen Geländes lässt sich auf die Anordnung von Flusspfeilern oder Pylonen verzichten und es entsteht eine äußert schlanke, schwerelos wirkende Konstruktion.

Die Herstellung der echten Hängebrücke erfolgt in fünf Hauptschritten: Herstellung der Ankerblöcke Nord und Süd inklusive Brückenverankerung sowie Widerlager

Errichtung des Seiltragwerks (Tragseile, Hängerklemmen und Hängerseile) Einschiffen und Montage des Stahlfahrbahnträgers

Herstellung der Fahrbahnplatte inklusive Fahrbahnaufbau Ausrüstung der Brücke

101 1/2 2022 | BRÜCKENBAU SYMPOSIUM
3 Visualisierung: Hängebrücke am Tag © von Gerkan, Marg und Partner

3

3.1

Das Brückenbauwerk

Gliederung

Die vierte Donauquerung in Linz ist eine auf das Äußerste reduzierte und schlichte Hängebrücke, bestehend aus dem Überbau als Stahl-Verbundkonstruktion mit einem zentralen Stahlhohlkasten und gevouteten Stahlquer trägern im Abstand der Hänger, dem Seiltragwerk mit 145 mm dicken Tragseilbündeln, bestehend aus jeweils zwölf parallel geführten vollverschlos senen Spiralseilen; die Hänger werden ebenfalls als vollverschlossene Seile ausgeführt und weisen einen Durch messer von 95 mm auf, den Verankerungsbauwerken, vier Seilverankerungen (Nord und Süd) sowie zwei Widerlagerbauwerke an den Tunnelportalen.

3.2 Brückendeck

Der Überbau der Brücke wird mit in der Ansicht vertikalen Hängerseilen von den Tragseilen abgehängt. Der Hauptträger ist ein einzelliger Stahlhohlkasten mit einer im Verbund liegenden Fahrbahn platte aus Beton. Er gewährleistet die für Hängebrücken nötige Biege- und Torsionssteifigkeit. Der hohe Eigengewichts anteil aus Stahltragwerk, Betonplatte und Fahrbahnbelag samt Randbalken sorgt zudem dafür, dass die Verformungen und die Ermüdungslastanteile aus Verkehr in einem zulässigen Bereich bleiben. Durch die mittige Lage des Hohlkastens verschwindet dieser visuell im Schatten der auskragenden Fahrbahn und lässt die Brücke in der Ansicht schlank und elegant wirken. Die Wahl eines aus Stahl

und Beton kombinierten Tragwerks vereinfacht die Montage durch Einheben der leichten Stahlbausegmente von der Donau aus und bietet mit der nachträg lich aufbetonierten Betonplatte die notwendige Robustheit und Dauerhaftigkeit für eine stark frequentierte Straßen brücke.

Der 2,05 m hohe, oben 7 m und unten 5 m breite sowie begehbare Stahl-Haupt träger bildet zusammen mit dem Randträger im Verbund mit einer 28 cm dicken, schlaff bewehrten Betonplatte den biegeund torsionssteifen Längsträger der Brücke. Längs- und Quersteifen als T-ProfilRahmen im Hauptträger verhindern das Beulen der Steg- und Gurtbleche unter Druck- und Schubbeanspruchung.

SYMPOSIUM 102 BRÜCKENBAU | 1/2 2022
5 Ansicht und Grundriss der Brücke © schlaich bergermann partner 4 6 Querschnitt der Brücke © schlaich bergermann partner

Stahlquerträger, 80 cm breit und 0,90–2,05 m hoch, die ebenfalls im Verbund mit der Betonplatte liegen, leiten die Kräfte aus dem Hauptträger zu den Verankerungspunkten der Hängerseile. Die Querträger werden so wie die am Rand angeordneten 65 cm breiten und 90 cm hohen Längsträger als dichtgeschweißte Hohlprofile ausgebildet. Die Quer- und Längsträger dienen zugleich zur Auflagerung der Betonplatte.

und Fahrbahnplatte © schlaich bergermann partner

Die Betonfahrbahnplatte spannt primär in Querrichtung mit Auflagerungen an den Stegen des Hauptträgers und an den Randträgern. An den Rändern kragt die Betonplatte ca. 1,20 m aus und entlastet damit das Feld zwischen Rand- und Hauptträger. Auch an den Querträgern ist die Platte aufgelagert, so dass in diesen Bereichen eine zweiachsig gespannte Platte vorliegt. Wegen der einfacheren Herstellbarkeit ist geplant, die Verbund platte aus Halbfertigteilen zu realisieren: 8 cm Filigranplatten, in Querrichtung gespannt und mit Zwischenjoch versehen, sowie zusätzlich 20 cm Aufbeton.

3.3 Seiltragwerk

Die Haupttragseile über die Donau, die ein Gewicht von 13.000 t tragen, sind ca. 500 m lang. Zusammengefasst sind sie zu zwei Paketen aus jeweils zwölf einzelnen vollverschlossenen Spiralseilen (VVS-Seilen) mit einem Durchmesser von 145 mm. Die vertikalen Hängerseile, die die Haupttragseile mit dem Brückendeck verbinden, haben einen Durchmesser von 95 mm und sind in einem Abstand von jeweils 14,55 m angeordnet.

Die zwei Tragseilpakete vereinigen sich wieder an den steilen Donauufern und werden in jeweils zwei Stahlbetonanker blöcken in massiven Abspannbauwerken mit 100 Ankern pro Paket im Fels des Freinbergs bzw. der Urfahr-Wänd befestigt.

Jede der beiden Tragseilebenen wird als Paket, bestehend aus zwölf einzelnen vollverschlossenen Spiralseilen mit 145 mm Durchmesser, realisiert. Durch diese Aufteilung wird nicht nur die Montage der Tragseile möglich, sondern auch die jederzeitige Austauschbarkeit einzelner Seile gewährleistet: ein entscheidendes

Argument für eine lange Lebensdauer des Bauwerks. Durch die Wahl von zwei Seilebenen je Tragseil ist es möglich, sie einfach und effizient an einem kräftigen, stehenden Blech (Ankerschwert) zu verankern. Zur Justierung der Tragseile sind Futterplatten zum Längenausgleich vorgesehen.

9 Verankerung der Tragseile © schlaich bergermann partner

103 1/2 2022 | BRÜCKENBAU SYMPOSIUM
8 Prinzipdarstellung des Seiltragwerks © schlaich bergermann partner 7 Brückendeck

10 Tragseilklemme mit Hängeranschluss © schlaich bergermann partner

An den Tragseilklemmen aus Gussstahl, die auch die Tragseile in ihrer Geometrie fixieren, werden die Hängerseile über einen Gabelseilkopf verankert. Die Tragseile werden mittels Klemmschalen in den Nuten der Tragseilklemme gehalten. Durch die Vorspannung der HV-Schrau ben können die Tangentialkräfte über Reibung abgetragen werden. Die Länge der Tragseilklemmen richtet sich nach der zulässigen Querpressung und den notwendigen »Auslauftrompeten« für die Seilumlenkung.

Die Hängerseile sind ebenfalls vollver schlossene Spiralseile mit einem Durchmesser von 95 mm und Einzellängen von ca. 4,50–27 m. In Brückenlängsrichtung haben sie einen Abstand von 14,55 m.

3.4 Verankerungsbauwerke

Um der Besonderheit der geographischen Lage der Brückentragwerke im Donautal mit dessen steil ansteigenden Berghän gen aus Gneis Rechnung zu tragen, werden die Tragseile der Brücke direkt im Fels dieser Berghänge verankert. Dadurch »schwebt« die Brücke geradezu über der Donau und passt sich optisch schwerelos in das landschaftliche Umfeld ein.

Das Bauwerk kommt mir nur zwei SeilVerankerungsbauwerken und zwei Widerlagerbauwerken aus.

Die Kräfte der 2 × 12 Haupttragseile werden jeweils über ein Ankerschwert in die Ankerblöcke Nord und Süd eingeleitet, die mit über 100 Dauerverpressankern im Gneis verankert sind.

12 Widerlager und südlicher Ankerblock © schlaich bergermann partner

11 Tragseilklemme im Detail © schlaich bergermann partner

SYMPOSIUM 104 BRÜCKENBAU | 1/2 2022
13 Ankerblock Süd im Bau © ASFiNAG Bau Management GmbH

Die beiden Endquerträger des Brücken decks werden jeweils im Portalbereich der beidseitigen Tunnel auf Widerlagern gelagert. Die vertikale Lagerung erfolgt dabei mit allseitig beweglichen Kalotten lagern, die an den Außenseiten der Lager querträger angeordnet sind. In horizonta ler Richtung wird der Versteifungsträger des Tragwerks auf gesonderten Horizontallagern in der Symmetrielängsachse der Brücke statisch bestimmt gelagert. Der Festpunkt befindet sich auf dem südseitigen Widerlager, auf der Nordseite ist ein querfestes, längs bewegliches Lager. Durch diese Lagerung werden Zug- und Druckkräfte aufgrund der Einspannwir kung des breiten Decks bei Windbelas tung vermieden.

4. Das Baugeschehen

4.1 Ankerblöcke inklusive Brückenverankerung

Bevor mit der Herstellung der Ankerblöcke inklusive Brückenverankerungen begonnen werden konnte, musste der felsige Baugrund vorbereitet werden. Zu dieser Vorbereitung zählten unter anderem Obertage-Sprengarbeiten, die Herstellung von Steinschlagzäunen und Felsvernetzungen, der Aushub der Baugruben für die Ankerblöcke und Seiltunnel inklusive Baugrubensicherungen sowie einer anschließenden Bodenver besserung. Die Bodenverbesserung erfolgte durch Entfernen des verwitterten Gesteins, nachträgliche Betonauffüllun gen und zusätzliche Injektionen. Diese Maßnahmen ermöglichen eine gleichmäßige Übertragung der Ankerkräfte in der Sohlfuge auf das darunterliegende Gebirge.

Nach Abschluss der Vorbereitungsarbei ten wurden 217 Dauerverpressanker mit einer maximalen Ankerlänge von ca. 70 m mittels einer geführten und gesteuerten Bohrung eingebracht. Als Bohrmethode wurde das Wassara-down-thehole-hammer-Verfahren gewählt. Nur dadurch ließ sich die geforderte, im Vergleich zur Norm abgeminderte Einbautoleranz mit einer Winkelabweichung < 1 % erreichen.

Nach Abschluss der Ankermontage wurde der Ankerblock auf die bevorstehende Betonage vorbereitet. Neben Schalungsund Bewehrungsarbeiten ging der Einbau der 45 t schweren Ankerschwerter mit einer Einbautoleranz von ± 5 mm vonstatten. Im Endzustand erfolgt die Kraftableitung vom Seiltragwerk auf das Ankerschwert, über den Stahlbetonblock auf die Brückenanker und schlussendlich in der 15 m langen Haftstrecke der Brückenanker auf den felsigen Baugrund.

der Brückenlagerung © schlaich bergermann partner

Um den hohen sicherheitstechnischen und ingenieurmäßigen Ansprüchen an das Bauwerk gerecht zu werden, wurden die Ankerblöcke in einem Guss betoniert. Der Einbau der ca. 600 m³ Beton wurde in einem Tag unter Würdigung des Naheverhältnisses zu den Anrainern umge

setzt. Ein laufendes Monitoring der Betontemperatur zur Vermeidung von Rissen wurde installiert. Die Kühlung erfolgte durch Einbringen von Kühlwas ser in die vorhandenen Leerverrohrungen der Brückenanker.

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15 Widerlager und südliches Tunnelportal © ASFiNAG Bau Management GmbH 16 Ankerblock Süd vor der Betonage © ASFiNAG Bau Management GmbH 14 Schema

4.2 Errichtung des Seiltragwerks

Für die Montage des Seiltragwerks ist eine Vielzahl von Gerätschaften und Hilfskonstruktionen notwendig. Dazu zählen unter anderem: zwei Kabelkräne über die Donau inklusive Ballonseil zur Sicherung des Luftraums, Hilfsseilbahn für das Überführen des Haupttragseils, Seilwinden und hydraulische Litzenheber, Abrollmaschine und Spanngeräte zum kontrollierten Abrollen der Tragseile,

diverse Hebewerkzeuge (Schienenkran mit Hebelast > 80 t, Turmdrehkräne etc. ) sowie Sicherheitseinrichtungen (Arbeitskörbe für den Einsatz über der Donau, Arbeitsbühnen etc.).

Die einzelnen Komponenten wurden aus ganz Europa für die Montage des Seiltragwerks in die Stahlstadt Linz transpor tiert. Neben der Verfügbarkeit der Bauhilfskonstruktionen stellten die sicher heitstechnischen Anforderungen an das Zusammenspiel der Geräte eine besondere Herausforderung dar.

Eine weitere große Herausforderung für die Errichtung der Ankerblöcke und des Seiltragwerks waren und sind die äußerst beengten und alpinen Bedingungen. Um die Bereiche zwischen den Ankerblöcken zu bedienen, wurden zwei Kabelkräne mit einer Traglast von 2 × 5 t errichtet. Und um die großen, 65 t schweren Tragseile über die Donau zu ziehen, musste vorab mit den Seilkränen eine Hilfsseil brücke (»Hilfsseilbahn«) aus zwei 52-mmSeilen und 40 Seilreitern errichtet werden.

SYMPOSIUM 106 BRÜCKENBAU | 1/2 2022
17 Auf Hilfsseilbahn liegendes Tragseil © ASFiNAG Bau Management GmbH
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19 Tragseilmontage am Ankerblock Nord © schlaich bergermann partner

Die einzelnen Tragseile werden nachein ander von einer motorisierten Haspel abgewickelt und in einen Tensioner (Spanngerät) eingelegt. Anschließend wird das Seilende über ein 24-mm-Zugseil mit einer Winde auf der Südseite verbunden. Damit kann das Seil jetzt kraftkontrolliert von Nord nach Süd über die 40 Seilreiter

gezogen werden. Ist das Seil im Süden angekommen, werden beide Seilenden an jeweils einen Hydraulik-Litzenheber angeschlossen. Danach wird die Seilbrücke aus 52er Seilen und den 40 Reitern abgelassen und querverschoben, so dass das Haupttragseil frei über der Donau in überhöher Lage hängt. Nun

werden beide zentrisch angeordneten Litzenheber sukzessive abgelassen, da die freien Seilköpfe in die Ankerschwerter eingelegt sind. Beim Ablassvorgang bewegt sich das Seil quer zur Brücken achse in die entsprechende Endlage.

Das Korrosions- und Brandschutzgeschäft der Sika wird an die Sherwin-Williams Gruppe übergehen. So befinden wir uns in einer Phase des Umbruchs zweier großer Marken.

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107 1/2 2022 | BRÜCKENBAU SYMPOSIUM
20 Erstes Tragseil nach erfolgter Montage © schlaich bergermann partner * Die Sika-Marke ist Eigentum der Sika AG, Schweiz.

Die Montage der Tragseile hat Ende 2021 begonnen und wird in der ersten Hälfte des Jahres 2022 abgeschlossen werden. Nach Abschluss der Seilmontage werden die beiden inneren Seilebenen temporär zueinander gespannt, um Platz für das Ausrichten und Einführen der Hänger klemmen zu schaffen. In Summe müssen 2 × 20 Hängerseil- und weitere 2 × 10 Tragseilklemmen installiert werden. Nachfolgend zur Seilklemmenmontage werden auch die 40 Hängerseile eingebaut. Um im Anschluss die beiden Haupttragseile West und Ost in ihrer Endlage für die Deckmontage zu positionieren, werden entlang des Seils sieben temporäre Spreizen angeordnet. Somit ist die Seilmontage abgeschlossen, das Einschwimmen und Montieren der einzelnen Schüsse des Stahldecks kann beginnen.

5 Ausblick: Stahlfahrbahnträgereinschiffen, Fahrbahnplattenerrichtung und Restarbeiten Parallel zur Errichtung des Seiltragwerks wird am Donaukraftwerk AbwindenAsten auf einem Vormontageplatz der Stahlfahrbahnträger vorbereitet. Mit Fertigstellung der Seilmontage werden die sieben Segmente des Stahlfahrbahn trägers, beginnend mit dem mittleren, über die Donau vom Kraftwerk Abwin den-Asten zum eigentlichen Bestim mungsort transportiert. Aufgrund der hohen Strömungsgeschwindigkeit in diesem Bereich der Donau und zur

21 Darstellung der Hängermontage © MAEG

22 Temporäre Spreizung der Tragseile © schlaich bergermann partner

Gewährleistung eines kontrollierten Montagevorgangs wird ein Stelzenponton als Transportmittel und Fundament beim Hebevorgang verwendet. Durch die einzelnen Montageschritte ergeben sich in der Konzeption und Berechnung dieser Hängebrücke eine Vielzahl von Montage zuständen. Neben deren Planung ist die vermessungstechnische Kontrolle im Zuge der Errichtung für alle Beteiligten ein Kernstück für den Projekterfolg.

Mit der Montage der Betonfahrbahnplat te kann nach Fertigstellung des Stahlfahr bahnträgers voraussichtlich im Herbst 2022 begonnen werden. Zur Komplettierung der A-26-Hängebrü cke werden neben dem Einbau der Fahrbahn inklusive Abdichtung, Fahrbahn übergänge, Entwässerung, Randbalken, Geländer etc. die Fahrbahn- und die Effektbeleuchtung angebracht.

SYMPOSIUM 108 BRÜCKENBAU | 1/2 2022
23 Vormontage der Stahlfahrbahnträger © ASFiNAG Bau Management GmbH

In der Planungsphase wurde zur Unterstreichung der Einzigartigkeit der Hängebrücke bei der Fahrbahnbeleuchtung von der üblichen Lösung mit Masten abgewichen. Stattdessen werden ca. 1,20 m über Deck geführte horizontale LEDLeuchtlinien realisiert. Darüber hinaus sieht das Beleuchtungskonzept vor, den schlanken Stahlhohlkasten mit LED-Strahlern von der Innenseite der Randträger und die Tragseile mittels einzelner LEDStrahler auf den Tragseilklemmen effektvoll zu inszenieren.

Mit der Verkehrsfreigabe 2024 wird die Hängebrücke der A 26 Linzer Autobahn bei Tag und auch bei Nacht als ein wahres Highlight der Stahlstadt Linz dienen.

Autoren: Dipl.-Ing. Franz Sempelmann Projektleiter Dipl.-Ing. Sebastian Stöcklegger stellvertretender Projektleiter ASFiNAG Bau Management GmbH, Wien, Österreich Dipl.-Ing. Mathias Widmayer schlaich bergermann partner, Stuttgart

Wettbewerbsauslober und Bauherr ASFiNAG Bau Management GmbH, Wien, Österreich

Entwurf schlaich bergermann partner, sbp GmbH, Stuttgart Baumann + Obholzer ZT GmbH, Innsbruck, Österreich gmp Architekten von Gerkan, Marg und Partner, Aachen

Tragwerksplanung schlaich bergermann partner, sbp GmbH, Stuttgart Baumann + Obholzer ZT GmbH, Innsbruck, Österreich

Bauausführung Arbeitsgemeinschaft: ICM, Vicenza, Italien MAEG, Vazzola, Italien f-pile GmbH, Wien, Österreich

109 1/2 2022 | BRÜCKENBAU SYMPOSIUM
24 Visualisierung: Erscheinungsbild der Hängebrücke bei Nacht © von Gerkan, Marg und Partner
WestWood Kunststofftechnik GmbH Tel.: 0 57 02 / 83 92 -0 · www.westwood.de PMMA für Betonfahrbahntafeln - BASt-Listung - bis 0 °C Unter grundtemperatur verarbeitbar - überarbeitbar nach 30 Minuten

Eine außergewöhnliche Brücke aus Stahl Brückenbauwerk Nordstern der U-81-Strecke in Düsseldorf

Die Landeshauptstadt Düsseldorf realisiert zur Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs die Stadtbahnstrecke U 81 vom Freiligrathplatz zum Terminal des Flughafens Düsseldorf. Die neue 1,85 km lange Stadtbahnstrecke beginnt oberirdisch an der Halte stelle Freiligrathplatz, überquert den Nordstern und wird dann weiter auf einem Rampenbauwerk und über zwei Brücken bis in den Bereich des Tores 1 des Flughafens geführt. Von dort verläuft die Trasse ebenerdig, bis sie im Bereich der Halle 4 in einen U-Bahn-Tunnel abgesenkt wird, der aus einem Rampenbauwerk, dem Streckentunnel und der U-Bahn-Haltestelle besteht.

Die Trasse endet in der U-Bahn-Haltestelle Flughafen Terminal vor dem Hotel Maritim. Das Gesamtprojekt ist in mehrere Teilbaumaßnahmen untergliedert. Gegenstand der nachfolgenden Veröffentlichung ist dabei lediglich die »VE 110 Rohbau Hochstraße« und davon wiederum das »TP 04 Brückenbauwerk Nordstern«.

1 Gesamtübersicht mit Streckenverlauf © Landeshauptstadt Düsseldorf

1 Bauherr, Auftragnehmer, Termine

Der Bauherr der Gesamtbaumaßnahme ist die Stadt Düsseldorf. Die Entwurfsund Ausführungsplanung wurde von der Ingenieurgemeinschaft Grassl-Vössing im Auftrag des Bauherrn erarbeitet. Nach einem Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb wurde die Bietergemeinschaft U 91 Los 1 VE 110 Rohbau

Hochstraße, bestehend aus den Firmen Wayss & Freytag, Implenia und MCE, nach dem Bestbieterprinzip mit einer Gewich tung von 65 % für den Preis und 35 % für qualitative Werte beauftragt.

Am 2. Dezember 2019 erfolgte die Angebotsabgabe, die Beauftragung am 15. Mai 2020.

SYMPOSIUM 110 BRÜCKENBAU | 1/2 2022
2
3 Brückenbauwerk Nordstern: Trassierung in Grundriss und Ansicht © Landeshauptstadt Düsseldorf

2 Ausschreibung

Die beauftragte VE 110 beinhaltet im Wesentlichen die Errichtung zweier Niveaustrecken, einer Fangedammstre cke, zweier Rampenbauwerke und des Brückenbauwerks Nordstern. Zusätzlich gibt es ein Teilprojekt »Lärmschutz«, das hier übergreifend zusammengefasst ist. Die Trassierung der Brücke verläuft in einem großen Bogen über die A 40 und die B 8. Die große Länge sowie die relativ geringe Quersteifigkeit des gewählten Überbauquerschnittes führen dazu, dass die Konstruktion als »atmende Brücke« (O-Ton der Ausschreibung) konzipiert wurde.

Dazu ist der Überbau jeweils an den Widerlagern als semiintegrales Bauwerk fest eingespannt. Auf den Pfeilern sind allseitig bewegliche Lager anzuordnen, so dass sich die Längsbewegungen des Überbaus aufgrund von Temperaturein wirkungen durch ein seitliches Auswei chen des Überbaus in Querrichtung darstellen. Somit werden die aus Zwängungen resultierenden Spannungen reduziert. Die verbleibenden Kräfte werden durch die tief gegründeten Widerlager in den Achsen 10 und 70 aufgenommen.

4 Grundriss und Lagerschema

© Landeshauptstadt Düsseldorf

Die Trassierung der Strecke hat zur Folge, dass ein Großteil der Brücke im Radius R = 255,50 m ausgeführt werden kann; der Rest liegt in einem Übergangsbogen. Aufgrund der frei zu haltenden Verkehrs flächen unterhalb des Bauwerks entwi ckelt sich eine Balkenbrücke mit Fachwerkhauptträger über sechs Felder.

3 Konstruktion der Brücke

Die Stützweiten des Bauwerks betragen zwischen Widerlager A 10 und A 70 genau 76,42 m, 76,86 m, 64,06 m, 62,75 m, 81,94 m und 79,15 m (Bild 5). Die Gesamtlänge im Bogen misst somit 441,18 m. Die Einspannung des Fachwerks erfolgt jeweils über ein komplettes Fachwerkfeld. Die Widerlager sind mit Bohrpfählen tiefgegründet (Bild 6).

6 Einspannung im Widerlager

Die rechteckigen Betonpfeiler mit Abmessungen von 2,20 m × 2,50 m erhalten einen oberen gevouteten Pfeilerkopf aus Stahl mit Abmessungen von 9,00 m × 2,80 m × 1,70 m. Dabei ist vorgesehen, die Stahlträger mit einem vorher einzubetonierenden Stahlkranz zu verschrau ben (Bild 7).

Die Gründung der Pfeiler A 20, A 30 und A 40 erfolgt über Flachgründungen, die der Pfeiler A 50 und A 60 in Form von Tiefgründungen.

Die Konstruktionshöhe des Mittelfach werks beträgt konstant 6,60 m über die gesamte Brückenlänge. Die Fachwerkbreite variiert von 1,20 m am Untergurt bis 0,60 m am Obergurt. Der Obergurt erhält zur Steifigkeitserhöhung in Querrichtung beiderseitig eine Verbreiterung von je 0,50 m. Die Höhe des Untergurtes misst 2,05 m und der Obergurt hat eine konstante Höhe von 0,60 m.

111 1/2 2022 | BRÜCKENBAU SYMPOSIUM
5 Ansicht des Brückenbauwerks © Landeshauptstadt Düsseldorf © Landeshauptstadt Düsseldorf

9 Regelquerschnitt der Brücke gemäß Ausschreibung der Landeshauptstadt Düsseldorf © Ingenieurbüro Grassl GmbH/Vössing Ingenieurgesellschaft mbH 8

Am Untergurt des Fachwerks schließen auf beiden Seiten die auskragenden Fahrbahnplatten, in orthotroper Stahlbauweise konzipiert, an. Aufgrund des geringen Radius werden zur Ausbildung nur Flachsteifen eingebaut. Die Auskragung beträgt dabei jeweils 5,33 m (Bild 9).

Die komplette Stahlkonstruktion wird luftdicht verschweißt. Dies stellt insbesondere für die Fertigung, aber auch für die Montage aufgrund der nicht begehbaren niedrigen Querschnitte eine besondere Herausforderung dar. Die Innenflächen werden nicht beschichtet. Die beidseitige Entwässerung verläuft im Übergang von der Fahrbahn zu den Gehwegen, wobei die Längsleitung direkt unterhalb des Fahrbahnbleches verdeckt angeordnet wird. Die Zugänglichkeit ist über eine abnehmbare Gitterrostabdeckung im Bereich des Bodenbleches gewährleistet. Zum Schutz der Fahrbahn werden Unterschottermatten integriert, die Gleise sind im planmäßigen Schotter bett gelagert.

4 Geplantes Herstellverfahren

Die grundsätzliche Montage des Stahlüberbaus ist vom Bauherrn aufgrund der besonderen Lage der zu überführenden Verkehrsbereiche, aber auch wegen der Trassenführung im Radius wie in einer Klothoide weitestgehend durch Einschie ben des Überbaus sowie im Bereich der Klothoide auf Hilfsgerüsten in Endlage vorgesehen. Aufgrund der großen Stützweiten und des in Brückenquerrichtung geringen Abstands der Verschublager –

der Untergurt hat eine Breite von lediglich 1,20 m – hatte der Bauherr in den Feldern weitere Hilfsstützen für den Verschub eingeplant. Diese stellen nicht nur im Zuge ihres Auf- und Abbaus eine erhebliche Behinderung des Verkehrs auf der Autobahn dar, sondern ebenso wegen der hier ohnehin eingeschränkten Verkehrsführung. Zudem müssten die Stützen zum Teil auf dem vorhandenen Wannenbauwerk nachgewiesen werden (Bild 11).

10 Geplanter Verschub mit Hilfsstützen © Landeshauptstadt Düsseldorf

11 Hilfsstütze im Fahrbahnbereich und Wannenausbildung © Landeshauptstadt Düsseldorf

SYMPOSIUM 112 BRÜCKENBAU | 1/2 2022
Auflagerquerträger in Ansicht und Grundriss © Landeshauptstadt Düsseldorf 7

Grundsätzlich oblag dem Auftragnehmer die Wahl des Herstellungsverfahrens. Die übergebene Ausführungsstatik basierte auf dem vom Bauherrn vorgesehenen Konzept: Sollte der Auftragnehmer davon abweichen, liegen alle zusätzlichen Arbei ten wie die Modifizierung der Ausfüh rungsstatik, aber auch die Abweichungen in der Konstruktion und im Bauablauf in der vollen Verantwortung des Auftrag nehmers.

Die Detailplanung zur Gliederung der Transporteinheiten in Längs- und Querrichtung der Stahlkonstruktion sowie für das einzusetzende Montage- und Verschub-Equipment oblag dem Auftragnehmer.

Änderungen im Bauablauf bei bereits vorliegender und geprüfter Statik können oft aus Zeitmangel nicht realisiert werden. In diesem Fall entschied sich MCE jedoch zur Überarbeitung der Ausführungsstatik, um ein geändertes Herstellverfahren anzuwenden. Insbesondere der Entfall der Hilfsstützen einschließlich der kritischen Gründung beinhaltete ein hohes monetäres Potential und ermöglichte eine nicht unerhebliche Reduzierung der Verkehrsbeeinträchtigungen unterhalb der Brücke.

5 Beauftragtes Ausführungskonzept

Wie bereits erläutert, wurden die Montage, die Vormontage und der Einschub alternativ neu bearbeitet, monetär bewertet und letztendlich auch beauftragt. So zeigt sich, dass durch den Einsatz eines zusätzlichen »leichten« 40 m langen Vorbauschnabels der Einschub ohne zusätzliche Hilfsstützen möglich ist.

Die Planungsparameter und geometri schen Abmessungen der Konstruktion wurden dabei 1 : 1 übernommen. Die Wahl der konstruktiven Detailänderun gen erfolgte so, dass die Gesamtsteifig keiten dem Ausschreibungsentwurf entsprachen. Es wurde nachgewiesen, dass alle kritischen Montagezustände erfüllt werden. Die Einteilung in einen Verschub bereich im Abschnitt des konstanten Radius sowie die Montage auf Hilfsstüt zen im Bereich der Klothoide wurden ebenfalls übernommen, lediglich der Verschubbereich wurde um ein halbes Feld bis zum Pfeiler A 20 verlängert. Die geometrische Abweichung konnte vermittelt werden, die Ausführung der stählernen Querjoche auf den Pfeilern wurde nicht verändert.

Die Transportgrößen für die Stahlkonstruktion wurden auf Basis der Parameter Konstruktion, Transport und Vormontage festgelegt. Und so werden die Fachwerk gurte zu je 24 Bauteilen hergestellt, die Diagonalen als Einzelteile und die Fahrbahn in Längsrichtung in 24 Abschnitten und in Querrichtung je Seite in zwei Elementen vorgefertigt und mit Lkw-Son dertransporten zur Baustelle gefahren. Aufgrund der beengten Verhältnisse im Vormontagebereich wurden statt der üblichen Mobilkräne zwei Portalkräne aufgebaut, die das Abladen, ein eventuelles Zwischenlagern und das Positio nieren aller Bauteile ermöglichen.

113 1/2 2022 | BRÜCKENBAU SYMPOSIUM
12 Verschub ohne Hilfsstützen mit Vorbauschnabel © MCE GmbH 13 Abladen von Bauteilen © MCE GmbH

In insgesamt neun Sequenzen werden auf dem Vormontageplatz zwei bis vier Schüsse vormontiert und anschließend endbeschichtet. Mit Hilfe von hydrauli schen Litzenpressen wird die Konstruktion dann längs eingeschoben. Die bis zu 4 m langen Verschublager sind als Wippe ausgebildet. Für die gleichmä ßige Beanspruchung über die Wippenlänge werden zusätzliche Elastomerkissen eingebaut. Diese Ausführung gewährleis tet eine einwandfreie Lasteinleitung in die Stege des Fachwerkuntergurtes, wobei zusätzliche Vertikal- und Horizontal führungen in den Verschubachsen die Lagesicherheit während der kompletten Verschubphase sicherstellen.

Der Bauherr legt großen Wert auf eine nachhaltige Bewertung des Bauwerks und insbesondere der Stahlkonstruktion. Daher ist vorgesehen, nach dem Lückenschluss Messeinrichtungen, sogenannte DMS, an beiden Widerlagern und in Brückenmitte anzuordnen, um auch die Ausbaulasten, eine Probelastung sowie im späteren Betrieb die Beanspruchungen mittels Monitoring überwachen zu können.

6 Besondere Herausforderung

Da die komplette Brücke aus dichtge schweißten Hohlkästen mit niedrigen Bauhöhen besteht, kommt der Herstell folge sowohl im Werk als auch auf der Baustelle eine besondere Bedeutung zu. Das heißt, nur eine detailgenaue und gut geplante Reihenfolge gewährleistet im Werk eine technisch umsetzbare Schweißkonstruktion.

Auf der Baustelle wird es notwendig, eine Vielzahl von »Schweißfenstern« vorzuse hen, um alle Montagenähte zu erreichen. Der enge Radius musste auch im Bereich des Vormontageplatzes weitergeführt werden. Die Gleise der Portalkräne erhielten somit ebenfalls die entsprechende Krümmung, zudem hatte das Verschubequipment diese Anforderungen zu erfüllen.

Da eine Beschichtung über den Verkehrs wegen unterhalb der Brücke nicht möglich ist, wurde auf dem Vormontageplatz eine korrosionsschutzgerechte Einhau sung errichtet, in der die letzte Deckbe schichtung mit aufgebracht wird. Besonderes Augenmerk bei der Herstel lung gilt der Einspannung des jeweils letzten Fachwerkfeldes in die Widerlager, darf es doch während des Abbindepro zesses keine Bewegungen der Stahlstruktur im Widerlager geben. So ist sicherzustellen, dass mögliche Zwängungen aus Temperatur von einer temporären Konstruktion aufgenommen werden können.

SYMPOSIUM 114 BRÜCKENBAU | 1/2 2022
15 Einschub der Brückenkonstruktion © MCE GmbH 16 Vertikal- und Horizontallager im Schnitt © MCE GmbH 17 Pfeilerquerträger nach Montage © MCE GmbH 19 Anordnung der DMS-Messpunkte: Widerlager und Brückenmitte © Landeshauptstadt Düsseldorf 18 14 Vormontage der Diagonalen © MCE GmbH

7 Stand der Arbeiten

Zurzeit sind ca. 40 % der Stahlkonstruktion vormontiert sowie drei von neun Verschüben erfolgt. Die Vorbereitung für die Unterstützungskonstruktionen im Feld A 10–A 20 haben begonnen, wobei es das Ziel ist, den Verschub im Spätsommer abzuschließen. Danach werden die Verschublager ausgehoben und die endgültigen Lager eingebaut. Nach dem Herstellen der Einspannungen an den Widerlagern werden noch die Kabelkanäle, die Entwässerung und die Unterschottermatten aufgebracht, bevor Schotter-, Gleis- und Oberleitungsarbei ten sowie die Errichtung der Lärmschutz wände den Abschluss bilden.

8 Ausblick

Nicht nur wegen seiner Gestaltung oder seiner Form und Konstruktion stellt das Brückenbauwerk Nordstern eine außergewöhnliche Tragstruktur aus Stahl dar.

Auch die Auftragsabwicklung zeigt anschaulich, dass in einem konstruktiven und partnerschaftlichen Zusammenspiel von Bauherr, Planer und Auftragnehmer ein Mehrwert entstehen kann.

Der heute eingeschlagene Weg mit vorgelagerter Ausführungsplanung versperrt oft die Chance, das Potential und die Möglichkeiten der ausführenden Firmen einfließen zu lassen. Dass es, bei gutem Willen aller Beteiligten, auch anders gehen kann, veranschaulicht und beweist dieses Brückenbauwerk.

An dieser Stelle gilt allen Beteiligten der ausdrückliche Dank für die bisherige Zusammenarbeit.

Autor: Dr.-Ing. Dieter Reitz MCE GmbH, Linz, Österreich

Bauherr

Landeshauptstadt Düsseldorf

Planung Ingenieurbüro Grassl GmbH, Düsseldorf Vössing Ingenieurgesellschaft mbH, Düsseldorf

Prüfingenieur Dr.-Ing. Christoph Meinsma, Düsseldorf

Bauausführung Arbeitsgemeinschaft: Implenia Holding GmbH, Stuttgart MCE GmbH, Linz, Österreich Wayss & Freitag Ingenieurbau AG, Frankfurt am Main

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115 1/2 2022 | BRÜCKENBAU SYMPOSIUM
20 Fertigung der seitlichen Fahrbahn © MCE GmbH 21 Visualisierung des fertiggestellten Brückenbauwerks © Ingenieurbüro Grassl GmbH
T 06659 86-201

Exemplarisches »Innenstadtprojekt« in Treptow-Köpenick Ersatzneubau der Elsenbrücke in Berlin

2 Ausgangssituation und Projektaufgabe

3 Bestandsbauwerk und Bauwerkszustand

Berlin ist eine urbane und pulsieren de Metropole. In einer wachsenden, weltoffenen Stadt mit einer aktuel len Einwohnerzahl von ca. 3,6 Mio. Menschen, der darüber hinaus zu berücksichtigenden Wirkung als Metropolregion Berlin-Branden burg, einer jährlichen Touristenan zahl von ca. 13,5 Mio. (zumindest vor der Corona-Pandemie) und einer Flächengröße von ca. 890 km² mit aktuellem Verkehrsaufkommen bis 200.000 Kfz/24h ist es erforder lich, neue Lösungen für Mobilität, Stadtgestaltung und Nutzungsfor men zu finden. Die komplexen Anforderungen hinsichtlich Bauab wicklung, Gestaltung, Wirtschaft lichkeit, Funktionalität und Nachhaltigkeit sind auch bei den anstehenden Brückenbaumaßnahmen in ausgewogenem Verhältnis zu berücksichtigen.

1 Einleitung

Die Projektaufgabe zum Ersatzneubau der Elsenbrücke umfasst neben dem eigentlichen Brückenneubau auch den Rückbau der bestehenden komplexen Spannbetonbrücke und die Errichtung der Behelfsbrückenkonstruktion. Aufgrund der hohen Auslastung der Verkehrsachse muss die Errichtung des Ersatzneubaus in mehreren Abschnitten bei laufendem Betrieb erfolgen. Die bestehenden Verkehrsbeziehungen der verschiedenen Verkehrsarten sollen, entsprechend den Vorgaben aus dem Berliner Mobilitätsgesetz, während der notwendigen Bauabschnitte und Projektphasen weitgehend aufrechterhalten werden, womit besondere Anforderun gen an die Planung der Bauabwicklung zu stellen sind. Am Beispiel des Ersatz neubaus der Elsenbrücke in Berlin sollen nun die besonderen Herausforderungen bei der Planung und Ausführung einer innerstädtischen Brückenbaumaßnahme gezeigt werden.

Die Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz von Berlin ist verantwortlich für alle Brücken und Ingenieurbauwerke nach DIN 1076, welche in der Zuständigkeit des Landes Berlin liegen. Aktuell sind es 825 Brückenbauwerke – und die Elsenbrücke ist eines von diesen Bauwerken.

Sie überspannt im Zuge der Elsenstraße und des Markgrafendammes die Bundesstraße B 96a und stellt somit eine wichtige Verkehrsanbindung über die Spree dar, welche nicht nur die Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg und TreptowKöpenick verbindet, sondern auch für ca. 60.000 Kfz/24h inklusive mehrerer Buslinien des ÖPNV und für eine wachsende Anzahl von mit dem Rad fahrenden Personen eine übergeordnete Bedeutung für die Verkehrsanbindung der Berliner Innenstadt aufweist.

Die Elsenbrücke ist eine im Jahr 1968 eröffnete Straßenbrücke. Flussaufwärts befinden sich neben ihr zwei weitere Brücken, die Ringbahnbrücke Oberspree für den S-Bahn- und Fernbahnverkehr und die Parkwegbrücke für Fußgänger. Im Sommer 2018 wurden an der Elsenbrücke erhebliche Schäden festgestellt, so dass sie abgerissen und neu errichtet werden muss.

Die Elsenbrücke überführt die B 96a rechtwinklig über die Spree am Treptower Park. Das Bauwerk, das in jeder Fahrtrich tung drei Fahrstreifen mit Geh- und Radweg besitzt, ist als gevouteter Durchlauf träger über drei Felder mit Spannweiten von 45 m, 65 m und 45 m ausgebildet. Die Schifffahrtsöffnung befindet sich im mittleren Feld. Bei der zwischen 1964 und 1968 errichteten Brücke ist der Überbau durch eine Mittelfuge in zwei Teilbauwerke gegliedert. Jedes Teilbauwerk mit einer Breite von 17,20 m zwischen Gesimsaußenkante und Mittelfuge besteht aus zwei über der Fahrbahnplatte gekoppelten Hohlkästen. Die zwei getrennten Überbauten der vorhandenen Spannbetonbrücke setzen sich aus jeweils zweistegigen Spannbetonplattenbalken (Hohlkästen mit quer vorgespannten Fahrbahnplatten) und dazugehörigen Kragarmen zusammen. In den gevoute ten Hohlkästen verlaufen Rohrtrassen verschiedener Leitungsbetriebe. Die Überbauten sind in Querrichtung überwiegend mit Bündelspanngliedern BSG 50, die 16 Drähte in einem kreisför migen Hüllrohr besitzen, vorgespannt.

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1 Elsenbrücke: Bestandsfoto aus dem Bauwerksbuch von 2018 © Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz

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Unter den insgesamt 356 Querspanngliedern pro Überbau sind auch zwölf BSG 25. In Längsrichtung wurden die Überbauten nach dem Spannblockver fahren (TGL 173-33, Juli 1967), bei dem je Steg nur ein Spannglied eingebaut worden ist, vorgespannt. Die Spannglie der der Elsenbrücke bestehen jeweils aus insgesamt 532 Drähten à 35 mm² des Hennigsdorfer Spannstahls St 140/160 mit einer Nennspannkraft von 1.600 t. Die lagenweise in einem Blechkasten verlegten Drähte sind an den Bauwerksenden in getrennten Spannblöcken verankert. Der Kabelkasten hat Abmessun gen von b × h = 20 cm × 30 cm. Der Restbetonquerschnitt neben dem Kasten reduziert sich damit für den 45 cm breiten Steg planmäßig auf 2 × 12,50 cm. Die Lastabtragung aus dem Überbau in die Unterbauten erfolgt über Linienkipp lager aus Stahl in allen vier Auflagerrei hen. Die Endauflager der Brücke werden durch Stahlbetonkastenwiderlager gebildet. Diese weisen die Besonderheit auf, dass sie Spannkammern beinhalten, in denen die Überbauspanngliedverankerungen in Form von Spannblöcken enthalten sind. In Achse 40 schließt sich unmittelbar an die Widerlagerspannkam mer ein Rampenbauwerk an, in dem auf eine Länge bis 20 m Nutzräume integriert sind. Die beiden Strompfeiler bestehen ebenfalls aus Stahlbeton. Die Widerlager haben eine Pfahlgründung, während die Strompfeiler in Stahlspundwandkästen flach gegründet wurden.

Bauart

Spannbeton

Brückenklasse DIN 1072 30/30 Militärlastenklasse STNAF 100-30/30 Einzelstützweite 6,50 m, 5,00 m, 65,00 m, 45,00 m, 6,50 m, 17,30 m Gesamtlänge zwischen den Endauflagern 155,00 m

Lichte Weite zwischen den Widerlagern 153,40 m Kleinste lichte Höhe ca. 3,65 m (Hafenstraße) Kreuzungswinkel 100 gon Breite zwischen den Geländern 34,00 m Brückenfläche 5.254,50 m2 Materialien Beton B 450, Betonstahl St-A-III, Spannstahl St 140/160 oval, 35 mm²

6 Bauwerksdaten der bestehenden Brücke © Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz

117 1/2 2022 | BRÜCKENBAU SYMPOSIUM
Bestandsbauwerk: Längsschnitt und Querschnitt © Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz 5 Spannblockverfahren: Herstellung der Elsenbrücke 1965–1968 © Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz
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4 Bauwerksdiagnostik des Bestandsbauwerks

Mit ihren ca. 50 Jahren hat die bestehen de Brückenkonstruktion eigentlich noch nicht die geplante Nutzungsdauer erreicht. In dem zurückliegenden Unterhaltungsmanagement des Landes Berlin war sie auch nicht in der weiteren Planung enthalten. Zuletzt wurden im Rahmen von turnusmäßigen Instandset zungsarbeiten in den Jahren 2007–2010 Arbeiten zum Rückbau und Neubau der Fahrbahnbeläge und der Abdichtung, zum Rückbau und Neubau der Fahrbahn übergangskonstruktionen, Betoninstand setzungen der Betonoberflächen und Oberflächenbeschichtung, Arbeiten zur Instandsetzung der Stahlbetoneinfassung der Spannkammer und Spannkammer rückwand sowie Arbeiten zum Rückbau und regelkonformen Neubau der Brückengeländer vorgenommen.

Nach jahrelangem Betrieb der Elsenbrü cke wurden somit die erforderlichen und erkennbaren Unterhaltungsmaßnahmen ausgeführt. Anschließend widmete sich die Brückenbauverwaltung der Vielzahl von weiteren Instandhaltungs- und Neubauprojekten im Land Berlin.

Am 30. August 2018 zeigten sich dann jedoch neue gravierende Schäden an der Brücke. Im Rahmen turnusmäßig stattfindender Bauwerksprüfungen nach DIN 1076 wurden verstärkt Risse an der Brückenunterseite im östlichen Teil festgestellt sowie im Außensteg des nördlichen Feldes des östlichen Teilbauwerks der Elsenbrücke ein ca. 25 m langer Längsriss mit einer Rissbreite bis 1,80 mm, der sich sowohl an der Außen- als auch an der Innenseite abzeichnete. Neben dem breiten, leicht erkennbaren Riss

lagen bereichsweise noch weitere kleinere Risse sowie hohlliegende Betonflächen vor. Im Ergebnis mussten sofort alle Fahrstreifen auf dem östlichen Überbau für den Kraftfahrzeugverkehr komplett gesperrt werden. Nach umfangreichen Bauwerksuntersuchungen, Beprobungen und Begutachtungen stand im November 2018 fest, dass die stark geschädigte Elsenbrücke abgerissen und durch einen Ersatzneubau ersetzt werden muss. Die Ursache der Rissbildung ist auf eine Kombination aus verschiedenen Einflussgrößen, insbesondere auf den Spannkraftverlust des spannungsrisskorrosionsgefährdeten Spannstahls und einen hohen Tempera turgradienten im Sommer 2018, zurückzuführen. Die Ursache konnte nur in Auswertung des Schadensbildes, durch Verformungsauswertungen des Bestands bauwerks, die Wertung von Laborunter suchungen und Schadensbildern von anderen Brückenmaßnahmen sowie durch rechnerische FEM-Modelle empirisch belegt werden. Die festgestellten Bauwerksschäden sind hauptsächlich dem verwendeten Spannstahl zuzuordnen, welcher unter Berücksichtigung der damaligen Randbedingungen und nach damaligen Regeln der Technik verbaut wurde. Der Spannstahl ist über die gesamte Länge unmittelbar mit dem gesamten Bauwerk verbunden. Da nicht zerstörungsfrei feststellbar ist, an welcher Stelle und in welchem Umfang er geschädigt ist, lässt sich eine Ertüchti gung des Bauwerks oder der Austausch der Spannglieder nicht sinnvoll und wirtschaftlich durchführen.

Die Ermittlung der Schadensursache und des Schadensumfanges ließ sich nicht eindeutig abschließen, zum Teil konnten die genauen Analysen der Schadensursache bei vergleichbaren Brücken erst während des Rückbaus der Konstruktion gewonnen werden. Die Probleme für eine eindeutige und schnelle Schadensanalyse sind bei der Elsenbrücke durch die Sonderbaukonstruktion bedingt. Die verlegten Spannstähle liegen nicht wie üblich in einzelnen, gesondert verpressten Hüllrohren, sondern alle über 500 Spanndrähte wurden je Hohlkastensteg nur in einem einzigen Stahlblechkasten verlegt und verpresst. Mit den zerstörungsfreien magnetinduk tiven Messverfahren konnten nur die am Rand des Kastens verlegten Stähle untersucht werden. Alle innenliegenden Spanndrähte werden durch den umhül lenden Stahlblechkasten und die äußeren Spanndrähte abgeschirmt. Der Zustand ließ sich nicht durch zerstörungsfreie Prüfverfahren ermitteln. Insofern blieb nur die Möglichkeit, die Schadensursache aus vergleichbaren Schadenseintritten bei anderen Brücken, durch Auswertung von Laboruntersuchungen und aus rechnerischen Analysen zu verifizieren. Im Ergebnis ist der massive Schadenseintritt nur durch ein Versagen von Spannstählen im östlichen Überbau zu erklären. Wie bereits erwähnt, wurde bei der Elsenbrücke spannungsrissgefährdeter Spannstahl verwendet, welcher die rechneri sche Lebensdauer der Brücke erheblich reduziert. In Auswertung damaliger Bautagesberichte ist leider beim östlichen Überbau zusätzlich der erforderliche Ver-

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8 Schadensaufnahme im August 2018 © Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz/Bockermann Fritze GmbH

pressvorgang der 532 Spanndrähte im Stahlblechkasten mit einer erheblichen Verzögerung erfolgt, so dass eine eventuelle Vorschädigung durch Korrosion der Spannstähle nicht ausgeschlossen werden kann. Zusätzlich führten die extremen Temperaturen im Sommer 2018 zu einer erweiterten Belastung, welche zu dem Versagen der Brücke beigetragen haben wird. Die Ursache der Rissbildung lag mit großer Wahrscheinlichkeit in einer Kombination aus einem Spannkraftver lust des spannungsrisskorrosionsgefähr deten Hennigsdorfer Spannstahls und einem hohen Temperaturgradienten. Die bei einem Spannstahlbruch entste henden Spaltzugkräfte wirken lokal von innen auf den vorhandenen Stahlblech kasten des Spannkanals, können von ihm nicht aufgenommen werden und werden an den umliegenden Betonsteg weiterge leitet. Dieser ist jedoch genau dort durch das Vorhandensein des Kastens selbst stark im Querschnitt geschwächt und nicht in der Lage, die zugehörigen Spannungen gemeinsam mit jenen aus der Temperaturbelastung aufzunehmen, so dass die horizontale Rissbildung entsteht.

Der für den Straßenverkehr gesperrte Überbau (Teilbauwerk Ost) musste im Ergebnis kurzfristig abgebrochen werden und bis zum Abbruch für Kraftfahrzeuge gesperrt bleiben. Sofern sich dessen Zustand verschlechtert hätte, wären die Befahrung der Wasserstraße sowie die Nutzung durch den Fuß- und Radverkehr zu unterbinden gewesen. Ob der Verkehr auf dem westlichen Teilbauwerk bis zum Abbruch aufrechterhalten werden konnte, war zum damaligen Zeitpunkt sehr stark von der Entwicklung des Bauwerkszu stands abhängig. Bei Auffälligkeiten wäre eine umgehende statische Bewertung erforderlich gewesen, welche im Ergebnis auch zur Sperrung des westlichen Überbaus geführt hätte.

Die bereits laufenden Maßnahmen zur Überwachung mit 14-tägiger handnaher Kontrolle aller Stege von außen, Durchbiegungsmessungen aller drei Felder mit wöchentlicher Auswertung und Dauer überwachung der Rissbildung wurden bis auf weiteres beibehalten.

Ein vermessungstechnisches Beweissicherungsprogramm wurde aufgestellt und entsprechende Messeinrichtungen zur Bestimmung der aktuellen Setzun gen, Verdrehungen und Verkippungen des Bauwerks vorgesehen.

119 1/2 2022 | BRÜCKENBAU SYMPOSIUM
10 Aufbauanordnung der Schallemissionsanlage © GMA-Werkstoffprüfung GmbH/Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz 9 Rissmonitoring am Bestandsbauwerk © Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz

Darüber hinaus erfolgte innerhalb der Hohlkästen des westlichen Überbaus eine Schallemissionsprüfung mittels AcousticEmission-Testing. Die Schallemissions messung kommt seit mehreren Jahren in der Materialuntersuchung und -forschung bei Werkstoffen zum Einsatz, welche bei geeigneter Belastung oder geeigneten Betriebsbedingungen Schallemissionsergebnisse mit einer bestimm bar hohen Amplitude erzeugen. Insge samt wurden 59 Schallemissionssensoren mit entsprechender Verkabelung zu den Überwachungssystemen inklusive unterbrechungsfreier Stromversorgung und eines Routers für den Fernzugriff in das westliche Teilbauwerk integriert. Die Sensoren wurden auf der Innenseite der vier Stege der beiden Hohlkästen des westlichen Überbaus unmittelbar auf den Spannkästen mittels Magnethalter befestigt. Zielsetzung dieser Bauwerksdiagnostik bzw. Zustandsverfolgung ist die Detektion und Ortung von möglichen Spannstahldrahtbrüchen. Neben den eigentlichen Schallemissionsmessungen werden auch Messungen an der Umge bung bzw. am Bauwerk, unter anderem Temperatur, Druck, Feuchtigkeit betref fend, durchgeführt und mit den restli chen Messdaten ausgewertet.

Die Betriebsfunktion der Überwachungs systeme arbeitet auf Grundlage einer firmenbasierten und kundeneigenen Überwachungsseite, welche somit an die projektspezifischen Randbedingungen angepasst wurde. Dadurch kann eine gute Übersicht über die Ergebnisse und deren Zuordnung zu den festgelegten Warn- und Alarmwerten erfolgen, was erlaubt, die Meldeprozesse bei Schadensereignissen einzuleiten.

Im Dezember 2021 wurden mehrere Alarmwerte überschritten, so dass auch der westliche Überbau vollständig für den Verkehr gesperrt werden musste.

Die Folge waren erhebliche verkehrliche Einschränkungen im angrenzenden und im übergeordneten Stadtgebiet. So wurden neben Verdrehungen des Überbaus zwei weitere Spannstahldrahtbrüche festgestellt. Bei einer zweitägigen Bauwerkskontrolle und Begutachtung wurde kein weiteres Schadensbild am westli chen Teilbauwerk erkannt, so dass der Verkehr mit einer Neuanordnung und Reduzierung der Fahrstreifen wieder freigegeben werden konnte. Im Ergebnis der zurückliegenden Überwachung sind bisher mehrere Drahtbrüche detektiert worden, weshalb die Bauleistungen zur Errichtung der Behelfsbrückenkonstruktion beschleunigt werden mussten.

5 Hauptphasen der Bauwerkserrichtung

Die wesentlichen Randbedingungen der Baumaßnahme lassen sich wie folgt aufzählen: Bauen im Bestand, Bauen im innerstädtischen Bereich, Bauen unter weitestgehender Aufrechterhaltung der vorhandenen Verkehrsbeziehungen, Bauen mit einer Vielzahl von Beteiligten, Bauen mit beengten und begrenzten Platzverhältnissen, Bauen ohne geson dertes Planungs- bzw. Baurecht, Bauen mit hohem politischem Einfluss sowie Bauen mit verschiedenartigsten und interdisziplinären Anforderungen, Bauen mit komplexen Bauverfahren und Bauabfolgen, Bauen unter Berücksichtigung der Leitungsunternehmen.

Einen Ersatzneubau einer bestehenden Brückenkonstruktion aus zwei Teilbau werken zu errichten, wird eigentlich im klassischen Bauablauf realisiert, wonach mit zwei Hauptbauphasen zunächst der erste Überbau abgerissen und neu gebaut wird. Die verschiedenen Verkehrsarten werden zwischenzeitlich mit den erforderlichen Verkehrseinschränkungen auf den zweiten Überbau überführt und gegebenenfalls Umleitungsstrecken eingerichtet.

Wenn der erste Überbau fertiggestellt ist, erfolgt die Umschwenkung auf den neuen. Die Arbeiten am zweiten Überbau werden dann analog wiederholt, bis alle Bauleistungen abgeschlossen sind. Nur konnte hier nicht mehr auf den klassischen Bauablauf zurückgegriffen werden, da bereits ein Teilbauwerk gesperrt worden war, der zweite Überbau bereits Schäden aufwies und eine verlässliche Bestimmung der Restnutzungsdauer des unter Betrieb befindlichen Teilbauwerks nicht realisierbar war. Die Möglichkeit einer Vollsperrung aller Verkehrsbezie hungen im Bereich der Elsenbrücke wurde zwar geprüft, im Wesentlichen aber auf Grund der sehr hohen Verkehrsbelas tung und der damit verbundenen erheblichen Auswirkungen auf umliegende Wohn- und Gewerbegebiete verworfen. Dabei musste auch berücksichtigt werden, dass die bestehende Elsenbrücke eine Vielzahl von Leitungen überführt, für die massive Ersatztrassen bzw. Ersatzbauwerke zu errichten gewesen wären.

SYMPOSIUM 120 BRÜCKENBAU | 1/2 2022
11 Hauptbauphasen des Ersatzneubaus © Drees & Sommer SE

Der irreparable Bauwerkszustand und die Sicherung des fließenden Verkehrs unterhalb und auf der Brücke erforderten die kurzfristige Bereitstellung einer Behelfs konstruktion. Nach Auswertung der vorliegenden Randbedingungen wurde ein erster Rahmenterminplan aufgestellt, welcher die folgenden sechs Hauptbau phasen (HBP) berücksichtigt: erste HBP: Abriss östlicher Überbau (2020), zweite HBP: Errichtung Behelfsbrücke (2021–2022), dritte HBP: Abriss westliches Teilbauwerk (2022–2023), vierte HBP: Ersatzneubau der westlichen Brückenhälfte (2023–2025), fünfte HBP: Rückbau Behelfsbrücke (2025–2026), sechste HBP: Ersatzneubau östliche Brückenhälfte (2026–2028).

In dieser Planung der sechs Hauptbau phasen sind Zeiträume für die Produktion der Behelfsbrückengeräte, für planrechtliche Genehmigungsverfahren, für Abstimmungs- und Koordinierungsleistun gen angrenzender Baumaßnahmen sowie weitere Zeiträume enthalten, welche die erforderliche Robustheit gewährleisten. Die Planung zum eigentlichen Neubau der Brücke soll eine Lösung hervorbrin gen, welche den aktuellen und zukünftigen Nutzungsanforderungen gerecht wird. Zudem soll eine nachhaltige, verkehrswendetaugliche Brücke entstehen, so dass bei der Planung neben der Anordnung von geschützten Radwegen auch eine mögliche Nutzung durch eine spätere Straßenbahntrasse berücksichtigt wird. Und: Während der gesamten Bauzeit müssen die Sicherheit des fließenden Verkehrs und die Sicherheit der Beschäf tigten auf der Baustelle trotz der Zielsetzung einer kurzen Bauzeit immer an erster Stelle stehen.

6 Bauvorbereitende Maßnahmen

Mit der Entscheidung zum zwingend erforderlichen Ersatzneubau der Elsenbrücke Ende 2018 mussten zunächst die finanziellen und personellen Vorausset zungen für einen Projektstart geschaffen werden. Es zeigte sich sehr schnell, dass die bevorstehende Aufgabe nicht mit den üblichen Verfahrensschritten bearbeitet werden kann.

Für das nunmehr prioritäre Großprojekt stand kein freies Personal, keine finanziel len Mittel und kein erforderlicher Vorlauf für die Grundlagenermittlung und die Vorankündigung der Baumaßnahme zur Verfügung. Zunächst musste es also darum gehen, den zwar gesperrten, aber immer noch irreparabel geschädigten östlichen Überbau schnellstmöglich abzureißen und eine leistungsfähige Behelfskonstruktion zu errichten. Nachdem ein erster Fahrplan festgelegt worden war, begann ein kleines Projekt team mit der Arbeit, wobei die nächsten Schritte durch Ausnahmebegründungen, Sonderanträge und Zustimmungen zu legitimieren waren. Sobald die ersten finanziellen Mittel durch Sonderzustim mung der Finanzverwaltung und nach Bestätigung durch die politischen Gremien zur Verfügung standen, konnten die erforderlichen Leistungen an Planer, Prüfingenieur, Projektsteuerer, Gutachter und

rechtliche Berater vergeben werden. Die erforderliche Terminkette zum frühest möglichen Baubeginn stand freilich den fehlenden Kapazitäten bei allen Beteilig ten gegenüber. Die verkehrlichen Auswirkungen im Umfeld der Elsenbrücke, die drohende Gefahr einer möglichen Sperrung der Spree als Bundeswasserstraße und die Erkenntnis, dass eine Lösung gefunden werden musste, mobilisierten jedoch die notwendigen Kräfte. Eine der wesentlichen Herausforderun gen war hier die Bereitstellung der Arbeits-, Logistik- und Baustelleneinrich tungsflächen, denn die an die Brücke angrenzenden Areale gehören privaten oder gewerblichen Eigentümern. Erforderliche Dienstbarkeiten waren nur sehr vereinzelt oder überhaupt nicht erfasst, so dass individuelle Vereinbarungen abgeschlossen und zum Teil gerichtliche und verwaltungsseitige Verfahrensschrit te sowie Ordnungsmaßnahmen erwirkt werden mussten. Darüber hinaus galt es, zusätzlich wasserseitige Flächen mittels Spundwandverbauten und Erdaufschüt tungen zu erschließen.

Rund zehn Monate nach Projektstart konnte der Auftrag zum Abbruch des östlichen Überbaus inklusive Einrichtung bauzeitlicher Erschließungs- und Technologieflächen erteilt werden.

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12 Vorgesehene bauzeitliche Flächen und Zuwegungen © Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz

7 Hauptbauphase 1: Abbruch östlicher Überbau

Im Dezember 2019 begannen die auftragnehmerseitigen Planungsleistungen, im Februar 2020 die Kampfmittelsondierung der Baubereiche sowie im März 2020 die Schaffung einer Zufahrt mit Baustraße und die Realisierung der Baustellenein richtung auf der nördlichen Seite. Der Bauausführung liegt folgender Ablauf zugrunde:

Vorbereitende Arbeiten, Bauabschnitt 1: Herstellung der Arbeitsebenen am Nord- und Südufer, Umlegung der Verkehrsführung und Sperrung des östlichen Überbaus, Bauabschnitt 2: Herstellung der Traggerüste, Bauabschnitt 3: Abbruch des Überbaus, Bauabschnitt 4: Rückbau des Traggerüsts, Nacharbeiten. Bauabschnitt 4 wurde Ende Oktober 2020 abgeschlossen, die Baukosten für Rückbau und Abbruch beliefen sich auf 7,5 Mio. €.

7 Hauptbauphase 2: Behelfsbrückengeräte

Für die Behelfsumfahrung sollten zwei Behelfsbrückengeräte SS 80 zum Einsatz kommen, deren Errichtung die zweite Hauptbauphase darstellte und den Teilabbruch der Bestandspfeiler und Widerlager, der seitlichen Spannkammerwände und der Lagersockel des östlichen Teilbauwerks sowie den vollständigen Ersatzneubau des östlichen Bestandsüberbaus mittels jener zwei Brückengeräte einschließlich Ausstattung wie Beleuchtung, Schutzeinrichtungen etc. beinhaltete. Weiterhin ist die Ertüchtigung bzw. der Umbau der Unterbauten Teil dieser zweiten Hauptbauphase.

15 Längsschnitt der Behelfsbrückenkonstruktion

SYMPOSIUM 122 BRÜCKENBAU | 1/2 2022
13 Schematische Darstellung der Abbruchtechnologie © Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz 14 Absenkvorgang des Stromfeldes © Max Wild GmbH © Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz

Als Behelfsumfahrung dienen zwei Systembrücken SS 80: Stahlkonstruktionen mit obenliegendem Tragwerk. Die bestehenden Unterbauten werden für den Ersatzneubau wiederverwendet. Es erfolgen hier lediglich geometrische Anpassungen in Form von aufgesetzten Stahlkonstruktionen und Ortbetonergänzungen.

Im Wesentlichen sind für die Herstellung der Behelfsbrückenkonstruktion folgende Arbeiten auszuführen: Verkehrssicherung, Herrichtung der Unterbauten mit Teilabbruch von Strompfeiler, Widerlager und Spannkammerwänden sowie Montage der Stahlkonstruktionen (Achse 10–40), Herstellung der Betonergänzung (Achsen 0 und 50) und einer Winkelstützwand (Achse 0), Herstellung des östlichen Überbaus mittels Längs- und Querverschub, Montage des westlichen Überbaus mittels Längsverschub, Fertigstellung von Überbauten und Installation von Brückenlager, Gehweg, Geländer, Medienleitungen, Beleuchtung, Schifffahrtszeichen etc. sowie Herstellung der Anrampungen in den Vorlandbereichen.

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Ein Blick auf unsere weiteren Leistungen kann nicht schaden:

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16 Behelfsbrücke: Montage der Ausstattung © Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz

Die Behelfsumfahrung ist fertiggestellt und wurde für den Verkehr vorfristig freigegeben. Vor dem Hintergrund, dass auch der westliche Bestandsüberbau vorgeschädigt ist, war die Inbetriebnahme der Behelfsbrücke ein wichtiger Meilenstein, um diese bedeutende Verkehrsverbindung dauerhaft aufrechtzuerhalten. Im Ergebnis ist deshalb festzustellen, dass es die richtige Entscheidung war, zunächst eine leistungsfähige und tragfähige Behelfsumfahrung einzurichten.

8 Zusammenfassung und Ausblick

Der Ersatzneubau der Elsenbrücke ist ein komplexes innerstädtisches Großprojekt. Der planmäßige Rückbau des stark geschädigten östlichen Überbaus, die vorfristige Fertigstellung der Behelfsbrückenkonstruktion inklusive aller Leitungsumverlegungen und der damit verbundenen Konzeption und Koordination sind ein eindeutiger Beleg, dass alle am Bau Beteiligten fortlaufend die Zielsetzung einer frühestmöglichen Fertigstellung im Blick behalten haben. Die Koordination der Schnittstellen in der Planung und Ausführung müssen auch bei den nächsten Hauptbauphasen gewährleistet bleiben. Die Bauarbeiten zum Ersatzneubau der Elsenbrücke gehen nur dann planmäßig voran, wenn eine lösungs- und zielorientierte Projektsteuerung und Projektbearbeitung fortlaufend umge setzt wird.

Nach der unerwarteten Schadensfeststellung Mitte 2018, der anschließenden Begutachtung des Bestandsbauwerks und der unvermeidbaren Festlegung zum Ersatzneubau der Elsenbrücke Ende 2018 erfolgen seit Anfang 2019 die erforderlichen Planungen und Bauleistungen für diese wichtige Verkehrsverbindung. Nach personeller Umorganisation und Bildung eines Projektteams konnten noch 2019 die notwendigen Ausschreibungs- und Vergabeverfahren durchgeführt werden. Parallel und unmittelbar danach wurden die Abstimmungen mit Anliegern, Leitungsbetrieben und Betroffenen geführt. Nach Vorlage der planrechtlichen und genehmigungsbedingten Voraussetzungen welche in Teilen mittels gerichtlicher Durchsetzungsverfahren erlangt werden mussten, konnte dann 2020 mit den Rückbau- und Abbrucharbeiten begonnen werden.

Der Rückbau einer Spannbetonbrücke ist bereits eine äußerst komplizierte statische Ingenieurleistung. Hier kam erschwerend hinzu, dass sie erheblich vorgeschädigt war, was wiederum bedingte, auf beiden Uferseiten zunächst umfang reiche Tief- und Erdbauleistungen zur Herstellung einer bauzeitlichen Bearbei tungsfläche durchzuführen.

Darüber hinaus waren die erforderlichen Elemente für die Behelfsbrückenkonstruktion in der benötigen Menge nicht verfügbar bzw. nicht anmietbar, so dass die Ausschreibungs- und Planungsunter lagen angepasst werden mussten: Es galt, die Behelfskonstruktion nach aktuellen Vorschriften und Regelwerken zu bemessen und zu produzieren, wofür das beauftragte Unternehmen nur 17 Monate Zeit hatte. Mit Inbetriebnahme der Behelfsumfahrung am 12. Januar 2022 konnte dank einer intensiven und gemeinsamen Projektbearbeitung aller am Bau Beteiligten letztlich ihre vorfristige Fertigstellung erreicht werden. Aktuell läuft das Ausschreibungs- und Vergabeverfahren zum Rückbau und Abbruch des westlichen Überbaus samt zugehörigen Widerlagern und Brücken pfeilern, so dass nach den noch erforder lichen Leitungsumverlegungen in den Vorlandbereichen und der Herstellung weiterer Logistik- und Baustellenflächen die Abbrucharbeiten am westlichen Teilbauwerk ab Mitte 2022 beginnen können. Parallel erfolgen die Planungs-, Abstim mungs- und Genehmigungsverfahren zum eigentlichen Ersatzneubau der Elsenbrücke, wobei derzeit der Brückenent wurf entwickelt wird. Vorgesehen ist eine Stahlbrücke, die einen hohen werkseiti gen Vorfertigungsgrad aufweist und damit eine parallele Herstellung der Widerlager und Pfeiler erlaubt.

SYMPOSIUM 124 BRÜCKENBAU | 1/2 2022
17 Querschnitt der neuen Elsenbrücke © Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz

Somit liegt das Gesamtbauvorhaben weiterhin innerhalb der Terminplanung, welche eine Fertigstellung der Gesamt leistung im Jahr 2028 und damit in Summe eine zehnjährige Bauzeit für diese komplexe Ingenieuraufgabe vorsieht.

Das Projekt mit aktuell berechneten und geschätzten Gesamtbaukosten von 97,7 Mio. € wird im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe (GRW) »Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur« gefördert.

Autor:

Dipl.- Ing. Arne Huhn

Leiter Brücken-/Ingenieurbau (E/A)

Abteilung Tiefbau

Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz, Berlin

Bauherr

Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz Berlin

Planung

VIC Planen und Beraten GmbH, Potsdam Inros Lackner SE, Rostock

Projektsteuerung

Drees & Sommer SE, Berlin MMP Mager-Morana Projektmanagement im Bauwesen GmbH, Berlin

Prüfingenieure

KHP König und Heunisch Planungsgesellschaft mbH & Co. KG, Berlin Klähne Bung Beratende Ingenieure im Bauwesen GmbH, Berlin

Bauausführung

Arbeitsgemeinschaft: Züblin Spezialtiefbau GmbH, Berlin TVF Altwert GmbH, Cottbus

Arbeitsgemeinschaft: Strabag AG, Berlin SEH Engineering GmbH, Hannover

Bauüberwachung und Bauoberleitung IGS Ingenieure GmbH & Co. KG, Weimar

Bauwerksmonitoring

Bockermann Fritze IngenieurConsult GmbH, Enger GMA-Werkstoffprüfung GmbH, Berlin Intermetric GmbH, Stuttgart

Baugrundgutachten ABE Bauprüf- und -beratungsgesellschaft mbH, Stahnsdorf

Abbrucharbeiten Max Wild GmbH, Berkheim TVF Altwert GmbH, Cottbus

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Eine komplexe innerstädtische Baumaßnahme Generalinstandsetzung der Ludwigsbrücken in München

Nahezu 90 Jahre nach ihrer Erbau ung weisen die Innere wie die Äußere Ludwigsbrücke über die Isar in München einen erheblichen Instandsetzungsbedarf auf. Ursächlich hierfür sind konstruktive Defizite, die verkehrliche Mehrbelastung in den vergangenen Dekaden sowie Frost- und Tausalzschäden aufgrund von Undichtigkeiten insbesondere an den Bauwerksfugen der Bogen tragwerke. Für die beiden denkmal geschützten Brücken stellen deshalb die Wiederherstellung einer dauerhaft zuverlässigen Brückenabdichtung und -entwässerung sowie umfangreiche Maßnahmen zur Betonsanierung wesentliche Instandsetzungsziele dar. An der Äußeren Ludwigsbrücke sind außerdem weitgehende statisch-konstruktive Ertüchtigungen dringend geboten. Diese betreffen die Quertragwirkung der Dreigelenkbögen, deren Scheitel- und Kämpfergelenke sowie die Fahrbahnplatten.

1 Einleitung

Im Bereich des heutigen Standorts der Inneren und der Äußeren Ludwigsbrücke wurde bereits im 12. Jahrhundert eine Brücke errichtet, um die damalige Salzstraße über die Isar zu führen. Geschichtlich betrachtet ist die Stadtgrün dung von München eng mit dem Bau dieser Brücke verbunden. Eine erste Darstellung eines Nachfolgebauwerks dieser historischen Brücke findet sich zum Beispiel in der Schedelschen Weltchronik von 1493 (Bild 1). Es kann davon ausgegangen werden, dass die erste historische Brücke eine Holzkonstruktion war. Obwohl im Lauf der Geschichte diese Holzkonstruktionen durch Steinbrücken abgelöst wurden, stellten Hochwasserereig nisse an der Isar stets große Risiken für die Standsicherheit und Funktionstüchtigkeit der Bauwerke dar.

Die beiden aktuellen Brückenbauwerke wurden in den Jahren 1933–1934 errichtet. In unmittelbarer Nähe zum Deut schen Museum überführt die Innere Ludwigsbrücke die Zweibrückenstraße über die Große Isar. In Richtung des Kulturzentrums Gasteig spannt sich die Äußere Ludwigsbrücke über die Kleine Isar, die als innerstädtischer Naturschutz

raum in ökologischer Hinsicht besonders schützenswert ist. Beide Brücken sind heute denkmalgeschützt. Die hohe Verkehrsbelastung, aber auch ihre direkte Nachbarschaft einerseits zu Zentren urbaner Aktivität und andererseits zu ökologischen Schutzräumen stellen ein intensives Spannungsfeld für Baumaß nahmen an den Ludwigsbrücken dar.

SYMPOSIUM 126 BRÜCKENBAU | 1/2 2022
1 Älteste Ansicht Münchens mit Isarbrücke 1493
©
Schedelsche Weltchronik
2 Innere Ludwigsbrücke in München © Rufus46/www.commons.wikimedia.org
©
3 Äußere Ludwigsbrücke in München
Rufus46/www.commons.wikimedia.org

2 Bauwerkskonstruktionen

Wie Bild 4 zu entnehmen ist, wurde die Innere Ludwigsbrücke als einfeldriges, über 45 m gespanntes Bauwerk konzi piert. Wesentliche tragende Konstruktion ist ein flacher Dreigelenkbogen aus Stahlbeton, auf den über Längsschotte den Fahrbahnaufbau tragende Sparge wölbe aufgeständert sind. Die beiden Brückenwiderlager weisen massive Fundamente auf, um den Bogenschub ableiten zu können. Hergestellt wurde das

Bogentragwerk in der sogenannten Melanbauweise, bei der ein bogenförmiges Stahlfachwerk als in den Bogen integriertes Lehrgerüst eingesetzt wurde. Die Seitenflächen der Brücke sind mit einer Natursteinverkleidung versehen. Aufgrund des ausgedehnteren Flussrau mes der Kleinen Isar wurde die Äußere Ludwigsbrücke als zweifeldriges Bauwerk mit Feldweiten von ca. 33 m ausgeführt. Die tragende Konstruktion in den beiden

Brückenfeldern besteht ebenfalls aus Dreigelenkbögen mit einem im Vergleich zur Inneren Ludwigsbrücke etwas größeren Bogenstich. Anders als bei der Inneren wurde bei der Äußeren Ludwigsbrü cke eine profilierte Stahlbeton-Fahrbahn platte realisiert, die über Längsschotte auf die tragenden Stahlbetonbögen abgesetzt ist. Massive Widerlager und ein ausgeprägter Flusspfeiler bilden die Unterbauten der Äußeren Ludwigsbrücke.

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4 Konstruktion der Inneren Ludwigsbrücke © WTM Engineers München GmbH 5 Konstruktion der Äußeren Ludwigsbrücke © WTM Engineers München GmbH

3 Bauwerkszustand und Instandsetzungsbedarf

Um den Bauwerkszustand der Ludwigs brücken zu erfassen und fundiert zu beurteilen, wurden sowohl statische Analysen als auch vertiefte Bauwerksprüfungen durchgeführt.

Bereits in den 1980er Jahren wurden für die beiden Brücken über die Isar Einstufungsberechnungen vorgenommen, in deren Folge sie in die Brückenklasse 60/30 eingeordnet wurden. Eine 2009 erfolgte Nachrechnung auf der Grundlage der Nachrechnungsrichtlinie hat allerdings ergeben, dass insbesondere die Äußere Ludwigsbrücke folgende statisch-konstruktive Defizite aufweist: unzureichende Querbewehrung in den Fahrbahnplatten, unzureichende Querbewehrung in den Dreigelenkbögen, nicht ausreichende Spaltzugbewehrung in den Scheitel- und Kämpfergelenkköpfen.

Der Befund unzureichender Querbeweh rung bestätigte sich auch für die östlich und westlich der Ludwigsbrücken gelegenen Fuß- und Radwegunterführungen.

Die Bilder 6–9 zeigen den Bauwerkszu stand vor der aktuellen Generalinstand setzung. Auffällig sind starke Feuchte schäden an den Unterseiten der Bogentragwerke, an den Fahrbahnplatten und unterhalb der Brüstungen, die durch unterläufige Abdichtungen sowie durch schadhafte Entwässerungsleitungen und defekte Tropftüllen verursacht wurden.

Besonders ausgeprägt waren diese Durchnässungen im Bereich der Scheitel- und Kämpfergelenkfugen der Äußeren Ludwigsbrücke. Die Bogentragwerke wiesen außerdem eine stark inhomogene Betonstruktur sowie zahlreiche Hohllagen und Risse auf.

Um die aus der langzeitigen Durchnäs sung an den Scheitel- und Kämpferge lenkköpfen resultierenden Schäden zu untersuchen, wurden dort Betonkerne entnommen. Diese ließen eine erhebliche Chloridbelastung und Frostschäden an der Betonstruktur erkennen (Bild 9).

Einsetzende chloridinduzierte Korrosion an der Bewehrung der Scheitelgelenk köpfe galt vor ebenjenem Hintergrund als sehr wahrscheinlich. In Kombination mit der statisch nachgewiesenen Unterdeckung der Spaltzugbewehrung ergab sich daraus ein erhebliches Risiko für eine nennenswerte Tragfähigkeitsreduktion an den Scheitel- und Kämpfergelenkköpfen und damit für die Aufrechterhaltung der Standsicherheit der statisch bestimmten Dreigelenkbögen. Schon allein aus diesem Schadensszenario resultierte unmittelba rer Ertüchtigungs- und Instandsetzungs bedarf für die Äußere Ludwigsbrücke.

Schiessl-Gehlen-Sodeikat

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6 Durchfeuchtungen an den Scheitelgelenken © WTM Engineers München GmbH 7 Feuchteschäden an einem Kämpfergelenk © WTM Engineers München GmbH 8 Risse und Hinterläufigkeit im Brüstungsbereich © WTM Engineers München GmbH 9 Chloridbelastung in den Scheitelgelenken nach © Ingenieurbüro Prof. Schießl

4 Ertüchtigungs- und Instandsetzungsmaßnahmen 4.1 Einleitung

Auf Basis des erläuterten Bauwerkszu stands wurden neben einer grundhaften Sanierung der Betonoberflächen die nachfolgend beschriebenen Instandsetzungsziele für die Äußere Ludwigsbrücke abgeleitet.

4.2 Wiederherstellung eines funktionsfähigen Abdichtungsund Entwässerungssystems

In Bild 10 ist der Regelquerschnitt der instand gesetzten Ludwigsbrücke dargestellt. Durch ausreichend Längs- und Quergefälle der Abdichtungsoberfläche soll gewährleistet werden, dass eventuell eingedrungenes Sickerwasser konse quent zu den Tropftüllen abgeleitet wird.

Außerdem wird die Abdichtung an den Brüstungen in Verwahrnischen hochge führt und durch Klemmleisten gesichert. Im Bereich der Scheitel- und Kämpferge lenke verhindern spezielle Fugenprofile mit ausreichender Verformungskapazität das Eindringen von Sickerwasser in die Fugenkonstruktion.

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10 Regelquerschnitt der Äußeren Ludwigsbrücke © WTM Engineers München GmbH
PORR GmbH & Co. KGaA . Ingenieurbau Valeska-Gert-Straße 1, 10243 Berlin T +49 30 91580-8800 berlin.ingenieurbau@porr.de . www.porr.de Intelligentes Bauen verbindet Menschen.

11 Verstärkungsstreifen an der Bogenunterseite der Äußeren Ludwigsbrücke

4.3 Verstärkung der Querbewehrung der Bogentragwerke

Da ein flächenhafter Abtrag der Betondeckung zum Zwecke der Arbeitsvorbereitung für die Verstärkung der Querbewehrung die Stabilität der Längsbe wehrung an der Bogenunterseite gefährdet hätte, wurden die Verstärkungsmaß nahmen, wie in Bild 11 zu erkennen, in

Streifen vorgenommen. Abhängig vom erforderlichen Verstärkungsgrad wurden Verstärkungsstreifen mit 19 cm Breite und drei Betonstahlstäben d = 14 mm B500B oder mit 39 cm Breite und sechs Betonstahlstäben ausgeführt.

Die statische Mitwirkung dieser ergänz ten Bewehrungsstäbe wurde durch eingebohrte und eingeklebte Anschlussbewehrung sichergestellt. Aufgrund der geringen zur Verfügung stehenden Betondeckungen kam Edelstahlbeweh rung zum Einsatz. Der Betonabtrag erfolgte durch Hochdruckwasserstrahl. Zur Reprofilierung wurde Spritzbeton eingesetzt.

Die obere Bogenquerbewehrung wurde verstärkt, indem überzugsartige Betonrippen auf den Bogenoberseiten ergänzt wurden. Dies machte allerdings das Durchbohren der Längsschotte erforderlich, um die durchlaufende statische Wirkung dieser Rippen zu gewährleisten.

SYMPOSIUM 130 BRÜCKENBAU | 1/2 2022
12 Verstärkungsrippen an der Bogenoberseite der Äußeren Ludwigsbrücke © WTM Engineers München GmbH © WTM Engineers München GmbH

4.4 Verstärkung der Querbewehrung der Fahrbahnplatte

Die bestehende Fahrbahnplatte der Äußeren Ludwigsbrücke ist monolithisch mit den Längsschotten verbunden, siehe auch Bild 5. Ein Einbau zusätzlicher Querbewehrung an der Unterseite der bestehenden Fahrbahnplatte, zum Beispiel mittels Durchörtern der Längsschotte etc., hätte deshalb einen erheblichen Eingriff in die Bausubstanz notwendig gemacht und wäre mit großem Aufwand verbunden gewesen. Vor jenem Hinter grund fiel letztendlich die Entscheidung,

die Fahrbahnplatte der Äußeren Ludwigsbrücke vollständig zu erneuern. Zu diesem Zweck werden die Längsschotte knapp unterhalb der Fahrbahnplatte mittels Betonsäge durchtrennt und die Fahrbahnplatte im Anschluss rückgebaut. Um einerseits die Stabilität des Überbaus auch im Bauzustand zu gewährleisten und andererseits den Verkehr während der Bauzeit aufrechterhalten zu können, erfolgen Rück- und Neubau der Fahr bahnplatte abschnittsweise (Bild 13).

4.5 Ertüchtigung bzw. Erneuerung der Scheitel- und Kämpfergelenkköpfe Aufgrund von Naturschutzvorgaben sowie der ständig präsenten Hochwassergefahr an der Kleinen Isar ist eine Hilfsunterstützung der Bogentragwerke während der Erneuerung der Scheitelgelenkköpfe ausgeschlossen. Um die Scheitelgelenke während der in Teilabschnitten durchzuführenden Erneuerung der Scheitelgelenkköpfe zu entlasten, soll daher der in Bild 14 dargestellte »Kraft-Bypass« zur Anwendung kommen. Dabei werden massive Abstützblöcke aus Stahlbeton

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13 Bauabschnitte für Rück- und Neubau der Fahrbahnplatte der Äußeren Ludwigsbrücke © WTM Engineers München GmbH 14 »Kraft-Bypass« zur Entlastung der Scheitelgelenke während der Erneuerung © WTM Engineers München GmbH

seitlich der Gelenkfuge auf die Ober- und Unterseite der Bogentragwerke gespannt. Diese dienen als Widerlager für Stahl rohrsteifen, die mittels hydraulischer Pressen vorgespannt werden und die Bogenkräfte wie in einem Bypass umleiten.

Statische Analysen ergaben allerdings, dass die Erneuerung der Scheitelgelenk köpfe im Schutz des dargestellten »KraftBypasses« in den Randbereichen der Bögen zu unzulässigen zusätzlichen Biege-

beanspruchungen führt. Daher wurden die Scheitelgelenkköpfe in diesen Bogenrandzonen nicht erneuert, sondern durch den Einbau von Relast-Ankern im Hinblick auf ihre Spaltzugtragfähigkeit ertüchtigt (Bild 15). Die Anwendung der Relast-Anker zu einem solchen Zweck ist durch ihre aktuell gültige bauaufsichtli che Zulassung nicht abgedeckt, weshalb eine Zulassung im Einzelfall erwirkt wurde.

Sollte sich im Zuge der baubegleitenden Bestandsbegutachtung der Zustand der Bleigelenke, der Schubdollen, der Festigkeit und der Chloriddurchdringung des Betons im Mittelbereich der Brücke als besser als erwartet herausstellen, so wäre dort eine Ausführung der Scheitelgelenkertüchtigung eventuell doch mit RelastAnkern möglich. Ein Verzicht auf den Komplettausbau des Scheitelgelenkkop fes und auf die Kraft-Bypass-Konstruktionen würde erhebliche terminliche und wirtschaftliche Vorteile mit sich bringen. Wie Bild 16 zu entnehmen ist, erfolgte auch an den Kämpfergelenken lediglich eine Ertüchtigung. Da diese Verstärkungs arbeiten bereits 2017 als Vorabmaßnah me notwendig wurden, kamen hier statt der Relast-Anker konventionelle Stabspannglieder zur Anwendung.

5 Feste Fahrbahn der Trambahn

Die neu auf den beiden Ludwigsbrücken herzustellenden Trambahngleise sollen auf einer festen Fahrbahn verlaufen, die über eine Gleistragplatte aus Stahlbeton gegründet ist. Diese liegt zum Erschütte rungsschutz auf einer Dämmmatte auf. Im Bereich der Scheitel- und Kämpferge lenke der Brückenbögen besitzt auch die Gleistragplatte Raumfugen, um Zwän gungen in ihr infolge der Verformungen und Verdrehungen der Brückenbogen tragwerke zu verhindern. Maßgebend sind hier vor allem Temperaturbeanspru chungen, die zum Beispiel an den Scheitelgelenken der Äußeren Ludwigsbrücke zu rechnerischen vertikalen Verfor mungen von ± 35 mm führen können, verbunden mit Verdrehungsdifferenzen. Da die Schienen selbst über die Scheitelund Kämpfergelenkfugen durchlaufen, muss ein Schienensystem ausgewählt und eingebaut werden, das die beschrie benen Verformungen und Verdrehungen auszugleichen vermag. Um die horizontal wirkenden Brems- und Windkräfte aus dem Trambahnbetrieb von der Gleistragplatte in das Brücken tragwerk abzuleiten, werden konsolartig wirkende Schubnocken ausgeführt, die monolithisch mit den Fahrbahnplatten der Brücken verbunden sind.

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16 Ertüchtigungskonstruktion an den Kämpfergelenken der Äußeren Ludwigsbrücke © WTM Engineers München GmbH 15 Ertüchtigung der Scheitelgelenkköpfe mittels Relast-Ankern © WTM Engineers München GmbH

6 Bauausführung

Um während der gesamten Bauzeit den Verkehr auf den Ludwigsbrücken aufrechterhalten zu können, erfolgt die Bauabwicklung in mehreren Verkehrsund Bauphasen.

Seit Juni 2020 werden in der ersten Hauptbauphase die Brückenrandberei che, in denen sich die Fuß- und Radwege und die Spartenzonen befinden, instand gesetzt. Das Brückenbauwerk darf lediglich in kurzen nächtlichen Zeitkorridoren voll gesperrt werden. Deshalb können

die Instandsetzungsarbeiten nur mit Aufrechterhaltung wenigstens einer Fahrspur in jede Fahrtrichtung für den motorisier ten Individualverkehr durchgeführt werden. Die Durchfahrt für Feuerwehr, Polizei und Rettungsdienst muss zudem jederzeit gewährleistet bleiben. Der Individu alverkehr ist zu diesem Zweck auf eine Fahrspur je Fahrtrichtung eingeschränkt. Der Trambahnbetrieb kann bis zum Ende der ersten Bauphase fortgesetzt werden.

Aufgrund des begrenzten Raums auf den Ludwigsbrücken war es unumgänglich, die Fuß- und Radwege während der gesamten Bauzeit auf Behelfsbrücken umzuverlegen. Diese bis zu 50 m langen und ca. 60 t schweren Stahlfachwerkkonstruk tionen wurden im März 2020 in sechs Nachtschichten auf zuvor hergestellte temporäre Unterbauten eingehoben (Bild 19).

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17 Feste Fahrbahn auf den Ludwigsbrücken © Edilon)(sedra GmbH, München/WTM Engineers München GmbH 18 Verkehrs- und Bauphasen © WTM Engineers München GmbH

Alle Bestandssparten (Gas, Wasser, Strom, Fernwärme, Telekommunikation) müssen während der Bauarbeiten auf die Behelfsbrücken umverlegt werden, bleiben dort unter Betrieb und müssen nach Abschluss der Arbeiten in die Spartenräume unter die neuen Gehwege eingebracht werden. Eine neue Fernkälteleitung wird zusätz lich eingebaut. Die Ludwigsbrücken sind einer der Hauptquerungspunkte für Sparten über die Isar in München.

Zum Leistungsumfang der ersten Hauptbauphase an der Äußeren Ludwigsbrücke gehörten die Ertüchtigung der Bogen tragwerke sowie die Erneuerung der Fahrbahnplatte. Die Arbeiten an den Bogenunterseiten mussten von einem Hänge gerüst und von mobilen Arbeitsbühnen aus durchgeführt werden, um den Hochwasserabflussquerschnitt der Isar jederzeit uneingeschränkt sicherzustellen. An beiden Ludwigsbrücken einschließlich der benachbarten Fuß- und Radwegun terführungen erfolgten außerdem in dieser ersten Hauptbauphase die Betoninstandsetzung, die Sanierung der Natursteinbrüstungen, die Erneuerung der Brücken- und Fugenabdichtungen sowie die der Entwässerungssysteme. Ende November 2021 wurde die erste Hauptbauphase abgeschlossen.

Im Dezember 2021 begann die zweite Hauptbauphase, in der die mittleren Bereiche der Ludwigsbrücken instand gesetzt werden. In dieser Bau- und Verkehrsphase ist der Trambahnbetrieb eingestellt und die Individualverkehrs spuren wurden jeweils in die Randzonen der Brücken auf provisorische Fahrbah nen umverlegt, die entlang der zukünftigen Spartengruben verlaufen. Außer dem können die Kämpfergelenke an der Inneren Ludwigsbrücke nur unter Absenken der Großen Isar instand gesetzt werden, im Zuge einer sogenannten Bachauskehr.

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19 Einhub der Behelfsbrücken nördlich und südlich der Äußeren Ludwigsbrücke © WTM Engineers München GmbH

Nach erfolgreichem Abschluss der zweiten Hauptbauphase wird der Trambahn verkehr wieder aufgenommen und der Individualverkehr in seinen endgültigen Fahrspuren geführt. Wesentliche Aufgaben in dieser dritten Bauphase stellen die Montage der Sparten in ihrer finalen Lage, die Realisierung der endgültigen Geh- und Radwege sowie der Rückbau der Behelfsbrücken dar.

Die Ludwigsbrücken befinden sich im Bereich des innerstädtischen Biotops der K leinen Isar und der Vater-Rhein-Insel. Während der gesamten Baumaßnahme sind deshalb geeignete Vorkehrungen zum Schutz von Fauna und Flora zu treffen (Fische, Fledermäuse, Biber etc.).

Parallel zur Instandsetzung des Brücken bauwerks werden in den anschließenden Straßenbereichen ebenfalls die Fahrbah nen und Gleise erneuert, und zwar inklusive einer Erneuerung und Erweiterung des gesamten Spartenbestands. Alle Arbeiten in den Jahren von 2020 bis heute fanden unter den Randbedingun gen der Corona-Pandemie statt, mit entsprechenden Ressourcenengpässen materiell wie personell.

Der Abschluss der gesamten Baumaßnahme, also die konstruktive Instandset zung inklusive Fahrweg von Gleis und Straße, Spartenrück- und -neuverlegung, ist für 2023 geplant.

Autoren:

Dr.-Ing. Otto Wurzer WTM Engineers München GmbH Dipl.-Ing. Matthias Gunsch Landeshauptstadt München, Baureferat, Abteilung Brückenbau

Bauherr

Landeshauptstadt München

Projektleitung Landeshauptstadt München, Baureferat, Hauptabteilung Ingenieurbau, Abteilung Brückenbau

Trambahn-Anlagen Stadtwerke München GmbH

Objekt- und Tragwerksplanung WTM Engineers München GmbH

Prüfingenieure Zilch + Müller Ingenieure GmbH, München

Verkehrsplanung Schönenberg Ingenieure, München

Projektsteuerung projektTeam GG Ingenieure GmbH, München

Bauausführung Porr GmbH, München (Hauptmaßnahme) Josef Rädlinger Ingenieurbau GmbH, Windorf (Behelfs brücken)

Ökologische Bauüberwachung Terrabiota Landschaftsarchitekten und Stadtplaner GmbH, Starnberg

Sicherheitskoordination Hess-Sachverständige, Kirchheim

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Brückenbau in allen Facetten.
© Alessandra Schellnegger/ Süddeutsche Zeitung Photo

Symposium in Heidelberg Brücken in der Stadt

In Zeiten einer Pandemie PräsenzVeranstaltungen durchführen zu wollen, ist natürlich außerordentlich schwierig, erfordert es doch unter anderem die Berücksichtigung diverser Einschränkungen und die Einhaltung genau definierter Vorschriften, und zwar insbesondere solcher zum Gesundheitsschutz, wie zum Beispiel 2-G- und Ab standsregeln. Gleichwohl hat sich die Verlagsgruppe Wiederspahn davon nicht abschrecken lassen und ein Symposium organisiert, das sich am 23. und 24. November 2021 dem ebenso wichtigen wie oft nur wenig beachteten Thema »Brücken in der Stadt« widmete.

Ein Vorwort

Die Einladung zu diesem Symposium nach Heidelberg stieß nun auf eine erfreulich große Resonanz, was sich nicht zuletzt aus der Tatsache erklärt, dass neben dem hochinteressanten Programm die Möglichkeit zu persönlichen Begeg nungen und zum direkten Erfahrungsaus tausch vor Ort einen gewichtigen Grund für die Reise nach Baden-Württemberg lieferte. Und das ließ sich bereits an der Zahl der anwesenden Teilnehmer ablesen, die coronabedingt freilich beschränkt war, drückte sich aber vor allem in deren konzentrierter und zugleich engagierter Aufmerksamkeit während der gesamten Tagung aus.

Das sogenannte Referentenessen am Vorabend, das in Art eines zusätzlichen Programmpunkts generell jedes Symposium der Verlagsgruppe Wiederspahn bereichert und insofern eine Tradition darstellt, bot zudem eine erste Gelegenheit zu Dialogen wie Diskussionen und fand dementsprechend erneut regen Anklang. Mehr als die Hälfte der angemeldeten Brückenbauspezialisten aus Städten und Gemeinden sowie aus Architektur- und Ingenieurbüros war daher schon am 22. November eingetroffen, um sich in zwangloser Atmosphäre kennen zulernen, neue Kontakte zu knüpfen oder auch um bestehende zu vertiefen und damit zu intensivieren.

In Summe umfasste das international ausgerichtete Fachprogramm 17 Vorträge, die sich in prinzipielle Erwägungen, die Beschreibung von Wettbewerbsver fahren und die Erläuterung von exemplarischen Einzelbauwerken wie »Brückenfamilien« aufgliederten und infolgedessen sämtlichen Anwesenden mannigfaltige Erkenntnisse zu gewinnen erlaubten.

Brückenbau im Kontext

Den ersten Schwerpunkt bildete gleichwohl der Veranstaltungsort: Nach der offiziellen Begrüßung durch Dipl.-Ing. Michael Wiederspahn, der auch als Moderator fungierte, war es Dipl.-Ing. Felix Wohlfarth, IBA Heidelberg, ein Anliegen, zunächst das Spektrum an Aufgaben zu umreißen, die diese Internationale Bauausstellung in den vergangenen Jahren zu bewältigen hatte und in Zukunft noch haben wird, bevor er dann den Wettbewerb zur Errichtung einer neuen Gehund Radwegbrücke genauer erläuterte.

Die passende Ergänzung lieferte direkt im Anschluss Dipl.-Ing. Frank Schächner, schlaich bergermann partner, indem er den im Wettbewerb siegreichen Entwurf en détail veranschaulichte, dessen hervorstechendes Charakteristikum als ein »Geschwungenes Band« durch die Stadt und über den Neckar bezeichnend. Dipl.-Ing. Bartlomiej Halaczek, Knight Architects, widmete sich hingegen einer elementaren, ja einer in vieler Hinsicht sogar entscheidenden Frage – nämlich der, was »Active Mobility« im Endeffekt alles bedeutet und welche Kriterien die Konstruktion wie Gestaltung von Fußgängerbrücken eigentlich beeinflussen oder eben bestimmen sollten. Mit »Grüne Brücken für Städte« knüpfte Edwin Thie, Arup Niederlande, quasi nahtlos an seinen Vorredner an, wobei sein Hauptaugenmerk Fragen der Nachhaltigkeit, der Materialwahl und der Rückbaubarkeit galt. Dass und warum verschiedene Kontexte zu unterschiedlichen Lösungen führen, begründete wiederum Dipl.-Ing. Jacques Durst, Marc Mimram Ingénierie, und zwar anhand realisierter Beispiele aus Frankreich, Österreich und Marokko. Die ursprünglich vorgesehene Erörterung »Beleuchtungskonzepte für Brücken im städtischen Raum«, das diesen Themen block sinnstiftend abgerundet hätte, musste leider entfallen, da die Referentin kurzfristig erkrankt war.

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Impressionen: »coronakonform« gefüllter Vortragssaal, hochinteressante Referate, außerordentlich konzentrierte und engagierte Teilnehmer ... © Christian Höhn/Verlagsgruppe Wiederspahn

Exemplarische (Groß-)Projekte

Die nächsten drei Vorträge beschäftigten sich mit einem für Städte typischen Großprojekt: der Notwendigkeit, für mehrere stark frequentierte Straßen-, Bahn-, Fluss- oder Kanalquerungen im Zuge von Hauptverkehrsachsen parallel Ersatzneu bauten zu verwirklichen, und zwar unter laufendem Betrieb. Dipl.-Ing. Bernhard Homering, Stadt Nürnberg, machte hier den Anfang und schilderte die Herausfor derungen in puncto Bedarfsermittlung, Verkehrs- und Bauwerksplanung, Projektmanagement, Genehmigungsverfahren und Finanzierung, die aus solchen Vorhaben generell wie im speziellen Fall resultieren. Danach folgten die entspre chenden Konkretisierungen, das heißt, Dr.-Ing. Daniel Wingenfeld und Michael Backa M.Sc., Ingenieurbüro Grassl, vertieften Variantenuntersuchungen und Entwurf der »Hafenbrücke Franken schnellweg in Nürnberg«, während Dr.-Ing. Jens Barthl, IGS Ingenieure, und Dr.-Ing. Ulrich Scholz, ISP-Scholz, den »Neubau der Brücken Hafenstraße in Nürnberg« erhellten, die als Stahlgeflechte zur Ausführung kommen sollen.

Eine überaus wichtige Funktion hat auch die Varvsbron oder, übersetzt, Werftbrü cke in Helsingborg, Schweden, denn sie dient zur Anbindung eines neuen Stadtteils und fungiert zudem als dessen Mittelpunkt, wie Dipl.-Ing. Kilian Karius, Leonhardt, Andrä und Partner, bei der Präsentation jener Stahlkonstruktion mit Pylonen sagte.

Ähnliches gilt für die »Fuß- und Radweg brücke am Mozartturm in Darmstadt«, eine Stahltrogstruktur mit markanten Rampenbauwerken, über die im Anschluss Dipl.-Ing. Philipp Schiffer, netzwerkarchi tekten, informierte. Die unter ästheti schen wie ingenieurtechnischen Aspekten nachgerade ideale Fortsetzung bot indessen Dipl.-Ing (FH) Hubert Busler, Mayr Ludescher Partner, der online zugeschaltet war, mit dem aus Cortenstahl gefertigten Lady-Herkomer-Steg in Landsberg am Lech. Dipl.-Ing. Thorsten Helbig, knippershel big, sorgte wiederum für eine Art Perspektivenwechsel, indem er den Blick auf »Integrale Massivholzbrücken in Städten« und insofern auf eine Entwicklung lenkte, die er insbesondere unter gestalterischen wie ökologischen Kriterien als zukunfts weisend einordnete. Über welches Potential Bauwerke aus Holz verfügen, zeigte sich überdies an dem Trogüberbau der Brücke für die Landesgartenschau in Balingen, dessen Entwurf Dipl.-Ing. (FH) Frank Miebach, Ingenieurbüro Miebach, nun kompetent zu beleuchten wusste. Der offizielle Teil des ersten Konferenztages war damit absolviert, das Pro gramm sah jetzt, selbstredend unter Erfüllung aller nur denkbaren Gesund heitsschutzvorschriften, eine vergnügliche Abendveranstaltung in einer exquisiten »Lokalität« für sämtliche Teilnehmer und Gäste vor.

Brückenbau unter Verkehr Bei innerstädtischen Baumaßnahmen müssen per se zahlreiche Randbedingun gen beachtet werden, wie unter anderem Lärmschutzauflagen, vor allem aber Vorgaben zur Verkehrsführung. Und das bedeutet in der Regel, dass die Errichtung von neuen Brücken unter Aufrechterhal tung des Verkehrs auf dem Bestandsbau werk oder der zu überquerenden Trasse zu erfolgen hat.

Dipl.-Ing. (FH) Nils Engelke M.Sc., grbv Ingenieure, der zum Auftakt des zweiten Programmteils am Mittwochmorgen referierte, erläuterte freilich nicht nur diese und andere Restriktionen, sondern stellte die »Wolbecker-Straßenbrücke Nr. 76 in Münster« von der Planung bis zur Realsierung in toto vor, wobei er auch auf Vormontage und Verschub der neuen sowie auf Abbruch und Ausschwimmen der alten Bogenbrücke detailliert einging. Mit einer in Form und Konstruktion nicht minder beeindruckenden Lösung wartete zudem Simon Fryer, Buro Happold, auf: der »Lille Langebro in Copenhagen«, einer stählernen Hafenbrücke, deren Drehmechanismus auf Basis eines Systems aus optimierten hydraulischen Zylindern konzipiert worden ist. Wie sich trotz der Schwierigkeiten beim »Bauen unter Verkehr« ein Tragwerk realisieren lässt, das hohen Ansprüchen gerecht wird, erörterte zum Ausklang Dipl.-Ing. (FH) Gerhard Pahl, Dr. Schütz Ingenieure, am Fall der Thierschbrücke in Lindau am Bodensee, sie als eine Symbiose aus Gestalt und Funktion definierend, die mit einem neuartigen Graffitischutz ausge stattet ist. Dass ihre Pfeiler und Widerlager der Kunst-Biennale 2022 von den städtischen Behörden dennoch als zu bespielende Oberflächen offeriert wurden, kommentierte er deshalb sehr kritisch.

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... viele Rückfragen an die und lebendige Diskussionen ... © Christian Höhn/Verlagsgruppe Wiederspahn ... mit den Referenten © Verlagsgruppe Wiederspahn

Dank und Ausblick

In Zeiten der Pandemie eine solche Präsenz-Tagung mit dem Ziel durchzuführen, den maximal möglichen Gesundheits schutz zu bieten und zugleich für einen organisatorisch wie technisch reibungslosen Ablauf zu sorgen, erfordert natürlich ebenso kompetente wie verantwor tungsbewusste »Mitstreiter«, weshalb sie hier namentlich erwähnt werden sollen: Neben dem Team der Verlagsgruppe Wiederspahn sei insbesondere den Digitalexperten von Becker Studio Technik, Ober-Olm, dem Marriott Hotel Heidelberg mit seinen stets hilfsbereiten Servicekräf ten, den Mitarbeitern eines bekannten Heidelberger Instituts für den unkompli ziert-zuverlässigen Umgang im eigens eingerichteten Corona-Testcenter und der Kulturbrauerei Heidelberg für den herzlichen Empfang und die hervorragende Bewirtung am Dienstagabend gedankt. Großer Dank gebührt darüber hinaus den Fachausstellern für ihr Engagement: Dass die Stände der Firmen WestWood, Steeltec und Bridge Drainage rege frequentiert wurden, da an ihnen fundierte Auskünfte und Informationen zu erhalten waren, darf ebenfalls als Anerkennung aufgefasst werden.

Mit einem Ausblick auf das 22. Symposium »Brückenbau« in Leipzig am 15. und 16. Februar 2022 und einem gemeinsa men Mittagessen endete dann diese außerordentlich aufschlussreiche und gelungene Veranstaltung. Und wie bei jedem Symposium der Verlagsgruppe Wiederspahn liegen sämtliche Vorträge zusätzlich in gedruckter Form vor – als Ausgabe 4/5 ∙ 2021 der Zeitschrift »Brückenbau«, die als Tagungsband 48 € kostet und in jeder gut sortierten Fachbuchhandlung oder eben direkt über den Veranstalter zu erwerben ist.

Autor: Siegfried Löffler Fachjournalist, München

Tagungsband mit allen Vorträgen zum Nachlesen © Verlagsgruppe Wiederspahn

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Rege frequentierte Fachausstellung im Foyer © Verlagsgruppe Wiederspahn
ISSN 1867-643X www.verlagsgruppewiederspahn.de Ausgabe 4/5 2021 Symposium »Brücken in der Stadt« in Heidelberg in Kooperation mit der IBA Heidelberg

Architektur und Ingenieurbau

Wenn Sie sich für Architektur und Ingenieurbau interessieren, sollten Sie unsere Zeitschriften lesen – und damit Publikationen, die eine faszinierende Vielfalt an Themen beleuchten. Jede Ausgabe verfügt über einen besonderen Schwerpunkt – und zeigt vorbildliche Beispiele, die unter jedem nur denkbaren Aspekt vom Entwurf über die Planung und Konstruktion bis hin zur Errichtung kompetent vorgestellt werden.

Vor kurzem haben wir unser Archiv neustrukturiert – und dabei noch einige Hefte entdeckt, die wir allen Leserinnen und Lesern nun anbieten wollen.

Da die Anzahl dieser Exemplare begrenzt ist, empfiehlt sich eine rasche Entscheidung und die Bestellung per Mail (info@verlagsgruppewiederspahn.de) oder Fax.

Sollten Sie eine bestimmte Ausgabe suchen, können Sie uns ebenfalls gerne

2022 | BRÜCKENBAU
Faszination
kontaktieren. Frankfurt am Main [Umrisse] Zeitschrift für Baukultur 14. Symposium Brückenbau in Leipzig www.verlagsgruppewiederspahn.de Symposium Brückenbau in Luxemburg Flughäfen [Umrisse] Bau von Geh- und Radwegbrücken www.verlagsgruppewiederspahn.de Brückenbauwerke Sanierung der Carolabrücke in Dresden 15. Symposium Brückenbau in Leipzig www.verlagsgruppewiederspahn.de Ausgabe Brückenbauwerke Martinsbrücke der Marktgemeinde Zirl [Umrisse] Zeitschrift für Baukultur BIM im Krankenhausbau Brückenbauwerke 15. Symposium Brückenbau in Leipzig www.verlagsgruppewiederspahn.de Sonderausgabe Auszeichnung »20 Jahre Symposium Brückenbau in Leipzig« Madrid Mainaschaff Olching Special: Ertüchtigung von Parkhäusern und Tiefgaragen [Umrisse] Zeitschrift für Baukultur Fahren und Parken Brückenbauwerke Neubau einer Schleuse Bad Karlshafen Parkhaus der »Gesundheitswelt« in Bad Endorf Neugestaltung der Portale des Gleinalmtunnels bei Graz BIM: Von Anwendern für Anwender – Special 2019 Teil Von der Tragwerksplanung auf die Baustelle Vom Closed-BIM- zum Open-BIM-Projekt [Umrisse] Zeitschrift für Baukultur Bauwerke der Infrastruktur Rund 150 Aussteller: Softwareunternehmen, Ausstellungsfläche Perfekte Ergänzung zur BAU inspirieren von innovativen Ein- und Ausblicken auf der größten Fachmesse für digitale Lösungen der Baubranche. von Bau-IT bis Start-Up Fachmesse für digitale Lösungen in der Baubranche digitalBAU 11.–13. Februar 2020 Köln Jetzt Online-Ticket sichern! l-bau.com/ticket 17. Symposium Brückenbau in Leipzig [Umrisse] Zeitschrift für Baukultur BIM Bauen im Bestand mit MixedMedia Konzepts VERLAGSGRUPPE WIEDERSPAHN Wir starten durch und bitten zum 21. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU ab 10.02.2021 nach Leipzig. Mit Vorträgen, die schon lange auf unserer Wunschliste standen und stehen, wird das Programm auch 2021 wieder hochinteressant werden. Willkommen heißen wir Sie an einem neuen Veranstaltungsort dem direkt am Hauptbahnhof gelegenen HYPERION HOTEL LEIPZIG und zu einem etwas nachgerückten Termin, von 10.02. bis 12.02.2021, Mit den besten Grüßen und dem Wunsch: Bleiben Sie gesund. Ausgabe 3 17. Symposium Brückenbau in Leipzig Stahlbau Nachrichten Brandschutz Projekte und Produkte Bauen am Wasser Biebricher Allee 11 b 65187 Wiesbaden Tel.: 06 11/98 12 920 Fax: 06 11/80 12 52 kontakt@verlagsgruppewiederspahn.de www.verlagsgruppewiederspahn.de www.symposium-brueckenbau.de Ausgabe Stahlbau Nachrichten Brandschutz Projekte und Produkte Wir bauen mit Stahl! Stahlbau Nachrichten Schweißtechnik Bauen in den Bergen

Spezifische Fließmitteltechnologie von Sika Errichtung der Filstalbrücke

Die Filstalbrücke über dem Talgrund zwischen der Gemeinde Mühlhausen im Täle und der Stadt Wiesensteig ist eine Schlüsselstelle des Bahnprojekts Stuttgart–Ulm. So soll sie ab Ende 2022 von Zügen mit einer Geschwindigkeit von 250 km/h in 7 s passiert werden.

Das mit der Bauausführung beauftragte Unternehmen realisierte hier einen zwängungsfrei hergestellten Überbau auf Hilfsstützen mit nachträglichem Anschluss der Pfeiler-Schrägstreben. Das heißt, die acht Anschlüsse der Y-Streben an den Überbau wurden jeweils mit ca. 70 m³ selbstver dichtendem Beton (SVB) vergossen und so starr verbunden. Dazu musste der Beton auf eine Höhe von 85 m und in der Horizontalen bis 120 m gepumpt werden, und zwar bei einer Verarbei tungszeit von 90 m und unter Gewähr leistung der Gleichmäßigkeit des SVB bei den unterschiedlichen jahreszeitlichen Temperaturbedingungen.

Gemeinsam mit dem Betonhersteller konzipierten die Experten von Sika das speziell für die Filstalbrücke adaptierte

Fließmittel Sika ViscoCrete-3137: Basis ist die Produktfamilie Sika ViscoCrete mit ihren Sika-Polymeren, die exakt an die Anforderungen für SVB und Faserbeton angepasst werden kann. Entscheidend dafür sind Eigenschaften wie niedrige w/z-Werte, gute Konsistenzhaltung sowie eine optimierte Entwicklung der

Frühfestigkeitsentwicklung auch im Winter.

Die Neu- und Weiterentwicklung maßgeschneiderter PCE-Fließmittel für Spezialbetone zählt zu den Kernkompetenzen von Sika.

www.sika.de

»Hochpumpen« des selbstverdichtenden Betons

140 BRÜCKENBAU | 1/2 2022 PRODUKTE UND PROJEKTE
Talquerung als Teil des Bahnprojekts Stuttgart–Ulm © Sika Deutschland GmbH Semiintegrale Tragstruktur im Entstehen © Sika Deutschland GmbH Monolithische Verbindung von Überbau und Pfeilern © Sika Deutschland GmbH © Sika Deutschland GmbH

Projektspezifische Baukastenlösung von Peri Elegante Neckarbrücke bei Benningen

Die neue, 195 m lange Neckarbrücke bei Benningen stammt aus der Feder des renommierten Ingenieurbüros Leonhardt, Andrä und Partner und bildet in Verbin dung mit einer 107 m langen Stützwand die Grundlage für die neue, 1,2 km lange Ortsumfahrung der L 1138 zwischen Freiberg und Marbach.

Geplant und ausgeführt wurde diese elegante Flussquerung als Stahlverbund struktur mit Hohlkasten, wobei der Stahlgurt, monolithisch verbunden, über gangslos in die V-förmigen Flusspfeiler übergeht. Ihre Konzeption als gevoutete Rahmenbrücke harmoniert mit der von Weinbauhängen geprägten Landschaft und ermöglichte zudem eine schlanke Konstruktion mit nur 1,90 m Bauhöhe in Feldmitte über dem Neckar, musste hier doch ein 60 m breites und 6,30 m hohes Lichtraumprofil für die Binnenschifffahrt eingehalten werden. Das gestalterisch wie statisch anspruchsvolle Tragwerk war auch für die Herstellung herausfordernd: Die mit nur 4 m Breite sehr schmalen Stahlhohlprofile wurden dichtgeschweißt teils am Neckarufer vormontiert und das 145 t schwere Mittelstück mithilfe eines Schwimmkrans in die Endlage eingeho ben. Durch die in zwei Achsen gekrümm te Brückengeometrie war auch der Betonüberbau mit großen Herausforderungen verbunden: Die Brücke geht von einer Wendeklothoide in einen Radius von 125 m über und ist in Längs- und Querrichtung bis 7,50 % geneigt.

Das praxisgerechte Baukastensystem Variokit von Peri zielt darauf ab, wirt schaftliche Lösungen für den Großteil aller Anforderungen im Ingenieurbau zu ermöglichen. Im Fokus steht dabei ein hoher Anteil an mietbaren Kern- und Systembauteilen, die vielfältige Anwen dungen abdecken. In Kombination mit dem baustellenbegleitenden Support durch den Stuttgarter Peri-Fachberater und den Ingenieuren des Weißenhorner Kompetenzzentrums Infrastruktur wurde hier zusammen mit dem bauausführen den Unternehmen eine projektspezifisch angepasste Baukastenlösung erarbeitet. Im ersten Schritt ermöglichte die abgehängte Variokit-Kragarmschalung die Betonnage des in elf jeweils 15–20 m lange Abschnitte eingeteilten Überbaus im regelmäßigen Wochentakt. Die anschließende Aufbringung der Kappen erfolgte mit Hilfe der Variokit-Gesimskappenkonsole.

Zur Herstellung der bis zu 45 cm dicken Fahrbahnplatte aus Beton wurde die Variokit-Kragarmkonsole VCB verwendet. Trotz der enorm großen Auskragung von beidseitig 3,95 m konnte mit einem großzügigen Konsolabstand von 90 cm gearbeitet werden. Ein weiterer großer Vorteil war, dass sich das Variokit-System fächerförmig mittels zweier unterschiedlicher Aufhängungsvarianten an die jeweilige Baustellensituation anpassen ließ: In den Bereichen über Land konnte sie von unten gelöst werden, bei den Betonierabschnitten über Wasser hingegen von oben, wobei die Umsetzung der Aufhän gung per Kran erfolgte.

In beiden Fällen war der Überbau frei zugänglich, die bündig mit der Betonoberkante abschließende Spannstahlaufhängung vermied Störstellen und ermöglichte durch den Einsatz von Rüttelbohlen hohe Betoniergeschwindigkeiten.

Die einfach handhabbare Variokit-Gesimskappenkonsole VGK war die wirtschaft lichste Alternative zur Kappenherstellung und ermöglichte zudem sicheres und effizientes Arbeiten, auch dank der Veranke rung der Bühneneinheiten an der Brückenunterseite. Der durchdringungslose Bühnenbelag sorgte darüber hinaus für ausreichenden Schutz für die auf dem Neckar querenden Binnenschiffe und Ruderboote. Und die separate Schalungs einheit der VGK-Lösung ließ sich stufenlos an die geforderte Kappengeometrie anpassen.

www.peri.de

141 1/2 2022 | BRÜCKENBAU PRODUKTE UND PROJEKTE
Herstellung des Überbaus mittels Variokit-Ingenieurbaukasten
PRODUKTE UND PROJEKTE PRODUKTE UND PROJEKTE ADVERTORIAL
© Peri Vertrieb Deutschland GmbH & Co. KG Abgehängte Kragarmschalung zur Betonage in elf Abschnitten © Peri Vertrieb Deutschland GmbH & Co. KG Gesimskappenkonsole als wirtschaftlichste Lösung © Peri Vertrieb Deutschland GmbH & Co. KG

Senkrecht

eingebaute

Sonderlager von Maurer Schrägseilbrücke bei Pelješac in Kroatien

Die Pelješac-Brücke an der malerischen Küste von Kroatien wird eine der imposantesten Schrägseilbrücken, doch sie ist politisch umstritten. Beim Brückenbau interessieren allerdings nicht die politischen Verwerfungen, sondern die tektonischen: Die Region ist Erdbebengebiet, entsprechend müssen die Lager große Bewegungen und hohe Horizontalkräfte aufnehmen, weshalb die Hälfte von ihnen senkrecht angeordnet werden. Maurer entwickelte hierfür eine Sonderlösung, um sicherzustellen, dass zwischen den Gleitflächen kein Spalt aufgehen kann. So wird der Verschleiß reduziert und eine Lebensdauer von mindestens 50 Jahren erreicht.

Die Pelješac-Brücke ist seit Jahren ein Politikum. Der Süden Kroatiens ist auf dem Landweg nur über die Stadt Neum erreichbar, die allerdings zu BosnienHerzegowina gehört. Die ca. 22 m breite neue Brücke wird das kroatische Festland mit der vorgelagerten Halbinsel Pelješac verbinden und damit einen vollständig kroatischen Landweg aus dem Norden nach Dubrovnik eröffnen. Ausgelegt ist sie als Schnellstraße mit je zwei Fahrspuren. Nach ihrer Errichtung wird sie insgesamt beachtliche 2.404 m lang sein, unterteilt in 13 unterschiedliche Felder.

Die Hauptbrücke über den sogenannten Pelješac-Kanal ist eine Schrägseilstruktur mit zwölf Pylonen, wobei die fünf zentralen Spannweiten je 285 m betragen, die Durchfahrtshöhe misst 55 m.

Da die gesamte Region erdbebengefähr det ist, müssen die Brückenlager spezielle Anforderungen bezüglich Beweglichkeit, Dauerhaftigkeit und Lastkapazität erfüllen. Die Planer sahen für die Widerlager

und sechs der insgesamt zwölf Pylonen je zwei Kalotten- und zwei Topflager vor, Maurer überzeugte sie aber von einer reinen Kalottenlager-Lösung.

Und so baute Maurer im Herbst 2020 in Summe 32 Kalottenlager in Kroatien ein. Technisch besonders anspruchsvoll waren dabei die 16 Lager zur Führung der Brücke in Längsrichtung, denn sie müssen in Querrichtung hohe Horizontalkräfte ≤ 19 MN aufnehmen und senkrecht angeordnet werden. Dabei ist sicherzustel len, dass die Gleitflächen ständig in Kontakt bleiben: Wo sich ein Spalt auftut, kann Staub eindringen und die Gleiteigenschaften, wie niedrige Reibung, gefährden. Zudem kommt es dann zu Verschleiß, was die Lebensdauer verkürzen würde, und zwar auf nur fünf statt der geforderten 50 Jahre.

Maurer entwickelte hierfür Sonderlager mit Tellerfedern im Kern. Die Federn halten die Gleitflächen immer in Kontakt miteinander, mit einer Kraft von ca. 500 kN in Mittelstellung, und sind überdies ermüdungsfest ausgelegt. Als Hochleistungswerkstoff auf allen Gleitflächen setzt Maurer grundsätzlich MSM® ein, also Maurer Sliding Material. Es hält im Vergleich zum herkömmlichen Teflon (PTFE) mindestens doppelt so hohe Auflasten aus, was bedeutet, dass die Lager ca. 30 % kleiner und wirtschaftlicher gefertigt werden konnten. Außerdem verkraftet MSM® mindestens fünfmal mehr Bewegungen ohne Verschleiß. Dies ist gerade bei weichen Tragstrukturen wie der Pelješac-Brücke in Kombination mit den auftretenden Natur gewalten Wind und Erdbeben sehr wichtig. Die MSM®-Kalottenlager erreichen so laut ihrer Europäischen Technischen Zulassung eine Lebensdauer von 50 Jahren.

Weitere 16 MSM®-Kalottenlager, je zwei pro Pylon, wurden für die Aufnahme von Vertikalkräften ≤ 33 MN eingebaut. Da aus Wind und Erdbeben auch abhebende Kräfte ≤ 2 MN resultieren können, sind die Lageroberteile mit einer Klammer ausgestattet, die ein Abheben verhindert. Darüber hinaus müssen alle Lager im Erdbebenfall große, schnelle Bewegun gen ≤ ±1,30 m aufnehmen. Und das bedingt Lagerlängen ≤ 3 m, die größten Lager sind hier 1,20 m breit und ca. 330 mm hoch.

142 BRÜCKENBAU | 1/2 2022 PRODUKTE UND PROJEKTE
Brückenbauwerk im Entstehen: Blick zur Halbinsel Pelješac © Maurer SE Kalottenlager auf Betonsockel © Maurer SE »Spiegelung« des Lagers im Edelstahl-Gleitblech (oben) © Maurer SE

Aus Korrosionsschutzgründen sind die Stahlbauteile nicht nur mit einer entsprechenden Beschichtung C5-m versehen, das wichtige innere Kalottengelenk wurde komplett aus einem Werkstoff gefertigt, nämlich MSA® oder Maurer Sliding Alloy. Das glänzende, extrem glatte und hochkorrosionsbeständige Material erlaubt im Vergleich zu einer verchromten Oberfläche eine Reduzierung der Toleranzen um mindes tens 50 % mit besserer Passgenauigkeit im Gelenk, bei gleichzeitig drei- bis vierfach längerer Lebensdauer.

Der geforderte Korrosionsschutz beeinflusst auch die Konstruktion der Dehnfugen, die als flexible Bauelemente an beiden Brückenenden die Temperaturund Erdbebenbewegungen (≤ 1.400 mm) des Überbaus ausgleichen. Gleichzeitig ist sichergestellt, dass der Verkehr über diese Dehnfugen ohne Einschränkung und unabhängig von deren Verschiebezustand fahren kann. Die Dehnfugen werden rechtwinklig zur Fahrtrichtung angeordnet. Die zwei 23,60 m langen Fugen vom Typ Schwenktraverse mit 14 Profilen wird Maurer in Hybridausführung

Typengeprüftes Traggerüst von Ischebeck Ortsumfahrung von Oberlauchringen

Mehr als 10.000 Kfz/d durchqueren Oberlauchringen, weshalb sich die Realisie rung einer Ortsumfahrung, die gleichzeitig die A 98 mit der B 34 verbindet, aufdrängte. Eine Länge von 2,10 km aufweisend, soll sie noch 2021 eröffnet werden.

Dazu bedurfte es auch der Errichtung einer Brücke aus Stahlbeton. Da das Traggerüst die bei solchen Bauwerken üblichen hohen Lasten aufnehmen muss, hier zum Beispiel 60 kN pro Stiel in einer Höhe von 5 m, fiel die Wahl auf das nach EN 12812 typengeprüfte und zugelassene Alu-Schalungsgerüst namens »Titan« von

Ischebeck, zumal es sich außerordentlich schnell montieren lässt. Eine besondere Herausforderung war indessen die geforderte Durchfahrtsöff nung für den Baustellenverkehr, die mit Hilfe von in Längsrichtung verlaufenden Typ-3-Überbrückungsträgern bewältigt wurde. Zentral unter dem Brückenüber bau angeordnete Betonpfeiler waren eine weitere Besonderheit: Aufgrund ihrer Breite von 2,50 m war die Platzierung der Unterstützung auf die Randbereiche begrenzt – und es kamen Typ-3-Überbrückungsträger in Querrichtung zur Ausführung, um die großen Stützab-

fertigen. Hybrid bedeutet hier, dass der obere Teil der Stahlprofile aus Edelstahl besteht, der untere aus Baustahl, was einen hohen Schutz gegen Korrosion bietet. Die Dehnfugen werden 2021 in einem Stück nach Kroatien geliefert, weil Schweißarbeiten an der Fuge auf der Baustelle nicht erlaubt sind. Die Bauarbeiten an der »aktuellen« Pelješac-Brücke – ein erstes Projekt wurde vor zehn Jahren eingestellt – begannen Mitte 2018 und sollen bis Ende 2022 abgeschlossen sein.

www.maurer.eu

stände zu überbrücken. Diese Träger zeichnen sich mit ca. 36 kg/m durch ein leichtes Gewicht aus, so dass auch die Demontage schnell und einfach zu erfolgen vermag. Der Schalplan wurde als Service durch Ischebeck erstellt, wobei die Typenprüfung erlaubte, das Alu-Scha lungsgerüst flexibel an die Situation anzupassen und es optimal zu nutzen. Die bei der Unterstützung von Brücken bauwerken anfallenden Horizontallasten können im Übrigen oftmals direkt im Alu-Schalungsgerüst abgetragen werden.

www.ischebeck.de

143 1/2 2022 | BRÜCKENBAU PRODUKTE UND PROJEKTE
Dehnfuge vom Typ Schwenktraverse © Maurer SE Querschnitt eines Hybridprofils © Maurer SE Stahlbetonquerung »mit« Schalung © Friedr. Ischebeck GmbH Überbrückungsträger im Detail © Friedr. Ischebeck GmbH

Planung, Bemessung, Konstruktion und Errichtung durch Teupe Behelfsbrücke am Düsseldorfer Kennedydamm

Der Kennedydamm ist eine der meistbefahrenen Straßen der Landeshauptstadt Düsseldorf. Die über ihn verlaufende Rad- und Fußwegbrücke musste Ende Juli 2019 abgerissen werden, da an dem über 60 Jahre alten Bauwerk massive altersbedingte Schäden festgestellt worden waren und seine Standsicherheit nicht abschließend zu prüfen war. Da sich viele Anlieger östlich des Kennedydamms nun vom Rhein und vom ÖPNV abgeschnitten fühlten, wurde im Dezember 2019 unter hohem politischen Druck zwischen HansBöckler-Straße und Karl-Arnold-Platz eine Behelfsbrücke errichtet, die bis zur Realisierung des Brückenneubaus als Überweg über den Kennedydamm dient. Teupe & Söhne wurde von der Stadt Düsseldorf mit der Planung, der Ausführung und der späteren Demontage einer Behelfsbrücke für Fußgänger, Radfahrer und Räumfahrzeuge beauftragt, die allen Anforderungen in Bezug auf Stand- und Verkehrssicherheit sowie Witterungsbeständigkeit entspricht. Der Auftrag umfasste sämtliche Leistungen von der Konzeption über die statische Berech nung und die Erarbeitung der Ausführungszeichnungen bis hin zur Werkstattfertigung, Vor-Ort-Montage und Übergabe sowie späteren Demontage.

Für die Errichtung der Behelfsquerung konnten die beiden Widerlager der abgerissenen alten Brücke inklusive Zuwegen genutzt werden. Die Behelfsbrücke wurde als Stahlkonstruktion mit aufgelegten Stahlträgern umgesetzt und hat eine Tragkraft von 800 kg/m². Die Fertigung aller Elemente, der Schwerlasttürme und Jochträger erfolgte in der Teupe-Stahlbauwerkstatt gemäß der Ausführungsklasse EXC-3 und auf Basis der DIN EN 1991-2 für Fuß- und Radwegebrücken.

Die Behelfsbrücke ist über 3 m breit und hat eine Gesamtlänge von ca. 118 m, die maximale Stützweite zwischen den Stahltürmen beträgt 22,50 m. Zunächst wurden von Teupe im Grünbereich außerhalb der Fahrspuren neue Fundamente für die Türme erstellt: Die Gründungshöhen mussten millimetergenau vermessen und die Längs- wie Querachsen der Türme vor Montagebeginn auf die Fundamente aufgetragen werden, da es keine Möglichkeit der späteren Höhenregulierung gab. Die Stütztürme wurden außerdem mit einem Anprallschutz versehen, um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten.

Die komplette Montage der Ersatzbrücke über den Kennedydamm erfolgte am ersten Dezember-Wochenende während einer Wochenendsperrpause im ZweiSchicht-Betrieb. An der Brücke wurde ein durchsturz- und überklettersicheres Geländer mit einer Höhe von 1,30 m und einem zusätzlich angeordneten Handlauf montiert und die Laufebene zudem mit einer rutschsicheren Beschichtung versehen. Nach der Freigabe durch den Prüfingenieur wurde die Brücke am 20. Dezember 2019 termingerecht zur Nutzung freigegeben.

Da sich das Projekt im politischen Fokus befand, war es unabdingbar, dass die Brücke vor dem Jahresende 2019 in Betrieb genommen wird. Die Realisierung stand deshalb unter extrem hohem zeitlichen Druck: Die komplette Auftragsaus führung von der Konzeption und detaillierten Planung bis hin zur Errichtung inklusive Werkstattplanung, Herstellung der Stahlelemente in zwei Teupe-Werk stätten in Stadtlohn und Jena sowie der Montage vor Ort und der Übergabe erfolgte innerhalb von knapp zwölf Wochen von September bis Dezember 2019. Die Behelfsbrücke bleibt bis zur Fertig stellung des Brückenneubaus in Nutzung, danach wird sie von Teupe wieder demontiert, was auch den Abtransport aller Konstruktionselemente und Bauteile einschließt.

www.geruestbau.com

144 BRÜCKENBAU | 1/2 2022 PRODUKTE UND PROJEKTE
Tragwerk aus Stahlbauelementen © Teupe & Söhne Gerüstbau GmbH Temporäre Konstruktion für Fußgänger und Radfahrer © Teupe & Söhne Gerüstbau GmbH

Schnelle Oberflächenentwässerung dank ACO Neubau der Autobahnbrücke Burgweinting

Die Bundesautobahn A 3 ist eine der verkehrsreichsten Fernstraßen Deutsch lands. Seit 2018 wird sie im Raum Regensburg von vier auf sechs Fahrspuren verbreitert, aktuell befindet sich der 15 km lange Abschnitt vom Autobahnkreuz Regensburg bis zur Anschlussstelle Rosenhof nach jahrelanger Planung in der Ausführung. Allein in diesem Abschnitt müssen 16 Brücken neu errichtet werden, die größte in diesem Bereich hat eine Länge von ca. 200 m und liegt bei Burgweinting. Sie besteht aus zwei nebeneinanderliegenden Teilbauwerken mit jeweils drei Fahrspuren und über spannt 23 Fernbahngleise der Deutschen Bahn.

Der Neubau des nördlichen Teilbauwerks verlief unter fließendem Straßen- und Schienenverkehr, und zwar unter Anwendung des Taktschiebeverfahrens. Das heißt, sobald die neue Brücke ihre endgültige Position hatte, wurde die Fahrbahnplatte mit drei Fahr- und einem Standstreifen ausgestattet. Um effektiv Lärm zu reduzieren, kam hier ein Fahrbahnbelag mit offenporigem Asphalt (OPA) zur Ausführung, der freilich der Entwässerung auf zwei Ebenen bedarf: Neben der Oberfläche muss der porige Asphalt entwässert werden. So fand schon in einer frühen Planungsphase der Einsatz einer kappenintegrierten Entwässerung Beachtung. Ausschlaggebend dafür waren die hohe Entwässerungsleistung, wenige Durchdringungen und die zweite Entwässerungsebene für den

offenporigen Asphalt – Eigenschaften, die das Entwässerungssystem der Hohlbordrinne ACO KerbDrain Bridge umfasst. Die Hohlbordrinne verbindet Bordstein und Entwässerungsrinne in einem Element. Als Teil der Kappe dient selbige als verlorene Schalung und ist Höhengeber für Asphalt und Beton. Wie in den Richtzeichnungen gefordert, werden die Rinnenelemente im Kappenbeton rückveran kert. Der Stoß der Hohlbordrinne besitzt eine integrierte Dichtung zum einfachen und gesicherten Einbau. Der Vorteil jener Lösung mit integrierter Dichtung ist, dass Streckenradien ohne weitere Anpassun gen herzustellen sind. Zudem wird das aufgenommene Wasser vollständig abgeleitet, was einen positiven Effekt hinsichtlich des Bauwerksschutzes mit sich bringt.

Nach Freigabe der Nordbrücke im Oktober 2021 erfolgt derzeit nach dem gleichen Verfahren die Erneuerung Südbrücke, die voraussichtlich 2023 fertigge stellt sein wird. Der gesamte Verkehr läuft nun über das neue Teilbauwerk, wobei die leistungsstarke ACO KerbDrain Bridge sich im nicht überfahrenen Bereich befindet. So ist eine zuverlässige, schnelle Ableitung des Niederschlags über zwei Ebenen auch bei hohem Verkehrsaufkommen gesichert.

www.aco-tiefbau.de

145 1/2 2022 | BRÜCKENBAU PRODUKTE UND PROJEKTE
Hohlbordrinne als Teil der Kappe © ACO Tiefbau Vertrieb GmbH Größte Brücke in diesem Streckenabschnitt © ACO Tiefbau Vertrieb GmbH Bordstein und Entwässerung in einem Element © ACO Tiefbau Vertrieb GmbH

Aktuelle Version von Enscape Intuitive Erstellung von Simulationen

Enscape hat es sich zum Ziel gesetzt, Visualisierungen von Anfang an in den Designprozess zu integrieren, basierend auf dem einzigartigen Prinzip der »single source of truth«: Anwender arbeiten ausschließlich in ihrem CAD-Programm und entwerfen hier ihr 3-D-Modell, aus dem das Plug-In Enscape 3.0 wiederum die Visualisierung direkt mit nur einem Klick generiert, und zwar ohne Zwischenschrit te oder Ex- und Import von verschiede nen Dateiformaten. Alle Änderungen, die im Plan vorgenommen werden, erschei nen simultan also auch im Rendering. Ein perfektes Zusammenspiel zwischen 3-D-Modell, Funktionen, hinterlegten Informationen aus BIM und Simulation –

das gestattet Enscape. Im BIM-Mode werden hinterlegte BIM-Informationen aus dem CAD-Modell wie Produkteigen schaften, Maße oder Preise zugleich in der Visualisierung angezeigt, so dass sich An- und Rückfragen direkt beantworten lassen, ohne zwischen dem Originalmo dell und der 3-D-Darstellung hin- und herwechseln zu müssen.

Und: Enscape vermag orthographische 2-D-Ansichten wie Grundrisse, Quer schnitte und Aufrisse direkt neben der 3-D-Abbildung anzuzeigen. Die Visualisierungen können zudem nicht nur als Videos, sondern auch als Stills exportiert werden und bieten so einen erheblichen Mehrwert, unter anderem bei Papier-

Präsentationen. Darüber hinaus beinhal tet Enscape eine Vielzahl von fotorealistischen Objekten aus unterschiedlichen geographischen Regionen und ermög licht so eine realistische Darstellung im Plan und in der Visualisierung.

Das Plug-In Enscape 3.0 ist mit den CADProgrammen Autodesk Revit, Rhino, Archicad, Vectorworks und SketchUp kompati bel. Durch die günstigen Lizenzgebühren und die einfache Handhabung ist Enscape gleichermaßen für kleinere wie für große Ingenieur- und Architekturbüros geeignet.

www.enscape3d.com

BRÜCKENBAU Construction & Engineering

ist diejenige Baufachzeitschrift der VERLAGSGRUPPE WIEDERSPAHN, die sich dem Brückenbau widmet.

Dessen gesamtes Spektrum thematisierend, erscheint sie seit 2009 viermal pro Jahr und erreicht national und international bei einer Auflage von 3.500 Exemplaren weit mehr als 5.000 Planer sowohl in den Bauverwaltungen als auch in Baufirmen, Ingenieurbüros und an Hochschulen.

Im Verbund mit der Online-Version, die stets als komplettes Heft verfügbar ist, wird dieser Fachtitel somit je Ausgabe von mindestens 10.000 Verantwortlichen und Entscheidern gelesen.

Lassen Sie sich überzeugen von einer Publikation, die als einzige im deutsch sprachigen Raum den Brückenbau in all seinen Facetten beleuchtet – und als Tagungsband zudem die jährlich stattfindenden Symposien »Brückenbau« begleitet.

Sicher wird auch Ihre Zielgruppe damit von uns erreicht.

Informieren Sie sich unter: www.verlagsgruppewiederspahn.de. Dort finden Sie die Mediadaten.

146 BRÜCKENBAU | 1/2 2022 SOFTWARE UND IT
mitMixedMediaKonzepts VERLAGSGRUPPE WIEDERSPAHN Biebricher Allee 11 b | 65187 Wiesbaden | Tel.: +49/611/98 12 920 | Fax: +49/611/80 12 52 kontakt@verlagsgruppewiederspahn.de www.verlagsgruppewiederspahn.de | www.mixedmedia-konzepts.de |
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www.symposium-brueckenbau.de Wo
forces in motion für Dehnwege bis Radsatzlasten von 250 kN Geschwindigkeiten bis 300 km/h zwängungsfrei und und abhebesicher Fahrkomfort lagesicherer Einbau und Wartung ISSN 1867-643X www.verlagsgruppewiederspahn.de www.maurer.eu Ausgabe 4/5 2021 Symposium »Brücken in der Stadt« in Heidelberg in Kooperation mit der IBA Heidelberg BRÜCKENBAU Ausgabe 4/5 2021

Beeindruckendes Buch von Frederking & Thaler Impressionen eines (deutschen) Phänomens

13.000 km aus oder eben in Asphalt und Beton: »Die« Autobahn ist Deutschlands größtes Bauwerk – und sie polarisiert, obwohl oder gerade weil sie Rückgrat der Wirtschaft, Treiber der immer wieder lautstark eingeforderten Mobilität, Renn- wie Langsamfahrstrecke, Zankapfel wie Politikum, Abenteuerspielplatz wie Dauerbaustelle gleichermaßen ist. Ihre Gesamtlänge beträgt zwar nur ca. 2 % der bundesrepublikanischen Fern- und Nahverkehrsstraßen, sie fungiert aber dennoch als (hochfrequentierter) Untergrund, ablesbar an der Tatsache, dass auf ihr ungefähr ein Drittel aller Fahrzeugkilometer absolviert werden. Wo und wie sonst ließen sich die heutigen Warenströme (anders) kanalisieren, ja könnten Berufs- wie Privatpendler einfacher, (vermeintlich) schneller und besser an ihr individuelles Ziel gelangen?

Darüber hinaus stand und steht sie schon von jeher für Ingenieurskunst, das heißt

für Meisterleistungen in Entwurf, Konstruktion und Bauausführung, wobei deren Spektrum von (unzähligen) Talbrü cken über die eher vereinzelt anzutreffenden Tunnelbauwerke bis hin zu den sogenannten Kleeblättern und anderen signifikanten Autobahnkreuzen reicht. Wer wollte also bestreiten, dass sie eine auch optisch angemessene Würdigung verdient?

Und eine solche findet sich nun mit und in dem Buch »Die Deutsche Autobahn«: 192 Seiten mit 210 Abbildungen umfassend und zum Preis von (lediglich) 39,99 € zu erwerben, wartet es mit außerordent lich beeindruckenden Aufnahmen auf, die in Art eines Porträts veranschaulichen, warum der Begriff »Kulturlandschaft« hier durchaus Anwendung finden darf oder sogar sollte.

Das Resultat von Karl Johaentges‘ Reisewie Fotoprojekt sei deshalb selbst jenen zur Lektüre und damit zu einer besonders

eingehenden Betrachtung empfohlen, die bisher glaub(t)en, technischer Fortschritt sei per se ein barbarischer Vorgang und deshalb nicht in Einklang mit Natur und Naturräumen zu realisieren.

www.frederking-thaler.de

Der Wunsch, sich über die Geschichte des Brückenbaus zu informieren, lässt sich ebenso schnell wie einfach befriedigen, gab und gibt es doch (fast) unzählige Publikationen, die sich jenem Thema mehr oder minder detailliert widmen und zudem nicht selten mit profundem Fachwissen aufwarten. Leider sind solche Veröffentlichungen aber bisweilen eher mühsam zu goutieren, da es ihren Verfassern (häufig) an Sprachgefühl und -verständnis ermangelt: ein Defizit, das ihre Verbreitung nicht unbedingt zu befördern hilft.

Das im Herbst vergangenen Jahres erschienene Buch »Frühe Brücken« darf, ja muss infolgedessen als erfreuliche Ausnahme bezeichnet werden, und zwar nicht nur in puncto Lesegenuss. Das heißt, neben der Tatsache, dass die Lektüre durchaus Spaß macht und der Erkenntnisgewinn sich quasi en passant einstellt, überzeugt hier das sorgfältig erarbeitete Zusammenwirken von Text und Abbildungen, weshalb die Anschau lichkeit der erläuterten Zusammenhänge stets gewährleistet bleibt.

Ein dritter Aspekt ist die Auswahl der (berücksichtigten) Beispiele, die auf den ersten Blick noch lückenhaft und arg subjektiv anmutet, was sich bei genauerer Betrachtung freilich als ein Vorteil erweist: Fernab irgendwelcher Komplettierungs bestrebungen will der Autor (wohl) primär Entwicklungsstränge verdeutlichen und zugleich den Blick auf bauliche Resultate in Ländern lenken, die sonst oft und gerne vergessen werden. Und so spannt er den Bogen, stets untergliedert nach Tragwirkung, Material und Bauzeit, von Kettenbrücken in China, Tibet und Nepal über (vermeintlich) lebende und halblebende Gefüge in Nordostindien und Japan bis hin zu Gras- und Faserhänge- sowie Kragstein-Strukturen in der Alten und der Neuen Welt. Sie alle repräsentieren zweifelsohne, wie der Untertitel dieses Buchs bereits besagt, »Zug- und druckbeanspruchte Konstruktionen, kreative, innovative und interes sante Brücken« – und sie verdienen (daher) größere Aufmerksamkeit.

Hasso Hohmanns empfehlenswerte Abhandlung hat einen Umfang von 303 Seiten, wird zum Preis von (lediglich) 39 € angeboten und ist direkt über den Verlag erhältlich.

www.tugraz-verlag.at

147 1/2 2022 | BRÜCKENBAU NACHRICHTEN UND TERMINE
Ingenieurskunst im Porträt © Frederking & Thaler Verlag
Veröffentlichung im Verlag der Technischen Universität Graz Beispiele für Tragstrukturen aus aller Welt
Erläuterung von Entwicklungssträngen © Verlag der Technischen Universität Graz

Medientheoretische Erörterung aus dem Kulturverlag Kadmos Fernverkehrsstraße aus verschiedenen Perspektiven

Über die Konzeption und Realisierung von Fern- und Schnellstraßen ist schon viel, ja sehr, sehr viel geschrieben und veröffentlicht worden, was sich letztlich wohl aus der simplen Tatsache erklärt, dass kaum ein anderes Bauwerk »seine« Umgebung so stark prägt und auch langfristig beeinflusst wie die Autobahn: Ihre meistenteils festen, aus Asphalt oder Beton gefertigten Fahrbahnen, ihre Trassierung in (überwiegend) weiten Linien und ihre kreuzungsfreie, immer wieder von Über- und Unterführungen akzentuierte Netzgestalt verkörpern ein System, ohne das kein Supermarkt, kein Gewerbegebiet, kein Vergnügungspark und keine Fußgängerzone zu funktionie ren vermag – wie die (insbesondere) überall anzutreffenden Lkws mit ortsfremden Kennzeichen nachgerade zu beweisen pflegen.

Die Nationalsozialisten haben sie, wie mittlerweile bekannt sein sollte, zwar nicht erfunden, aber für das Fundament des (heutigen) Hauptverkehrswegs in und durch Europa gesorgt, indem sie 1934–1942 deren erste Streckenabschnit te in die dato eher unberührte Natur legten. Was im Umkreis der Reichsautobahn,

quasi zwischen Fugenvergussmasse, Flugbildern, Rastanlagen und dem Reichsparteitagsgelände, geforscht, geplant, errichtet und erfahren wurde, ist also unwiderruflich (ein) Bestandteil der deutschen Bau- und Technikgeschichte. In der Verknüpfung der Details erweist sich das historische Vorhaben zudem, was lange übersehen wurde, als der in dieser Epoche erstmalige Entwurf unserer gegenwärtig dauermobilisierten Transitlandschaft.

»Raum-Maschine Reichsautobahn« bietet nun, im besten Sinne, eine medientheo retische Durchleuchtung ebenjenes Propagandaprojekts, wobei dessen Wirken in vierfacher Hinsicht betrachtet wird: konkret als Plattenkette, geometrisch als ästhetisch-automobiler Kurvenzug, raumplanerisch als Basis überall anzuordnen der Zentren und funktional als Katalysa tor für den ganz der Maschine einverleib ten Raum des Verbrennungsmotors.

Wer über rein konstruktive Fragen »hinauszudenken« wünscht, sich ergo mit den unterschiedlichsten Aspekten eines Verkehrsbauwerks von wahrlich einschnei dendem Charakter beschäftigen will, dem wird die Lektüre von Benjamin

Neuerscheinung im Motorbuch Verlag Legende der (sogenannten) Mittelklasse

Wer jemals in ihm gesessen und ihn bewegt, ja ihn für längere oder (meist) lange Zeit besessen hat, wollte ihn mit größter Wahrscheinlichkeit nicht mehr hergeben, wie zum Beispiel der Autor dieser Zeilen: Mit welchem anderen Fahrzeug wäre es wohl möglich gewesen, stets bequem und entspannt zu reisen, so gut wie nie irgendwelche Reparaturen erdulden zu müssen und im Endeffekt sogar eine Fahrleistung von 900.000 km zu erzielen, und zwar mit dem ersten Motor, dem ersten Getriebe und mit (lediglich) einigen wenigen Verschleißteileerneuerungen?

Der W 124 stellt(e) den letzten echten Mittelklasse-Wagen von Mercedes-Benz dar, bevor seine Nachfolger, die späteren Vertreter der E-Klasse, mit dem bisheri gen Stil und der bis dato vorherrschen den Größe brachen: zum Leidwesen all derer, die nun zum Umdenken gezwun gen waren bzw. wurden. Er war aber nicht nur (fast) unverwüstlich, sondern auch in

puncto Gestalt und Technik eine Art Reak tion auf seine Vorgänger, dem damaligen Trend zur Nüchternheit angesichts der Ölkrise, einem verstärktem Sicherheits streben sowie der inzwischen wesentlich kritischeren Haltung dem Auto als solchem gegenüber geschuldet.

Das seit kurzem zum Preis von 34,90 € angebotene Buch lässt sich (daher) als längst überfällige Würdigung einer »Legende« interpretieren, zumal es sich um eine hochinformative und zugleich reichhaltig illustrierte Dokumentation handelt, die dem geneigten Leser sämtliche Details zu Motorisierung, Ausstat tung, Modellpflege und -varianten dieser Baureihe offenbart. Die 256 Seiten mit 250 Abbildungen wollen und soll(t)en deshalb höchst aufmerksam studiert werden.

www.motorbuch-versand.de www.paul-pietsch-verlage.de

Steiningers aufschlussreicher, in Summe 256 Seiten umfassender und zum Preis von 29,80 € angebotener Abhandlung mannigfaltige Erkenntnisse bescheren (können).

www.kulturverlag-kadmos.de

148 BRÜCKENBAU | 1/2 2022 NACHRICHTEN
UND TERMINE
Lektüre zum Nachdenken © Kulturverlag Kadmos Dokumentation als Würdigung © Motorbuch Verlag

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149 1/2 2022 | BRÜCKENBAU BRANCHENREGISTER

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IHR EINTRAG INS BRANCHENREGISTER

BRANCHENREGISTER

... der informative Serviceteil im BRÜCKENBAU

Auf diesen Seiten könnte auch Ihr Eintrag im Branchenregister stehen. Ein Bestellformular mit weiteren Informationen finden Sie unter www.zeitschrift-brueckenbau.de.

Für Fragen und weitere Informatio nen steht Ihnen gerne Frau Leitner zur Verfügung.

Mail: office@verlagsgruppewieder spahn.de oder Tel.: 06 11/84 65 15

150 BRÜCKENBAU | 1/2 2022 BRANCHENREGISTER

BRÜCKENBAU

ISSN 1867-643X

14. Jahrgang Ausgabe 1/2 2022 www.zeitschrift-brueckenbau.de

Herausgeber und Chefredakteur Dipl.-Ing. Michael Wiederspahn mwiederspahn@verlagsgruppewiederspahn.de

Verlag

VERLAGSGRUPPE WIEDERSPAHN

mitMixedMediaKonzepts

Biebricher Allee 11 b D-65187 Wiesbaden

Tel.: +49 (0)6 11/84 65 15 Fax: +49 (0)6 11/80 12 52 www.verlagsgruppewiederspahn.de

Anzeigen Ulla Leitner Zur Zeit gilt die Anzeigenpreisliste vom Januar 2022.

Satz und Layout Christina Neuner

Bilder Titel und Inhaltsverzeichnis La Herradura (»Das Hufeisen«), Kolumbien © Maurer SE

Druck Schmidt printmedien GmbH Haagweg 44, 65462 Ginsheim-Gustavsburg

Erscheinungsweise und Bezugspreise Einzelheft: 14 Euro Doppelheft: 28 Euro Sonderpreis Tagungsband: 58 Euro Abonnement: Inland (4 Ausgaben) 56 Euro Ausland (4 Ausgaben) 58 Euro

Der Bezugszeitraum eines Abonnement beträgt mindestens ein Jahr. Das Abonnement verlängert sich um ein weiteres Jahr, wenn nicht sechs Wochen vor Ablauf des berechneten Bezugszeitraums schriftlich gekündigt wird.

Copyright

Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlags in irgendeiner Form reproduziert oder in eine von Maschinen verwendbare Sprache übertragen werden.

Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung des Verlags strafbar.

Beilagen

Die Gesamtauflage von Ausgabe 1/2 ∙ 2022 enthält eine Beilage der Schaffitzel Holzindustrie GmbH + Co. KG, Schwäbisch Hall.

IMPRESSUM

Der Katamaran –die Revolution im Brückenbau

Nachhaltige Dehnfugen für Brücken der Zukunft.

hohe Wirtschaftlichkeit aufgrund niedrigster

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