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Passion
# 08 2021
Das Magazin von BerlinDruck
Für uns schwer vorstellbar, so ein Bruttonationalglück Dirk Steffens über Artensterben
Zusammen!
Was wäre, wenn wir lernen, die Zukunft selber zu gestalten? Zukunftsforscherin Friederike Riemer weiß, wie man Zukunft macht Der Begriff der Konsensgesellschaft ist einer, vor dem ich eher wegrenne Ijoma Mangolds Innerer Stammtisch
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Einstieg
Kalkulation und Auftragsmanagement
Stephan John seit 2018 bei BerlinDruck Sein Motto: „Geht nicht, gibt’s nicht”
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Einstieg
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„Tanzen ist der vertikale Ausdruck einer horizontalen Begierde, legalisiert durch Musik.” George Bernard Shaw, 1856–1950 I rischer D ramatiker , P olitiker , S atiriker , M usikkritiker
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Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser, Amanda Gorman wurde für ihren Auftritt bei der Amtseinführung von Joe Biden weltweit gefeiert. Ihr Buch The hill we climb ist nun auf deutsch erschienen mit dem Titel Den Hügel hinauf. Das WIR im Titel schien nebensächlich, beobachtete unlängst der Kabarettist Christoph Sieber. Es drohe uns etwas verloren zu gehen, das wirklich elementar sei: das WIR. Der Mensch sei in erster Linie Konsument und User, Geiz sei geil und wer zuerst komme, mahle halt auch zuerst. Wir bei BerlinDruck haben längst erkannt, dass wir nur ZUSAMMEN die Kraft besitzen, uns den Widrigkeiten der unsäglichen Coronapandemie zu stellen. Wir nehmen alle mit, bei jeder Kraftanstrengung und vielen Entscheidungen, die wir in diesen Tagen zu fällen haben – ob es Investitionen sind oder das Anpassen der Organisation. Ein Unternehmen leistet nur so gut, wie sein Schwächster zu leisten im Stande ist. Nur ZUSAMMEN aber gehen wir einen erfolgreicheren Weg. Auch Sie, unsere Kunden und Partner, können sich immer darauf verlassen, dass wir ZUSAMMEN mit Ihnen die aussichtsreichste, die effizienteste und die erfolgversprechendste Route planen und einschlagen werden. Das macht uns ZUSAMMEN stark – gestalten wir das WIR! Nun aber erst einmal eine entspannte Lektüre für Sie. Bleiben Sie weiterhin gesund! Ihr Frank Rüter Geschäftsführer BerlinDruck GmbH + Co KG
IMPRESSUM Passion – Das Kundenmagazin von BerlinDruck erscheint dreimal jährlich im Eigenverlag | Herausgeber BerlinDruck GmbH + Co KG | Oskar-Schulze-Straße 12 | 28832 Achim | Telefon: +49 (0) 421 43871- 0 | Telefax: +49 (0) 421 43871-33 | E-Mail: info@berlindruck.de | www.berlindruck.de | Auflage 2.300 | Redaktion Presseinfos, Anregungen, Reaktionen bitte an: Passion c / o quintessense | Fritschestraße 27/28 | 10585 Berlin | Telefon: +49 (0) 30 80954609 | E-Mail: agentur@quintessense.de | Verantwortlich für den Inhalt V. i. S. d. P.: Frank Rüter | CD und Chefredakteur Eckard Christiani | Redaktionsbeirat Reinhard Berlin | Björn Gerlach | Autoren und Interviewpartner dieser Ausgabe Hans Block | Mirco Bonné | Bertold Brecht | Fritz Habekuss | Katja Hübner | Thomas Koch | Ijoma Mangold | Norbert Möller | Friederike Riemer | Moritz Riesewieck | Dirk Steffens | Fotografie Adobe Stock (38) | Reinhard Berlin (36-38, 40-42) | Katja Hübner (22-26) | Michael Jungblut, fotoetage (Titel, 2 – 9 , 16, 17, 28 – 31, 39) | Daniel Müller (43) | Müller Martini (39) | Museum für Naturkunde Berlin (12) | Patagonia (8) | Oliver Roetz (10) | Markus Tedeskino (14) | Illustration Anne Gerdes (15) | Müller Martini (38) | Julia Ochsenhirt (32-35) | Peter Schmidt Group (9) | Wieduwilt & Riemer GbR (17-19) | Schrift Carnas von Hoftype, Dieter Hofrichter | ITC Charter, Matthew Carter | Papier FocusArt Natural von Papyrus | Layout und Editorial Design quintessense | Fritschestraße 27/28 | 10585 Berlin | Telefon: +49 (0) 30 80954609 | E-Mail: agentur@quintessense.de
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Inhalt
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Inhalt Tanzen ist der vertikale Ausdruck einer horizontalen Begierde, legalisiert durch Musik. Impressum Inhalt
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Menschen bei BerlinDruck „Du musst tanzen, als gäbe es niemanden, der zuschaut“ Stephan John tanzt.
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Alles Möller oder was? – Designkolumne Wenn das Gemeinsame viel geiler ist als Geiz.
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Terra X-Moderator Dirk Steffens: Für uns schwer vorstellbar, so ein Bruttonationalglück
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Die Belastungsgrenzen der Erde In welchen Bereichen destabilisieren wir den Planeten?
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Was wäre, wenn wir lernen, die Zukunft selber zu gestalten? Die Zukunftsforscherin Friederike Riemer im Gespräch
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Das Zusammenspiel von Kunden, Medien und Agenturen Tipps von Mr. Media Thomas Koch
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Stay creative. Stay safe. Be empathetic. Gespräch mit Katja Hübner
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Der Begriff Konsensgesellschaft ist einer, vor dem ich eher wegrenne Ijoma Mangold
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Zusammenbleiben? Oder für immer erinnern? Die Kultregisseure Hans Block und Moritz Riesewieck über die digitale Seele und Unsterblichkeit
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Die Lösung Ein Gedicht von Bertold Brecht
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Der Mauerbau und die Rundfunkmedien der DDR Mit Fotografien von Reinhard Berlin
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Unser neuer Sammelhefter Primera MC Investition in die Zukunft
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Wir bei BerlinDruck Zusammen erfolgreich sein
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Das ist die Berliner Luft, Luft, Luft! Unsere neue Kompressionsanlage
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Einsam oder gemeinsam Ein Essay von Mirco Bonné
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Tänzer Stephan John
„DU MUSST TANZEN, ALS GÄBE ES NIEMANDEN, DER ZUSCHAUT.“ Fotografie: Michael Jungblut, fotoetage
Ende letzten Jahrhunderts begann Stephan John mit seiner damaligen Partnerin zu tanzen. Tanzen aktiviert Körper und Geist. Anders als monotones Krafttraining schult es die Motorik, die Koordination und den Gleichgewichtssinn. Das Besondere an diesem Sport: Er ist die soziale Aktivität schlechthin und führt unterschiedlichste Menschen zusammen. Denn bei fast allen Sportarten sind aus praktischen Gründen Geschlechter und Altersgruppen getrennt. Nicht so beim Tanzen.
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Die Wirkung der Schritte und Posen machen einen großen Teil der choreografischen Leistung aus. Das macht das Formationstanzen so anspruchsvoll. Wer beim Stichwort Tanz nur an vorgegebene Bewegungsabläufe denkt, der verkennt die Vielfalt. Tanz erfüllt viele andere Funktionen: Sport, Unterhaltung, Kunstform und zunehmend auch Selbsterfahrung und Gefühlsausdruck durch improvisierte Bewegung.
Stephan John 42 Jahre Der gebürtige Bremer Stephan John lebt heute mit seiner Familie in Oyten. Seit Januar 2018 ist er bei BerlinDruck in der Kalkulation und dem Auftragsmanagement beschäftigt.
Ausgelöst durch seine ersten Tanzerfahrungen im Breitensport entschied sich Stephan John fürs Formationstanzen. Im Gegensatz zum Paartanz oder Solotanz ist Formationstanz das gemeinsame koordinierte Tanzen von mehr als zwei Personen. Ab dem Jahr 2000 nahm Stephan John mehr und mehr an Turnieren teil. „Der Formationskader bestand damals aus acht Paaren, also 16 Tänzer*innen“, erinnert sich Stephan John. „Ich habe sehr schnell am Turniertanz teilgenommen. Samba, Cha-Cha-Cha, Rumba, Paso Doble und Jive. Das waren die lateinamerikanischen Tänze, mit denen wir aufgetreten sind.“ Diese Tänze bilden, zusammen mit den Standardtänzen, einen Großteil des Welttanzprogramms. Charakteristisch für die lateinamerikanischen Tänze ist die Kommunikation zwischen den Partnern. Sie thematisieren die Paarbeziehung auf unterschiedliche Art und Weise. Stephan John tanzte sich bis in die 1. Bundesliga. Seine Vereine waren
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der Grün-Gold-Club Bremen und der TSZ Blau-Gelb Bremen. „Es hat unglaublich Spaß gemacht, mit Profis wie Horst Beer, Roberto Albanese oder Oliver Thienken zusammenzuarbeiten“, erzählt Stephan John. „Was man beim FormaWenn die Abläufe tionstanz lernt, jedes Einzelnen ist, dass man als perfekt sind, leistet Team nur so gut sein kann wie das das Unternehmen schwächste Glied. Besonderes. Das ist im Berufsleben genauso. Wenn die Abläufe jedes Einzelnen, jedes kleinen Teams perfekt sind, leistet man auch als Unternehmen Besonderes.“ Bei BerlinDruck wird der Teamzusammenhalt auch groß geschrieben. „Wir sind alle auf einer Augenhöhe. Das merkt man gerade auch jetzt in der Coronakrise. Jeder bringt das ein, was er zu leisten im Stande ist“, weiß Stephan John.
Vor den Wahlen in den USA zeigte Patagonia eine klare politische Haltung, dass Kandidaten, die die Klimakrise leugnen, kein Kreuz auf dem Wahlzettel verdienen. Bildquelle: Patagonia
Mit dem Tanzen ist es – auch aus beruflichen Gründen – weniger geworden. „Ich tanze aber seit zwei Jahren hobbymäßig Salsa in der Salsarena in Bremen. Wenn man einmal tanzt, hört man nie ganz damit auf.“ D
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Designkolumne
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ALLES MÖLLER ODER WAS?
DIE DESIGNKOLUMNE VON NORBERT MÖLLER
Wenn das Gemeinsame viel geiler ist als Geiz.
Seit 1927 kürt die Zeitschrift „Time“ jedes Jahr im Dezember eine „Person des Jahres“ – gewissermaßen als Ehrung dafür, wer im abgelaufenen Jahr die Welt bewegt hat. Rückwirkend liest sich die Liste der Auserwählten bisweilen skurril und doch spiegelt sie stets die zeitgeschichtliche Wahrnehmung wider.
TIME Cover Person of the Year 2019
2019 landete eine 16-jährige Schülerin auf dem Cover: Greta Thunberg. Mit den von ihr initiierten Klimastreiks hatte sie die „Fridays for Future“-Bewegung ins Leben gerufen und weltweit eine ganze Generation dazu bewegt, für einen nachhaltigen Lebensstil zu demonstrieren. Ich selbst erinnere mich an eine Kundgebung in Hamburg mit rund 60.000 Menschen. Sicherlich nicht nur Schülerinnen und Schüler, aber trotzdem durfte man sich die Augen reiben: Galten gerade diese nicht fünfzehn Jahre früher noch als völlig desinteressiert am politischen Geschehen und sozialen Entwicklungen? Eine Spaßgeneration, die lieber für neun Euro nach London fliegt, statt sich über Klimaziele Gedanken zu machen? Tatsächlich sind gesellschaftliche Werte nicht zementiert, sondern verändern sich von Generation zu Generation. Aktuell scheint die Zeit der hemmungslosen Konsumgesellschaft vorüber zu sein. An ihre Stelle tritt das Bewusste, Nachdenkliche. Das einende Verständnis, dass sich große Ziele eben nicht durch die Summe individueller Selbstverwirklichung erreichen lassen, sondern nur gemeinsam. Zusammen. Womit wir beim Thema wären.
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Die anhaltende Corona-Pandemie fügt sich in dieses Bild: Auch sie lässt sich nicht durch Hedonismus bekämpfen, sondern erfordert gegenseitige Achtsamkeit und Verantwortung. Sie bestärkt also moralisches Handeln.
werden auch Ladenflächen gekündigt und Online-Shops boykottiert. Ausgang? Ungewiss. Und mit der umstrittenen Fußball-Weltmeisterschaft in Katar steht die nächste Gewissensentscheidung für Marken vor der Tür.
Was aber bedeutet diese Neuausrichtung des Wertekompasses für Marken? Viel, denn immerhin sind sie wesentliche Akteure der Konsumgesellschaft – und bekommen es zu spüren, wenn diese kritisch hinterfragt wird. Wir als Agentur haben diese Zusammenhänge im Rahmen einer Studie untersucht. Diese zeigt, dass ethisches Handeln in einer Welt sich angleichender Produkte längt ein entscheidendes Kriterium für Kaufentscheidungen ist: Konsumenten hinterfragen Produktionsbedingungen oder die Verwendung von Palmöl. Und sie erwarten, dass Marken gesellschaftliche Verantwortung übernehmen: Wenn das Modelabel Patagonia vor Wahlen „Vote the assholes out“ in seine Produkte näht, erntet es von seiner Zielgruppe Applaus. Für Unternehmen, die sich stärker am globalen Mainstream ausrichten, lauern jedoch auch Konflikte: Ein aktuelles Beispiel ist die Entscheidung von Modemarken wie H&M, Adidas oder Nike, nach Berichten über die Unterdrückung von Uiguren keine Baumwolle mehr aus der chinesischen Region Xinjiang zu beziehen. Während die Kundschaft in vielen westlichen Ländern genau diese Konsequenz erwartet, hagelt es aus China nicht nur Kritik, sondern es
Man muss jedoch kein Weltkonzern sein, um sich mit gesamtgesellschaftlicher Verantwortung auseinandersetzen zu müssen: Diversität und Genderfragen sind in den vergangenen Jahren essenzielle Teile der Markenarbeit geworden, mit denen sich jedes Unternehmen auseinandersetzen muss. Als Gestalter achten wir auf den Einsatz diskriminierungsfreier Bildwelten und Piktogramme – siehe die Icons der Deutschen Bahn. Gerade letztere sind eine spannende Herausforderung, denn einerseits leben Piktogramme davon, durch den Einsatz gelernter Codes schnell verständlich zu sein – anderseits bergen sie die Gefahr, dass man sich damit in Stereotypen flüchtet. Auch in der Sprache erleben wir ein neues Level der Sensibilität: wir gewöhnen uns an kleine Sprachpausen beim Gendersternchen und daran, bei der Wortwahl möglichst auf das generische Maskulinum zu verzichten. Warum? Um möglichst alle einzubeziehen. Denn wir wissen ja: Die großen Veränderungen in der Gesellschaft, sie gelingen eben nur zusammen. D
Die Deutsche Bahn entwickelt ein umfassendes Set an Icons, die unterschiedlichsten Lebensentwürfen Raum geben und zugleich einfach erkennbar sind. Bildquelle: Deutsche Bahn
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Das Kulturelle Gedächtnis Biodiversitätskrise
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Foto
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Biodiversitätskrise
Fotografie: Oliver Roetz
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Für uns schwer vorstellbar, so ein Bruttonationalglück Dirk Steffens, geboren 1967, ist Wissenschaftsjournalist und Moderator der Dokumentationsreihe „Terra X“. Der wohl bekannteste Artenschützer Deutschlands ist UN-Botschafter für die Dekade biologische Vielfalt. Er vertritt außerdem als nationaler Botschafter den WWF und das Jane-Goodall-Institut. Er ist überdies Mitbegründer der Biodiversity Foundation, die eine Petition zur Aufnahme des Artenschutzes ins Grundgesetz auf den Weg gebracht hat. Für seine Verdienste erhielt er die Ehrendoktorwürde der Universität Bayreuth.
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Herr Steffens, das größte Artensterben seit dem Verschwinden der Dinosaurier sei die alles überragende Herausforderung unserer Zeit, schreiben Sie, im Vorwort Ihres Buches Über Leben. Stellt sie die Unberechenbarkeiten des Klimawandels in den Schatten? Ganz eindeutig ja, wobei es natürlich sinnlos wäre, eine Hitliste der Öko-Katastrophen zu erstellen. Die Naturkreisläufe – und das Klima ist ja einer davon – sind alle miteinander verzahnt und funktionieren zusammen als das eine und einzige Lebenserhaltungssystem des Raumschiffs Erde. Wird der eine Kreislauf gestört beeinflusst das auch die anderen, so hat ja beispielsweise die Zerstörung von Wäldern einen direkten Einfluss auf das Klima, während gleichzeitig die Klimakrise das Artensterben beschleunigt. Allerdings ist der Klimawandel eben überhaupt nicht unberechenbar, sondern im Gegenteil exakt vorherzusagen. Biologische Systeme sind leider sehr viel prognoseresistenter. Keiner kann genau sagen, was wann passieren wird, wenn wir weiter 150 Arten pro Tag auslöschen. Sicher ist nur: Irgendwann wird ein Kipppunkt erreicht und dann bricht das irdische Lebenserhaltungssystem zusammen.
Insofern ist die Klimakrise schon ein nachgeordnetes Problem, weil sie zwar in Frage stellt, wie wir leben, aber nicht, ob wir leben. Das ist beim Artensterben anders. Ohne eine ausreichend große Biodiversität könnte kein einziger Mensch auf diesem Planeten atmen, trinken, essen. Ohne Gletscher wäre aber immer noch eine, wenn auch stark eingeschränkte, menschliche Zivilisation möglich. Wir entfremden uns immer mehr von der Natur und nehmen ihren beinahe katastrophalen Wandel nicht mehr hautnah mit. Haben wir verlernt, Natur zu lesen? Die shifting baselines, also die veränderten Erfahrungshorizonte, auf die wir unsere Urteile gründen, erschweren uns, den Wandel zu erkennen. Keiner von uns ist in einer Natur aufgewachsen, die noch intakt ist. Wir kennen die Lachswanderungen im Rhein oder das Balzen der Auerhähne nur noch aus historischen Quellen oder seltenen Filmaufnahmen. Wir alle sind schon in eine biologisch degenerierte Welt hineingeboren worden und haben gar keine Vorstellung davon, wie sie eigentlich aussehen würde, wenn wir nicht schon drei Viertel der Planetenoberfläche mehr oder weniger stark verändert hätten. Mit Städten, Straßen oder Bauernhöfen. Die Technosphäre, die menschengemachten Dinge vom Bleistift bis zum Atomkraftwerk, wiegen schätzungsweise 30 Billionen Tonnen und damit viel
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mehr als die Biosphäre, als die Summe der Lebewesen. Weil niemand mehr den natürlichen Zustand der Umwelt kennt, können wir auch kein Gefühl dafür entwickeln, wie weit wir auf dem Weg von intakt zu zerstört bereits gegangen sind. Wir sehen höchstens eine Veränderung von schlecht zu schlechter, aber das ist ja nur ein kleiner Ausschnitt der Geschichte. Und weil das so ist, können wir die Natur auch nicht mehr intuitiv verstehen, so wie unsere Vorfahren es konnten und einige indigene Völker es sicher immer noch können.
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Wir Menschen haben in unserer Zivilisationsgeschichte einige tausend Pflanzen kultiviert und diese durch scheinbar effiziente Monokultur-Landwirtschaft noch weiter ausgedünnt. Viele Wildarten wie beispielsweise die schwäbische Alblinse sind inzwischen ausgestorben. Wir berauben uns blindlings unserem kulinarischen Erbe. Was lassen wir da zu? Wir verarmen unsere Sinneserfahrungen. Tatsächlich hängt die Welternährung heute von einer Handvoll Nutzpflanzen ab, weniger als zehn, würde ich schätzen. Reis, Kartoffeln, Weizen und ein paar weiteren. Und auch von jeder Pflanzenart werden immer weniger Sorten angebaut. Das reduziert die genetische Vielfalt der Nutzpflanzen enorm und macht uns anfälliger für die Folgen von Pflanzenseuchen oder Klimaveränderungen.
Warum ist Artenvielfalt für uns so wichtig? Oder: Was macht uns erst zusammen stark? Resilient ist ein System, das für viele verschiedene Angriffe wirksame Verteidigungsstrategien parat hat. In der Landwirtschaft etwa einige Getreidesorten, die mit Trockenheit gut klarkommen, andere, die hitzebeständig oder feuchtigkeitsresistent sind. Wenn sich dann das Klima verändert, wenn es wärmer wird, erhöht die Landwirtschaft einfach den Anteil der Getreidesorten, denen das nichts ausViele Arten bieten viele macht. Gäbe es Möglichkeiten, um auf viele aber nur eine einzige Sorte Umweltveränderungen und würde die zu reagieren. mit dem Klimawandel eben nicht klarkommen, dann bräche sofort die komplette Getreideproduktion zusammen. In der Natur funktioniert es genauso: Viele Arten bieten viele Möglichkeiten, um auf viele Umweltveränderungen zu reagieren. So bleibt das System insgesamt lebensfähig. Je weniger Arten, desto anfälliger ist ein System. Übrigens zeigt sich das auch in der Das Magazin von BerlinDruck
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Biodiversitätskrise
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Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte, um auch nur einen Zentimeter neu zu schaffen. Wenn wir den Boden also überlasten, laugt er aus. Erst wenn wir solche Zusammenhänge wirklich verstanden haben, wird klar, das nachhaltige, biologisch verantwortungsvolle Landwirtschaft keine Frage der politischen Einstellung ist, sondern eine schlichte Notwendigkeit. Viele haben das offenbar noch nicht begriffen – und diese Ignoranz ist gefährlich, denn uns läuft die Zeit davon. Sie definieren drei Säulen der Vielfalt. Welche sind das? Die Vielfalt der Arten, die Vielfalt der Gene und die Vielfalt der Lebensräume. Die drei zusammen bezeichnet man dann als Biodiversität. Die, und nur die, versorgt uns dann mit Atemluft, Trinkwasser und Nahrung, reguliert unser Klima, reinigt Wasser und hält, kurz gesagt, den ganzen Laden am Laufen.
Corona-Epidemie: Wenn es weniger Arten gibt, die Wildnis auf engem Raum zusammengedrängt wird und Menschen in jede Region vordringen, steigt die Wahrscheinlichkeit, das solche Zoonosen entstehen. Ein wahrscheinlicher Ort für die Übertragung einer Infektionskrankheit auf den Menschen ist eben das Ende einer Regenwaldpiste, wo Wilderer und Holzfäller in Kontakt mit Tieren und deren Erregern kommen, die vorher gar keine Gelegenheit hatten, die Artengrenze zu überspringen. Die Politik hat inzwischen erkannt – wenn auch nicht umgesetzt –, dass wir ein Leitbild für Agrarökologie brauchen, um die Kreislaufsysteme wieder aufzubauen. Die Ackererde ist in einem bedauerlichen Zustand. Was ist hier schiefgelaufen und durcheinandergeraten? In einer einzigen Handvoll Muttererde finden Sie mehr Lebewe-
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Biodiversitätswand im Museum für Naturkunde in Berlin. Die mehr als 30 Millionen Objekte umfassende Sammlung des Museums ist eine Forschungsinfrastruktur von weltweiter Bedeutung. Sie steht nicht nur eigenen Forschungsaktivitäten zur Verfügung, sondern auch externen Wissenschaftlern, Künstlern, Lehrenden und vielen anderen Nutzergruppen.
sen als Menschen auf der gesamten Erde. Das ist nicht nur eine erstaunliche Anekdote der Biologie, sondern eine überlebenswichtige Lektion: Ohne diese Vielfalt in der Erde wäre Leben, so wie wir es kennen, nämlich gar nicht möglich. Brächte ein Raumschiff Marsstaub auf die Erde und Sie würden einen Samen hineinstecken, passierte gar nichts. Auch nicht, wenn Sie tüchtig wässern. Denn Marsstaub ist tote Materie, die Erde auf der Erde aber lebendig, sie verwandelt in einem komplizierten biochemischen Prozess Staub und Stein in Leben, in organische Stoffe, die einen Samen keimen lassen. Wenn Sie nun aber durch den Einsatz von Chemie die Vielfalt im Boden reduzieren, verringern Sie zugleich seine Fruchtbarkeit. Wenn Sie zu viele Wälder und Wiesen in Äcker umwandeln, tragen Wind und Wasser den kostbaren Mutterboden fort, wir verlieren tatsächlich jedes Jahr Milliarden Tonnen von diesem wertvollen Stoff. Dabei ist die Erde auf der Erde im Durchschnitt nur 30 Zentimeter dick und es dauert, je nach Standort, Jahre,
Um einen Veränderungsprozess anzufeuern, muss man genau hinschauen und problematisieren. Welche konkreten Auslöser sehen Sie für die Diversitätskrise? Natürlich müssen die komplexen ökologischen Zusammenhänge, auf der die Biodiversität beruht, erstmal verstanden werden. Es ist also sinnlos, den Osterinsulanern vorzuwerfen, sie hätten ihre Insel und ihre Kultur zerstört, weil sie zu viele Bäume abgeholzt haben. Woher hätten sie denn wissen sollen, wozu das führt? Aber wir haben diese Entschuldigung nicht, die Wissenschaft hat schon lange geliefert. Wir haben also kein Erkenntnis-, sondern nur ein Handlungsproblem. Und das hat viel mit Gier und einem WachstumsFetisch zu tun. Endloses Wachstum auf einem endlichen Planeten ist unlogisch. Nicht nur die Landwirtschaft, jeder Bereich unseres Lebens muss langfristig nachhaltig organisiert werden. Wir sind zu viele Menschen, die zu viel verbrauchen. Das ist das Grundproblem.
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Die Grafiken Passion | #08 | 21
Biodiversitätskrise Produktionswissen
Hat etwa die Corona-Pandemie auch etwas mit Artensterben und Klimawandel zu tun? Klar, ich habe es vorhin ja schon angedeutet. Naturzerstörung erhöht grundsätzlich die Wahrscheinlichkeit für den Ausbruch einer Pandemie. Weil Krankheitserreger eben auch Teil des Ökosystems Erde sind, reagieren auch sie auf Umweltveränderungen. Corona ist möglicherweise entstanden, weil auf einem Wet Market in China Tiere zusammengepfercht wurden, die da nicht hingehören und Arten in Kontakt miteinander kamen, die sich sonst nie begegnen. Und dann haben Überbevölkerung und Globalisierung die Ausbreitung der Krankheit auf schreckliche Weise begünstigt. Die übermäßige Jagd auf Wildtiere erhöht die Pandemiegefahr ebenso wie die Massentierhaltung. Überall dort, wo Erreger leicht von einem Körper auf den nächsten überspringen können, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie früher oder später auch die Artengrenze überwinden. Millionen Menschen haben das bei Aids, Ebola oder eben Corona mit ihrem Leben bezahlt. Was können und sollten wir gemeinsam tun, was wären die wichtigsten ersten Schritte in die richtige Richtung einer grünen Gesellschaft, um das Artensterben zu bremsen? Jeder und jede kann tun, was persönlich möglich ist. Ob das jetzt Fleischverzicht, Fahrradfahren oder Flugreisen-Diät bedeutet, kann ja jeder Mensch für sich entscheiden. Aber es kann eben jeder Mensch etwas tun. Natürlich hat ein Arbeitsloser weniger Veränderungsmacht als die Bundeskanzlerin, aber ganz machtlos ist eben niemand. Und dann brauchen wir neue Wachstumskriterien: Wachstum nur über das Bruttoinlandsprodukt, also über das Wachstum der Geldmenge, zu messen, ist ungefähr so intelligent,
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als würde man Gesundheit eines Menschen nur anhand seines Körpergewichts ermitteln wollen. Da ist immer mehr auch nicht immer besser. Es braucht viel mehr Kriterien, um den Zustand eines Organismus oder auch einer Gesellschaft überzeugend abzubilden. Gesundheit, Wohlbefinden, Effizienz, Ressourcenverbrauch und viele andere Kriterien kommen dafür in Frage. Der Staat Bhutan versucht, in einem Bruttonationalglück den Lebensstandard seiner Bürger und Bürgerinnen abzubilden. Da spielt die Frage, wie es ihnen geht, dann vielleicht eine größere Rolle, als die, wie viel sie verdienen. Für uns schwer vorstellbar, so ein Bruttonationalglück, aber die Idee geht in die richtige Richtung, finde ich. Wir müssen umdenken. Die Nachhaltigkeit immer zuerst denken, weil alles anders nachgeordnet ist, im Großen wie im Kleinen. Wie sehen Sie unsere Chancen auf Umkehr? Und mit welchen Ideen und Konzepten retten wir unser Zusammen? Dass wir es irgendwann schaffen, steht für mich außer Zweifel, weil wir ja gar keine andere Wahl haben. Die Frage ist nur, wann und wie schmerzhaft die ökologische Transformation sein wird. Jetzt reichen noch ein paar Pillen, in wenigen Jahrzehnten nur noch Totaloperationen. Das würde Flüchtlingswellen, Hungersnöte und Verteilungskriege bedeuten. Das kann niemand wollen. Aber zum Glück wissen wir ja, wie wir die Ökokalypse verhindern können. Wir müssen es nur noch machen. Herr Steffens, vielen Dank für das Gespräch! D
„Terra X“Moderator Dirk Steffens und ZEIT-Redakteur Fritz Habekuß beschäftigen sich mit der Zukunftsfrage Artensterben: Wie wir die Ökokrise überwinden
Zusammen sind wir stark Das Konzert des Lebens
Man kann sich ein Ökosystem wie eine Opernaufführung vorstellen: ein Ensemble von Sängerinnen und Sängern auf einer eigens für solche Aufführungen gebauten Bühne, dazu ein Chor, im Graben mehr als achtzig Musikerinnen und Musiker, davor eine Dirigentin, dahinter ein aufwendiges Bühnenbild, es gibt maßgeschneiderte Kostüme und bergeweise Requisiten zu bestaunen – und das ist nur das, was die Zuschauer sehen. Im Hintergrund arbeiten Hunderte Malerinnen, Maskenbildner, Nicht abgebildet, weil Grenze noch nicht berechnet: Umweltbelastung durch Chemikalien und Radioa von Aerosolen in der Atmosphäre Schuhmacherinnen, Konzentration Fundusverwalter, Hutmacher, Kostümschneider, Pförtner, Souffleusen. Das Herzstück ist die Musik, geschrieben als komplexe Partitur über viele Seiten. Erst wenn alle zusammenarbeiten 1 und sich alles zusammenfügt, entsteht eine Oper. Was aber passiert, wenn statt 32 Geigen im Orchestergraben nur 31 spielen? Wenn die Pauke ihren Einsatz verbummelt? Wenn nicht nur eine Geige ausfällt, sondern alle Streicher gleichzeitig? Wenn niemand dirigiert? Die Solisten nicht singen? Das Licht erlischt, die Kulissen zusammenfallen, das Orchester nur noch aus zwei Klarinetten besteht? Ab wann wird aus einer Oper Chaos? Schwer zu sagen. Dabei ist eine Opernaufführung im Vergleich zu einem Korallenriff, einem Hochmoor oder einem Mangrovenwald ungefähr so komplex wie ein 100-Teile-Puzzle im Vergleich zum Teilchenbeschleuniger des CERN, wo mehr als 12 000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Hand in Hand arbeiten müssen, um die Megamaschine mit ihren Millionen Bauteilen am Laufen zu halten. Wir wissen nicht, wie viele Bauteile wir aus der Maschine des irdischen Lebens entfernen können, bevor sie aufhört zu funktionieren. Wir wissen nicht, wo genau die Kipppunkte liegen, wie viele Arten noch aussterben können, bevor es auch für uns Menschen lebensgefährlich wird. D
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n Biodiversitätskrise
Das Leben stirbt Das Leben stirbt Das Leben stirbt Wie viele Arten bedroht sind – Wie viele Arten bedroht sind – eine Wie viele Arten bedroht sind – Auswahl eine Auswahl eine Auswahl 30 % Haie und Rochen
33 % Korallen
Im Laufe der Evolution sterben die meisten Arten wieder aus. Die Aussterberate hat sich durch menschliches Handeln allerdings dramatisch erhöht: Spezies verschwinden heute hundert- bis tausendmal schneller als in prähistorischen Zeiten. Diese Grafik zeigt, wie viel Prozent der jeweiligen Tier- und Pflanzengruppen aktuell bedroht sind. Die Zahl der abgebildeten Symbole entspricht jeweils der Artenvielfalt: von 607 Nadelbaumarten bis 10 966 Arten von Vögeln.
34 % Nadelbäume
19 % Reptilien
14 % Vögel
25 % Säugetiere
Quelle: IPBES: The global assessment report on biodiversity and ecosystem services. Summary for policy makers, 2019. Bearbeitung: Anne Gerdes
41 % Amphibien
Im Laufe der Evolution sterben die meisten Arten wieder aus. Die Aussterbe-Rate hat sich durch menschliches Handeln allerdings dramatisch erhöht: Spezies verschwinden heute 100 bis 1.000 mal schneller als in prähistorischen Zeiten. Diese Grafik zeigt, wie viel Prozent der jeweiligen Tier- und Pflanzengruppe aktuell bedroht sind. Die Zahl der abgebildeten Symbole entspricht jeweils der Artenvielfalt: In welchen wir das destabilisieren VonBereichen 607 Arten Nadelbäume bis Erdsystem 10.966 Arten Vögel.
Die Belastungsgrenzen des Planeten DieBelastungsgrenzen Belastungsgrenzen des Planeten Die des Planeten In welchen Bereichen wir das Erdsystem In welchen Bereichen wir das Erdsystem destabilisieren destabilisieren
durch Chemikalien und Radioaktivität, osphäre
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sichere Zone innerhalb der Belastungsgrenzen: kein Risiko der Destabilisierung unsichere Zone: leichtes Risiko der Destabilisierung Gefahrenzone: sehr hohes Risiko der Destabilisierung
Sind die planetaren Belastungsgrenzen überschritten, gerät das Erdsystem aus seinem Gleichgewichtszustand, der der Leben etwa für
Quelle: Steffen, Will et al.: Planetary boundaries: Guiding human development on a Menschen so komfortabel macht. Neun Grenzen sind identifiziert, sieben changing planet, in: Science, 13. Februar 2015, 347, 6223, S. 736; davon berechnet. https://science.sciencemag.org / content/347/6223/1259855. Bearbeitung: Anne Gerdes
Schon wenn nur eine Grenze in den Hochrisikobereich gerät, kann das
Erdsystem beginnen, kippen. Biodiversität und Klima sindÜber unter den Texte und Schaubilder sind dem zu Buch von Dirk Steffens und Fritz Habekuß Leben. Grenzen besonders weil sie überwinden, die SummePenguin alleranderen Zukunftsfrage Artensterben: Wiewichtig, wir die Ökokrise Verlag,sind. Je weiter außerhalb der sichereren Zone, desto größer die Wahrscheinlichentnommen.
Sind die planetaren Belastungsgrenzen überschritten, gerät das Erdsystem aus seinem Gleichgewichtszustand, der Leben für Menschen so komfortabel macht. Neun Grenzen sind identifiziert, sieben davon berechnet. Schon wenn nur eine Grenze in den Hochrisikobereich gerät, kann das Erdsystem beginnen zu kippen. Biodiversität und Klima sind unter den Grenzen des Gesamtsystems besonders wichtig, weil sie die Summe aller anderen sind.
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Lauschen Sie dem Beat der Wissenschaft! Im Podcast Beats & Bones öffnet das Museum für Naturkunde Berlin die Türen seiner Sammlung und Forschungslabore, die sonst verschlossen sind. Expert*innen sprechen – von der Biene bis zum Dinosaurier – über alles aus dem Reich der Natur.
Wer weiß schon, dass unsere frühesten Vorfahren 480 Millionen Jahre alte kieferlose Fische waren? Was ist die Achillesferse von Tyrannosaurus Rex? Im Podcast Beats & Bones, der im Rahmen einer Kooperation mit der Berliner Sparkasse entsteht, erhalten die Hörer*innen einen exklusiven Blick hinter die Kulissen. Sammlungssäle mit mehr als 30 Millionen Objekten, hochmoderne Forschungslabore: Natur-Expert*innen aus dem Museum beantworten Fragen zur Vielfalt der Natur, der Evolution, der Entstehung der Erde, zum Klimawandel und Insektensterben. Beats & Bones ergänzt dabei die gleichnamige Veranstaltungsserie des Museums, mit der wir im Januar ins Abschiedswochenende von T. Rex Tristan Otto starteten. 25.000 Menschen kamen innerhalb von drei Tagen, die Schlangen länger als am Berghain. Gäste tanzten zu Deep House unter Saurierskeletten, Beats verschmolzen mit Bones. Auf Facebook schrieb eine Besucherin: „Ihr bringt Wissenschaft, Jugend, Kultur und Kunst zusammen. […] Ihr geht neue Wege und habt Social Media und Berlin verstanden. Wir haben heute so viel Diversity, Respekt Toleranz auf einem Im Laufe der Evolution sterben die und meisten Arten wieder aus. Haufen Die Aussterbe-Rate hat sich unter durch menschliches eurem DachHandeln erlebt, allerdings das war beidramatisch erhöht: heute 100 bis 1.000 mal schneller „ÜBER LEBEN“ istSpezies verschwinden spiellos. Es wurde getanzt, gelacht und prähistorischen Zeiten.vor Diese Grafik zeigt, wie vielHut Prozent 2020als iminPenguin allem gesprochen. ab &der bitte viel jeweiligen Tierund Pflanzengruppe aktuell bedroht sind. Verlag erschienen mehr davon.”
Authentische Stories sind die Leidenschaft von Beats & BonesModerator Lukas Klaschinski. „Für mich als Host ist es, wie Privatunterricht von 380 Expertinnen und Experten aus dem Museum zu bekommen. Ich kann meine Fragen loswerden und in mir wächst Wissen und ein größeres Bewusstsein für das, was uns alle umgibt: Die Natur in Bezug zu mir als Mensch.“
Zahl der Symbole entspricht jeweils der Artenvielfalt: undDie kostet 20,–abgebildeten Euro. Von 607 Arten Nadelbäume bis 10.966 Arten Vögel.
ISBN 978 – 3328601319
Nicht abgebildet, weil Grenze noch nicht Umweltbelastung durch Chemikalien und Radioaktivität, keit berechnet: eines Zusammenbruchs. Konzentration von Aerosolen in der Atmosphäre
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Beats & Bones finden Sie auf Spotify, Deezer, iTunes und überall, wo es Podcasts gibt!
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Zukunftsforschung
Was wäre, wenn wir lernen, die Zukunft selber zu gestalten?
Auf die Frage „Wie wird denn die Zukunft?”, antwortet Friederike Riemer aka Frida Futura gerne: „Wie möchtest du denn, dass sie wird?”
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Zukunftsforschung
Durch den Einsatz strategischer Zukunftssimulationen als online und offline Workshop werden Innovationen, Produkte und Strategien resilienter und zukunftsfähiger. The Future Game 2050 nutzt dazu Zielbilder und Zukunftspersonas – basierend auf Zukunftsforschung, Trends und Science-Fiction-Storytelling –, um Zukünfte zu simulieren, zu ergründen und aktiv zu gestalten. Doch wie funktioniert das genau? Wie sieht zum Beispiel Zusammenarbeit in Zukunft aus? Und wie kann sich BerlinDruck weiterentwickeln und zukunftstauglich machen? Wir trafen Friederike Riemer aka „Frida Futura“ vor dem Futurium, dem Haus der Zukünfte in Berlin, und wollten es genau wissen. Friederike, womit beschäftigst du dich konkret? Ich bin Zukunftsforscherin und beschäftige mich mit Visionen, zum Beispiel wie wir künftig zusammen arbeiten könnten. Wir haben eine extrem unsichere Zukunft, die wir nicht konkret voraussehen können. Da können wir uns mit Trendanalysen noch Dafür entstanden Personas: so anstrengen, die Unsicherheit Die Bienenzählerin, die wird bleiben. Um Mondpräsidentin oder die aber zusammen KI Aufseherin – Archetypen erfolgreich zu arbeiten, brauchen aus der Zukunft, die wir gemeinsam Geschichten einer ganz ein Ziel, auf das wir zusteuern anderen Welt erzählen. können. Diese beiden Pole – Unsicherheit und Ziel – muss man miteinander verheiraten. In genau diesem Spielfeld bewege ich mich: Trotz Unsicherheit als Team oder Unternehmen handlungsfähig zu bleiben. Das ist mein Thema. Dazu gibt es viele verschiedene, auch technisch unterschiedliche Ansätze, wie man einen solchen Prozess gestalten kann.
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Wie sieht das konkret aus? Wenn wir Menschen nach ihrer Zukunft befragen – Zukunft der Arbeit oder Zukunft in ihrer Organisation – stellen wir fest, dass selbst Topmanager, von denen wir dachten, dass sie sofort vor Ideen nur so sprudeln und leadership übernehmen, blanc sind. Das hat uns erschrocken. Warum ist es so schwierig, über Zukunft zu sprechen? Wie könnten wir die Menschen austricksen, ihnen Angst nehmen, stärker motivieren und auf eine Reise mitnehmen? Die Idee war, kleine kreative Geschichten zu erfinden, um die Menschen mit uns in die Zukunft mitnehmen zu können. Dafür entstanden Personas: Die Bienenzählerin, die Mondpräsidentin oder die KI Aufseherin – Archetypen aus der Zukunft, die Geschichten einer ganz anderen Welt erzählen. Von ganz neuen Tätigkeiten. Wir sagen zu unseren Teilnehmer*innen, dass sie jetzt nicht mehr sie selbst sind, sondern in diese oder jene Rolle schlüpfen und in dieser Rolle über ihre Zukunft nachdenken. So überwinden wir spielerisch die „Angst vor dem weißen Blatt Papier“, die wir wohl alle kennen. Das hilft uns, weil wir in einen anderen Charakter hineinschlüpfen, ganz neu und frei denken können. So überlisten wir unser Gehirn und schützen uns im organisatorischen Kontext selber, weil nicht wir uns in der Zukunft bewegen und deswegen auch nicht als Person angreifbar sind. Wir geben den Proband*innen diese Charaktere an die Hand, um mit ihnen eine Zukunftsdiskussion zu führen. Von da aus kann man dann wieder den Weg in die Gegenwart finden – auch wenn es ein kreativer Umweg ist.
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Im Gespräch mit Chefredakteur Eckard Christiani. Friederike Riemer, aka Frida Futura, ist studierte Zukunftsforscherin und Design Thinkerin. Als Expertin für Ko-Kreation und Facilitation gibt sie seit vielen Jahren internationale Workshops zum Thema Kreativität und Zukunftsgestaltung. Seit 2019 leitet Sie gemeinsam mit Felix M. Wieduwilt das Unternehmen The Future Game 2050, welches Menschen und Organisationen hilft, mit spielerischen Ansätzen wünschbare Zukünfte aktiv zu gestalten und sich die Unsicherheit der Zukunft zu Nutze zu machen. TheFutureGame2050.com
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Zukunftsforschung
Kartensets Archetypen der Zukunft und Sonderedition Health
Wie und wo finden diese Diskussionen statt? Vor Corona haben wir Workshops organisiert, bei denen wir unsere gedruckten Spielkarten-Sets The Future Game 2050 einsetzen konnten. Jede*r hat eine Karte gezogen, sich seinen Mitspieler*innen vorgestellt, sich den Fragen der anderen gestellt und Challenges mitgemacht. Was sind das für Challenges? Eine Einstiegs-Challenge, die sehr gut funktioniert, ist, dass sich die Figuren aus der Zukunft ein Gerücht aus dem Jahr 2050 ausdenken sollen. Zum Beispiel, dass es die Bienenzählerin gar nicht gibt, weil es schon lange keine Bienen mehr gibt. Dabei kommen oft dystopische Ideen heraus, weil man so erst einmal alle Zukunftsängste downloaded. Die Ängste müssen erst einmal aus den Köpfen raus. Danach pickt man sich eine Persona heraus – zum Beispiel die Therapeutin für Herzintelligenz – und versucht, einen Tagesablauf von ihr zu gestalten. Wann steht sie auf, wie beginnt sie ihren Tag, was sind ihre ersten Tätigkeiten? Man versucht, sich in die Zukunft zu zoomen. Workshops sind zur Zeit nicht möglich. Wie könnt Ihr jetzt eure Ideen umsetzen? Mit Corona geht das natürlich nur digital. Wir haben dafür eine Software entwickelt, in der man die verschiedenen Rollen entdecken und sich Aufgaben zuteilen kann. Das läuft über Zoom. Das ist nicht das Gleiche, aber es funktioniert trotzdem ganz gut.
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Auf diese Art und Weise kann man gemeinsam seine Zukunft in die Hand nehmen. Wir als Druckerei könnten jetzt Print 2050 spielen, oder? Das ist richtig! Wir starten allerdings immer etwas generischer mit unseren Archetypen aus dem Future Game, damit man überhaupt in dieses Future Mind Set kommt. Dann kann man diese Karten weglegen und beschließen, dass wir eigene Personas für euer Unternehmen entwickeln. Was könnte es in dreißig Jahren für Rollen bei BerlinDruck geben? Das ist natürlich ziemlich aufwendig. Einfacher wäre der Weg, sich in die Druckerei-Welt 2050 zu imaginieren. Eine superspannende Fragestellung, weil eure Druckprodukte haptische Erlebnisse sind. Drucken wir weiterhin auf Papier? Wenn ja, was drucken wir und was nicht? Was gibt es noch für andere Geschäftsfelder, die für eine Druckerei spannend sein könnten und an die man heute noch nicht denkt? Es gibt sicherlich Arbeitsprozesse und Skills, die man nicht nur und ausschließlich für Papierdruck verwenden kann. Aber für was denn sonst? Was wollen die Menschen eigentlich im Jahre 2050? Was erwarten sie von einer Druckerei? Warum sollte es uns im Jahre 2050 noch geben? Und wie? Wir stellen diese Fragen nicht einfach ins Blaue hinein. Uns ist sehr wichtig, diese Fragestellungen in diese Geschichten einzubetten, den
Proband*innen kleine Welten zu schaffen. Sonst wären die Vorstellungen entweder sehr bedrohlich oder wahnsinnig unkonkret. Konkretheit ist aber ein extrem wichtiger Schlüssel, um Zukunft zu machen. Man muss sich an irgendetwas festhalten können.
Du meinst, je handfester und konkreter die Visionen entwickelt werden, desto glaubwürdiger wird die Strategie? Ja, ich werde lieber zu konkret und stelle gleichzeitig in Frage, ob sich diese Idee wirklich in Zukunft manifestieren könnte. Aber ich habe Halt und kann mich daran festhalten. Das funktioniert viel besser, als wenn ich einen großen abstrakten Strategieplan aufmache, der mir persönlich nichts sagt. Wichtig in unserer Arbeit ist, dass man sich die die Zukunft hineinfühlen kann. Wie fühlt sich das an bei BerlinDruck im Jahr Denkst du an dich in der 2050? Wenn Zukunft, wirkt dieses Hormon man das nicht mehr, und der, an den du nicht hinbekommt, denkst, bist nicht mehr du. braucht man meiner Meinung nach diesen Prozess überhaupt nicht zu starten. (lacht) Ich weiß, das klingt sehr provokativ. Es gibt aber sehr viel Strategie- und Visionsarbeit, bei denen so BullshitBingo-Sätze herauskommen wie „Wir gestalten die Zukunft des Drucks“. Ja, Wahnsinn, was heißt denn das? Nichts. Man braucht dieses Narrativ, dieses kreative Bild, das für die Menschen emotional aufgeladen ist, mit dem
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Die Kartensets Archetypen der Zukunft sind Serious-Play-Workshop-Tools, um die Zukunft durch 30 Zukunftspersonas zu ergründen. Sie basieren inhaltlich auf Zukunftsforschung, relevanten Einflussfaktoren, Mega-Trends und Science-FictionStorytelling.
sie sich identifizieren können, weil sie es selbst mitgestaltet haben. Es geht nicht darum, dass wir ein Narrativ diktieren. Wie funktioniert das Geheimrezept der Narrative eigentlich? Das hat sehr viel mit Neurobiologie zu tun. Wenn ich an die Zukunft denke, dann wird ein bestimmter Botenstoff nicht mehr in meinem Gehirn ausgeschüttet, der mir sagt: Ich bin ich. Denkst du an dich in der Zukunft, wirkt dieses Hormon nicht mehr, und der, an den du denkst, bist nicht mehr du. Das wissen wir auch aus der Nachhaltigkeitsdebatte rund um den Klimawandel: Alles, was sehr weit weg ist – räumlich und zeitlich –, da wird es schon schwieriger mit der Betroffenheit. Das trifft ebenso auf unsere eigene Zukunft zu: Wir sind einfach nicht betroffen. Wir müssen also unser
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Gehirn austricksen, um diese Betroffenheit für uns selbst herzustellen. Ich versuche zum einen, die Zukunft ganz nah heranzuholen. Das mache ich auch sprachlich, in dem ich im Präsenz rede: „Ich bin die Mondpräsidentin und forsche nach Wasserquellen auf dem Mond, weil …“ Zum anderen schaffe ich ein Narrativ, eine Rolle, mit der ich mit identifizieren, in die ich mich reinhängen kann. Das ist wie Binge Watching auf Netflix – ich bin völlig hooked, mein Gehirn ist total in der Rolle. Wenn ich das schaffe, ist das sehr hilfreich, um ein Zielbild zu erschaffen, was sonst emotional sehr sperrig ist oder wozu ich keine Bindung aufgebaut hätte.
Mit wem habt Ihr solche Reisen unternommmen? Sicherlich viel B-to-B-Geschäft, oder? Auf alle Fälle. Für Deutschlands größtes Netzwerk für eine neue Generation von Ernährungsexpert*innen, Nutrition Hub, haben wir zum Beispiel Anfang Oktober 2020 einen digitalen Roundtable zum Thema „Climate Smart Eating“ veranstaltet. Mit 20 einflussreichen Expert*innen aus Politik, Industrie und Wissenschaft haben wir in einer fiktiven Simulation das Leben und die Ernährung im Jahr 2050 beschrieben. In Gruppen für je einen der vier Bereiche Landwirtschaft, Lebensmittelproduktion, Handel, Ernährung der Verbraucher*innnen wurden wünschenswerte, fiktive Zukunftsszenarien beschrieben. Im Gegensatz zur „Extrapolation“ entsteht durch die „Retropolation“ ein dringend notwendiger Perspektivwechsel. Was ich sehr schön fand, war, dass Prof. Dr. Lotze-Campen vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung sagte, wir hätten innerhalb von zwanzig Minuten mehr Ergebnisse erwirkt, als so manches Mal an zwei Tagen Europa-Gipfel entwickelt würden. Das war für mich ein sehr schönes Kompliment – von einem hochrangigen Wissenschaftler. Er hatte sich auf unser Spiel eingelassen und festgestellt, dass da sehr greifbare Szenarien herauskommen. Friederike, vielen Dank für dieses Gespräch. D
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Insidergespräch Media
Das Zusammenspiel von Kunden, Medien und Agenturen
Mr. Media Thomas Koch über Zusammenarbeit und die Vermeidung von Irrtümern Fotografie: Michael Jungblut | fotoetage
Das Dreieck ausund werbenden UnterMenschenrechtsaktivist nehmen, Medien und den zahlreichen Geschäftsführer von Reporter Mediaagenturen ist ein fragiles Gebilde. Zunächst einmal Mihr, ist klar, dass die Unterohne Grenzen, Christian nehmen die Auftraggeber, vor allem jeüber Pressefreiheit doch die Geldgeber sind. Ohne das Geld der Werbekunden bricht das gesamte Gefüge in sich zusammen.
An quasi zweiter Stelle, noch lange vor den Agenturen, kommen die Medien und Werbeplattformen. Ohne sie kann der Werbekunde seine Zielgruppen nicht erreichen, zumindest nicht auf dem Weg bezahlter Werbung (Paid Media). Demnach kommen an letzter Stelle in der Hierarchie die Agenturen. Sie haben „Dienste“ für den Auftraggeber zu leisten. Sie sind Lieferanten für Marketingberatung, Kreation, Marktforschung, Daten, Mediaplanung, Mediaeinkauf und Erfolgskontrolle. Ausgerechnet an der Media-Stelle ist jedoch eine gewisse „Schiefe“ in das System geraten, die von Unternehmen aller Couleur und Größenordnung weltweit beklagt wird. Früher verstanden sich Mediaagenturen als Treuhänder der Werbegelder ihrer Kunden. Sie berieten ihre Kunden und kauften das Mediainventar der Medien im Kundenauftrag. Heute verstehen sie sich als eigene Wirtschaftsstufe, kaufen Werbeplätze auf
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eigene Rechnung ein und verkaufen sie an ihre Kunden weiter. Dieses Geschäftsmodell steigerte ihre Renditen signifikant, stellte jedoch die Neutralität ihrer Beratung infrage, da sie nun gleichzeitig als Media-Großhändler agierten. Ihre Kunden zwangen ihnen einen Code of Conduct auf, der jedoch leider seine wesentliche Wirkung – dem Werbekun– den alle ihm zustehenden Rabatte und Vorteile zukommen zu lassen – verfehlte.
Mein neues Buch Media leicht gemacht sieht seine Aufgabe darin, mehr Expertise, insbesondere für die Mediaplanung, sowohl in die Hände der Werbekund*innen als auch der Mitarbeiter*innen von Agenturen zu geben, die insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen arbeiten. Die eigene Expertise ist selbstverständlich von besonderer Wichtigkeit, wenn keine (Media-) Agentur beauftragt wird, sondern Mediaplanung und Mediaeinkauf vom Unternehmen selbst realisiert werden. Eigene Mitarbeiter*innen, die mit dieser vertrauensvollen Aufgabe betraut werden, benötigen Schulung im Umgang mit der komplexen Materie.
Demnach kommen an letzter Stelle in der Hierarchie die Agenturen. Sie haben „Dienste” für den Auftraggeber zu leisten.
Davon wissen die meisten Werbekunden und können oder wollen dennoch nicht auf die Expertise und Einkaufsmacht der Mediaagenturen verzichten. Um die Kontrolle über die eigenen Etatgelder zu erhalten, müssen sie eigene Expertise aufbauen, um mit den Agenturen auf Augenhöhe reden, diskutieren und verhandeln zu können. Oder sie nehmen, wie es viele Unternehmen insbesondere im Bereich der digitalen Medien inzwischen tun, Mediaplanung und Mediaeinkauf in die eigene Hand.
Die schlechteste aller Lösungen, das muss an dieser Stelle gesagt werden, ist, die Mediaplanung von den Medien oder ihren Vermarktern selbst durchführen zu lassen. Sie werden ihre Medien stets bevorzugen, auch dann, wenn andere Medien für die Aufgabe überlegen sind. Das ist kein Vorwurf, denn ihre Loyalität zum Medien-Arbeitgeber zwingt sie förmlich dazu. Die Aufgabe der Medien besteht ausschließlich darin, alle für die Mediaplanung wichtigen Informationen zur Verfügung zu stellen.
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Media
Die zehn häufigsten Irrtümer der Mediaplanung Wie jede andere Profession ist auch der Mediabereich nicht frei von ewigen Fehlern, Vorurteilen und menschlichem Versagen. Hier sind die zehn am häufigsten anzutreffenden Irrtümer:
Um den größtmöglichen Erfolg einer Kampagne zu sichern, ist es wichtig, dass alle Agenturdienstleister eng zusammenarbeiten. Die Zusammenarbeit von Kreation und Media zählt zu den wichtigsten Voraussetzungen für den Kampagnenerfolg. Die Koordination der Disziplinen liegt in der Verantwortung des Werbekunden, jedoch sollten Kreation und Media auch ohne Druck seitens des Kunden stets aufeinander zugehen und sich gegenseitig inspirieren. Für den Werbekunden bedeutet dies: Kein Briefing ohne Anwesenheit beider Partner; kein Kreations-Meeting ohne Media-Beteiligung; kein Media-Meeting ohne Beteiligung der Kreativen. Zusammenarbeit mit Kreativen und Beratern Agenturen, Berater, Kreative, Mediaplaner, Medien und Medienvertreter sind Dienstleister. Wie der Name schon sagt, leisten sie Dienste. Der Werbungtreibende zahlt die ganze Veranstaltung: von der Gestaltung der Werbung über die Planung bis hin zur Produktion und Distribution der Medien selbst. Das vorweg zur Einordnung. Agenturen und Berater*innen erhalten für ihre Arbeit ein angemessenes Honorar. Wer das Honorar über Gebühr drückt, erhält nur den Gegenwert: „For peanuts you only get monkeys.“ Mediaagenturen werden häufig über Provisionen bezahlt. Sie ernähren sich aus der 15-prozentigen Provision, die sie seit jeher von den Medien erhalten.
01 „Wir haben das schon immer so gemacht.” Schon deshalb falsch, weil sich die Welt verändert. Und das kaum irgendwo so stark wie bei den Verbrauchern und der sich digitalisierenden Medienwelt.
Ebenso häufig kommt es vor, dass kleinere und mittlere Mediaaufträge vom werbenden Unternehmen selbst durchgeführt werden. Auch hier ist es möglich, dass sich ein*e Mitarbeiter*in in die durchaus komplexe Materie einarbeitet und vom Buch Media leicht gemacht profitiert. Dennoch sei auf eine Gefahr hingewiesen: Mitarbeiter*innen der Werbeabteilung haben häufig das Gefühl, die Medienlandschaft um sie herum gut zu kennen. Zu den Vertretern der Zeitung, des Anzeigenblatts oder einer Fachzeitschrift hat man eine oft langjährige und freundschaftliche Beziehung. Doch das alleine macht den sich wandelnden Medienmarkt nicht transparent. Zumindest einmal im Jahr sollte man externe Media-Expertise hinzuziehen. Die (überschaubaren) Kosten spart man schnell durch Vermeiden von teuren Media-Fehlern. D
Aus dieser Provision wurde früher jedoch auch die gesamte Kreativarbeit bezahlt. Die reine Mediaarbeit ist davon, je nach Etathöhe und Aufwand, zwischen 2 und maximal 10 Prozent wert. Der Vergleich von eingeholten Mediaangeboten zeigt das individuell zu erwartende Honorarniveau. Bucht der Werbungtreibende direkt bei den Medien oder deren Vermarktern, ist darauf zu achten, dass – neben den verhandelten Rabatten – auch diese Agenturprovision komplett an das Unternehmen abgegeben wird. Viele regionale Medien haben für diesen Fall einen „Lokalpreis“: Hier ist die Provision bereits abgezogen. Bei mittelständischen Unternehmen oder kleineren Mediabudgets wird meist keine Mediaagentur beauftragt, sondern die Werbeagentur mit der Mediaplanung und dem Einkauf der Medien beauftragt. Die Aufgabe liegt dann oft in den Händen eines Mitarbeiters / einer Mitarbeiterin in der Kundenberatung. Diese*r wird sich mit der Zeit in das Thema einarbeiten und findet im Buch Media leicht gemacht sicher viele nützliche Tipps.
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02 „Wir nutzen nur Social Media. Das kostet nichts.” Was nichts kostet, nützt auch nichts. Nicht einmal der Tod ist umsonst; er kostet das Leben. Das gilt auch für Social Media. Wer kein Werbegeld hineinsteckt, wird nicht gesehen. Und die Personalkosten, die ein regelmäßig gepflegter Account mit sich bringt, sollte man nicht ausblenden. 03 „Wir haben seit Jahren gute Kontakte zu dem Medium xy.“ Das ist schön. Und zwar für das Medium. Über seine Qualifikation als Werbeträger sagt das genau null aus. 04 „Das Medium mag ich nicht.” Wahlweise: „… findet meine Frau / mein Mann ungeeignet.” Der Köder muss dem Fisch schmecken. Daten helfen bei der Werbeträgerauswahl, nicht Meinungen. 05 „Unsere letzte Kampagne war erfolgreich.“ Mit etwa 80%iger Wahrscheinlichkeit nicht. An Erfolgskontrollen, die sich an definierten Zielen orientieren, führt kein Weg vorbei. 06 „Ich weiß, was meine Kunden brauchen.” Manchmal wahr, manchmal eben nicht. Es ist nicht einfach zu verstehen, wie Menschen ticken und warum sie bestimmte Entscheidunge treffen. Besser ist, es zu überprüfen.
Thomas Kochs aktuelles Buch, Media leicht gemacht, erscheint Mitte Mai 2021 als Softcover im Haufe Verlag. 100 Seiten, 24,95 Euro ISBN 978-3648152072
07 „Dieses moderne Zeugs brauchen wir nicht.” Doch, brauchen Sie. Die Welt verändert sich mit Riesenschritten. Wer nicht mithält, hat das Nachsehen. 08 „Unsere Kunden kennen uns alle.“ Unsinn. Die Kunden sind mit allem Möglichen beschäftigt, vor allem mit ihrem eigenen Leben. Vielleicht auch gerade mit dem Wettbewerber. 09 „Wir brauchen keine Berater. Wir wissen, was wir tun.” Möglicherweise. Aber eine zweite Meinung ohne rosarote Brille ist immer hilfreich. 10 „Ich glaube, finde, meine …” Marketing-, Werbe- und Mediaerfolg ist keine Frage des Glaubens oder von Meinungen, sondern von Expertise, transparenten Daten, langjähriger Erfahrung und bestenfalls fachlicher Überzeugung.
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Katja Hübner
STAY CREATIVE. STAY SAFE. BE EMPATHETIC. Die Idee von öffentlichen Ausstellungen machte Katja Hübner und Antje Schröder mit ihrer Agentur Kommune Art über die Grenzen von Hamburg hinaus bekannt. Zuletzt erschien Hübners Buch „Okay, danke, ciao!“ Eine Geschichte über Freundschaft und Obdachlosigkeit. Die Zeit scheint reif zu sein für besondere Achtsamkeit und große Empathie für einen kraftvollen Zusammenhalt.
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Stay creative. Stay safe. Eine PlakatKampagne gab vor einem Jahr der Situation der Kreativ-Szene, stark gebeutelt durch die Coronapandemie, ein Gesicht. Die kleine Hamburger Agentur Kommune Art scharte ein dutzend Kolleg*innen – Illustrator*innen und Künstler*innen – um sich und gestaltete eine aufsehenerregende Plakatkampagne eben unter dem Motto „Stay creative. Stay safe.“ Wir haben mit Katja Hübner, eine der Initiatorinnen, gesprochen. Katja, wie kamt ihr auf die Idee, eine solche Kampagne zu starten? In den ersten zwei Monaten der Coronapandemie wusste niemand, was passiert und wie es weitergehen kann. Man spürte eine sehr große Unsicherheit. Die Musikbranche, für die wir bei Kommune Art viel arbeiten, stand von jetzt auf gleich still. Die Plakatkampagne war keine Idee, um irgendwelche Jobs zu generieren. Dieses Abwarten und der Kontrollverlust, nicht zu wissen, wohin es geht, gab in mir einfach das Gefühl, irgend etwas machen zu wollen. Und wir wollten kreativ sein. So enstand die Idee der Aktion „Stay creative. Stay safe.“ Wieso habt ihr euch für eine Plakatkampagne entschieden? Uns war aufgefallen, dass in Hamburg etliche DIN A1-Werbestellen von der TownTalker Media AG frei blieben – es hat einfach niemand plakatiert. Ich hab dann mit dem Chef gesprochen, ob wir die Rahmen nutzen könnten – er war sofort einverstanden. Wir haben daraufhin mit befreundeten Kolleg*innen gesprochen, darunter Illustrator*innen, freie Künstler*innen, Siebdrucker*innen, Comiczeichner*innen und einem Tattoo-Artisten, ob sie Lust dazu hätten, für die Kampagne Motive zu entwickeln. Innerhalb von 10 Tagen hatten wir die Motive beisammen und haben sie overnight drucken lassen. Wir sind zu viert mit dem Kleistereimer durch Hamburg gezogen und haben über tausend Stück in Hamburg plakatiert – zum Teil sogar „wild”. Wer mehr darüber wissen will, kann heute noch unseren damaligen Podcast zur Aktion hören. (spoti.fi/3rCr35n – Anm. der Red.) Das war eine sehr schöne Aktion – da haben wir uns selber ein wenig Aufregung geschaffen.
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Damit habt Ihr eine Menge Aufsehen erregt. Die PAGE hat auch darüber berichtet. Wie kam es dazu? Eine Redakteurin von der PAGE hatte unsere Poster endeckt und hat online darüber berichtet. Sie lud uns ein, etwas zu einer neuen Serie „Was macht Corona mit uns?“ für das nächste Magazin zu entwickeln. Es gab unterschiedliche Themen, aus denen wir aussuchen konnten. Wir haben uns für „Kommerz“ entschieden und am S-Bahnhof Sternschanze einen riesigen Supermarkt geklebt. Wir wollten bewusst überspitzen: Brauchen wir wirklich achtzig Marmeladensorten? Brauchen wir drei Regalreihen Chips? Das Motiv (auch Seite 22 – Anm. der Red.) war überdimensional groß und damit sehr eindrucksvoll. In der Mitte hatten wir einen drei Meter hohen Kebab-Spieß, mit dem Zusatz „Frisch gepresst!“ Zwei Tage später war unser Supermarkt wieder überklebt – das war ein sehr vergängliches Kunstwerk.
Frisch gepresst! Supermarkt unter der Brücke, am S-Bahnhof Sternschanze.
Katja, nun hast du ein Buch geschrieben, das gerade erschienen ist. Okay, danke, ciao! Eine Geschichte über Freundschaft und Obdachlosigkeit. Wie kam es dazu? 2017 ist mir ein einsamer junger Mann in seinem dicken Parka auf einer Bank im Park aufgefallen, der sehr zurückgezogen, ja, psychotisch wirkte. Außer dem, was er trug, hatte er nichts. Irgendwann habe ich ihn angesprochen. Er lag im Gras, und ich fragte: „Ist alles ok?“ Er bejahte und fragte mich nach einer Zigarette. Seitdem habe ich immer wieder bei ihm Halt gemacht und mich auf ihn eingelassen. Sein Name war Marc. Ich hatte beobachtet, dass sich Marc Essen aus Mülltonnen besorgte und Zigarettenkippen rauchte, die andere Leute weggeworfen hatten. Da habe ich beschlossen, dass das so nicht sein muss. Ich habe mich verantwortlich gefühlt und ihn erstmal versorgt: Jeden Morgen habe ich Marc Frühstück gebracht, und abends, wenn ich von der Arbeit nach Hause ging, nahm ich für
ihn eine Tüte mit Essen und Getränken, Schokolade und Obst mit. Das ging eine ganze Weile so, und er begann, mir zu vertrauen und auf mich zu warten. Nach und nach versuchte ich, mehr über ihn zu erfahren. Wie kann man denn in Hamburg draußen überleben? Marc saß immer auf dieser einen Bank an der Hundewiese. Dort fühlte er sich anscheinend sicher – zumindest habe ich mir das damals so zusammengereimt. In diesem Sommer hatte es in Hamburg ziemlich viel geregnet. Marc war nach ein paar Tagen völlig durchnässt. Das alles war natürlich ziemlich verrückt. Nicht nur das: Als beispielsweise der G20-Gipfel war, saß er mitten im Schlachtfeld an der Schanze und ließ das einfach so geschehen. Hast du versucht, nach Hilfe oder medizinischen Lösungen zu suchen? Ja, klar. Ich habe bei Hinz & Kunzt, bei der Diakonie und beim UKE angerufen, um zu erfragen, was ich tun könne. Alle haben mir die Auskunft gegeben, dass man nichts machen könne. Jeder hätte das Recht auf Selbstbestimmtheit und auch auf Krankheit, solange er andere oder sich selbst nicht gefährdet. Scheinbar war die Selbstgefährdung nicht groß genug, um helfen zu können. Ich fand, dass da irgendwo ein Fehler im System ist. Ein Mensch mit einer Psychose fühlt sich verfolgt oder erkennt überall Feinde. Solche Patient*innen gehen ganz selten freiwillig in die Psychatrie, weil sie nicht denken, dass sie krank sind. Wie bist du persönlich damit umgegangen? Ich habe sehr viel mit Kolleg*innen und Bekannten darüber gesprochen, weil es zum Herbst hin anfing, mich zu belasten. Alle, denen ich davon erzählt habe, waren
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Leseempfehlung
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unglaublich fasziniert von der Geschichte. Sie haben immer wieder nachgefragt, wie es Marc ginge, was Marc so mache. Das war im Herbst 2017 der Auslöser, dass ich beschloss, parallel zu meinen Erlebnissen die Geschichte aufzuschreiben. Das war auch gut für mich, so konnte ich etwas loswerden.
Katja Hübner ist eine im Hamburger Schanzenviertel lebende und arbeitende Grafikerin und Buchautorin. kommuneart.tumblr.com staycreativestaysafe.de
Wie ging es dann weiter? Im Herbst las ich ein Interview mit der Psychiaterin Prof. Dorothea von Haebler von der Charité in der Berliner Morgenpost zum Thema Obdachlosigkeit und akute psychische Erkrankungen. Ich habe sie angeschrieben und sie um Rat gebeten. Frau Prof. von Haebler hat mir dann innerhalb von einem Tag zurückgeschrieben – in cc den befreundeten Psychologen Prof. Dr. Bock aus dem UKE in Hamburg – sie freue sich so über meine Mail, weil Menschen sehr selten so aufmerksam durch ihre Nachbarschaft laufen würden. Prof. Bock hätte noch am selben Tag geantwortet und versprochen, zu helfen – obwohl mir das UKE bei meinen vorherigen Bemühungen erklärte, sie seien nicht aufsuchend tätig. So habe ich Thomas Bock an einem Samstag Nachmittag kennengelernt und mit ihm über Marc gesprochen. Wir gingen zur Bank von Marc und Prof. Bock konnte gleich feststellen, dass Marc unter schweren psychischen Störungen litt. Hier müsse geholfen werden. Zur gleichen Zeit – es war ein sehr kalter November – waren auf der Reeperbahn zwei Obdachlose tot in der Nacht geborgen worden. Ich versuchte, über den Sozialpsychiatrischen Dienst in Hamburg Hilfe für Marc zu kriegen. Es hieß, es ginge ihm noch nicht schlecht genug, er könne schließlich noch aufstehen und im übrigen sei es noch nicht kalt genug. Plötzlich ging es dann ganz schnell und Marc wurde abgeholt und eingewiesen. Auch auf diesem Weg habe ich ihn begleitet und konnte dann ein wenig loslassen. Aber ich wollte natürlich
wissen, wie es weitergeht. Wie steht es um ihn nach einem halben, nach einem Jahr? Wir haben uns oft gesehen, und es gab schwierige Situationen und auch lustige Geschichten. Ich habe in der Zeit unglaublich viel gelernt und festgestellt, dass die Begegnungen in der Psychatrie sehr wertvoll für mich waren, auch weil ich jegliche Berührungsängste gegenüber psychisch Erkrankten verloren habe. Marc und mich verbindet heute eine ganz entspannte Freundschaft. Gehst du heute anders durch die Straßen deiner Nachbarschaft? Ich gehe nicht durch die Straßen und beschäftige mich mit den Schicksalen von Obdachlosen. Seinerzeit Marc kennenzulernen war zu einem Zeitpunkt, als ich bereit dafür war. Aber ich habe jetzt vielleicht einen anderen, schärferen Blick. Katja, ich freue mich darauf, dein Buch lesen zu dürfen und bedanke mich für dieses Gespräch! D
Katja Hübners erstes Buch: Okay, danke, ciao! (2021). Erschien im April als Softcover im Verlag Heyne Hardcore, 192 Seiten, 16,00 Euro ISBN 978-3453272927
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Künstliche Intelligenz Konsensgesellschaft
Kulturpolitischer Korrespondent der ZEIT, Ijoma Mangold: „Nach außen tritt eine durch ein klares Weltbild umrissene Gedankenarchitektur, die so tut, als wäre sie das Ergebnis klaren, vernünftigen Nachdenkens. Wenn ich aber in mich hineinhorche, weiß ich, dass das völlig anders ist. “
DER BEGRIFF DER KONSENSGESELLSCHAFT IST EINER, VOR DEM ICH EHER WEGRENNE.
Fotografie: Michael Jungblut, fotoetage
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Ijoma Mangold, geboren 1971 in Heidelberg, studierte Literaturwissenschaft und Philosophie in München und Bologna. Nach Stationen bei der Berliner Zeitung und der Süddeutschen Zeitung wechselte er 2009 zur Wochenzeitung Die Zeit, deren Literaturchef er von 2013 bis 2018 war. Inzwischen ist er Kulturpolitischer Korrespondent der Zeitung. Mangold lebt in Berlin.
Herr Mangold, Ihr letzter Titel passt Wenn ich aber in mich hineinhorche, sehr gut in die Zeit – Der innere weiß ich, dass das völlig anders ist. Stammtisch. Wie sind Sie auf die Da sind immer Ressentiments, AffekIdee gekommen, einen inneren te, Emotionen dabei, Meinungen zu Stammtisch zu gründen? Oder ist produzieren. Meine Ansichten – also das ein Mitbringsel aus Ihrer Gedas, was mir durch die Birne rauscht burtsstadt Heidelberg? – sind viel vielgestaltiger, bevor sie Natürlich habe ich Erinnenach außen treten und mein Außenrungen, wie in ländlichen Regionen image bilden. Denn da bemühe der alten Bundesrepublik das Prinzip ich mich um Kohärenz. Im inneren Stammtisch funktionierte. Als Kind Monolog natürlich nicht. Da bin ich in war ich sehr beeindruckt, denn ich einem Moment dieser Meinung, im hatte ich das Gefühl, dort am Tisch nächsten jener. sitzen die Dorfmächtigen, gegen die Ich darf einen Kollegen aus meiner man besser keine dicke Lippe riskiert. Anfangszeit bei der Berliner Zeitung In der kleinen Gemeinde Dossenheim zitieren, der mich damals als 28-jähan der Badischen rigen sehr Bergstraße, in der ich Es ist ja nicht so, dass im beindruckt aufgewachsen bin, Bereich der politischen hatte: Er sei stand da ein großer meistens der Messingaschenbe- Meinungen durch ein unwiMeinung, die cher mit so einem derlegbares Argument die er zuletzt geBügel drüber, auf dem eine Position als die richtige hört habe. stand „Do hogge die, Das kennen die immer du hogge“. zu erkennen wäre und die wir natürlich Das erschien mir als andere als die falsche. alle voneinKind eine Sehnsuchtsander: Übervorstellung zu sein, zu denen dazu zeugt sein, hat auch immer etwas mit zu gehören, die immer du hogge. Na- Evidenzerlebnissen zu tun und nie türlich wandelt sich das schnell und mit letzten Wahrheiten. Es ist ja nicht man möchte genau das Gegenteil, so, dass im Bereich der politischen aber ich habe schon eine empirische, Meinungen durch ein unwiderlegeine soziologische Erinnerung an den bares Argument die eine Position als Stammtisch. die richtige zu erkennen wäre und die andere als die falsche. Ich würde Und wie funktioniert der innere sogar soweit gehen und sagen, dass Stammtisch? der innere Stammtisch insofern Da geht es um einen Asein philosophisch reflektierendes pekt, den es beim äußeren StammBuch um die Frage ist: „Was heißt es tisch vermutlich gar nicht gibt: Der eigentlich, politisch zu sein?“ Es ist äußere Stammtisch arbeitet prinziüberhaupt kein Buch zu politischen piell eher daran, über sozialen Druck Ansichten als solchen. Kein Mensch eine soziale Einheit oder Meinungsmuss sich für meine Ansichten zum einheit herzustellen. Er wird kein Ort Atomausstieg interessieren. Was ich von starker Abweichung sein, würde versuche zu beschreiben ist, warum ich vermuten. finden manche Menschen den AtomDer innere Stammtisch hingegen ausstieg fatal und warum andere zeichnet sich eher durch eine große nicht. Widersprüchlichkeit aus. Mir ging irgendwann auf, dass die Art, wie ich Hat das möglichweise noch andere nach außen kommuniziere und die als nur sachlich rationale Gründe? Art, wie ich mit mir selber spreche Wenn wir ehrlich sind, so – der innere Stammtisch ist ja eine wissen wir alle, dass unser gesamArt innerer Monolog – sich komplett tes Portfolio an Meinungen selbstvoneinander unterscheiden. Es gibt verständlich von ganz anderen, so eine Art Zensurschranke, und das von emotionalen Prädispositionen ist auch gut und schön. Nach außen tritt eine durch ein klares Weltbild umrissene Gedankenarchitektur, die so tut, als wäre sie das Ergebnis klaren, vernünftigen Nachdenkens.
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ZEIT-Korrespondent Ijoma Mangold im Gespräch mit Chefredakteur Eckard Christiani
geprägt ist. Unser Naturell entscheidet viel mehr darüber, wie wir uns zu bestimmten Dingen verhalten. Zum Beispiel gehört es zu meinem Naturell, dass ich alles Extremistische nicht mag. Es spricht einfach nicht zu mir. Deswegen lehne ich auch apokalyptische Vorstellungen über die Wirklichkeit ab. Und die gibt es links wie rechts. Die linke apokalytische Erzählung lautet im Moment, dass die Welt durch den Klimawandel untergeht. Rechts heißt sie Umvolkung – Deutschland schaffe sich ab – und so weiter. Alle diese Vorstellungen, wo es quasi nur noch schwarz und weiß gibt, entsprechen meinem liberalen Skeptizismus überhaupt nicht. Aber es hat nicht so viel mit Argumenten zu tun, es ist echt auch eine Frage des Naturells. Zum Beispiel muss man zum Revolutionär geboren sein. Man wird nicht deswegen zum Revolutionär, weil man so viele kluge Argumente für die Sache der Guillotine gehört hat. Das was uns ausmacht, uns zu einem bestimmten Typus macht, ist ein Prozess, der selbstverständlich geprägt wird vom Elternhaus, von Lehrer*innen, Freund*innen oder der Gruppe, in der man sich bewegt. In den 1980er Jahren waren viele Menschen Punks, weil sie die, wie sie fanden, spießige Bürgerlichkeit
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ihres Elternhauses als kleinbürgerlich und demütigend empfanden und deswegen in die andere Richtung tendierten. Das sind Ich-Entwürfe. Man erfindet sich selbst auch als politisches Wesen. Zum biografischen Entwurf gehört auch der Selbstwiderruf, dass man sich plötzlich als Irrender erkennt – der klassische Fall des Konvertiten, der die Welt damit missioniert, dass er aus seinem eigenen Irrtum herausgefunden hat. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Ihr Buch Der innere Stammtisch in Form eines Tagebuchs zu verfassen? Es ging mir darum, am Band der laufenden politischen Ereignisse meine eigene Reaktion abzulesen. Dafür bietet sich das Tagebuch an. Man sitzt am Frühstückstisch, schlägt die Zeitung auf, und da steht die Nachricht, dass für so und so viele Berufe die Meisterprüfung abgeschafft werden solle. Sofort reagiere ich darauf. Sofort habe ich eine Meinung dazu. Da würde man doch sagen, das sei lächerlich, man müsse doch nicht zu allem eine Meinung haben, Alles, was zur Petrifizierung, so zur Frage, bei welchen Berufen zur Versteinerung, zum eine MeisterprüBetonhaften neigt, würde fung vorzusehen ich als einen Verlust an sei. Das könne Lebensenergie und -freude man doch wirklich anderen empfinden. überlassen. Es ist aber nicht möglich, zu irgendetwas keine Meinung zu haben. Man reagiert sofort und in meinem Fall widersprüchlich. Auf der einen Seite kommt mein liberaler Marktfreund zu Wort und sagt: „Toll, man braucht wirklich keine Meisterprüfung, um eine Waschmaschine abzuklemmen.“ Im nächsten Moment kommt aber: „Ach, das ist doch das deutsche duale System. Diese Meisterlichkeit hat doch auch eine so schöne Tradition. Ist die deutsche Wirtschaft nicht genau durch dieses Ausbildungssystem geprägt worden?“ Plötzlich finden Sie es wieder ganz schade. Und so geht es den ganzen Tag … Wie findet man sich in dieser schizophränen Rolle? Will man nicht manches Mal vom inneren Stammtisch aufstehen und sagen: „Heute schreibe ich mal ein Essay mit einem vernünftigen Ende, basta!“ Das mache ich ja hauptberuflich als Journalist. Da geht es nicht, dass ich meine innere Zerris30 | 31
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senheit und meinen Selbstzweifel in den Vordergrund stelle. Das Buch ist meine andere Seite – die ich unter dem Aspekt der psychologischen Selbstbeobachtung spannend finde: der Zweifel, das Widersprüchliche, das hin und her Schwankende sind eigentlich die interessanteren Phänomene. Wenn ich einen großen Wert hätte, dann wäre das Beweglichkeit. Alles, was zur Petrifizierung, zur Versteinerung, zum Betonhaften neigt, würde ich als einen Verlust an Lebensenergie und -freude empfinden. Deswegen wünschte ich mir vielleicht insgesamt, dass der Raum für das Bewegliche und Spielerische gerade auch als Antwort auf eine starke Ideologisierung feindlicher Lager, wie wir sie doch in den letzten sieben oder acht Jahren erkennen können, wieder zunehmen würde. Der reale Stammtisch findet heute in den sozialen Medien statt. Wenn wir sagen, eine Echokammer ist ein Stammtisch, so finden wir hier vorgestanzte Meinungen vor. Es gibt keine gemeinsamen Ideen über alle Stammtische hinweg. Wie kann man damit umgehen? Das ist eine gesellschaftliche Herausforderung, die allgemein anerkannt ist und als solche wahrgenommen wird. Alle beklagen das Schicksal der Polarisierung. Man muss da ein wenig tiefergehen. Natürlich ist Deutschland überhaupt nicht in einer Weise polarisiert wie es die Vereinigten Staaten sind. Davon sind wir weit entfernt. Deutschland war noch nie so stabil mittig aufgestellt. Die Zustimmungswerte der Kanzlerin resultieren weit über das eigentliche CDU-Milieu hinaus. Allerdings gibt es neben einer unfassbar großen stabilen Mitte einen ganz eklatanten Merkel-Hass bei einer absolut marginalen Gruppe. Es gibt immer 10-15 Prozent „Querdenker“ – die gab und gibt es zu allen Zeiten, in allen Gesellschaften. In den 1980er Jahren gab es Milieustudien, die die Gesellschaft in die konservativ Etablierten, adaptiven Pragmatiker oder liberale Intellektuelle und so weiter einsortierten. Diese Sinus-Milieus waren gleiche Wertvorstellungen und LebensDas Magazin von BerlinDruck
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konzepte gemein. Mein Gefühl sagt mir, dass sich heute in den Echokammern eher Meinungsmilieus mit großen gesellschaftlichen Überschneidungen gebildet haben. Ja, es ist viel volatiler geworden. Der klassische Stammtisch war keine dynamische Angelegenheit, sondern eine auf Jahrzehnte festgelegte. Wenn die Filter-Bubbles gewissermaßen die Nachfolgeblasen für den Stammtisch sind, dann unterscheiden sie sich gewaltig. Es entstehen überraschende Allianzen. Die einzelnen Bubbles reden jedoch aneinander vorbei. Brauchen wir für die uns beschäftigenden großen Krisen nicht eine Konsensgesellschaft, um eine gemeinsame Idee von morgen zu entwickeln? Was ist in der Demokratie Konsens? 51 Prozent. Und die Bereitschaft der anderen 49 Prozent, das System mitzutragen, auch wenn man gerade nicht das Sagen hat. In den 1920er Jahren schrieb der große Soziologe Helmuth Plessner das denkwürdige Buch Die Grenzen der Gemeinschaft. Die Idee einer modernen Zivilisation ist es, dass wir kein authentisches Gemeinschaftsgefühl haben müssen, um ein Staatsgebilde abzugeben. Der Staat übernimmt gewisse Funktionen, dafür schafft er Institutionen. Da muss ich nicht mit meiner ganzen Seele beteiligt sein, sondern nur in meiner Rolle als Staatsbürger. Ich muss nicht die selben Werte teilen wie mein Nachbar. Das Institutionsgefüge als solches sollte allerdings respektiert werden. Wenn das funktioniert, brauchen wir nicht so viel Gemeinschaftlichkeit. Dann bleibt die Frage, was Gemeinschaftlichkeit überhaupt ist? Meistens ist sie nur ein Schlagwort in Sonntagsreden. Die Medien tun so, als sei Deutschland im wesentlichen Berlin, Hamburg und München. Aber Deutschland ist vor allen Dingen Provinz. Deutschland macht viel mehr aus als Schwabing, Eppendorf und Prenzlauer Berg. Konsensgesellschaft? Ich bin da eher streitlustig, und der Begriff der Konsensgesellschaft ist einer, vor dem ich wegrenne.
Ijoma Mangolds aktueller Bestseller Der innere Stammtisch – Ein politisches Tagebuch (2020). Erschienen als Hardcover mit Schutzumschlag im Rowohlt Verlag, 272 Seiten, 22,00 Euro ISBN 978-3498001193
Herr Mangold, vielen Dank für dieses Gespräch! D
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Illustration: Julia Ochsenhirt
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Ein Beitrag von Hans Block und Moritz Riesewieck
Zusammenbleiben? Oder für immer erinnern? Es ist eine der ältesten Fragen der Menschheit: Was geschieht mit uns nach dem Tod? Jahrhundertelang war die Antwort auf diese Frage für die meisten Menschen im Abendland klar. Die Seelen fahren zu Gott in den Himmel auf oder schmoren in der Hölle. Doch wie aktuelle Studien zeigen, glauben immer weniger Menschen in Westeuropa an Gott und das ewige Leben im Jenseits, nur noch eine Minderheit betrachtet sich selbst als religiös. Andererseits glaubt nur ein kleiner Teil der Bevölkerung: „Es gibt KEIN Leben nach dem Tod.” Offenbar können nur wenige Menschen ohne Aussicht auf ein Weiterleben der Seele nach dem Tod auskommen. Noch fehlt eine neue (weltliche) Heilserzählung. Noch ist es nicht gelungen, den Sinn-Verlust auszugleichen, der für Milliarden von Menschen mit der Abwendung von der Religion entstanden ist. Es klafft eine gewaltige Lücke, was auch den TechnologieUnternehmen nicht entgangen ist, die die Leerstelle als Chance für die nächste große Geschäftsidee begreifen. In Aussicht stehen Milliarden potenzieller Kund*innen, die offen sind für eine neue zeitgemäße Botschaft, die sie von der Unausweichlichkeit des Todes erlöst. Im Windschatten der digitalen Revolution treten Start-ups aus der ganzen Welt in einen Wettlauf um einen gewaltigen Markt – den Markt der digitalen Unsterblichkeit. Seit fünfzehn Jahren kommunizieren Menschen rund um die Uhr über Social Media- und Messenger-Dienste. Wir offenbaren in WhatsApp-Konversationen all die unterschiedlichen
Facetten unseres Charakters, wir übermitteln unseren Smartphones tägliche Bewusstseinsströme. Von Shenzhen in China über Iaşi in Rumänien bis nach Pasadena in den USA arbeiten Entwickler*innen weltweit daran, aus solchen intimen Daten nicht nur die Persönlichkeit eines Menschen auszulesen, sondern die Muster unseres Verhaltens mithilfe Künstlicher Intelligenz zu imitieren. Ihr Ziel: unsere Persönlichkeiten über den Tod hinaus am Leben zu erhalten. Was wie das Skript eines Science-Fiction-Films klingt, ist längst auf dem Weg, Realität zu werden. Doch was steckt hinter solchen fragwürdigen Angeboten? Wie genau funktioniert diese Technologie? Was sind es für Personen, die alles daransetzen, digital unsterblich zu werden? Und wie ergeht es denen, die versuchen, ihre Liebsten wiederauferstehen zu lassen – als digitale Klone?
Hans Block und Moritz Riesewieck, sind die Macher hinter dem Film-NoirThriller „The Cleaners“, Shootingstars des internationalen Dokfilm-Kinos, Grimme-Preisträger und Experten für digitale Entwicklungsprozesse.
Um diese Fragen zu erkunden, sind wir um die halbe Welt gereist und haben mit Pionier*innen gesprochen, die Unsterblichkeit fernab von
Was sind das für Menschen, die alles daransetzen, digital unsterblich zu werden? religiösen Vorstellungen des ewigen Lebens suchen, haben diejenigen getroffen, die von digitaler Unsterblichkeit träumen und an ihrer
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Verwirklichung arbeiten: Menschen, die ihre verstorbenen Väter auf dem Smartphone wiederauferstehen lassen. Menschen, die seit Jahrzehnten sämtliche Facetten ihres Lebens aufzeichnen. Menschen, die leichtfertig mit der Hoffnung Hunderter Todkranker spielen, indem sie ihnen ein Leben nach dem Tod in Aussicht stellen. Menschen, die mit der Unterstützung eines gigantischen chinesischen Tech-Unternehmens virtuelle Doppelgänger von sich oder anderen erzeugen. Gesprochen haben wir auch mit Expert*innen führender Hirnforschungszentren der Welt, die daran glauben, dass neuromorphe Computerchips künstliches Bewusstsein erzeugen können, oder Programmierer*innen, die uns Einblicke in die Arbeit künstlicher neuronaler Netze erlauben und uns anschaulich machen, wie synthetische Wesen erschaffen werden können. Wir erzählen von unseren Begegnungen mit Träumer*innen und Macher*innen, Verzweifelten und Euphorischen, Wagemutigen und solchen, die sich vor den Auswirkungen dieses epochalen Wandels fürchten. Mal führt uns unsere Reise an entlegene Orte, mal ins Innere des Menschen, wo wir erkunden, was uns zu den Menschen macht, die wir sind. … BER_Passion_8_The Cleaners_RZ.indd 3
Text aus Hans Blocks und Moritz Riesewiecks aktuellem Bestseller Die digitale Seele, (2020). Erschienen als Hardcover mit Schutzumschlag im Goldmann Verlag, 592 Seiten, 20,00 Euro ISBN 978-3442315413
ren – sei es durch Konservieren und Einfrieren oder die Pille gegen das Altern –, auch heute noch zum Scheitern verurteilt sind, scheint das detailgetreue digitale Klonen seines Wesens, seiner Art zu sprechen und zu handeln, ja vielleicht sogar seiner Art zu denken in diesen Tagen zum Greifen nah.
Im Februar 2013 erschien eine Episode der Science-Fiction-Serie Black Mirror mit dem Titel „Be right back”, zu Deutsch „Wiedergänger”. Der Plot der Serie eröffnet ein fesselndes Gedankenspiel: Stellen wir uns vor, es wäre uns möglich, mit einer längst verstorbenen Person in Kontakt zu treten. Stellen wir uns vor, eine zukünftige Technologie würde es den Menschen ermöglichen, Tote wieder zum Leben zu erwecken, erst auf den Bildschirmen unserer Computer und Smartphones, dann in Fleisch und Blut. Die junge Frau Die Kulturgeschichte ist voller Er- Martha erlebt die Wiezählungen, in denen der Mensch derauferstehung ihres verstorbenen Partners seine Sehnsucht nach der UnAsh. Inmitten des Trauerns über ihren Lebensvergänglichkeit zum Ausdruck bringt. Zeit seines Lebens kann er gefährten erfährt Martha von einem Angebot, das sich nicht damit abfinden, eines verspricht, mithilfe der unzähligen gesammelten Tages zu vergehen. Daten, die Ash im Laufe seines Leben im Netz hinterlassen Seit ihrem Anbeginn träumt die hat, ihren Liebsten digital wiederaufMenschheit davon, dem Tod zu erstehen zu lassen. entkommen. Die Kulturgeschichte ist voller Erzählungen, in denen der Was noch vor wenigen Jahren als Mensch seine Sehnsucht nach der reine Fiktion wahrgenommen wurde, Unvergänglichkeit zum Ausdruck wird in diesen Tagen Realität. Im bringt. Zeit seines Lebens kann er Februar 2020 schauten mehr als sich nicht damit abfinden, eines 18 Millionen Menschen auf You-TuTages zu vergehen. Doch während be das neunminütige Video alle Bestrebungen, den Körper eines (bit.ly/2P2z1XP) einer südkoreaniMenschen vor dem Tod zu bewahschen Mutter, die zum ersten Mal ihre Tochter wiedersieht, nachdem das Mädchen mehr als drei Jahre zuvor verstorben ist. Dieses Mal handelt es sich nicht um einen Spielfilm.
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Der südkoreanische Fernsehsender MBC hat den Ausschnitt seiner Dokumentation ins Netz gestellt und weltweit sehr viel Mitgefühl, aber auch Bestürzung über das gewagte Experiment ausgelöst. Die Begegnung von Jang Ji-sung mit ihrer toten Tochter findet in einem Park statt. Jang geht alleine den Weg entlang,
Was noch vor wenigen Jahren als reine Fiktion wahrgenommen wurde, wird in diesen Tagen Realität. 31.03.21 15:14
den sie so oft mit ihrer kleinen Tochter gegangen ist. Die Frau hört, wie eine Stimme ein Lied singt, das sie ihr einmal beigebracht hat: Es ist die Stimme von Nayeon, ihrer Tochter. Hinter einem Holzhaufen springt das sieben-jährige Mädchen auf und läuft auf seine Mutter zu: „Mama, wo bist du gewesen?”, fragt das Kind. Die Mutter bricht in Tränen aus. Sie will ihre Tochter berühren, aber sie greift ins Leere. Denn das Mädchen, das dort unmittelbar vor ihr steht und das doch eindeutig ihr Kind ist – das aufgeweckte, neugierige Gesicht, die schulterlangen schwarzen Haare mit dem Haarreif, den sie ihr einmal geschenkt hat, im violetten Kleid, das sie so gerne getragen hat –, das Mädchen, das mit der unverkennbaren Stimme ihrer Tochter Nayeon in diesem Moment fragt, ob Jang Ji-sung an sie gedacht habe, ist nur eine Simulation, ein Avatar ihrer Tochter, wenn auch nahezu perfekt. Und Jang weiß das. Schließlich steht sie in einem Green-Screen-Studio und trägt eine VR-Brille und Hand-
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schuhe, die ihre Bewegungen übertragen. Aber Jang will nicht wissen, dass das alles hier bloß virtuelle Realität ist. Sie ist hier, um ihre Tochter wiederzubekommen, wenn auch nur für eine halbe Stunde. Immer wieder versucht die Frau, nach der Schulter ihrer Tochter zu greifen, sie in den Arm zu nehmen. Jangs Mann sitzt ein paar Meter weiter bei ihren anderen beiden kleinen Töchtern und einem wenig älteren Bruder. Hilflos sieht der Mann zu, wie seine Frau durch das Studio geistert. „Ich will dich berühren, nur einmal”, sagt sie schluchzend zu ihrem toten Kind, das sie zum Greifen nah vor sich stehen sieht. Ihrem Mann zerreißt der Anblick fast das Herz. Lange hatte das Paar gehofft, Nayeon könnte wieder gesund werden. Bei dem Mädchen war ein seltener Gendefekt diagnostiziert worden, der die Organe schädigte und schließlich zum Tod führte. In diesem Moment jedoch scheint ihre Tochter lebendiger denn je zu sein. Jang sieht sie zu einem Bett gehen, das auf der Wiese steht, umgeben von Dingen, die Nayeon zu Lebzeiten geliebt hat: einem leuchtenden Hasen, einem aufblasbaren Donut mit bunten Streuseln. Nayeon fragt: „Mama, wir werden immer zusammenbleiben, ja? Ich werde mich für immer an dich erinnern, ja?” Zusammenbleiben? Oder für immer erinnern? So ganz genau scheint Nayeon noch nicht zu wissen, wie es für sie und ihre Mutter nach dieser virtuellen Wiederbegegnung weitergehen soll. Jang hockt sich neben das Bett ihrer Tochter, wie sie es wohl zu Lebzeiten so oft gemacht hat, wann immer Nayeon nicht schlafen konnte oder Albträume hatte. „Mama liebt dich so sehr, Nayeon. Wo auch immer du bist, ich werde nach dir Ausschau halten. Ich habe noch Dinge zu tun. Aber wenn ich damit fertig bin, dann werde ich mit dir sein”, sagt sie. „Dann werden wir wieder zusammen sein. Dann wird es uns beiden gut gehen.” „Ich bin müde, Mama”, sagt Nayeon und kuschelt sich in das Kopfkissen. „Mama, bleib bei mir.
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Mama, auf Wiedersehen.” Ein weiß leuchtender Schmetterling kommt herangeflogen und setzt sich auf den liegenden Körper des Kindes. „Ich liebe dich, Mama”, sagt Nayeon wie im Halbschlaf. „Ich liebe dich auch”, antwortet Jang unter Tränen. Sie streckt noch einmal ihre Hand zu ihrer Tochter aus – und greift doch wieder nur ins Leere. Da breitet sich das gleißend weiße Licht aus, als hätte Jangs Versuch, ihre Tochter zu berühren, das Bild gelöscht. Als es wieder hell wird, ist ihre Tochter verschwunden. Nur der weiße Schmetterling fliegt noch herum, bevor auch er verschwindet und mit ihm alles Licht.
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Fiction und Cyberpunk seinen Anfang nahm, wird in den kommenden Jahren zunehmend unser Leben bestimmen und das „Mensch-Sein” grundlegend verändern. Wir erleben einen Tabubruch.
Was passiert, wenn dem Menschen seine letzte Gewissheit genommen wird – die Endlichkeit seines Lebens? Was bedeuten digitale Klone für das Selbstverständnis des Menschen? Können wir es wagen, in den Kreislauf von Leben und Sterben einzugreifen und Menschen (digiAcht Monate hat das Unternehmen tal) unsterblich werden zu lassen? Vive Studios aus Seoul gebraucht, Was bedeutet es psychologisch um aus Video- und Tonaufnahmen für Hinterbliebene, wenn sie nicht der Familie die Stimme der verstorloszulassen brauchen, weil sie mit benen Siebenjährigen zu extrahie„Verstorbenen” weiterleben Können wir es wagen, in den können? Wer hat das Recht zu bestimmen, ob Menschen Kreislauf von Leben und Sterdigital wiederauferstehen: ben einzugreifen und Menschen die Angehörigen? Die Unter(digital) unsterblich werden zu nehmen, die die Daten der Verstorbenen besitzen? lassen? Was bedeutet es für unsere Gesellschaften, wenn Präsidenten, ren, ihr Gesicht und ihren Körper die schon zu Lebzeiten unaufhörvirtuell zu rekonstruieren und mit den computererfassten Bewegungen lich twittern, nicht einmal nach dem eines lebenden Kindes zu verbinden. Tod die Klappe halten müssen? Wer übernimmt die Verantwortung für Die Sätze, die die untote Nayeon im die digitalen Untoten, die durch das virtuellen Park sagt, haben andere Netz geistern? Was bedeutet es für Kinder eingesprochen. Anschlieden Fortschritt, wenn uns künftig ßend sind diese Stimmen mit der Ewiggestrige bevölkern? Und was Stimme Nayeons gemischt worden. bedeutet es für das Erinnern selbst, Um die Persönlichkeit des Kindes wenn nichts und niemand mehr verzu erfassen, hat sich der Regisseur loren geht? …Vielleicht ist das alles durch Terrabytes von Handyvideos nur der Anfang: der Anfang vom und -fotos gearbeitet. Nayeon war 2010 geboren worden, also drei Jahre Ende unserer Endlichkeit. D nach Erfindung des Smartphones. Sie hat in einer Zeit gelebt, in der Eltern jeden Tritt und Schritt ihrer Zöglinge aufzeichnen, zumal im technikbegeisterten Südkorea. Was aus all diesen Daten entstehen kann, dafür ist die lebensechte Simulation des koreanischen Mädchens nur ein erster unheimlicher Beweis. Was vor Jahrzehnten als Fantasie in Science
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Die Lösung NACH DEM AUFSTAND DES 17. JUNI LIESS DER SEKRETÄR DES SCHRIFTSTELLERVERBANDS IN DER STALINALLEE FLUGBLÄTTER VERTEILEN AUF DENEN ZU LESEN WAR, DASS DAS VOLK DAS VERTRAUEN DER REGIERUNG VERSCHERZT HABE UND ES NUR DURCH VERDOPPELTE ARBEIT ZURÜCKEROBERN KÖNNE. WÄRE ES DA NICHT DOCH EINFACHER, DIE REGIERUNG LÖSTE DAS VOLK AUF UND WÄHLTE EIN ANDERES? 1953
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60 Jahre Mauerbau
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Der Mauerbau und die Rundfunkmedien der DDR Auf einer Pressekonferenz vor 60 Jahren, am 15. Juni 1961, fiel in Ostberlin der berühmt berüchtigte Satz: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.“ Walter Ulbricht hatte die Frage verneint, ob es demnächst zur Abriegelung der Berliner Grenzen kommen werde. Am 3. August 1961 jedoch berieten Ulbricht und der sowjetische Staatschef Chruschtschow in einem Geheimgespräch über eine Abriegelung Ostberlins von Westberlin. In der Nacht vom 12. auf den 13. August 1961 begannen NVA, Grenzpolizei und Volkspolizei im Auftrag der DDR-Führung mit der Sperrung von Straßen und Gleiswegen nach Westberlin.
abgetrennte Insel der BRD mitten in der DDR. In der Ost-Propaganda wurde der Mauerbau als Notwendigkeit eines „antifaschistischen Schutzwalls“ bezeichnet. Die Sperranlagen richteten sich allerdings gegen die eigenen Bürger. Dieser Umstand durfte in der Öffentlichkeit ebenso wenig thematisiert werden wie die Tatsache der massenhaften Flucht aus der DDR. In der DDR-Wochenschau „Der Augenzeuge“ hieß es, der Bau der Berliner Mauer sei notwendig, um einen bewaffneten Überfall der Bundesrepublik auf die DDR und einen Krieg zu verhindern. Die Rundfunkmedien der DDR waren als staatliche Medien zugleich Sprachrohre und offizielle Verlautbarungsorgane von Staat und Partei.
circa zwei Drittel des Programmes einnahmen. Davon entfiel ein Großteil auf Unterhaltungs- und Tanzmusik, während die E-Musik ein Schattendasein im Programm führte.
Durch den Mauerbau wurde Westberlin von allen Seiten mit einer Mauer abgeriegelt und lag wie eine
Und was gab es vor 60 Jahren im Radio zu hören? Klar ist, dass Musiksendungen im Berliner Rundfunk
Bemerkenswert in der Rundfunkpolitik der DDR ist, dass die Musik im Hörfunk-Programm seit Ende
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der 1950er Jahre in ebenso großem Maße unter Beobachtung und Reglementierung stand wie die Wortanteile. Die SED setzte den Rundfunk ganz gezielt ein, um eigene politische Ziele zu propagieren. Dazu gehörte, die Westpolitik, den dortigen „Amerikanismus“, „Imperialismus“, „Militarismus“ und „Kulturverfall“ anzuprangern. In diesem Sinne sollte auch die Rundfunkmusik eingesetzt werden: Auch sie sollte mithelfen, die „sozialistische Kulturrevolution“ voranzutreiben. Dafür wurde erstmals 1957 eine Quote eingeführt, nach der nur noch 40 Prozent der Tanz- und Unterhaltungsmusik aus dem Westen
stammen durften. Die restlichen 60 Prozent mussten DDR-Eigenproduktionen und Übernahmen von anderen sozialistischen Ländern sein. Wie „anspruchsvollere“ Sendungen am Abend und in der Nacht zugunsten von Unterhaltungsund Tanzmusik oder auch agitatorischer Musik aus dem Programm genommen wurden, lässt sich anhand von Beispielen vom 13. bis 15. August 1961 belegen: Ein Brecht-Liederabend um 20 Uhr (welche Songs gespielt werden sollten, ist nicht überliefert) musste einfacher „Tanzmusik“ weichen, 20 Minuten Orgelmusik von Joseph Haydn vor Mitternacht wurden zugunsten von „Märschen und Kampfliedern“ gestrichen und die zeitgenössische Kammermusik mit Kompositionen von Ottmar Gerster und Willi Schabbel musste einer
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halben Stunde Unterhaltungsmusik mit eingeschobenem Beitrag „Kalter Krieg in Westberlin“ den Vorzug geben. Die Vermutung liegt nahe, dass der vermehrte Einsatz von leichter Musik beruhigend und beschwichtigend, auch positiv ermunternd auf die mental angespannte Bevölkerung wirken sollte. Musikalisch anspruchsvollere Formen – selbst wenn ihnen ideologisch „einwandfreie“ Programme wie Lieder von Brecht zugrunde lagen – wollte man in jenen Tagen der Bevölkerung scheinbar nicht zumuten, beziehungsweise hatten sie nicht die gewünschte affirmative Wirkung. Da dem Rundfunkarchiv keine Titellisten zu diesen geänderten Programmen vorliegen, können die genauen, tatsächlich gesendeten Abläufe nicht rekonstruiert werden. In der Woche des Mauerbaus wurde durchgängig die Nationalhymne der DDR gestrichen, mit der – laut Programmplan – eigentlich täglich das Programm in den frühen Morgenstunden hätte eröffnet werden sollen. Dies kann als erstes Anzeichen auf das Hadern der SED mit dem Text ihrer eigenen Hymne gedeutet werden. Besonders die Zeile „Deutschland, einig Vaterland“ führte dazu, dass später – ab den frühen 1970er Jahren – die Hymne bevorzugt textlos aufgeführt wurde. In der gesamten Sendewoche schien man auf die Tatsache zu reagieren, dass die Politik der DDR nun endgültig der Möglichkeit einer Vereinigung der beiden Teile Deutschlands den Rücken zugewandt hatte. Wie wir heute alle wissen, war das Trennende nicht von Dauer – seit 1990 ist Deutschland wiedervereinigt. D
Die Müller Martini-Technologie der „fliegenden Heftköpfe” garantiert eine hohe Prozesssicherheit. Unabhängig von der jeweiligen Geschwindigkeit, erzielt das Heftsystem eine konstant erstklassige Klammerheftung.
Das automatische BogenerkennungsSystem Asir (Automatic signature image recognition) garantiert, dass Zeitschriften und Broschüren vollständig und ohne falsche oder doppelte Bogen produziert werden. Der Asir 3-Sensor sorgt in Anlegern von Sammelheftern dafür, dass Produkte fehlerlos zusammengestellt werden.
Ich bin ein Berliner. Reinhard Berlin 1989, als die Mauer noch stand.
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INVESTITION
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Menschen bei BerlinDruck
Zeigen, was geht – BerlinDruck
“ZUSAMMENKOMMEN IST EIN BEGINN, ZUSAMMENBLEIBEN EIN FORTSCHRITT, ZUSAMMENARBEITEN EIN ERFOLG.“ Unsere Passion ist die Liebe zu auf tollem Papier gedruckten Produkten, und wir sind fest von dem dadurch entstehenden Mehrwert überzeugt. Die technischen Gegebenheiten unserer Produktion sind stets auf dem neuesten Stand. Wir bieten unseren Mitarbeitern abwechslungsreiche Arbeitsplätze und wollen sie bestmöglich innerhalb des Unternehmens fördern. Das alles macht unser ZUSAMMEN aus!
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Das Magazin von BerlinDruck
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Ohne Technik wäre der beste Drucker ein Cowboy ohne Pferd. Nicht um zu protzen, sondern aus Notwendigkeit verfügen wir über die modernste Technik und über die neuesten Programme, die der Markt zu bieten hat.
In einer Druckerei machen sich immer gleich drei Expert*innen ans Werk: Setzer, Drucker und Buchbinder. Drucker gibt es nie im Singular, sondern immer nur im Dreierpack. Nur die Berufsbezeichnungen lauten heute anders: Aus dem Drucker wurde „Medientechnolog*in Druck“, aus dem Setzer „Mediengestalter*in Digital/Print“ und Buchbinder nennt sich heute „Medientechnolog*in Weiterverarbeitung“.
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#aufdenpunkt Die Neuauflage unserer Leistungsbroschüre zeigt, was geht. Bestellen Sie sich Ihr Exemplar, Stichwort AUFDENPUNKT unter info@berlindruck.de
Sie sorgen für schwarz auf weiß, hart auf weich oder bunt auf grau. Zugegeben: Nullen und Einsen haben die Welt revolutioniert. Wo über 500 Jahre Gutenberg mit eiserner Faust sein Revier verteidigt hat, ist durch Software das Leben in den letzten Jahrzehnten deutlich komfortabler geworden. Aber löst sich deshalb die Welt komplett in Pixel auf? Im Gegenteil: Der digitale Wandel sorgt für eine Renaissance des Dinglichen. Menschen sehnen sich nach konkreten Erfahrungen und sinnlichem Erleben. Sie setzen
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Investitionen
auf gedruckte Medien, weil diese Großes leisten – Größeres, als auf noch so große Bildschirme passt. Mehr und mehr geht es um Glaubwürdigkeit, um Design, um Haptik und um die geheime Macht einer magischen Typografie. Die Digitalisierung revolutioniert Geschäftsmodelle.
Aber wie wir wahrnehmen, wie unsere Gefühle entstehen und wie wir Entscheidungen treffen, das folgt seit jeher den gleichen Prinzipien.
Das ist die Berliner Luft, Luft, Luft! Die gute Luft kommt jetzt aus einem nagelneuen Spezialcontainer. Fast alle Maschinen für die
Ihre Ansprechpartner*innen bei BerlinDruck
Schaltung werden je nach Bedarf die einzelnen Kompressoren einund ausgeschaltet. Das ist auch ökologischer, weil nur die Menge Luft verarbeitet wird, die gerade benötigt wird. D
fleißigen Drucker vom Bremer Kreuz brauchen Saug- oder Blasluft. Aus vielen einzelnen Kompressoren wurde jetzt eine Hightech-Anlage mit drei Kompressoren und einer Blasluftpumpe im Container verbaut, die zentral die Maschinen versorgt. Der größte Vorteil: In der Buchbinderei ist es bedeutend leiser. Und natürlich sorgen die Filter auch für saubere Luft. Durch eine intelligente elektronische
Hedda Berlin Telefon +49 (0) 421 43871 - 0 hedda@berlin.sc Reinhard Berlin Telefon +49 (0) 421 43871 - 0 reinhard@berlin.sc Sonja Cordes Kalkulation und Auftragsmanagement Telefon +49 (0) 421 43871 - 21 sonja.cordes@berlindruck.de Björn Gerlach Kundenberatung Telefon +49 (0) 421 43871 - 24 Mobil +49 (0) 172 9438717 bjoern.gerlach@berlindruck.de
Spezialcontainer mit einer Hightech-Anlage mit drei Kompressoren und einer Blasluftpumpe
Nele Gores Mediengestalterin Telefon +49 (0) 421 43871-22 nele.gores@berlindruck.de Katrin Harjes Kalkulation und Auftragsmanagement Telefon +49 (0) 421 43871-30 katrin.harjes@berlindruck.de Stephan John Kalkulation und Auftragsmanagement Telefon +49 (0) 421 43871-25 stephan.john@berlindruck.de Ilka König Mediengestalterin Telefon +49 (0) 421 43871-50 ilka.koenig@berlindruck.de Dirk Lellinger Leitung Druckvorstufe Telefon +49 (0) 421 43871-23 Mobil +49 (0) 172 8843717 dirk.lellinger@berlindruck.de Rolf Mammen Buchhaltung, EDV Telefon +49 (0) 421 43871-20 rolf.mammen@berlindruck.de Alexandra Reimers Kundenberatung Telefon +49 (0) 421 43871-40 Mobil +49 (0) 172 8438716
Dass zufriedene Mitarbeiter*innen die Grundlage für den durchschlagenden Erfolg und zufriedenstellende Kundenbeziehungen sind, erwähnen wir an dieser Stelle gern. Und auch unsere Partner an der anderen Seite der Leistungskette, unsere Lieferanten, profitieren davon, dass wir nicht auf den schnellen Deal, sondern auf eine langfristige Zusammenarbeit setzen.
alexandra.reimers@berlindruck.de
Thomas Robel Kundenberatung Telefon +49 (0) 421 43871-18 Mobil +49 (0) 172 8438715 thomas.robel@berlindruck.de Marvin Rönisch Digitalisierung, Projektmanagement Telefon +49 (0) 421 43871-27 marvin.roenisch@berlindruck.de
Frank Rüter Geschäftsführer Telefon +49 (0) 421 43871-15 frank.rueter@berlindruck.de Walter Schwenn Betriebsleiter Telefon +49 (0) 421 43871-31 walter.schwenn@berlindruck.de
Wie sagte schon Henry Ford: „Zusammenkommen ist ein Beginn, Zusammenbleiben ist ein Fortschritt, Zusammenarbeiten ist ein Erfolg.“ Es drückt eine tiefe und wichtige Wahrheit aus. Miteinander arbeiten bringt langfristigen Erfolg, Wohlstand und Zufriedenheit. Daran messen wir uns jeden Tag. D
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Michaela von Bremen Sekretariat, Zentrale Telefon +49 (0) 421 43871-0 zentrale@berlindruck.de
Vorschau #9 Unsere Sommer-Ausgabe #9 hat das Thema „Fokus!“. Viele meinen, es gäbe nur zwei echte Erfolgsfaktoren: Intelligenz und Fokus. Doch wie schaffen wir es, fokussierter zu leben, zu lernen und zu arbeiten? Wie können wir durch Konzentration und Selbstreflektion uns weiterentwickeln und uns selbst optimieren? Wie bringen wir ein chaotisch kreatives Laissez-faire und eine preußisch korrekte Strenge zusammen? So geht es in Heft #9 ums Fokussieren, um den richtigen Arbeits-Flow und darum, wie unsere Branche widerstandsfähiger wird. Freuen Sie sich wieder auf namhafte Autor*innen und spannende Interviewpartner*innen in Heft #9. Wir freuen uns auf Ihre Anregungen und Ihr Feedback – gern an: passion@quintessense.de
Fokussierung bedeutet, dass für eine gewisse Zeit auf das momentan Ausgeübte oder Empfundene geachtet wird, je nach Aufgabe auch auf Kommendes. Beim Bogenschießen nehmen wir unser Ziel ins Visier, beim Zeichnen einer Linie, die einen Punkt berühren soll, schauen die Augen bereits auf den Punkt, während die Linie gezogen wird.
BerlinDruck GmbH + Co KG Oskar-Schulze-Straße 12 28832 Achim info@berlindruck.de Telefon +49 (0) 421 43871-0
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Essay
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Ein Essay von Mirko Bonné
Einsam oder gemeinsam Uns allen gemeinsam ist eine Erfahrung, die jede und jeder von uns einzig für sich machen kann – nämlich herauszufinden, worin der Unterschied besteht, entweder allein oder aber zusammen zu leben. Die Frage reicht zurück in die Kindheit, die, wie Jacques Brel sagte, kein Zeitabschnitt ist, sondern ein Ort. Der Enge des Elternhauses, dessen Wände und Decken sich mit den Jahren aufeinander zuzubewegen scheinen, wohnt oft verzweifelte Geborgenheit inne. Wohngemeinschaften der Studienjahre sind so betrachtet Alltagsschulen. Auch deshalb schrumpfen WGs zumeist: Erst wohnt man zu sechst, dann zu viert und zu dritt und unversehens zu zweit. Währenddessen bleibt die Frage unverändert bestehen. Will ich, kann ich überhaupt allein leben? Wann und wodurch wird aus Alleinsein Einsamkeit? Kann ich, will ich wirklich mit ihr oder ihm zusammenleben? Was verwandelt liebe Gewohnheiten, ja Liebe selbst irgendwann in Trott? Wie so oft in lebenswichtigen, da über das Lebensglück entscheidenden Fragen geht es um Verwirklichungsbereitschaft – darum, in vermeintlichem Unabhängigkeitsbestreben, das zwar kurzfristig beglückt, mich jedoch zurückwirft auf mich selbst und dadurch in die Irre führt, eine regressive Stagnation zu erkennen. Austausch hingegen fußt auf selbstbestimmter Verhandlung notwendiger Freiheiten – somit realer, in Alltag und Wohnsituation verwirklichter Freiräume für mich, im gleichen Maß aber für den Menschen im Nebenzimmer. Der US-amerikanische Erzähler Richard Ford beginnt seinen 1995 erschienenen Roman Unabhängigkeitstag bewusst mit der ganze 80 Seiten umfassenden Beschreibung einer Hausbesichtigung. Erzählendes Ich ist der Immobilienmakler Frank Bascombe, der in Vermont einem Ehepaar mit mittlerem Einkommen ein Haus zeigt: „Ein bisschen ab vom Schuss. Ein Rasen mit einem gesunden alten Ahorn, ein paar ältere Sträucher, eine angebaute Garage, die vielleicht erweitert werden müsste. Übernahme der Hypothek oder eigentümerfinanziert, etwas, womit sie leben konnten. Nichts Überkandideltes: ein vernünftiges Haus für die noch einmal beginnende Kleinfamilie, die mit einem Kind an Bord ins dritte Quartal des Lebens eintrat. Irgendwas um die 148 Riesen, etwa 250 Quadratmeter Wohnfläche, in der Nähe eine Schule und mit einem zu Fuß erreichbaren Lebensmittelgeschäft.” Äußerlichkeiten. Doch entscheidende. Meisterhaft nutzt Ford die dargestellte Hausbegehung mit dem verunsicherten Paar, um unter der Hand einen so launischen wie profunden Essay zum Thema moderne Behaustheit zu entwickeln. Der Roman spielt nicht zufällig an den Tagen um den 4. Juli: Unabhängigkeit, nach Richard Ford ist sie „die Freiheit, Fehler abzulegen, das Vergangene ruhen zu lassen und sich in die Lage zu versetzen, neue Beziehungen zur Welt zu knüpfen, die bis ans Lebensende tragen sollen.”
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Der 4. Juli 1988, an dem Fords Independence Day endet, liegt 33 Jahre zurück – was schon der geradezu absurd niedrig anmutende Kaufpreis für jenes Haus in Vermont verdeutlicht. Heute kostet eine solche Bleibe mindestens das Dreifache – wodurch sich die Anzahl möglicher Käufer oder Käuferinnen um denselben Faktor verringert. Unverändert mag zwar jeder entscheiden können, ob sie oder er allein leben oder mit jemandem zusammenwohnen möchte. Über die mittlerweile eklatant eingeschränkten Auswahlmöglichkeiten an Wohnraum, zumal familiengerechtem, sagt das jedoch nichts aus. Solvenz ist heute nichts anderes als ein Lifestyle-Begriff für Ausgrenzung. Kompromissloser und archaischer als Ford in seinem bitteren, doch stets menschenfreundlichen Realismus schildert die Zusammenhänge von Wohnen und Wirklichkeit, von Selbstsucht und Solidarität Albert Camus. In der Novelle Jonas oder Der Künstler bei der Arbeit aus dem 1957 veröffentlichten Band Das Exil und das Reich erzählt Camus die Geschichte seines Alter Egos Gilbert Jonas, ein Maler, der, zusammen mit seiner Frau und später drei Kindern, in einer kleinen Pariser Altbauwohnung mit auffällig hohen Decken lebt. Der allseits bewunderte Künstler, so Camus, „empfand Sympathie für jedermann. Aber das Leben ist kurz, die Zeit verfliegt, und seine eigene Energie hatte ihre Grenzen. Es war schwer, die Welt und die Menschen zu malen und zur gleichen Zeit mit ihnen zu leben.” Je berühmter Jonas wird, umso mehr gleicht seine Wohnung einem Taubenschlag. Freunde, Schüler, Handwerker, Kinder, Kindermädchen, Verwandte der Kindermädchen, Kritiker und Käufer kommen unangemeldet zu Besuch und bleiben, so lange sie Lust haben, dem Künstler beim Arbeiten und Leben zuzusehen. Zwischen Familie, Haushalt und Besuch aufgerieben, bleibt Jonas keine Zeit, kein Raum mehr. Sein Atelier wird Kinderzimmer. Eine Weile malt er im Schlafzimmer, wo man ihn vom Bett aus bewundert, dann in der Dusche. Sein Freund Rateau fragt ihn: „Existierst du überhaupt?”, und freundlich wie eh und je erwidert Jonas: „Nein, ich bin mir nicht sicher, dass ich existiere. Aber ich werde existieren, dessen bin ich gewiss.” Eine Behausung, in der sich die ersehnte Existenz verwirklichen lässt, baut sich Jonas kurzerhand selbst: Im Flur zimmert er sich in zwei Metern Höhe einen Verschlag, wo er isst, schläft, nachdenkt und von wo er bald nicht mehr hinuntersteigt. Nur einmal noch arbeitet er dort oben, wo er lebt wie sein Namensvetter im Bauch des biblischen Wals: Auf eine weiße Leinwand malt Jonas ein einziges, winziges Wort, das entweder „solitaire” oder „solidaire” heißen kann – einsam oder gemeinsam. D
Mirko Bonné, 55, ist ein deutscher Schriftsteller und Übersetzer. Bonné ist Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland. Er lebt in Hamburg. Neben zahlreichen Auszeichnungen war Bonné mit Wie wir verschwinden, mit Nie mehr Nacht und Lichter als der Tag 2009, 2013 und 2017 zum Deutschen Buchpreis nominiert. Sein neuester Roman ist Seeland Schneeland, 2021 erschienen im Verlag Schöffling & Co.
448 Seiten, 39,90 Euro ISBN 978-3895614101
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