4
IM FOKUS
Samara Joy »Linger awhile«: Die 24-Jährige betört auf ihrem n euen Album mit Jazzstandards
Ella Fitzgerald, Billy Holiday, Sarah Vaughan, Dianne Reeves, Dee Dee Bridgewater und Cassandra Wilson: In diese Liste der ganz großen amerikanischen Jazzsängerinnen könnte sich bald ein weiterer Name einreihen: Samara Joy. Mit Anfang zwanzig besitzt die junge Sängerin bereits die Bühnenpräsenz und künstlerische Reife einer Jazzdiva, und sie begeistert Publikum und Kritik gleichermaßen. Nach ihrem sensationellen Auftritt, ihrem Österreichdebüt, im Jahr 2022 ist sie im April erneut im Wiener Konzerthaus zu Gast.
VON MIRIAM WEISS
Joy wurde von der Natur mit einer unverwechselbaren, warm timbrierten Stimme beschenkt, die mühelos zwischen zarter Höhe und dunkler Tiefe navigieren kann. Doch die schönste Stimme kann nicht glänzen, wenn nicht ein feines Gespür für Melodie und musikalische Gestaltung hinzukommt. Joy hat all das: Sie musiziert mit schlafwandlerischer Intuition, sie phrasiert elegant und umwerfend natürlich an der Melodie der
Jazzstandards entlang, entschwebt in ihren Linien dem Bandgroove mit kapriziöser Leichtigkeit, um dann in erdenden Swing zurückzukehren. Ihr momentan liebstes Spielfeld ist das »Great American Songbook«. Mit ihrer Auswahl aus dieser »Bibel des Jazz« verneigt sich Joy vor der Tradition – nicht als Hüterin einer vergangenen Epoche, sondern als Interpretin von heute, die jeden Song zu ihrem eigenen macht. Dabei ist sie, wie sie stets betont, im Jazz noch ein Neuling (man glaubt es kaum!). Umgeben von Musik war sie in ihrem New Yorker Elternhaus allerdings ständig: Ihre Großeltern väterlicherseits, Elder Goldwire und Ruth McLendon, leiteten die bekannte Gospelformation The Savettes aus Philadelphia. Ihr Vater tourte als Sänger, Bassist und Songwriter mit dem berühmten Gospelmusiker A ndraé Crouch, die Tante ist Pianistin, der Onkel Schlagzeuger. Das Plattenregal war gut gefüllt mit Musik von Gospel- und R&B-Künstler:innen wie Stevie Wonder, Lalah Hathaway,