"die beste Zeit", Juli-September 2021

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ISSN 18695205

Ausstellung Beuys-Fotografien von Ute Klophaus im Von der Heydt-Museum Porträt Nayoung Kim und Eddie Martinez tanzen in der Lichtburg Bühne Julia Wolff gibt ein beeindruckendes Regie-Debut Unesco Kulturerbe Orgeln zwischen Wupper und Dhünn Unternehmerisches Engagement Der Investor Christian Baierl im Gespräch Biographie Von Barmen nach Amerika - Hermann Enters wandert aus 0 3 / 2 0 21 Juli - S e p t e m b e r / 5. 8 0 €



Editorial Liebe Leserinnen und Leser, während der gefühlt nicht enden wollenden Pandemie fielen das Leben im Allgemeinen und das kulturelle Leben im Besonderen in einen Dornröschenschlaf. Dass Kultur aber ein Lebensmittel ist, ohne das Menschen nicht die sein können, die sie sein könnten, geriet vielfach aus dem Blick. Haben Sie sich auch bang und klammheimlich gefragt, ob Kultur diese Zeit unbeschadet überstehen könne? Ob Theater oder andere kulturelle Einrichtungen schließen müssten? Und was wohl mit jenen geschehen wird, die nicht am Tropf der öffentlichen Subventionen hängen? Hängen gelassen haben sich weder die Kulturschaffenden noch -verantwortlichen. Vielmehr haben Sie die Zeit genutzt, um an Projekten für die Zeit nach der Pandemie zu arbeiten. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Dabei fällt auf, dass das Virus auch Einfluss auf künstlerische Ausdrucksformen nimmt. Durch das Streamen von Kulturereignissen wurden gerade beim Theater neue hybride Formate entwickelt, wie etwa bei Torsten Krugs freier Theaterproduktion „Engelsmaschine“ (Ich kann nachts nicht schlafen vor lauter Ideen des Jahrhunderts), in der Julia Wolff vom Wuppertaler Schauspiel in die Titelrolle des Friedrich Engels schlüpft. Eine Live-Cam nimmt ihr Spiel auf und projiziert sie als Bühnenbild; gleichzeitig kann das Stück via Internet übertragen werden. Ganz ähnliche Wege geht Wolff bei ihrem tief beeindruckenden Regiedebüt in „All the Ways to Say I Love You“ des US-amerikanischen Dramatikers Neil LaBute in Zusammenarbeit mit der Wuppertaler Schauspielerin und Autorin Beate Rüter. Hochinteressant ist, dass Krug seinen Revolutionär Engels ebenso mit einer Frau besetzt wie das Wuppertaler Schauspiel Danton in Büchners Revolutionsdrama.

tretende Direktorin des Von der Heydt-Museums, erinnert im Interview mit der besten Zeit daran, dass Beuys hier als junger Künstler im Jahr 1953 seine erste museale Ausstellung hatte. Klophaus gelangte 1965 durch eine Fotodokumentation des legendären Happenings in der Wuppertaler Galerie Parnass von Rolf Jährling in Kontakt zur Fluxus-Szene. Wer tiefer in diese spannende Zeit der deutschen Kunst eintauchen will, gehe in den Skulpturenpark Waldfrieden, wo ihn eine Begegnung mit Werken Heinz Macks, Mitbegründer der international einflussreichen ZERO-Gruppe, erwartet. Einen Vorgeschmack darauf bietet der Bericht von Ruth Eising. Zu den kulturellen Heldinnen Wuppertals zählt zweifellos Pina Bausch. Wie sich mit Nayoung Kim und Eddie Martinez in der Lichtburg des Tanztheater Wuppertal nun zwei Kunstschaffende aus dem langen Schatten der Wuppertaler Tanzikone herausbewegen und künstlerisch eigenständige Wege gehen, darüber berichten Anne-Kathrin Reif (Text) und Willi Barczat (Fotos). Das Editorial kann naturgemäß nur einen kaleidoskopartigen Überblick über die Fülle der aktuellen Ausgabe der besten Zeit geben so wie die Kulturzeitschrift ihrerseits nur Schlaglichter auf die faszinierende Fülle und Qualität des kulturellen Lebens im Bergischen Land. Viel Freude beim Frühlingserwachen aus dem kulturellen Tiefschlaf wünscht Ihnen allen die Redaktion der besten Zeit. Heiner Bontrup

Dass in einer Stadt wie Wuppertal die Kultur so blühen kann, ist kein Zufall. Für Nick Dmitriev, den leider viel zu früh verstorbenen Organisator der russischen Free-JazzSzene, ein enger Freund von Peter Kowald und Peter Brötzmann, war die Schwebebahnstadt ein Ort „kultureller Helden“. Zweifellos zählt dazu auch Ute Klophaus. Das Von der Heydt-Museum zeigt anlässlich des 100. Geburtstages von Joseph Beuys Schwarz-Weiß-Fotos der gebürtigen Wuppertalerin, die das künstlerische Schaffen Beuys‘ über viele Jahre dokumentierte. Dr. Antje Birthälmer, stellver-

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Inhalt 4 Aus der Zeit gerissen – Joseph Beuys: Aktionen – fotografiert von Ute Klophaus

Ute Klophaus und Joseph Beuys

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Heinz Mack im Skulpturenpark Waldfrieden

Licht, Bewegung, Raum

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Nayoung Kim und Eddie Martinez vom Tanztheater Wuppertal Pina Bausch haben den Shutdown genutzt, um Solostücke zu entwickeln

In der Lichtburg aus dem kreativen Schatten

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„Tanz Station – Barmer Bahnhof“ mit Thusnelda Mercy, Pascal Merighi und Angela Köneke

Neuer Kreativort für die Tanzszene

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Lust auf Kreativität, Mut und Selbstentgrenzung

Suchen & Finden – Das Education-Projekt des Tanztheater Wuppertal Pina Bausch 28 Fritz Gerwinn war Premierengast am 4. Juni 2021 im Opernhaus Wuppertal

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Luigi Nono: Intolleranza 2021

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Das Schauspiel Wuppertal inszeniert „Dantons Tod“

Büchners Revolutionsdrama als nihilistischer Grabgesang auf den Menschen 34 Welches Gewicht hat eine Lüge?

„All The Ways To Say I Love You.“

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Musikneuerscheinungen aus dem Tal

New Sounds from Whoopataal! Orgeln im Bergischen Land – Unesco-Kulturerbe zwischen Wupper und Dhünn

Die heilige Dreieinigkeit

Der Bericht des Amerika-Auswanderers Hermann Enters aus Unterbarmen bekommt eine Fortsetzung

Von Unterbarmen nach Amerika

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Unternehmerisches Engagement für historische Gebäude trifft in Wuppertal auf kreativen Nährboden

Menschen prägen Räume und Gebäude 58 „out and about“ geht weiter

Kreativ durch die Krise Den Hesselnberg und die Südstadt thematisieren drei Bücher aus verschiedenen Perspektiven

Bücher vom magischen Berg Kulturtipps

für Kinder und Jugendliche

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Neue Kunstbücher vorgestellt von Thomas Hirsch

Verschiedene Strategien der Annäherung 70 Ausstellungen, Musik, Bühne, Literatur, Vortrag

Kulturtipps

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Impressum

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Joseph Beuys in der Aktion: „Titus/Iphigenie“, J. Beuys/J. W. v. Goethe/C. Peymann/W. Shakespeare/W. Wiens, 29. Mai 1969, 20 Uhr, Theater am Turm, Frankfurt am Main, Fotografie: Ute Klophaus, Courtesy Sammlung Lothar Schirmer © Nachlass Ute Klophaus, © für das Werk von Joseph Beuys: VG Bild-Kunst, Bonn, 2021

Den Künstler Joseph Beuys (1921-1986) und die Fotografin Ute Klophaus (1940-2010) verband eine lange intensive Arbeitsbeziehung. Sie fotografierte seine Aktionen über zwei Jahrzehnte und prägte so das Bild des Künstlers mit. Dr. Antje Birthälmer, stellvertretende Direktorin des Von der Heydt-Museum, erläutert, wie sie die Ausstellung kuratiert hat, und was das Besondere an den Schwarz-Weiß-Fotos der gebürtigen Wuppertalerin ist. Das Interview für „die beste Zeit“ führte Marion Meier.

Woher kam die Idee zu der Ausstellung? Mit der Ausstellung trägt das Von der Heydt-Museum zum Programm des Jubiläumsjahrs „beuys 2021“ bei, das das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen initiiert und gefördert hat. Unsere Ausstellung zu Ute Klophaus nimmt dabei spezifisch Bezug auf Wuppertal, seine Bedeutung für Beuys und die Happening- und Fluxus-Bewegung der Zeit, aber rückt auch eine große Künstlerin ins Blickfeld, die hiermit ebenfalls gewürdigt wird: Kein anderer Fotograf und keine andere

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Ute Klophaus und Joseph Beuys Aus der Zeit gerissen – Joseph Beuys: Aktionen – fotografiert von Ute Klophaus. Das Von der Heydt-Museum Wuppertal zeigt Schwarz-Weiß-Fotos der gebürtigen Wuppertalerin aus der Sammlung Lothar Schirmer, München

Ute Klophaus, Selbstporträt, Fotografie: Ute Klophaus, Courtesy Sammlung Lothar Schirmer, © Nachlass Ute Klophaus

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Fotografin haben die Wahrnehmung von Joseph Beuys als Künstler und als Mensch derart geprägt wie Ute Klophaus. Welchen Bezug hatte Beuys zum Von der Heydt-Museum? Beuys hatte hier als junger Künstler im Jahr 1953 – seinerzeit hieß das Museum noch Städtisches Museum Wuppertal – seine erste museale Ausstellung jemals: Plastische Werke, Zeichnungen und Holzschnitte aus der Sammlung van der Grinten in Kranenburg wurden gezeigt. Der damalige Museumsdirektor Harald Seiler hatte sich dazu vorab eigens das Einverständnis von Beuys‘ wichtigstem Lehrer an der Düsseldorfer Akademie, Ewald Mataré, geholt. 18 Jahre später, 1971, war Joseph Beuys, inzwischen selbst Professor an der Düsseldorfer Kunsthochschule, abermals zu Gast im Von der Heydt-Museum: Zu sehen waren 80 Zeichnungen, zahlreiche Objekte sowie einige frühe Arbeiten. Worauf liegt der Fokus in dieser erneuten Ausstellung zu Beuys? Unsere Ausstellung stellt ihn als Aktionskünstler vor und präsentiert damit eine Seite seines Schaffens, die direkt und unmittelbar seinen „erweiterten Kunstbegriff“ repräsentiert. Zugleich würdigt sie die aus Wuppertal stammende Fotografin Ute Klophaus, die Beuys und seine Kunst in den Fokus ihrer Arbeit stellte. Wie ist Beuys‘ „erweiterter Kunstbegriff“ genau zu verstehen? Man kennt ja den berühmten Satz: „Jeder Mensch ist ein Künstler.“ Mit seinem „erweiterten Kunstbegriff“, der jedem Menschen Schöpferkraft zusprach, suchte Beuys einen grundlegenden Wandel der menschlichen Haltung herbeizuführen. Die ganzheitlichen, universalen Zusammenhänge sollten bewusst gemacht werden. Welche Rolle spielten hierbei seine Aktionen? Joseph Beuys hat mit seinen Aktionen die Welt der Kunst und unser Denken verändert. Sie, die Aktionen, fordern immer noch heraus und wirken stark nach. In ihnen zeigt sich besonders eindringlich, wie tiefgreifend Beuys unser Verständnis und unseren Begriff von Kunst verändert und wie radikal er ihn erweitert hat. In den Aktionen stellte er durch das Agieren mit verschiedenen Materialien und Gegenständen neue Sinnzusammenhänge her. Er dehnte sein „Aktionswerk“ über die bildhaft-künstlerisch gestalteten Aufführungen hinaus auch auf Aktionen mit demonstrativem Charakter aus; seine Aktivitäten erweiterte er außerdem um Lesungen, Diskussionen, Aktionen mit Schülerinnen und Schülern etc. 6

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Joseph Beuys in der Aktion: „wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt“, 26. November 1965, 20 Uhr, Eröffnung der Beuys-Ausstellung „… irgend ein Strang …“ in der Galerie Schmela, Düsseldorf, Hunsrückenstraße 16-18, Fotografie: Ute Klophaus, Courtesy Sammlung Lothar Schirmer, © Nachlass Ute Klophaus, © für das Werk von Joseph Beuys: VG Bild-Kunst, Bonn, 2021

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Joseph Beuys im Raum „… irgend ein Strang…“ (Westkunst 1981), 1981 / 1984, Fotografie: Ute Klophaus, Von der Heydt-Museum Wuppertal, © Nachlass Ute Klophaus © für das Werk von Joseph Beuys: VG Bild-Kunst, Bonn, 2021

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Welche Rolle übernimmt bei diesen Aktionen die Fotografie von Ute Klophaus? Die Fotografie wird zum visuellen Gedächtnis und trägt zur „Bewahrung“ der Aktionskunst bei. Sie sind das, was von den Aktionen auch in Zukunft bleiben wird. Man muss bedenken, dass das Fotografieren von Aktionskunst in den 60er-Jahren so war, als betrete man „Neuland“. So sagte es Ute Klophaus einmal. Die neue Kunstform stellte dabei allerdings besondere Anforderungen, wie etwa die Fähigkeit, spontan zu reagieren und bereit zu sein, sich auf das Zufällige, Offene und nicht Endgültige einzulassen. Zum Schlüsselerlebnis wurde für Ute Klophaus das „24-Stunden-Happening“, das im Juni 1965 in der Galerie Parnass in der Moltkestraße stattfand. Es gehört zu den wichtigsten Ereignissen der internationalen Fluxus-Bewegung der 1960er-Jahre. Neben Joseph Beuys nahmen auch Bazon Brock, Charlotte Moorman, Nam June Paik, Eckart Rahn, Tomas Schmit und Wolf Vostell teil. Für Klophaus, die alle an dem Happening beteiligten Künstlerinnen und Künstler fotografierte, wurde dieses Ereignis wegweisend für ihre weitere künstlerische Entwicklung. Schon damals fühlte sie sich durch die meditative Ausstrahlung von Beuys besonders angesprochen und regelrecht in seinen Bann gezogen. Entgegen ihrer ursprünglichen Absicht, alle Künstlerinnen und Künstler des „24-Stunden-Happenings“ fotografisch weiter zu begleiten, konzentrierte sie sich immer stärker auf Beuys. Mehr als 20 Jahre lang, von 1965 bis 1986, stellte sie ihn und sein Werk in den Mittelpunkt ihrer fotografischen Tätigkeit. Was ist das Besondere an den Fotos von Ute Klophaus? Klophaus bietet eine sehr eigene Perspektive: extrem sensibel, manchmal geradezu seherisch – aber auch subjektiv. Es ist darüber viel diskutiert und gestritten worden, inwieweit Klophaus‘ Bilder tatsächlich Beuys‘ eigene Intentionen zur Geltung bringen oder ob sie sie nicht teils auch überlagern. Sie war sich auf jeden Fall bewusst, dass ihre Perspektive sich manchmal an der Grenze zur eigenen Interpretation bewegte, dies geschah jedoch unter dem Vorzeichen einer Suche nach Erkenntnis. 9

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Was fasziniert heute den Betrachtenden an diesen Aufnahmen? Es sind nicht primär die hinter den Aktionen stehenden theoretischen Konzepte von Beuys – es ist vor allem die durch seine Persönlichkeit und Handlung vermittelte Intensität des Ausdrucks, die uns Betrachtende der Nachwelt in den Sog der Bilder, der Fotografien von Ute Klophaus zieht. Manchmal sind es nur durch ihre Blickführung hervorgehobene Details, die unsere Aufmerksamkeit fesseln. Ebenso gelingt es ihr, Perspektiven zu wählen, die Beuys so eingebunden in ein formales Gefüge darstellen, dass daraus regelrechte Bildkompositionen von hoher dynamischer Spannung entstehen. Indem die Fotografien von Ute Klophaus aus dem Fluss der Zeit gerissene Momente der performativen Kunst von Beuys zeigen, vermitteln sie zugleich die besondere Ausstrahlung, die spürbare Intensität und Energie des Akteurs der Handlung. Seine Aura ist genauso eingefangen wie seine Zeit und Raum durchdringende Kraft der Transformation. Warum fotografierte Klophaus in Schwarz-Weiß? Sie konzentrierte sich auf die Schwarz-Weiß-Fotografie, da der abstrahierende Effekt die Prägnanz ihrer Bilder steigerte. Außerdem bearbeitete sie das fotografische Material anschließend noch weiter. In der Art, wie sie Schäden auf dem Negativmaterial, Kratzer, Staub, Zufallsspuren, mit einbezog, mit grobem Korn, Auflösungen, Verdichtungen und Schlieren arbeitete, ging es ihr darum, ihren Fotos „Aktionscharakter“ zu verleihen. Dadurch kam ihre Ästhetik der Happening- und FluxusBewegung entgegen. Auch die gerissenen Ränder, die zu einem Kennzeichen von Klophaus‘ Fotokunst wurden, verweisen darauf, dass das, was sie zeigen wollte, „ein herausgerissener Moment“ ist, wie sie es nannte – ein aus dem Fluss der Zeit, aus dem Geschehen herausgelöster Moment, ein visuelles Erlebnis, eine Momentaufnahme der sichtbaren Realität, unter deren Oberfläche aber auch etwas Verborgenes, Unsichtbares existiert. Was ist in der Ausstellung zu sehen? Die Ausstellung präsentiert rund 180 Fotos von Ute Klophaus, die Aktionen mit und von Joseph Beuys wiedergeben. Dazu zählen neben seiner Aktion „und in uns … unter uns … landunter“ im Rahmen des „24-Stunden-Happenings“ in Wuppertal auch „wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt“ und „MANRESA“, beide in der Galerie Schmela in Düsseldorf, „EURASIENSTAB

82 min fluxorum organum“ in Wien, „Titus/Iphigenie, J. Beuys/J. W. v. Goethe/C. Peymann/W. Shakespeare/ W. Wiens“ in Frankfurt am Main, „Celtic (Kinloch Rannoch), Schottische Symphonie“ in Edinburgh, „Celtic+~~~“ in Basel, „Action the dead mouse/Isolation Unit“ (zusammen mit Terry Fox) im Keller der Kunstakademie Düsseldorf und weitere Aktionen, zum Teil auch mit Schülerinnen und Schülern. Den Abschluss bilden die 1986 entstandenen Aufnahmen von Ute Klophaus von der Installation „Palazzo Regale“ (1985) in Neapel, in der Beuys Erinnerungsstücke aus seinem Leben und Werk zusammengestellt hatte. Sie zeigen zahlreiche Fotos aus der Sammlung Lothar Schirmer. Wie kam es zu der Zusammenarbeit? Der Verleger, Beuys-Kenner und Klophaus-Freund Lothar Schirmer besitzt eine der größten Sammlungen an Fotografien von Ute Klophaus. Und wir sind sehr froh, dass wir nun zahlreiche Werke als Leihgabe in der Ausstellung zeigen können. Außerdem ist ein Katalog entstanden, der im Verlag Schirmer/Mosel erscheint. Es ist die erste Publikation, die einen umfassenden Überblick über die Aktionen von Joseph Beuys im fotografischen Lebenswerk von Ute Klophaus gibt.

Aus der Zeit gerissen – Joseph Beuys: Aktionen – fotografiert von Ute Klophaus 1965-1986 Sammlung Lothar Schirmer, München Sonntag, 19. September 2021 bis Sonntag, 9. Januar 2022 Von der Heydt-Museum Turmhof 8, 42103 Wuppertal von-der-heydt-museum.de Katalog: Die Ausstellung wird begleitet von einem Buch, das im Schirmer/Mosel Verlag, München, erscheint und als erste Publikation einen umfassenden Überblick über die Aktionen von Joseph Beuys im fotografischen Lebenswerk von Ute Klophaus vermittelt.

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Joseph Beuys in der Aktion: „und in uns … unter uns … landunter“, 5. Juni 1965, 0-24 Uhr, Im Rahmen des Happenings 24 Stunden, Galerie Parnass, Wuppertal, Moltkestraße 67, Fotografie: Ute Klophaus, Courtesy Sammlung Lothar Schirmer, © Nachlass Ute Klophaus, © für das Werk von Joseph Beuys: VG Bild-Kunst, Bonn, 2021

Die Ausstellung ist Teil des Jubiläumsprogramms „beuys 2021. 100 jahre joseph beuys“, einem Projekt des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen in Zusammenarbeit mit der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf als Träger unter der künstlerischen Leitung von Prof. Dr. Eugen Blume und Dr. Catherine Nichols. Schirmherr ist Ministerpräsident Armin Laschet.

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„Ich kann den Raum nicht von der Skulptur trennen. Stelle ich eine Skulptur in verschiedenen Räumen auf – sei es ein Innenraum, sei es ein Außenraum – so wird ihre Erscheinung eine jeweils andere sein. Im Idealfall kommt ein bestimmter Raum, ein bestimmtes Licht, eine bestimmte Skulptur und ein bestimmter Betrachter zusammen. Dies scheint selbstverständlich, ist es aber nicht. Das Kunstwerk hat seinen eigenen Raum, seine eigene Zeit, sein eigenes Licht. Irrational ist seine Fremdheit und seine besondere Sichtbarkeit, wodurch es in Nachbarschaft zur Natur bestehen kann, selbst wenn diese außergewöhnlich reich ist an Formen, Farben, Größe und Rätsel.“ Heinz Mack

Heinz Mack bei der Arbeit, 2014, Foto: Anno Rickert

Licht, Bewegung, Raum Heinz Mack im Skulpturenpark Waldfrieden

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Skulptur, Granit, Vier Stein-Stelen, 1995, je ca. 340 x 60 x 90 cm, © VG Bildkunst Bonn 2021, Foto Atelier Heinz Mack

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Skulptur, Marmor, Die Wand, 1993, 165 x 196 x 41 cm, © VG Bildkunst Bonn 2021, Foto Atelier Heinz Mack

Am 8. März dieses Jahres feierte Heinz Mack, Mitbegründer der Gruppe ZERO, seinen 90. Geburtstag. Der Skulpturenpark Waldfrieden ehrt

können wir uns gegenseitig bestätigen. In diesem Sinne freue ich mich auf meine und auf ,unsere‘ Ausstellung.“

den großen Maler und Bildhauer aus diesem Anlass mit einer Ausstellung, die ausschließlich seinem plastischen Schaffen gewidmet ist. In seinen drei Ausstellungshallen und im offenen Gelände präsentiert der Skulpturenpark 50 Skulpturen Heinz Macks, darunter zahlreiche Arbeiten, die bislang noch nie öffentlich gezeigt wurden. Auch wenn man rückschauend längere Zeiträume ins Auge fasst, ist die Ausstellung eine der großen Werkschauen des Künstlers.

Für Heinz Mack haben Kunstwerke neben der Erscheinung, mit der sie sich dem Auge der Betrachtenden präsentieren, ein Innenleben, dessen Eigenheiten die Philosophie erschließt. Er selbst sagt dazu: „Das Irritierende, Rätselhafte, Wunderbare, welches in der Kunst sichtbar wird, zeigt sich auf den Oberflächen. Wo sollte es sich sonst zeigen? Dasjenige, welches in der Kunst nicht erklärbar ist, verbirgt sich unter diesen Oberflächen …“ In diesem Sinne sieht Mack in Raum, Zeit und Licht konstituierende Faktoren plastischer Kunst. Über das rein Phänomenologische hinausgehend bedingt aber vor allem das Licht nicht nur die materielle Erscheinung des Kunstwerks. Es gewinnt für ihn darüber hinaus eine besondere Strahlkraft, die weit ins Metaphysische reicht, indem Licht auch die „entmaterialisierte“ Energie seiner Skulpturen wahrnehmbar macht.

Er selbst blickt voller Vorfreude auf die Ausstellung: „Bislang habe ich – nun 90 Jahre alt – zum ersten Mal die Chance, zahlreiche monumentale Skulpturen in der Öffentlichkeit zu zeigen ... Diese Chance ist ein Geschenk an mich, das ich zutiefst dankbar annehmen darf. … Es ist nicht leicht, über eine Auswahl meiner Werke zu entscheiden. Natürlich hat Tony Cragg sich lebhaft an der Auswahl beteiligt, auf eine sensible und kollegiale Weise, dabei stets seine Kenntnisse und Erfahrungen einbringend, die er aufgrund der bisherigen Ausstellungen im Skulpturenpark gemacht hat. Seit 70 Jahren bin ich nicht nur Maler und Zeichner, sondern auch ein leidenschaftlicher Bildhauer. Tony Cragg ist ebenfalls ein geborener Bildhauer. Darin

Vor diesem Hintergrund bietet der Skulpturenpark Waldfrieden vor allem für die noch nie öffentlich gezeigten Arbeiten des Künstlers einen besonderen Rahmen, zumal Heinz Mack es schon immer für eine der wichtigsten Aufgaben plastischer Kunst hielt, Natur- und Kunstschönes in Verbindung zu bringen. 13

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Skulptur, Stele, Zwischen Erde und Himmel, 2011, 626 x 102 x 102 cm, © VG Bildkunst Bonn 2021, Foto Atelier Heinz Mack

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Heinz Mack wurde 1931 im hessischen Lollar geboren, in den 1950er-Jahren studierte er an der Akademie in Düsseldorf Kunst und in Köln Philosophie. Zusammen mit Otto Piene, der auch Philosophie in Köln studierte, begann er, die sogenannten „Abendausstellungen“ im gemeinsamen Atelier zu veranstalten. 1957 gründeten die beiden die Gruppe ZERO, der sich 1961 auch Günther Uecker anschloss. Sie verstanden ZERO als konsequenten Bruch mit den Traditionen und setzten aufgrund fehlender Vorbilder die Stunde null in der Kunst: Neuartige Konzepte und ästhetische Überlegungen, in denen Licht und Bewegung dominierten, sollten entwickelt und das tradierte Kunstverständnis erneuert werden. Kreative und radikale Experimente in den Ateliers wurden durch aufsehenerregende Aktionen und legendäre Environments ergänzt. ZERO führte internationale Konzeptkünstler wie Yves Klein, Lucio Fontana, Piero Manzoni und Jean Tinguely zusammen, die auf die Gruppe einen wesentlichen Einfluss hatten und gleichzeitig wiederum von ZERO Impulse und Ideen empfingen. ZERO entwickelte sich zu einer der bedeutendsten internationalen Avantgardebewegungen nach dem Zweiten Weltkrieg und ist heute fest in der Kunstgeschichte verankert. Das zentrale künstlerische Thema von Heinz Mack ist das Licht als gestalterisches Mittel. Er erweitert im Laufe seiner Karriere konsequent seine künstlerische Praxis: Er experimentiert mit unterschiedlichem Material, mit Bewegung und Formen. Er entwirft vibrierende Lichtreliefs, kinetische Objekte, monumentale Lichtstelen oder lichtreflektierende Kuben.

Skulptur, Stele, Große Silberstele, 2020, 700 x 25 x 25 cm,

Mack hat ein übergreifendes Verständnis von Kunst, welches durch dynamische Strukturen geprägt ist. Neben der Malerei gehören auch Zeichnungen, Tuschen, Pastelle, Fotografie, bibliophile Werke und die Gestaltung von öffentlichen Plätzen, Kirchenräumen, Bühnenbildern und Mosaiken zu seinem breit gefächerten Œuvre. Werke von Heinz Mack wurden in rund 400 Einzelausstellungen und zahlreichen Gruppenausstellungen gezeigt und sind in 140 öffentlichen Sammlungen vertreten. Neben der Teilnahme an der Documenta II (1959) und der Documenta III (1966) vertrat Heinz Mack die Bundesrepublik Deutschland 1970 auf der XXXV. Biennale in Venedig. Er erhielt zahlreiche renommierte Auszeichnungen. Ruth Eising

Plinthe 5 x 93.5 x 93.5 cm, © VG Bildkunst Bonn 2021, Foto Atelier Heinz Mack

Heinz Mack – Skulpturen Sonntag, 4. Juli 2021 bis Sonntag, 2. Januar 2022 Skulpturenpark Waldfrieden Hirschstraße 12, 42285 Wuppertal skulpturenpark-waldfrieden.de 15

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In der Lichtburg aus dem kreativen Schatten

Nayoung Kim und Eddie Martinez vom Tanztheater Wuppertal Pina Bausch haben den Shutdown genutzt, um Solostücke zu entwickeln

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Eddie Martinez tanzt sein Solo in der Lichtburg. Der ganze Raum wird dabei zum Bühnenbild.

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Das Spiel mit Papier spielt eine wichtige Rolle im Solo von Nayoung Kim.

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Ein geschützter, geschlossener Raum, der die Welt aussperrte und nur selten Außenstehenden Zutritt gewährte. Heute, an einem sonnigen Nachmittag, stehen die Türen im Obergeschoss offen, Licht und Straßenlärm fluten herein. Vielleicht erscheint das Messing der 50er-Jahre-Wandlampen deshalb noch ein wenig matter, changiert die moosgrüne Wandbespannung noch ein wenig mehr ins Graue. Doch trotz aller Patina: Dieser Raum lebt. Die unzähligen Kostümteile auf Stangen und Stühlen, die vielen Schuhe und Requisiten stehen bereit, um jederzeit benutzt zu werden. Der Raum hat sich vollgesogen mit der Geschichte von mehr als 40 Jahren Tanztheater Wuppertal, und er atmet sie aus. „Der Raum ist magisch“, sagt Nayoung Kim. „Wenn ich hier arbeite, fühle ich mich manchmal immer noch so, als würde Pina mir zugucken. Und ich betrachte mich so, wie sie mich gesehen hätte.“ Eddie Martinez sagt: „Die Lichtburg ist mein Zuhause. Es kommt mir so vor, als hätte ich die meiste Zeit meines Lebens hier verbracht.“ Jetzt wird die Lichtburg zum Bühnenbild für sein Solostück. „LichtburgSeries“ hat er es genannt. Ein Stück, das vielleicht nie vor größerem Publikum aufgeführt werden wird. Wie bitte? „Ich kann mir das Stück außerhalb der Lichtburg nicht vorstellen“, sagt der Tänzer, der seit 1994 Ensemblemitglied des Tanztheaters ist. Aber das macht ihm nichts aus. Wichtig war nur, endlich wieder zu arbeiten. Kreativ sein zu

können. „Ich wäre sonst verrückt geworden“, sagt er. Und auch wenn das vielleicht ein ganz klein wenig übertrieben ist: Man spürt, wie sehr die lange Zeit des Stillstands während der Corona-Pandemie – ohne Proben, ohne das Leben der Vorstellungen, Tourneen und Gastspiele – der Künstlerseele zugesetzt hat. Und man sieht die Erleichterung, die neue Energie, die der Schaffensprozess mit sich gebracht hat. Jetzt im Rückblick, wo das Schlimmste überstanden ist, sagen beide Tänzer übereinstimmend: „Corona hatte auch etwas Gutes. Wir hätten sonst nie so intensiv für uns in der Lichtburg arbeiten können.“ Auch für Nayoung Kim ist dieser Ort seit 25 Jahren ein Lebensmittelpunkt. Die Koreanerin kam 1996 zum Tanztheater Wuppertal. Im Gegensatz zu Eddie Martinez kann sie sich ihr Solo jedoch auch auf einer Bühne an anderen Orten vorstellen, denn sie hatte schon vor der Pandemie begonnen, in Kooperation mit einer Künstlerin und einem Komponisten aus Japan daran zu arbeiten – was sie nun hofft bald fortsetzen zu können. In der Zwischenzeit hat sie das Stück allein weiterentwickelt. Eine lange weiße Papierbahn, auf der sie agiert oder hinter der sie verschwindet, dient ihr als Aktionsfläche. In ihrem Tanz erkennt man das Pina-Vokabular: das Drehen und Kreisen mit Gliedern, die in verschiedene Richtungen zeigen, die nach vorn ausgestreckten Arme, Handflächen nach oben. Im Tanz die Alltagsgesten, das Zeigen, Streicheln,

Die Szene mit auf dem Boden ausgebreitetem rotem Rock in Nayoung Kims Solo weckt Erinnerungen an Pina Bauschs „Sacre“.

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welche der Antworten stark genug sind, um ein Stück daraus zu formen. Die Anwesenheit und der freundschaftliche Blick des jeweils anderen waren dabei sehr wichtig, sagen beide übereinstimmend. „Wir haben uns kritisiert und geholfen, Eddie hat mich immer wieder motiviert“, erzählt Nayoung. „Wir hatten die ganze Zeit eine gute Energie. Und wir haben so viel Spaß gehabt!“, ergänzt Eddie. Man spürt die Vertrautheit, die in 25 Jahren gemeinsamer Ensemblezugehörigkeit gewachsen ist.

Nayoung Kim wird zur Projektionsfläche für Fotografien aus ihrem Leben.

Wischen, das Flattern der Hände. Ihr trotz fließendem Deutsch starker Akzent wirkt wie eine ganz besondere, unverzichtbare Klangfarbe, wenn sie aus einem Buch vorliest, wie Gänse den langen Flug in den Süden bewältigen, und dass sie es nur gemeinsam schaffen. Als sie farbige Dias abspielt, die aus ihrer Vergangenheit stammen, wird ihr Gesicht zum Teil der Projektionsfläche. „Pina-Vokabular“. Natürlich ist das falsch. Pina Bausch hat ihren Tänzern Fragen gestellt, wie man weiß, und die haben darauf geantwortet: mit ihren Körpern, mit Gesten, mit Bewegungen, mit Bildern und Geschichten. So sind nicht nur die Szenen, sondern auch die vielen Soli in den Stücken entstanden, wenn Pina Bausch gefragt hat: „Kannst du das als Bewegung machen?“ Es ist ihr Vokabular, das der Tänzerinnen und Tänzer, das sich über die Jahrzehnte durch die gezielte Auswahl von Pina Bausch so verdichtet hat, dass es einer eigenen Sprache gleichkommt, die man sofort wiedererkennt. Nicht anders haben Nayoung Kim und Eddie Martinez jetzt auch gearbeitet. „Nur dass jeder sich die Fragen jetzt selbst stellen muss“, sagt Nayoung. Und selbst entscheiden muss,

Eddie Martinez hat einen Armlehnenstuhl vor einem großen Ballettspiegel platziert. Er hat die Beine im Schneidersitz verschränkt, stützt sich mit den Händen ab und schwebt für einen Moment über der Sitzfläche, bevor er sich herabsinken lässt. Er legt den Kopf in die Hand, macht sparsame Tanzbewegungen nur mit Händen und Armen, zeichnet mit dem Zeigefinger den Nasenrücken nach, nimmt eine Haarsträhne zwischen die Finger. Alles winzig kleine Gesten, und alles ist Tanz. Dazu Barockmusik, die Arie „Lascia ch‘io pianga“ aus Händels „Rinaldo“ – wunderschön, melancholisch, ein wenig theatralisch; man fängt gerade an, darin zu versinken, als der Tänzer aufsteht und sich eine Plastiktüte über den Kopf zieht. Müsste es nicht ein heftiger Bruch sein, wenn auf die Händel-Arie „Down At Your Buryin‘“ von James Cotton aus dem Jahr 1967 folgt und der Tänzer mit Sonnenbrille vor dem Ballettspiegel coole Posen probiert? Ist es aber nicht. „Now I decide to change my mind / And show the world I care”, heißt es im Text. Und weiter: „I care about my fellow man /being taken for a ride /I care that things start changing/ But there‘s no one on my side.” Melancholie atmet auch diese Szene, aber auch Aufbruch und neue Lebenslust. „It’s about finding the perfect moment“, erklärt Eddie seinem Spiegelbild und rezitiert: „He’s got the whole wide world in his hands“ – wiederholend und so eindringlich, dass man die Zeilen des zigmal gecoverten Songs vollkommen neu hört. Ein dritter Teil seines Solos ist, begleitet von einer zarten, zeitgenössischen Klaviermusik von David Lang, tänzerischer, und auch hier entdeckt man vieles, das aus den Stücken des Tanztheater Wuppertal zu Zeiten von Pina Bausch vertraut ist. Und tatsächlich: Die Lichtburg mit all ihren im Raum verteilten Kostümen und Requisiten wird dabei zum Bühnenbild, das man nicht einfach wegdenken kann. Zwei Tänzer, beide seit vielen Jahren im Ensemble, die – wie viele ihrer Kolleginnen und Kollegen auch – mit ihrer Persönlichkeit, mit ihren getanzten, gesprochenen oder spielerischen Antworten auf die Fragen von Pina Bausch viele Stücke mitgeprägt haben. Und die selbst durch das

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Eddie Martinez mit einer Plastiktasche über dem Kopf. Zum Bild muss man sich Barockmusik aus Händels Oper „Rinaldo“ vorstellen. Nicht immer freundlich zu seinem Spiegelbild: Eddie Martinez.

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Mit der Erfahrung von 25 Jahren Tanztheater Wuppertal:

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Nayoung Kims Tanz drückt gleichermaßen Stärke und Anmut aus.

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Eddie Martinez agiert vor dem Ballettspiegel in der Lichtburg. Dabei wird jede kleine Geste zu Tanz.

geprägt worden sind, was Pina Bausch damit gemacht hat. Sie sprechen gewissermaßen dieselbe Sprache – aber was sie damit hervorbringen, ist gänzlich verschieden. Ist ganz und gar Ausdruck ihrer eigenen Persönlichkeit. Und die strahlt in diesen Soloarbeiten vielleicht sogar noch intensiver als in früheren Jahren. Nayoung Kim wurde 1964 in Südkorea geboren, Eddie Martinez 1963 in Kansas/USA. Martinez kam mit 32 Jahren nach Wuppertal zum Ensemble – in einem Alter, in dem die meisten Tänzerkarrieren, nicht nur im klassischen Ballett, schon zu Ende gehen. Inzwischen gibt er manche seiner Parts in den Repertoirestücken des Tanztheater Wuppertal, die körperlich sehr anspruchsvoll sind, an jüngere Tänzer ab. Das Eingeständnis „Ich fühle mich noch jung, aber mein Körper ist nicht wie früher“ ist da. „Ich liebe die Bühne, aber ich muss nicht mehr selbst immer auf der Bühne stehen“, meint er. Aber

warum eigentlich nicht? Wenn man ihm und Nayoung bei ihren Solos zuschaut, dann ist es sicher nicht virtuose tänzerische Technik, die berührt – und die man auch gar nicht erwartet. Dafür gibt es Qualitäten, die mit den Jahren und der Erfahrung eher noch gereift sind. „Früher war ich immer sehr kritisch mit meinem Aussehen,“ sagt Nayoung Kim. „Aber jetzt denke ich: Ok, das bin ich. Das ist in Ordnung.“ Und Eddie sagt: „Ich will gar nicht an die Vergangenheit denken und auch nicht an die Zukunft. Keine Ahnung, was passieren wird. Ich lebe mein Leben jetzt. Und jetzt fühle ich mich gut und stark.“ Die Arbeit in der Lichtburg hat beiden die Kraft und Energie zurückgebracht, die in der Coronazeit zu verschwinden drohte. Es ist eben wirklich ein magischer Raum. Anne-Kathrin Reif Fotos: Willi Barczat 23

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Die drei von der „Tanz Station - Barmer Bahnhof“: Angela Köneke, Thusnelda Mercy und Pascal Merighi

Neuer Kreativort für die Tanzszene

Mit der „Tanz Station – Barmer Bahnhof“ bereichern Thusnelda Mercy, Pascal Merighi und Angela Köneke seit Kurzem die „Tanzstadt Wuppertal“ – mit internationaler Ausstrahlung

Alles fing damit an, dass Thomas Leipoldt, kultursinniger Inhabers des Café Joliso im Barmer Bahnhofsgebäude und Schwager des Besitzers Kurt Rydl, eines Tages Thusnelda Mercy und Pascal Merighi an die Hand nahm und sagte: „Ich will euch mal was zeigen.“ Dass es an dieser Stelle überhaupt eine Tür gibt in der gekachelten Bahnhofshalle, ist vermutlich bisher kaum jemandem aufgefallen. Sie führt in ein Treppenhaus, das mit seiner bunten Glasbausteinwand und dem 70er-JahreGeländer einen gewissen Retrocharme hat. Und dann war da dieser Raum im ersten Stock, der seit Ewigkeiten nicht mehr benutzt worden war und auch so aussah. Aber ganz

klar: mit großem Charme. Zwölf Meter lang, siebeneinhalb Meter breit, fünf Meter Deckenhöhe, Holztäfelung. Schöne Proportionen. Mit wunderbaren bodentiefen Rundbogenfenstern, die zum Bahnhofsvorplatz hinausgehen. Ein Raum im Dornröschenschlaf. Thusnelda Mercy und Pascal Merighi, beide langjährige ehemalige Ensemblemitglieder des Tanztheater Wuppertal Pina Bausch, die 2018 ihre eigene Kompanie merighi | mercy gründeten, waren begeistert. Für sie stand sofort fest: „Hier muss Tanz rein.“ Zwei Jahre lang blieb es dann allerdings dabei. Zu aufwändig, zu kostspielig, um als freie Kulturschaffende einen solchen Raum herzurichten und zu betreiben. Fahrt nahm das Ganze erst auf, als die beiden im August 2020

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Angela Köneke kennenlernten. Merighi und Mercy brachten eine Vision und das Wissen um einen wunderschönen Raum mit, Angela Köneke als erfahrene Projektentwicklerin im Kulturbereich das Handwerkszeug, die Ideen in die Realität zu überführen. Denn natürlich brauchte es außer dem vorhandenen Kreativpotenzial zunächst einmal vor allem eines: Geld. Mithin ein ausformuliertes, tragfähiges Konzept und das Erschließen entsprechender Fördermittel. Und das mitten in der Pandemiezeit, in der an Tanzprojekte überhaupt nicht zu denken war? „Es ist ein bisschen verrückt, aber was uns mit der Tanzstation vorschwebte, passte gerade genau zu der Situation“, sagt Thusnelda Mercy. Alles, was im Zusammenhang mit Aufführungen stand, wurde logischerweise erstmal nicht mehr gefördert. „Aber wir wollten ja keinen Veranstaltungsraum im klassischen Sinne betreiben.“ Sondern? „Es soll ein Raum sein für Entwicklung und Begegnung“, sagt Angela Köneke. „Das wollen wir ermöglichen. Und Formate bereitstellen, die das unterstützen.“ Mit dem Tanz im Zentrum, aber immer auch im Austausch mit anderen Künsten. „Sounddesign, Videodesign, Text, Schauspiel, Bühnenbild, Kostüm – einfach mit allem, was sich damit verknüpfen kann“, führt Thusnelda Mercy aus. Mit ihrem Konzept konnten sie überzeugen. Das erste Jahr erhält die „Tanz Station – Barmer Bahnhof“ Fördermittel aus dem Programm „Tanzpakt Reconnect“, einem Hilfsprogramm für die deutsche Tanzszene im Rahmen des Rettungs- und Zukunftsprogramms „Neustart Kultur“ der Beauftragten der Bunderegierung für Kultur und Medien. Mit dieser Hilfe und dank der großzügigen Unterstützung der Eigentümerfamilie Rydl konnten sie den Raum wachküssen. Jetzt ist er nicht nur frisch renoviert und hat einen „1a Tanzboden“ (Mercy), sondern auch eine erstklassige technische Ausstattung mit Licht, Ton, Aufnahmetechnik, mit der sich digitale Formate ebenso umsetzen lassen wir analoge; mobil genug, um damit auch einmal nach draußen gehen zu können. Und, ganz wichtig: eine an den Tanzraum angrenzende Küche. Die dient nicht nur der leiblichen Versorgung, sondern hält an einem hohen Tisch auch zwei gegenüberliegende Arbeitsplätze vor. Raum für „Co-Creating“, wo gemeinsam an Projekten gearbeitet werden kann. Wenn man die verglaste Balkontür öffnet, steht man unversehens direkt über den Bahngleisen. Hier fällt es leicht, Ideen auszuspinnen und die Gedanken auf die Reise zu schicken.

Thusnelda Mercy und Pascal Merighi in ihrem Tanzraum

„Wie können wir in dieser komischen Zeit trotzdem weitermachen, trotzdem Begegnung schaffen – das war unsere Grundmotivation von Anfang an“, sagen Thusnelda Mercy und Pascal Merighi, die in dieser „komischen Zeit“ auch noch Eltern geworden sind. Manches konnten sie digital bzw. als hybride Mischform umsetzen, was in Nach-Pandemiezeiten (auch) analog stattfinden soll: zum Beispiel die „Bahnhofsgespräche“, eine „salonartige“ Gesprächsrunde zu verschiedenen Themen. Zum Einstieg in die Reihe trafen Mercy und Merighi Kulturschaffende, die ebenfalls Kulturangebote in Bahnhofsgebäuden machen. Per Zoom findet jeden Montagvormittag Tanztraining von Profis für Profis statt; und es gibt Workshops zu verschiedenen Tanztechniken. In Zukunft soll es solche Angebote auch für Amateure geben.

Der Raum für Co-Creating

Ein Herzstück des Programms sind die Residenzen. Bei dem Format „Residenz Plus“ können Künstlerinnen oder Künstler die Tanzstation drei Wochen lang zur Entwicklung eigener Projekte nutzen, verbunden mit einer Workshop-Präsentation am Ende. Der Wuppertaler Choreograf 25

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Blick aus dem Tanzraum durch den Raum für Co-Creating auf die Gleise

Blick auf das Bahnhofsgelände

und Tänzer Jan Möllmer, der einst über Pina Bauschs „Kontakthof mit Teenagern ab 14“ zum Tanz kam, war mit einem kleinen, internationalen Team der erste Resident. „Das war unglaublich schön, wie der Raum mit Leben gefüllt war und zu sehen, was hier entstanden ist,“ schwärmt Thusnelda. „Dafür machen wir das.“ Die Werkstattpräsentation musste coronabedingt dieses Mal noch ausfallen, für die kommende Residenz-Präsentation aber steht der neue „Insel“-Verein im Café Ada als Kooperationspartner bereit.

Stadtgebiet, seit Anfang Juni dann in einem leerstehenden Ladenlokal am Barmer Werth 12 dauerprojiziert und führen Besuchern wie Einheimischen unübersehbar vor: Wuppertal ist eine Tanzstadt. Und die „Tanz Station - Barmer Bahnhof“ hat sich darin in kürzester Zeit als wichtiger Mitspieler etabliert.

Das zweite Format „Tanz meets“ verbindet Residenten oder Residentinnen, die vom Tanz kommen, mit Künstlerinnen und Künstlern anderer Disziplinen. In der ersten Runde kamen so die argentinische Tänzerin Nicole Michalla und der spanische Sounddesigner Mikel R. Nieto über alle räumlichen Distanzen hinweg zusammen. Gerade abgeschlossen ist die zweite Residency, bei der Tänzer und Choreograf Frederico Mendes Teixeira, die Tänzer Jan Pollert und Viola Cantù und Designer Lukas Tobiassen sich damit befasst haben, wie visuelle Kommunikation einen tanzkompositorischen Prozess kreativ unterstützen kann. Aber solche kreativen Prozesse innerhalb der eigenen „Community“ anzuzetteln und zu unterstützen reicht dem Kreativteam der Tanzstation nicht. „Wir wollen auch mit Ideen, die hier drinnen entwickelt werden, nach draußen in den Stadtraum gehen, an andere Orte, und uns mit lokalen Institutionen und Akteuren vernetzen“, betont Pascal Merighi. Weithin sichtbar wurden sie im Stadtraum jüngst mit den „Soli-Cuts“ in Kooperation mit dem Wuppertaler Verein Tanzrauschen e.V.: 16 Tänzerinnen und Tänzer haben auf ihre Einladung hin in der Tanzstation einminütige Tanz-Videoclips entwickelt. Sie wurden zu einer 20-minütigen digitalen Präsentation zusammengefasst und zunächst an zahlreichen Stellen gut sichtbar im

Aber wie geht es weiter? Das Förderprogramm, das dies alles möglich gemacht hat, läuft Ende Oktober 2021 aus. „Das Ganze war von Anfang an nur für den Projektzeitraum von einem Jahr gesichert“, erklärt Angela Köneke und wirkt dabei überraschend entspannt. „Nach dem Antrag ist vor dem Antrag“, sagt sie heiter. Der Folgeantrag ist schon auf dem Weg. „Es gibt immer eine nächste Förderung, aber sicher ist sie nie“, ist ihre Erfahrung – mit dem Risiko müsse man leben, und ob man das wolle sei eine Persönlichkeitsfrage. Auch Thusnelda Mercy und Pascal Merighi sind zuversichtlich. „Wir haben ja beide in großen Institutionen gearbeitet und sind ganz bewusst in die freie Szene gewechselt“, erklärt Pascal. „Das war eine Entscheidung für die Unsicherheit, um eigene Ideen verwirklichen zu können.“ Aber dadurch, dass man nicht immer schon weiß, wie es weitergeht, schaffe man auch neue Möglichkeiten. „Es ist fantastisch, wie viel dabei in Bewegung gerät“, strahlt Thusnelda. Und mit Bewegung kennen sich die beiden ja nun wirklich aus. Anne-Kathrin Reif Fotos: Willi Barczat Der dritte Teil der Soli-Cuts heißt Soli-Cuts Urban und wird am 24. August 2021 in Wuppertal in verschiedenen Leerständen mit Tänzerinnen und Tänzern der freien Tanzszene stattfinden, sowie am 23. und 25. August in Remscheid. tanz-station.de

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Mohamed Kourouma, Suchen & Finden, Die Kugel des Kopfes, das Dreieck der Nase. Ein Projekt in Kooperation mit dem Von der Heydt-Museum. Foto: Severin Vogel

Suchen & Finden – Das Education-Projekt des Tanztheater Wuppertal Pina Bausch Lust auf Kreativität, Mut und Selbstentgrenzung

Die Kreativität von Kindern und Jugendlichen zu fördern, sie spielerisch für ungewöhnliche Wahrnehmungs- und Ausdruckformen zu sensibilisieren, zu inspirieren und ihnen kreative Räumen zu eröffnen, ist – neben Weitergaben des Werkes von Pina Bausch an nachfolgende Tänzergenerationen – ein großes Anliegen des Ensembles und der Intendantin Bettina Wagner-Bergelt. 2017/ 2018 entstand „tanz tanz“ unter der Leitung der Tänzerin Ruth Amarante in Kooperation mit einigen Wuppertaler Schulen und Jugendzentren mit Workshops, Kreativprojekten, Intensivwochen, Künstlerbegegnungen und mehr. 2020 initiierte Bettina Wagner-Bergelt eine Zusammenarbeit mit dem Von der Heydt-Museum, begleitend zur Oskar Schlemmer Ausstellung: das Projekt „Die Kugel

des Kopfes, das Dreieck der Nase“. 2020 entstand die digitale Workshop-Serie „Komm tanz mit mir“ mit Anna Wehsarg für Kinder von sechs bis zehn. Unter der künstlerischen Leitung von Bettina Wagner-Bergelt soll die Vermittlungsarbeit intensiviert und verstetigt werden, sollen zukünftig vor allem kontinuierliche Kooperationen mit Schulen, Museen sowie kulturellen und sozialen Einrichtungen in den Stadtteilen eingegangen und partizipative Formate entwickelt werden, um das Werk Pina Bauschs, ihre zutiefst humane Sicht auf die Menschen und die Welt, in der wir leben, Kindern und Jugendlichen unterschiedlicher kultureller und sozialer Herkunft aus Wuppertal und Umgebung näherzubringen, ihr Selbstund Körperbewusstsein zu stärken und Kunst erlebbar zu machen. Auch in Form von Vorstellungsbesuchen, Einführungen und vorstellungsbegleitenden Formaten.

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Für Herbst 2021 ist das nächste Leuchtturmprojekt mit dem Berufskolleg Kohlstraße unter Leitung des ehemaligen Ensemblemitglieds Jorge Puerta Armenta geplant, zusammen mit den Wuppertaler Kunstschaffenden Horst Wegener, Milton Camilo, Tobias Daemgen, Anna Wehsarg und Ruth Amarante. Ungefähr 20 Schülerinnen und Schüler der internationalen Klasse des Berufskollegs Kohlstraße proben drei Wochen lang täglich in der Wupperwerft und im ehemaligen Schauspielhaus und entwickeln zusammen mit den Künstlerinnen und Künstlern ein Stück. Weitere Online-Projekte für Kinder und Jugendliche sind in Arbeit. „Künstlerische Arbeit und Tanz erfordern viel Disziplin, gegenseitigen Respekt, einen sehr sensiblen Umgang miteinander und auch Empathie zwischen den Jugendlichen. Experimentieren, versuchen, scheitern und Neubeginn, das alles gehört dazu. Wir haben die für uns sehr freudvolle Erfahrung gemacht, dass sich die Jugendlichen darauf einstellen, sich öffnen, mutiger werden, sich nach und nach mehr zutrauen und auch die Anerkennung wahrnehmen, die ihnen andere entgegenbringen. Wir freuen uns zwar auch, wenn der eine oder die andere sich nach solch einer Erfahrung für einen künstlerischen Beruf entscheidet, aber das Wichtigste für uns ist, dass sie gestärkt, selbstbewusst und auch toleranter aus so einem Projekt kommen, Spaß an künstlerischen Projekten entwickeln und Lust, ins Theater zu gehen.“ Bettina Wagner-Bergelt

unterschiedlicher Schulen und Nationalitäten erarbeiteten „Kontakthof“ ein Jahr lang in intensiven Proben mit Tänzern der Originalbesetzung. Die Jugendlichen lernten Pina Bausch, ihre Tänzerinnen und die Welt des Tanztheaters kennen, inspirierten und bereicherten sich gegenseitig durch die soziale und integrative Kraft von Tanz und die künstlerische Auseinandersetzung.

Den Grundstein für die „Jugendarbeit“ des Ensembles in der Stadt legte Pina Bausch selbst bereits im Jahr 2008, als sie sich einen lang gehegten Wunsch erfüllte und ihr 1978 entstandenes Stück „Kontakthof“ mit Teenagern ab 14 besetzte. Ca. 40 Wuppertaler Schülerinnen und Schüler

Interessierte wenden sich bitte an: Suchen & Finden Tanztheater Wuppertal Pina Bausch Produktionsleitung Jugend- und Schulprojekte suchenundfinden@pina-bausch.de Telefon 0202 563 4253

„Das war ein sehr ambitioniertes Projekt mit enormem Vorlauf und einer langen Laufzeit. Mir ist aber aus vielen Jahren Erfahrung wichtig, dass es neben solchen Leuchtturmprojekten ein ständiges Angebot gibt, auf das sich die Lehrenden verlassen und das sie angepasst an die Bedürfnisse ihrer Schülerinnen und Schüler mit uns erarbeiten können. So wachsen Zuschauergenerationen nach, die mit Tanz vertraut und entsprechend interessiert sind“, erklärt Bettina Wagner-Bergelt. „Wir sind in den letzten Jahren dazu übergegangen, das mehr zu streuen und auch in die Schulen und Jugendzentren zu gehen, damit wir etwas flexibler sind, uns besser auf die Bedürfnisse der Schulen einstellen und gemeinsam mit ihnen geeignete Formate entwickeln können, um so langfristig auch mehr Jugendliche zu erreichen. Vorstellbar wäre für mich auch ein Jugendensemble. Aber das wird dann die Aufgabe meiner Nachfolgerin oder meinem Nachfolger sein.“ Tanztheater Wuppertal Pina Bausch

Ensemble Suchen & Finden, Die Kugel des Kopfes, das Dreieck der Nase. Ein Projekt in Kooperation mit dem Von der HeydtMuseum. Foto: Severin Vogel

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Luigi Nono: Intolleranza 2021 Fritz Gerwinn war Premierengast am 4. Juni 2021 im Opernhaus Wuppertal

Agiert fantastisch: Der Wuppertaler Opernchor in einer Demonstrationsszene, Foto: Bettina Stöß

Eigentlich als Schluss- und Höhepunkt der Feiern zu Engels‘ 200. Geburtstag gedacht, musste die fertig geprobte Aufführung 2020 erst verschoben und dann ganz abgesagt werden. Damit die Arbeit von Regie-Altmeister Diet-

andere Lösung entschieden: Die Premiere fand also im Opernhaus statt, coronabedingt aber nur für geladene Kritiker. Die Oper kann dann noch an vier Terminen im Stream angesehen werden.

rich Hilsdorf und der auch auf der musikalischen Seite exquisiten Besetzung aber nicht ganz in der Versenkung verschwand, hatten sich die Wuppertaler Bühnen für eine

Die Atmosphäre im Parkett stellte sich aber doch als seltsam heraus: Nur etwas mehr als 20 Personen verteilten sich dort, darunter immerhin auch die scheidende General-

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Einführung gegeben. Das Orchester war in vier Gruppen geteilt: zwölf Schlagzeuger agierten hinter dem Bühnenbild links auf der Hinterbühne, zwölf Blechbläser ebenfalls dort, aber rechts und in zehn Meter Höhe, beide Gruppen wurden von einem zweiten Dirigenten geleitet. Harneit selbst dirigierte die Streicher im Graben, und die Holzbläser spielten im 1. Rang. Damit wollte man die Grundidee Nonos erfüllen: Die Zuschauenden sollen sich mitten im Lifeklang befinden. Zwei Chöre wurden aufgeboten: Das renommierte Chorwerk Ruhr unter Sebastian Breuing hatte die großen Chorsätze des Stücks mit Abstand in großen Räumen aufgenommen, die erklangen dann aus den Lautsprechern, und der Wuppertaler Opernchor hatte engagiert die Passagen übernommen, in denen gesungen und agiert werden musste (24 Sängerinnen und Sänger waren erlaubt). Harneit als Nono-Kenner hatte an einigen Stellen noch Elemente aus anderen Werken Nonos eingefügt, so z.B. in der sogenannten Folterszene, in der ein Akkord aus einer anderen Oper ständig wiederholt wird. „Intolleranza 60“ ist das Erwachen eines menschlichen Bewusstseins in einem Mann, einem Gastarbeiter in einer Mine, der gegen die Anforderungen der Notwendigkeit aufbegehrt und der nach dem Grund des Lebens und seiner „menschlichen“ Basis sucht. So beginnt Nono selbst die Beschreibung seines Werks. Doch schon lange, bevor der schwarze, aber durchsichtige Vorhang aufgeht, auch während der beiden Reden, huschen immer wieder weiß gekleidete Menschen, offensichtlich in Eile, über die Bühne. Wenn der Vorhang dann aufgegangen ist, könnte man sie, weil sie auch Masken tragen, für medizinisches Personal halten, dann wird aber durch ihre blutigen Schürzen immer deutlicher, welches die Minen unserer Zeit sind: die Schlachthöfe. Und die schmuddelige Wellblechbaracke, in der sich das gesamte Geschehen abspielt, erinnert an die Unterkünfte von Tönnies & Co. Hilsdorf hat die Geschichte also in die Gegenwart geholt, deshalb auch „Intolleranza 2021“, verdeutlicht auch durch eingeblendete Daten: die Geschichte beginnt im Januar 2021 und endet im Dezember 2021. musikdirektorin Julia Jones und Oberbürgermeister Uwe Schneidewind. Der durfte dann auch das Publikum begrüßen, auf die Wichtigkeit der Kultur hinweisen und die Zuhörerschaft auffordern, den Zauber der Musik zu genießen. Vorher hatte Johannes Harneit, der musikalische Leiter, viel gefragter Spezialist für Neue Musik und hervorragend vertraut mit dem Gesamtwerk Luigi Nonos, eine kurze

Der Emigrant genannte Protagonist verlässt also seine darüber schwer enttäuschte Gefährtin, gerät in eine Demonstration (der Wuppertaler Opernchor agiert hier fantastisch!), wird festgenommen und verhört, wobei seine Gefährtin mit der Polizei gemeinsame Sache zu machen scheint. Die folgende Folterszene wird nicht direkt gezeigt, sondern ein Gefolterter erinnert sich traumatisiert an seine Misshandlungen. Dies wird beeindruckend dargestellt 31

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Andrey Berezin, Mitglied des Wuppertaler Tanztheater Pina Bausch, beeindruckt als Gefolterter, Foto: Bettina Stöß

von Andrey Berezin, einem Tänzer des Pina-Bausch-Tanztheaters. Der Emigrant kann sich aber schließlich befreien, schließt sich mit einer Frau zusammen, wird von Halluzinationen gequält. Am Ende – in der 60er-Fassung wird er von einer Sintflut fortgerissen – weiß er nicht, ob er seine Frau oder sich selbst erschießen soll. Statt einer stringenten Handlung haben wir es eher mit einer Textcollage zu tun. Die Suche nach einer herrschaftsfreien Welt wird angedeutet, aber auch die Möglichkeit des Scheiterns. Bezeichnend dafür sind die beiden das Stück einrahmenden Chöre. Der am Anfang beginnt mit den Worten „Tot ist nur, wer nicht mehr auf das Licht wartet“, und am Schluss vertont Nono Brechts „An die Nachgeborenen“. Nono schreibt eine hoch differenzierte, hochexpressive, komplexe und komplizierte Musik, die für jedes Haus „Ausnahmezustand“ bedeutet. Die Wuppertaler erledigten diese Anforderungen mit Bravour. Neben dem musikalischen Leiter hatten sie für die Hauptpersonen einen Sänger und zwei Sängerinnen engagiert, die sich wie dieser

intensiv mit neuerer Musik beschäftigt hatten. Den Emigranten sang und spielte Markus Sung-Keun Park, meisterte diese extrem hohe und anstrengende Partie hervorragend. Bewundernswert auch die Leistungen der „Gefährtin“, Solen Mainguené, und der „Frau“, Annette Schönmüller. Kein Deut schlechter die etwas kleineren Rollen der Wuppertaler Sänger Sebastian Campione als „Gefolterter“ und Simon Stricker als „Algerier“. Höchst engagiert und agil war auch der Wuppertaler Opernchor, der an verschiedenen Plätzen, auch mal im 1. Rang, singen und agieren musste. Durch den notwendigen Abstand bildeten alle als Solistinnen und Solisten den Gesamtklang. Zum Schluss aber doch noch einige kritische Anmerkungen: Wenn auch alle (!) Ausführenden die riesengroßen Herausforderungen annahmen, bleibt doch die Frage, wie das Publikum dieses Werk aufnehmen kann, auch wenn es nur 75 Minuten dauert. Als Nono das Werk schrieb, war er noch in Verbindung mit der „Darmstädter Schule“, wo noch Zwölftontechnik und Serialität regierten, Kompo-

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Eine Szene aus „Intolleranza“ mit Markus Sung-Keun Park als „Emigrant“, Annette Schönmüller als „Frau“, Solen Mainguené als „Gefährtin“, Foto: Bettina Stöß

sitionstechniken, in denen die Parameter der Musik, z.B. Tonhöhen, Tonlängen, Artikulation, in Reihen gebracht wurden, sodass sich Kompositionen z.T. wie von selbst ergaben und Subjektives, Emotionales eher verpönt war. Auch wenn er sich danach mehr oder weniger davon gelöst hat, erklingt kaum Konsonantes und Emotionales. Neben den Fortissimo-Attacken von Schlagzeug und Blechbläsern gibt es zwar auch eher lyrische, zurückgenommene Passagen, die aber doch oft etwas konturlos bleiben. Schneidewinds Wunsch, den Zauber der Musik zu genießen, hat sich bei mir jedenfalls nicht erfüllt. Schwierig war auch die Verständlichkeit der Texte. Nur mit viel Mühe ließ sich feststellen, dass die Chorsätze am Anfang und am Schluss auf Deutsch und der übrige Text auf Italienisch gesungen wurden. Ohne Übertitel wäre man komplett hilflos gewesen. Meiner Meinung nach lag das nicht an den Solistinnen und Solisten, sondern an der Textbehandlung durch den Komponisten, der in den Chören Wörter und Silben verschiedenen Stimmen zuordnete und dadurch die Verständlichkeit erschwerte.

Doch vielleicht sind meine Anmerkungen angesichts der Wichtigkeit des Nono‘schen Werkes auch subjektiv. Notwendig ist aber ein intensives sich Einlassen auf dieses Werk, egal ob im Opernhaus oder im Stream. Während der Sommerfestspiele in Salzburg soll „Intolleranza“ ebenfalls herauskommen. Man kann gespannt sein auf die Reaktionen des hoffentlich dann wieder zugelassenen Publikums.

Intolleranza 2021 Weitere Onlinetermine im Juli und August, jeweils freitags: 2. Juli, 13. und 27. August 2021, um 19.30 Uhr im Stream Auch noch wichtig: La Traviata als weiterer Stream in einer Aufzeichnung einer konzertanten Produktion (ohne Publikum) aus der Historischen Stadthalle Wuppertal. Onlinepremiere ist am 4. Juli 2021, dirigiert von Generalmusikdirektorin Julia Jones, die sich damit vom Wuppertaler Publikum verabschiedet. oper-wuppertal.de 33

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Büchners Revolutionsdrama als nihilistis ch Das Schauspiel Wuppertal inszeniert „Dantons Tod“ von Georg Büchner als theatrale Installation. Der opulente Blut- und Bilderrausch zieht den Zuschauer magisch in die ewig währende Geschichte gesellschaftlicher Umbrüche

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Im Einlass ist der Anfang: die Menschheit vor dem Sündenfall. Diese Fiktion evoziert das als raumgreifende Installation angelegte Bühnenbild (Christian Blechschmidt): abstrahierte zerbrechliche Segelboote mit Lateinersegeln, dazu Bilder der rauen, aber nicht feindlichen See, projiziert auf wie zufällig auf dem Bühnengrund hingewürfelte Monitore. Noch weiß niemand, an welche Gestade die Reise durch Räume und Zeiten die Menschheit führen wird. Am Ende sind wir schlauer: Der Herrscher in uns ist der Gott des Gemetzels. Georg Büchner, der mit nur 23 Jahren starb, war der bedeutendste Exponent seiner literarischen Generation, des Vormärz, aber mehr noch: Er hatte mit seinen Dramen das Tor der Literatur weit in die Moderne aufgestoßen: Mit „Woyzeck“ präludierte er den Naturalismus, mit „Leonce und Lena“ antizipierte er Dada, den literarischen Surrealismus und das absurde Theater. „Dantons Tod“ fühlt sich bei Lektüre an wie eine Vorwegnahme des Doku-Theaters und zugleich wie ein großartiges Vorspiel des epischen Theaters: Auflösung der Einheit von Raum, Zeit und Handlung, eine lose Folge von Szenen. Und dennoch entrollt sich bei Dantons Tod vor dem Auge des Lesers das Zeitpanorama der Französischen Revolution im Breitbandformat. Hingerichtet werden während der Schreckensherrschaft der Jakobiner 1793/94 König Ludwig XVI, Angehörige des ersten Standes, Royalisten. Aber auch Girondisten, die sich wegen ihrer bürgerlich-liberalen und gemäßigten Einstellung der Konterrevolution verdächtig machen. Unter der Guillotine fallen mit ihnen Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit.

Stefan Walz als „Conférencier“ in „Dantons Tod“, Foto: Uwe Schinkel

Büchner fokussiert in seinem Drama jene Schicksalstage vom 25. April bis zum 5. Mai 1794, in denen das Kippmoment der Geschichte grausame Wirklichkeit wird. Die Revolution stürzt ins Blutbad. Eine Vielzahl an Schauplätzen, losen Szenen und sorgfältig recherchierten Zitaten des historischen Revolutionspersonals geben kaleidoskopartig einen Einblick in die Dynamik der Entscheidungsprozesse, die schließlich in die Hinrichtung Dantons und damit in die Schreckensherrschaft Robespierres münden.

is cher Grabgesang auf den Menschen In der Wuppertaler Fassung von Anna-Elisabeth Frick und Peter Wallgram bleibt von diesem Revolutionsdrama wenig übrig. Das Stück wurde – ähnlich wie Else Lasker-Schülers 35

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IchundIch – völlig entkernt und auf den Konflikt zwischen Robespierre und Danton reduziert. Paradoxerweise wird gerade dadurch die zentrale Absicht Büchners gelungen ins Werk gesetzt: nämlich zu zeigen, dass die geschichtliche Logik revolutionäre Prozesse in das Gegenteil ihrer ursprünglichen humanen Absichten verkehrt. In diesem Sinne inszeniert die Wuppertaler Fassung die Französische Revolution als Blaupause aller Revolutionen, bei denen sich am Ende immer die dunkle Seite der Macht durchsetzt: Robespierre gegen Danton, Lenin gegen Trotzki, die skrupellosen Architekten der Macht gegen die moderaten Pragmatiker, die einen gesellschaftlichen Ausgleich suchen. In der Wuppertaler Inszenierung von „Dantons Tod“ ist Robespierre eine Frau

This is the end Mehr noch: Die Französische Revoluti-

(Julia Meier) ..., Foto: Uwe Schinkel

on – ausgelöst durch die extreme Ungleichheit der Lebensverhältnisse – wird in die Gegenwart geholt. Den ersten Auftritt hat Stefan Waltz als Conférencier: Im gelben Gewand erzählt er, eine Art Geist des Dramas, die parabelhafte Geschichte vom Frosch, den, wenn man ihn kochen wolle, zunächst in kaltes Wasser setzen müsse, sonst springe er gleich aus dem Kochtopf heraus. Der Sinn der Geschichte ist bekannt, wird aber sogleich durch das Bühnenbild neu konnotiert. Denn auf den Monitoren sehen wir nun nicht mehr das mäßig aufgewühlte Meer, sondern apokalyptische Bilder des Klimawandels, süße Eisbärbabys auf einsamen Schollen im Meer treibend, Bilder der abschmelzenden Polkappen. Dahin hat die Reise die Menschheit also geführt! This is the end. Ob der Frosch, gerade noch rechtzeitig, aus dem Kochtopf der Erderwärmung springt?

... ebenso wie Danton selbst (Annou Reiners – hier in der Szene von Dantons Tod),

Noch während man sich dieser Frage sinnierend nähert, stöckelt auf High Heels Julia Meier auf die Bühne: eine skurrile Erscheinung, Bleistiftrock und 1970er-Bluse in psychedelischen Farben. Biedere Chefsekretärin, angepasst an den Mainstream der 2020er und zugleich Enkelin der 1968er, eine wilde Mischung. Julia Meier ist die Reinkarnation Robespierres; an die Stelle der sozialen Frage von 1789 ist der Frau gewordene ökologische Imperativ getreten. Im Hintergrundmurmeln des inneren Ichs vernimmt der Theatergänger die bange Frage, ob Frick und Wallgramm nun die Grünen als Partei der Ökodiktatur präsentieren und Baerbock als hypermoralisch schnappatmenden Robespierre inszenieren wollen. Julia Meier jedenfalls präsentiert einen modernen Robespierre, der für die totale Entfaltung seines Macht- und Blutrausches die Tugend ins Feld führt. Und tugendsam leben, das heißt heute politisch korrekt sein, ökologisch vernünftig agieren, antikapitalistisch denken. Und weil sonst die Welt untergeht, genauer verbrennt, müssen die politischen Verhältnisse gründlich

Foto: Uwe Schinkel

Darth Vader der Revolution: Thomas Braus brilliert in der Rolle des St. Just, Foto: Uwe Schinkel

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und ein für alle Mal auf den Kopf gestellt werden. „Die Tugend muss durch die Herrschaft des Schreckens geschützt werden“, lautet die revolutionäre Staatsräson. Einen toten Fisch reckt sie dem Publikum böse entgegen, um ihn nach der Wut-Rede achtlos in einen leeren Bottich zu werfen. Seht, das habt ihr getan: Artensterben, Klimawandel, Apokalypse: alles eure Schuld! Die Anspielung auf das Klischee der Ökodiktatur ist böse und politisch fatal. Aber: Theater darf das! Zumal Julia Meier die inneren Widersprüche und Abgründe Robespierres großartig auslotet. So oszilliert ihr Spiel zwischen grün gefärbtem Agitprop, exaltierten Ausbrüchen, Momenten machtberauschten Narzissmus und Augenblicken, in denen sie albtraumartig sich selbst in seiner/ihrer verkommenen Monstrosität erkennt. Das ist nicht die bundesdeutsche Wirklichkeit des Wahljahres 2021. Das ist dystopisches Spiel mit den Gefahren, die allen politischen Bewegungen innewohnen.

Blut- und Bilderrausch Auftritt Danton. Annou Reiners spielt Danton ebenso widersprüchlich und innerlich gebrochen wie Julia Meier Robespierres als dessen Spiegelfigur. An die Stelle der ökologischen Revolution tritt bei Danton das Ideal der Diversität; jeder soll nach seiner Fasson glücklich werden. Und das weit über die engen Grenzen der Religionsfreiheit hinaus. Das Leben, ein tumultuöses Fest der Vielfalt. Der Staat als machtgeschützter Schonraum jeglicher Lebensentwürfe und frei auslebbarer Identitäten, eine hedonistische Republik. Statt Schreckensherrschaft das Dogma des Wohlgefühls. Aber Reiners Danton ist zu klug, als dass er/sie daran wirklich glauben könnte. Ihr Danton ahnt schon die Gravitationskräfte in Richtung Schreckensherrschaft. „Ich weiß wohl, – die Revolution ist wie Saturn, sie frisst ihre eigenen Kinder.“ Und so reißt Reiners Danton die Segel von den Schraten, die jetzt wie tödliche Schwerter im Bühnenlicht glänzen. Die Menschheitsreise endet unter einem Himmel von Fallbeilen: Vorabend des Blutgerichts. Annou Reiners spielt Danton mit tief beeindruckender Urgewalt und zugleich einem feinen Gespür für Zwischentöne: Ihr Danton ist in Melancholie und fatalistischer Agonie gefangen, aus der er sich in hedonistischen Ausbrüchen zu Techno-Beats zu befreien versucht, ein weiblicher Dionysos, eine barocke Erscheinung, die in ihrer Todesahnung sich nimmt, was sie gerade noch kriegen kann vom kurzen Leben. Sie säuft Champagner, frisst rote Kirschen aus einem Glas, schlürft den Saft, der ihr über die Lippen fließt und das weite weiße Kleid blutrot färbt. Sie spritzt Sahne, eine männliche Ejakulation mehr als nur andeutend. Dann

wieder zeigt Annou Reiners Danton als klugen, kühnen und kühlen Analytiker, der sich selbst in seinen Widersprüchen ebenso erkennt, wie er Robespierre durchschaut. Am Ende legt ihr Danton sich selbst aufs Schafott, auf seine/ihre Hinrichtung wartend. Seine/ihre letzte Geste enthält so viel Fatalismus wie stumme Anklage: Sie setzt sich eine Corona-Maske auf. Die Wuppertaler Fassung übersetzt den Blutrausch der Revolution in einen opulenten Bilderrausch, der uns tief in das Geschehen eintauchen lässt. Dabei wechseln sich subtiler und derber Humor mit plötzlichem Schrecken ab. Das Lachen bleibt im Halse stecken. Dass Frick und Wallgram die Rollen Dantons und Robespierres mit Julia Meier und Annou Reiners besetzt haben, ist ein Glücksfall. Gerade durch diese Besetzung wird der bei Büchner erst in letzter Zeit in der Forschung tiefer behandelte Zusammenhang zwischen Macht und Eros mit den Mitteln des Theaters kunstvoll ausgeleuchtet. Zugleich bereiten sie damit dramaturgisch das furiose Finale des Stücks vor:

Darth Vader der Revolution Thomas Braus brilliert in der Rolle des St. Just, wie es der Theaterzettel verkündet. Aber dieser St. Just, der als Revolutionär wahrscheinlich brillanter war als Robespierre, ist keine Figur aus Fleisch und Blut. Sie ist die Inkarnation geschichtlicher Gravitationskraft, die die Dinge im Blut- und Todesrausch enden lässt. Braus gibt den ewig währenden Spiderman der Revolution, der sich nicht satt trinken kann am Blut der Menschheit, ein nihilistischer Darth Vader, der uns, ohne es uns zu sagen, mit Goethes Mephisto souffliert: „Ich bin der Geist, der stets verneint. Und das mit Recht; denn alles, was entsteht, ist wert, dass es zugrunde geht. So ist denn alles, was ihr Sünde, Zerstörung, kurz das Böse nennt, mein eigentliches Element.“ Die Toten aller geschichtlichen Katastrophen - von der Französischen Revolution über die beiden Weltkriege, der Spanischen Grippe, über 9/11 bis hin zur Corona-Pandemie - trägt dieser St. Just des Thomas Braus wie Orden an seiner Brust. In der atemberaubenden diabolischen Choreografie von Pascal Merighi windet sich Braus aus einem hautengen Kostüm, das den rohen Menschen ohne Haut und mit seinen ungeschützten Eingeweiden zeigt, bis er sich als das entpuppt, was er ist: der nackte Mensch, der reine Mensch: Und siehe: Der Mensch ist böse. Eine anthropologische Elegie aus Tanz und Schauspiel, ein nihilistischer Grabgesang auf den Menschen. Heiner Bontrup 37

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„All The Ways To Say I Love You.“ Oder: Welches Gewicht hat eine Lüge?

Leuchtet das Seelenleben ihrer Figur facettenreich aus: Beate Rüter in der Rolle der Faye Johnson. Foto: Anja Dassler

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Bei der Produktion des Stücks des USamerikanischen Theaterautors Neil LaBute arbeitet erstmals das Duo Beate Rüter und Julia Wolff zusammen. Entstanden ist ein beeindruckendes Kammerspiel, das den Zuschauer noch lange verfolgt. „Nie lässt sich das Auftauchen menschlicher Siedlungen an diesem oder jenem Ort rein utilitaristisch erklären, wie etwa aus den Bedingungen der Bequemlichkeit, der günstigen strategischen Lage oder der Kontrolle der Handelswege. Hinter diesen scheinbar rational erklärbaren Gründen verbergen sich andere Gründe – metaphysische, rätselhafte, im Alltag unbekannte. Das kollektive Unbewusste bewahrt in seiner Erinnerung ein Wissen um die Stellen der Konzentration von Energie, spürt oder erahnt Kraftlinien und organisiert eben dort Ansiedlungen menschlicher Gesellschaft und Bauten.“ Nicht zufällig leitet Nick Dmitriev, der langjährige und leider viel zu früh verstorbene Organisator der russischen Free-Jazz-Szene, seinen Blick auf Wuppertal mit dieser philosophischen Betrachtung ein. Dmitriev war eng mit dem Wuppertaler Free-Jazz-Musiker Peter Kowald befreundet und kannte Wuppertal sehr gut. Für ihn war die Schwebebahnstadt ein Ort „kultureller Helden“, ein Ort, an dem sich auf rätselhafte Art und Weise kulturelle Energie akkumuliert. Interessanterweise setzt sich diese Energieentfaltung in der Gegenwart fort. Die ehemalige Kulturkneipe ADA ist durch die Initiative Torsten Krugs zu einer Kulturinsel geworden, auf der Lesungen, Schauspiel und Konzerte stattfinden. Unweit des ADA entsteht am früheren Mirker Bahnhof „Utopia-Stadt“, ein überregionales Kultur- und Kreativlabor. Hier und heute aber soll die Rede sein von Beate Rüter und Julia Wolff. Beate Rüter arbeitet seit mehr als 20 Jahren als Autorin, Schauspielerin, Regisseurin und Theaterpädagogin in Wuppertal. In lebendiger Erinnerung ist ihr Stück „Zwischen den Stühlen“ über Helene Stöcker, das 2019 im Theater am Engelsgarten uraufgeführt wurde. In dem von ihr selbst verfassten Stück über die 1869 in Elberfeld geborene kämpferische und mutige Frauenrechtlerin Helene Stöcker war sie in die Titelrolle geschlüpft und hatte diese beeindruckend dargestellt. Julia Wolff ist Mitglied des Ensembles des Wuppertaler Schauspiels und eine großartige Schauspielerin. In der vergangenen Spielzeit brillierte sie in der Rolle der Else LaskerSchüler in deren Schauspiel „IchundIch“. Unvergessen auch ihre tief zu Herzen gehenden Monologe in „Atlas“, einer

komplexen deutsch-vietnamesische Migrationsgeschichte über drei Generationen des Leipziger Autors Thomas Köck. In der Produktion des Stücks „All The Ways To Say I Love You“ des US-amerikanischen Theaterautors Neil LaBute arbeiten die beiden erstmals zusammen. Julia Wolff gibt ihr Regiedebüt, während Beate Rüter in dem Einpersonenstück die Rolle der Faye Johnson spielt. Entstanden ist, das soll hier bereits vorweggenommen sein, ein großartiges beklemmendes Kammerspiel über Liebe, Lügen und Alltagsrassismus. Faye Johnson ist Lehrerin aus Leidenschaft und nur scheinbar glücklich mit Eric, einem schwarzen Rechtsanwalt, verheiratet. Sie achtet ihren Mann, doch die Ehe ist sexuell für beide eher unbefriedigend. Der Traum der beiden von einem gemeinsamen Kind bleibt unerfüllt. Faye sehnt sich danach, aus dem Korsett dieser durch die Jahre ermüdeten Beziehung und der Langeweile einer typischen Mittelstandsehe zu entfliehen. Eine Sehnsucht, die sie sich zunächst nicht eingestehen will, die sich aber auf Dauer nicht verdrängen lässt. Sie verliebt sich in einen Schüler aus der Oberstufe und beginnt mit dem jungen Schwarzen eine Affäre. Neil LaBute ist ein genialer Chronist des Bösen. Das Böse ist hier die Angst vor der Wahrheit, die Faye in unhaltbare Lebenslügen verstrickt. Sie belügt ihren Mann und gesteht ihm nicht, als sie schwanger wird, dass das Kind von ihrem Schüler ist. Sie belügt ihren Schüler, indem sie sich selbst nicht zu ihrer unstillbaren Sehnsucht zu ihm bekennt. Und sie belügt vor allem sich selbst, weil sie an den unhaltbaren Fiktionen ihres Lebens festhält. Dieses Klammern an den Lebenslügen ist Ausfluss gesellschaftlicher Verlustängste. Die Furcht, den geliebten Beruf zu verlieren, die Panik, von einer scheinbar liberalen, aber immer noch in alten Klischees erstarrten Mittelschicht der Obama-Ära geächtet zu werden. Neil LaButes Stück liest sich wie ein theatraler Kommentar zu Adornos Diktum: „Es gibt kein richtiges Leben im falschen.“ Und spannend ist zu sehen, wie Rüter/Wolff dieses Thema auf der Bühne umsetzen. Beate Rüter spielt extrem variantenreich und leuchtet das Seelenleben der Faye Johnson facettenreich und mit großer Bühnenpräsenz aus: Sie zeigt den verzweifelten Versuch Fayes, an ihrem Mittelstandsglück festzuhalten, aber ihre Beteuerungen, dass sie ihren Mann Eric liebe, klingen genauso hohl, wie sie es sollen, um der Figur jene diabolische Tiefe zu verleihen, die sie braucht. Ihre Wut auf Cancel Culture, Political Correctness und der Neid auf den beruflichen Erfolg ihres Mannes, den sie auch als Resultat seiner Geschicklichkeit versteht, sich 39

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als Schwarzer in einer Opferrolle zu inszenieren, spielt sie mit bewusst gedämpfter und gerade dadurch umso glaubhafterer Emphase. Rüter lässt hier Fayes ungeheure Verbitterung und innere Abkehr von Eric durchschimmern. Mit der gleichen Emphase stellt Rüter die Leidenschaft zu ihrem schwarzen Schüler dar, ihre sexuelle Gier, ihr unersättlicher Appetit auf diesen 16-Jährigen ist absolut glaubwürdig; ebenso wie ihre Verzweiflung über ein verpfuschtes Leben. Es trifft einen mitten ins Herz, wenn sie in ihrer Lebensbeichte erzählt, wie sehr sich ihre Tochter von ihr ab- und ihrem vermeintlichen Vater Eric zuwendet. Schon im Bauch hat ihre Tochter es nicht bei ihr ausgehalten; sie kommt viel zu früh zur Welt. Als eine Schülerin Faye die merkwürdige Frage stellt, wie viel eine Lüge wiege, findet sie keine Antwort. Am Ende des Stücks weiß Faye die Antwort: 2800 Gramm; so wenig wog ihr Kind, als es zur Welt kam. So wenig und doch so viel: Das ganze Gewicht der Welt, Fayes Welt. Das Stück hallt noch lange in uns nach, weil Rüter es fertiggebracht hat, die Faye in uns allen zu erkennen; sie gleichzeitig zu hassen – und zu mögen. Und zu verstehen. Das ist große Schauspielkunst, und wahrscheinlich hat das auch viel mit der Regiearbeit von Julia Wolff zu tun. Da stimmen alle Transitionen und Übergänge, das gesamte Timing: Die Pausen im Sprachduktus haben die genau richtige Länge; sie lassen gerade so viel Zeit wie nötig ist, um jene Leerstellen, in denen im Kopf der Zuschauer das Entscheidende passiert, zu füllen.

Stimmungsumschwünge werden durch Songs dargestellt; die frisch entbrannte Liebe Fayes zu ihrem Schüler etwa durch Bill Withers „Just The Two Of Us“, bei dem Rüter in das Flashback des kurzen Glücks Fayes zurückfällt. Ein besonders gelungener Kunstgriff Julia Wolffs ist es, mit einer Livecam zu operieren. Dabei fungiert Sol Hüttich auf der Bühne als Kamerafrau, eingehüllt in schwarze Cargohose und Kapuzenshirt als eine Art Schatten- und Spiegelfigur der Faye Johnson, die vielfältige Assoziationen freisetzt. Sie ist eine Art Verfolger, ein Stalker, der Faye nie aus den Augen lässt: vielleicht der schwarze Schüler, der seine Retterin und Liebhaberin Faye nicht aus dem Kopf bekommt. Oder das schlechte Gewissen der Lehrerin, die vom Gewicht der Lüge unablässig niedergedrückt wird? „All The Ways To Say I Love You“ ist eine großartige Produktion, die aus der Zusammenarbeit einer freischaffenden Künstlerin und einer professionellen Schauspielerin entstanden ist, die ihre ganze Theatererfahrung als Regisseurin eingebracht und eindrucksvoll gezeigt hat, dass sie nicht nur auf der Bühne, sondern auch ausgezeichnet hinter der Bühne als Regisseurin agieren kann. Man kann sich nur eine Fortführung dieser fruchtbaren Kooperation dieser kulturellen Heldinnen wünschen. Heiner Bontrup

Weitere Termine: 1. und 2. Oktober, 19.30 Uhr, im Café Ada, Wiesenstraße 6, 42105 Wuppertal

Beate Rüter und Sol Hüttich als Kamerafrau, Foto: Anja Dassler

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Auf, vor und hinter der Bühne Der Kultursommer feiert die kulturelle Wiederbelebung So komplett mag man es noch nicht glauben: Kultur wird wieder möglich - im eigentlichen Sinn. Nicht dass es im Lockdown keine gegeben hätte, keinesfalls: Zahllose Künstlerinnen und Künstler stellten sich unverzagt der Sondersituation. Aber Kultur heißt auch Gemeinschaft – und diese entsteht zwischen einzelnen Stream-Zuschauern nur schwerlich. Eine Einordnung dazu gab es jüngst zur Beuys-Performancewoche, als der Gelehrte Bazon Brock erklärte: „Kultur und Kunst haben nichts miteinander zu tun.“ Sollte heißen: Während das Konzept „Künstler/Künstlerin“ notwendig Autonomie braucht, ist für „Kultur“ ein Kollektiv wesentlich. So nötig also der Lockdown auch sicher war: Einer so verstandenen Kultur tut erzwungener Kontaktverzicht im Grunde Gewalt an. Nun kommt sie auch in diesem Sinn zurück, und im Tal steht dafür besonders ein Wort: Kultursommer. Ende Mai erhielt die Stadt Wuppertal das Ja zur Förderung: Mit Unterstützung der freien Szene war es dem Kulturbüro gelungen, bei der Kulturstiftung des Bundes einen Antrag über 500 000 Euro in kurzer Zeit einzureichen. Motto: „Gemeinsam zurück über die Wupper – Kultursommer 2021 Wuppertal“. Basis des Antrags war ein Förderkonzept, das drei große Ziele formulierte - ein Kraftakt, der sich dann auszahlen sollte. Das Kulturbüro mit dem Musikreferenten Ulrich Marxcors stellt fest: „Mit diesen im Konzept formulierten Zielen haben die freie Szene und das Kulturbüro die Kulturstiftung des Bundes überzeugt.“ Zur Umsetzung ging man an die Gründung eines Projektbüros. Konkreter werden konnte es im Grunde erst dann. Johannes Schmidt vom Team, bekannt von Utopiastadt, stellt klar: Erst mit Erhalt des Förderbescheids wurde es möglich, fest zu planen. Interesse freilich fand sich unverbindlich schon vorab. So konnte die Stadt vermelden: „Rund 30 Projektinitiatorinnen und -initiatoren und zehn Veranstaltungsorte“ hatten „Konzepte, Kostenanalysen und Interesse am Mitwirken beim Kulturbüro eingereicht“. Ideen also gab es einige. Nachdem nun die Kulturstiftung grünes Licht gegeben hatte, stieg die Zahl der „Initiatorinnen und Initiatoren“ rasch auf 50.

„Über die Wupper gehen“: Zu den „Exporten“ weit über die bergische Region hinaus zählt bekanntlich diese Redewendung, und im Tal wissen auch viele, wo sie ihren Ursprung haben soll: am „Eiland“, auf dem Weg zur Gerichtsinsel. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurde am „königlich-preußischen Landgericht Elberfeld“ Recht gesprochen, und wer dort vorgeladen war oder hingeführt wurde, musste den Fluss überqueren – und das Urteil konnte Haft bis Tod bedeuten. Ein fataler Gang. Die kreative Bildsprache kam an: Auch die Kulturstiftung kannte offenbar nicht nur den Ausdruck, sondern war auch vom Vergleich angetan. Brachte doch die Pandemielage viele Kunstschaffende nicht gerade an den Galgen, doch in schwere und bedrohliche Existenznot. Nun also gibt es Live-Kultur wieder vor Ort ... und zwar für alle. So allgemein diese Aussage auch ist, so sehr ist sie doch programmatische Botschaft, und zwar eine der Art, die schon allein für Freude sorgt. Offenheit ist dabei ein Begriff, der gleich doppelt wichtig ist. Neben der Öffnung für alle meint das zunächst einmal eine ganz praktische: zur freien Luft. Denn Corona bleibt die große Unbekannte. Nicht zuletzt deshalb ist der Kultursommer komplett open air. Neben Bühnen im Stadtraum können auch bewegte Acts durch die Straßen dazu gehören. Für Durchlüftung jedenfalls ist so gesorgt – fürs richtige Verhalten bleibt jeder mitverantwortlich. Das Zauberwort „Hygienekonzept“ ist selbstredend auch beim Kultursommer Trumpf und wird bei der Organisation seinen festen Platz haben. Wenn nötig, werden im ganzen Verlauf weiter Masken getragen werden müssen, Abstand wie gewohnt einzuhalten sein. Durchdacht kommt das alles daher, was zum Kultursommer vorab angelegt wurde, um sie alle wieder zu beleben: die Menschen auf, vor wie auch hinter der Bühne. Martin Hagemeyer

Das Programm wird unter wuppertal.de veröffentlicht. 41

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New Sounds from Whoopataal! Musikneuerscheinungen aus dem Tal

„Es ist vielleicht die Chance der mittelgroßen Städte, dass sie Fantasien ermutigen, Experimente im kleineren Kreis, dass in ihnen der Bürgerstolz auf die Avantgarde leichter scheint als in den Metropolen, in denen man weit mehr zur kritischen Distanz neigt“, schrieb Dr. Wolfram Knauer im Vorwort zum 2006 erschienenen Standardwerk „Sounds Like Whoopataal“. Die Stadt Wuppertal würdigte er als einen Ort, der eben deshalb

für das deutsche Jazzleben besonders bedeutsam war. Inzwischen sind wir schon wieder fast eine Generation weiter. Doch eine Reihe von Veröffentlichungen (mehr oder weniger) junger Musikerinnen und Musiker zeigt, dass dieser Geist der musikalischen Experimentierfreude hier weiterhin überaus lebendig ist. Und wie einst in den 1960ern gibt es etliche Querverbindungen, tauchen einzelne Namen immer wieder auf.

Anna.Luca, Foto: Norman Tebel

Anna Luca Mohrhenn oder auch Anna.Luca, wie sie sich als Solokünstlerin nennt, ist einem breiten Publikum wohl vor allem als eine Sängerin – und Komponistin – des international erfolgreichen Wuppertaler NuJazz-Projekts Club des Belugas bekannt. Aber auch mit verschiedenen eigenen Bands und Projekten hat die klassisch ausgebildete Pianistin, die zudem in Arnheim Jazzgesang studiert hat, bereits auf sich aufmerksam gemacht. Stilistisch durchaus in unterschiedliche Richtungen orientiert, waren diese immer vom Jazz als Grundhaltung getragen. Aus dem Projektnamen Small Friendly Giant ist nun der Titel ihres zweiten Solowerks auf dem Label Frutex Tracks geworden. Mit dem dancefloorfreundlichen Jazz-Pop von Club des Belugas haben die komplexen Kompositionen auf diesem Album wenig zu tun: Auf den neun selbst komponierten und arrangierten Songs lädt die deutsch-schwedische Sängerin zu einer hoch emotionalen und wendungsreichen Reise durch ihr Leben ein. Immer wieder blitzen Erinnerun-

Anna.Lucas Solowerk „Small Friendly Giant“

gen an Erlebnisse aus ihrer Kindheit in Schweden auf oder auch an ihren kürzlich verstorbenen Großvater (den „Small Friendly Giant“) – in Form von Melodiefetzen, die wie schwedische Volkslieder klingen, oder auch von schwedischen Textzeilen. Roman Babik (Klavier), Sebastian Räther (Bass) und Yonga Sun (Schlagzeug) begleiten nicht einfach nur den Gesang, sondern werden zu weiteren Stimmen, die Teile der Geschichten erzählen. Gemeinsam mit Rasmus Zschoch arbeitet Anna.Luca schon an ihrem dritten Soloalbum – „zurück zur Elektronik, aber nicht minder lyrisch“, kündigt sie auf ihrer Website an.

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Jonas David hat mit seinem neuen Werk lange auf sich warten lassen. Das hatte nicht zuletzt damit zu tun, dass er als Produzent etwa von Soundtracks für Filme von und mit Matthias Schweighöfer gut beschäftigt war. Über Jahre hinweg hatte er „nebenbei“ zahllose Songs und Songfragmente angesammelt, aus denen sich jedoch kein Album formen wollte. Im Herbst 2019 zog er sich deshalb für einige Zeit in ein Studio auf Sizilien zurück, um mithilfe von italienischen Musikern und später auch dem ebenfalls aus Wuppertal angereisten Produzenten Rasmus Zschoch seinen persönlichen „Giganten“ zu besiegen. Der nicht immer einfache Entstehungsprozess des Albums „Goliath“ (Haldern Pop) ist in einem sehenswerten Kurzfilm von Norman Tebel festgehalten. Jonas David gehört zu einer neuen Generation von Singer-Songwritern, die gezielt auch mit elektronischen Sounds, Effekten und Verfremdungen arbeiten, um bestimmte Klangwelten und Stimmungen zu erzeugen – auch wenn die grandiosen Kompositionen durchaus ohne die detailreiche Produktion, nur solo mit der Gitarre gespielt funktionieren würden. In den elf elegisch-melan-

Die Sängerin, Keyboarderin und Komponistin Maria Basel dürfte dem Publikum in Wuppertal als jeweils eine Hälfte der Duos Basel & Söhngen und MxM bekannt sein, sie hat aber auch schon etwa mit Samy Deluxe, Jonas David und Golow gespielt. Ihre Wurzeln liegen in der Klassik – ihre Eltern sind beide klassische Musiker – und auch im Jazz, den sie vor allem in den Sessions im Café Ada für sich entdeckt hat. In ihrem Jazz-Duo mit Gitarrist Christof Söhngen entlockt sie bekannten Standards ganz neue Facetten. Auf ihrer ersten Solo-EP „Layers“ (Listenrecords) zeigt sie sich als experimentierfreudige Sängerin und Produzentin. Die fünf sehr persönlichen und immer ein wenig melan-

Florian Davids Album: „Goliath“

cholischen Songs eröffnen sich auch schon mal emotionale Abgründe: ein mutiges und bewegendes Album. cholischen Downtempo-Songs kommen in flirrenden elektroakustischen Arrangements daher. Als ein Symbol für die Vielschichtigkeit ihrer Musik kann man die (leider bereits vergriffene) Special Edition sehen, die es neben der CD und dem reinen Download gab: Zusammen mit dem Künstler David Friedrich bemalte sie 50 Matrjoschka-Puppen. Jedes der fünf Püppchen steht für einen der Tracks, in dem kleinsten von ihnen ist dann der Download-Code versteckt. Dass die Songs auch live in reduzierter Version gut rüberkommen, hat Maria Basel seit der EP-Veröffentlichung in einer Reihe von gestreamten Live-Sessions bewiesen.

Special Edition: Matrjoschka-Puppen, von Maria Basel und dem Künstler David Friedrich bemalt Foto: Willi Barczat

Maria Basels erste Solo-EP: „Layers“

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Einer der Protagonisten der Düsseldorfer Band Fil der Protagonist ist der Wuppertaler Keyboarder Niklas Nadidai. Er ist zudem Initiator der grenzüberschreitenden Kult & Klang Sessions im LOCH und mischt auch schon mal bei Bands wie der Wuppertaler Pop-Hoffnung Darjeeling mit. Auf ihrem Debütalbum „Weiß wie Pech“ (Eigenvertrieb) loten Nadidai, Paul Wunder (Bass) und Thomas Holz (Schlagzeug) mit viel Spielfreude das Grenzgebiet von Jazz, Rock, HipHop und Spoken Word aus. Dazu lässt Rap-Poet Felix Jan Nitsch seinen eher düsteren Gedanken freien Lauf. Diese Mischung ist nicht einfach zu vermarkten, wie die Band selbst weiß, was sie aber nicht davon abhält, ihr stilistisches Spektrum stets noch zu erweitern. Man darf gespannt sein auf die neuen Songs, an denen das Quartett gerade im Proberaum arbeitet.

Fil der Protagonist: „Weiß wie Pech“, Foto: Willi Barczat

An seinem dritten Album „Rosa Elefanten“ (Florian Franke Records) hat der Singer-Songwriter Florian Franke zwei Jahre lang mit insgesamt 22 Menschen gewerkelt. Aufgenommen wurde es letztlich live in mehreren Sessions mit Jonas Scheler, Nikolaus Winkelhausen, Tobias Kemper, Jaqueline Rubino und Leon Mucke. „Ich habe mich noch nie so sehr in Aufnahmen wiedergefunden wie bei ‚Rosa Elefanten‘. Es stellt einen kleinen Kontrast zu dem mit Beauty-Filter überzogenen Musikbusiness dar, welches ihr sonst aus dem Radio kennt. Ungeschönt und live, dieses Album bin hundertprozentig ich“, schreibt er dazu auf seiner Website. Musikalisch ist sein Pop-Entwurf mit dezenten Soul- und Jazzelementen angereichert, mit einigen gekonnten Ausflügen in Richtung Rock oder auch Blues. Die Texte geben Einblicke in sein Innenleben und lassen dabei auch die dunklen Seiten, die Angst vor dem Scheitern nicht aus.

Florian Frankes Album: „Rosa Elefanten“

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In eher traditionellen Gefilden ist Bluesgitarrist und Sänger Henrik Freischlader unterwegs. Live im Studio mit Vintage Equipment aufgenommen, ist sein Album „Missing Pieces“ (Cable Car Records) eine im besten Sinne schnörkellose und damit auch zeitlose Angelegenheit. Sein Gitarrenspiel erinnert an Blues-Rock-Soul-Größen der 1970er-Jahre, und wie den Besten von diesen geht es ihm nicht darum, durch technisches Können zu brillieren (auch wenn dieses immer wieder durchschimmert). Er stellt seine Künste ganz in den Dienst der Songs, ihrer Stimmung und der Storys, die sie erzählen – mal wehmütig und melancholisch, mal aufgewühlt oder dramatisch, aber auch durchaus einmal beseelt und leichtfüßig. Neben Freischladers Gitarre ist es vor allem Roman Babiks erdige Hammondorgel, die hier die Musik stark prägt und einen zuweilen in eine Südstaatenkirche versetzt. Bassist Armin Alic – auch so ein umtriebiger musikalischer Grenzgänger, der u.a. vom Royal Street Orchestra bekannt ist – und Drummer Moritz Meinschäfer sorgen für den treibenden Backbeat, den jedes gute Bluesalbum braucht. Marco Zügner setzt am Saxofon funkige Akzente. Eine besondere Erwähnung ist das aufwendige, gestanzte Klapp-Cover wert – in die offene Frontseite lassen sich beigefügte Fotokarten einlegen, sodass sich immer wieder ein neues Coverbild ergibt. Man muss sich im Streaming-Zeitalter eben etwas einfallen lassen, um die Fans zum Kauf physischer Tonträger zu bewegen.

Der Sound von „Whoopataal“ – so klang der Name der Stadt in den Ohren der Amerikaner, die seit den 1960er-Jahren hierherkamen, um mit Peter Kowald, Peter Brötzmann & Co. zu spielen – ist noch immer vielfältig und spannend. Zeit für eine nochmals erweiterte Neuauflage von „Sounds Like Whoopataal“? Guido Halfmann

45 Henrik Freischladers Album: „Missing Pieces“, Foto: Willi Barczat

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Die Orgel in der Klosterkirche Wuppertal-Beyenburg, Foto: Johannes Vesper

Die heilige Dreieinigkeit

Orgeln im Bergischen Land – Unesco-Kulturerbe zwischen Wupper und Dhünn In Wuppertal gibt es eines der wenigen Unternehmen, die mit gebrauchten Pfeifenorgeln handeln. Von Langeoog bis Nizza, in England und Polen werden Orgeln gelegentlich nicht mehr gebraucht, abgebaut und wiederverkauft. In Deutschland gibt es immerhin noch knapp 50 000 Orgeln. Wurden hier 1983 noch 80 Orgeln in Deutschland mit einer Gesamtzahl von knapp 1200 Registern neu gebaut, waren es 2013 noch 18 mit insgesamt 380 Registern. Auch weltweit werden neue Orgeln immer noch gebaut. 2018 weihte die berühmte lettische Organistin Iveta Apkalna eine der größten Orgeln Asiens (9085 Pfeifen, 125 Register, 3 Spieltische) in Weiwuying (Taiwan) ein. Das Instrument stammt fast aus dem Bergischen Land, wurde es doch von Johannes Klais in Bonn gebaut. Diese Organistin wird im September in Wuppertal die jetzt erweiterte Orgel der Stadthalle einweihen.

Seit 2017 gehört die Orgel zum Immateriellen Kulturerbe der UNESCO. Für das Jahr 2021 kürten die Landesmusikräte die Orgel zum „Instrument des Jahres“. Erstmalig hatte Ktesibios im 3. Jahrhundert vor Christus in Alexandria eine Orgel konstruiert, bei der Winddruck durch Wasserfluss reguliert wurde. Bevor die Orgel in die Kirchen Mitteleuropas gelangte, ließ sich Pippin der Kurze (714-768), der Vater Karls des Großen, eine Hausorgel auf seinem Landsitz in Compiègne aufstellen. Im 9. Jahrhundert sind Orgeln, meist tragbare Kleinorgeln, schon in Aachen, Köln, Freising und Canterbury bezeugt. Im hohen Mittelalter dann werden Orgeln überall in Zentraleuropa gebaut (z.B. Erfurt, Magdeburg, Paris, Rouen). Als die älteste deutsche, noch spielbare Orgel gilt die Orgel von St. Andreas in Ostönnen, als zweitälteste die der Rysumer Kirche, die um 1450 erbaut und mit „vette beesters“, also fetten Rindern, bezahlt wurde.

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Die Älteste Zu dieser Zeit rauschten im Bergischen Land noch die Wälder, die Nachtigall sang, und die Finken schmetterten in schattigen Eichen. Erstmals wurde hier 1693 eine Orgel schriftlich dokumentiert, und zwar die Orgel der Klosterkirche St. Maria in Beyenburg. Bruder Dirk, der letzte des Kreuzherrenordens erzählt: „Lange vor dieser Orgel hatten wir hier aber schon einen Organisten namens Frater Johannes von Dortmund. Der starb 1572.“ Nach Bränden (1618 und 1678) sei die spätgotische Klosterkirche unter anderem mit der Orgel und ihrem prächtigen Prospekt ausgestattet worden. Er ist mit Hauptwerk und Rückpositiv erhalten. Große Basspfeifen bilden den zentralen Turm der geschwungenen Orgelfassade. Rechts und links daneben finden sich, getrennt durch Schmucksäulen, die Pfeifenfelder des Hauptwerks, an die sich wieder turmartig Prospektpfeifen anschließen. Trompetenengel strahlen in barockem Glanz vom Dach der Pfeifentürme herunter, und zwar mit wehendem, goldenem Flor, „wegen der Keuschheit“, schmunzelt Bruder Dirk, „und der Engel, der den zentralen Pfeifenturm unterstützt, guckt etwas übellaunig, da er die ganze Orgel tragen muss.“ Gruselig-ironisch schauen verfremdete Gesichter aus den Ornamenten der Brüstungsfeldern der Empore. „Vielleicht hatte der Kunstschreiner ja Migräne, als er daran gearbeitet hat.“ Das heutige Orgelwerk, dessen 50-jähriges Jubiläum kürzlich gefeiert wurde, stammt von Romanus Seifert aus Kevelaer, der unter anderen die im Mindener Dom gebaut hat. Die Orgel in Beyenburg ist zwar die älteste, aber bei weitem nicht die einzige historische Orgel zwischen dem Altenberger Dom und der Historischen Stadthalle in Elberfeld.

Die Haus- und Kleinorgeln aus Elberfeld Dort gründete Mitte des 18. Jahrhunderts Jakob Engelbert Teschemacher (1711-1782) seine Orgelbauwerkstatt. Später wurde die große Orgelbautradition Wuppertals geprägt durch die Firmen Ibach, Koch und Faust. Von den zehn Instrumenten, die allein die Orgelbaufirma Ibach zwischen 1844 und 1880 für Wuppertaler Kirchen gebaut hat, existieren in Teilen noch zwei (Prospekte der Wichlinghauser und der Cronenberger Kirche). Sechs verbrannten unter den Bomben des 2. Weltkriegs. Von Ibach stammte auch die erste Konzertsaalorgel auf dem europäischen Kontinent, die 1855 eingeweihte Ibach-Orgel des Konzertsaals „Concordia“ in Barmen. Die 1904 in der Nachfolge von Koch und Ibach gegründete Orgelbaufirma Faust baute bis 1953 260 Orgeln und erlosch 1982 als „Schwelmer Orgelbau“. Aus dieser Tradition heraus werden noch heute am Mettberg

Klosterkirche Wuppertal-Beyenburg: Trompetenengel auf dem Orgeldach Foto: Johannes Vesper

(Herzkamp) in der Firma „Bertold Prengel Orgelbau“ Orgeln gebaut, von denen eine Andreas Ladach kürzlich in Hatzfeld ab- und in Italien wiederaufgebaut hat. So setzt sich die Wuppertaler Orgelbautradition bis in der Trinitatiskirche am Arrenberg noch heute fort. Aber zurück zu Teschemacher. Seine kleinen, einmanualigen Orgeln mit und ohne Pedal reichten für die in calvinistisch-reformierten Gemeinden weniger geschätzte Kirchenmusik aus, fanden ihren Platz aber auch in Privathäusern wie ehemals bei Pippin dem Kurzen. Als selbstbewusster Handwerker legte Teschemacher großen Wert auf Qualität. Hundert und mehr Jahre sollten bei guter Pflege seine Orgeln halten, was sie auch taten. Größere Orgeln von ihm sind nicht erhalten. Eine ursprünglich für die Reformierte Gemeinde Wevelinghoven (heute Stadtteil von Grevenbroich) geplante Kleinorgel (elf Register) konnte 1767 nicht ausgeliefert werden, da der dortige katholische Ortspfarrer aus der Nachbargemeinde unter Einschaltung des Kölner Generalvikariats ein Verbot zur Aufstellung einer Orgel durchgesetzt hatte. So kam die Orgel nach Schwelm und wurde hundert Jahre später (1869) nach Schließung der Kirche dort in Dönberg aufgebaut, wo sie 1967 zugunsten einer neuen Orgel erneut abgebaut 47

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und der Stadt Wuppertal übereignet wurde. Heute bietet sie nach Restaurierung (Gebr. Oberlinger Windesheim) als Chororgel in St. Laurentius zu Wuppertal nicht mehr ganz den Originalklang Teschemachers, erhielt aber ein modernes Gebläse- und Pedalwerk. Die „Blind- und Bosheit“ der Wevelinger vor 250 Jahren ist vergessen. Insgesamt gibt es in Kirchen und Museen noch ca. 20 erhaltene Orgeln dieses bedeutendsten Orgelbauers des Bergischen Landes (u.a. in Köln, Brüssel, Antwerpen, Augsburg, Bethel College (North Newton, Kansas). Aktuell ist in Wuppertal aus anderen Gründen wieder von Teschemacher die Rede. Der alte Teschemacher Hof an der Mirke, in dem sich auch die Orgelwerkstatt befunden haben soll, wird restauriert werden.

Der Weiler Remlingrade , Foto:Willi Barczat

Blick in den Innenraum der Remlingrader Kirche mit der Original-Ausstattung aus dem 18. Jahrhundert, Foto: Johannes Vesper

Die Dörfliche Zwischen Beyenburg und Radevormwald liegt das kleine Remlingrade mit seiner schmucken weißen Kirche von 1744. Jedenfalls findet sich diese Zahl aus schwarzen Eisenankern an der Fassade des Turms mit verschiefertem Spitzhelm. Die prächtige Innenausstattung stammt original aus dem 18. Jahrhundert. Imposant erhebt sich unter dem Tonnengewölbe der mächtige Aufbau von Kanzel und Orgel über dem Altar. Diese Anordnung der Prinzipalstücke (Altar, Kanzel, Orgel) ist für die bergischen Predigtkirchen charakteristisch. In der Regel steht die Orgel dem Altar gegenüber. Der Heilige Geist ist als geschnitzte Taube im achteckigen Schalldeckel der Kanzel dem Geist des Pastors bei der Predigt immer nah. Über ihm aber steht hier die

Orgel und vermittelt zwischen Gemeinde und Himmel. „Bevor das Gebläsewerk elektrisch betrieben wurde, mussten nach Einweisung durch den Küster die Konfirmanden den Blasebalg im Schweiße ihres Angesichts treten,“ erzählt Pfarrer Albert Keller. Die 1987 eingebaute Schumann-Orgel französisch-barocken Zuschnitts konnte bis 2004 durch weitere Register ergänzt werden.

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Die pneumatische Orgel in der Reformierten Kirche Wuppertal-Ronsdorf wurde 1908 gebaut und hat bis heute ihren authentischen Klang bewahrt, Foto: J. Vesper

Die Pneumatische Die Evangelisch-reformierte Kirche in Ronsdorf wurde nach Plänen des Kölner Dombaumeisters Rudolf Zwirner und nach dem Vorbild der Elberfelder Sophienkirche im Luisenviertel 1855 bis 1858 in neuromanischem Stil gebaut. Nach Verfall ihrer alten entschloss man sich 1908 zum Bau einer neuen Orgel. Als Opus 1028 der Orgelbaufirma Wilhelm Sauer fügt sie ohne Gehäuse sich mit ihren Pfeifenfeldern auf der Südempore „unbergisch“ gegenüber von Kanzel und Altar in die originale Zwirner‘sche Innenausstattung ein. Technisch bedient sich diese Orgel einer pneumatischen Traktur. Die zuvor übliche mechanische Kraftübertragung auf Windlade und Pfeifen erforderte bei größeren Orgeln zunehmend größere Kräfte, um Tasten und Register zu betätigen. So ging man zwecks leichterer Ansteuerung dazu über, die Registerzüge elektrisch, seit 1880 die Pfeifen aber auch mit ventilgesteuertem Luftdruck anzusteuern, technisch nicht ganz einfach. Wilhelm Sauer baute seit 1896 Orgeln mit Röhrenpneumatik in hoher technischer Präzision quasi am Fließband. Die Technik der Röhrenpneumatik war nicht einfach, sodass man sie Ende der 20er-Jahre wieder verließ. Die Ronsdorfer Orgel wurde 1955 von der Wilfried Sauer Orgelbau GmbH Müllrose, 1969-1971 von Willi Peter (Köln) restauriert, hatte insgesamt das Glück, dass für Ergänzungen oder Erweiterungen nie Geld vorhanden war. So bietet sie bis heute den authentischen Klang aus der Zeit ihrer Erbauung. Seit 1985 steht sie

unter Denkmalschutz. Von der Orgelbaufirma Wilhelm Sauer stammt in Wuppertal übrigens auch die Orgel der Friedhofskirche (Hochstraße), eingeweiht 1898, und die 1. Stadthallenorgel, die 1900 mit vier Manualen und 56 Registern eingeweiht und 1957 bei zunehmender Reparaturanfälligkeit verschrottet wurde. Den Höhepunkt des romantischen Orgelbaus bietet in Deutschland die große Sauerorgel des Berliner Doms (Baujahr 1905). Die Röhrenpneumatik der Sauer-Orgel Ronsdorf, Foto: Johannes Vesper

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Dabei muss sich der König aber mit seinen Trompetenengeln unter das Tonnengewölbe des Daches ducken. Die Orgel war 1783 für die größere Düsseldorfer Kreuzbrüder Kirche vom niederrheinischen Orgelbauer Abraham Itter aus Kevelaer gebaut und kam 1813 für 400 Taler nach Radevormwald.

Hoch auf der Orgel in der Lutherischen Kirche Radevormwald thront König David und schlägt die Harfe, Foto: Karl-Heinz Krauskopf

Die Königliche (Lutherische Kirche Radevormwald) Radevormwald erhielt als bedeutender Rodungsort der Grafschaft Berg schon seit dem 14. Jahrhundert Stadtrechte. Bis zum Jahre 1707 mussten die Radevormwalder Lutheraner zum Gottesdienst nach Remlingrade gehen, reiten oder fahren, bevor sie ihre eigene Kirche bauen durften, und zwar nach der Vorschrift des katholischen Kurfürsten in Düsseldorf in gehöriger Entfernung von der katholischen Kirche. Nach dem großen Stadtbrand von 1802, der nahezu alle Gebäude zerstörte, wurde die Kirche als Bruchsteinsaal mit großen Rundbogenfenstern und „welscher Haube“ schnell wiederaufgebaut. Im Inneren ist die bergische Anordnung der Prinzipalstücke in den Farben, Weiß, Grau, Grün und, wenig Gold ein Meisterstück spätbarocker bzw. früh-klassizistischer Innenarchitektur im wahrsten Sinnen des Wortes. Die Kanzel schwebt über dem Altar vor einer sich aus der östlichen Altarwand herauswölbenden Sakristei. Die Orgelempore darüber, versehen mit Schnitzwerk in Form drapierter Tücher, wird von vier korinthischen Säulen mit goldenen Kapitellen gestützt und stammt von Radevormwalder Handwerkern aus der Zeit um 1813. In der Girlandenkrone des Kanzeldachs schwebt der goldene Erdball mit Kreuz. Endlich türmt sich auf der Empore als Krone bergischer Dreieinigkeit die zweistöckige, klassizistische Orgel auf. Zwei Karyatiden fassen das Positiv ein und tragen die beiden seitlichen Pfeifentürme. Pfeifenfelder in der geschwungenen Fassade umrahmen den zentralen, kleineren Pfeifenturm. Und ganz oben schlägt der fast lebensgroße König David seine goldene Harfe. Hier reißt die Musik seit Martin Luther und Johann Sebastian Bach den Gläubigem den Himmel auf und vertreibt ihnen die Depressionen wie dem König Saul vor 3000 Jahren.

Die heutige Orgel (Karl Schuke Berlin) hat insgesamt 1857 Pfeifen und 29 Register, zwei Manuale, ein Pedal und wurde 1980 in den historischen Prospekt eingebaut. Die sichtbaren Orgelpfeifen, noch von 1898, aus hellem 14-lötigen Zinn sind nicht künstlich patiniert. Die Vorgängerin, eine selten gebaute Röver-Orgel, hatte auch im Hinblick auf ihre pneumatische Traktionstechnik nicht mehr repariert werden können. Die reformierte Kirche Radevormwald am Marktplatz war nach dem Stadtbrand 1802 ebenso wiederaufgebaut worden und erhielt 1826 eine neue Orgel. Diese Orgel und ihr Prospekt hat Christian Rötzel aus Alpe im Oberbergischen entworfen und der Radevormwalder Möbelschreiner Karthaus gebaut. Der Aufbau der Prinzipalstücke in bergisch-klassizistischem Stil scheint hier in schlichterer, aber eleganter Ausführung derjenigen aus der lutherischen Kirche nachgebaut. Die Orgel hat 25 Register und 1414 Pfeifen.

Die Prächtige Die traditionsreiche, reformierte Gemeinde von Lüttringhausen kann immerhin ihre 59 Pfarrerinnen und Pfarrer seit 1550 auflisten. Und bereits 1529 wurde in Köln der Lüttringhauser und lutherische Ketzer Adolf Clarenbach verbrannt. Nach dem verheerenden Stadtbrand 1736 wurde die Kirche wiederaufgebaut und erhielt 1861 ein weiteres Turmgeschoss mit „welscher Haube“. Die erste Orgel hat „Orgelmacher“ Johannes Streffing 1736 bis 1738 aus Datteln gebaut. 1881 wurde sie wegen Baufälligkeit ersetzt. Wilhelm Sauer (siehe Ronsdorf) baute 1891 die zweite Orgel, Rudolf von Beckerath 1970 die dritte. Der hochbarocke Aufbau der Prinzipalien aus dem 18. Jahrhundert blieb erhalten und zeigt eine farbige Pracht, die ihresgleichen sucht. Vor der gewaltigen zweistöckigen Orgel mit drei Pfeifentürmen und Pfeilerfeldern steht das ähnlich aufgebaute kleinere Rückpositiv. Seitlich fassen die 16 Fuß Basstürme den ganzen Orgelprospekt ein, zwei gedrehte Säulen mit Rankenwerk die Kanzel. Auch hier musizieren König David und seine Trompetenengel, und zwar auf dem Fries zwischen 1. und 2. Orgelstockwerk. Seine Musik kann über eine digitale Schnittstelle vom Spieltisch der Orgel aus zu elektronischen Sounds, Keyboard, PA-Boxen usw. bei Bedarf erweitert werden.

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Farbige Pracht, die ihresgleichen sucht, in der Kirche der

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reformierten Gemeinde Lüttringhausen, Foto: Karl-Heinz Krauskopf

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Komplexes Innenleben der Konzert-Orgel in der Stadthalle, Foto: Johannes Vesper

Die Sinfonisch-Konzertante Die größte Orgel des Bergischen Landes stammt von S. Sauer, Orgelbau Ottbergen (nicht zu verwechseln mit Wilhelm Sauer, ehemals Frankfurt/Oder) und wurde 1997 nach der Renovierung der Stadthalle von einem großzügigen Mäzen gespendet. Die Einweihung musste wegen defekter Sprinkleranlage um ein Jahr verschoben werden. Die jetzige Orgel ist also faktisch die zweite Orgel daselbst. 2014 erfolgte eine Grundreinigung aller 4 706 Pfeifen. 2020 wurde für 150 000 € die technische Anlage erneuert und die Setzeranlage digitalisiert. Das erfolgte unter den Augen von Johannes Falke, dem Chefintonationsmeister der Orgelbaufirma, der auch schon den Bau geleitet hat. Mit ihm ins Orgelgehäuse zu steigen und dort seinen Erläuterungen zu folgen, ist ein besonderes Vergnügen. Erst im Inneren der Orgel bekommt man eine Vorstellung von der Komplexität des Instruments.

binationen, können wir jetzt bis zu 20.000 Kombinationen speichern und nutzen. Sensationell ist das! Die heutige Digitaltechnik beim Auto ist ja mit den Möglichkeiten von 1997 auch überhaupt nicht vergleichbar“, begeistert sich

Setzen und Koppeln der 69 Register bei drei Manualen und Pedalwerk erfolgt jetzt elektronisch computerisiert. „Vor einigen Jahren hatte der weltbekannte Organist Vincent Dubois hier bei einem Konzert eine Kombination falsch programmiert, nach der jeweils im Pianissimo eine kräftige Zungenstimme kakofonisch der Orgel zusätzlich quakte. Ich musste per Hand die Registerkombination berichtigen. Ein Albtraum jedes Organisten“, erzählt Wolfgang Kläsener, seit einigen Jahren Custos der Orgel. Das kann zukünftig nicht mehr passieren. Jetzt ist diese Orgel eine der modernsten der Welt. „Hatten wir bisher 256 Setzer, also Speicherplätze für RegisterkomBlick in den großen Saal der Historischen Stadthalle Wuppertal

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mit der Konzertorgel, Foto: Johannes Vesper

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der Custos. Zum Vergleich: Die große Schuke-Orgel der Immanuelskirche von 1967 hat 58 Register, fünf Setzerkombinationen und sieben Koppeln. Dank Computertechnik erfährt der Klang der 69 klingenden Register in Verbindung mit Spielhilfen, Sub- und Superkoppeln ganzer Manuale eine ungeheure Erweiterung. Dabei erfolgt die Kraftübertragung des Tastendrucks am oberen Spieltisch mechanisch, am Bühnenspieltisch vollständig elektrisch. Mit der jetzigen Technik ist auch die Speicherung gespielter Musik auf der Orgel möglich, eine späte, elektronische Realisation der alten Welte-Mignon-Technik. Bei einer solchen Orgel in einem der „schönsten Konzertsäle der Welt“ ist zu wünschen, dass neben „Wuppertaler Orgeltagen“ und „Orgelakzenten“ auch sinfonische Orgelmusik zu hören sein wird. Zusammenfassend gibt es zwischen Wupper und Sieg an die 30 Kirchen mit dem für die Region typischen „bergischen Kanzelaltar“ und herrlichen Orgeln aus den letzten drei Jahrhunderten. Wandern oder Radfahren von einer Orgel bzw. Kirche zur anderen bieten fantastische Erfahrungen in dieser Kulturlandschaft. Johannes Vesper

Konzertvorschläge der Redaktion:

Historische Stadthalle Wuppertal Sonntag, 29. August 2021, 18 Uhr 1. Orgel-Akzent Einweihung der renovierten Sauer-Orgel Sinfonieorchester Wuppertal, Iveta Apkalna Orgel Werke von Johann Sebastian Bach, Alfrēds Kalninš, Ēriks Ešenvalds, Jāzeps Vītol, Pēteris Vasks. Samstag, 18. September 2021, 19.30 Uhr, 2. Orgel-Akzent Sinfonieorchester Wuppertal Sebastian Küchler-Blessing Orgel Werke von Dieterich Buxtehude, Jehan Alain, Johann Sebastian Bach und Pjotr Iljitsch Tschaikowski sinfonieorchester-wuppertal.de

32. Gräfrather Orgelsommer St. Mariä Himmelfahrt Klosterhof 3, Solingen-Gräfrath Sonntag, 18. Juli 2021 Swen Berndtson Trompete, Michael Schruff Orgel Werke von Haydn, Ravel, Vierne u.a. Sonntag, 1. August 2021 Rebecca Buntrock und Susanne Imhoff Violinen, Ralf Eumann Orgel Werke von Bach, Mendelssohn, Rheinberger u.a. Eintritt frei. Anmeldungen bis jeweils 2 Wochen vorher unter Tel 0212/221480. Reihe Sommerliche

Orgelkonzerte, Wuppertal

Kirche St. Antonius Unterdörnen 137, 42275 Wuppertal Sonntag, 1. August 2021, 16.30 Uhr

Zwischen Himmel und Erde Wolfgang Kläsener Orgel Sonntag, 15. August 2021, 16.30 Uhr, Olivier Latry, Paris Sonntag, 29. August 2021, 16.30 Uhr, Thomas Ospital, Paris

Basilika St. Laurentius Friedrich-Ebert-Straße 22, 42103 Wuppertal Sonntag, 8. August 2021, 16 Uhr Ralitsa Ralinova Sopran, Hans Küblbeck Orgel Sonntag, 22. August 2021, 16 Uhr Bine Katrine Bryndorf, Kopenhagen kirchenmusik-wuppertal-remscheid.de 53

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Von Unterbarmen nach Amerika Der Bericht des Amerika-Auswanderers Hermann Enters aus Unterbarmen bekommt eine Fortsetzung

Hermann Enters, ältester Sohn eines Webers, wanderte in den 1880er-Jahren mit Frau und sechs Kindern von Unterbarmen nach Milwaukee in Wisconsin aus. An seine zurückgebliebenen Geschwister im Wuppertal schrieb er 1922 einen langen Brief, in dem er authentisch und anrührend von seiner entbehrungsreichen Kindheit und Jugend in Unterbarmen berichtet. 1970 kam der Brief im Wuppertaler Born-Verlag als Buch mit dem Titel „Die kleine, mühselige Welt des jungen Hermann Enters“ heraus. Dieser erste Bericht erlebte mehrere Auflagen und wurde

im Schulunterricht verwendet. Das Manuskript wurde ins Englische übersetzt, und Hermann Enters Enkelin Cloe Doyle aus Milwaukee beschrieb den Opa aus eigener Kenntnis. Das Ganze wurde als „The Hermann Enters Story“ in der Familie bekannt gemacht. Jetzt erscheint, herausgegeben vom Bergischen Geschichtsverein, eine Art Fortsetzung. Das neue Buch „Hermann Enters wandert aus“ ist eine wesentlich erweiterte Fassung, die Enters 1927 nach dem Tod seiner Frau Auguste für Kinder und Enkel verfasste.

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Herr Professor Goebel, wie überrascht waren Sie, als Sie hörten, dass es ein zweites Enters-Manuskript gibt? Natürlich war ich sehr überrascht, denn ich ging davon aus, dass Hermann Enters 1922 einen 40-seitigen Brief an die Geschwister in Barmen und Elberfeld geschrieben hat. Der wurde dann zu dem Buch „Die kleine, mühselige Welt des jungen Hermann Enters“. Ende der 1980er-Jahre kam Leo Doyle, ein Enkel von Hermann Enters, mit seinem Sohn Peter aus Houston in Texas nach Wuppertal. Sie besuchten den Born-Verlag, in dem das erste Buch erschienen war, und berichteten, es gebe noch ein zweites, sehr viel umfangreicheres Manuskript, das sie aber nicht lesen könnten. Die Verlegerin Sigrid Born stellte später den Kontakt zwischen Peter Boyles Bruder Professor Jon Doyle und mir her. So kam die Kopie der 160 Manuskriptseiten in meine Hände. Der weitaus größere Teil der Erinnerungen, die im ersten Buch nur angerissen waren, wie etwa Hermanns Teilnahme am Deutsch-Französischen Krieg oder seine Zeit als Arbeiter bei Krupp in Essen, waren nun ausführlicher dargestellt. Die Familie Enters ist ja mit sechs Kindern ausgewandert, in Amerika kamen noch vier dazu. Als Hermann Enters 1943 starb, trauerten auch 32 Enkel und 32 Urenkel um ihn. Die Zahl der Nachkommen dürfte sich vervielfacht haben. Ich hatte einen Briefwechsel mit Mark D. Enters in Milwaukee, der besitzt die Einwanderungsurkunde seines Ururgroßvaters. Sie wurde 1890 ausgestellt, da legte er den Treueeid auf die amerikanische Verfassung ab. Dieses Dokument haben wir in das neue Buch aufgenommen.

Hermann Enters und seine Frau Auguste feiern ihre Goldene Hochzeit im Kreis der Familie am 30. April 1920 in Milwaukee

Klaus Goebel 2021, Foto: privat

Der Historiker Professor Dr. Klaus Goebel, der zusammen mit Günther Voigt bereits das erste Enters-Buch ediert und kommentiert herausbrachte, erzählt wie das neue Manuskript in seine Hände kam. Das Interview für „die beste Zeit“ führte Christiane Gibiec

Was haben Sie mit den 160 eng beschriebenen Seiten in deutscher Kurrentschrift, die ja kaum noch jemand lesen kann, gemacht? Als ich mir das Manuskript zum ersten Mal vorgenommen habe, dachte ich sofort: Das muss vollständig transkribiert werden. Einer meiner Söhne kannte sich in der deutschen Schrift gut aus, wollte als Student auch Geld beim Papa verdienen und übernahm die Transkription. Ein zweiter Sohn, heute leitender Redakteur bei einem Schulbuchverlag, hat den Text ins Englische übersetzt. Die Übersetzung schlummert aber noch. Ich hoffe, dass das Erscheinen der deutschen Ausgabe jetzt einen Anschub gibt, das Buch auch in Amerika herauszubringen. Was war noch bei der Bearbeitung des neuen Manuskriptes zu beachten? Die Rechtschreibung musste behutsam angepasst werden. 55

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Hier im Böckmannsbusch verbrachte Hermann seine Kinder- und Jugendzeit. Dieses Bruchsteinhaus wird jetzt 300 Jahre alt.

Enters hat auch mehrere tausend Mal statt irgendwelcher Satzzeichen ein u für „und“ verwendet. Es war also ein Manuskript ohne Punkt und Komma und ohne Absätze. Diese Satzschlangen mussten in kürzere Sätze umgewandelt und der Text vorsichtig an die deutsche Rechtschreibung angeglichen werden, sodass Enters‘ Originalität erhalten blieb. Dieser Arbeit haben sich die beiden Söhne im letzten Jahr unterzogen. Ein dritter half mit und verfasste als Programmierer auch penibel das Personenregister.

ihnen lagen. Der amerikanische Kollege vermutet, dass Dellmanns die Enters vollkommen vereinnahmen wollten. Und es ging auch um Geld, Enters drückt sich in dieser Beziehung unumwunden aus. Seine Frau Auguste trug ja einhundert Taler, das sind 300 Mark in Goldstücken, bei sich. Die hatte ihr die Schwägerin Emma Enters beim Abschied in Antwerpen zugesteckt. Emma betrieb ein gut gehendes Schneideratelier in Barmen und spielte eine wichtige Rolle in der Familie.

Das Buch ist ja mit sehr vielen Kommentaren versehen, Sie haben die Geschichte der Familie Enters nachgezeichnet und das historische Umfeld dargestellt, die Familienmitglieder mehrerer Generationen aufgezählt und vieles andere. Ich wollte aber auch die amerikanischen Verhältnisse darstellen und kommentieren. Auf dem ersten Höhepunkt der Corona-Pandemie 2020 blieben in der Fernleihe viele Wochen lang die Bücher aus. So hatte ich mit John Gurda, dem amerikanischen Verfasser des Standardwerks „The Making of Milwaukee“, einen längeren Briefwechsel, um an Fakten zu gelangen. Da kamen auch Informationen über die Dellmanns, die Nachbarn, die die Enters zwar nach Milwaukee gelockt haben, dann aber in ständigem Streit mit

Was erzählt das neue Enters Buch im Vergleich zu dem alten? Grob gesagt erzählt es die gesamte Lebensgeschichte, genauer die Lebenshöhepunkte, wie sie Hermann Enters erlebt hatte. Das Buch von 1970, basierend auf dem Manuskript von 1922, endet mit der Jugend in Unterbarmen, die späteren Stationen deutet er nur in wenigen Sätzen an. Im neuen Buch ist – abgesehen von der Auswanderung und vom Leben in Amerika - zum Beispiel der Lebensabschnitt „Arbeit bei Krupp“ sehr viel ausführlicher dargestellt, erst recht die Militärzeit von Hermann Enters als Rekrut in Koblenz, Mainz und Meiningen und Soldat im DeutschFranzösischen Krieg. Das zweite ist also wirklich ein neues Buch.

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Auf mich hat das erste Enters-Buch einen starken Eindruck gemacht, die authentische Darstellung hat mich bezaubert, und ich weiß, dass es anderen ähnlich geht. Haben Sie eine Erklärung für den Zauber, den dieser Stoff ausübt? Die „mühselige Welt“ erlebte fünf Auflagen. Ich habe auf Wunsch des Born-Verlages eine Begleitschrift für Lehrerinnen und Lehrer aller Schulformen verfasst, da das Buch häufig in Schulen gelesen und in ganzen Klassensätzen verkauft wurde. Das Reizvolle war dabei natürlich, dass Lehrer und Schüler direkt die Orte aufsuchen konnten, von denen im Buch die Rede ist. Auch die nüchterne, knappe, ehrliche Darstellung wird zu der Wirkung beitragen. So kritisiert Hermann die hässlich über die Nachbarn redende Mutter zwar immer mit Respekt, aber er geht nicht darüber hinweg. Der Vater schlägt ihn in fast schon unmenschlicher Weise, und was der Vater kann, können die Lehrer erst recht. Hermann erzählt die Geschichte, wie ein Lehrer ihn in den Kothener Busch schickt, um Gerten zum Verprügeln der Kinder zu schneiden, und sich einen Spaß daraus macht, die erste Gerte gleich auf Hermanns Rücken kaputt zu schlagen. Vielleicht ist es das Authentische, was den Zauber ausmacht. Wie hat Hermann Enters selbst seine Auswanderung beurteilt? Er sagt ja an einer Stelle, dass er nicht nach Amerika passe, das Land sei von Lug und Trug und Humbug erfüllt, und es dauere Generationen, um sich anzupassen. Enters hat aber auch an einer Stelle sinngemäß geschrieben: Amerika ist ein Land der Freiheit, da müssen seine Jungens nicht zum Militär. Er stellte sich also eine ideale Welt vor. Die war es natürlich nicht, auch wenn die Politik auf der Basis der Gründungsakte der Vereinigten Staaten erheblich weiter war als im Deutschen Reich. Enters wurde zum Beispiel 1882 gleich in seinem ersten Job damit konfrontiert, dass es eine Gewerkschaft gab. Er sieht später in der großen Waggonfabrik, in der er in verschiedenen Abteilungen tätig ist: Die Arbeiter haben hier Rechte, die man sich in Barmen, in Essen bei Krupp oder auch an anderen Stellen nicht im Traum hätte ausdenken können. Wie weit war Hermann Enters sozialistisch orientiert? Die Orientierung ging vom Vater aus. Er selber war zunächst sehr kritisch gegenüber dem politischen Betrieb. Der Vater und die Mutter nahmen in den 1850er- und 60er-Jahren an sozialistischen Versammlungen teil, Vater Wilhelm Enters besuchte auch 1863 die berühmte Versammlung in Ronsdorf, auf der Ferdinand Lassalle redete. Enters spricht im ersten Buch von Lassalle als von dem neuen Christus. Und dann holt der Vater den Sohn in Elberfeld vom Bahnhof ab,

als der von dem Krieg in Frankreich zurückkehrt, der Sohn äußert sich in negativster Weise über seine Kriegserlebnisse und gibt den Sozialisten Recht. Da sagt der Vater: Bist du endlich vernünftig geworden? Was wissen Sie über die Nachfahren von Hermann Enters? Ich habe etwa ein Dutzend Mal den Namen Enters im Telefonbuch von Milwaukee gefunden, die habe ich alle angeschrieben. Aber nur einer hat sich zurückgemeldet, der schon erwähnte Mark D. Enters. Jon Doyle, heutiger Besitzer des Manuskripts und Sammler vieler Familienbilder, ist ein Enkel von Enters‘ letzter noch in Barmen geborener Tochter Meta, die Lawrence Henry Doyle geheiratet hatte. Was bedeuten solche Quellen für die Wissenschaft? Hier kommt der kleine Mann, einer aus der Masse, zu Wort. Anders als etwa bei Enters‘ Landsmann Friedrich Engels, der mehr über die Lage der Arbeiter in England als im Wuppertal geschrieben hat und nur am Rande persönlich mit den Verhältnissen konfrontiert wurde, er ist ja in einem großbürgerlichen Haushalt aufgewachsen. Das Schicksal des Einzelnen, das so packend und mitleidenswert dargestellt ist, ist ein ganz wichtiger Punkt. Ein anderer Gesichtspunkt, der vielleicht winzig erscheint, aber von höchster Aktualität ist, ist die ökonomisch bestimmte Migration. Da verlässt jemand dieses Tal, das jahrzehnteoder sogar jahrhundertelang Zuwanderungsgebiet ist, und wandert aus, und das ist ein Zeichen für eine soziale Schieflage. Hermann Enters ist ein Wirtschaftsemigrant, genau wie heute Tausende ihre Heimat verlassen, um Arbeit und ein besseres Leben zu finden. Dieser Aspekt im neuen Buch wäre, wie auch die Militärerlebnisse von Hermann Enters, ein weiterer wichtiger Unterrichtsgegenstand. Gibiec: Vielen Dank für dieses Gespräch!

Hermann Enters wandert aus, Klaus Goebel, Herausgegeben vom Bergischen Geschichtsverein e.V., Böhlau Verlag, Hardcover, 280 Seiten, 29 €

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Menschen prägen Räume und Gebäude Unternehmerisches Engagement für historische Gebäude trifft in Wuppertal auf kreativen Nährboden. Uta Atzpodien im Gespräch mit dem Investor Christian Baierl.

58 Die einzelnen Plakate von INSIDE OUT ENGELS zum 200. Geburtstag von Friedrich Engels auf der Fassade der ehemaligen Bandweberei „Kaiser & Dicke“, eine von Valentina Manojlov realisierte Partizipation am internationalen INSIDE OUT PROJECT des StreetArt-Künstlers JR. Alle Fotos auf dieser Doppelseite: Ralf Silberkuhl

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Firmenvorstand Christian Baierl

Blick in die Ausstellung „Fabric of art“ im November 2019 in der historischen Bandweberfabrik „Kaiser & Dicke“.

Im November 2019 lud die Ausstellung „Fabric of art“ für einen Monat in die historische Bandweberfabrik „Kaiser & Dicke“ in der Gewerbeschulstraße in Heckinghausen ein. Als weitläufiger Open Space waren Werke von 51 internationalen Künstlerinnen und Künstlern auf vier Ebenen und insgesamt auf einer Fläche von 4000 Quadratmetern vertreten. Auf einer Hausgiebelwand an der FriedrichEngels-Allee sind seit eineinhalb Jahren die Else-LaskerSchüler-Worte „Ich bin verliebt in meine Stadt“ zu lesen, unterzeichnet vom Schauspiel Wuppertal. Beides wurde ermöglicht durch renaissance Immobilien, die ihre Gebäude zur Verfügung stellten. Als aufgrund der Corona-Pandemie der vom StreetArt-Künstler JR inspirierte INSIDE OUT ENGELS-Banner zum 200. Engelsjahr mit Porträts von 200 Wuppertalerinnen nicht gehängt werden konnte, ermöglichte Firmenvorstand Christian Baierl, dass die Plakate kurzfristig einzeln auf die „Kaiser & Dicke“ Wände gekleistert wurden. Erst kürzlich, Anfang Mai wurde bekannt ge59

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Bandweberei „Kaiser & Dicke“ Foto: Süleyman Kayaalp

geben, dass die „Pina Bausch Foundation“ samt Archiv mit moderaten Mietpreisen in ein weiteres Gründerzeit-Gebäude der Firma in der Gewerbeschulstraße gezogen ist, ehemals bekannt als Unternehmen des legendären kunstliebenden Lackfabrikanten Kurt Herberts. Nicht wenige in der Stadt entstandene Kunstproduktionen tragen in jüngster Zeit eine deutliche (Co-)Fördersignatur von renaissance Immobilien und Beteiligungen. Für Kultur, Kunst und Stadt funkelt hier Elan und Eigensinn: Es zeichnet sich nicht nur eine zukunftsträchtige Nutzung bisher noch verfallender historischer Gebäude ab, auch Kunstproduktionen und -kooperationen bekommen neuen Fahrtwind. Christian Baierl ist der Motor dieser Bestrebungen. Die Dramaturgin Dr. Uta Atzpodien hat mit ihm gesprochen. UA: Seit ein paar Jahren schreibt sich der Name renaissance Immobilien in die Stadtlandschaft ein, nicht vordergrün-

dig, aber vielseitig erfahrbar: Kauf und Restaurierung von historischen Gebäuden mit kunstorientierten Entwicklungsideen, Schriftzüge, Liebeserklärungen an Wuppertal auf Häuserwänden, Kunstaktionen und -locations, die renaissance (mit)ermöglicht. Das Wuppertaler Beuys-Performance-Festival „Die Unendlichkeit des Augenblicks“ klingt aus, das digital über stew.one live aus den Räumlichkeiten von „Kaiser & Dicke“ gestreamt wurde, vor Ort coronabedingt ohne Öffentlichkeit. Als Eigentümer, Christian Baierl, hast du doch sicher das Performance-Geschehen begutachtet? CB: Menschen prägen Räume und Gebäude, gestalten und verwandeln sie. Kunst kann markant dazu beitragen. Abends beim Festival hatte das Ambiente etwas von einer Party in den 80er/90ern. Beuys-Schriftzüge waren an den Wänden zu sehen. Bei der Performance (von Showcase Beat

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le Mot) wurde gekocht, so wie Beuys es wohl mochte. Es duftete einladend nach exotischem Essen. Bei tollen Lichtstimmungen wurden dann Personen vom Festival-Team in Kisten durch die Räume geschoben. Da entstehen ganz neue Perspektiven, auch Erfahrungen. Bei den Expertengesprächen am Mittwoch waren meine Frau, die Künstlerin Bianca Baierl, und ich gegen Ende dabei und haben spannende Geschichten von Beuys gehört, für den Kunst zentral mitten ins und zum Leben gehörte. Das passt gut zu Wuppertal mit seinem lebendigen Kunstschaffen. Ähnlich wie das Performance-Festival über den Künstler Joseph Beuys Vergangenes von der Gegenwart aus und mit Blick in die Zukunft befragt, scheint das genau auch für dich relevant zu sein. Die Bandweberei „Kaiser & Dicke“ und die „Herbertsfabrik“ in der Gewerbeschulstraße, der „Teschemacher Hof“ im Quartier Mirke oder auch „Halbach & Meister“ in der Germanenstraße in Wichlinghausen sind seit wenigen Jahren im Besitz von renaissance Immobilien, alles historische Gebäude, Altbau, Industriekultur. Renaissance Immobilien stammt ursprünglich aus Krefeld. Was hat dich nach Wuppertal geführt? Wuppertal hat mit all seinen Gründerzeitviertel, aber auch insgesamt als Stadt einen ganz eigenen Charme. 2014 war ich mit meiner Frau hier quer durch viele der Viertel unterwegs, das erste Mal seit meinem Kindheitsausflug zu Zoo und Schwebebahn, wie das viele von auswärts als unvergessliche Kindheitserfahrung in sich tragen. Ich war begeistert, denn ich liebe alte Häuser. Schon als Kind war ich verrückt danach, alte Häuser zu fotografieren, stundenlang stand ich oft davor, bis ich den perfekten Sonnenstand und Moment für die richtige Aufnahme erwischte. Als Bankkaufmann hatte ich mich den Aktien zugewandt, als ich dann in den 90ern diese alte Fotografie-Leidenschaft für mich wiederentdeckte. So wie andere ins Museum gehen, reise ich in Städte wie Leipzig oder Bautzen und schaue mir ausgiebig Gründerzeitviertel an. Wuppertal hat dann vor sieben Jahren etwas in mir ausgelöst. Renaissance Immobilien gibt es zwar schon seit 2004, an jenem Tag jedoch, wurde mir klar, dass ich in Wuppertal arbeiten möchte – und nicht mehr hier weg will. Wuppertal ist wie ein Rohdiamant, eine versteckte Perle. Ich renoviere einfach gerne Häuser. In der Wahrnehmung begleitet mich meine Frau, die selbst Künstlerin ist: Ein Gründerzeithaus ist ein Kunstwerk, ein Gesamtkunstwerk inmitten der Stadt, mit seiner Fassade, Verzierungen, Gestaltungsformen, die teilweise auf das antike Griechenland zurückgehen, Fensterteilungen mit goldenem Schnitt. Mir ist es wichtig, die

Geschichte, das Potenzial, ja, die Kultur, die darin steckt, nicht nur zu erhalten, sondern sie für die ganze Stadtentwicklung konstruktiv zu nutzen. Hier in Wuppertal gibt es viel Leerstand, überall zu beobachtenden Sanierungsbedarf. Von aufwertenden Impulsen können nicht nur die Stadt und Architektur profitieren, sondern vor allem die Menschen. Schönheit, Qualität und Kultur können alle gut gebrauchen. Welche Rolle spielt hierbei die Kunst? Und wie verträgt sich das mit Wirtschaftlichkeit? Nehmen wir das Beispiel der Unternehmenskomplexe „Kaiser & Dicke“ und „Herbertsfabrik“, die übrigens über einen gemeinsamen Innenhof miteinander verbunden werden sollen. Grenzen werden hier aufgelöst. Wohnen und Arbeiten sollen zusammenkommen und von der Kunst, dem Kreativen beflügelt werden und damit ins Viertel und in die ganze Stadt hineinwirken. Ein Teil der Essener „Hochschule für Bildende Künste“ zieht gerade mit dem Bereich „Malerei“ ein und wird zum Wuppertaler Standort. Das lockt nicht nur Studierende hierher, sondern setzt dann sicherlich auch künstlerisch frische Akzente in der Stadt. Die Pina Bausch Foundation ist hier mit dem gesamten Archiv eingezogen, anliegend wird ein Tanzzentrum entstehen. Subventionierte Mietverträge für die Kunst werden durch Querfinanzierungen aus dem Wohnbereich möglich. In einer großen Halle mitten im Komplex soll als Art Begegnungsort ein Viertelcafé entstehen, das nicht nur für die Bewohner und Nutzer des Gebäudes geöffnet sein wird. Welche Perspektiven öffnen sich für die Stadt über dieses offene Einbeziehen der Kunst in den Umgang mit Immobilien, so wie du es angehst?

Treppenhaus Bandweberei „Kaiser & Dicke“ Foto: Süleyman Kayaalp

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Arbeiten in der Bandweberei „Kaiser & Dicke“ Foto: Süleyman Kayaalp

2014 war der Immobilienmarkt der Stadt in einem katastrophalen Zustand mit Spottpreisen, Leerständen, Schrottimmobilien und verfallenen Häusern. Kunst ist etwas, das wohlhabende und kunstinteressierte Menschen nach Wuppertal ziehen wird, die dann wiederum Einkommenssteuer bezahlen. Das mag auch Gefahren mit sich bringen. Nach jahrelangen Nothaushalten jedoch kann eine Stadt mit mehr Steuereinnahmen wieder besser funktionieren und auch ihren sozialen Aufgaben nachkommen. Eine Förderung der Kunst kann so dann wirtschaftlich zu einer Förderung der Stadtentwicklung beitragen, ganz abgesehen von dem, was die Kunst per se mit ihren Inhalten in die Stadt einbringt.

Wie sieht das Spektrum an geförderter Kunst aus? Wir haben beispielsweise das Schauspiel gefördert, wie die große Else-Lasker-Schüler-Produktion „Ich & Ich“, die in den Riedel-Hallen aufgeführt wurde. Wir haben begleitend eine Villa zur Verfügung gestellt, in der die Künstlerinnen und Künstler aus Israel und Berlin gemeinsam gewohnt haben. Dem Schauspiel haben wir Fassaden zur Verfügung gestellt auf der Friedrich-Engels-Allee und an anderen Orten. Das Tanzrauschen-Festival im Rex haben wir gefördert, „Fabric of Art“ mit all den auch internationalen Künstlern, Filmprojekte von Schauspielerinnen wie Philippine Pachl oder Julia Wolff, ein „Out and about“-Katalogprojekt von Frank N. Die Finanzierung für die Beteili-

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gung am InsideOut-Projekt von JR haben wir gewährleistet und jüngst zum Entstehen des Beuys-Festivals beigetragen. Wir sind sowohl mit freier Szene, Verwaltung und Stadt im Gespräch zu weiteren Möglichkeitsräumen. Das ist ein vielseitiges Spektrum, mit dem du in ganz eigener Form gestaltend zu einem kreativen Nährboden für weitere städtische Aushandlungsprozesse beiträgst. Dein Name taucht in einem schillernden Spektrum von Immobiliennutzung, Ermöglichung von Kunst und Beiträgen zur Stadtentwicklung auf. Da könnten wohlmöglich begleitende Dialog- und Kommunikationsforen ganz unterstützend sein. Wie sehen deine Zukunftswünsche, ganz konkret deine nächsten Schritte aus? Ich habe kein langfristiges Ziel, keine Visionen, die ergeben sich in der alltäglichen Arbeit. Es geht nicht um Gewinne, sondern Leistung. Jedes einzelne Projekt macht mir Spaß. Arbeit wird für mich zum Spielfeld. Aktuell ist in das Gebäude „Halbach & Meister“ in der Germanenstraße in

Wichlinghausen das Künstlerduo vom Zentralwerk der Schönen Künste aus Köln Deutz eingezogen, das dort das Otto-Langen-Quartier verlassen musste (vgl. die beste Zeit 4/2020). Es möchte eine kulturelle Brücke zwischen Köln und Wuppertal bauen, hier künstlerisch Fuß fassen. Ende letzten Jahres habe ich Flächen erworben, die direkt an die Utopiastadt angrenzen. Da planen wir für dieses Jahr Konzerte, kleine Festivals, ein Open-Air-Kino. Dann haben wir den Varresbecker Bahnhof erworben. Auch dort ist erst mal ein Open-Air-Kino geplant. In beiden Fällen stellen wir die Flächen zur Verfügung und unterstützen beim Unterhalt. Aktuell widme ich mich zwei weiteren alten Fabrikgeländen in Wohngebieten. Hier klären wir derzeit, ob sich auf den Arealen ein Co-Working-Space, Gemeinschaftswohnformen oder andere innovative Modelle etablieren lassen, um historische Schönheit mit zukunftsweisender Aufstellung verbinden zu können. Auch für mich bleibt spannend, was sich in dieser Stadt weiter bewegen wird. Herzlichen Dank für das Gespräch.

Bazon Brock und Gäste beim Action-Teaching im Rahmen des Beuys-Performancefestivals © Kulturbüro der Stadt Wuppertal / Süleyman Kayaalp

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Kreativ durch die Krise „out and about“ geht weiter

Wenn die Menschen nicht zur Kunst kommen können, muss die Kunst eben zu den Menschen kommen, dachten sich Birgit Pardun und Frank N und initiierten im CoronaJahr 2020 die Aktion out and about – Kunst geht raus, kurz #OAA. Auf Plakatwänden im ganzen Wuppertaler Stadtgebiet war fortan Kunst statt Werbung zu sehen. 126 Künstlerinnen und Künstler hatten am Ende 257 Werke gezeigt. Möglich wurde die Aktion durch die Unterstützung der Außenwerbefirma Ströer, die die während der Pandemie nicht genutzten Werbeflächen kostenlos zur Verfügung stellte. Seit Kurzem liegt ein Katalog in handlichem Querformat vor, in dem alle gezeigten Arbeiten an ihrem Standort dokumentiert sind. Die jeweils seitenfüllenden Fotografien halten die ungewöhnlichen Szenerien im Wuppertaler Stadtbild fest und bieten zugleich einen Überblick über die lebendige und vielseitige Wuppertaler Kunstszene. Anne-Kathrin Reif, Wuppertaler Kulturjournalistin und „die beste Zeit“-Redakteurin, hat dazu einen einfühlsamen Text verfasst. Mittlerweile haben Frank N und Birgit Pardun die Aktion weitergedreht: Ende Mai wanderten Arbeiten von 19 Künstlerinnen und Künstlern auf Werbeflächen an 26 Standorten im Stadtgebiet,

viele davon waren erstmals bei #OAA dabei. Inzwischen sind die meisten schon wieder verschwunden, denn sicher hängen die Kunstplakate nur zehn Tage. Wenn die Flächen danach für Werbung gebucht werden, werden sie überklebt – so die Vereinbarung mit Ströer. Zu sehen sind sie aber nach wie vor auf der Webseite oaa-3.jimdofree.com. Willi Barczat

Der Katalog kostet 25 Euro und ist erhältlich in Wuppertal bei der Buchhandlung Mackensen und im Glücksbuchladen oder direkt bei frank@noexitfilm.de.

Im Hintergrund: Bilder von Birgit Pardun (links) und Annette Marks, Uellendahlerstraße, unter der Brücke der A46, Foto: Rupert Warren

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Jörg Degenkolb-Degerli

Dieter Jandt,

Arno Mersmann, Christiane Gibiec,

Stadtteilgeschichten,

Im Tal und darüber hinaus,

Der Hesselnberg, herausgegeben vom

NordPark Verlag Wuppertal 2020

NordPark Verlag Wuppertal 2020

Kommunikationszentrum die börse, 2020

Bücher vom magischen Berg Den Hesselnberg und die Südstadt thematisieren drei Bücher aus verschiedenen Perspektiven Die vom Kommunikationszentrum die börse ins Leben gerufene Demokratiewerkstatt Hesselnberg-Südstadt entfaltet trotz Pandemie eine Menge Aktivitäten. Gleich drei Bücher sind erschienen, die das Leben im Quartier auf unterschiedliche Art beleuchten. Der Journalist und Autor Jörg Degenkolb-Degerli, seines Zeichens seit 2019 Stadtteilschreiber im Auftrag der Demokratiewerkstatt, führt mit seinen Stadtteilgeschichten quer durch das Viertel. Fußläufig – behauptet er – habe er mindestens 150 km im Stadtteil zurückgelegt und dabei Orte gefunden, die gar nicht auf seinem Zettel standen. Dabei traf er den Menschenrechtschor der börse, die Künstlerin Eilike Schlenk in ihrem Atelier, eine Foto- und Filmwerkstatt im Wichernhaus, nahm an einem EuropaStadtteilfest teil, lernte zwei Bäckereiverkäuferinnen kennen, begleitete Stadteilbegehungen, moderierte den „Erzählsalon“ der börse und vieles mehr. Degenkolbs Geschichten, die regelmäßig in einem Blog auf der Homepage der börse veröffentlicht werden, sind von der ihm eigenen Ironie und seinem trockenem Humor durchzogen. Sein Fazit: „So schlimm ist Wuppertal gar nicht.“ Der Band mit Erzählungen und Gedichten Im Tal und darüber hinaus - Spielereien, Spekulationen, Gedankensprünge in der Stadt des Journalisten und Autors Dieter Jandt versammelt leichthändige Skizzen über Menschen,

die am Rand der Gesellschaft stehen, und poetische Naturbetrachtungen. „Sitze weit vornübergebeugt und starre auf den Boden hinab, stundenlang auf Humus“, heißt es in einer Geschichte. „Wie sich das Leben tummelt, in allen Farben und Facetten. Schrille Ameisen, Käfer mit irisierenden sirrenden Flügeln, über die man normalerweise achtlos hinwegtrampelt. Aber was ist schon normal?“ Diese Frage beantwortet Dieter Jandt nicht - oder vielleicht doch, indem er an vielen Stellen den alltäglichen, gegenwärtigen Blick erweitert und ins Magische hinübergleiten lässt – zum Beispiel wenn er Friedrich Engels, Dr. Kurt Herberts und Ludwig-Ernst Toelle gemeinsam über den Unterbarmer Friedhof stapfen lässt. Der dritte Band in dieser Reihe Der Hesselnberg – Leben und Kultur im Mittelpunkt Wuppertals von Arno Mersmann und Christiane Gibiec porträtiert die unterschiedlichsten Facetten des Stadtteils, in dem sich tatsächlich der geografische Mittelpunkt Wuppertals befindet, und verrät einiges über seine Geschichte. Woher die Redewendung „Über die Wupper gehen“ stammt, die Treffpunkte der Arbeiterbewegung, die Pläne der Nazis für ein 1000-jähriges Unterbarmen, das Bibelmuseum an der Wolkenburg und natürlich die Geschichte des Skulpturenparks, der einst dem Lackfabrikanten Dr. Kurt Herberts gehörte, werden unter anderem als Ergebnis dieser nach den Worten der Herausgeber „literarischen Nachbarschaftsforschung“ vorgestellt. cg 65

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Kulturtipps für Kinder und Jugendliche LCB | Haus der Jugend Barmen

Kinderliederwelt und wirbelt die Gedanken des Publikums ordentlich durcheinander. Mit Anne Diedrichsen am Schlagzeug, Jon Sanders an Ukulele und Mandola oder Kaspar Domke hinter dem Kontrabass bildet er das „Wolkenorchester“. Virtuos, verspielt, originell und pointiert wickelt das Ensemble das kleine und große Publikum um seine musikalischen Finger. Natürlich gibt es ausreichend Gelegenheit zum Tanzen, Mitsingen, Lachen und Staunen.

Geschwister-Scholl-Platz 4-6, 42275 Wuppertal Aktuelle Infos über hdj-online.de

Sommertheater 2021 umsonst & draußen, am Haus der Jugend Barmen Fünf Sonntage, vier Uhr nachmittags, drei Kindertheaterstücke, zwei Kinderliederkonzerte, eine Premiere Wie die Jahre zuvor können sich alle Sommertheater-Besucherinnen und -Besucher auch dieses Mal darauf verlassen, dass es wieder ein ausgesuchtes, spannendes, großartiges Programm für Kinder ab vier Jahren auf dem Spielplatz hinter dem Haus der Jugend Barmen geben wird, das die Zeit wie im Fluge vergehen lässt und glückliche, inspirierte und zufriedene Kinder und Erwachsene zurücklässt! (Gefördert vom NRW-Kultursekretariat Wuppertal.) Kostenlose Tickets können über wuppertal-live.de reserviert werden. Pro Anmeldung können bis zu zwei Erwachsene und drei Kinder Karten für eine „Sitzinsel“ reservieren. Weitere Infos zu den Veranstaltungen und dem aktuellen Hygienekonzept gibt es unter: hdj-online.de. Zugang zum Spielplatz über das Tor auf der B7/Höhne neben dem Live Club Barmen. Sonntag, 11. Juli 2021, 16 Uhr Toni Geiling und das Wolkenorchester

Gedanken wollen fliegen

Ein Kinderlieder- und Familienkonzert ab vier Jahren / Dauer: 60 Minuten Der Liedermacher Toni Geiling begibt sich mit seinem Konzert „Gedanken wollen fliegen“ in eine fantasievolle

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compagnie nik, Foto: Severin Vogl

Sonntag, 18. Juli 2021, 16 Uhr compagnie nik – 1 vor dem anderen Schauspiel nach Motiven von „Das hässliche Entlein“ von H. C. Andersen , ab vier Jahren / Dauer: 45 Minuten Valentin und Waldemar haben eine Geschichten-Schatzkiste gefunden. Stück für Stück spuckt sie auf Papierstreifen eine Geschichte aus und verspricht demjenigen, der sie spielt, am Ende einen Schatz. „Das hässliche Entlein“ scheint es zu werden. Mit clownesker Spiellust und Freude an schräger Kostümierung stürzen sich die beiden in die Erzählung, entdecken einen S(ch)atz für alle - voller Klugheit und Schönheit - von der Würde des Menschen. Mit Dominik Burki und Niels Klaunick, Regie: Veronika Wolff Sonntag, 25. Juli 2021, 16 Uhr Compagnie Les Petits Délices – Koffer für 2 Puppenspiel nach dem Kinderbuch von Claude Boujon Clowneskes Solo für eine Schauspielerin, eine Puppe und viel Gepäck, ab fünf Jahren / Dauer: 45 Minuten Nach dieser Vorstellung wird das Publikum seine Koffer und Taschen mit anderen Augen sehen! Mit viel Humor, Poesie und Zärtlichkeit erzählt „Koffer für 2“ die berührende Geschichte einer ungewöhnlichen Begegnung zwischen Traum und Wirklichkeit. Von und mit Géraldine Carpentier Doré.

Liedermacher Toni Geiling

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Wuppertaler Kinder- und Jugendtheater Theater im Berufskolleg, Bundesallee 222, 42103 Wuppertal Infos und Anmeldung über: kinder-jugendtheater.de oder telefonisch 0202 899154

K 4 | Theater für Menschlichkeit Neuenteich 80, 42107 Wuppertal Weitere Infos: k4theater.de oder tel.: 0202 44 77 66 Donnerstag, 15.,16., 17., 22., 23., 24. Juli 2021, 18 Uhr Sonntag, 18. und 25. Juli 2021, 11 und 16 Uhr

Schnipselkino „Dr. Brumm geht wandern“

Sonntag, 1. August 2021, 16 Uhr Schnipselkino

Dr. Brumm geht wandern Neu: auf LED-Leinwand Open-Air ab vier Jahren/ Dauer: ca. 40 Minuten Dr. Brumm macht das, was er jeden Mittwoch macht – wandern gehen! Mit seinen Freunden Pottwal und Dachs marschiert er los. Ab in die Berge mit Dr. Brumm! Turbulentes Bilderbuchabenteuer von Daniel Napp. Sonntag, 15. August 2021, 16 Uhr Zaches & Zinnober

Alarm im Schwarm

Musik für Kinder ab vier Jahren/ Dauer: ca. 50 Minuten Das neue Programm von Zaches & Zinnober für Kinder und Erwachsene. Von zwei alten Seebären, die mit vielen Wassern gewaschen sind! Sie brechen die Welt-Klimakrise herunter auf die Ebene der Kinder: poetisch und spielerisch, mit einer Wassermusik, Sprechblasengeblubber, Muschelgetuschel.

Der kleine Prinz

nach der Erzählung von Antoine de Saint-Exupèry Es spielen: Elli, Lina, Mona & Kris Köhler Der Pilot, der mit seinem Flugzeug abgestürzt ist, und der kleine Prinz treffen einander mitten in der Wüste. Der kleine Prinz bittet nur: „Zeichne mir ein Schaf!“ Bald stellt sich heraus, dass der kleine Prinz von einem kleinen, fernen Planeten stammt. Seine Reise führte ihn auf die Erde, doch vorher hatte er im Kosmos nach Freunden gesucht. Erst auf der Erde kann er Freundschaften schließen. Ein Fuchs lässt sich von ihm zähmen. Mit dem Piloten kann der Prinz gemeinsam lachen, träumen und Sonnenuntergänge genießen. Und ihm wird klar, dass er auf seinen Planeten zurückmuss, eine Rose wartet dort auf ihn. Diese philosophisch-poetische Geschichte vom kleinen Prinzen fasziniert Zuschauerinnen und Zuschauer jeden Alters und findet die Aufhebung der Einsamkeit in der Freundschaft.

Akademie für Darstellende Kunst Westfalen Neuenteich 80, 42107 Wuppertal Aktuelle Infos: adkwestfalen.de oder tel.: 0202 44 77 66 Die Stagefreaks kommen nach Wuppertal! Schauspiel, Tanz und Gesang ist unsere Leidenschaft. Wir unterrichten dich in allen drei Bereichen und zeigen dir, wie du sie eindrucksvoll kombinieren kannst. Jeden Samstag bieten wir dir ein geschütztes Umfeld. Peinlich gibt’s nicht. Hier hilft jeder jedem und ist für den anderen da. Gemeinsam gibt es für uns keine Grenzen! Egal, ob du gerade erst einsteigst oder schon auf dem Weg bist. Wir holen dich ab, wo du stehst, nehmen dich mit deinen ganz persönlichen Eigenschaften auf und bringen dich weiter. Auf der Bühne und im Leben!

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Kultur- und Ferientipps für Kinder und Jugendliche Von der Heydt-Museum Angebote für Kinder und Familien Turmhof 8, 42103 Wuppertal von-der-heydt-museum.de Für alle Angebote ist eine Anmeldung erforderlich. Buchungen im Onlineshop auf der Website des Museums oder per E-Mail: vdh.kunstvermittlung@stadt.wuppertal.de Tel 0202 563-6630 oder 563-6900. Anmeldungen am Wochenende nur an der Museumskasse, Tel. 0202 563-2223 Aufgrund der aktuellen Pandemie-Situation bitte auf der Webseite über kurzfristige Änderungen informieren.

Sonntag, 22. August 2021, 15 bis 17 Uhr Kinderführung:

Das Land ist ein Teppich aus Samt ... Landschaften können ganz weich oder auch hart gemalt sein. Im Museum finden wir viele Gemälde weiter Landschaften mit spiegelnden, welligen, klaren oder trüben Gewässern. Für die Gestaltung eines eigenen Bildes im Atelier kommen neben Farben auch Samt und Folie zum Einsatz. So entstehen Kunstwerke, die man nicht nur sehen, sondern auch fühlen kann.

Familiensonntage sonntags, 15 bis 17 Uhr Pro Kind können max. zwei erwachsene Begleiter für den Familiensonntag angemeldet werden. Kosten: Erwachsene 10 € / Kinder 5 € Sonntag, 15. August 2021, 15 bis 17 Uhr Familiensonntag: Seeabenteuer Schiff ahoi! Möwen schreien auf dem Ozean, Wellen schlagen, der Sturm tobt. Wir träumen von aufregenden Seeabenteuern. Wo mag die Reise hingehen? Wie sieht das Schiff aus? Da ist Fantasie gefragt! Im Museumsatelier malen und collagieren wir eine Meereslandschaft.

Unter dem Motto „Museum macht stark“ stehen die Aktionen für Kinder im Von der Heydt-Museum Wuppertal

Kinderführungen Zweistündig mit Atelierarbeit, für Kinder ab fünf Jahren ohne Begleitung der Eltern. Sonntags findet eine halbe Stunde später die öffentliche Führung für Erwachsene statt. Kosten: 7 €/Kind Sonntag, 8. August 2021, 15 bis 17 Uhr Kinderführung: Stillleben - von wegen leise! In der Ausstellung entdecken wir viele Stillleben. Exotische Früchte, Gemüse, Vasen, Krüge und sogar Tiere. Bedeutungsvoll wurden sie nicht zufällig hingestellt, sondern genau angeordnet. Im Atelier arrangieren wir eigene Stillleben. Wir trainieren unser Sehen, um ein Gefühl für Farben und Formen zu bekommen. Welche Formen, Dinge und Farben fallen besonders auf?

Sonntag, 29. August 2021, 15 bis 17 Uhr Familiensonntag: Blick hinter die Bilder Wie ist eine Ausstellung geordnet? Nach Thema, Entstehungszeit oder nach Herkunft? Wir schauen uns um und suchen nach Ordnungen. Könnte es andere Kategorien geben, nach denen Kunstwerke präsentiert werden? Wir werfen einen Blick hinter Bilder, erschaffen unsere eigenen Regeln, um Kunst zu präsentieren, und gestalten eine Ausstellung zum Mitnehmen. Samstag, 31. Juli 2021, 14 bis 17 Uhr

Kreativer Familienkurs

Modellieren mit Ton: Kurs für die ganze Familie Ran an den Ton! Nicht nur die Kinder krempeln die Ärmel hoch, sondern auch Eltern oder Großeltern. In der Sammlung entdecken wir die Skulpturen der berühmten Künstlerinnen und Künstler. Ausgerüstet mit Skizzenblock und Bleistift, fertigen wir vor den Originalen Zeichnung an, die uns im Atelier als Vorbild für ein eigenes bildhauerisches Kunstwerk dienen. Wir modellieren mit Ton eigene Skulpturen! Mit Christa Bremer, bildende Künstlerin Kosten: 50 € für eine Familie (max. 2 Erwachsene, 2 Kinder)

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Junior Uni Wuppertal Forscherplattform Bergisches Land Am Brögel 31, 42283 Wuppertal Kursprogramm, auch mit eigener Sparte „Kunst & Kultur“: junioruni-wuppertal.de

Freitag, 9. Juli 2021, 16 Uhr

Apnoe-Tauchen

Hood“, „Romeo und Julia“, „Die Zauberflöte“, „La traviata“ und “Out - Gefangen im Netz“ im Klassenraum entdecken oder direkt sagen: „Komm, wir gehen ins Theater!“ (Vor Ort am Opernhaus.)

Kulturrucksack Wuppertal Zum Sommerferien-Angebot:

Bei diesem Livestream geht es in die Tiefe: Apnoe-Taucherin Jennifer Wendland taucht ohne Sauerstoffflaschen und wird von ihren Unterwasser-Ausflügen berichten. Interessierte Kinder und Jugendliche können ihre Fragen per Chat stellen oder sich sogar live dazu schalten lassen (dafür vorher beim Junior-Uni-Team melden unter info@junioruniwuppertal.de). Zu sehen sind die Livestreams auf unserem YouTube-Kanal: https://www.youtube.com/channel/UC8zaGEDkz92ZiyRiE2Yu7MQ/featured

Aktuelle Infos unter kulturrucksack.nrw.de Anmeldung über wuppertal-live.de oder in den VVK-Stellen

Kulturelle Jugendbildung

4 Elemente Hip-Hop Ein inklusives Projekt:

Kursinformationen und Anmeldungen über: jugend-kult.de oder telefonisch: 0202 563-2645

Breakdance, Förderzentrum Arrenberg Graffiti, Förderzentrum Arrenberg Rappen, Kinder- und Jugendtreff Arrenberg Djing, Kinder- und Jugendtreff Arrenberg

Ein buntes und interessantes Programm für Kinder und Jugendliche quer durch alle Stadtteile Wuppertals könnt ihr auf der Internetseite jugend-freizeit.de finden.

Medienprojekt Wuppertal Hofaue 59, 42103 Wuppertal-Elberfeld Infos und Kontakt: medienprojekt-wuppertal.de Tel 0202 28 31 98 79 Filme machen, Filme schauen für junge Menschen ab 14 Jahren, Teilnahme an Filmprojekten (Doku, Kurzspielfilm, Musikvideo u.a.). Teilnahme kostenlos

Wuppertaler Bühnen

Kreative Sommerferien 1. Ferienwoche, Mo. bis Fr., 5. bis 9. Juli 2021, 10 bis 15 Uhr Sing Deinen Song Studio 36 Klamotten selbst gestalten, Ateliers Liebesgruss + Edda Mör Hoch hinaus, Skulpturenpark Waldfrieden Leuchtende Wupperwesen, Kunstatelier Andrea Raak Ein Koffer voll Heimat!, HDJ Elberfeld

Freitag, 9. Juli 2021, 15 Uhr, die börse Abschlussveranstaltung 2. Ferienwoche, Mo. bis Fr., 12. bis 16. Juli 2021, 10 bis 15 Uhr Flower Power Botanischer Garten Escape room, Treffpunkt Tesche Kurzfilm, Kinder- und Jugendtreff Arrenberg Dance and rythm, die börse Upcling Werkstatt, Baucontainer am Bob Podcast, HDJ Barmen Die verrückte Zeitküche, die börse

Freitag, 16. Juli 2021, 15 Uhr, HDJ Barmen Abschlussveranstaltung

Kurt-Drees-Str. 4, 42283 Wuppertal Weitere Infos: oper-wuppertal.de

Biparcours: Online-Angebote zum Mitmachen Fünf Themenrallyes richten sich in der App Biparcours mit spannenden Fragen und Aufgaben an Schülerinnen und Schülern verschiedenen Alters. Dabei lässt sich „Robin

Beim „Kulturrucksack“ können Kinder kreativ werden, Foto Ralf Silberkuhl

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Stephen Shore: Steel Town,

Sheela Gowda, It.. Matters,

englisch, 102 Seiten

deutsch/englisch, 184 Seiten

mit 85 Farbabbildungen,

mit 147 Abbildungen,

Hardcover (Leinen),

Hardcover, 26,5 x 21,5 cm,

30 x 23 cm, MACK, 45,- GBP

Steidl Verlag, 35,- €

Neue Kunstbücher vorgestellt von Thomas Hirsch

Verschiedene Strategien der Annäherung Wie wird man mit einem Buch einem künstlerischen Werk gerecht? Geht das? Inwieweit kann ein Kunstbuch die Themen, Intentionen und die Sinnlichkeit der Kunst vermitteln, die als „Original“ abwesend ist? Und welche Rolle spielen die Sekundärtexte dabei? Gewiss ist diesen etwas positiv Affirmatives eigen. Es gibt ja die These, Kunstwerke kämen in der Reproduktion besser „rüber“, als wenn man vor ihnen stünde. Tatsächlich sind Kunstbücher als ordnende, komplettierende Hinweise auf die Kunst selbst zu verstehen, mithin als Basisinformationen, mit denen man richtig umgehen muss. Besonders spannend wird es, wenn sie ein Ereignis rekapitulieren, nun in einer anderen Zeit, aber doch mit dem Anspruch der Authentizität und einer neuen Objektivität, etwa durch den zeitlichen Abstand. Voll und ganz leistet dies das edle Buch „Steel Town“ des US-amerikanischen Fotografen Stephen Shore, das im renommierten Londoner Fotobuch-Verlag MACK erschienen ist. Es stellt, in der chronologischen Reihenfolge der Aufnahmen, eine Fotoreportage vor, die Shore 1977 für das „Fortune Magazine“ veröffentlicht hat. Sujet ist das Leben im „Rust Belt“, der Gegend zwischen Pennsylvania und Ohio, die in diesen Jahren von der Schwerindustrie und deren Untergang geprägt war und in der die Spirale der Arbeitslosigkeit und Verarmung, der psychischen Probleme und des Alkoholismus längst eingesetzt hatte. Mit seinen brillanten, still konzentrierten Farbaufnahmen gelingt Shore eine Sozialrecherche, die zwischen der Bestandsaufnahme der Ortschaften und Porträts der betroffenen Arbeiter wechselt und schließlich aus einigem Abstand die Industrieanlagen selbst zeigt. Mit dieser

Zurückhaltung gehört Stephen Shore (*1947) zu den aufregendsten dokumentierenden Fotografen der Gegenwart. Er hat in Warhols Factory fotografiert, gilt als einer der Hauptvertreter des New Topographics Movement, das in den 1970er-Jahren eine ganz neue Sicht auf die Landschaft und die industrielle Entwicklung in dieser entwarf, und er gilt als einer der „Erfinder“ der Farbe in der Kunstfotografie. All das spiegelt sich in den Aufnahmen in „Steel Town“ wider, das damit nicht nur eine Gegend und eine Zeit kartografiert und die Geschichte zwischen den Einzelbildern herstellt, sondern auch die Haltung und Bedeutung seines Werkes verdeutlicht. Und dass mit Helen Epstein nicht eine Kunstwissenschaftlerin, sondern eine Soziologin den einleitenden Text schreibt, vertieft noch den Hintergrund dieser Serie und die Anliegen Shores, kurzum, es ist eine kongeniale Zusammenarbeit zwischen Fotograf und Verlag entstanden. Sheela Gowda (geb. 1957) gehört zu den herausragenden, international renommierten Künstlerinnen aus Indien. Sie verwendet für ihre Werke in den unterschiedlichsten Medien eine in ihrer Heimat kulturell verankerte Bild- und Formsprache; auch verwendet sie für ihre Malereien und Objekte Dung, der in Indien mit existenzieller Qualität konnotiert ist. Im vergangenen Jahr war ihre erste Überblicksausstellung hierzulande im Lenbachhaus München zu sehen, und dazu – und aus diesem Anlass – ist nun eine erste Monografie auf Deutsch erschienen, die doch freilich primär als Künstlerbuch zu verstehen ist. Schon mit dem rauen Hardcover, dem kryptischen Titel „It.. Matters“ und

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C. Keller / B. Küster (Hg.), Gestundete Zeit –

Sigurd Lewerentz:

100 Jahre Hans Josephsohn,

Architect of Death and Life,

228 Seiten mit 122 Farb-

englisch, 712 Seiten mit 492 Farb-

und 40 s/w-Abbildungen,

und 264 s/w-Abbildungen,

Hardcover, 28 x 22 cm,

Hardcover mit Schutzumschlag,

Scheidegger & Spiess, 38,- €

30 x 23 cm, Park Books, 120,- €

der Detailaufnahme eines Environments wird die unbedingte Hinwendung zur Atmosphäre des Werkes deutlich. Dies setzt sich im Buch selbst fort, das sparsame Notizen und Skizzen auf Registerblättern, Zeitungsartikel und -fotos zeigt, aber auch Fotografien von Straßenszenen, wobei unklar bleibt, ob sie von der Künstlerin selbst stammen. Eingeflochten sind Gemälde und Skulpturen, die ganz aus ihrem Ausstellungskontext gerissen scheinen. Die Texte – beide wichtig, wenn auch nur der zweite gut – befinden sich hinten, quasi im Anhang: Sie helfen weiter. Warum allerdings ein Verzeichnis der Abbildungen fehlt, bleibt rätselhaft. So konzis das Buch auch rüberkommt und vom Steidl Verlag erstklassig umgesetzt ist: Es ist eine Hinführung zu Sheela Gowda lediglich für Fortgeschrittene. Eine andere Form der Vermittlung wählt das Buch, das jetzt zu Hans Josephsohn erschienen ist. Wie die besten Monografien zum Schweizer Bildhauer ist „Gestundete Zeit“ bei Scheidegger & Spiess erschienen, aber diesmal ist alles anders. Josephsohn wäre im Mai hundert Jahre alt geworden, und zu diesem Anlass fand in Zürich und St. Gallen ein Symposion statt, das sich den Kategorien Zeit und Prozess in seinem so archaisch zeitlos wirkenden Werk zugewandt hat: Die Begriffe zielen mitten ins Zentrum dieses figürlichen Bildhauers, der im Laufe seines Schaffens die Figur immer weiter abstrahiert hat. Neben den Skulpturen sind Reliefs entstanden, und die wichtigen Haltungen für seine Kunst sind Stehen, Sitzen und Liegen. Nach und nach wird die Figur zerfurchter, die Proportionen werden freier gefasst, es geht um Volumen und Masse und gerade nicht um Oberfläche, die schrundig ist und sich von jeder Abbildhaftigkeit löst: Josephsohn lässt sie, wie sie ist. Die verschiedenen Rede- und nun Textbeiträge, die unterschiedliche Kompetenz besitzen, widmen sich diesen Aspekten und untersuchen noch Josephsohns Rezeption

innerhalb der Skulpturengeschichte. Das ist gut zu lesen, wunderbar von Werkbeispielen begleitet und nähert sich so dem Kern des Werkes. Eine These der wirklich umfangreichen Monografie zum schwedischen Architekten Sigurd Lewerentz lautet, dass er als Architekt für Architekten großen Ruhm besaß und ob seiner geringen Außenwirkung ein Mysterium blieb. Zwar wurde er in Kopenhagen, Brüssel, London und München ausgezeichnet, erhielt Ehrendoktor-Würden, gebaut aber wurde ausschließlich in seiner Heimat Schweden. Der plakative Untertitel „Architect of Death and Life“ meint, dass das Hauptarbeitsgebiet von Lewerentz (1885-1975) Sakralbauten waren, im Besonderen Friedhofsanlagen mit ihren Kapellen. Dazu kommen Wohnhäuser, Verwaltungsgebäude und das Museum von Malmö. Lewerentz ist ein Vertreter der Moderne in der Architektur. Beton und Stahl zählen zu seinen bevorzugten Materialien. Die Außenwände und Fassaden sind grob, nüchtern in ihrer Serialität, ja, schweigsam, freilich mag das über Lewerentz‘ Naturell hinaus auch den Sujets geschuldet sein. Der britische Architekturkritiker Reyner Banham, der im Buch zitiert wird, bringt das alles nicht recht zusammen und sieht ihn als großen Einzelgänger. Das Buch, das nun zur kommenden Ausstellung im Architekturmuseum ArkDes in Stockholm erschienen ist, ist eine Ehrung für ihn. Sie führt geradlinig auf Lewerentz‘ Schaffen hin. Sie nähert sich systematisch über die Außenwirkung und Rezeption, dann die Biografie den Bauten, die aufwendig und teils aus verschiedenen Perspektiven neu fotografiert wurden und anschließend mit unzähligen Architekturzeichnungen und freien Skizzen und Fotos weiter vertieft werden. Irgendwie rundet sich alles, stellt das Werk vor und klärt auf überzeugende Weise die Handschrift, und ja, jedenfalls in Schweden, wird Sigurd Lewerentz weltberühmt sein. 71

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Kulturtipps AUSSTELLUNGEN

Freitag, 27. August bis Samstag, 9. Oktober 2021

Neuer Kunstverein Wuppertal

Als Zeichner sucht Matthias Ruthenberg nach einem sensiblen Zugriff auf das Material der Welt, auf aktuelle politische, gesellschaftliche und soziale Themen. Der Alltag, die poetische Umdeutung scheinbarer Nebensächlichkeit, das Integrieren des Fehlerhaften, das Reduzieren und Öffnen bilden dabei einen Kern seiner Praxis. Seine Zeichnungen, bedingt durch das Medium zurückhaltend, entziehen sich bewusst lauten Appellen, sie arbeiten subtil – mit brüchigen Bleistift- oder Filzstiftlinien, Satzfetzen oder einzelnen Wörtern auf Papier deuten sie Themen an ohne sie auszuformulieren. Das Material als Bildträger ist ebenso wichtig wie der gegenständliche oder gegenstandslose Bildinhalt. Direkte Ansprechpartnerin: Lisa Thiele, mail@lisathiele.de neuer-kunstverein-wuppertal.de

Hofaue 51, 42103 Wuppertal Sonntag, 4. Juli bis 6. August 2021

B/U/ILD

Eröffnung: Sonntag, 4. Juli 2021, 14 - 18 Uhr Mit Jonas Kamm, Patrick Lohse, Elizaveta Podgornaia und Isabelle Wenzel. Organisiert von Franziska Barth, Angela Deußen und Sandra Happekotte B/U/ILD zeigt die Arbeiten vier junger Künstlerinnen und Künstler, die in ihren Fotografien sowohl das Bild als auch das Bilden verhandeln. Es werden Stoffe drapiert, Kulissen gebaut, Posen eingenommen oder Vektoren modelliert. Der unmittelbare Abschluss des dreidimensionalen Schaffensprozesses wird hier jedoch gleichzeitig zum Auslöser einer zweidimensionalen Fotografie. Die Arbeiten erzählen auf jeweils eigene Weise vom Suchen und Finden einer geeigneten Bildform, die sich produktiv zum Dargestellten ins Verhältnis setzt. Darüber hinaus machen sie deutlich, wie leicht der Versuch einer begrifflichen Einordnung der Werke ins Wanken gerät. Begleitprogramm: samstags, 10. und 24. Juli, 15 Uhr, Führung: sandra-happekotte@web.de B/U/ILD: Jonas Kamm, Chunk 1, 2019, Digital C-Print, Rendering, 105 × 130 cm.

Matthias Ruthenberg

Kunstmuseum Solingen Wuppertaler Straße 160, 42653 Solingen-Gräfrath Samstag, 18. September bis Sonntag, 31. Oktober 2021

Internationale Bergische Kunstausstellung Das Kunstmuseum Solingen zeigt die 75. Internationale Bergische Kunstausstellung. Wie üblich steht die heterogene Schau unter keinem vorgegebenen Motto, sondern will einmal mehr einen Einblick in das vielfältige Kunstschaffen der Region geben. Viele der teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler sind Absolvierende der Düsseldorfer Kunstakademie und bereits durch überregionale Ausstellungen bekannt. Andere, die am Anfang ihrer Karriere stehen, lohnt es sich zu entdecken. Aus 260 Bewerbungen hat die Jury „die innovativsten und spannendsten Ansätze“ ausgewählt. Der stets mit der Schau verbundene Internationale Bergische Kunstpreis geht diesmal an den 1988 in Locarno/Schweiz geborenen Pascal Sender für sein Werk „Exit“. Der Künstler lebt und arbeitet in Düsseldorf und London. Das von der Nationalbank AG gestiftete Preisgeld wurde erstmals auf 10000 Euro erhöht. (red) kunstmuseum-solingen.de

Kulturwerkstatt Ins Blaue e.V. Ins Blaue Art Gallery Siemensstraße 21, 42857 Remscheid Samstag, 4. September bis Sonntag, 14. November 2021

EXPERIMENT_RAUM

Remscheid, Wuppertal, Solingen 72

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Eröffnung: Samstag, 4. September 2021 von 16 -20 Uhr Von September bis November 2021 findet im Bergischen Städtedreieck das Medienkunstprojekt EXPERIMENT_ RAUM statt. Eingeladen wurden über zwanzig Künstlerinnen und Künstler, sich mit Wahrnehmung von Raum zu beschäftigen, ihn zu befragen, zu erforschen, neu zu definieren. Es entstand ein breites Spektrum von künstlerischen Produktionen, die in den Bereichen Licht- und Medienkunst, wie Aussenprojektionen, Video-Mapping, Multimedia-Installationen, Sound- und Videoexperimenten für die unterschiedlichen Veranstaltungsorte in Remscheid, Wuppertal und Solingen entwickelt wurden. Initiiert von Ins Blaue e.V., beteiligen sich weitere Off-Räume der Freien Szene wie LOCH und Hebebühne sowie Ballett im Hof. Mit einem grossen Auftaktprogramm, das mit Text/Performance, einer interaktiven Kunstaktion weitere Akzente setzt, startet EXPERIMENT_RAUM am 4. und 5. September zeitgleich in Remscheid und Wuppertal. Bis November werden mit zusätzlichen Veranstaltungen, z.B. einem Liegekonzert, Besucher eingeladen, aktiv ihre Raumerfahrungen zu erweitern. Alle Veranstaltungsorte sind an diesem Tag durchgehend geöffnet. Freier Eintritt zu allen Veranstaltungen Sonntag, 8. bis Sonntag, 29.August 2021, 15 bis 18 Uhr

winzige Dinge

einmal nur, um das Licht einzuatmen Setsuko Fukushima „Die Welt um uns herum sieht aus wie ein komplexes und farbenfrohes Ding, wie ein Kaleidoskop. Die Wahrnehmung durch uns Menschen schwankt hier und da und ist überhaupt nicht festgelegt. Ich möchte, dass meine Werke Wirkkraft haben, dass sir das Publikum animieren, um eigene Geschichten zu kreieren“, sagt Setsuko Fukushima. Öffnungszeiten: Sonntags, 8., 15., 22., 29. August jeweils 1518 Uhr und nach telefonischer Vereinbarung: 015126886535

Sonntag, 29. August, 16 Uhr, Veranstaltungsort Halskestraße 26

garden of sounds

botanische Musik – Karola Pasquay Pflanzenmaterial, Stimme, Stein, Glas, Metall, Papier Ein Soloabend mit ungewöhnlichem Instrumentarium. Musik, die Räume öffnet, auch für Stille. Immer wieder beschäftigt sich die Flötistin Karola Pasquay mit der Struktur von Klängen, die in subtil angelegten Collagen keiner kompositorischen Form bedürfen. Dabei experimentiert sie gerne mit zufällig Gefundenem, oft Objekten aus der Natur. Installation mit gebrauchter Schlafkleidung

Das ungewöhnliche Instrumentarium der „botanischen Musik“ Foto: Karola Pasquay

Aktuelle Informationen und Voranmeldungen auf unserer Webseite www.ins-blaue.net

Atelier Pförtnerloge in der Fabrik Heeder, Virchowstraße 130, Krefeld, Eingang C. noch bis Samstag, 7. August 2021

Vom Wachen und Schlafen

Für unsere präsente menschliche Existenz ist ein guter Schlaf unabdingbar. Trotzdem sind wir oft zu wach zum Schlafen und zu müde zum Wachsein. Wann sind wir wach, wann schlafen wir? Wie kommen wir mit der Zeittaktung in unserer Gesellschaft zurecht? Von solchen Fragen angetrieben, schuf die Wuppertaler Künstlerin Sylvie Hauptvogel unter dem Titel schlaf wach eine Installation mit Objekten, die sie aus alter gebrauchter Schlafkleidung genäht hat. Ärmel und Nachtröcke sind durch Haken- und Augenbänder verknüpft, die üblicherweise für Korsagen verwendet werden - sie hängen frei im Raum. Einzelne Kragenobjekte bedecken seriell die Wand; fragile Beinund Ärmelobjekte besiedeln Wände und Boden oder hängen von der Decke. Das Ganze steht unter der Zeittaktung eines digitalen Weckers. (akr) Die Ausstellung ist bei geöffnetem Innenhof der Fabrik Heeder von außen einsehbar und kann jederzeit besucht werden. krefeld.de

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von Sylvie Hauptvogel, Foto: Sylvie Hauptvogel

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MUSIK Peter Kowald Gesellschaft/ ort e.V. Luisenstraße 116, 42103 Wuppertal Samstag, 3. Juli 2021, 20 Uhr, PHONORAMA - music & drawings Dušica Cajlan extended piano, Etienne Nillesen extended snare drum, Georg Wissel Altsaxofon + Präparationen, Anna Lytton Zeichnungen, Animation PHONORAMA konfrontiert die spezifische farb- und klangreiche Musik des Trios CAJLAN-WISSEL-NILLESEN mit der reduzierten und klaren zeichnerischen Welt der Künstlerin Anna Lytton. Visuelle und akustische Elemente werden verbunden, indem die Protagonisten improvisierend aufeinander reagieren, sich ergänzen, kommentieren, inspirieren. Durch eine transparente Leinwand auch auf die Musizierenden projiziert, verschmelzen animierte Zeichnungen und Klang zu einem neuen gemeinsamen Werk, das neue Perspektiven öffnet. Donnerstag, 26. August 2021, 18 Uhr

DARA String-Festival

Das von der Violinistin, Komponistin, Interpretin und Improvisatorin Biliana Voutchkova kuratierte DARA String-Festival bringt an fünf Tagen in Berlin, Köln und Wuppertal international renommierte Künstlerinnen mit unterschiedlichem musikalischem Hintergrund zusammen. Ihre Gemeinsamkeit: Alle spielen Saiteninstrumente. In Wuppertal ist die Peter Kowald Gesellschaft/ort e.V. Kooperationspartnerin dieses spannenden, genreübergreifenden Festivals. Weitere Termine auf kowald-ort.com

Die Färberei Peter-Hansen-Platz 1, 42275 Wuppertal Mittwoch, 14. Juli, 11. August, 8. September 2021, 19.30 Uhr

Uptown Groove mit Brenda Boykin

Seit Juni und bis November spielt die Frau mit der mitreißenden JazzRhythm’n-Blues-Stimme an jedem zweiten Mittwoch im Monat mit jeweils wechselnder Besetzung auf dem Vorplatz der Färberei. Tickets: wuppertal-live.de Samstag, 21. August 2021, 19.30 Uhr MiLoca... CD Präsentation Diaz/Lorente y Mas Musik ist die Sprache der Seele. Sie benötigt keine Worte, um verstanden zu werden. Die Stücke von “Diaz/Lorente y mas” sind der klingende Beweis dafür. Gitarre und Bandoneon erzählen Geschichten, singen, klagen, jubilieren. Die ereignisreiche Lebensgeschichte des argentinischen Gitarristen Carlos Diaz hört man seinen Kompositionen an. Von den Wurzeln in Patagonien und der argentinischen Musiktradition, über die musikalische Prägung durch Rock, Jazz und Tango, bis zu seinem heutigen Zuhause in Deutschland: Ein Leben voller Reisen und Musik, voller Abenteuer und Erinnerungen. Der ebenfalls weltgewandte Bandoneonist Lorente weiß dies durch sein Spiel perfekt zu vertiefen.

Waldbühne Hardt Ziegenburg 2, 42107 Wuppertal Samstag, 10. Juli 2021, 19 Uhr

Henrik Freischlader Band

der Band 2021 wieder auf Tour und freut sich darauf, überall dort zu spielen, wo handgemachte Musik noch gefragt ist. Abseits jeglicher Inszenierungen und Showelemente darf sich das Publikum auf eine Band freuen, die jeden Abend musikalisch neu und anders gestalten kann, und die Tradition des Blues durch die Flexibilität jedes Einzelnen sensibel in die heutige Zeit überführt. Tickets: wuppertal-live.de Samstag, 28. August 2021, 14 Uhr

17. Feuertal Festival

Das Festival mit Kultstatus vereint mittelalterliches Treiben, eine atemberaubend atmosphärische Location und das Who is Who der MittelalterRockszene: Schandmaul, Versengold, Knasterbart, Patty Gurdy´s Circle, The O´Reillys & The Paddyhat und Thanateros. Neben der Hauptbühne lockt ein traditioneller Mittelaltermarkt mit allerlei Schönem und eine Schlemmermeile. Tickets: wuppertal-live.de

die börse Wolkenburg 100, 42119 Wuppertal Samstag, 24. Juli 2021, 20 Uhr

Rocko Schamoni #kultur#park#platz

Die große Rocko Schamoni Schau Zusammen mit seinem alten Freund und Weggefährten Tex Matthias Strzoda spielt Rocko Schamoni ein paar der besten Songs aus seiner langer musikalischer Laufbahn. Und er trägt Texte aus seinem erst im August erscheinenden Buch „der Jaeger und sein Meister“ vor, der Biografie über den Hamburger Geniekomiker Heino Jaeger. Tickets: wuppertal-live.de

Mit ihrem neuen Studio-Album „Missing Pieces“ ist die Henrik Freischla-

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Cafe ADA

Friedhofskirche Elberfeld

Wiesenstraße 6, 42105 Wuppertal

Hochstraße 15 – 42105 Wuppertal

Freitag, 27., Samstag, 28. und Sonntag, 29. August 2021

Sonntag, 12. September 2021, 16 Uhr

BRÖtz 80!

Dreitägiges Festival im Café ADA zu Ehren von Peter Brötzmann Am 6. März 2021 wurde der Wuppertaler Saxophonist und Klarinettist Peter Brötzmann 80 Jahre alt. Ihm zu Ehren veranstaltet INSEL e.V. im Café ADA ein dreitägiges Festival mit internationalen Gästen, das die herausragende Stellung dieses Ausnahmekünstlers feiert. Mit: Hamid Drake (Chicago) Drums, Keiji Haino (Tokyo) Gitarre / Electronics, Mats Gustafsson (Wien) Saxophon, Camille Emaille (Nizza) Drums, Percussion, Heather Leigh (Glasgow) Pedal Steel Guitar, Marino Pliakas (Zürich) E-Bass, Michael Wertmüller (Berlin) Drums, Caspar Brötzmann (Berlin) Gitarre, Hans-Peter Hiby (Wuppertal) Saxophon, Wolfgang Schmidtke (Wuppertal) Saxophon, Peter Brötzmann (Wuppertal) Saxophon. Tickets: wuppertal-live.de

Ma towu...

Wie schön sind deine Zelte, Jakob Festkonzert „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ Andreas Elias Post (Bariton), Konzertchor Wuppertal, Kirchenmusikdirektor Jens-Peter Enk (Orgel) und Thorsten A. Pech (Leitung) spielen Musik von Bruch, Lewandowski, Schubert, Sulzer, Zivi u.a.

Musikalisch orientieren sich die Werke dieses Konzerts am Geschmack ihrer Zeit. Sie sind geprägt von den Einflüssen evangelischer Kirchenmusik, vor allem Mendelssohns, und entsprechen den Vorlieben eines bürgerlichen Publikums: Die Musik und ihre Darbietung hatten prächtig und großartig zu sein, wohlklingend und selbstbewusst.

Schützenplatz 42853 Remscheid

Liebe & Musik Open Air Festival liebeundmusik.de

Samstag, 4. September 2021, 20 Uhr

Söhne Mannheims Acoustic Seit über 25 Jahren sind die Söhne Mannheims eine der erfolgreichsten deutschen Bands. Eine Band in Bewegung – ein multikulturelles Kollektiv, das jede Note mit Herzblut schreibt. Mit Hits wie „Und wenn ein Lied“, „Das hat die Welt noch nicht gesehen“, „Vielleicht“ und einem Sound zwischen Soul, Hip Hop, Rock und Reggae, sind sie Pioniere neuer deutschsprachiger Popmusik. Nach 18 Gold- und 8 Platin-Alben, nach TourHeather Leigh/Peter Brötzmann 2019, MUSIC WORKS, Brooklyn

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neen durch Clubs und Hallen, nach Höhen und Tiefen, erzählen sie die Geschichte jetzt weiter. Tickets: wuppertal-live.de Sonntag, 5. September 2021, 20 Uhr

Laith Al-Deen

Laith Al-Deen hat mehr als 20 Jahre Bühnenerfahrung und zählt zu den Urgesteinen der Popmusik in Deutschland. Trotz Millionen verkaufter Tonträger, goldenen Schallplatten und Top-Chartplatzierungen hat er nie seine Leidenschaft verloren. Er erfindet sich immer wieder neu, ohne sich selbst dabei zu verlieren. Die Texte seiner Songs sind tiefgründig und gehen mitten ins Herz. Mit seinem neuen Album „Kein Tag umsonst“ ruft er dazu auf, sich auf das was zählt zu besinnen und das Leben wieder schätzen zu lernen. Tickets: wuppertal-live.de Mittwoch, 8. September 2021, 20 Uhr

Gentleman

Deutschlands bekanntester ReggaeMusiker kommt zum Liebe & Musik Open Air Festival nach Remscheid. Seit mehr als 20 Jahren bereichert er die Charts mit seinen englischsprachigen Reggae-Songs und hat schon etliche Auszeichnungen erhalten. Mit „Blaue Stunde“ hat er nun erstmals ein Deutsches Album veröffentlicht. Dem Reggae-Style ist er dabei treu geblieben, er groovt jetzt auch auf Deutsch und verbreitet weiterhin gute Laune und positive Energie. Tickets: wuppertal-live.de

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Patrick Hahn: Neuer GMD startet in Wuppertal durch

BÜHNE

„Es war in den letzten Wochen und Monaten trotz aller Probleme eine unglaublich schöne Atmosphäre“, sagt Patrick Hahn mit Blick auf die Zeit der Pandemie über die Arbeit mit dem Wuppertaler Sinfonieorchester. Der Nachfolger von Generalmusikdirektorin Julia Jones gibt am 1. September in der Historischen Stadthalle Wuppertal sein mit Spannung erwartetes Antrittskonzert. Dafür hat er sich u.a. Richard Strauss‘ „Alpensinfonie“ ausgesucht, „damit es gleich zu Beginn richtig kracht.“ Dazu „Vier letzte Lieder“, ebenfalls von Strauss, zu der er die international gefeierte Sopranistin Marlis Petersen begrüßt, und „Sechs Stücke für Orchester“ op.6 von Anton Webern (Beginn: 19.30 Uhr). In der Reihe „Ohrenöffner“ in der CityKirche Elberfeld kann man Deutschlands jüngsten GMD am 11. September dann näher kennenlernen: Um 12 Uhr und um 14 Uhr erzählt der Österreicher davon, welche Wege ihn nach Wuppertal gebracht haben, warum Charles Ives ihm besonders am Herzen liegt, er Alfred Schnittke für einen der interessantesten Komponisten des 20. Jahrhunderts hält, und welche Pläne im Besonderen er schmiedet. Das erste reguläre Sinfoniekonzert der Saison dirigiert Patrick Hahn am Sonntag, 19. September (11 Uhr) und am 20. September (20 Uhr). Unter dem Titel „Die Zukunft ist jetzt“ stehen auf dem Programm: „In the Beginning“ des finnischen Komponisten Einojuhani Rautavaara (19282026), „Schelmo“ (Hebräische Rhapsodie für Violoncello und Orchester) des schweizerisch-amerikanischen Komponisten Ernest Bloch (1880-1959) und die 4. Sinfonie Es-Dur von Anton Bruckner (die „Romantische“). Prof. Dr. LutzWerner Hesse hält vor dem Konzert am Montag um 19 Uhr eine Einführung. sinfonieorchester-wuppertal.de (akr)

K4 Theater für Menschlichkeit Neuenteich 80, 42107 Wuppertal 21. August 2021 (Premiere), 22., 29. August, 5., 26. September (16 Uhr), 26., 27., 28., 29. August, 2., 4. September (20 Uhr).

Die Falle

Kriminalstück von Robert Thomas Mit „Die Falle“ (Original: „Piège pour un homme seul“) landerte der französische Autor Robert Thomas 1960 einen Welterfolg: ein raffiniert gebautes Kriminalstück, bei dem man geradezu auf dem Theatersitz nach vorne rutscht, um der richtigen Lösung entgegenzufiebern. Es spielen: Kris Köhler, Mona Köhler, Wernher Becker, Jonathan Tribe und Eva Langer. Inszenierung: Wernher Becker. Eine TheaterKooperation des K4 mit der Krimödie Hamburg. 25. September, 20 Uhr (Premiere), 26. September (16 Uhr), 30. September (20 Uhr).

Der Vorname

Gesellschaftskritische Komödie von Matthieu Delaporte/ Alexandre de La Patellière Ein gemütlicher Abend soll es werden in der schlicht und stilvoll eingerichteten Wohnung des Literaturprofessors und seiner Frau. Nur Freunde und Familie sind zu Gast. Die harmonische Stimmung kippt bei der Enthüllung des geplanten Vornamens des noch ungeborenen Sohnes, und der Abend droht, völlig aus dem Ruder zu laufen… Wortwitz und Dialoge im besten Stile der kritischen Gesellschaftskomödie treiben atemlos eine Handlung voran, die bei aller Komik auch manch ahnungsvollen Blick in die Abgründe der Figuren erlaubt. kwtheater.de

Riedel Communications - Halle V Uellendahler Straße 353, 42109 Wuppertal

Wuppertaler Bühnen

4., 5., 7., 8., 10., 11., 12., 17., 18., 19. September (jeweils 19.30 Uhr).

Moby Dick

nach Herman Melville Ahab, die Pequod, Moby-Dick – ein Kapitän, sein Schiff, dessen Mannschaft und ein weißer Wal... Längst ist diese Geschichte ein Mythos. Nach „Romeo und Julia“ 2015 und „Don Quijote“ 2017 inszeniert Robert Sturm erneut einen 76

GMD PatrickHahn, Foto: GerhardDonauer, C G Pictures

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RINKE_Anz_56x258_RZ_2021.qxp_Layout 1 07.12.2

Klassiker der Weltliteratur als spartenübergreifende Produktion der Wuppertaler Bühnen in Zusammenarbeit mit u.a. Riedel Communications und der Hochschule für Musik und Tanz Köln, Standort Wuppertal. Gefördert durch das Land NRW, die Kunststiftung NRW, das NRW KULTURsekretariat, die Dr. Werner Jackstädt-Stiftung, die Stadtsparkasse Wuppertal, die Theaterfreunde Wuppertal sowie zahlreiche weitere lokale Unternehmen.

LITERATUR Freibad Mirke In der Mirke 1, 42109 Wuppertal Samstag, 24. Juli 2021, 20 Uhr

Max Goldt

Der Autor und Musiker Max Goldt, bekannt u.a. als Kolumnist der Satirezeitschrift Titanic, wird für seinen besonderen Wortwitz, die sprachliche Eleganz seiner Texte sowie seine Kunst des Abschweifens geradezu verehrt. Sein Schriftstellerkollege Daniel Kehlmann nennt seine Prosa „klug, klar, unaufdringlich moralisch und das Witzigste, was die deutsche Literatur zu bieten hat.“ Tickets: www.wuppertal-live.de

VORTRAG Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal Genügsamkeitsstraße, 42105 Wuppertal

Sophie Scholl und der Widerstand gegen Diktaturen Vortrag von Prof. Dr. Peter Imbusch, Bergische Universität Wuppertal Das Gedenken an den Widerstand gegen den Nationalsozialismus aus Anlass des 100. Geburtstags von Sophie Scholl hat beträchtliche mediale Aufmerksamkeit erfahren. Fernsehen, Rundfunk und Zeitungen haben ausführlich darüber berichtet und aus diesem Grund sind auch etliche neue Bücher erschienen, die das Leben und Wirken von Sophie Scholl mit bislang eher unbeachteten Aspekten angereichert haben. Weniger prominent war die Einbettung der Person und die breitere Kontextualisierung ihres Widerstands. Ausgehend vom Fall Sophie Scholl nimmt der Referent die allgemeinen Möglichkeiten und Erfolgsaussichten von Widerstand gegen Diktaturen in den Blick. Dabei soll in vergleichender Perspektive nach den Bedingungen und den Trägergruppen der durchaus unterschiedlichen Widerstandsformen gefragt werden, um die Bedeutung und den Stellenwert der Aktionen der „Weißen Rose“ einschätzen zu können. Eine Veranstaltung in Kooperation mit dem Katholischen Bildungswerk Wuppertal/ Solingen/ Remscheid. Termin: 14. Juli 2021, 19 Uhr, als ZoomVeranstaltung. Einwahldaten können unter info@alte-synagoge-wuppertal. de angefordert werden; sie werden am Nachmittag des Vortragstermins zugeschickt. alte-synagoge-wuppertal.de 77

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„die beste Zeit“ Das Kulturmagazin im Bergischen Land erhalten Sie bei:* Wuppertal Elberfeld Bloom Event Thomas & Sabine Haase, Friedrich-Ebert-Str. 66, 42103 Wuppertal, (0202) 97 11 37 23, facebook:@bloomevent.de Buchhandlung v. Mackensen Fr.-Ebert-Str., Ecke Laurentiusstr. 12, 42103 Wuppertal, (0202) 30 40 01, www.mackensen.de Buchhandlung Thalia Wuppertal City-Arkaden, Alte Freiheit 9, 42103 Wuppertal, (0202) 69 80 30, www.thalia.de Glücksbuchladen Kerstin Hardenburg, Friedrichstraße 52, 42105 Wuppertal, (0202) 37 29 00 58, www.gluecksbuchladen.de Looping Luisenstraße 71 b, 42103 Wuppertal, (0202) 31 01 06, www.looping-mode.net RELAY. Wuppertal Hauptbahnhof, Döppersberg 37, 42103 Wuppertal, www.my-relay.de Von der Heydt-Museum Museumsshop, Turmhof 8, 42103 Wuppertal, (0202) 563 6231, www.von-der-heydt-museum.de Wuppertal Barmen Bücherladen Jutta Lücke Hünefeldstraße 83, 42285 Wuppertal, (0202) 8 83 53 Café und Buchhandlung im Barmer Bahnhof Winklerstraße 2, 42283 Wuppertal, (0202) 59 53 85,www.joliso1904.de Musikhaus Landsiedel-Becker Höhne, Ecke Werther Hof, 42275 Wuppertal, (0202) 59 21 57, www.landsiedel-becker.de RELAY. Wuppertal-Oberbarmen Bahnhof, Berliner Platz 15, 42277 Wuppertal, www.my-relay.de Skulpturenpark Waldfrieden Hirschstraße 12, 42285 Wuppertal, (0202) 3 17 29 89, www.skulpturenpark-waldfrieden.de Wuppertal Cronenberg Buchhandlung Nettesheim Hauptstraße 17, 42349 Wuppertal, (0202) 47 28 70, www.nettesheim.de Wuppertal Ronsdorf Ronsdorfer Bücherstube Christian Oelemann, Staasstraße 11, 42369 Wuppertal, (0202) 2 46 16 03, www.buchkultur.de Wuppertal Vohwinkel Buchhandlung Jürgensen Vohwinkeler Straße 1, 42329 Wuppertal, (0202) 73 09 42, www.buch-juergensen.de Friseursalon Capilli Heinrich Wermann, Manteuffelstr. 2, 42329 Wuppertal, (0202) 30 13 22, www.capilli.de Solingen Kunstmuseum Solingen Museumsshop, Wuppertaler Str. 160, 42653 Solingen, (0212) 25 81 40, www.kunstmuseum-solingen.de Leverkusen Schloss Morsbroich Museumsshop, Gustav-Heinemann-Str. 80, 51377 Leverkusen, (o214) 8 55 56 28, www.museummorsbroich.de * bis zum Redaktionsschluss bekannt

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JAHRESKARTE

VO N D E R H EYDT MUSEUM

W U PPE RTAL

AUS D E R Z E I T G E R I S S E N J O S E P H B E U Y S: A KT I O N E N – FOTO G R A F I E RT VO N U T E K LO P H AU S 1965 – 1986 19.9.21 –– 9.1.22 www.von-der-heydt-museum.de

Joseph Beuys in der Aktion: „Titus/Iphigenie“, 1969, Theater am Turm, Frankfurt am Main, Fotografie: Ute Klophaus, Courtesy Sammlung Lothar Schirmer © Nachlass Ute Klophaus © für das Werk von Joseph Beuys: VG Bild-Kunst, Bonn, 2021

KUNST & NATUR SCHENKEN! JAHRESKARTE SKULPTURENPARK WALDFRIEDEN Ein ganzes Jahr kostenloser Eintritt, Ausstellungseröffnungen inbegriffen. Vergünstigte Eintrittspreise zu Veranstaltungen. Gültige und während der Schließung durch die Corona-Situation abgelaufene Jahreskarten verlängern wir selbstverständlich automatisch kostenlos um den Zeitraum der Schließung. Weitere Informationen unter: skulpturenpark-waldfrieden.de

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Kultur auf der Siegesstraße

Aussetzung der Veranstaltungen Infolge der effektiven Umsetzung der Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19 Pandemie finden bis auf Weiteres keine Veranstaltungen in unserem Hause statt! Wir hoffen, dass Sie und Ihre Angehörigen gesund bleiben. Auf ein hoffentlich baldiges Wiedersehen in Ihrer laréna Eventlounge

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Impressum Herausgeber und v.i.S.d.P.: Schwebetal, Stadtteilverlag Wuppertal

Nachdruck - auch auszugsweise - von Beiträgen innerhalb der gesetzlichen

Willi Barczat, Rita Küster, Juliane Steinbach GbR

Schutzfrist nur mit der ausdrücklichen Genehmigung des Verlages.

Redaktion: Willi Barczat, Rita Küster, Dr. Anne-Kathrin Reif Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Ausgabe: Dr. Uta Atzpodien, Heiner

Gastbeiträge durch Autoren spiegeln nicht immer die Meinung des Verlages und

Bontrup, Ruth Eising, Fritz Gerwinn, Christiane Gibiec, Martin Hagemeyer,

der Herausgeber wider. Für den Inhalt dieser Beiträge zeichnen die jeweiligen

Guido Halfmann, Thomas Hirsch, Marion Meyer, Ursula Popp, Johannes Vesper

Autoren verantwortlich.

Druck: Offset Company, Wuppertal, Auflage: 1000 Titelbild: Skulptur, Stele, Zwischen Erde und Himmel, 2011, 626 x 102 x 102 cm, © VG Bildkunst Bonn 2021, Foto Atelier Heinz Mack Erscheinungsweise: vierteljährlich, Erfüllungsort und Gerichtsstand: Wuppertal Trotz journalistischer Sorgfalt wird für Verzögerung, Irrtümer oder Unterlassungen keine Haftung übernommen. Texte und Fotos: Bildnachweise/Textquellen sind unter den Beiträgen vermerkt. Haftung oder Garantie für Richtigkeit, Aktualität, Schreibweise, Inhalt und Vollständigkeit der Informationen kann nicht übernommen werden. Kürzungen bzw. Textänderungen, sofern nicht sinnentstellend, liegen im Ermessen der Redaktion. Für unverlangt eingesandte Beiträge kann keine Gewähr übernommen werden.

Verlag Wuppertal Schwebetal Verlag Wuppertal W. Barczat · R. Küster, · J. Steinbach Friedrich-Engels-Allee 191a · 42285 Wuppertal Telefon: 0202 3134 31 · info@schwebetal-verlag.de www.schwebetal-verlag.de

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