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Angriff auf Deutschlands Unternehmertum (Dr. Dorothea Siems)
von Dr. Dorothea Siems (Chefökonomin WELT)
Angesichts der horrenden Kosten der Pandemie ertönen immer lautere Rufe nach einer schärferen Vermögensbesteuerung. Gerade familiengeführte Mittelständler, die in der Krise um ihren Betrieb und Arbeitsplätze kämpfen, müssen eine Vermögensabgabe und höhere Erbschaftsteuern fürchten.
Die Coronakrise hat in Deutschland den längsten Aufschwung seit der Nachkriegszeit jäh beendet. Um die Folgen des historischen Konjunktureinbruchs abzufedern, beschlossen Bund und Länder eine Vielzahl von Hilfsmaßnahmen. Wie viele Unternehmen trotzdem nicht überleben werden, lässt sich momentan noch gar nicht abschätzen. Angesichts der explodierenden Staatsverschuldung tobt aber bereits eine muntere Debatte darüber, wer am Ende die horrende Rechnung bezahlen soll. Mit Blick auf die im Herbst anstehende Bundestagswahl wird der Ruf nach einer Vermögensabgabe und einer Verschärfung der Erbschaftsteuer immer lauter. Die starken Schultern müssten in Deutschland mehr Verantwortung übernehmen, tönt es keineswegs nur im linken Lager.
Weil hierzulande das Vermögen deutlich ungleicher verteilt ist als das Einkommen, ist die Forderung, „den Reichen“ etwas abzunehmen, populär. Doch angesichts der labilen wirtschaftlichen Lage ist schon die Debatte über eine schärfere Vermögensbesteuerung fatal. Ausgerechnet Deutschlands Familienunternehmen müssten das neue Umverteilungsinstrument fürchten. Ein Großteil der hiesigen Vermögen steckt schließlich in den Unternehmen, ist also in Form von Betriebsgelände, Maschinen oder Lizenzen und ähnlichem gebunden. Deutschlands Wirtschaftsstruktur ist viel stärker als
„SPD, Linke und besonders auch die Grünen wollen den Einfluss des Staates über die Wirtschaft massiv ausweiten, um eine „ökologisch-soziale Marktwirtschaft“ umzusetzen, die nichts anderes als eine grün angestrichene Planwirtschaft wäre.“
die anderer Industrieländer von einem breitgefächerten Mittelstand geprägt. Etliche dieser Unternehmer gehen in dieser Krise an ihre Reserven, um ihren Betrieb und die Arbeitsplätze zu retten. Die Aussicht, im Zuge eines sogenannten Lastenausgleichs mit einer Substanzsteuer belegt zu werden, wäre Gift für die Konjunktur. Denn selbst Unternehmen, die geschwächt aus der Krise hervorgehen, müssten den Obolus zahlen und dafür notfalls Unternehmensteile verkaufen.
Die Debatte um die Vermögensteuer kommt nicht nur zur Unzeit. Sie verdeutlicht auch, dass viele hiesige Politiker vergessen haben, dass Unternehmertum und Eigentum die Grundpfeiler der Sozialen Marktwirtschaft sind, die Deutschland zu einer starken Wirtschaftsnation haben werden lassen. Die Geringschätzung des Systems der Marktwirtschaft im Allgemeinen, und der Unternehmer im Besonderen, grassiert hierzulande nicht erst seit Corona. SPD, Linke und besonders auch die Grünen wollen den Einfluss des Staates über die Wirtschaft massiv ausweiten, um eine „ökologisch-soziale Marktwirtschaft“ umzusetzen, die in Wirklichkeit allerdings nichts anderes als eine grün angestrichene Planwirtschaft wäre: Technokraten, nicht Unternehmer sollen in diesem System die wichtigsten unternehmerischen Entscheidungen treffen. Weiter kann man sich nicht vom Erfolgsmodell der Sozialen Marktwirtschaft entfernen, wie sie Ludwig Erhard, der erste Bundeswirtschaftsminister und Vater des Wirtschaftswunders, nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland eingeführt hat.
Auch in der Großen Koalition herrscht in der Corona-Krise immer mehr die Einschätzung vor, der Staat als Retter sollte auch längerfristig mehr Einfluss auf das ökonomische Geschehen ausüben. Das Bild vom Schiedsrichter, der zwar die Regeln setzt und über deren Einhaltung wacht, gefällt vielen nicht. In der Krise ist der Staat denn auch nicht nur bei der Deutschen Lufthansa und beim – keineswegs systemrelevanten – Touristikkonzern TUI eingestiegen, sondern auch beim Impfstoffhersteller Curevac. Dass solche Entscheidungen im höchsten Maße willkürlich sind und oft mehr mit guten Beziehungen der Unternehmensleitung zur Politik als mit sachlichen Gründen zu tun haben, ist das eine. Die marktverzerrende Wirkung ist das andere. TUI hat etliche kleine und mittelständische Konkurrenten, die ums Überleben kämpfen und keine Sonderbehandlung erhalten. Curevac ist von seinem Wettbewerber Biontech abgehängt worden, der es ohne staatliche Beteiligung geschafft hat, als erstes Unternehmen weltweit einen hochwirksamen Impfstoff auf den Markt zu bringen.
Gerade der wunderbare Erfolg der Biontech-Gründer Özlem Türeci und Uğur Şahin zeigt beispielhaft, was Unternehmertum zu bewerkstelligen vermag. Der Staat kann mit kluger Forschungsförderung Entwicklungen bestenfalls beschleunigen. Aber das Wissen, wo der richtige Weg in die Zukunft liegt, hat kein Politiker und kein Staatsdiener. Es ist der unternehmerische Prozess von Versuch und Irrtum, der unersetzbar ist. Und je mehr Firmen an dem Spiel beteiligt sind, desto aussichtsreicher ist es. Ludwig Erhard hat das verstanden. Deshalb hielt er auch nichts davon, dass der Staat ausgerechnet Großunternehmen päppelt. Ein faires Wettbewerbsrecht und berechenbares staatliches Handeln sind Voraussetzungen für einen guten Standort.
Ebenso wichtig ist es, dass Unternehmen darauf vertrauen können, dass sich wirtschaftlicher Erfolg auszahlt. Wer investiert und ins Risiko geht, muss die Früchte auch genießen dürfen. Wenn hierzulande aus politischem Kalkül immer wieder Neid auf Unternehmer geschürt wird, wird das Interesse an der Selbstständigkeit – das in Deutschland ohnehin im internationalen Vergleich extrem gering ist – noch weiter schrumpfen. Wo aber sollen dann die technologischen Fortschritte herkommen, die das Land dringend braucht, um nicht den Anschluss an China oder die USA zu verlieren?
Enteignungsfantasien, wie sie der frühere Juso-Chef Kevin Kühnert oder der rot-rot-grüne Senat in Berlin bedienen, untergraben das Vertrauen der hiesigen Unternehmer in die Politik. Denn der im Grundgesetz verankerte Schutz des Eigentums wird dabei zur Disposition gestellt. Gegen solche Irrlehren müssen die bürgerlichen Parteien klare Kante zeigen, wenn die deutsche Wirtschaft wieder zur alten Stärke zurückfinden soll.