AUSSENANSICHT
Angesichts der horrenden Kosten der Pandemie ertönen immer lautere Rufe nach einer schärferen Vermögensbesteuerung. Gerade familiengeführte Mittelständler, die in der Krise um ihren Betrieb und Arbeitsplätze kämpfen, müssen eine Vermögensabgabe und höhere Erbschaftsteuern fürchten.
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ie Coronakrise hat in Deutschland den längsten Aufschwung seit der Nachkriegszeit jäh beendet. Um die Folgen des historischen Konjunktureinbruchs abzufedern, beschlossen Bund und Länder eine Vielzahl von Hilfsmaßnahmen. Wie viele Unternehmen trotzdem nicht überleben werden, lässt sich momentan noch gar nicht abschätzen. Angesichts der explodierenden Staatsverschuldung tobt aber bereits eine muntere Debatte darüber, wer am Ende die horrende Rechnung bezahlen soll. Mit
von: Foto: Frank Lehmann
Dr. Dorothea Siems Chefökonomin WELT
Blick auf die im Herbst anstehende Bundestagswahl wird der Ruf nach einer Vermögensabgabe und einer Verschärfung der Erbschaftsteuer immer lauter. Die starken Schultern müssten in Deutschland mehr Verantwortung übernehmen, tönt es keineswegs nur im linken Lager. Weil hierzulande das Vermögen deutlich ungleicher verteilt ist als das Einkommen, ist die Forderung, „den Reichen“ etwas abzunehmen, populär. Doch angesichts der labilen wirtschaftlichen Lage ist schon die Debatte über eine schärfere Vermögensbesteuerung fatal. Ausgerechnet Deutschlands Familienunternehmen müssten das neue Umverteilungsinstrument fürchten. Ein Großteil der hiesigen Vermögen steckt schließlich in den Unternehmen, ist also in Form von Betriebsgelände, Maschinen oder Lizenzen und ähnlichem gebunden. Deutschlands Wirtschaftsstruktur ist viel stärker als
„SPD, Linke und besonders auch die Grünen wollen den Einfluss des Staates über die Wirtschaft massiv ausweiten, um eine „ökologisch-soziale Marktwirtschaft“ umzusetzen, die nichts anderes als eine grün angestrichene Planwirtschaft wäre.“ 6
Foto: Jens Schicke
Angriff auf Deutschlands Unternehmertum die anderer Industrieländer von einem breitgefächerten Mittelstand geprägt. Etliche dieser Unternehmer gehen in dieser Krise an ihre Reserven, um ihren Betrieb und die Arbeitsplätze zu retten. Die Aussicht, im Zuge eines sogenannten Lastenausgleichs mit einer Substanzsteuer belegt zu werden, wäre Gift für die Konjunktur. Denn selbst Unternehmen, die geschwächt aus der Krise hervorgehen, müssten den Obolus zahlen und dafür notfalls Unternehmensteile verkaufen. Die Debatte um die Vermögensteuer kommt nicht nur zur Unzeit. Sie verdeutlicht auch, dass viele hiesige Politiker vergessen haben, dass Unternehmertum und Eigentum die Grundpfeiler der Sozialen Marktwirtschaft sind, die Deutschland zu einer starken Wirtschaftsnation haben werden lassen. Die Geringschätzung des Systems der Marktwirtschaft im Allgemeinen, und der Unternehmer im Besonderen, grassiert hierzulande nicht erst seit Corona. SPD, Linke und besonders auch die Grünen wollen den Einfluss des Staates über die Wirtschaft massiv ausweiten, um eine „ökologisch-soziale Marktwirtschaft“ umzusetzen, die in Wirklichkeit allerdings nichts ande-
TREND 1/2021