Amnesty Journal Juli/August 2021

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ben. Heute ist Ata Canani 57 Jahre alt und sagt: »Ich bin stolz, dass meine Lieder immer noch so aktuell sind – und ich fürchte, sie werden auch in hundert Jahren noch aktuell sein.« Ata Canani war der erste Migrant, der in den 1970er Jahren die Lebensrealität der Neuankömmlinge in Songs verarbeitete – und das in deutscher Sprache. Ein Novum, das aber kaum wahrgenommen wurde. Es gab zwar ein paar TV-Auftritte, unter anderem bei Alfred Biolek, doch spielte Canani seine Songs vor allem bei türkischen Hochzeiten, bei denen er allerdings eher als Virtuose mit der Saz, der Langhalslaute, gefragt war. »Die Gastarbeiter haben mich nicht verstanden, weil sie der deutschen Sprache nicht mächtig waren, und den Deutschen war meine Musik zu orientalisch«, erinnert er sich. Umso wichtiger, dass diese verloren gegangenen Lieder nun endlich wieder zu hören sind. Alle Stücke auf dem Album »Warte mein Land, warte«, die neu geschriebenen sowieso, aber auch die jahrzehntealten, mussten von Canani und seiner Band neu eingespielt werden. Dass die alten Bänder verloren gegangen waren, dass es keine Originalaufnahmen mehr gab, macht deutlich, wie sehr Cananis historische Leistung in Vergessenheit geraten war. Als Bülent Kullukcu und Imran Ayata im Jahr 2013 die Compilation »Songs of Gastarbeiter« herausbrachten und Cananis vergessenen Klassiker »Deutsche Freunde« an den Anfang stellten, bekam er zumindest einen Teil der Anerkennung, die er verdient. Trotzdem dauerte es noch einmal acht Jahre, bis nun endlich ein ganzes Album erscheint. Leben konnte Canani nie von seiner Musik. Mit elf Jahren kam er nach Deutschland, sein Vater wollte das musikalische Talent des Sohnes nie fördern, obwohl er die Saz spielen konnte wie kaum ein anderer. Also ging Canani 36 Jahre lang harter körperlicher Arbeit nach, ebenso wie Der Klang der Integration. Ozan Ata Canani konnte nie von seiner Musik leben. die anderen »Drecks- und Müllarbeiter, Stahlbauund Bahnarbeiter« aus der »Türkei, aus Italien, aus PortuDer Saz-Virtuose Ozan Ata Canani hat in den 1970er gal, Spanien, Griechenland, Jugoslawien«, deren Schicksal er in Jahren als Erster die Erfahrungen der Migrant_innen »Deutsche Freunde« besingt. In dieser Zeit erlebte er, wie aus in Deutschland musikalisch verarbeitet – auf Deutsch. Gastarbeiter_innen zumindest offiziell doch noch Migrant_innen wurden, aber auch wie der NSU in der Kölner Keupstraße Erst jetzt ist sein Debütalbum erschienen. eine Nagelbombe zündete – Canani lebte ganz in der Nähe. Von Thomas Winkler Vor fünf Jahren hatte er einen Herzinfarkt, seitdem lebt er von Hartz IV, mittlerweile in einer kleinen Wohnung in Leverkusen. An der Wand des Wohnzimmers hängen alte Bilder und s war einmal, lang ist es her, da schrieb ein junger Mann mehrere Exemplare seines Instruments, der Saz. Vor ein paar in Liedern auf, was ihn bewegte in dem Land, in dem er Jahren hat jemand ein Hakenkreuz auf die Wand des Mietshaulebte. Er nahm das Instrument, das er aus einem andeses gesprüht, doch das Verfahren wurde eingestellt. »Meine ren Land mitgebracht hatte, gab sich selbst den EhrenLieder sind ein Teil der Geschichte der Gastarbeiter in Deutschtitel Ozan (»Dichter«) und spielte und sang seine Lieder. Die land«, sagt Ata Canani. Nun sind sie zum Glück handelten davon, wie es ist, als Fremder in Deutschland zu leauch ein Teil der Gegenwart des Einwandeben, als einer, der damals »Gastarbeiter« genannt wurde. Sie rungslandes Deutschland. handelten davon, dass alle Menschen glücklich sein wollen und dass man nicht allein von Brot satt wird. Davon, wie es ist, härter arbeiten zu müssen für weniger Lohn als die deutschen KolOzan Ata Canani: »Warte mein Land, warte« leg_innen, und wie es sich anfühlt, zwischen zwei Welten zu le(Fun In The Church/Bertus)

Foto: Frederike Wetzels

Lieder zwischen den Welten

E MUSIK

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