ERKER 12 2021

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Sport

BUCHTIPP

Alles wird gut Gespräche mit 90-Jährigen

Walter Schuster * 7.5.1928, Sterzing

Dieser Tage ist in der Edition Raetia Band 2 der Gespräche mit 90-Jährigen erschienen. Unterhaltsame Lebensgeschichten und -erinnerungen, die Mut machen.

In „Alles wird gut“, der Fortsetzung des Erfolgstitels „Alles gut“, erzählen betagte Menschen im Gespräch mit der Journalistin, Filmemacherin und Autorin Astrid Kofler mit erstaunlicher Offenheit und häufig mit einem Augenzwinkern aus ihrem Leben – von den Freuden und schönen Momenten ebenso wie von Schwierigkeiten und Schicksalsschlägen. Viele der 28 Porträtierten, im Bild festgehalten vom freischaffenden Fotografen Thomas Wiedenhofer, sind noch aktiv, treiben Sport, musizieren, arbeiten in der Pfarrei oder in Vereinen mit, genießen die Zeit mit der Familie oder beim gemeinsamen Kartenspiel. Auch wenn der Alltag beschwerlicher wird und die Vergesslichkeit zunimmt, strahlen sie meist innere Ruhe und Zufriedenheit aus. Dem, was kommt, blicken sie mit Gelassenheit entgegen: Alles wird gut. Zwei der porträtierten Personen stammen aus dem Wipptal: Walter Schuster aus Sterzing und Martha Malfertheiner Klapfer aus Grasstein. Das 456 Seiten umfassende Buch mit 170 eindrucksvollen Schwarz-Weiß-Fotografien ist im Buchhandel erhältlich. Nebenstehend ein Textauszug.

Interview Astrid Kofler am 19. März 2021 I Foto Thomas Wiedenhofer am 11. Juni 2021 Es ist kühl heute. Mit einer dünnen Weste kommt mir Walter Schuster entgegen. Haben Sie nicht zu kalt? Nein, sagt er und lacht. Schnellen Schrittes marschiert er voraus, fast wundert es mich, dass er im Treppenhaus nicht gleich zwei Stufen auf einmal nimmt. Ich bin mein Leben lang ein Allroundsportler gewesen, sagt er, und Sport begeistert mich noch immer. Sportlich nimmt er auch sein Alter. Eine Last sei es ihm nicht, im Gegenteil, Alter sei eine Herausforderung, ein Wettkampf. So schwungvoll, wie er durch den Gang rauscht, seine Gemahlin und eine Enkelin vorstellt, mich einlädt, in der Stube Platz zu nehmen, wird er die dreistellige Hürde seiner Lebensjahre locker nehmen. Sie waren Allroundsportler? Fußball, Laufen, Eishockey, Schwimmen, Tischtennis … Am besten, wenn ich das so sagen darf, habe ich Tennis gespielt. Von 1949 bis 1978 war ich Sterzinger Meister, neun Mal war ich Nordtiroler Seniorenmeister. 2010 wurde ich noch in Seefeld Europameister. In Seefeld finden jährlich die Senior-Open-Tennismeisterschaften statt, das sind die wichtigsten ihrer Art in Europa. Bei den Senioren 80+ waren wir 18 Teilnehmer und ich war mit 81 der älteste. Das hat mich schon sehr gefreut. Sie spielen immer noch Tennis? Natürlich. Ich mache so weiter. Warum sollte ich aufhören? Und wenn ich 100 bin, kommen Sie mich wieder besuchen. Sie müssen auch dableiben, dann treffen wir uns wieder. Ich will unbedingt 100 werden.

Ich weiß nicht, ob ich die Geduld aufbringe, dich

100

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bis 100 zu verwöhnen, sagt seine Gattin zwinkernd, stellt einen Krug Wasser und zwei Gläser auf den Tisch. Gerti Stöllberger Schuster ist 1936 in Salzburg geboren, auch sie trotzt dem Klischee vom gebrechlichen Alter. Das packst du noch leicht, sagt er, und sie lacht. Ich sage immer, wer einen Willen hat, der findet auch einen Weg. Also mir kommt vor, mir fehlt gar nichts. Es wird irgendwann sicher anders werden, aber so schnell glaube ich nicht. Ich fühle mich einfach gut. Wann haben Sie denn mit dem Sporteln begonnen? In meiner Jugend schon. Ich habe leidenschaftlich gerne Fußball gespielt. Bozen war damals schon weiter, aber mit Bruneck, Brixen, Meran haben wir immer mitgehalten. 1944 wurde mir in Meran das erste Leistungsabzeichen angeheftet. Nach dem Krieg bekam ich es noch elf Mal. 1944 wurde ich auch Jugendmeister im Kreis Brixen bei 100 Meter Kraulen. Als Junge habe ich auch sehr viel Tischtennis gespielt. In Sterzing gab es nur einen einzigen Tischtennistisch, der stand bei der Firma Leitner, die die Seilbahnen bauen, und da war ich mit den Söhnen vom damaligen Chef befreundet. Mit denen habe ich viel Tischtennis gespielt. Auf einem Tisch mit einer Spanholzplatte, da ist der Ball natürlich weniger gesprungen. Wir hatten einen Verein und ein reichsdeutscher Diplomingenieur ist nach dem Zusammenbruch irgendwie in Sterzing gelandet und hiergeblieben. Der konnte gut spielen und hat uns unterrichtet. Mit dem Gartner Arthur und dem Wolfram Verdross sind wir drei als Verein zwei Mal


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