A&W 07+08/2020

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40 7+8/20 FACHWISSEN Variables Kompressionsverhältnis

MEHR ODER WENIGER VERDICHTEN Über das Verdichtungsverhältnis kann die Verbrennung bei Teillast beeinflusst werden. Der Kompromiss zwischen Teillastwirkungsgrad und (Volllast-) Klopfgrenze galt für die ­Motorenbauer seit jeher als spezielle Herausforderung. Deshalb kommt vielleicht jetzt die Zeit der VCR-Systeme. Text: Andreas Lerch | Bilder: Iwis, AVL, Lerch

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icolaus August Otto erhielt 1877 vom Kaiserlichen Patentamt ein deutsches Patent für den Viertaktmotor. Gegenüber dem Gasmotor des Belgiers Jean-Joseph Étienne Lenoir erhielt der Viertaktmotor einen Verdichtungstakt. Da sich schon vor Otto andere Erfinder mit dem Verdichtungstakt beschäftigten (insbesondere der Franzose Alphonse Beau de Rochas) und die Idee patentieren liessen, wurde Otto das Patent 1886 wieder aberkannt. Diese juristische Angelegenheit machte den neuen Erfindern (in Deutschland vor allem Benz und Daimler) den Weg frei, Fahrzeuge mit «Otto»-Motoren, also Viertaktmotoren zu bauen. Verdichtungstakt Auf der einen Seite kann der Verdichtungstakt, der zwischen dem Ansaug- und dem Arbeitstakt liegt, durch reine Überlegungen begründet werden. Auf physikalischem Weg kann über das Verdichtungsverhältnis der thermische Wirkungsgrad eines Motors berechnet werden, und bei dieser Berechnung wird sofort deutlich, dass bei einem höheren Verdichtungsverhältnis der thermische Wirkungsgrad ansteigt. Gemäss Bild 2 erreicht der thermische Wirkungsgrad bei einem Verdichtungsverhältnis von 10 : 1 theo­retisch die 60-%-Grenze. Darüber wird die Linie ziemlich flach, und mehr als 14 bis 15 : 1 verbessert den Wirkungsgrad nur noch um Zehntelprozente. Den Berechnungen liegen die folgenden Werte zugrunde: Der Ansaugdruck beträgt 0.9 bar absolut, der maximale Druck 80 bar, der Heizwert des Benzins 43 MJ/kg,

Bild 1. Vom variablen Verdichtungsverhältnis wird schon seit Jahrzehnten ­gesprochen. Das System mit dem teleskopartigen Pleuel wurde von Iwis und der AVL zur Serienreife entwickelt. der Luftbedarf 14.8 kg Luft auf 1 kg Treibstoff, der Lambdawert ist 1. Die spezifische Wärmekapazität beträgt 0.72 kJ/kg und der Isentropenexponent liegt bei 1.4. Als einzige Variable wurde das Verdichtungsverhältnis zwischen 2 und 20 : 1 verändert. Verdichtungsverhältnis und Teillastbetrieb Problematisch wird der Wirkungsgrad des Verbrennungsmotors, wenn im Teillastbetrieb der Füllungsgrad zusammenbricht. Die Drosselklappe behindert den Luftstrom, und der Kolben muss die Luft richtig in den Zylinder hineinsaugen (diese Arbeit

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gehört nicht zum thermischen Wirkungsgrad). In diesen Betriebspunkten verbessert ein festes Verdichtungsverhältnis den Wirkungsgrad kaum mehr, da der Überdruckbereich im Verdichtungstakt erst erreicht wird, wenn der Kolben z. B. den halben Hub schon hinter sich hat. Der Verdichtungsenddruck wird dann klein bleiben, das Gemisch wird im Zündzeitpunkt nicht allzu homogen sein und auch die Verbrennung kann nicht heiss und effizient werden. In diesen Betriebszuständen sollte das Verdichtungsverhältnis erhöht werden, damit die kleine Gemischmenge mit maximaler Effizienz

verbrannt werden kann. Dazu wäre ein variables Kompressionsverhältnis förderlich. Es wird von Motorenentwicklern auch schon fast seit Beginn der Motorenforschung gewünscht, und verschiedenste Realisierungsmöglichkeiten sind bekannt: Mitte der 1980er Jahre war ein Hype für diese Technologien. Mer­ cedes-Benz stellte zusammen mit Mahle ein System mit einem teleskopartigen Kolben vor, Volkswagen baute einen Zündkerzensupport, welcher über ein Steilgewinde mit dem Zylinder verbunden war. Durch eine Zahnstange konnte der Zündkerzensupport gedreht und somit axial in den Brennraum hinein- oder aus ihm herausgeschraubt werden. Saab stellte 2000 am Genfer Automobilsalon einen kippbaren Zylinderkopf vor. In Frankreich arbeitet die Firma MCE5 seit Jahren an einem System, welches über einen zahnstangenbetätigten Hebel die Kolbenstange in der Länge verändern kann. Schliesslich brachte Infiniti 2018 das Multilinksystem auf den Markt. Leider hat sich die Marke aus Europa verabschiedet, und der interessante Motor ist wahrscheinlich nur in bescheidener Anzahl auf unseren Strassen vertreten. Variable Pleuelstangen Wird die Pleuelstangenlänge oder genauer, wird das Stichmass der Pleuelstange von Mitte der Pleuellagerbohrung bis zur Mitte des Pleuelauges verlängert, werden die Pleuelstange und damit der Kolben und der Kolbenboden bei OT weiter in den Verbrennungsraum gestossen. Im UT wird sich hingegen der Kolbenboden auch weniger weit unten im Zylinder befinden. Das bedeutet, dass Hub und Hubraum gleich bleiben (ersterer ist abhängig vom Kurbelwellenradius, zweiter noch von der Bohrung), aber der Kolben trotz gleichbleibendem Hub

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