Empfehlungen für eine starke industrielle Gesundheitswirtschaft in Europa

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„Empfehlungen für eine starke industrielle Gesundheitswirtschaft in Europa“

Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.

Stand: 10.10.2019


„Empfehlungen für eine starke industrielle Gesundheitswirtschaft in Europa“

Inhaltsverzeichnis Bedeutung der industriellen Gesundheitswirtschaft für Europa ......... 3 Zentrale Empfehlungen für eine starke industrielle Gesundheitswirtschaft in Europa ........................................................... 5 1. Innovationen fördern und Wissenstransfer verbessern ................. 8 1.1. Förderung des Wissenstransfers zwischen akademischer und industrieller Gesundheitsforschung ......................................... 9 1.2. Ausbau der EU-Förderprogramme „Horizon Europe“, „Innovative Medicines Initiative“ und „Digital Europe Programme“ ..................................................................................... 10 1.3.

Schutz Geistigen Eigentums für innovative Forschung ..... 12

2. Digitalisierung und Cybersicherheit der industriellen Gesundheitswirtschaft in Europa erfolgreich gestalten ..................... 14 2.1.

Datenverfügbarkeit erhöhen ................................................. 15

2.2.

Sicherstellung der Interoperabilität von IT-Systemen ........ 16

2.3.

Aufbau von Trust-Centern..................................................... 18

2.4.

Datenschutz, IT- und Cybersicherheit gewährleisten ......... 19

3. Reibungslose Umsetzung der EU-Medizinprodukteverordnungen MDR und IVDR ........................................................................................ 20 4. Ressortübergreifende Zusammenarbeit stärken .......................... 22 Über den BDI........................................................................................... 24 Impressum .............................................................................................. 24


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Bedeutung der industriellen Gesundheitswirtschaft für Europa Die Gesundheitswirtschaft ist aufgrund ihrer Innovationskraft, Beschäftigungsintensität und Exportstärke ein wichtiger Wachstums- und Wertschöpfungstreiber für Deutschland und Europa. Mit Wertschöpfungsketten von Forschung über Produktion bis hin zur Distribution ist die industrielle Gesundheitswirtschaft (iGW) eine Schlüsselindustrie für Europa. Die Unternehmen der iGW entwickeln Spitzentechnologie und tragen damit entscheidend zu einer besseren und kosteneffizienteren Gesundheitsversorgung aller Patientinnen und Patienten bei. Die iGW stärkt nicht nur den Wissensstandort, sondern auch den Wirtschafts- und Lebensstandort Europa. Die Gesundheitswirtschaft ist einer der forschungsintensivsten Wirtschaftszweige in Europa und treibt die europäische Innovationsagenda und die Ziele für die Wissensökonomie maßgeblich voran. Die Pharma- und Biotechnologieindustrie investiert im Durchschnitt 16 Prozent ihrer Umsatzerlöse in Forschung und Entwicklung (F&E) in Europa.1 Im Jahr 2017 gab es mehr als 13.090 Patentanmeldungen von Medizintechnologien und jeweils rund 6.300 Patentanmeldungen von pharmazeutischen und biotechnologischen Produkten in Europa.2 Dank des hohen Forschungs- und Entwicklungsniveaus in der iGW gibt es einen ständigen Innovationsfluss. Zudem werden der Aufbau und das Wachstum von Life-Science-Clustern von kleinen und mittelständisch strukturierten Unternehmen (KMU) in den Bereichen Medizintechnik, Informations- und Kommunikationstechnik (IKT), Biotechnologie, „Big Pharma“ und ihren Partnerschaften mit Hochschulen und Forschungszentren gefördert. Die iGW trägt neben dem ökonomischen auch zu einem positiven sozialen Fußabdruck in Europa bei. Eine wichtige Rolle spielen die Themen Bildung und Beschäftigung. In der Medizintechnikindustrie arbeiten mehr als 675.000 direkt Beschäftigte, in der pharmazeutischen Industrie mehr als 750.000 in Europa. 3 Indirekt trägt die pharmazeutische Industrie sogar zu 2,5 Millionen Jobs in Europa bei. 4 Europa profitiert von einzigartigen Bedingungen, um eine international führende Rolle im Gesundheitswesen zu spielen. Beispiele sind: gut entwickelte Gesundheitssysteme, Spitzenleistungen von medizinischem Fachpersonal,

EFPIA – Annual Report 2018: https://www.efpia.eu/media/412957/efpia-2018-annual-report.pdf und EuropaBio – Biotechnology Industry Manifesto 2019: https://www.europabio.org/sites/default/files/Biotechnology%20Industry%20Manifesto%202019.pdf 2 MedTech Europe – Facts and Figures 2019: https://www.medtecheurope.org/wp-content/uploads/2019/04/TheEuropean-Medical-Technology-Industry-in-figures-2019-2.pdf 3 ebd. 4 EFPIA / PwC – Economic and societal footprint of the pharmaceutical industry in Europe June 2019: https://www.efpia.eu/media/412939/efpia-economic-societal-footprint-industry-final-report-250619.pdf 1

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gut ausgebaute Infrastruktur, akademische Netzwerke sowie medizinische und wissenschaftliche Bildung, eine Führungsrolle der Gesundheitsindustrie, hohe Investitionen in Forschung und Entwicklung mit einer breiten Palette von Programmen zur Förderung von Start-ups und Partnerschaften sowie die Koordinierungs- und Unterstützungsrolle der Europäischen Union. Herausfordernd ist, dass sich viele Regelungsbereiche zu Gesundheit und Wirtschaft bisher auf unterschiedlichen Ebenen befinden, sowohl national (Gesundheit) als auch in der EU (Wirtschaft). Hier bedarf es einer abgestimmten Strategie. Europa hat eine zentrale Funktion als Referenz- und Leitmarkt. In Brüssel, Straßburg und Luxemburg fallen immer mehr Entscheidungen, die sich unmittelbar auch auf die industrielle Gesundheitswirtschaft in den EU-Mitgliedstaaten auswirken. Die industrielle Gesundheitswirtschaft sollte deshalb in der neuen EU-Legislaturperiode 2019 – 2024 ausdrücklich als Schlüsselindustrie anerkannt und gefördert werden. Hierfür hat der BDI konkrete Empfehlungen für Initiativen und Maßnahmen entwickelt, welche die Innovationskraft und strategische Unabhängigkeit der EU im Bereich Gesundheit stärken können.

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Zentrale Empfehlungen für eine starke industrielle Gesundheitswirtschaft in Europa 1. Innovationen fördern und Wissenstransfer verbessern: ▪

Europa braucht eine koordinierte Strategie und eine kohärente Gesetzgebung im streng regulierten Gesundheitsbereich, um Strukturen zu schaffen, die das Unternehmensumfeld bei der Entwicklung nachhaltiger Innovationen und dem digitalen Wandel in der Gesundheitswirtschaft unterstützen.

Wir empfehlen die Aufnahme einer regelmäßigen Bewertung der Auswirkungen europäischer Vorschriften auf die Innovationsfähigkeit innerhalb des überarbeiteten Folgenabschätzungsverfahrens der EU-Kommission.

Der Europäische Forschungsraum, die EU-Rahmenprogramme und der Wissenstransfer zwischen akademischer und industrieller Gesundheitsforschung sollten gestärkt werden, um Durchbruchsinnovationen in der iGW zu ermöglichen.

Für das EU-Forschungsförderungsprogramm „Horizon Europe“ (2021 – 2027) sollten mindestens 120 Milliarden Euro zur Verfügung stehen, um das europäische Ökosystem um Forschung und Innovation global wettbewerbsfähig zu machen.

Nach dem Vorbild der IMI-Struktur sollten eine PPP-Gesundheit und Joint Undertakings im Rahmen von Horizon Europe, zusätzlich zur pharmazeutischen Industrie, zunehmend Partner aus der gesamten industriellen Gesundheitswirtschaft einbinden.

Wir empfehlen eine enge Industriebeteiligung beim geplanten „Digital Europe Programme“, um risikobasierte, auf die Technologie adjustierte, Maßnahmen statt Einheitslösungen in der iGW zu erreichen.

Der Schutz Geistigen Eigentums ist ein wichtiger Faktor, um Investitionen in Forschung und Entwicklung, gerade im hochinnovativen Feld der Gesundheitstechnologien, zu fördern. Für einen Ausbau dieses Systems sollte die Industrie weiterhin eng beteiligt werden.

2. Digitalisierung und Cybersicherheit der industriellen Gesundheitswirtschaft in Europa erfolgreich gestalten: ▪

Wir empfehlen eine Strategie für einen „Digital Single Market for Health“ (DSM-H), um regulierungsbedingte Barrieren zwischen den nationalen Gesundheitsmärkten der EU-Mitgliedstaaten abzubauen.

Die eHealth-Strategie der Europäischen Kommission sollte einen klaren Umsetzungsrahmen mit konkreten Zielen und Umsetzungsfristen erhalten, um u.a. den Austausch von Gesundheitsdaten zu beschleunigen.

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Die sichere Verwendung von Daten für die akademische und industrielle Forschung sollte zum Wohle der Patientinnen und Patienten gewährleistet werden. Hierfür ist auch der Aufbau eines „European Health Data Space“ notwendig.

Die Europäische Kommission sollte sich für eine rechtssichere Abgrenzung bei der Anonymisierung und Pseudonymisierung personenbezogener Daten einsetzen, um den Daten-Austausch, z. B. im Rahmen der Versorgungsforschung, zu fördern.

Die Europäische Kommission sollte sich für die Gestaltung eines rechtlichen Rahmens zur Nutzung bereits vorhandener Daten (z. B. für Big Data-Analysen) zwischen, aber auch innerhalb der EU-Mitgliedstaaten einsetzen, um eine effiziente Forschung und Entwicklung innovativer Therapien zu gewährleisten.

Die Interoperabilität digitaler Systeme im Gesundheitsbereich sollte gestärkt werden. Hierfür ist die EU-weite Verständigung auf die verbindliche Nutzung internationaler Standards und Festlegungen für deren Umsetzung notwendig.

Die deutsche Industrie setzt sich für flexible Projektgruppen interessierter EU-Mitgliedstaaten für die Umsetzung innovativer Dienste im Rahmen der digitalen eHealth-Dienstinfrastruktur (eHDSI) ein.

Eine europaweit einheitliche Lösung für Trust-Center hilft langfristig dabei, den grenzüberschreitenden Austausch von Gesundheitsdaten zu ermöglichen.

Eine erfolgreiche Digitalisierung der industriellen Gesundheitswirtschaft in Europa erfordert eine einheitliche Umsetzung der EU-Datenschutzgrundverordnung und mehr Investitionen in digitale Kompetenzen.

Die Medizintechnik hat einen besonderen Anspruch an Cybersicherheitsmaßnahmen. Diese sollten im Rahmen des „EU-Cybersecurity Acts“ unter aktiver Beteiligung der Industrie bei der Umsetzung der EU-Medizinprodukteverordnung berücksichtigt werden.

3. Reibungslose Umsetzung der EU-Medizinprodukteverordnungen MDR und IVDR: ▪

Damit sich die Industrie, insbesondere KMU, umfassend auf die neuen Regelungen der EU-Medizinprodukteverordnungen vorbereiten kann, bedarf es längerer Übergangsfristen und schnellerer staatlicher Benennungsverfahren der Benannten Stellen.

Wir empfehlen eine aktive Einbindung der Industrie und der EU-Mitgliedstaaten in der verbleibenden Zeit bis zum Geltungsbeginn der EUMedizinprodukteverordnung, um negative Auswirkungen auf die

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industrielle Gesundheitswirtschaft und Liefer- und Versorgungsengpässe von Medizinprodukten zu vermeiden. 4. Ressortübergreifende Zusammenarbeit stärken: ▪

Wir empfehlen eine ressortübergreifende Politikstrategie auf europäischer Ebene, die die Politikbereiche Gesundheit, Forschung, Wirtschaft, Digital und Umwelt besser verzahnt.

Im Rahmen eines ressortübergreifenden, europäischen Pharma- und MedTech-Dialogs sollten bewährte Praktiken für künftige Evaluationen und Weiterentwicklungen in der Forschungs- und Innovationspolitik gesammelt werden.

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1. Innovationen fördern und Wissenstransfer verbessern Wir brauchen verlässliche, innovationsfördernde und innovationsschützende Rahmenbedingungen in Europa. Kleine, mittlere und große Unternehmen der industriellen Gesundheitswirtschaft benötigen ausreichend Planungssicherheit hinsichtlich des regulatorischen Umfeldes, bevor sie in die Entwicklung neuer Wirkstoffe und Produkte investieren. Vor dem Hintergrund eines steigenden internationalen Wettbewerbs sollte die EU einen kohärenten Rechtsrahmen schaffen, um strukturelle Innovationshemmnisse abzubauen. Es ist notwendig, eine schnelle Umsetzung wissenschaftlicher Spitzenleistungen in wirtschaftlichen Nutzen und industrielle Wettbewerbsfähigkeit zu unterstützen. Daher braucht Europa eine koordinierte Strategie, um Strukturen zu schaffen, die das Unternehmensumfeld bei der Entwicklung nachhaltiger Innovationen und dem digitalen Wandel in der Gesundheitswirtschaft unterstützen und die Gründung von Start-ups sowie das Wachstum bestehender Unternehmen erleichtern. Gleichzeitig bedarf es einer kohärenten Gesetzgebung im streng regulierten Gesundheitsbereich. Hierfür ist eine enge Zusammenarbeit zwischen den EU-Mitgliedstaaten und das Setzen gleicher, weltweit kompetitiver Standards dringend erforderlich. Nur gemeinsam kann Europa auch in Zukunft global wettbewerbsfähig bleiben. Für eine effektive Umsetzung von Innovationen in Medikamente, Therapien und Medizinprodukte bedarf es einer gesetzlich geregelten Verlässlichkeit von Market-Access-Mechanismen (siehe hierzu 1.), dem Wissenstransfer zwischen akademischer und industrieller Gesundheitsforschung (siehe hierzu 1.1.), eines ausgewogenen Systems von Fördermaßnahmen (siehe hierzu 1.2.), sowie des Schutzes von Geistigem Eigentum (siehe hierzu 2.3.). Wir empfehlen außerdem die vollständige Umsetzung des Innovationsprinzips über den gesamten Politikzyklus, von der Bewertung bis zur Umsetzung aller europäischen Vorschriften, die Auswirkungen auf die Gesundheitswirtschaft haben. Ein wichtiger Schritt, um dieses Ziel zu erreichen, ist die Aufnahme einer regelmäßigen Bewertung der Auswirkungen europäischer Vorschriften auf die Innovationsfähigkeit innerhalb des überarbeiteten Folgenabschätzungsverfahrens der Europäischen Kommission, einschließlich der Umsetzung von Rechtsvorschriften und delegierten Rechtsakten. Zentrale Empfehlungen: ▪

Europa braucht eine koordinierte Strategie und eine kohärente Gesetzgebung im streng regulierten Gesundheitsbereich, um Strukturen zu schaffen, die das Unternehmensumfeld bei der Entwicklung nachhaltiger Innovationen und dem digitalen Wandel in der Gesundheitswirtschaft unterstützen.

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Wir empfehlen die Aufnahme einer regelmäßigen Bewertung der Auswirkungen europäischer Vorschriften auf die Innovationsfähigkeit innerhalb des überarbeiteten Folgenabschätzungsverfahrens der EU-Kommission.

1.1.

Förderung des Wissenstransfers zwischen akademischer und industrieller Gesundheitsforschung

Es ist notwendig, die strukturellen Innovationshemmnisse in Europa zu beseitigen und innovative und kollaborative Ökosysteme auf einer breiteren Ebene zu unterstützen. Dies gilt insbesondere für wissenschaftsgetriebene Sektoren, in denen die akademische und private Zusammenarbeit entscheidend ist. Neben der Forschung selbst liegt die größte Hürde im Wissenstransfer zwischen Forschungseinrichtungen und der Privatwirtschaft. Gute Grundlagenforschung mündet viel zu selten in Firmengründungen oder in den Entwicklungsabteilungen großer Unternehmen. Großen Anteil daran haben die Bedingungen für Wagnis- und Wachstumskapital, die in Europa weniger attraktiv sind. Start-ups, die in vielen Bereichen Innovationstreiber sind, bremst das in ihrem Wachstum und ihren Möglichkeiten, sich schnell und gezielt zu entwickeln. Besonders kritisch ist die Frage der Finanzierung in der Biotechund Medizinprodukteindustrie, wo es eine Vielzahl kleinerer Unternehmen und Start-ups gibt, die auf der Basis eines einzigen innovativen Moleküls oder Medizinproduktes bzw. eines neuen Wirkmechanismus gegründet wurden. Die europaweite Vernetzung der Gesundheitsforschung und die Entwicklung europäischer Forschungsinfrastrukturen fördern den medizinischen Fortschritt. Deshalb ist es wichtig, den Europäischen Forschungsraum (EFR) zu stärken und mit nationalen Forschungs- und Innovationssystemen besser zu vernetzen. Die Erfolge der bisherigen EU-Forschungsrahmenprogramme und des EFR sollten fortgeschrieben werden, z. B. der Europäische Forschungsrat (ERC), die Öffnung europaweiter Karrieremöglichkeiten, die Vernetzung und Kooperation von Forschungseinrichtungen sowie die Stärkung vielversprechender Forschungsregionen in Europa. Zudem sollte die Europäische Kommission die bereits 2014 erlassene Clinical Trials Regulation (CTR) dahingehend überprüfen, ob sie weiterhin noch als Grundlage modernster Gesundheitsforschung tauglich ist. Krankheiten kennen keine Grenzen. Das gilt für tödliche Epidemien wie Ebola ebenso wie für die weltweite Verbreitung Antibiotika-resistenter Keime oder die steigende Zahl an Diabetes-Kranken. Nur ein international vernetztes Engagement kann diese Herausforderungen meistern. Daher sollten die vorhandenen Kompetenzen in akademischer und industrieller Gesundheitsforschung in interdisziplinären, europäischen Forschungsverbünden zusammengeführt werden.

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Zentrale Empfehlung: ▪

Der Europäische Forschungsraum, die EU-Rahmenprogramme und der Wissenstransfer zwischen akademischer und industrieller Gesundheitsforschung sollten gestärkt werden, um Durchbruchsinnovationen in der iGW zu ermöglichen.

1.2.

Ausbau der EU-Förderprogramme „Horizon Europe“, „Innovative Medicines Initiative“ und „Digital Europe Programme“

Europa nutzt sein Innovationspotenzial bisher noch zu wenig aus und sollte Schritt halten, um weiterhin eine wichtige globale Drehscheibe für Investitionen in Life-Science, Forschung und Entwicklung und Digitalisierung zu bleiben. Daher ist eine Aufwertung der EU-Förderprogramme in den Bereichen Forschung und Entwicklung, Gesundheit sowie Digital unerlässlich. Das neue EU-Rahmenprogramm „Horizon Europe“ (2021 – 2027) sollte als zentrales Instrument der europäischen Forschungs- und Innovationsförderung einen wichtigen Beitrag dazu leisten, um diese Innovationslücke zu schließen. Damit dies gelingt, sollte das Programm industriefreundlicher werden und Innovationen mit marktnahen Innovationsförderinstrumenten wie öffentlich-privaten Partnerschaften fördern. Die Politik sollte zentrale Schlüsseltechnologien wie Künstliche Intelligenz (KI) vorantreiben, indem Daten in ausreichend geschütztem Maße zugänglich gemacht werden und gleichzeitig einen unbürokratischen Zugang zu den Programmen ermöglichen. Eine hohe Industriebeteiligung und frühe Einbindung ist entscheidend für den Erfolg. Nur die Industrie macht aus Grundlagenforschung und guten Ideen echte Innovationen. Um in Schlüsseltechnologien und strategischen Wertschöpfungsketten weltweit wettbewerbsfähig zu bleiben, sollte die EU mehr Risikobereitschaft fördern und die Investitionen in Forschung und Innovation erhöhen. Die von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen 100 Milliarden Euro für Horizon Europe (2021 – 2027) reichen nicht aus. Es sollten mindestens 120 Milliarden Euro bereitgestellt werden, um die Innovationslücke zu schließen.5 Dieser öffentlich gesetzte finanzielle Anreiz ist der Schlüssel, um private Mittel für Investitionen in Forschung und Innovation anzuziehen. Eines der Schlüsselelemente von „Horizon 2020“ in Bezug auf Gesundheitsforschung ist die „Innovative Medicines Initiative“ (IMI). IMI ist die

BusinessEurope Positionspapier “Research and Innovation in the New European Cycle” (September 2019): https://www.businesseurope.eu/sites/buseur/files/media/position_papers/iaco/2019-09-09_position_paper_research_and_innovation_in_the_new_eu_political_cycle.pdf 5

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weltweit größte öffentlich-private Partnerschaft (PPP) im Gesundheitswesen mit einem Gesamtbudget (IMI 1 und 2) von 5 Milliarden Euro, je zur Hälfte finanziert von der Europäischen Union und der europäischen Pharmaindustrie (vertreten durch EFPIA6). Ziel von IMI ist es, eine offene Zusammenarbeit zwischen öffentlichem und privatem Sektor in der Forschung zu ermöglichen. Dadurch sollen die Entwicklung und der Zugang der Patientinnen und Patienten zu innovativen Medikamenten, Therapien und Produkten, insbesondere in Bereichen mit unerfülltem medizinischem Bedarf, vorangetrieben werden. Während IMI seit mehr als 10 Jahren die Zusammenarbeit und Kooperation zwischen Pharmaunternehmen fördert, empfehlen wir, dass künftig auch die Einbindung von Partnern anderer Industrien vorangetrieben wird. Nach dem Vorbild der IMI-Struktur sowie der ECSEL-Partnerschaft7 für den Mikroelektronik-Sektor sollte eine PPP-Gesundheit die gesamte Bandbreite der industriellen Gesundheitswirtschaft abbilden. Lösungen für die gesundheitlichen Herausforderungen, mit denen unsere Gesellschaft konfrontiert ist, liegen nicht allein in einer Branche. Die Zukunft ist patientenzentriert und -integriert, mit einer bedeutenden Rolle für digitale Technologien. Die rasante Entwicklung von Schlüsseltechnologien setzt die Europäische Union unter enormen Wettbewerbsdruck. Besonders deutlich wird das im Bereich KI. Allein durch eine konsequente Fokussierung auf KI könnte Europa seine Wirtschaftsleistung bis zum Jahr 2030 um 2,7 Billionen Euro oder 19 Prozentpunkte erhöhen.8 Und KI ist nur eine von vielen digitalen Zukunftstechnologien, die Unternehmen in Europa und weltweit in den kommenden Jahren in erfolgreiche Geschäftsmodelle umwandeln und zur Lösung aktueller gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Herausforderungen einsetzen werden. Das wirtschaftliche Potenzial eines vertieften digitalen Binnenmarktes liegt schätzungsweise bei bis zu 415 Milliarden Euro jährlich.9 In den öffentlichen Fördermaßnahmen spiegelt sich das jedoch bisher nicht wider. Die Bundesregierung will im Rahmen ihrer KI-Strategie in den nächsten Jahren 3 Milliarden Euro investieren. Die Zusagen der EU bewegen sich in einer ähnlichen Dimension. Um zur Weltspitze aufzuschließen, wird das aber nicht reichen. Nur zum Vergleich: China unterstützt die KI-Forschung in den nächsten elf Jahren mit 150 Milliarden Dollar und einer forschungsfreundlicheren Datenpolitik. Die Europäische Kommission plant derzeit das „Digital Europe Programme“, welches Direktinvestitionen in Höhe von insgesamt 9,2 Milliarden Euro für den Einsatz innovativer digitaler Technologien in fünf

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EFPIA: European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations ECSEL Joint Undertaking: Electronic Components and Systems for European Leadership 8 BDI (2019): https://bdi.eu/themenfelder/europa/which-europe/ 9 ebd. 7

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Schlüsselbereichen vorsieht: Supercomputing (2,7 Mrd. Euro), Künstliche Intelligenz (2,5 Mrd. Euro), Cybersicherheit (2 Mrd. Euro), fortgeschrittene digitale Fähigkeiten (700 Mio. Euro) und Gewährleistung einer breiten Nutzung dieser digitalen Technologien in Wirtschaft und Gesellschaft im Einklang mit den europäischen Nachhaltigkeitszielen und Werten (1,3 Mrd. Euro). Wir empfehlen eine hohe Industriebeteiligung, um das Programm zum Erfolg zu führen. Wichtig ist, dass sich die europäische Politik nicht zu regulatorischen Einheitslösungen („one size fits all“) hinreißen lässt. Medizinische KI-Anwendungen sind beispielsweise, aufgrund schwerwiegenderer Folgen für den Verbraucher bei Fehlentscheidungen, anders zu behandeln als etwa die KIbasierte Optimierung von Produktionsprozessen. Europa braucht einen innovationsoffenen Regulierungsrahmen, der Risiken minimiert, aber keine Chancen verbaut. Zentrale Empfehlungen: ▪

Für das EU-Forschungsförderungsprogramm „Horizon Europe“ (2021 – 2027) sollten mindestens 120 Milliarden Euro zur Verfügung stehen, um das europäische Ökosystem um Forschung und Innovation global wettbewerbsfähig zu machen.

Nach dem Vorbild der IMI-Struktur sollten eine PPP-Gesundheit und Joint Undertakings im Rahmen von Horizon Europe, zusätzlich zur pharmazeutischen Industrie, zunehmend Partner aus der gesamten industriellen Gesundheitswirtschaft einbinden.

Wir empfehlen eine enge Industriebeteiligung beim geplanten „Digital Europe Programme“, um risikobasierte, auf die Technologie adjustierte, Maßnahmen statt Einheitslösungen in der iGW zu erreichen.

1.3.

Schutz Geistigen Eigentums für innovative Forschung

Der Schutz Geistigen Eigentums (Intellectual Property) ist der Schlüssel zum Aufbau einer innovationsgetriebenen Wirtschaft und zur Stärkung des Forschungsstandorts Europa. Für die Erforschung und Entwicklung neuer Medikamente, Therapien und Medizinprodukte sind hohe Risiken des Scheiterns, hohe Investitionen und lange Entwicklungszeiten charakteristisch. Bei jedem Forschungsansatz ist zunächst unklar, ob dieser erfolgreich sein wird. Um Anreize für solch risikoreiche Investitionen zu schaffen, bedarf es eines Schutzes von Innovationen durch gesetzliche Schutzmechanismen, bis Innovationen zu einem späteren Zeitpunkt auch durch die Konkurrenz verfügbar sind. Bei der Erteilung von Patenten sind Unternehmen gleichzeitig verpflichtet, bestimmte Ergebnisse zu veröffentlichen, zu teilen und öffentlich zugänglich zu machen. Dieser Gesellschaftsvertrag zum Wohle von Patientinnen und Patienten, Gesellschaft und Wirtschaft sollte sich in soliden gesetzlichen Vorschriften und deren Durchsetzung für die industrielle Gesundheitswirtschaft widerspiegeln. www.bdi.eu

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Damit die industrielle Gesundheitswirtschaft weiterhin ihren großen Mehrwert für die Europäische Gemeinschaft erbringen kann, ist es unerlässlich, dass das rechtliche und regulatorische Umfeld Innovationen und Wachstum fördert. Die EU hat die Grundlagen hierfür bereits durch die Einführung von Patentschutz-Anreizen (IP-Incentives) geschaffen, z. B. ergänzende Schutzzertifikate (SPCs), zulassungsrechtliche Exklusivität, Schutz von Zulassungsdaten (RDP), Exklusivität für Orphan-Drugs und Pediatric Rewards. Patentschutz-Anreize, ein schneller Marktzugang und die sofortige Erstattung bei Marktverfügbarkeit sind die wichtigsten Faktoren, die Investitionsentscheidungen für Forschung und Entwicklung beeinflussen. Zusätzliche IP-Anreize könnten die Erschließung neuer Therapieansätze – beispielsweise auf den Gebieten der Gentechnologie, Onkologie und im Bereich der psychischen Erkrankungen – unterstützen und beschleunigen. Ein Abbau des derzeitigen Anreizmodells hätte negative Auswirkungen auf die forschungsbasierte Investitionstätigkeit der iGW-Unternehmen in der EU. Deshalb sollte das aktuelle System der Patentschutz-Anreize beibehalten werden. Die EU sollte faire und international wettbewerbsfähige Systeme zum Schutz geistigen Eigentums sicherstellen, um Investitionen anzuziehen und Innovationen zu fördern. Ein Ausbau des bestehenden Systems zum Schutz Geistigen Eigentums sollte in enger Abstimmung mit der Industrie erfolgen. Zentrale Empfehlung: ▪

Der Schutz Geistigen Eigentums ist ein wichtiger Faktor, um Investitionen in Forschung und Entwicklung, gerade im hochinnovativen Feld der Gesundheitstechnologien, zu fördern. Für einen Ausbau dieses Systems sollte die Industrie weiterhin eng beteiligt werden.

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2. Digitalisierung und Cybersicherheit der industriellen Gesundheitswirtschaft in Europa erfolgreich gestalten Die laufende Digitale Transformation revolutioniert auch den Gesundheitsbereich. Neue Technologien im Gesundheitssystem ermöglichen eine bessere und effizientere medizinische Versorgung. Elektronische Gesundheitsdienste bilden einen wesentlichen Bestandteil der Strategie der Europäischen Kommission für den digitalen Binnenmarkt, und ihre Entwicklung innerhalb der EU erfolgt auf der Grundlage der in den Aktionsplänen der Europäischen Kommission für elektronische Gesundheitsdienste und der in der eHealth-Strategie 2018 niedergelegten Maßnahmen.10 In der eHealth-Strategie 2018 wird zwar auf neue Herausforderungen wie die Einführung der EU-Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO) und Bedrohungen der Cybersicherheit eingegangen, dennoch erhält diese Strategie keinen konkreten Umsetzungsplan mit verbindlichen Fristen. Um regulierungsbedingte Barrieren zwischen den nationalen Gesundheitsmärkten der EU-Mitgliedstaaten abzubauen, empfehlen wir eine Strategie für einen „Digital Single Market for Health“ (DSM-H). Dieser sollte durch einen einheitlichen Rechtsrahmen und verstärkte Investitionen in digitale Infrastrukturen zügig verwirklicht werden. Eine gemeinsame europäische Infrastruktur ermöglicht Bürgern z. B. einen grenzüberschreitenden, sicheren Zugang zu ihren Gesundheitsdaten sowie zu qualitativ hochwertigen digitalen Gesundheitsdiensten. Ein DSM-H ermöglicht es außerdem Forschern und anderen Fachkräften, Ressourcen (Daten, Fachwissen, Datenverarbeitungs- und Speicherkapazitäten) in der gesamten EU zu bündeln, um z. B. Personalisierte Medizin voranzubringen. Die Verbesserung der Gesundheitsversorgung erfordert einen Austausch von Gesundheitsdaten, unter Berücksichtigung von Privatsphäre und Datenschutz. Nur mit geeigneten und belastbaren Datennetzen kann sich Innovationskraft voll entfalten. Aus diesem Grund ist ein einheitlicher und innovationsorientierter Rechtsrahmen in ganz Europa dringend erforderlich. Die sichere Verwendung von Daten für die akademische und industrielle Forschung sollte zum Wohle der Patientinnen und Patienten gewährleistet werden. Hierfür ist auch der Aufbau eines „European Health Data Space“ notwendig, den auch der Mission Letter 11 an die neue EU-Gesundheitskommissarin vorsieht.

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Mitteilung der Europäischen Kommission (COM(2018) 233) über die Ermöglichung der digitalen Umgestaltung der Gesundheitsversorgung und Pflege im digitalen Binnenmarkt, die aufgeklärte Mitwirkung der Bürger und den Aufbau einer gesünderen Gesellschaft vom 25. April 2018: https://www.eca.europa.eu/Lists/ECADocuments/SR19_07/SR_HEALTH_CARE_DE.pdf 11 Mission Letter Stella Kyriakides: https://ec.europa.eu/commission/sites/beta-political/files/mission-letter-stellakyriakides_en.pdf

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Zentrale Empfehlungen: ▪

Wir empfehlen eine Strategie für einen „Digital Single Market for Health“ (DSM-H), um regulierungsbedingte Barrieren zwischen den nationalen Gesundheitsmärkten der EU-Mitgliedstaaten abzubauen.

Die eHealth-Strategie der Europäischen Kommission sollte einen klaren Umsetzungsrahmen mit konkreten Zielen und Umsetzungsfristen erhalten, um u. a. den Austausch von Gesundheitsdaten zu beschleunigen.

Die sichere Verwendung von Daten für die akademische und industrielle Forschung sollte zum Wohle der Patientinnen und Patienten gewährleistet werden. Hierfür ist auch der Aufbau eines „European Health Data Space“ notwendig.

2.1.

Datenverfügbarkeit erhöhen

Die Datenverfügbarkeit und Datennutzung sind die Grundvoraussetzung für die Forschung und Entwicklung digitaler medizinischer Therapien und Produkte. Die Gesundheitswirtschaft sollte in der Lage sein, personenbezogene Gesundheitsdaten aus der ambulanten und stationären Versorgung sowie von gesetzlichen Krankenkassen und Forschungseinrichtungen zu nutzen, um neue Erkenntnisse über effiziente Behandlungsmethoden zu gewinnen und eine bessere Versorgung zu ermöglichen. Die Gesundheitswirtschaft empfiehlt daher bereits auf nationaler Ebene einen gesetzlich definierten Rahmen für die Verwendung personenbezogener Gesundheitsdaten zu Forschungszwecken. Eine digitale, datenbasierte Gesundheitsversorgung wird sich nur dann entwickeln, wenn rechtssichere Möglichkeiten bestehen, Daten auch außerhalb des ursprünglichen Zwecks der Datenerhebung zu Forschungszwecken zu verarbeiten. Die EUDSGVO stellt bereits vielfach Privilegien für die wissenschaftliche Forschung zur Verfügung, insbesondere in Fällen der Weiterverarbeitung personenbezogener Daten zu diesen Zwecken. Dieses Verständnis gilt es auf allen Ebenen umzusetzen, um so dem Willen des Verordnungsgebers vollumfänglich Rechnung zu tragen. Weiterhin sollten die Europäische Kommission und die EU-Mitgliedstaaten verbindlich definieren, wann bei Gesundheitsdaten kein Personenbezug mehr gegeben ist. Eine einheitliche Regelung bei der Anonymisierung und Pseudonymisierung personenbezogener Gesundheitsdaten zu erweiterten Forschungszwecken ist daher zwingend erforderlich. Einige Länder sehen z. B. pseudonymisierte Daten im Rahmen von klinischen Prüfungen als anonymisierte Daten an. In Deutschland besteht der Datenschutz darauf, dass alle pseudonymisierten Daten immer noch personenbezogen/-beziehbar sind. Hier braucht es einheitliche Regelungen.

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Auch nach Ansicht des Europäischen Rechnungshofes bedarf es eines klaren Strategie- und Umsetzungsrahmens, der von den EU-Mitgliedstaaten mitgetragen wird, um Mechanismen für den europäischen Austausch von Patientendaten zu schaffen. Hierbei sollten klare Ziele festgelegt und die Leistung regelmäßig überwacht werden. Zudem sollten Ableitungen aus früheren Pilotprojekten im Gesundheitsbereich gezogen werden.12 Als Positivbeispiele gelten u. a. Estland und Kroatien. Dort sind europäische Regelungen so umgesetzt, dass z. B. umfassende klinisch-genomische Datenbanken mit breiten Zugriffsrechten aufgebaut werden können. Weiterhin sollte sich die Europäische Kommission für die Gestaltung eines rechtlichen Rahmens zur Nutzung bereits vorhandener Daten (auch im Rahmen von Big Data-Anwendungen) zwischen, aber auch innerhalb der EUMitgliedstaaten einsetzen, um eine effiziente Forschung und Entwicklung innovativer Therapien zu gewährleisten. Zentrale Empfehlungen: ▪

Die Europäische Kommission sollte sich für eine rechtssichere Abgrenzung bei der Anonymisierung und Pseudonymisierung personenbezogener Daten einsetzen, um den Daten-Austausch, z. B. im Rahmen der Versorgungsforschung, zu fördern.

Die Europäische Kommission sollte sich für die Gestaltung eines rechtlichen Rahmens zur Nutzung bereits vorhandener Daten (z. B. für Big Data-Analysen) zwischen, aber auch innerhalb der EU-Mitgliedstaaten einsetzen, um eine effiziente Forschung und Entwicklung innovativer Therapien zu gewährleisten.

2.2.

Sicherstellung der Interoperabilität von IT-Systemen

Für die erforderliche Standortattraktivität sind neben langfristiger (auch finanzieller) Planungssicherheit für Innovatoren auch die Voraussetzungen für eine Vernetzung und Anschlussfähigkeit von IT-Systemen über die Sektoren- und Landesgrenzen hinweg sicherzustellen. Einheitliche Datenformate und Softwareschnittstellen sind Grundvoraussetzung für interoperable Systeme. Nur durch einen hohen Grad an Interoperabilität können die Potenziale von IT im Gesundheitssystem im Interesse einer besseren Versorgung bestmöglich ausgeschöpft werden. Gleichzeitig gilt: Die Industrie sowie weitere betroffene Stakeholder sollten gemeinsam entsprechende einheitliche Datenformate definieren und Softwareschnittstellen entwickeln – dies ist nicht Aufgabe des Gesetzgebers.

12 Europäischer Rechnungshof: Sonderbericht „EU-Maßnahmen zur grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung“ (2019): https://www.eca.europa.eu/Lists/ECADocuments/SR19_07/SR_HEALTH_CARE_DE.pdf

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Besonders wichtig sind die infrastrukturellen Rahmenbedingungen für den elektronischen, grenzüberschreitenden Datenaustausch. Der elektronische Datenaustausch zwischen allen Bereichen setzt voraus, dass das Kommunikationsverfahren so einheitlich und transparent wie möglich ist. Grundlage dafür sind langjährige und international anerkannte Standards und Normen, die in einem definierten Prozess unter Einbeziehung aller Beteiligten gemeinsam entwickelt und veröffentlicht werden. Alle Akteure des Gesundheitssystems sollten gemeinsam effiziente, branchenübergreifende, interoperable Prozesse beschreiben und technische Spezifikationen auf der Grundlage internationaler Normen definieren, z. B. im Rahmen einer interoperablen elektronischen Patientenakte. Der Zugang zu strukturierten Datensätzen kann in keinem EU-Mitgliedstaat allein in ausreichender Anzahl generiert werden. Um diese Datensätze grenzüberschreitend zusammenzuführen, benötigt die Medizin eine klare, allgemein akzeptierte und weit verbreitete Terminologie wie z. B. SNOMED-CT (Systematisierte Nomenklatur der Medizin). Ohne ein solches Terminologiesystem gibt es keine effiziente, interoperable Kommunikation, keinen zuverlässigen Zugang und keine zuverlässige Analyse aller wichtigen Patientendaten, weder innerhalb der Europäischen Union noch weltweit. Dies gilt für Forschungs- und Versorgungszwecke, an denen sowohl die Wissenschaft als auch die Gesundheitsindustrie ein besonderes Interesse haben. Eine EU-weite Verständigung auf die verbindliche Nutzung internationaler Standards sowie der Finanzierung für deren Nutzen in allen EU-Mitgliedstaaten ist notwendig. Die Empfehlung der Europäischen Kommission für Spezifikationen einer Electronic Health Record sind hierfür ein Beispiel. Derzeit errichtet die Europäische Kommission gemeinsam mit den Mitgliedstaaten eine EU-weite freiwillige digitale eHealth-Dienstinfrastruktur (eHDSI), um den Austausch von Gesundheitsdaten von Patientinnen und Patienten, insbesondere elektronische Verschreibungen und Patientenakten, über nationale Grenzen hinweg zu ermöglichen. Um die Entwicklung der eHDSI zu fördern, sollten verstärkt innovative Dienste in unterschiedlichen Gruppen von EU-Mitgliedstaaten, unter Koordinierung einer „leading nation“, vorangetrieben werden. Zentrale Empfehlungen: ▪

Die Interoperabilität digitaler Systeme im Gesundheitsbereich sollte gestärkt werden. Hierfür ist die EU-weite Verständigung auf die verbindliche Nutzung internationaler Standards und Festlegungen für deren Umsetzung notwendig.

Die deutsche Industrie setzt sich für flexible Projektgruppen interessierter EU-Mitgliedstaaten für die Umsetzung innovativer Dienste im Rahmen der digitalen eHealth-Dienstinfrastruktur (eHDSI) ein.

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2.3.

Aufbau von Trust-Centern

Gerade für Gesundheitsdaten gilt ein besonders hohes Schutzniveau. Ein verantwortungsvoller Umgang mit Daten, der Schutz der Persönlichkeitsrechte sowie der Gewährleistung von IT-Sicherheit sind deshalb unerlässlich. Eine Umfrage von TNS Infratest aus dem Jahr 2016 ergab, dass 61 Prozent aller Europäer ihre medizinischen Daten anonymisiert für Forschungszwecke zur Verfügung stellen würden. 13 Dies ist jedoch aufgrund der eingeschränkten Zweckbindung der Zustimmung zur Datenverarbeitung im Rahmen der EU-DSGVO nur schwer möglich. In einem ersten Schritt sollten die EU-Mitgliedstaaten nach einem standardisierten Ansatz Gesundheitsdaten in den nationalen Systemen erheben. Anschließend können diese einem sogenannten Trust-Center zur Verfügung gestellt werden. Ein Trust-Center verknüpft Gesundheitsdaten aus mehreren heterogenen und geographisch verteilten Datenquellen und bereitet sie strukturiert in große Datensätze auf. Zusätzlich bietet ein Trust-Center Leistungen zur Datenqualität, Datenverarbeitung und zum Datenmanagement von Gesundheitsdaten und macht sie in einer hohen Qualität für die Nutzung verfügbar. Dies ermöglicht es der industriellen Gesundheitswirtschaft und anderen forschenden Institutionen, qualitativ hochwertige, strukturiert aufbereitete und aktuelle Gesundheitsdaten für die Forschung und Entwicklung zu nutzen. Technologisch sind viele Bereitstellungsmodelle und Plattformservices für die Implementierung eines Trust-Centers möglich. All dies ist heute aufgrund diverser Barrieren nicht möglich, obwohl es technologisch umsetzbar wäre. Langfristig ist eine europaweit einheitliche Lösung für Trust-Center wünschenswert, um den grenzüberschreitenden Zugriff auf Daten zu beschleunigen und zu erweitern. Um dies zu erreichen, sollten jedoch getrennte Gesundheitsdatenerfassungssysteme besser koordiniert und ihre Datensätze harmonisiert werden. Eine enge Zusammenarbeit unter den EU-Mitgliedstaaten ist hierbei entscheidend. Eine europäische Kampagne zur Stärkung der Bereitschaft der Bürger, Daten zur Verfügung zu stellen, kann dieses Vorhaben zusätzlich unterstützen.

13

TNS Infratest (Januar 2016): https://www.vodafone-institut.de/wp-content/uploads/2016/01/VodafoneInstituteSurvey-BigData-en.pdf

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Zentrale Empfehlung: ▪

2.4.

Eine europaweit einheitliche Lösung für Trust-Center hilft langfristig dabei, den grenzüberschreitenden Austausch von Gesundheitsdaten zu ermöglichen. Datenschutz, IT- und Cybersicherheit gewährleisten

Die Vor- und Nachteile von zugänglichen Patienten- und Pflegedaten für den Einzelnen und die Gesellschaft werden zunehmend diskutiert. Daher ist es immer wichtiger, die Öffentlichkeit darüber aufzuklären, wie ein verantwortungsvoller Umgang mit Daten aussieht und welche Art von Patienten- und Sozialleistungen daraus resultieren. Datenschutz, IT- und Cybersicherheit sind große Herausforderungen, denen sich alle Akteure im Gesundheitssektor stellen sollten. Die Menschen werden einer datengestützten Gesundheitsversorgung nur dann zustimmen, wenn ihre Persönlichkeitsrechte nicht gefährdet sind. Datenschutz ist wichtig, darf aber kein Anreiz sein, Fortschritt und Innovation zum Wohle der Gesellschaft zu verzögern. Die Europäische Kommission sollte daher eine einheitliche Umsetzung der EU-DSGVO in allen EU-Mitgliedstaaten sicherstellen. Die Cyberbedrohungen für Gesundheitsdaten nehmen zu. Um eine erfolgreiche Digitalisierung der industriellen Gesundheitswirtschaft in Europa zu beschleunigen, sollte die neue Europäische Kommission ▪

eine europäische Reaktion auf die wachsende Bedrohung durch organisierte, teils staatlich finanzierte Cyberspionage und Cyberkriminalität koordinieren,

im Rahmen des „EU Cybersecurity Acts“, unter aktiver Beteiligung der Industrie bei der Umsetzung der EU-Medizinprodukteverordnung, die produktgruppenspezifischen Anforderungen an Medizinprodukte (bspw. Insulinpumpen, Herzschrittmacher, OP-Technik) berücksichtigen,

die EU-Mitgliedstaaten ermutigen, in digitale Fähigkeiten zu investieren, um die derzeitige Kompetenzlücke in Naturwissenschaften, Technik und Mathematik zu schließen,

die EU-Mitgliedstaaten ermutigen, einen koordinierten europäischen Ansatz für den Ausbau von 5G-Netzen zu verfolgen, um die strategischen Vorteile zu erzielen, die diese neue Technologie für die gesamte europäische Wirtschaft bringen kann. Dabei verweist der BDI auf seine allgemeinen Forderungen zur Sicherheit von Daten,

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Diensten und Netzen im Bereich 5G, deren Wahrung auch für die Gesundheitswirtschaft essentiell sind.14 Zentrale Empfehlungen: ▪

Eine erfolgreiche Digitalisierung der industriellen Gesundheitswirtschaft in Europa erfordert eine einheitliche Umsetzung der EU-Datenschutzgrundverordnung und mehr Investitionen in digitale Kompetenzen.

Die Medizintechnik hat einen besonderen Anspruch an Cybersicherheitsmaßnahmen. Diese sollten im Rahmen des „EU-Cybersecurity Acts“ unter aktiver Beteiligung der Industrie bei der Umsetzung der EU-Medizinprodukteverordnung berücksichtigt werden.

3. Reibungslose Umsetzung der EU-Medizinprodukteverordnungen MDR und IVDR Die industrielle Gesundheitswirtschaft begrüßt die Ziele der neuen EUVerordnungen über Medizinprodukte (MDR) und In-vitro-Diagnostika (IVDR) nach mehr Patientensicherheit und einem qualitätsgesicherten Zugang zu medizintechnischen Innovationen. Damit sich die Industrie, insbesondere KMU, umfassend auf die neuen Regelungen vorbereiten kann, bedarf es einer offenen und transparenten Kommunikation zur Umsetzung der Regulierungen. Durch MDR und IVDR ändern sich die Anforderungen an den Marktzugang für Medizinprodukte erheblich. Patientinnen und Patienten sollten von innovativen, qualitativ hochwertigen Medizinprodukten profitieren. Um das zu gewährleisten, sollte die aktuelle Rechtsunsicherheit durch fehlende Umsetzungsinstrumente sowie einem quantitativen Mangel an zuständigen Zertifizierungsinstitutionen (sog. Benannte Stellen) behoben werden. Die zögerliche Umsetzung der MDR durch die EU-Kommission und Mitgliedstaaten, insbesondere die immer noch mangelnde Notifizierung der Benannten Stellen (bisher sind nur 5 von 58 Stellen notifiziert, Stand Oktober 2019), hemmt die Vorbereitungen der Hersteller von Medizinprodukten auf die neuen Anforderungen. Die Politik ist dringend aufgefordert, die entsprechenden notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um Unternehmen eine pünktliche Umsetzung zu ermöglichen. Patientinnen und Patienten,

BDI: „Daten-, Dienste- und Netzsicherheit im Bereich 5G“ (25.02.2019): https://bdi.eu/media/publikationen/#/publikation/news/daten-dienste-und-netzsicherheit-im-bereich-5g/ 14

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aber auch Hersteller, dürfen keinesfalls Leidtragende von behördlichen Fehlplanungen werden. Mit Anwendung der MDR ab Mai 2020 und der IVDR ab 2022 drohen kleine und mittelständisch strukturierte Unternehmen an dem überbordenden Bürokratismus zu scheitern. Der zusätzliche Dokumentationsaufwand und die gestiegenen Anforderungen erfordern zusätzliches Personal in erheblichem Umfang und bedingen damit höhere Kosten. Zur Existenzsicherung werden KMU Produkte mit geringem Umsatz, insbesondere Nischen- und Spezialprodukte, vom Markt nehmen müssen. Anwender (Krankenhäuser, Ärzte, Zahnärzte, Labore) werden zukünftig auf die geschätzte Produktvielfalt verzichten müssen, ggf. wird es bei speziellen Indikationen an geeigneten Produkten fehlen. Es sollten Möglichkeiten geschaffen werden, damit diese Produkte weiterhin im Markt gehalten werden können. Die regulatorischen Anforderungen sind sehr komplex. Die Gesundheitswirtschaft kritisiert die Geschwindigkeit bei der Umsetzung der „Implementing & Delegated Acts“, was zur Folge hat, dass die nötigen GuidanceDokumente fehlen. Unklare Verfahrensabläufe bedeuten für die Industrie große Rechtsunsicherheit. Daher ist eine schnellere Implementierung der wichtigsten Elemente notwendig. Wir empfehlen eine aktive Einbindung der Industrie und der EU-Mitgliedstaaten in der verbleibenden Zeit bis zum Geltungsbeginn der MDR und IVDR, um negative Auswirkungen auf KMU der iGW und Engpässe bei der Versorgung mit Medizinprodukten zu vermeiden. Pragmatische Schritte zur Umsetzung der neuen Verordnungen sollten getroffen werden, damit sich die Industrie umfassend auf die neuen Regelungen vorbereiten kann. Dazu bedarf es schnellerer staatlicher Benennungsverfahren der Zertifizierungsstellen und deutlich längerer Übergangsfristen. Zentrale Empfehlungen: ▪

Damit sich die Industrie, insbesondere KMU, umfassend auf die neuen Regelungen der EU-Medizinprodukteverordnungen vorbereiten kann, bedarf es längerer Übergangsfristen und schnellerer staatlicher Benennungsverfahren der Benannten Stellen.

Wir empfehlen eine aktive Einbindung der Industrie und der EU-Mitgliedstaaten in der verbleibenden Zeit bis zum Geltungsbeginn der EU-Medizinprodukteverordnung, um negative Auswirkungen auf die industrielle Gesundheitswirtschaft und Liefer- und Versorgungsengpässe von Medizinprodukten zu vermeiden.

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4. Ressortübergreifende Zusammenarbeit stärken Die Gesundheitswirtschaft ist eine stark regulierte und komplexe Branche, die von vielen Politikbereichen betroffen ist. Die Regierungen sollten ihre gesundheitspolitischen Ziele in einem ganzheitlichen Ansatz (health in all policies) gestalten und auf alle Politikfelder ausweiten. Ein nachhaltiges Europa kann nur dann erfolgreich sein, wenn Industriepolitik und soziale, digitale sowie ökologische Ziele miteinander in Einklang gebracht werden. Diesem Ansatz folgend sollten Gesundheitsaspekte in alle öffentlich geförderten Programme eingebunden werden. Durch eine themenübergreifende, interdisziplinäre und sektorübergreifende Betrachtung von Gesundheitsaspekten (u. a. One Health-Ansatz) sowie einer ausreichenden Finanzierung von Gesundheitssystemen sollte ein universeller und diskriminierungsfreier Zugang zu Gesundheitsversorgung erreicht werden (universal health coverage). Das betrifft alle Bereiche der Patientenversorgung: Von der Prävention, Diagnostik über die Behandlung und Rehabilitation bis zur Nachsorge. Auch in Zukunft brauchen wir eine nachhaltige Forschungs- und Innovationspolitik, die akademische Spitzenleistungen, Erfindergeist und unternehmerischen Mut befördert. Hierfür sollten die Politikbereiche Wirtschaft, Forschung und Wissenschaft, Gesundheit, Digitalisierung und Umwelt strategisch verzahnt werden. Vor diesem Hintergrund empfiehlt die industrielle Gesundheitswirtschaft eine stärkere ressortübergreifende Politikstrategie auf europäischer Ebene. Bislang sehen wir wenig bis gar keinen Fortschritt in der angekündigten, verstärkten Koordinierung zwischen den verschiedenen Generaldirektionen (GDs) der Europäischen Kommission. Ein innovationsfreundliches Umfeld geht über ein striktes „Silo-Denken“ hinaus und erfordert die Koordinierung mehrerer Dienststellen. Die neue Europäische Kommission sollte die richtigen Organisationsstrukturen innerhalb der Kommission einrichten, um eine gute Koordinierung zwischen den verschiedenen GDs sowie mit den Mitgliedstaaten zu gewährleisten. Die Zusammenführung der Themen Medizinprodukte aus der GD GROW (Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum, KMU) in die GD SANTE (Gesundheit und Lebensmittelsicherheit) war ein erster wichtiger Schritt. Der BDI plädiert für eine verstärkte binnenadministrative Zusammenarbeit der zuständigen Generaldirektionen der Europäischen Kommission, insbesondere in den Bereichen Gesundheit (GD SANTE), Forschung (GD RTD), Wirtschaft (GD GROW), Digital (GD CONNECT) und Umwelt (GD ENV). Wir regen einen Konsultationsprozess der EU-Kommission über eine ressortübergreifende Strategie der Europäischen Kommission zur Stärkung der iGW an, mit der die Ziele der neuen Europäischen Kommission im Bereich Gesundheit unterstützt werden können.

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Bei der Diskussion über eine europäische Nutzenbewertung (Health Technology Assessment, HTA) sieht die industrielle Gesundheitswirtschaft es als notwendig an, dass ein solcher Prozess zu einer tatsächlichen Vereinfachung von Abläufen führt und für die iGW keine zusätzlichen Belastungen bringt. 15 Wir möchten, dass ein ganzheitliches Verständnis dafür entwickelt wird, was es braucht, um als Innovator erfolgreich zu sein, und welche Hindernisse dem Unternehmertum entgegenstehen. Deshalb plädiert die industrielle Gesundheitswirtschaft außerdem für einen regelmäßigen Austausch mit Akteuren aus dem öffentlichen und privaten Sektor, die das gesamte Spektrum von Forschung und Wissenschaft, KMU bis hin zu großen multinationalen Unternehmen abdecken. Im Rahmen eines regelmäßigen, ressort- und Stakeholder-übergreifenden, europäischen Pharma- und MedTech-Dialogs wünschen wir uns eine Sammlung von bewährten Praktiken in der Forschungs- und Innovationspolitik, um die Akzeptanz sowohl auf der Ebene der Mitgliedstaaten als auch auf europäischer Ebene zu fördern. Zentrale Empfehlungen:

15

Wir empfehlen eine ressortübergreifende Politikstrategie auf europäischer Ebene, die die Politikbereiche Gesundheit, Forschung, Wirtschaft, Digital und Umwelt besser verzahnt.

Im Rahmen eines ressortübergreifenden, europäischen Pharma- und MedTech-Dialogs sollten bewährte Praktiken für künftige Evaluationen und Weiterentwicklungen in der Forschungs- und Innovationspolitik gesammelt werden.

Der BDI arbeitet derzeit an einem eigenständigen Positionspapier zum Thema EU-HTA.

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Über den BDI Der BDI transportiert die Interessen der deutschen Industrie an die politisch Verantwortlichen. Damit unterstützt er die Unternehmen im globalen Wettbewerb. Er verfügt über ein weit verzweigtes Netzwerk in Deutschland und Europa, auf allen wichtigen Märkten und in internationalen Organisationen. Der BDI sorgt für die politische Flankierung internationaler Markterschließung. Und er bietet Informationen und wirtschaftspolitische Beratung für alle industrierelevanten Themen. Der BDI ist die Spitzenorganisation der deutschen Industrie und der industrienahen Dienstleister. Er spricht für 40 Branchenverbände und mehr als 100.000 Unternehmen mit rund acht Mio. Beschäftigten. Die Mitgliedschaft ist freiwillig. 15 Landesvertretungen vertreten die Interessen der Wirtschaft auf regionaler Ebene. Impressum Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) Breite Straße 29, 10178 Berlin www.bdi.eu T: +49 30 2028-0 Ansprechpartner Felix Esser Abteilungsleiter Industrielle Gesundheitswirtschaft Telefon: +49 30 2028 1495 f.esser@bdi.eu Antonia Menzel Referentin Industrielle Gesundheitswirtschaft Telefon: +49 30 2028 1790 a.menzel@bdi.eu

BDI Dokumentennummer: D 1097

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