Bio r a m a 68
J e nse i t s d es B a dese es
Wie kommt das Salz in die Lacke? Der Naturraum Neusiedler See – Seewinkel ist Brutgebiet und Zwischenstation für mehr als 300 Vogelarten. Und nicht in erster Linie vom Klimawandel existenzbedroht.
Ö
stlich des Neusiedler Sees findet man Salzlacken, zu denen Vögel und deren BeobachterInnen von weither kommen. 40 von ihnen liegen zwischen dem Schilfgürtel des Sees und dem Becken des Hanság (deutsch: Waasen) verstreut – fast drei Mal so viele waren es noch im 19. Jahrhundert, bevor die Intensivierung der Landwirtschaft einsetzte und zahlreiche Lacken durch Entwässerung und Tiefackern zerstört wurden. Noch dramatischer sieht der Flächenverlust aus: Nur mehr die Hälfte der Lackenflächen von 1957 ist heute noch vorhanden. Zwar liegen fast alle verbliebenen Lacken im Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel und sind so – nicht zuletzt wegen ihrer internationalen Bedeutung als Brut- und Rastplatz für zahlreiche Vogelarten – dauerhaft geschützt. Gleichzeitig sind sie allerdings bedroht: Vom »Lacken sterben« ist des Öfteren in der Fachwelt die Rede.
Bild Irin a Zelew itz
Eiszeitrelikte und frühere Seeflächen Es trifft vor allem die älteren Sodalacken, die während der letzten Eiszeit entstanden, als Eislinsen im heutigen Seewinkel weggeschmolzen waren (so die gängige Theorie) und sich in den verbleibenden Mulden Niederschlagswasser sammelte. Die Konzentration des Salzes im Boden steigt jeden Frühsommer bei sinkendem Wasserspiegel, bis im Hochsommer nur mehr blendend weißer »Sodaschnee« am abgetrockneten Lackenboden zu sehen ist. Auf solchen Böden wachsen Meeresküstenpflanzen, die kontinental verbreitete Salzkresse oder
die Salzaster. Auf diese extremen Lebensräume sind sowohl Brutvögel als auch Durchzügler angewiesen: Sie finden in den Lacken oder an deren Rändern genau dann das passende Nahrungsangebot, wenn sie es für sich und den Nachwuchs brauchen – und bleiben dabei weitgehend ungestört. Typische Bewohner der stark salzigen Lacken sind Kleinkrebse und Rädertiere, von denen beispielsweise Säbelschnäbler, Stelzenläufer oder Löffelenten, die hier ein europaweit bedeutendes Brutvorkommen aufweisen, profitieren. Die Verlandungszonen werden von Graugänsen, einer Reihe von Entenarten, von Möwen, Seeschwalben und Watvögeln bevölkert. An manchen Lackenrändern hat die Südrussische Tarantel ihre westliche Verbreitungsgrenze. Im Wechsel der Jahreszeiten schwankt der Wasserstand in den äußerst seichten Becken zwischen maximal 60 cm und völliger Austrocknung. Die Niederschläge im Herbst und Winter gleichen die starke Verdunstung des Sommerhalbjahres aus. Vor allem kurz vor dem Austrocknen erreicht der Salzgehalt bis zu 100 Gramm pro Liter.
Nur selten Fische, aber immer Vögel Für die fortwährende Nutzung als Fischgewässer war auch früher die Wassertiefe zu gering. Wirtschaftliche Bedeutung hatten die Lacken bis ins 20. Jahrhundert trotzdem: Das kristallisierte Soda, ungarisch »Zick«, wurde im Hochsommer in den trockenen Lackenbecken
Gastbeitrag Alois Lang
Das Salz im Boden stammt aus der letzten Zwischen eiszeit, als ein Binnenmeer weite Teile dessen bedeckte, was heute Europa ist.
Sodaschnee besteht hauptsächlich aus Natriumbikarbonat (Na2CO3), es kommen aber auch Glaubersalz (Na2SO4), Bittersalz (MgSO4) und Kochsalz (NaCl) vor.
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