Wälder, weit, weit weg Der Musiker Bartholomäus Natter berichtet von Menschen aus dem Bregenzerwald, die in der Fremde wirken
Modedesignerin in Berlin
sitzen vor dir in einem alten Theater in Liverpool, das früher ein Zirkus war. Und du spielst für sie. Was ist das?, denkst du kurz, was mache ich dort? Dann fällt dir wieder die Decke ein, die du fertig malen sollst.“ Prinz Grizzley, der so weit weg erscheint, ist doch seiner Talschaft eng verbunden. „Wenn ein Bregenzerwälder aus dem Fenster schaut, sieht er Berge, Dörfer und Flüsse. Wenn ich einen Song über meine Heimat schreibe, kann es ähnlich klingen wie jemand, der irgendwo in den Appalachians über seine schreibt, denn er sieht ja, wenn er aus dem Fenster schaut, dasselbe wie ich. Die Enge, die Abgründe, die Gedankengänge – es sind viele Parallelen vorhanden.“ So passt das Bregenzerwälderische gut in die US-Roots-Musik. Und
im Charakter gleicht Comper Prinz Grizzley, dem Country-Star: bodenständig und gelassen, nachdenklich und träumerisch. Während der Pandemie musste der Prinz wie alle Unsterblichen durch die Finger schauen. Gut, dass der Maler Comper für ein Einkommen gesorgt hat. „Dank meiner Anstellung musste ich noch nie Existenzängste haben.“ Nicht zuletzt deshalb kann er einer zu weißenden Decke etwas abgewinnen und in der Krise auch Positives erfahren: Zeit für die Familie und Zeit, um zu reflektieren. „Was will ich? Wo will ich hin?“ Das weiß er jetzt. Wo ist der nächste Club, das nächste Festival? Der Prinz von Wales hat zum Wahlspruch: „Ich dien.“ Prinz Grizzley: „Ich spiel.“ Bartholomäus Natter
Elisabeth von der Thannen-Biondi lebt als freischaffende Modedesignerin und Schneiderin in Berlin. Das war nicht von Anfang an geplant, denn zum Studium verschlug es sie zuerst nach Wien, wie viele Wälderinnen, die es nach der Schule in die Ferne zieht. „Innsbruck war zu nah, und ich wollte unbedingt etwas Richtung Theater studieren“, erinnert sie sich. Elisabeth belegte Theater-, Film- und Medienwissenschaft sowie Kunstgeschichte. Dass sie dann den Weg zum Modedesign fand, ist ihrem neugierigen Naturell geschuldet: „Ich war schon immer ein Mensch, der sich für unterschiedliche Dinge begeistert. Geplant war mein Werdegang nicht, es kam eins zum anderen.“ Nach Berlin zog sie vor zehn Jahren wegen eines Praktikums. Die deutsche Hauptstadt und ihre Bewohner*innen schlugen sie in ihren Bann, bald war klar, dass sie in dieser Stadt leben wollte. Heute fühlt sich die Vorderwälderin wohl an der Spree, hat ihr eigenes Modelabel, arbeitet als Designerin und Kostümbildnerin. Momentan wirkt sie bei verschiedenen Serienprojekten mit, stellt die Outfits der Schauspieler zusammen und trägt dafür Sorge, dass bei der Szenenabfolge keine Anschlussfehler passieren, also in jeder Szene die richtige Kleidung getragen wird. Das Arbeiten am Filmset ist intensiv, aber die 36-Jährige genießt es sehr. „Ich mag die Abwechslung, das Gestalten von Charakteren und das Team. Beim Film arbeiten viele kreative Köpfe.“ Ihre Bregenzerwälder Erinnerungen begleiten sie ständig, auch bei ihrer Arbeit als Designerin, wobei sie versucht, alte Materialien und Formen neu zu interpretieren. Ihre Herkunft hat sie auch in ihrer Masterkollektion „woodkids“ zum Thema gemacht: „Ich habe mich von der Bregenzerwälder Frauentracht, der bäuerlichen Arbeit und von traditionellen Materialien, vor allem Loden, inspirieren lassen.“ Zu Besuch im Bregenzerwald ist die ausgewanderte Lingenauerin „leider viel zu selten“. Natürlich fehlen ihr in Berlin die Familie und die Freunde aus der alten Heimat. Eine Rückkehr ist deshalb aber noch lange kein Thema. In ihrer Pension kann sich Lisi vorstellen, wieder im Bregenzerwald zu leben. Bis dahin fließt aber noch viel Wasser die Spree und die Bregenzerach hinunter.
reisemagazin bregenzerwald · 35