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Profil Das unabhängige Nachrichtenmagazin Österreichs Wien, am 21.02.2021, Nr: 8, 51x/Jahr, Seite: 22-24 Druckauflage: 43 932, Größe: 98,16%, easyAPQ: _ Auftr.: 8420, Clip: 13398950, SB: Ischgl
Abwehrkettenreaktion
Mehrere aktuelle Studien zeigen, dass eine überstandene Corona-Infektion für längere Zeit Immunität verleiht. Brauchen die Genesenen überhaupt eine Impfung? VON ROSEMARIE SCHWAIGER
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IMPFZENTRUM IN WIEN Mindestens einen Monat lang sind die Vakzine noch ein knappes Gut. LISI NIESNER / REUTERS / PICTUREDESK.COM
schgl und Corona: Daraus wird wohl nie mehr eine Geschichte, die sich für die Tourismuswerbung eignet. Aber ein wenig kann sich das Pandemie-Image des kleinen Dorfs in Tirol schon noch verbessern. Aus Sicht der Wissenschaft ist der Hotspot Ischgl nämlich viel wert. Dort gewonnene Erkenntnisse werden auch woanders von Nutzen sein. An kaum einem anderen Ort auf der Welt gab es so früh so viele Infektionen auf so kleinem Raum wie im Paznauntal. Hier lässt sich fast wie im Labor untersuchen, wie das Immunsystem des Menschen mit einer überstandenen Coronavirus-Infektion umgeht. Die Antwort fällt erfreulich aus: „Ischgl macht Hoffnung auf eine Rückkehr zur Normalität“, sagte die Innsbrucker Virologin Dorothee von Laer am vergangenen Donnerstag. Fast die Hälfte der Ischgler – exakt 42,4 Prozent – waren im Frühling mit SARSCoV-2 in Kontakt gekommen. Das ergab eine Antikörper-Studie der Medizinischen Universität Innsbruck im April. Acht Monate später, im November, wurden die betroffenen Dorfbewohner noch einmal gecheckt. Das Ergebnis: 90 Prozent von ihnen zeigten eine anhaltende Immunität gegen das Virus. Deshalb war Ischgl von der zweiten Welle im Herbst auch weitgehend verschont geblieben; die Neuinfektionsrate lag unter einem Prozent. „Vielleicht gelingt es uns durch die gewonnenen Erkenntnisse, Ischgl etwas positiver zu konnotieren“, sagte Wolfgang Fleischhacker, Rektor der Med Uni. Ebenfalls mit der Immunität nach Corona befasst sich eine jüngst publizierte Studie der Med Uni Graz in Kooperation mit der AGES (Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit) und der Stanford University. In diesem Fall ging es nicht um das Ausforschen von Antikörpern, sondern um deren Wirkung. Untersucht wurde, bei wie vielen Infizierten der ersten Welle es zu einer Reinfektion im Herbst gekommen ist. Als Referenzrahmen diente hier nicht ein einzelnes Dorf, sondern das ganze Land. Von fast 15.000 Menschen, die im Frühling eine Infektion durchgemacht hatten, infizierten sich nur 40 ein zweites Mal. Ein Patient starb – allerdings nicht in einem kau-
salen Zusammenhang mit dem Virus. Das Risiko einer Neuerkrankung lag laut Studie um 91 Prozent niedriger als das Risiko einer erstmaligen Ansteckung in der restlichen Bevölkerung. „Das heißt, eine durchgemachte Infektion hat etwa die gleiche Schutzwirkung, wie wir sie derzeit von den Impfungen erhoffen“, sagt AGES-Experte Franz Allerberger. Zwar wisse man nicht, wie lange diese Immunität anhalten werde. Aber das sei bei der Impfung ja ebenfalls noch nicht klar, ergänzt Studienautor Stefan Pilz von der Med Uni Graz. „Das Besondere an unserer Untersuchung ist die Einbindung der gesamten Bevölkerung. So hatten wir auch Menschen mit diversen schweren Vorerkrankungen dabei, die in bisherigen Impfstoffstudien nicht untersucht wurden.“ Dass die Immunität nach einer CoronaInfektion anhält, ist eine sehr gute Nachricht: Fast 440.000 Österreicher waren nachweislich schon mit SARS-CoV-2 infiziert. Die Dunkelziffer dürfte erheblich höher sein. Elisabeth Puchhammer Stöckl, Virologin an der Med Uni in Wien, schätzte
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