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Die Presse Unabhängige Tageszeitung für Österreich Wien, am 04.07.2020, 312x/Jahr, Seite: 14 Druckauflage: 79 632, Größe: 69,97%, easyAPQ: _ Auftr.: 8420, Clip: 12987982, SB: Ischgl
Ambiente einer geschlossenen Gesellschaft Formel 1. Spielberg erlebt den WM-Start, aber statt der Zuschauer bilden Container, saftig grüne Wiesen und leere Tribünen die Kulisse. VON MARKKU DATLER
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tell dir vor, es ist Formel 1 und es gibt keinen Stau. Keinen Lärm, Kühe grasen dafür unbekümmert auf gemähten Wiesen rund um den Red-Bull-Ring von Spielberg. Ab und wann donnert ein Eurofighter über das Areal, auch hört man das Surren der F-1-Motoren. Aber es gibt keine Zuschauer. Der angrenzende Camping-Platz ist menschenleer. Keine Fans, kein „VerstappenDorf“, in dem sich Holländer wie immer tüchtig betrinken. Die Zufahrtsstraße ist gesperrt, nur Akkreditierte dürfen passieren. Neun TV-Stationen sind vor Ort, zehn Agenturjournalisten. Jeder, der hinein darf, muss einen Coronatest vorweisen, Fieber messen lassen und überall Mundschutz tragen. Aber: Der Spielberg-Ring bleibt der Außenwelt verschlossen. Image und Business Am Sonntag (15.10 Uhr, live ORF1, Sky) startet erstmals in Österreich die WM. Weil der Auftakt in Melbourne Mitte März mit positiven Tests, McLarens Rückzug und der Absage in Erinnerung ist, haben sich Automobilverband FIA und Veranstalter (FOM, Red Bull) für das Spielberg-Doppel vorgenommen, nichts zu riskieren. Eine zweite Blamage wäre Image und Geschäft nicht zuträglich. Laut Dietrich Mateschitz soll mit diesem GP auch ein „Signal des Aufbruchs“ ausgesandt werden. Alles muss nach Plan gelingen, und selbst ein positiver Fall würde den Tross diesmal nicht stoppen. Die Formel 1 zählt jährlich einen Umsatz von zwei Milliarden Dollar. TV- und Sponsorengelder stellen den Löwenanteil, also war es ein Leichtes, Zuschauer zu streichen. 15 Rennen sind nötig, um laut Verträgen die volle Summe aus TV-Verträgen zu lukrieren. Acht Grand Prix bedarf es, um einen Weltmeister zu küren. Bis dahin fährt die Rennserie in ihrem eigenen Sperrgebiet ohne Applaus oder Glamour. Die Fahrerstars sitzen in ihren eigenen Containern. Weniger ist manchmal doch mehr.
Formel 1 kann auch grün sein, und der Australier Daniel Ricciardo hat immer ein Auge offen für Spielbergs Naturidyll.
Und die Region? Keine Gäste, Nächtigungen, Feste, Miss-Wahlen – demgegenüber stehen gewaltige Werbewerte. Die beiden TV-Rennen sind globale Events. Sie sind zukunftsweisend – die Formel 1 wird getrost bis 2025 weiter in Spielberg – Vertrag endet 2020, offizielle Bestätigung der Verlängerung folgt – fahren. Ob Knittelfeld, Zeltweg, Spielberg: Überall herrsche Solidarität, sagt Helmut Mayer, der Betreiber des Campingplatzes. „Dieses Jahr ist verloren. Die Wiesen werden landwirtschaftlich genutzt – wir wollen kein zweites Ischgl sein“, sagte er der APA. 30 Reservierungen habe er trotzdem, auf einer anderen Wiese. Zwei Campingwagen standen dort, freilich mit Respektabstand. Zaungäste gibt es immer. Zumindest hörten sie dort die Rennautos. Zwar weiter weg, dafür näher bei den Kühen.
[ Reuters ]
„Rennfahren ist wie Fahrradfahren“
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