Wie las en ew Welc tra Erl lieg von
Spendenaufruf
Liebe Freundinnen und Freunde von de’ignis Das Coronavirus (SARS-CoV-2) stellt unseren Alltag, wie wir ihn kannten, aktuell völlig auf den Kopf. Gerade jetzt kommt unser Claim „Kompetenz. Und Gottvertrauen.“ besonders zum Tragen: Einerseits fachlich medizinisch mit dieser Corona-Pandemie richtig umzugehen sowie die notwendigen Maßnahmen frühzeitig zu ergreifen. Und andererseits selbst zuversichtlich und hoffnungsvoll in dieser Zeit zu sein und dies auch weiterzugeben. Gerade in der jetzigen Zeit ist die psychische Gesundheit nicht zu vernachlässigen. Für diese setzen wir uns weiterhin kompetent in unseren Einrichtungen ein. Zudem ist Glaube eine hilfreiche Ressource, die Zuversicht schenkt und Hoffnung gibt. In dieser Zeit wollen wir ganz besonders Zusammenhalt und Nächstenliebe weitergeben. Dies bekommen wir auch von unseren Patient*innen widergespiegelt, die sehr dankbar für die Hilfe in unseren Einrichtungen in dieser besonderen Zeit sind, sich sehr gut aufgehoben fühlen und die getroffenen Maßnahmen in den Einrichtungen als sehr hilfreich wahrnehmen. Dass sich all unsere Patient*innen auch in dieser Zeit bei uns wohlfühlen, ist uns ein besonderes Anliegen und wir setzen all unsere Kräfte tagtäglich dafür ein. Auch unsere Einrichtungen sind von weitreichenden Einschränkungen im Rahmen der Corona-Pandemie betroffen. Einerseits arbeitet unser Fachpersonal in dieser Zeit unter erschwerten Umständen mit hohem Einsatz und ist stark gefordert. Andererseits nimmt der wirtschaftliche Druck für uns als gemeinnützige Einrichtungen immer weiter zu. Daher benötigen wir in diesen ungewissen Zeiten Ihre Unterstützung mehr denn je. Ihre Spende hilft uns den Betrieb, trotz der weitreichenden Einschränkungen, weiterhin aufrecht zu erhalten, Menschen in ihren Krisensituationen kompetent auf christlicher Basis zu helfen und wichtige sowie hilfreiche Leistungen wie zum Beispiel unsere kostenfreien, ambulanten Angebote für Kinderund Jugendliche oder die Ausweich-Aktivitäten für unsere Bewohner*innen des de’ignis-Wohnheims zu stemmen. Aber auch das kostenlose de’ignis-Magazin in Ihren Händen benötigt Ihre Unterstützung. Eine Spendenquittung kann gerne auf Wunsch ausgestellt werden. Das sind schwierige Zeiten für alle von uns. Umso mehr schätzen wir Ihre Unterstützung – für unsere Patient*innen und unsere Mitarbeiter*innen – und sind Ihnen dafür von Herzen dankbar! Wir wünschen Ihnen Gottes Segen und dass Sie gut durch diese Zeit kommen. Bleiben Sie gesund! Spendenkonto: de’ignis-Fachklinik gGmbH Volksbank Nordschwarzwald eG IBAN: DE50 6426 1853 0062 1680 02 BIC: GENODES1PGW Verwendungszweck: Coronahilfe
L ieb e L eserinnen und L eser
Als wir das Thema für diese Magazinausgabe Anfang des Jahres festgelegt haben, war uns nicht bewusst, welche weitreichende Bedeutung es in diesem Jahr haben würde. Bei dem was wir gerade erleben – Pandemie; humanitäre Notlagen; Naturkatastrophen; soziale, wirtschaftliche und politische Ausnahmesituationen; und vieles mehr – ist es nicht verwunderlich, dass der psychische Druck insgesamt erheblich zugenommen hat. Die Pandemie hat die Frage, welche Sicherheiten wir als Menschen haben, ganz neu in den Fokus gerückt. Auch die Frage, der gefühlten und tatsächlichen Sicherheit. Dies kann den Einzelnen zur Verzweiflung bringen, was unterstützt durch die Gruppendynamik in der Gesellschaft – bei der eine zunehmende Ohnmacht wahrzunehmen ist – in Resignation oder gepaart mit einer besonderen Dosis an Gereiztheit gar in Rebellion mit Gewalt enden kann. Es ist die Spannung zwischen Ratlosigkeit, Unsicherheit, Not, Verzweiflung und Ängsten. Für den Einzelnen kann ein längerfristiges Erleben von Spannung und das Bewusstsein in auswegloser Lage zu leben, eine psychische Traumatisierung bedeuten. Niemand ist vor diesen Herausforderungen geschützt. Jeder Einzelne wird sich in Krisensituationen sei es durch weltweite Katastrophen und Ausnahmezustände oder persönlich bei Krankheit, Bedrängnis, Leid oder Tod den existenziellen Fragen des Lebens und seinem Sinn stellen müssen.
Titelbild: Anna Katharina Jansen; Illustration Editorial: Good Studio / Adobe Stock
Was bedeuten extreme Situationen für uns langfristig und wie lernen wir mit diesen umzugehen? Hier kann der persönliche Glaube eine wertvolle Ressource sein und Jesus durch seine Zusagen Halt geben, wie in dem Bibelvers in Johannes 16,33 steht „In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“. So liegt in der Beziehung des Menschen zu Gott und der Frage, welche Auswirkung dieses Gottvertrauen auf das Leben haben kann, die Chance, ein gelingendes Leben trotz
schwieriger Situationen zu entwickeln. Im Rahmen der spirituellen Therapie bei psychischen Traumatisierungen werden hierzu, wie Privatdozent Dr. med. Scheiblich in seinem Artikel „Sinn und Unsinn des Leidens“ (Seite 10) schreibt, drei Leitlinien herangezogen: • Konzeptua l isier te B etrachtung des Trauma s in der Prä senz G ottes • Einüb en einer Gr und ha ltung der Dan kb arkeit g e g enüb er G ott und da s L o b en seiner G e g enwar t • Einübung von christl ichen Ritua len a ls Verg e g enwär tig ung G ottes, z . B. durch da s Her zens g eb et Das Bewusstsein der Existenz Gottes, gerade auch in einer prekären Situation, gibt einem die Möglichkeit, eine reflektierte Herangehensweise zu wählen, um im Geschehen nicht unterzugehen, einen sicheren Halt zu bekommen und einer psychischen Belastung, die traumatische Züge annehmen kann, präventiv entgegenzuwirken. Wir möchten mit den Artikeln dieser Ausgabe des de’ignisMagazins ermutigende und vielleicht auch heilsame Eckpunkte setzen; Sie ermutigen Ihre Herausforderungen unter Berücksichtigung der Existenz Gottes und dessen Präsenz zu betrachten. Wenn Sie therapeutische Hilfe oder Begleitung brauchen, dürfen Sie sich vertrauensvoll an uns wenden. Wir stehen Ihnen mit unserem kompetenten de’ignis-Team, die unter anderem speziell in traumatherapeutischen Methoden ausgebildet sind, mit ambulanten und stationären Angeboten sehr gerne zur Verfügung. Mit diesem Magazin wünschen wir Ihnen viele hoffnungsvolle Momente beim Innehalten und reflektieren zu Ihren persönlichen Herausforderungen. Wir grüßen Sie ganz herzlich und wünschen Ihnen Gottes reichsten Segen.
Ihre Heraus g eb er
S eb a stian Har tmann
Unternehmensentwicklung, de’ignis-Fachklinik und de’ignis-Institut
Claus J. Har tmann
Geschäftsführer, de’ignis-Fachklinik und de’ignis-Institut
Ed itoria l
Winfrie d Ha hn
Geschäftsführender Heimleiter, Sozialtherapeutisches Zentrum de’ignis-Wohnheim, Vorstandsvorsitzender de’ignis -Stiftung Polen
de’ig n is -ma g a z in Ökodruckfarben
Titelthema
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Flucht und Trauma
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Sus a nn e Ab re l l
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Sinn und Unsinn des Leidens
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P D Dr. m e d . Her b er t S c h e i b l i c h
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Traumatherapie im Spannungsfeld zwischen Neuorientierung und Dauerschleife
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Z ur D i s kuss i o n vo n W i nf ri e d Ha hn
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Einen sicheren Ort finden und einnehmen
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Ann ema ri e Wo l f
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Traumata und ihre Bewältigung
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D r. m e d . R o l f S enst
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Ja na S c hwa r z
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Der Vergebungsprozess
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Mi c ha e l Ap p e l
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An o ny m
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Erfahrungsbericht: In der Bewältigung des Traumas wachsen
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An o ny m
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Aktuell
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Was hat sich entwickelt? Welche Angebote gibt es? Berichte, Termine und Aktuelles von de’ignis
Traumatischen Erfahrungen mit Schematherapie begegnen
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Ergotherapeutische und kunsttherapeutische Ansätze in der Traumatherapie
Erfahrungsbericht: Die Kontrolle zurückgewinnen
Gequälte Seelen. Psychische Traumatisierungen. Ma r g a re t e K ap p l er
Unserer Umwelt zuliebe drucken wir klimaneutral und mit Ökofarben auf Basis nachwachsender Rohstoffe. Das Papier stammt aus ökologisch nachhaltiger Produktion und ist FSC® und PEFC™ zertifiziert. Für diese Druckproduktion wird ein Baum gepflanzt.
D r. rer. nat . Ma ri e -Lu i s e Arm b r ust er
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Fa c h kl i n i k , Ins ti t ut un d Wo hn h e i m
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Winfried Hahn, Claus J. Hartmann, Sebastian Hartmann, Dipl.-Psych. Rainer Oberbillig, Maike Prolingheuer, PD Dr. med. Herbert Scheiblich Art Direktion: Yil & Mann, mail@ynm.studio Redaktion:
Implementierung und Produktion:
AD Dipl.-Ing. Rainer Haas, haas@ad-stuttgart.de Druck: F &W Druck- und Mediencenter GmbH Papier: Arctic Volume Highwhite (Umschlag), Amber Graphic matt (Inhalt) Auflage: 17.500 Herausgeber: de’ignis -Fachklinik gGmbH auf christlicher Basis für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik Walddorfer Straße 23, 72227 Egenhausen Telefon: +49 (0) 7453 9391- 0 Fax: +49 (0) 7453 9391-193 E-Mail: info@deignis.de Volksbank Nordschwarzwald eG IBAN: DE50 6426 1853 0062 1680 02 BIC: GENODES1PGW
de’ignis-Wohnheim gGmbH – Haus Tabor zur außerklinischen psychiatrischen Betreuung Fred-Hahn-Straße 30, 72514 Engelswies Telefon: +49 (0) 7575 9250 - 70 Fax: +49 (0) 7575 9250 - 730 E-Mail: wohnheim@deignis.de Sparkasse Pfullendorf -Meßkirch IBAN: DE46 6905 1620 0000 1053 38 BIC: SOLADES1PFD de’ignis-Institut gGmbH für Psychotherapie und christlichen Glauben Markgrafenweg 17, 72213 Altensteig Telefon: +49 (0) 7453 9494 - 0 Fax: +49 (0) 7453 9494 -396 E-Mail: institut@deignis.de Volksbank Nordschwarzwald eG IBAN: DE60 6426 1853 0066 6240 02 BIC: GENODES1PGW
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Flucht und Trauma Einblicke und Lichtblicke in der Trauma- und Opferberatung des Seehaus Leonberg e.V. Von Susanne Abrell
de’ig n is-ma g a z in – Titelthema
Es ist scheinbar ruhiger geworden um • das Thema „Geflüchtete in Deutschland“. Stellen für Sozialarbeiter*innen wurden gestrichen. Unterkünfte wurden geschlossen. In der Presse haben sich andere Themen nach vorne gedrängt. Aber da sind sie noch, die Geflüchteten, sichtbar oder unsichtbar, depressiv oder fleißig, motiviert oder frustriert, vereinsamt und ohne Perspektive und Lebensmut oder mitten in Arbeit und voll im Leben. Oder irgendwas dazwischen. Drei Jahre Projektstelle Trauma- und Opferberatung im Seehaus e.V. Viele von ihnen haben wir kennengelernt in den letzten drei Jahren in der Trauma- und Opferberatung des Seehaus e.V., manche intensiv begleitet, manche nur ein, zweimal gesehen. Haben gestaunt über die Vielfalt an schweren Lebensgeschichten, sind mit eingetaucht in die Buntheit der unterschiedlichsten Kulturen und haben mit ausgehalten, was eigentlich nicht auszuhalten war. Ermöglicht wird dem Seehaus e.V. das durch die Finanzierung über „Aktion Mensch“ und dem „Deutschen Hilfswerk“. Begleitung, Stabilisierung und Stressreduktion
Eine Traumatisierung entsteht, wenn ein Mensch einer oder mehreren Situationen ausgesetzt ist, die seine Bewältigungsmöglichkeiten komplett überfordern. Wie können wir Menschen so begleiten, dass Vertrauen in die eigenen Kräfte, Vertrauen in andere Menschen, ja in die ganze Welt, wieder wachsen? Kleine Schritte dazu sind z. B. Übungen, die innere Anspannung reduzieren zu lernen, sind Atemübungen und Imaginationen, sind Distanzierungsübungen, die alle das Gefühl geben, wieder Herr im eigenen Körper zu sein und den Symptomen der Traumatisierung nicht hilflos ausgeliefert zu sein. Das geht besonders gut auch in Gruppen. Meine Kollegin Petra Mack erzählt aus der Stabilisierungsgruppe für Dari sprechende Frauen in Kooperation mit dem Hoffnungshaus Bad Liebenzell:
Vierzehn Uhr ist frühestens halb drei
Bild: Paulo Sousa / photocase.de
Der Beginn war immer spannend. Um vierzehn Uhr sollte der Kurs starten, um halb drei waren nur zwei Frauen aus dem Hoffnungshaus da. WhatsApp-Nachrichten wurden geschickt, Anrufe getätigt. Wo waren die Frauen aus der Gemeinschaftsunterkunft, am Berg oben, die auch kommen wollten? Dann, es war schon 14:35 Uhr, wurde ein Kinderwagen gesichtet. Sie kamen! Auch in Zukunft immer erst um diese Zeit. Sarah Zinser, Leiterin im Hoffnungshaus und Petra Mack von der Trauma- und Opferberatungsstelle des Seehaus e.V. in Bad Liebenzell hatten den Kurs geplant und durchgeführt. Dass Sarah Zinser mit ihrer Familie drei Jahre in Afghanistan lebte, Dari sprach und die Kultur kannte, half dabei sehr. Die sechs Frauen, die sich jeden Dienstagnachmittag im Hoffnungshaus trafen, um sich mit dem Thema Trauma zu beschäftigen und um zu lernen, wie man mit den Folgen traumatischer Erfahrungen umgehen kann, kannten sich vorher nur teilweise. Alle waren als Geflüchtete auf abenteuerlichen Wegen nach Deutschland gekommen – aus Krieg und Verfolgung. Und alle waren sehr unterschiedlich. Jung und alt, Lehrerin und Analphabetin, kinderreich und kinderlos. Eines aber kannten alle: ständigen Stress, Panik schon bei geringen Anlässen, Schlafstörungen, Kopfschmerzattacken, Gefühlsausbrüche, die kaum zu kontrollieren sind. Die Liste der Traumafolgen war lang. Zu verstehen, woher alles kommt und dass man nicht verrückt ist, das half ihnen dann schon ein bisschen weiter. Aber auch Atem- und Körperübungen um sich selbst zu beruhigen zu erlernen und zu üben, fanden alle super. Dies geschah anhand einer Geschichte, in die die einzelnen Übungen eingebaut waren und es gab dabei, und auch sonst, viel zu lachen. Mit negativen Gedanken fertig zu werden und angstmachende Erinnerungen zu verpacken, stellte eine weitere Herausforderung dar. Ihre Vorstellungskraft war nötig. Auch Handarbeit und Kreativität waren gefragt, als es darum ging, ein Tagebuch für positive Gedanken oder einen Stressmesser zu basteln.
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In der Teepause fand ein reger Austausch statt und die zwei Kleinkinder, die auch mitgebracht wurden, sorgten zusätzlich für gute Laune. Den Abschluss des Kurses bildete eine Prüfung, in der jede noch einmal reflektieren konnte, was sie gelernt hatte und ein festliches Essen. Auch ein Zertifikat für die erfolgreiche Teilnahme hielt jede dann in den Händen. Das Schönste: Wir waren zu einer Gemeinschaft geworden, in der wir Sorgen und Nöte teilten und in der wir uns auf einer Ebene begegneten. Grenzen von Sprache und Kultur spielten keine Rolle mehr. Wir begegneten uns als Menschen, die sich mochten und gemeinsam feiern und lachen konnten. Dass es weitergeht, das war der Wunsch von allen, denn der Dienstagnachmittag war zu einem wichtigen Lichtblick in der Woche geworden. „Wenn du dienstags nach dem Kurs nachhause kommst, Mama, dann bist du immer so fröhlich.“ sagte das Kind einer Teilnehmerin. Verrückt im Kopf
Nicht alle Geflüchteten sind so offen für Angebote. Gelten doch in manchen ihrer Heimatländern Symptome der Seele oft als Hinweise auf eine psychische Krankheit, die deren Gesellschaft in den Kontext „verrückt im Kopf “ stellt. Das will keiner und keine sein – und schweigt deshalb. Erinnern wir uns: Auch in Deutschland hat es Jahrzehnte gedauert, bis traumatisierte Kriegsheimkehrer nicht als Schwächlinge belächelt, sondern mit Traumafolgestörungen als völlig normale Menschen ernst genommen wurden und schließlich angemessen beraten und behandelt werden konnten. Wer schweigt, versucht, irgendwie durchzukommen. Bei manchen geht das. Bei manchen nicht. Traumata werden manchmal erst nach Jahren sichtbar
Es gibt die Starken, die schweigen, die alles irgendwie hinkriegen. Wie Boris W. zum Beispiel, aus Weißrussland. Er ist mit seiner Frau und seinen zwei kleinen Söhnen hier. Niemandem mehr zu vertrauen, das hat er sich, der von Freunden verraten und dann verhaftet wurde, fest vorgenommen, und zunächst kommt er damit gut klar. Hat
den Deutschkurs gemacht, hat vor kurzem eine kleine Wohnung und sogar eine Arbeit gefunden. Doch schon bald fühlt er sich von seinen Kollegen hintergangen. Hört sie hinter seinem Rücken tuscheln. Sein Misstrauen wächst, wächst ins Unendliche, und er beginnt, Stimmen zu hören. Er schläft auf einmal schlecht, ist gereizt und gestresst, und es gibt einen handgreiflichen Streit mit einem Arbeitskollegen. Boris W. wird gekündigt. Zuhause hält er es nicht aus, auch da entsteht Streit – da ist der Weg zu häuslicher Gewalt nicht weit. Als seine Frau deswegen die Polizei ruft, erhält sie auch unsere Telefonnummer – und eine kurzfristig mögliche Beratung in der Trauma- und Opferberatung im Seehaus e.V. beginnt. Zunächst bei einer unserer Beraterinnen mit ihr: Wie kann ich mich und die Kinder schützen? Welche Vereinbarungen sind nötig und möglich? Wer kann mich unterstützen? Dann, bei einem unserer Berater, mit ihm: Wie ist es so weit gekommen? Was geschieht im Gehirn bei einer Traumatisierung? Wie kann ich meine Situation verbessern? Wo finde ich einen Arzt bzw. einen Platz für eine Traumatherapie? Wie kann ich bis dahin meine Symptome selbst regulieren, damit für die Familie keine Gefahr besteht, ja, wir miteinander sogar zu einem gelingenden Alltag zurückfinden? Beide lassen sich darauf ein, sind froh, erzählen zu können und Beistand und Begleitung zu erfahren. Die Situation verbessert sich für alle Beteiligten. Hindernisse und Eigenverantwortung der Geflüchteten
So ein Verlauf ist wünschenswert, aber nicht immer möglich. Termine werden abgesagt oder nicht wahrgenommen, wenn nach einer durchwachten Nacht das Aufstehen schwerfällt. Wenn die Kosten für die Anfahrt im Familienbudget vergleichsweise hoch sind. Wenn die Scham auf einmal übermächtig wird und sich ein zu Beratender wieder in sich zurückzieht, ohne sich anzuvertrauen. Dem gehen wir nach, soweit es geht, und wir arbeiten eng mit Netzwerkpartnern zusammen, die eigene Zugangswege zu Klient/ innen haben. Dennoch haben wir großen Respekt vor der Eigenständigkeit der zu
Beratenden. Sie wissen am besten und sollen selbst entscheiden, ob und wann sie eine Beratung in Anspruch nehmen. Die Vielfalt an Problemen überfordert die Ressourcen
Soliana P. aus Eritrea ist nun seit vier Jahren in Deutschland. Sie hat selbst bei der Trauma- und Opferberatung im Seehaus Leonberg e.V. angerufen, anders als viele Geflüchtete, die über ihre Sozialarbeiter/ innen zu uns kommen. Sie hat drei kleine Kindern, eins davon behindert, und als sie das erste Mal anrief, sagte sie einfach: Es geht nicht mehr, ich brauche Hilfe! Neben traumatischen Erfahrungen im Heimatland und auf der Flucht sind jetzt erst einmal Lösungen für Kindergartenplatz und Förderschule gefragt, wenn Wartelisten lang und der Stress zuhause groß ist. Ihr Mann ist depressiv und sitzt wegen einer Beinverletzung im Rollstuhl. Er weint viel und braucht ebenfalls Zuwendung und Pflege. Erst als wir dazu helfen, dass sich hier vieles sortiert, die verschiedenen Netzwerkpartner und auch eine Ehrenamtliche aus dem AK Asyl an der richtigen Stelle ansetzen, lichtet sich die Flut an Problemen, und Soliana P. kann wieder durchatmen. Und sie hat Hoffnung geschöpft, dass sie damit bald auch Zeit und genug Kraft hat für den Umgang mit ihren traumatischen Erfahrungen. Sie beschließt, keine Therapie zu machen. Sie will das alles nicht mehr hervorholen. Mit großem Respekt für Ihre Entscheidung bieten wir ihr weitere Termine zur Stabilisierung und Ressourcenaktivierung an. Die beraterische Beziehung ist bereits jetzt von viel Vertrauen geprägt, und wir staunen, wie sich Soliana P. mit der Zeit zu einer energievollen Frau entwickelt, die ihre Ziele verfolgt. So kenne ich mich von früher, sagt sie.
Autorin
Susanne Abrell, Sozialpädagogin, Systemische Supervisorin, EMDR-Traumatherapeutin Seehaus Leonberg e.V.
de’ig n is-ma g a z in – Titelthema
Bild: Paulo Sousa / photocase.de
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Sinn und Unsinn des Leidens Gedanken zu einer traumasensiblen Theologie. Von PD Dr. med. Herbert Scheiblich
de’ig n is-ma g a z in – Titelthema
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Traumata sind neben Begriffen wie Hochsensibilität, Burn-out und Resilienz die aktuell meist gebrauchten Begriffe in der Psychotherapie. In diesem Artikel beschäftigen wir uns mit drei Fragekomplexen:
[A] Was ist das biblische Äquivalent für
Trauma? [B] Die Theodizeefrage: Warum gibt es
Leid und Ungerechtigkeit in der Welt, wenn Gott allmächtig und allgütig ist? [C] Wie verhält sich ein Christ gerecht/ richtig im Umgang mit einem Trauma im Leben eines anderen? Die nachfolgenden Gedanken differenzieren nicht zwischen den unterschiedlichen Formen von Traumata und existenziellen Fragen, sondern zur besseren Darstellung wird von Leid als Synonym für dieses Thema gesprochen. Dabei sind alle Formen auch der Gewaltanwendung und der Erfahrung des Bösen/Dämonischen implizit gemeint. Die hier benutzte Definition von Leid ist die Erfahrung einer nicht nur existenziellen, sondern fundamentalen Krise des bisherigen Lebensvollzugs, eine Erschütterung und Auflösung des Selbstkonzeptes und die Erkenntnis der Ohnmacht, keine Bewältigungsstrategien zu haben. [A] „Trauma“ in der Bibel
Die Bibel ist ein Buch voller Berichte von traumatischen Erlebnissen, Trennungen, Verlusten und anderen menschlichen Tragödien. Das herausragende Trauma ist hierbei der Kreuzestod Jesu, das in seiner Universalität die Grundlage einer traumasensiblen Theologie ist. Dieser Horizont kann im Umgang mit traumatisierten Menschen im Rahmen eines mehrdimensionalen Behandlungskonzeptes nicht genug zur Geltung gebracht werden. Die heutige Definition von Trauma(ta) ist jedoch nicht eins zu eins mit biblischen Grundbegriffen gleich zu setzen. „Trauma“ wird umschrieben mit einer Vielzahl von unterschiedlichen Begriffen wie Mitleid, Scham, Trübsal, Krankheit, Tod, etc. (vgl. Bild: Manu Reyes / photocase.de
Abb. 1)
Ve r w e n d un g b i b l i s c h e r Te x t e i m Um g a n g m i t „Traumatisier ten“ Biblische Geschichten sind wegen ihrer fundamentalen Bedeutung narrativ im Umgang mit traumatisierten Menschen einzusetzen. Sie helfen, Worte zu finden für das, was sprachlich nicht ausdrucksfähig ist und das Unfassbare des Leids vermittlungsfähig zu machen. Für diesen Gebrauch ragt wiederum das Buch Hiob heraus.
Bib l ische Gr und b e g riffe zum Themen komp lex „Trauma“ Leid: Hiob 29,25 (awbale: Trauriger, der Leid trägt); Psalm 105,15 (rawah: traurig sein); Mt. 9,15 (pantheo: wehklagen); Apg. 25,10 (akideo: jemandem Unrecht tun); Phil. 3,10; Kol. 1,24; 2. Tim.3,11; 1. Petr. 1,11 (panthema: Leid) Leiden: Mt. 16,21; Off. 2,10 (pascho: ertragen); Apg. 7,34 (kakosis: Misshandlung); Röm. 8,17 (sympascho) Schande/Scham: Mt. 1,19 (paradeigmatzio: öffentlich zur Schau gestellt); Röm. 1,17 (aschemosyne: Scham); 1. Kor. 6,5 (entrope: Beschämung); 2. Kor 4,2 (aischyne: Schande) Trübsal/Bedrängnis: Hiob 36,15 (lachats: Angst, Jammer, Qual); Mt. 24,9; 2. Kor. 1,4 ; Jak. 1,27 (thlipsis: Bedrängnis); Joh. 16,33 (thipsis: Angst)
Krankheit/Schwäche: Hiob 6,10 (kheel: Angst, Qual); Mt. 4,23 (malakia: Weichheit); Joh. 11,4 (astheneia: Schwäche), aber auch Schwachheit, so in 2. Kor. 11,30 „Mangel an …“
Bei dem Einsatz der Bibel ist es wichtig zwischen den folgenden Ebenen zu differenzieren: Abb. 1 • biblisch: Wort gebunden • theologisch: Interpretation der Bibel in Verbindung mit Philosophie und anderen Wissenschaften Diese klassische Frage der christlichen Theo• christlich: aus der Tradition der Chris- logie nach der Rechtfertigung/Gerechtigkeit tenheit und den aktuellen Ritualen Gottes ist heute aktueller als je zuvor; nicht nur auf dem Hintergrund des Holocaust, Diese Unterscheidung ist notwendig, um sondern auch der vielfältigen Ungerechtigkeine hermeneutischen Verwirrungen zu keiten, wie z. B. in Syrien und überall auf der schaffen und biblische Aussagen zu über- Welt. Diese Ungerechtigkeiten sind jedoch dehnen. Der Betroffene kann unter der nicht als eine Anklage gegenüber Gott zu Berücksichtigung dieser Ebenen seien eige- sehen, sondern eine Anklage an alle Mennen Sinn- und Bedeutungszusammenhang schen, wie wir mit dem anderen umgehen. entwerfen. Ein Beispiel: Etliche Christen erklären Leid [B] Theodizee – Wie kann Gott Leid und Traumata als eine Folge einer Kausal- und Ungerechtigkeit in der Welt und Wirkungsbeziehung: Wer in Sünde lebt zulassen, wenn er allmächtig, allund sie tut, für den ist Leid etc. eine Strafe wissend und allgütig ist? dafür. Jedes Leid habe seine Ursache und Der Begriff „Theodizee“ umfasst die Frage seinen Zweck! nach der Berechtigung/Rechtfertigung/ Gerechtigkeit Gottes. Diese Frage kommt Im Schatten dieser „logischen“ Rechtfer- bei fast jedem nach einem Trauma auf, also tigungen kamen religionskritische Fragen nach einem massiven Eingriff in seinen aktuauf und es entstanden verschiedene Ant- ellen psychosozialen Lebensbezug. Er/Sie wortversuche auf die Frage, wie das Leiden fragt psychologisch verständlicherweise: in der Welt mit der Vorstellung von einem Warum ich? Wozu? Weshalb? Was sind die allmächtigen, allgütigen und allwissenden Motive des*der Täter*in? Wo war/ist Gott? Gott zu vereinbaren sei. Er*Sie sucht Antworten und Erklärungen. Nach moderner theologischer Auffassung behandelt schon die Geschichte von Hiob Die Theologie versuchte im Rahmen der diese Fragestellung, wie es sein könne, dass Theodizee-Idee Antworten zu finden, dieses ein gerechter Gott dulde, dass einem guten Paradoxon des Theodizee aufzulösen. Hier Menschen Böses widerfahre. kurz gefasst die wichtigsten Lösungsansätze:
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• „Das Auftreten von Leid und Bösem ist ein Mangel an Gutem“: Frühchristliche Kirchenlehrer wie Augustinus meinten, das Leid habe kein eigenständiges Sein, sondern nur ein Mangel an Gutem sei die Grundlage dafür. • „Wir leben in der besten aller möglichen Welten“: Leibnitz versuchte hiermit den Widerspruch philosophisch zu relativieren. • „Es ist eine Frage der Ethik“: Das Übel als Kontrast zum Guten leiste einen Beitrag zur Entwicklung einer moralischen Persönlichkeit. Leid gehöre also unerlässlich zum Bewusstwerden des Guten. Die Entscheidung des Willens für das Gute sei Voraussetzung für die Sittlichkeit. Ein Einwand zur letzten Antwort: Es gibt aber Leiden, welches gar keinen Beitrag zur Förderung von Moral und Ethik leistet, wie z. B. der Tod unschuldiger Kinder. Wir leben in Europa in einer Welt der Bequemlichkeit und des Luxus in der es buchstäblich nichts gibt, was einer moralischen Entwicklung förderlich wäre. Diese Form des moralischen Wachstums mit Überwindung des Übels ist vielleicht nicht wichtig zur Beantwortung der theologischen Frage, sondern ist psychologisch wichtig. Auf diesem Hintergrund ist auch die Frage der Erziehung des Menschen zum Guten zu sehen. Die gesamte Bibel ist durchzogen von Hinweisen, dass Gott Menschen durch Leiden in eine engere Gemeinschaft mit ihm bringt/bringen will. Der Leidensweg von Hiob endet konsequent in dem Satz: „Ich hatte von dir nur vom Hörensagen vernommen, aber nun hat mein Auge dich gesehen“. (Hiob 42,5) • Der stärkste Hinweis auf diese Transformation des Menschen findet sich in Römer 8,28: „Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen die nach seinem Ratschluss berufen sind.“ Es gibt noch weitere bekräftigende biblische Aussagen in diese Richtung. Aber die Einschränkung liegt in dem Nebensatz „nach seinem Ratschluss berufen sind“. Es sind somit anscheinend nicht alle Betroffenen und Traumatisierten gemeint. Aber in Verbindung mit Hebr. 12,5–7;10–11 und
Röm. 5,2–12 hat jedes Leid und Übel den Gutes hervorzubringen. ( Jes. 47,5; Am. 3,6; Sinn, zum rechten, menschlichen Verhalten Ps. 119,91; Spr. 16,4; Röm. 11,8) anzuleiten. Die relationale Theologie geht Gott sei • Diesen Gedanken der Züchtigung wei- Dank von der Annahme aus, dass sich das terverfolgend ist Übel/Leid nach Jakobus psychosoziale Leben und die Spirituali1,21 eine Bewährungsprobe. Der Betroffene tät eines jeden Menschen, besonders von lernt Vertrauen in Gottes Handeln zu haben. Christen, in der persönlichen Beziehung zur Es ist nach Jakobus 5,10 eine Erprobung des Trinität Gottes (Vater, Sohn und heiligem Glaubens in Form einer Prüfung und nach Geist), als dreifaches analoges/paralleles 1. Korinther 10,13 eine Zurüstung für die Beziehungsgeflecht von Selbst-, Welt-, und Herrlichkeit. Gottesbild entfaltet. Leid ist daher von der • Gemäß Lukas 13,4 ist Leid eine unab- Perspektive der Trinität zu bewerten. In diewendbar Folge des Menschseins in einer ser besonderen Beziehungssituation entfalgefallenen Schöpfung und unabhängig von tet sich die Subjektivität des Menschen und menschlichem Handeln und Maßnahmen. gibt Antwort auf seine Situation, besonders Es gehört ausstattungsmäßig zu unserem als Christ (siehe folgend im Text). Leben. Die Frage nach dem Warum und Wozu ist daher nicht zu beantworten und Das Leiden und die Auferstehung Christi hat somit überflüssig. für das Leid eines Opfers folgende Aspekte: • Leid ist Menschen an verschiedenen • Die Passion Jesu ist allumfassend: ein Stellen der biblischen Prophetie angekün- Sieg des Lebens (1. Petr 3,18; Hebr. 2,9ff; digt und somit nicht zu verhindern. Es liegt 12,2) ein Ratschluss Gottes vor. An dieser Stelle • Christus leidet mit uns (Hebr. 4,15) endet das menschliche Verständnis von • Er hat sich den Menschen ausgeliefert Gottes Handeln. und kann uns deshalb in allen Dingen verstehen (Mk. 9,31 u. a.) Die Lösung der Theodizeefrage liegt auf • Er erlitt/durchlitt ein Ausgeliefertsein, zwei Ebenen: er war ohnmächtig (Mk. 15,34) • dem Gottesbild • Er begründet den Gedanken des Leibes • in der Person Jesus Christus aller Christen: leidet ein Glied, leiden alle (1. Kor. 12,26) Das aktuelle allgemein verwendete Gottesbild ist streckenweise hochgradig renovie- Dem Leid und Kreuzestod von Christus rungsbedürftig besonders im Hinblick auf ist auf der anderen Seite die Auferstehung Gottes Logik gemäß Jesaja 55,8–9: „Denn gegenüber zu stellen: meine Gedanken sind nicht eure Gedan• Jesus errang den Sieg über den Tod ken, und eure Wege sind nicht meine Wege, (1. Kor 15,54 – 57) spricht der Herr, sondern so viel der Himmel • Er siegte über die Welt (1. Joh. 5,4) höher ist als die Erde, so sind auch meine • Er siegt auch in Ewigkeit (Off. 15,2) Wege höher als eure Wege und meine Gedan• Er ist Licht und Leben ( Joh. 1,4) ken als eure Gedanken.“ Es ist eine Unver• Er ist die Auferstehung und das Leben schämtheit, Gott und sein Handeln mit ( Joh. 11,25) menschlicher Beschränktheit/Subjektivi• Er öffnete den Weg zu Gott (2. Tim. tät zu beurteilen. Die Theodizeefrage ist 1,10) deshalb eine fehlerhafte theologische Idee und ein Paradebeispiel der Vermengung von Die Realisierung dieses gewaltigen Hymnus biblischen Aussagen mit philosophischen über Christus führt uns zu folgender Frage. und psychologischen Ideen ( Jes. 29,16). Ein prominenter Denkfehler ist: Gott will nur Gutes! Gott hat die Schöpfung auch mit Unheil erschaffen und nutzt dieses
de’ig n is-ma g a z in – Titelthema
Du bist von Gott geliebt, geachtet und wertvoll. Selbstannahme ist die Voraussetzung für Heilung. [C] Wie verhält sich ein Christ gerecht/richtig im Umgang mit traumatischen Erlebnissen im Leben eines anderen?
Die Behandlung von traumatisierten Menschen umfasst neben der körperlichen (wie Medikamente) und psychischen (wie Traumatherapie) Ebene auch die spirituellen und sozialen Bereiche des Betroffenen. Die nachfolgenden Artikel dieses Magazins führen zu diesen Ebenen im Rahmen des bio-psycho-sozial-spirituellen Modells Details aus. Die Christlich-integrative Psychotherapie sieht die Spiritualität des Betroffenen als Ressource an und vermittelt dem Betroffenen folgende Grundeinstellungen: • Trauma ist immer ein individuelles Geschehen. Es benötigt daher ein individuelles Vorgehen in der geistlichen Bewertung. • Es erfordert ein unbedingtes Vertrauen zu Gott, dass er dem Ganzen einen Sinn und Bedeutungszusammenhang gibt. Die Suche nach kognitiven, rationalen Lösungen löst nicht die emotionalen Turbulenzen. • Gott hat einen Plan für den*die Betroffene*n als Credo: vgl. Jeremias 29,11 Er hat Gedanken des Friedens und nicht des Leidens über ihn*sie. Die Beziehung zwischen Opfer und Therapeut*in ist gekennzeichnet von: • der Wahlfreiheit des*der Klient*in • einem gemeinsamen Gottes- und Menschenbild als Passung • der unbedingten Annahme und bedingungslosen Begleitung des*der Klient*in • Der optimistischen Lebenshaltung des Therapeuten gekennzeichnet von Glaube, Liebe, Hoffnung • Die Therapie braucht Zeit und Raum, damit der Heilige Geist wirken kann. Die Christlich-integrative Psychotherapie ist von drei Leitlinien geprägt:
• Die Grundhaltung der Dankbarkeit gegenüber Gott und das Loben seiner Gegenwart • Der Einsatz von christlichen Ritualen als Vergegenwärtigung Gottes, z. B. durch das Herzensgebet • die Entwicklung eines neuen Zeit-/ Raumgefühles im Hinblick auf die Ewigkeit Christliche Gemeinschaften und Kirchen kommen dem Auftrag der Diakonie, sich für die Schwachen und Bedürftigen einzusetzen nur unzureichend nach. Deshalb kann es nicht genug betont werden, dass eine christliche Gemeinschaft mit ihren sozialen Begegnungsmöglichkeiten ein Schonraum ist, in dem es dem Opfer möglich ist, zwei wesentliche Erfahrungen machen: – Er*Sie bekommt tätigen Beistand ohne Vorbedingungen. Die Gemeindeglieder führen sich vor Augen: Gott hat keine anderen Hände als die unsrigen. – Er*Sie ist durch die Rituale in der Gemeinde im Alltag verankert, als ein Stück neue Normalität.
E r s t e L e i t l i n i e : Die Bearbeitung des Leids und der Erfahrung des*der Klient*in steht im Mittelpunkt des therapeutischen Prozesses: • Gefühle bearbeiten: Wut, Schmerz, Trauer und Angst sind wahrzunehmen, anzunehmen und in Beziehung mit der Liebes Gottes zu setzen. • Die Gefühle von Schuld, Scham und Schuldigkeit sind aufzulösen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt darauf, dass das Opfer keine Mitschuld trägt. • Der Ruf nach Gerechtigkeit und Rache ist konkret aufzulösen. • Das Selbstwertgefühl des Opfers ist zu stärken: Es ist von Gott geliebt, geachtet und wertvoll. Daher ist Selbstannahme Voraussetzung für Heilung. • Die Sinnfrage ist erst im Laufe des wei- Zusammenfassend: Niemand ist vor Trauteren Heilungsprozesses zu stellen und ggf. mata geschützt. Jede*r Einzelne hat den existenziellen Fragen des Lebens nach Tod, Leid, zu beantworten. Unfall, Krankheit, Erfahrung des Bösen Zw e i t e L e i t l i n i e : Wiederherstellung seine persönliche Antwort zu geben. Dabei kann er*sie in Jesus den letzten Halt haben. der Person durch: • ein neues Selbstkonzept, entwickelt auf Das Leid lässt sich dann evtl. auch nicht dem Hintergrund eines neuen Lebensgefühls erklären, aber er kann darin bestehen. durch Christus. • Vergebung. Sie ist für das Opfer sehr Deshalb liegt in der Qualität der Beziehung schwer und vielleicht erst nach einer Thera- des Gläubigen/Menschen zu seinem Gott pie möglich. Ein weiterer Schritt in Richtung und der Frage, welche Auswirkung dieses Vergebung/Versöhnung ist unter Umständen Gottvertrauen auf sein*ihr Leben haben ein Austausch mit dem*der Täter*in nicht kann, die Chance, ein gelingendes Leben im Hinblick ihn*sie zu verstehen, sondern trotz Leid zu entwickeln. eine Einsicht in das Unrecht bei ihm*ihr zu bewirken. Die Vergebung braucht den richtigen Zeitpunkt und ist kein Willensakt. • Eine Vision entwickeln über das zukünftige Lebenskonzept und die schrittweise Umsetzung in der Realität. Autor PD Dr. med. Herbert D r i t t e L e i t l i n i e : Verankerung des Scheiblich ist Arzt für Opfers nicht nur in seiner Biografie und Psychiatrie, Psychotherapie, im Alltag, sondern auch in Christus durch: Kinder- und Jugendpsychotherapie. Er ist in eigener • Konzeptualisierung des Traumas in der Praxis tätig, zudem ist er Mitglied Präsenz Gottes der de’ignis-Institutsleitung. 13
Traumatherapie im Spannungsfeld zwischen Neuorientierung und Dauerschleife Von Winfried Hahn
de’ig n is-ma g a z in – Zur Diskussion
Zur Diskussion: Hier werden Beiträge veröffentlicht, die nicht in allen Punkten der Meinung des Redaktionsteams entsprechen müssen.
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Es gibt sie häufig, die traumatische Erfahrung, das schlimme Ereignis, die belastende Lebensphase, die tiefe Kränkung, der Missbrauch, der Unfall, die Naturkatastrophe oder ähnlich schlimme Erfahrungen. Sie dringen tief in das Bewusstsein, in die Erinnerung, in die Gedankenwelt, in das emotionale Erleben eines Menschen ein und werden zum zentralen Thema, so dass viele Lebensbereiche darauf fokussiert sind. Oft sind die Erinnerungen und Erlebnisse so furchtbar, dass der traumatisierte Mensch sie wegpacken, in eine Schublade legen, ja verdrängen muss, um weiterleben zu können. So schreibt der in der Türkei jahrelang inhaftiere Missionar Andrew Bronson über seine furchtbaren Erlebnisse im Gefängnis folgendes: Er habe all die bohrenden Fragen der vergangenen Monate im Geist in eine imaginäre Box verbannt und Gott die dazugehörenden Schlüssel übergeben. Wörtlich fährt er fort: „Gott hat die darin befindlichen Fragen bislang nicht beantwortet…“ (Idea Spektrum 25.02.2020 S. 24) Für sich selbst habe er in Vorbildern wie Paulus und anderen Märtyrern einen Umgang mit seinen Erlebnissen gefunden auch wenn wichtige Fragen, wie er selbst sagt, bis heute unbeantwortet seien. Ja, traumatische Erlebnisse sind furchtbar und können das gesamte Leben belasten. Werden sie verdrängt und nicht aufgearbeitet, wirken sie oft im Verborgenen, erzeugen Alpträume, Angstzustände, rauben Kraft und Lebensenergie. Es ist wie Sigmund Freud in dem bekannten Vergleich zum Ausdruck bringt, der Wasserball, der ständig unter die Oberfläche gedrückt werden muss. Eindrücklich wurde mir das in folgender Situation verdeutlicht: Nach einem Vortrag auf einem Kongress kam eine ältere Frau auf mich zu und bedankte sich für meine Ausführungen. Ihr sei klar geworden, worunter sie leide und nie darüber sprechen konnte. Durch meine verständnisvollen Ausführungen sei sie nun ermutigt worden, zum ersten Mal darüber zu sprechen. Sie schilderte, wie sie in ihrer Kindheit von einem Nachbarn
vergewaltigt wurde, während die Eltern auf dem Feld arbeiteten und sie allein zu Hause war. Von ihrer Not wollten die Eltern aus Furcht vor einem Skandal nichts wissen, und so blieb sie mit ihrer Not ein ganzes Leben lang allein. Immer wieder schluchzte sie: „Mein armer Mann, der hatte es so schwer, weil ich mich ihm nicht hingeben konnte. Mein armer Mann, er hatte es nicht leicht mit mir, aber er ist vor einiger Zeit gestorben. Jetzt ist es zu spät. Ach hätte ich doch schon früher mit jemandem darüber reden können.“ Oft hört man die Aussage: Trauma/Traumatisierung, wird hier nicht etwas aufgebauscht? Wie haben es die Leute mit ihren furchtbaren Kriegserlebnissen denn geschafft? Ich glaube, die äußere Not war so groß, dass die Frage, wie man überleben kann in Hunger, Kälte und Flucht im Vordergrund stand, so dass man keine andere Möglichkeit sah, als die Erlebnisse zu verdrängen, um überleben zu können. Existenzsicherung stand im Vordergrund. Das bedeutet jedoch nicht, dass das Leid über das Erlittene keine Auswirkungen im seelischen Erleben hatte. Verdrängung führt oft zur emotionalen Erstarrung und mangelnder Empathiefähigkeit. Wenn man die eigenen Gefühle nicht zulassen kann, dann kann man sich für die Gefühle seiner Mitmenschen auch nicht öffnen. Die „Vaterlose Gesellschaft“ von der Alexander Mitscherlich schreibt, beinhaltet eben nicht nur den Verlust der Väter, die auf dem Schlachtfeld geblieben sind, sondern auch die emotionale Erstarrung derer, die ihre traumatisierenden Erlebnisse verdrängen, quasi „einfrieren“ mussten, um damit weiterleben zu können. Eine Traumatisierung ist furchtbar und wenn sie nicht verdrängt wird, was keine Lösung ist, fixiert sie den Menschen auf seine leidvollen, schmerzhaften Erfahrungen und nimmt ihn gefangen. Es sind jedoch nicht nur einzelne unerwartete Erlebnisse wie Missbrauch, Unfälle oder Naturkatastrophen, die traumatisierend wirken können, auch langanhaltende Lebensphasen, wie z. B. ein überforderndes leistungsorientiertes emotional kühles Elternhaus können eine traumatisierende Wirkung haben.
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Was aber sagt die Bibel über dieses Thema?
Den Begriff „Trauma“ finden wir in der Bibel natürlich nicht, weil er erst viel später geprägt wurde, wohl aber Menschen, die schlimme Erfahrungen gemacht haben. Wie sind sie damit umgegangen? Da ist z. B. Jakob. Ständig wurde er von seinem Vater Isaak gegenüber seinem Bruder Esau benachteiligt und nicht ernst genommen, dagegen von seiner Mutter verwöhnt (1. Mose 25,27). Dann, nach dem Betrug um den Segen des Vaters, der Bruch mit dem Elternhaus und die Flucht. Welch eine tragische Familiengeschichte. War Jakob traumatisiert? Wir wissen es nicht, aufgrund der Vorgeschichte wäre es aber möglich gewesen. Jedenfalls lässt Gott die Angelegenheit nicht auf sich beruhen. Jakob muss zurück in seine Heimat und Esau begegnen (1. Mose 32,10). Er muss sich seiner Vergangenheit stellen. Wie schwer ihm das fällt, sieht man am Vorabend der Begegnung mit Esau, als er aus Angst vor Esaus Rache seine Habe in zwei Kohorten aufteilt. Für den Fall, dass der eine Teil von Esau vernichtet würde, bliebe ihm noch der andere. Jakob ringt mit Gott. Gleicht die Aufarbeitung der Vergangenheit bei vielen Menschen nicht auch einem Ringen mit Gott? Warum ist dies oder das geschehen, warum hat Gott mir das zugemutet, mich nicht bewahrt etc.? So manche Lebensphase ist schwer in Einklang zu bringen mit der Vorstellung von Gott als liebevollem Vater. Auch Jakob ringt mit Gott wegen den Schatten seiner Vergangenheit. Aber er sagt: „Ich lass dich nicht, du segnest mich denn.“ So wird das Ringen mit Gott und die Verarbeitung seiner Vorgeschichte zu einem Segen für ihn und für andere. „Du sollst Israel heißen (Gottesstreiter), denn du hast mit Gott gerungen und bist Sieger geblieben“ (wörtlich: und hast überwältigt). Sieger bleiben im Ringen mit Gott über die Schatten der Vergangenheit bzw. die Vergangenheit überwältigen, statt von ihr überwältigt zu werden – vielleicht ein biblisches Modell für Traumatherapie? Sich mit Gottes Hilfe mit der Vergangenheit auseinandersetzen, wobei das subjektive Erleben Gott als Gegner erscheinen lässt.
Gott, warum hast du das zugelassen, warum muss ich mich bis heute, bzw. wieder erneut damit auseinandersetzen? Warum begegnet mir „mein Esau“ erneut und triggert mich wieder, wie oft denn noch? Wird auch mir in meinem Ringen die Sonne wieder aufgehen (1. Mose 32,32). Es ist nicht leicht, sich im Ringen mit schwerem Leid ein gutes Gottesbild zu bewahren und negative Gottesbilder zu „besiegen“.
Gott bewahrt uns nicht vor unserer Vergangenheit, aber er hilft uns über sie hinauszuwachsen. Ich denke in diesem Zusammenhang an Elia. Nach dem Stress der Konfrontation mit den Baals-Priestern auf dem Berg Karmel trifft ihn die Drohung Isebels unverhofft, und es folgt der psychische Zusammenbruch. Resignation, Erschöpfung, Wut … Depression oder Traumatisierung? Wahrscheinlich beides! Gottes Therapie: Er lässt ihn erst einmal schlafen und sich austoben (er rennt tagelang ohne Unterbrechung zum Berg Horeb: 1. Könige 19,8). Dann holt er ihn liebevoll, empathisch ab im „Säuseln“ des Windes, dann hört er sich geduldig seine Wut und Resignation an und dann beauftragt er ihn neu. Sind das nicht Elemente der Verarbeitung schwieriger traumatisierender Lebensphasen: Toben (Frust ausagieren), Wut, Resignation, Trauer zulassen, Empathie und Nähe als Schutzraum für Reifungs- und Verarbeitungsprozesse? Das Entscheidende im Rahmen einer Christlich-integrativen Psychotherapie ist jedoch die Gottesbegegnung. So war es bei Jakob, so war es bei Elia, bei David, in dessen Leben man ebenfalls traumatisierende Ereignisse finden kann, so war es bei Daniel (man
denke nur an die Nacht mit den Löwen etc.) oder bei den drei Freunden im Feuerofen – die Liste von Menschen mit traumatischen Erlebnissen ließe sich noch lange fortsetzen. Gemeinsam ist ihnen ein wesentliches Merkmal: Trotz traumatischer Erfahrungen waren sie nicht traumatisiert. Auch bei vielen christlichen Märtyrern wird uns nichts von traumatischen Symptomen berichtet. War oder ist das fromme Verdrängung? Oder gibt es eine Art von Glauben, der Elemente, Ressourcen, Perspektiven, spirituelle Erfahrungen oder etwas Ähnliches beinhaltet, die vor Traumatisierungen bewahren kann? Wie war das im Verhalten von Jesus? Er war verständnisvoll gegenüber Menschen, die versagt haben, aber hart gegenüber den frommen Pharisäern, aber auch manchmal hart gegenüber seinen Jüngern. Man denke nur an die Begebenheit auf dem See Genezareth, als ihr Boot am Sinken war und Jesus schlief. Sturm, Inferno aus Wind, aufgepeitschten Wellen, die Gischt wie Nadelstiche im Gesicht, das steigende Wasser im Boot, der aussichtslos erscheinende und verzweifelte Kampf mit den entfesselten Naturgewalten, die körperliche Anstrengung beim Rudern, der Stress der Todesangst. Sie wecken Jesus, und statt Trost bekommen sie noch einen Tadel: „Was seid ihr so furchtsam, Kleingläubige?“ (Matthäus 8,26) Ebenso Petrus, als er das Boot verlässt, tatsächlich eine Wegstrecke über das Wasser geht, statt Lob für diesen Glaubensakt bekommt er Tadel, weil er es nicht zum guten Ende gebracht hat (Kleingläubiger, warum zweifelst du? Matthäus 14,31). Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen, wo Jesus statt zu trösten, eher herausfordert. Haben wir nicht häufig eine selektive Wahrnehmung der biblischen Botschaft? Von Gesetzlichkeit und Überforderung herkommend, schaffen wir jetzt einen süßlichen Jesus, der nur tröstet, nur lieb ist, nur die Seele heilt und darum besorgt ist, dass es uns gut geht? Ich will an dieser Stelle nicht falsch verstanden werden. Wie anfangs ausgeführt: Traumatisierte Menschen brauchen Schutz, Empathie und ein entspanntes, liebevolles
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Gottesbild, fachliche Hilfe in Form von Therapie und Zuwendung. Aber es gibt mittlerweile ein Heer von Menschen, die sich mit ihrer Traumatisierung identifiziert haben, die noch nach Jahren intensiver therapeutischer Bemühungen ihr Leid vor sich hertragen wie eine Monstranz, verbunden mit der mehr oder weniger unbewussten, aber doch artikulierten Forderung: „Wegen meiner schlimmen Vergangenheit muss meine Umgebung ständig Rücksicht auf mich nehmen.“ Sie sind oft nicht bereit, Schritte, die durchaus möglich wären zu tun, denn sie haben ja „eine so schlimme Vergangenheit, dass gar nichts mehr geht.“ Ja, es gibt Menschen, die aufgrund ihres ihnen zugefügten Leides für lange Zeit zu nichts mehr fähig sind und unser Verständnis und unsere Fürsorge brauchen. Es gibt aber auch diejenigen, die vielleicht verführt durch ein einseitiges therapeutisches Verständnis von Traumabehandlung eine Opfermentalität entwickelt haben, die sie unfähig macht, Schritte in eine angemessene und durchaus in ihren Möglichkeiten liegende Selbständigkeit zu wagen. Sagte nicht Jesus zu dem Gichtbrüchigen: „Nimm dein Bett und geh“ (Markus 2,9). Ich kenne mittlerweile eine ganze Reihe von Personen, die lieber liegenbleiben würden, um sich versorgen zu lassen. Wie gesagt: Die meisten Menschen mit Traumatisierungen brauchen unsere uneingeschränkte Unterstützung, aber es gibt immer mehr Personen, die sich mit ihrer psychischen Erkrankung, mit ihren Defiziten identifizieren und sich in einer therapeutischen Dauerschleife verfangen. Sie scheinen dann kein anderes Thema mehr zu haben, als ihrer Umwelt ständig zu vermitteln, was sie alles nicht können. Ja, wir haben es schon erlebt, dass Menschen, die erfolgreiche Schritte in ihrer Aufarbeitung der Vergangenheit und eine Entwicklung hin zur Verselbständigung durchlaufen haben, nach einem oder mehreren Aufenthalten in stationären Therapieeinrichtungen völlig regrediert zurückkommen, weil dort statt die Entwicklung zur Selbständigkeit zu fördern, zum X-ten Mal die alte leidvolle Lebensgeschichte aufgewärmt und statt Verselbständigung die besagte Opfermentalität gefördert wurde. Wenn die Beschäftigung
mit erlittenem Leid zum Dauerthema wird, verfehlt Therapie ihr eigentliches Ziel, nämlich dass der Patient über die Schrecken der Vergangenheit hinauswächst und die ihm möglichen Schritte zur Übernahme von Verantwortung für sein Leben unternimmt. Eigentlich eine Binsenweisheit, der jeder Therapeut sofort zustimmen würde. Für mich stellt sich jedoch die Frage: Warum gibt es so viele Menschen, die um ihr Leid herumtanzen, wie das Volk Israel um das goldene Kalb? Für sie stehen nicht Ressourcen und Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit im Vordergrund, sondern die übertriebene Forderung nach Schonraum und Bedürfnisbefriedigung. Wenn das erlittene Trauma zu einer Opferhaltung führt, besteht die Gefahr, dass die Patientenrolle zu einem Teil der Identität und Teil des Selbstkonzeptes wird. Es entwickelt sich dann eine defizit- statt ressourcenorientierte Lebensperspektive, die von therapeutischer Seite, bei allem empathischen Mitgefühl, nicht unterstützt werden sollte. Das erlittene Leid und die Vergangenheit darf nicht zum Dauerthema, ja zur Endlosschleife werden. In diesem Sinn äußert sich auch Dr. FrankThomas Bopp, der Chefarzt der Psychiatrie am Krankenhaus Sigmaringen: Ein Patient, der von der Behandlung Wunder erwartet und nicht an sich selbst arbeiten wolle, könne von der Psychotherapie keine Hilfe erwarten… „Ein Patient muss entscheiden, ob er das bekannte Unglück behalten oder in das unbekannte Glück vorstoßen möchte.“ (Schwäbische Zeitung 3. September 2020 Sigmaringen S. 13). Der Patient (der Leidende) sollte sich zum Facient (zum Handelnden) entwickeln, wie es ein Therapeut einmal treffend ausgedrückt hat. Es geht also um die richtige Balance zwischen schutzgebender Aufarbeitung und der Herausforderung einer Neuorientierung. Und da sind wir wieder bei Jesus. Er geht mit uns eine enge persönliche übernatürliche Beziehung, durch das Wirken des Heiligen Geistes, ein. Dieser Heilige Geist ist eine Quelle der Kraft und der Hoffnung: Er wirkt zutiefst heilend in Bezug auf die Wunden und Verletzungen der Vergangenheit. Auf diese Weise wird christliche Spiritualität zu einer Ressource im Rahmen
der Christlich-integrativen Psychotherapie. Durch die Beziehung zu Christus entsteht ein übernatürlicher Schutz und Lebensraum, in dem Wiederherstellung und Heilung durch Hoffnung geschieht, in dem aber auch Herausforderung und neue Lebensperspektiven ihren Platz haben. Er ist der gute Hirte, der das verirrte Schaf sucht und es liebevoll auf seinen Schultern nach Hause trägt, so dass im Herzen des leidenden Menschen die Botschaft entstehen kann: „Und müsste ich wandern im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück, dein Stecken und Stab trösten mich“ (Psalm 23,4). Dies beinhaltet die Entwicklung zu einer neuen Identität, nämlich das Aufgeben der Looser-Mentalität hin zu dieser Neuen Schöpfung in Christus, die von Hoffnung geprägt ist, von der das ganze Neue Testament spricht. Dadurch wird es möglich, im Rahmen einer geistlichen Entwicklung und therapeutisch begleiteten Aufarbeitung „zu vergessen, was dahinten ist und sich auszustrecken nach dem was vorne ist“ (Philipper 3,13). Möglich wird dies auch durch eine Berührung mit dem Heiligen Geist. Obwohl die Jünger nach der Auferstehung Jesus von Angesicht zu Angesicht begegnet waren, schlossen sie die Türen aus Angst, sie könnten das gleiche Schicksal erleiden wie Jesus. Erst die Erfüllung mit dem Heiligen Geist an Pfingsten bewirkte, dass sie über die traumatischen Eindrücke, als sie Jesus bei seinem grauenhaften Sterben am Kreuz zusehen mussten, hinwegkamen und ihre Angst bewältigten. Ihre Angst wich und es entstand eine übernatürliche Kühnheit und mutige Freude, mit der sie das Evangelium verkündigten. Auch dieses Beispiel zeigt, wie die verändernde Kraft des Heiligen Geistes zu einer therapeutisch wertvollen Ressource bei der Traumaverarbeitung werden kann.
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Autor
Winfried Hahn ist Pastor und Pädagoge. Der Vater von zwei erwachsenen Kindern studierte Pädagogik, war Pastor in mehreren freikirchlichen Gemeinden und machte eine Ausbildung zum christlichen Therapeuten. Heute leitet er das de’ignis -Wohnheim – Haus Tabor zur außerklinischen psychiatrischen Betreuung und ist Vorsitzender der de’ignisStiftung Polen. Er ist verantwortlich für den Fachbereich Theologie am de’ignisInstitut. Als Pastor im übergemeindlichen Dienst und Buchautor hält er Predigten, Vorträge und Seminare im In- und Ausland.
Gequälte Seelen Psychische Traumatisierungen und ihre Folgen. Von Margarete Kappler
de’ig n is-ma g a z in – Titelthema
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Anne kann nicht mehr schlafen. Zumindest fühlt es sich so an, und wenn sie doch einschläft, schreckt sie oft aus Albträumen auf. Nie kommt sie zur Ruhe, auch wenn sie sehr müde ist. Auch tagsüber ist sie andauernd angespannt, schreckt bei lauten Geräuschen zusammen, reagiert gereizt. Das Schlimmste aber sind die Erinnerungsbilder: Die kreischenden Bremsen, das schleudernde Auto, das Geräusch des Aufpralls, der Geruch auslaufenden Benzins, das Gefühl, eingeklemmt zu sein, die Schmerzen. Die Eindrücke kommen unerwartet und versetzen sie in Panik, sie hat das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren. Sie hatte vor neun Monaten einen Autounfall, bei dem sie die Kontrolle über ihren Wagen verlor und gegen einen entgegenkommenden Transporter prallte. Jeder bestätigt ihr, dass sie dabei viel Bewahrung erlebt hat, das gebrochene Bein ist mittlerweile verheilt und fast wieder normal belastbar, die zunächst schmerzhaften Rippenprellungen nicht mehr zu spüren. Dennoch hat dieses Erlebnis sie aus der Bahn geworfen, sie setzt sich seitdem nicht mehr selbst ans Steuer, und auch als Beifahrerin bekommt sie schweißnasse Hände. Auch wenn sie nach drei Monaten wieder ihre Arbeit aufnahm, fällt sie ihr sehr schwer, sie kann sich nur schwer konzentrieren. Seit kurzem ist sie bei einer Psychotherapeutin in Behandlung. Dort wurde sehr schnell klar: Anne hat ein Trauma erlitten und eine sogenannte Posttraumatische Belastungsstörung entwickelt. Was versteht man unter einer Traumatisierung?
Illustration: Anna Katharina Jansen / Adobe Stock
Einer Traumatisierung liegt stets ein Ereignis zugrunde. Dieses Ereignis muss bestimmten Kriterien genügen, um als potentiell traumatisierend eingestuft zu werden. In der aktuellen Ausgabe der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen der WHO ICD-10 1 wird ein solches Ereignis als eine Situation außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenmäßigen Ausmaßes beschrieben. Es würde bei fast jedem Menschen eine tiefe Verzweiflung hervorrufen. In der Neufassung der ICD, der ICD 11, wird es als „als ein extrem bedrohliches oder entsetzliches Ereignis oder eine Reihe von Ereignissen“ beschrieben. In dieser Definition spielt
es keine Rolle mehr, ob ein Betroffener mit Verzweiflung reagiert oder nicht. Das Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM 5), das von der American Psychiatric Association herausgegeben wird 2, legt als Kriterium fest, dass ein Ereignis schwere körperliche Verletzung, tatsächlichen oder möglichen Tod oder die Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit verursacht. Sexuelle Gewalt ist hier explizit mit eingeschlossen. Dies widerfährt dem Betroffenen selbst (primäre Traumatisierung), oder er wird Zeuge (sekundäre Traumatisierung). Auch das Erfahren davon, dass einer engen Bezugsperson solches durch Gewalt oder Unfall zugestoßen ist, kann traumatisierend wirken, ebenso die wiederholte und detailreiche Konfrontation mit entsprechenden Berichten. Diesen Definitionen müssen auslösende Ereignisse entsprechen, wenn man die Diagnose einer Posttraumatischen Belastungsstörung stellen will, was wiederum Auswirkungen auf Leistungen der Krankenkassen (Traumatherapie), der Rentenkassen oder Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz hat. Ereignisse folgender Art werden als traumatisch eingestuft: Krieg, Folter, Geiselnahme, schwere Unfälle, körperliche Angriffe, Naturkatastrophen, Brände, Vergewaltigungen, Misshandlung, sexuelle Gewalt, beziehungsweise dem Entwicklungsstand unangemessene sexuelle Erfahrungen und unter Umständen bestimmte körperliche Erkrankungen und medizinische Eingriffe. Im oben geschilderten Fall des Autounfalls gelingt die Einordnung als Trauma leicht, jedoch so klar die Definition zu sein scheint, gibt es viele Ereignisse, deren Einordnung schwierig ist und worüber in der Fachwelt viel diskutiert wird. 3 Man verwendet in der Psychotraumatologie meist einen erweiterten Traumabegriff und schließt zum Beispiel emotionale und körperliche Vernachlässigung sowie emotionale Misshandlung mit ein. Oft bleibt die Einordnung im Einzelfall aber schwierig, besonders wenn keine eindeutigen Erinnerungen beim Betroffenen abrufbar sind. Wichtig ist jedoch, dass nicht jede ungünstige
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Entwicklungsbedingung, jedes kritische Lebensereignis, jede schwere Kränkung, jeder Stressor und jede Frustration zum Trauma erklärt wird. Es gibt extrem Belastendes, welches zum Teil auch therapiebedürftige Folgen haben kann, das dennoch nicht die Traumakriterien erfüllt. Maerker spricht von einer „Überkonjunktur des Traumabegriffs“. 4 Auf deren Vermeidung sollte man Wert legen, auch um das Erleben Traumatisierter nicht abzuwerten.5 Viele traumatherapeutische Methoden kann man jedoch auch in der Therapie von Menschen hilfreich einsetzen, bei denen kein eindeutiges Trauma erinnerbar ist. Welche Auswirkungen eine Traumatisierung hat, hängt von vielen Einflusskriterien ab, eines liegt bereits in der Art des auslösenden Ereignisses. Bei einem sogenannten Typ I-Trauma handelt es sich um ein einzelnes, unerwartetes Erlebnis von eher kurzer Dauer. Hierzu zählen Unfälle wie der eingangs geschilderte, Gewalttaten wie Überfälle, Brände und Naturkatastrophen. Diese Ereignisse geschehen meist öffentlich, das heißt, man findet sie unter Umständen in der Presse wieder, teilweise sind mehrere Menschen gemeinsam davon betroffen. Dagegen ist ein Typ II-Trauma eine Serie miteinander verknüpfter Ereignisse, beziehungsweise langanhaltend. Man spricht hier auch von sequentiellen Traumatisierungen. Hierzu zählen sexueller Missbrauch, überdauernde Gewalterfahrungen, Geiselhaft, Folter sowie emotionale und körperliche Vernachlässigung. Diese Ereignisse sind in der Regel nicht öffentlich, werden geheim gehalten und haben meist einen Beziehungsaspekt (Bezugsperson als Täter*in). Man kann deshalb auch von Bindungs- oder Beziehungstraumata sprechen. Ein ganz wesentlicher Unterschied besteht darin, wie die Ereignisse abgespeichert werden. Alles Bedeutsame, was wir erleben, wird in unserem autobiographischen Gedächtnis abgespeichert, also nicht nur mit dazugehörigen Gefühlen und Gedanken abgelegt, sondern auch mit Daten versehen („Das war im Dezember 2019, als ich von Nürnberg nach Crailsheim unterwegs war.“). Solcherart
Abgespeichertes kann berichtet werden, es existiert ein Narrativ dazu.6 Auch wenn ein Opfer sich überhaupt nicht direkt an einen schweren Unfall erinnern kann, und auch hier unter Umständen Gedanken, Sinneseindrücke und Anderes fragmentiert abgespeichert werden, kann dennoch darüber berichtet werden, wann man mit welchem Ziel die entsprechende Fahrt antrat. Bei Traumatisierungen von Typ I ist in der Regel ein Narrativ verfügbar. Anders ist es bei Typ II-Traumatisierungen: Die Ereignisse fließen ineinander, die Kontexte werden durcheinandergebracht, können kaum mit objektiven Daten in Beziehung gebracht werden. Wenn man dies bedenkt, wird klar, warum Zeugenaussagen von Opfern zum Beispiel von wiederholter sexualisierter Gewalt so schwer zu bewerten sind. Beide Typen der Traumatisierung können Traumafolgestörungen verursachen, auch ein Autounfall (Typ I) kann zu einer behandlungsbedürftigen Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) führen. Eine Typ II-Traumatisierung hat oft jedoch deutlich komplexere Folgen und benötigt ein entsprechendes Behandlungskonzept. Zum Verständnis der Entstehung einer PTBS ist der Begriff der traumatischen Zange hilfreich:7 In einer Bedrohungssituation können Menschen grundsätzlich mit Angriff oder Flucht reagieren. Blitzschnell wird abgewogen, welche der beiden Alternativen die besseren Erfolgsaussichten hat. Der Körper stellt die Energie dafür bereit. Wenn diese Reaktionsalternativen beide nicht ausgeführt werden können, reagiert das Opfer mit Erstarren, dem sogenannten FreezeZustand. Es spricht einiges dafür, dass dies eine wichtige Voraussetzung dafür ist, dass sich eine Traumafolge-störung herausbildet. Wenn eine Person zwar in eine katastrophale Situation gerät, aber dennoch aktiv bleiben kann und „Herr der Lage“ ist, wird dies eher nicht zu einer Traumafolgestörung führen. Um die Diagnose einer Posttraumatischen Belastungsstörung stellen zu dürfen, müssen außer einem bekannten traumatischen
Ereignis Symptome aus drei Gruppen vorliegen, die sogenannte traumatische Trias. Diese sind Wiedererleben, Vermeidung und Übererregung. Beim Wiedererleben drängen sich Erinnerungen auf. Dies können Bilder, Szenen, Geräusche, Gerüche, aber auch Körperempfindungen sein. Im Fall von Anna treten diese sehr häufig auf, sowohl tagsüber als auch nachts in Form von Albträumen. Es sind damit auch die gleichen Gefühle von Panik und Kontrollverlust verbunden wie in der eigentlichen traumatischen Situation, unter Umständen als sei man wieder in der traumatischen Situation von damals. Ausgelöst werden Intrusionen oder Flashbacks von Triggern, z. B. Sinnesreizen, die mit den Erinnerungsfragmenten verbunden sind. In Annas Fall ist der Geruch von Benzin solch ein Trigger, weshalb sie, als ein Nachbar den Grill eines Abends mit Spiritus anzündete, in Panik geriet. Da diese Intrusionen als unerträglich empfunden werden, tun Betroffene viel, um diese zu vermeiden. Diese Vermeidung kann sehr umfangreich sein und das Leben stark einschränken. Anna zum Beispiel meidet nicht nur den Unfallort, sondern setzt sich überhaupt nicht mehr hinter das Steuer eines Autos. In anderen Fällen kann Vermeidung noch ausgeprägter sein, etwa wenn bestimmte Menschen oder Beziehungen insgesamt vermieden werden. Nicht zu vernachlässigen ist auch die Symptomgruppe der andauernden Übererregung (Hyperarousal). Wie es auch bei Anna der Fall ist, sind Betroffene ständig in einer Art Notfallzustand: Sie sind andauernd angespannt und auf der Hut. Dies kann zu Unkonzentriertheit, Schreckhaftigkeit, Reizbarkeit und vor allem Schlafstörungen führen. Bei manchen Menschen hält dieser Zustand über Jahre an, was als sehr belastend erlebt wird. Verschiedenste körperliche Beschwerden wie Muskelschmerzen, Bluthochdruck oder eine Beeinträchtigung des Immunsystems können die Folge sein. Die Gefahr, sich durch Alkohol, Beruhigungsmittel oder Drogen Erleichterung verschaffen zu wollen, ist dabei groß. Eine Posttraumatische Belastungsstörung verursacht also beträchtliches Leid.
de’ig de’ig n is-ma n is-ma g agzain z in– –Titelthema Impuls
Die Erfahrung, die man in der Arbeit mit Traumatisierten macht, zeigt jedoch, dass es eine ganze Reihe von Betroffenen gibt, für die die Diagnose der PTBS nicht ausreicht. Judith Herman beschrieb erstmals 1992 ein Krankheitsbild, das bei Menschen mit sequentieller, also Typ II -Traumatisierung, auftreten kann. Menschen, die zum Beispiel bereits in der Kindheit sexueller Gewalt ausgesetzt waren, sind unter Umständen zusätzlich zu den Symptomen einer PTBS in ihrem gesamten Erleben und Verhalten, in ihren Gefühlen und ihrer Beziehungsgestaltung, in ihrer gesamten Persönlichkeit beeinträchtigt. Das Wertesystem ist erschüttert, das Selbstbild von Selbstabwertung oder sogar Selbsthass gekennzeichnet. Alle Bereiche des Lebens können betroffen sein. Man spricht von einer Komplexen PTBS, welche im ICD 11 erstmalig als eigene Diagnose enthalten sein wird. Dies wird von Traumatherapeuten sehr begrüßt, da diese Diagnose Therapien ermöglicht, die den Betroffenen und ihrer komplexen Überlebensleistung eher gerecht werden als die bisher mitunter lose aneinandergereihten Einzeldiagnosen schwer Traumatisierter. Nun sollte man meinen, das Arbeitsgebiet der Traumatherapie sei ein durchweg belastendes und frustrierendes, das Fachleute zu Pessimisten und Zynikern werden lässt und in tiefe Glaubenszweifel stürzt. Dies ist jedoch nicht der Fall, ganz im Gegenteil. Auch wenn das Gebiet herausfordernd und mitunter sehr belastend ist und auch wenn jeder, der mit Traumatisierten arbeitet, viel Wert auf gute Selbstfürsorge und Psychohygiene legen sollte, gibt es ein paar gewichtige gute Nachrichten, die Hoffnung in diesen Arbeitsbereich bringen: Erstens sind viele Menschen mit einer erstaunlichen Resilienz, also seelischer Widerstandkraft, ausgestattet. Selbst schwerste Traumatisierungen führen nicht in jedem Fall zu Traumafolgestörungen. Untersuchungen zeigen, dass eine Vergewaltigung zwar der stärkste Prädiktor für eine PTBS ist, jedoch selbst hier 35 bis 54 Prozent der Betroffenen keine PTBS entwickeln (Männer häufiger betroffen als Frauen), nach Unfällen entwickeln sogar
nur 6,3 bis 8,8 Prozent (Frauen häufiger als Männer) eine PTBS.8 Die zweite gute Nachricht ist: Es gibt mittlerweile eine ganze Reihe von gut in ihrer Wirksamkeit bewiesenen Traumatherapieverfahren, die ständig erweitert und ausdifferenziert werden. Einer Patientin wie Anna, die eine Typ I-Traumatisierung erlitten hat, aber bis zu diesem Zeitpunkt seelisch gesund war und gut im Leben zurechtkam, kann man in ambulanter oder stationärer Traumatherapie meist rasch helfen. Sehr wichtig ist Folgendes: Es gibt keine Traumatisierung, die zu früh im Kindesalter, zu lange her, zu schwerwiegend, zu lang andauernd ist, als dass man durch Traumatherapie nicht Wesentliches zur Besserung beitragen könnte. Es gibt selbst für schwerste Traumafolgestörungen gute, wirksame Behandlungskonzepte. Die Therapie wird in diesen Fällen viel Zeit, meist Jahre, brauchen, anstrengend und herausfordernd sein, jedoch wird sie sich immer lohnen. Von verschiedenen wirksamen und bewährten Therapieansätzen wird unter anderem in diesem Magazin berichtet.
Autorin
Dipl.-Psych. Margarete Kappler ist psychologische Psychotherapeutin und arbeitet als leitende Psychologin in der de’ignisFachklinik in Egenhausen.
Fußnoten: vgl. Dilling, Horst/Mombour, Werner/Schmidt, Martin H. (2015): Weltgesundheitsorganisation – Internationale Klassifikation psychischer Störungen: ICD-10 Kapitel V (F). Göttingen: Hogrefe 2 vgl. Falkai, Peter/Wittchen, Hans-Ullrich et al. (Hrsg.) (2014): Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen DSM 5. Göttingen: Hogrefe 3 vgl. Scherwarth, Corinna/Friedrich, Sibylle (2014): Soziale und pädagogische Arbeit bei Traumatisierungen. München: Ernst Reinhardt Verlag 4 Maerker, Andreas (2019): Traumafolgestörungen. Berlin: Springer 5 Kappler, Margarete (2017): Keine Angst vor dem Trauma: Was Mitarbeitende in der Erziehungshilfe tun können, um traumatisieret Kinder und Jugendliche zu unterstützen, und was sie dazu brauchen. In: Evangelischer Erziehungsverband EREV (Hrsg.): Evangelische Jugendhilfe 02/2017, S. 11– 20 6 Neuner, Frank/Schauer, Maggie/Elbert, Thomas (2009): Narrative Exposition. In: Maercker, Andreas (Hrsg.): Posttraumatische Belastungsstörungen. Berlin: Springer, S. 302–318 7 nach Lutz Besser in Scherwarth/Friedrich 2014 8 Kessler, R. C., Sonnega, A., Bromet, E., Hughes, M. & Nelson, C. B. (1995): Posttraumatic stress disorder in the National Comorbidity Survey. Archives of General Psychiatry, 52, 1048 –1060. 1
Es gibt keine Traumatisierung, die zu früh im Kindesalter, zu lange her, zu schwerwiegend, zu lang andauernd ist, als dass man durch Traumatherapie nicht Wesentliches zur Besserung beitragen könnte.
Literatur: • Breslau, N., Kessler, R.C., Chilcoat, H.D., Schultz, L.R. & Davis, G.C. (1998): Trauma and posttraumatic stress disorder in the community: The 1996 Detroit Area Survey of Trauma. Archives of General Psychiatry, 55, 626 – 632. • Fischer, Gottfried /Riedesser, Peter (2009): Lehrbuch der Psychotraumatologie. München: Ernst Reinhardt Verlag • Gysi, Jan (2018): Veränderungen im ICD-11 im Bereich Trauma & Dissoziation. Online unter jangysi.ch; Trauma & Dissoziation im ICD-11_1 • Herman, Judith Lewis (4. Auflage 2014): Die Narben der Gewalt. Paderborn: Junfermann Verlag
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Einen sicheren Ort finden und einnehmen Stabilisierungsübungen in der therapeutischen Praxis bei posttraumatischer Belastungsstörung. Von Annemarie Wolf
Im Rahmen meiner Arbeit als Kran• kenschwester im Gesundheitszentrum der de’ignis-Fachklinik bin ich unter anderem als Co-Therapeutin mit der Aufgabe betraut, bei traumatisierten Patient*innen stabilisierende Übungen (sog. Imaginationsübungen1) durchzuführen. Nach einer kurzen theoretischen Erläuterung möchte ich vor
allem über meine Erfahrung in der Praxis und über die Erfahrungen der Patient*innen selbst berichten. Imaginationsübungen werden im ambulanten und klinischen Bereich vor allem bei früh- und komplex traumatisierten Menschen eingesetzt. Unter einem Trauma wird ein Ereignis verstanden, das von jedem Menschen als extrem belastend erlebt
de’ig n is-ma g a z in – Titelthema
werden würde. Der*die Betreffende erlebt außergewöhnliche Situationen, in denen er*sie lebensbedrohlichen Gefahren oder Handlungen ausgesetzt war. Auch das Miterleben solcher Situationen wird als Trauma gewertet. Derart belastende Erlebnisse können zu Auslösern für verschiedenste psychische Störungen werden, unter anderem zur
Posttraumatischen Belastungsstörung. (Die Kriterien für eine PTBS-Diagnose können im vorherigen Artikel nachgelesen werden.) Wenn wir uns die Symptome einer Traumafolgestörung vor Augen führen, dann wird klar, dass Betroffene ganz erheblich leiden. Das gesamte Leben und Erleben Betroffener kann destabilisiert werden: Sie haben die Erfahrung gemacht, die Kontrolle verloren zu haben, hilflos ausgeliefert gewesen zu sein. Eine besonders entscheidende Folge ist der Verlust von Sicherheit: Betroffene fühlen sich so, als könnte jederzeit wieder etwas Schreckliches passieren, als wären sie nicht mehr sicher. Dieser zum Teil ganz erheblichen Instabilität wird in der Begleitung von Traumatisierten mit Stabilisierungsübungen begegnet. Stabilisierung ist Teil jeder Traumatherapie. Um Stabilisierung zu erreichen, gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie Achtsamkeitsübungen, imaginative Techniken, kognitive Umstrukturierung, körperorientierte Verfahren und andere. Eine wirksame Methode sind die imaginativen Techniken, die ich im Anschluss näher erläutern werde: Viele imaginative Techniken stammen aus der PITT (Psychodynamisch Imaginative Traumatherapie), entwickelt von Louise Reddemann (ehem. Leitung der Klinik für Psychotherapeutische und Psychosomatische Medizin des Ev. Johannes-Krankenhauses in Bielefeld) und werden besonders dann eingesetzt, wenn plötzlich auftauchende überwältigende Gefühle und Bilder den*die Betroffene überfluten. Sie dienen der Stabilisierung und Selbstberuhigung und sollen dem bedrohlichen Erleben (den „FlashBacks“) und den wiederkehrenden Erinnerungen (Intrusionen2) etwas entgegensetzen. Hierbei bekommt die betroffene Person auch das Gefühl, nicht mehr so ohnmächtig und hilflos dem Geschehen ausgesetzt zu sein. Ebenso eignen sich die Übungen gut zur Vorbereitung einer Traumaexposition und werden in manchen Therapieformen auch dafür verwendet. Illustration: Good Studio / Adobe Stock
Erfahrungen aus der Therapie mit der Übung „Sicherer Ort“
Bei einer der Patientinnen handelte es sich
um ein schweres Trauma mit emotionaler als auch körperlicher Gewalt insbesondere in der Kindheit. Schon zu Beginn der Therapie klagte die Betroffene über auftauchende Bilder und Erinnerungen von bedrohlichem Charakter. Daher wurde früh eine Stabilisierungsmaßnahme eingeleitet, die vor allem aus der so genannten „Sicheren Ort-Übung“ bestehen sollte. Diese Übung dient dazu, die Erfahrung von absoluter Sicherheit und Geborgenheit zu vermitteln. Dies ist jedoch nicht immer leicht, da die Erde oder ein beliebiger Platz auf der Erde unter Umständen alles andere als ein solcher sicherer Ort sein kann. Mit Hilfe der Vorstellungskraft jedoch gelang es der Patientin, einen „Sicheren Ort“ zu finden, an dem sie sich wohl fühlte. Die Imagination förderte dabei ihre innere Wahrnehmung und reaktivierte Ressourcen. Diesen Prozess konnte ich in den Übungen mit meiner Patientin gut verfolgen. Bei der ersten Sitzung sollte sie sich zunächst einen inneren sicheren Ort vorstellen, der, obwohl noch undeutlich und verschwommen, ihr bereits ein erstes Gefühl von Geborgenheit, Licht und Wärme ermöglichte. Schon bei der zweiten Übung schien es ihr leichter zu fallen, in der Vorstellung an ihren „Sicheren Ort“ zu gehen und sie berichtete mir voller Freude, sie habe ihren „Sicheren Ort“ mehr ausgestalten können. Auch in den nächsten Sitzungen konnte sie noch Details hinzufügen, und allmählich wurde sie in die Lage versetzt, diese Übung selbstständig unter Verwendung des zuvor vereinbarten körperlichen Zeichens, mit der die Vorstellung verankert wird, anzuwenden. Sie berichtete mir, dass es ihr zu Hause gelungen sei, durch den „Sicheren Ort“ eine Distanzierung bedrohlicher Bilder zu erreichen. Bei einer weiteren Patientin gelang es zunächst nicht, mit Hilfe der Imagination den „Sicheren Ort“ zu erreichen. In der Nachbesprechung arbeiteten wir heraus, dass ihr ein wichtiges Detail fehlte, um an ihrem „Sicheren Ort“ überhaupt landen zu können. Die Patientin selbst machte den Vorschlag, ihren „Sicheren Ort“ für sich alleine zu malen, um ihn sich konkreter vorstellen sowie das für sie wesentliche Detail ergänzen zu können. Bei einer weiteren Sitzung
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nun wurde der Ort in ihrer Vorstellung „vollständig“ und es gelang ihr ebenfalls, dorthin zu kommen. Auch diese geplagte Patientin berichtete von dem wohltuenden Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit. Hinweise zur Durchführung der Übung:
Um die Imaginationsübung des „Sicheren Ortes“ durchführen zu können, bedarf es als Voraussetzung eines zuvor aufgebauten therapeutischen Vertrauensverhältnisses. Immerhin vertrauen sich die Patienten dem *der Co-Therapeut*in mit einem sehr intimen inneren Erleben an. Vor Beginn der Übung wird der*die Patient*in sowohl über die Durchführung als auch den Sinn der Imagination informiert. An einem verkürzten Beispiel nach Luise Reddemann möchte ich verdeutlichen, wie die betroffene Person in die Entspannung hineingeführt wird: „Ich möchte Sie jetzt zur Übung des „Inneren Sicheren Ortes“ einladen. Wenn Sie die Übung gerne machen möchten, schauen Sie jetzt in Ihrer Vorstellung nach einem „Sicheren Ort“, an dem Sie sich absolut sicher und wohl fühlen. Lassen Sie also Gedanken, Vorstellungen und Bilder aufsteigen von einem solchen Ort, an dem Sie sich ganz wohl und geborgen fühlen. Geben Sie diesem Ort eine Begrenzung ihrer Wahl, die so beschaffen ist, dass nur Sie bestimmen können, welche Lebewesen an diesem Ort sein sollen, oder dürfen ...“ Nach der Ankunft am „Sicheren Ort“ wird die Person gebeten, es entweder mit einem Handzeichen, oder auch mit Worten zu signalisieren. Man gibt ihr die Freiheit, den „Sicheren Ort“ zu beschreiben; wenn sie das aber nicht will, ist es auch in Ordnung. Wichtig ist, dass sie sich bequem, sicher und geborgen fühlt. Danach folgt eine Anleitung zum Wahrnehmen des Ortes: Was sehen Sie, was hören Sie, was fühlen Sie, was riechen Sie? Die übende Person wird aufgefordert, ihren Ort in allen Sinnesqualitäten noch einmal bewusst wahrzunehmen, danach soll sie dann mit sich selbst ein körperliches Zeichen verabreden und ausführen, mit dessen Hilfe sie jederzeit an ihren „Sicheren Ort“ gehen kann. (Dieses Vorgehen wird als „ankern“ bezeichnet) Schließlich wird sie behutsam
in den Therapieraum zurückgeholt, wobei zu beachten ist, dass der*die „Rückkehrer*in“ wieder ganz im „Hier und Jetzt“ ist. Eine Nachbesprechung ist unbedingt wichtig, um zu sehen, ob und wie die Übung gelungen ist. Es kann sein, dass der*die jeweilige Patient*in z. B. sagt, den „Sicheren Ort“ nicht gefunden zu haben, oder dass es diesen für ihn*sie nicht gäbe, usw. Hier ist dann ein ermutigender, Sicherheit vermittelnder Hinweis unterstützend, dass es einige Male des Übens bedarf, bis sich konkrete, heilsame Innen-Bilder entwickeln. Ein Vorschlag wäre auch, in der nächsten Sitzung die gleiche Imaginationsübung als begleiteten Dialog durchzuführen, damit der*die Anleiter*in durch Nachfragen während der Visualisierung an Stellen weiterhelfen kann, an denen es schwierig ist, sich Bilder vorzustellen oder auszugestalten. Weitere Ideen wären, den Sicheren Ort zu malen, oder im Gespräch zunächst herauszufinden, wie denn ein solcher Ort beschaffen sein müsste, um sich darin sicher zu fühlen. Hierbei werden Ressourcen und Kreativität der traumatisierten Person gefördert, für sich selbst sorgen zu lernen. Bei starkem Gefühl von Einsamkeit am „Sicheren Ort“, den ja kein anderer Mensch betreten können soll (Sicherheitsaspekt), ist Ermutigung notwendig, dass es ungewohnt, jedoch sehr wichtig ist, die Erfahrung zu machen, sich nur in sich und mit sich selbst auch sehr wohl fühlen zu können. Ergänzend kann allenfalls die Möglichkeit in Anspruch genommen werden, sog. „Innere Helfer“ (keine Menschen) mitzunehmen. Diese können z. B. Symbole sein wie eine „schöne Kette“, ein Haustier aus früheren Zeiten oder ein wichtiges Buch, die in der Vorstellung mitgenommen werden können. Neben der Möglichkeit den sicheren Ort einzuüben, gibt es weitere Imaginationsübungen, die evtl. in Frage kommen. Hierbei wird der Patientin oder dem Patienten schon ein Bild bzw. eine Idee zur Imagination angeboten, in dem er*sie sich bewegen kann, um die innere Situation zu beherrschen. Immer geht es darum, nicht den Ohnmachtsgefühlen oder unangenehmen Erinnerungen und Bildern ausgeliefert zu sein. Eine solche
Übung wäre etwa der innere Helfer, die Tresorübung, die Baumübung, das innere Team und ähnliche Übungen (hierzu gibt es Literatur mit Anleitungen). Eine Übung, die sich als besonders hilfreich erwiesen hat, wenn sich Gedanken oder Erinnerungen aufdrängen, die man in diesem Moment nicht bearbeiten kann oder will, ist die Tresorübung, die ebenfalls von Luise Reddemann beschrieben wurde. Hierbei stellt man sich einen Tresor vor oder auch ein Bankschließfach o. ä. Wichtig ist, dass der Tresor absolut ein-, auf- und ausbruchssicher sein muss. Manchmal braucht man dazu noch zusätzliche Schlösser und Sicherungen. In diesen Tresor werden die Inhalte gepackt und sicher verschlossen, die man gerade nicht gebrauchen kann. Menschen, z. B. Täter werden nicht eingeschlossen. Wichtig ist, dass nur der Patient/ die Patientin den Tresor öffnen kann, zum geeigneten Zeitpunkt oder auch nie. Eine weitere Möglichkeit für eine Stabilisierung von traumatischen Personen ist das Einüben von Achtsamkeit. Achtsamkeit ist eine innere Haltung. Es ist ein bewusstes Wahrnehmen/Achtgeben auf das Hier und Jetzt, sozusagen das Umlegen des Schalters vom automatischen Funktionieren auf bewusstes Erleben und Wahrnehmen. Nicht in der Vergangenheit oder Zukunft sein, sondern ganz im Jetzt. Was denke ich jetzt gerade, was höre ich, was fühle ich, was sehe ich … , also ein Wahrnehmen der momentanen Situation, der Gefühle, Gedanken, Handlungen, Sinneseindrücke. Wahrgenommen werden kann die Außenund die Innenwelt. Beides führt dazu, sich selbst mehr „gewahr zu werden“. Achtsamkeit ist wertfrei und ohne Zweck: Ich nehme mich wahr, ich darf sein. So wie es jetzt ist, ist es gerade, ich bewerte es nicht, ich richte mich nicht, ich bin einfach, mit allen Gefühlen, Gedanken, Eindrücken. Durch Achtsamkeit kann gelernt werden bewusster zu leben, zu genießen, loszulassen, zu entdecken, Ruhe zu finden, mitfühlender zu werden, und mit sich selbst gnädiger zu werden. Allerdings will es geübt sein, seinen Fokus im Hier und Jetzt zu halten. Für solche Übungen gibt es viele verschiedene Anregungen,
de’ig n is-ma g a z in – Titelthema
die je nach Bedarf eingesetzt werden können. Genug einschlägige Literatur ist hierfür vorhanden. Der*die Therapeut*in darf hier kreativ werden: Zum Beispiel in die Natur gehen, ein Achtsamkeitsspaziergang ausprobieren, eine Atemübung, eine Tastübung und anderes. Ein gewisses Maß an Selbsterfahrung wäre von Vorteil, um besser nachspüren zu können, wie es dem*der Klient*in dabei geht, wie kann es gelingen ins Hier und Jetzt zu kommen, in der Realität zu bleiben? Ergänzend zur Therapie möchte ich besonders für gläubige Menschen noch die Möglichkeit des Gebets erwähnen. Das Gebet soll nicht die Therapie ersetzen, kann aber eine unterstützende Möglichkeit sein, denn das Gebet eines Gläubigen vertraut ja auf Gott, den Vater im Himmel, der helfen, tragen und unterstützen kann. Wichtig wäre hier eine Klärung, ob ein Zugang zum Glauben besteht, ob es gewünscht ist und welche Erfahrung die betreffende Person damit gemacht hat. Fußnoten Imagination: bildhafte Vorstellung, begleitet von Sinneswahrnehmungen Hören, Riechen, Sehen 2 Intrusionen: sich aufdrängende Vorstellungen, eindringende oder einschießende Gedanken, Gefühle, Erinnerungen 1
Autorin
Annemarie Wolf arbeitet als Krankenschwester im de’ignis-Gesundheitszentrum in Egenhausen.
Traumata und
ihre Behandlung Von Dr. med. Rolf Senst
Illustration: Good Studio / Adobe Stock
Zunächst eine Vorbemerkung : Es ist • grundsätzlich begrüßenswert, dass das Thema seelische Gesundheit gesellschaftsfähig geworden ist. Was vor 20 Jahren noch ganz schwierig war, ist heute schon weit eher möglich. Wir erfahren zunehmend auch von Prominenten, dass sie wegen psychischer Probleme – zum Beispiel einer Depression – in fachärztlicher Behandlung waren. Es ist nicht mehr automatisch der Anfang vom Ende des eigenen Ansehens, sich mit einer Erkrankung im psychischen Bereich auseinanderzusetzen. Eine Begrifflichkeit wie das Burn-out-Syndrom betrachte ich in diesem Zusammenhang als hilfreich: Es gilt nicht
als unschicklich, angesichts der Fülle von Aufgaben und Aktivitäten, in die sich der einzelne Mensch hineingestellt sieht, auch einmal auszubrennen. Man hat sich einfach überarbeitet – das kann schließlich jedem passieren und ist ethisch nicht verwerflich. (Dass Burn-out keine medizinische Diagnose ist, sondern im Einzelfall anhand der diagnostischen Kriterien konkreten spezifisch beschreibbaren psychischen und psychosomatischen Krankheitsbildern zugeordnet werden muss, steht auf einem anderen Blatt Papier. Dies wollen wir hier nicht weiter verfolgen.) Der zweite Begriff mit Hochkonjunktur
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lautet Trauma. Nicht ohne Grund: Im Rahmen der Flüchtlingszuwanderung in unser Land sprechen wir zu Recht von traumatischen Erfahrungen, die die große Mehrheit dieser Menschen hinter sich hat. Und auch schon vor der Flüchtlingswelle lässt sich feststellen: Manch eine Erfahrung in unserem Land wird ebenfalls zu Recht als Trauma bezeichnet. Dabei denke ich im klinischen Kontext insbesondere an Gewalterfahrungen, oft sexueller Art, und leider oft schon in der Kindheit erlitten. Regelmäßig behandeln wir Patientinnen und Patienten, die an konkreten Traumafolgestörungen leiden. Parallel dazu gibt es aber auch eine Verwendung
des Begriffes im Alltag, die eher inflationären Charakter hat: Wenn ich schmerzliche Erfahrungen jeder Art von vornherein als traumatisch bezeichne, bewege ich mich außerhalb des klar abgegrenzten Rahmens der medizinischen Definition. Deshalb an dieser Stelle zunächst einmal ein Blick auf eben diese Definition: Unter einem Psycho-Trauma (griech. traúmatos „Verletzung, Wunde“) versteht man ein kurz- oder lang anhaltendes belastendes Ereignis von außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigen Ausmaßes, das bei nahezu jedem (Betroffene*n oder Beobachter*in) eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. (Weltgesundheitsorganisation, ICD -10) Man unterscheidet zum einen zufällig auftretende von gezielt menschlich verursachten Traumata, zum anderen einmalig oder kurz einwirkende von wiederholt oder über einen längeren Zeitraum einwirkende Traumatisierungen. Eine Sonderkategorie stellen medizinisch bedingte Traumata dar. (Einen Überblick gibt Abb. 1)
Eine solche Einteilung ist hilfreich zum Verständnis der jeweiligen Hintergründe, beantwortet jedoch noch nicht die Frage nach einer zielführenden Behandlung. Hier wurden in den letzten 20 Jahren erhebliche Fortschritte erzielt und eine Reihe von Methoden entwickelt, die sich zum Teil verblüffender Wirksamkeit erfreuen. Ein Fallbeispiel aus unserer Klinik unter Einsatz einer Methode, die sich IRRT (Imagery Rescripting & Reprocessing Therapy) nennt, möchte ich im Folgenden berichten:
teilweise in Form von Albträumen). Es wird die Indikation zu einer Traumatherapie mit IRRT gestellt, eingebettet in einen umfassenderen psychotherapeutischen Prozess. Nach insgesamt drei traumatherapeutischen Sitzungen enden Flashbacks und Panikattacken, die Stimmung bessert sich erheblich, die Patientin entwickelt eine positive Zukunftsorientierung. In einem Nachgespräch nach der Entlassung berichtet sie u. a. von einer völlig veränderten und nun ausgesprochen positiv erlebten Sexualität. Grundsätzliches zur Traumatherapie
Nicht immer ereignen sich derart dramatische Besserungen wie im obigen Fallbeispiel, und nicht immer lässt sich eine IRRT-Behandlung innerhalb von nur drei spezifischen Konfrontationssitzungen zu einem Abschluss bringen (dazwischen fanden auch „reguläre“ Therapiegespräche statt). Und nicht immer ist die Zeit reif für eine solche Intervention. Eine fachlich seriöse Herangehensweise an die Behandlung von Traumata ist folgende: Zunächst erfolgt eine gezielte Diagnostik. Liegt überhaupt eine Traumafolgestörung vor? Die Tatsache
ZUFÄLLIG AUFTRETEND
Kla ssifikation von Traumata
TYP I – TRAUMA
TYP II – TRAUMA
einmalig / kurz
mehrfach / lang
MEDIZINISCH BEDINGTES TRAUMA
Schwerer Verkehrsunfall
Naturkatastrophe (z. B. Erdbeben)
Lebensgefährliche Erkrankung
Berufsbedingt (Polizei, Feuerwehr, etc.)
Technische Katastrophe (z. B. Giftgas)
Medizinische Eingriffe
Vergewaltigung
Sexueller Missbrauch
Körperliche Gewalt
Kriegserleben
Schwere Komplikationen nach Behandlungsfehler
Banküberfall
Geiselhaft
Zeug*in eines Mordes
Folter
Naturkatastrophe (z. B. Wirbelsturm)
GEZIELT MENSCHLICH VERURSACHT
Fallbeispiel
Eine 40-jährige Frau, verheiratet und Mutter von zwei Kindern, kommt zur stationären Behandlung in die Klinik. Seit etwa fünf Jahren ist sie zunehmend depressiv, leidet unter anfallsweise auftretenden
Panikattacken, fühlt sich mit den Kindern überfordert und hat die Freude am Leben verloren. Die Ehe ist in einer schweren Krise: Ihr Mann trägt sich mit Trennungsgedanken – die er sich gleichzeitig wegen seiner christlichen Ethik verbietet. Die Sexualität liegt fast völlig brach; die Frau empfindet zunehmend Ekel beim Geschlechtsakt, hat auch schon danach erbrochen oder wurde ohnmächtig. Immer wieder hat sie über Suizid nachgedacht, will das aber ihren Kindern nicht antun. Bei der genaueren Anamnese stellt sich heraus, dass die inzwischen drastische Symptomatik begann, als die ältere Tochter ins Grundschulalter kam. Es verdichten sich die Hinweise auf einen sexuellen Missbrauch, den die Patientin selbst über Jahre hinweg in eben diesem Alter erlitten und den sie lange Zeit weitgehend verdrängt hatte. In fragmentarischer Form tauchen zu Beginn der Behandlung innere Bilder und Empfindungen davon auf, die sich zunehmend unangenehm in Form von Flashbacks aufdrängen (Flashbacks sind unwillkürlich auftretende, hoch intensiv und auf mehreren Sinneskanälen erlebte Nachhallerinnerungen, teilweise tagsüber,
Abb. 1
de’ig n is-ma g a z in – Titelthema
erlebter (sexualisierter oder nicht sexualisierter) Gewalterfahrungen als solches bedeutet keineswegs, dass der*die Betroffene an einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) leidet. Unter Vergewaltigungsopfern entwickelt etwa jede*r zweite Betroffene eine PTBS, bei KZ-Häftlingen liegt die Quote bei etwa 60 %. Bei Soldat*innen, die aus einem Einsatz im Kriegsgebiet zurückkehren, schwanken die Zahlen zwischen 9 % und 15 %. Nach schweren Verkehrsunfällen wurde bei 3 % bis 11 % eine PTBS diagnostiziert. Ein nächster wichtiger Schritt ist eine gründliche Information über das Krankheitsbild, genannt Psychoedukation (die Symptomatik stellt eine durchaus „normale“ Reaktion auf unnormale Erfahrungen dar, es handelt sich um ein bekanntes und klar definiertes Krankheitsbild). Bei emotionaler Instabilität (ein häufiges Phänomen bei Patient*innen mit intensiven Flashbacks) geht es parallel um das Erlernen von Stabilisierungsübungen und weiterer sogenannter Skills. Damit sind Techniken gemeint, bei anflutender Angst oder Panik Gegenmaßnahmen zu ergreifen und dafür zu sorgen, nicht in den „alten Film“ zu rutschen. Erst bei ausreichender Stabilität ist eine Traumakonfrontation im engeren Sinne (wie unten für eine IRRT-Intervention auf der inneren Bühne beschrieben) sinnvoll und aussichtsreich. Wichtig zu wissen: ohne Psychoedukation und Stabilisierungstechniken keine Traumatherapie! Oberstes Ziel einer Behandlung ist stets die Fähigkeit des*der Patient*in, ihren Alltag im Hier und Jetzt innerhalb und außerhalb der Klinik, im beruflichen und privaten Kontext, bewältigen zu können. Was ist IRRT?
Schauen wir noch mal auf die beschriebene Methode: Das Grundprinzip der IRRT stützt sich auf die Selbstheilungskräfte unserer Psyche, die uns meiner Überzeugung nach vom Schöpfer mit auf den Weg gegeben sind, ähnlich wie im körperlichen Bereich die Wundheilung ein völlig natürlicher Prozess ist. Und genau wie die Wundheilung durch Infektionen oder Frakturen kompliziert werden und zu einem
D er I R RT Prozess
1
Exp osition
→ Wiedererleben der belastenden Szene.
2
B e wä ltig ung
→ Konfrontation /Auseinandersetzung mit der Zielperson. • Täter*in • Verursacher*in • Verstorbene*r
3
• • • • •
Entmachtung Entschuldigung Neutralisierung Verständnis Versöhnung
S el bstb er u h ig ung und S el bsttröstung
→ Das HEUTIGE ICH wendet sich dem DAMALIGEN ICH bzw. KIND-ICH zu. • Verständnis • Versöhnung • evtl. Ablehnung
Abb. 2
dysfunktionalen Ergebnis führen kann, ist es auch mit der Verarbeitung schwieriger und/oder potenziell traumatischer Lebensereignisse. Wenn wir in der Chirurgie einen ungut zusammengeheilten Knochen wieder aufschneiden und in gerader Richtung zusammenfügen, sind wir bei der erwarteten Besserung nach der Operation wieder auf die Selbstheilungskräfte angewiesen. Analog lässt sich ein IRRT-Behandlungsprozess mit einer kleinen Operation vergleichen. Ungut zusammengewachsene „Seelenteile“ werden aus der Fixierung gelöst und in einer günstigeren Weise zusammengefügt. Außerdem werden die psychischen Selbstheilungskräfte angeregt. Die „innere Bühne“
Der Ort dieses Geschehens ist die sogenannte innere Bühne. In ähnlicher Weise, wie wir alle im Laufe eines Tages wiederholt innere Selbstgespräche führen, läuft parallel
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zur verbalen auch eine imaginative Erlebnisverarbeitung. Diese innere Verarbeitung ist letztlich entscheidend dafür, wie wir ein Erlebnis bewerten und welchen weiteren Einfluss es auf unser Leben nimmt. Innere Bühne und äußere Bühne stehen also in einer beständigen Wechselwirkung, ähnlich wie ein inneres Zwiegespräch und nach außen sichtbare Kommunikation mit anderen Menschen in einer Wechselwirkung stehen. Auf der inneren Bühne gibt es sowohl bewusste als auch unbewusste Szenarien. Ein Beispiel für bewusstes Erleben der inneren Bühne ist das Nachspielen einer Kränkungssituation, sei es mit der Entwicklung von Rachegedanken („Dem werd’ ich’s zeigen!“), sei es mit der Entwicklung von Scham- und Versagensgefühlen („Das war so peinlich, ich könnte immer noch im Boden versinken!“). Beides hat Handlungskonsequenzen. Die Handlungskonsequenzen aus einer unverarbeiteten traumatischen Erfahrung
Die drei Pha sen der I R RT
ng gu lti
wä Be
TÄTER*IN
e3
, ng gu g hi ru tun b e rö s st lb bstt l Se
Pha
Ph
HEUTIGES ICH
2
as
e
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THERAPEUT*IN
KIND
Ph
Exposition / Wiedererleben
ase 1
(a+
b)
Abb. 3
bzw. „Verschwundenen“. Unter Umständen (z. B. bei leichteren Traumatisierungen, bei Ungerechtigkeiten, bei unabsichtlichen Traumatisierungen, bei emotionalen Missbrauchsszenen, wenn der*der Täter*in sich ernsthaft entschuldigt und demütig zeigt) kann die Entmachtung auch eher als Versöhnung oder Vergebung verlaufen oder darauf hinauslaufen, besonders wenn der*die Täter*in eine nahestehende Person, z. B. ein Familienangehöriger war. Der*die Täter*in kann auch nicht-menschlich sein (z. B. eine Maschine oder ein Tier), dann muss meist zunächst eine Neutralisierung stattfinden und das Opfer gesichert oder aus der bedrohlichen Situation befreit werden. Manchmal gibt es keine*n Täter*in, z. B. im Fall von Naturkatastrophen, Krankheiten oder Unfällen. In solch einem Fall entfällt meistens Phase 2, es sei denn, der*die Patient*in empfindet, es gebe einen Schuldigen oder Verantwortlichen für das Ereignis. Die Interventionen
sind hinsichtlich ihrer inneren Komponenten und deren Zusammenspiel eher unbewusst. Aus dem Erlebnis, selbst hilfloses Opfer gewesen zu sein, hat sich ein negatives Selbstbild entwickelt, ein inneres Schema. Unter Schema (der Begriff geht auf Jean Piaget zurück) verstehen wir eine Art kategorischer Brille, durch die ein Mensch sich selbst, andere Menschen und die Welt insgesamt wahrnimmt. Sie entwickelt sich vom ersten Atemzug an. Durch die Prozesse der Assimilation (Einfügung neuer Erfahrungen in das bereits vorhandene Schema) und Akkommodation (Anpassung des bisherigen Schemas an neue Gegebenheiten) verfestigen oder verändern sich Schemata; neue können gegebenenfalls entstehen. Im Kontext traumatischer Erfahrungen entstehen typischerweise dysfunktionale Schemata. Beispiele hierfür sind Hilflosigkeit und Ohnmacht, Einsamkeit und Verlassenheit, Inkompetenz und Versagen. Das Vorhandensein solcher Schemata, die auf der inneren Bühne als Reaktion auf die traumatischen Erfahrungen auf der äußeren Bühne entstanden sind, ist oft für das
Auftreten von Symptomen und/oder für die stark erschwerte therapeutische Bearbeitung derselben verantwortlich. IRRT versteht sich als sokratische Schemaarbeit auf der inneren Bühne. Sie interveniert gezielt am Ort des traumatischen Geschehens (dem „inneren Film“) und hat zum Ziel, Opferbilder durch Bewältigungsbilder zu ersetzen sowie eine positive Selbstfürsorge des*der Patient*in zu fördern. Dabei macht sie keinerlei inhaltliche Vorgaben – der*die Patient*in entwickelt ihre Lösungen selber. Das ist mit der sokratischen Vorgehensweise gemeint. IRRT verwendet eine klar definierte Interventionsstruktur in drei Phasen: Exposition in sensu, Täterkonfrontation und -entmachtung, Förderung von Selbstfürsorge. (Abb. 2 auf Seite 27)
Statt von „Täter*in“ zu reden, kann es je nach traumatisierender Erfahrung auch eher angebracht sein, die Bezeichnung „Verursacher*in“ zu benutzen. Bei Verlusterlebnissen geht es um die innere Auseinandersetzung mit dem*der „Verstorbenen“
de’ig n is-ma g a z in – Titelthema
Typischerweise verläuft eine IRRT-Sitzung in den genannten drei Phasen. Die erste Phase dient der emotionalen Aktivierung der Erinnerungen an das traumatische Ereignis. Der*die Patient*in steigt (in der Regel mit geschlossenen Augen) in ihren inneren Film ein und berichtet in der Gegenwartsform über das Erlebte – so, als ob es gerade jetzt geschähe. Wir befinden uns hier auf einer subjektiven Erinnerungsebene. Der*die Therapeut*in begleitet als eine Art Zeuge den Prozess mit Halt gebenden verbalen Bekundungen seiner Anwesenheit, kleinen Wiederholungen, kurzen, nicht invasiven Fragen („Der Mann sagt zu Ihnen: ‚Zieh dich aus!‘ – Was geschieht weiter?“), ohne zu kommentieren oder zu bewerten. Daneben fragt er*sie immer wieder nach dem aktuellen subjektiven Belastungsgrad des*der Patient*in auf einer Skala von 0 bis 10. Wenn die traumatische Szene abgeschlossen ist, bittet der*die Therapeut*in den*die Patient*in, wieder an den Anfang der Szene zurückzukehren und sie ein zweites Mal zu durchlaufen. Er*sie fügt hinzu: „Diesmal werde ich Ihnen helfen, das Drehbuch der Szene zu verändern.“
Auf dem Höhepunkt der Belastung kommt dann die Intervention: „Können Sie sich vorstellen, wie Sie, als die Monika von heute, in Ihrer aktuellen Gestalt, jetzt zusätzlich die Szene betreten?“ .Wir gehen damit auf eine fiktive Symbolebene (Phase 2). Meist gelingt dem*der Patient*in diese Vorstellung recht gut. Dann spricht der*die Therapeut*in gezielt das HEUTIGE ICH mit der Frage an: „Was möchten Sie jetzt dem Täter sagen oder mit ihm machen?“ . In dem nun folgenden Prozess der Auseinandersetzung unterstützt der*die Therapeut *in seine*n Patient*in darin, Bewältigungsbilder zu entwickeln, indem der*die Patient*in den*die Täter*in überwältigt, entmachtet oder neutralisiert. Dieser Prozess kann mehr oder weniger schwierig sein. Hilfreich ist einerseits das Bewusstsein, sich auf einer fiktiven Ebene zu befinden, die nicht den Einschränkungen einer realen tätlichen Auseinandersetzung unterliegt (tatsächliche Körperkraft spielt also z. B. keine Rolle). Andererseits kommt dem Prozess die ethisch-moralische Überlegenheit des Opfers gegenüber dem*der Täter*in zugute. Diese ist ggf. im Vorfeld mit dem*der Patient*in kognitiv zu erarbeiten – emotional ist er*sie wegen des bestehenden Opferschemas oft noch blockiert. Ist der*die Täter*in entmachtet oder wenigstens neutralisiert, geht es in der dann folgenden dritten Phase (ebenfalls fiktive Symbolebene) um die Zuwendung des HEUTIGEN ICHS zum DAMALIGEN ICH, um so innere Bilder von Selbstfürsorge zu fördern. „Was möchten Sie als HEUTIGES ICH dem Kind jetzt sagen oder für es tun?“ Wiederum unterstützt der*die Therapeut*in das Geschehen, indem er die direkte Interaktion zwischen dem HEUTIGEN ICH und dem DAMALIGEN ICH fördert, ohne inhaltliche Vorgaben über die Inhalte dieses Prozesses zu machen. In der Regel wird sich der*die Patient*in tröstend und fürsorglich um das Kind bemühen, das nach einer Phase der Skepsis und des Misstrauens letztlich darauf eingeht. Auch in diesem Prozess können Blockierungen auftreten, beispielsweise bei ausgeprägten Schemata von Selbsthass und selbstverletzendem Verhalten des*der Patient*in. Mit einer Reihe von Interventionen des*der Therapeut*in,
der Blickkontakt mit dem Kind und direkte Rede anregt („Was sehen Sie in den Augen des Kindes?“ – „Angst.“ – „Was möchten Sie dem Kind jetzt sagen oder mit ihm tun?“), können diese in aller Regel überwunden werden. Meist werden dafür mehrere Sitzungen benötigt, und die Gründe für die Selbstablehnung müssen besprochen und aktiv angegangen werden. Teil der IRRT-Sitzung ist eine Nachbesprechung, in der das Erlebte eingeordnet und vertieft wird. Als Hausaufgabe soll der*die Patient*in eine Audioaufzeichnung der Sitzung wiederholt anhören, um das Erlebte zu vertiefen und weiter zu verarbeiten. Das dazu erstellte Kurzprotokoll wird zu Beginn der nächsten Sitzung besprochen. (Abb. 3 auf Seite 28)
Eigene Erfahrungen in unserer Klinik
Auch in der seelsorglichen Anwendung (für die eine gute Ausbildung und Supervision Voraussetzung ist) haben sich immer wieder positive Ergebnisse gezeigt. Oft wird hier spontan vom Ratsuchenden (wichtig: nicht auf Anregung des*der Therapeut*in!) in Phase drei, zuweilen auch in Phase zwei das Auftreten von Engeln oder der Person Jesu als eine Art innerer Helfer imaginiert, die bei der Täterüberwältigung oder dem Trost für das verletzte Kind unterstützen. Das wiederum fördert nachhaltig das Empfinden von Selbstwert und Selbstwirksamkeit beim Ratsuchenden. In der Anwendung fühle ich mich immer wieder wie in die Schöpfungswerkstatt Gottes hinein genommen. Er brennt darauf, Menschen zu helfen und sie aus unguten Verstrickungen herauszuführen! Diese liebevolle Zuwendung Gottes zu uns Menschen, die ihren sichtbaren Ausdruck in der Menschwerdung Jesu findet, ist meiner Überzeugung nach die letztlich wirksame Kraft hinter all unseren therapeutischen Bemühungen. Das entbindet uns keineswegs von der Aufgabe, unsere fachlichen Qualifikationen permanent weiterzuentwickeln – im Gegenteil. Dort, wo eigene ernsthafte Bemühung stattfindet, segnet Gott besonders gern. Und wir leben dabei unseren Klinik-Wahlspruch, genannt Claim: Kompetenz. Und Gottvertrauen.
Ende der 1990er Jahre haben wir angefangen, uns näher mit Traumatisierungen und deren gezielter Behandlung zu beschäftigen. Seitdem haben wir viel hinzugelernt. Zum einen hat es in diesem Zeitraum eine erhebliche Vertiefung und Erweiterung des verfügbaren Wissens über die neurobiologischen Hintergründe von Traumafolgestörungen gegeben. Zum anderen wurden gezielte Behandlungsverfahren (weiter-) entwickelt und evaluiert, die eine gezieltere und effektivere Hilfe ermöglichen. IRRT ist ein Beispiel dafür. Stationäre Traumabearbeitung ist immer eine Aufgabe für das gesamte Team. Sämt- Literatur liche Berufsgruppen, die direkt am Patien- • Mervyn Schmucker, Rolf Köster: Praxishandbuch IRRT. Klett Cotta, 2014 ten tätig sind, müssen einbezogen werden. Entsprechend viele interne Schulungen, Supervisionen und der tägliche Austausch waren und sind hierfür vonnöten. Grundlagen der Traumabearbeitung wie die oben erwähnte Psychoedukation und Stabilisierung sind praktisch allen Autor Dr. med. Rolf Senst ist Mitarbeiter*innen im medizinisch-psychoFacharzt für Psychiatrie, therapeutischen Team bekannt und vertraut. Psychosomatische Medizin In den letzten fünf Jahren hat zudem eine und Psychotherapie mit Zusatzbezeichnung RehabilitationsReihe der bei uns tätigen Ärzt*innen und wesen und Spezielle PsychotraumaPsycholog*innen im Rahmen von Fortbiltherapie DeGPT. Außerdem IRRTdungskursen an unserer Klinik, die ich geTrainer und Supervisor und Ärztlicher Direktor der de’ignis-Fachklinik. meinsam mit dem Urheber der Methode (Mervyn Schmucker, s. u.) durchgeführt habe, die IRRT-Methode erlernt.
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Traumatischen Erfahrungen mit Schematherapie begegnen Im Bereich der Pharmako-, Psycho- und Soziotherapie wurden in den letzten Jahren bedeutende Fortschritte erreicht. Eine Vorstellung und Bewertung einzelner Verfahren. Von Dr. rer. nat. Marie-Luise Armbruster
de’ig n is-ma g a z in – Titelthema
Einführung in die • Schematherapie
Erfahrungen „prägen“ uns. Glücklicherweise sind die meisten von uns durch viele positive Erlebnisse geprägt: Eine Großmutter, die spannende Geschichten erzählen konnte, ein guter Freund in der Nachbarschaft, ein Lehrer, der es gut mit einem meinte, eine bestandene Führerscheinprüfung. Ebenso wie positive Erfahrungen können uns aber auch belastende Erfahrungen prägen, z. B. erlebte Ausgrenzungen durch Mitschüler, im Schatten des Geschwisterkindes stehen, emotionale Distanziertheit im Elternhaus etc. In Abhängigkeit der prägenden Erfahrungen entwickelt ein Mensch in seinem Leben sowohl positive als auch negative Schemata. S chemata (siehe auch Abb. 1) Doch was genau versteht man unter einem Schema? Ein Schema ist ein breites, übergeordnetes (dysfunktionales) Thema oder Muster. Es entwickelt sich in der Kindheit und Jugend, wird im Laufe des Lebens immer wieder aktiviert, sodass es sich festigt und unflexibel werden kann. Es handelt sich um eine Art Eigenschaft („trait“) und beinhaltet Erinnerungen, körperliche Wahrnehmungen, Emotionen und Kognitionen. Ein Schema bezieht sich auf sich selbst und die Beziehung zu anderen. Gesunde Schemata entstehen, wenn Grundbedürfnisse von Kindern erfüllt werden. Hierdurch können Kinder ein positives Bild über sich selbst, über andere Personen, die Welt als Ganzes und über Gott entwickeln. Bleiben wesentliche Bedürfnisse unerfüllt (z. B. durch kritische Lebensereignisse), können ungünstige Schemata entstehen, wie Schemata der Unzulänglichkeit, der Unterordnung oder der Abhängigkeit.
Bild links: Nelson Martínez Photo. / photocase.de
S chemamo d i Was haben diese meist früh geprägten Schemata mit unseren heutigen Reaktionen zu tun? In belastenden Alltagssituationen können negative Schemata erneut aktiviert werden. Die Aktivierung eines Schemas (also das Erleben von Gefühlen, Gedanken, Körperempfindungen oder Erinnerungen „von damals“) nennt man Schemamodus. Hierbei
handelt es sich im Vergleich zum Schema (trait) um einen vorübergehenden (funktionellen) Zustand einer Person (state). Ist ein Schema aktiviert, handeln die Betroffenen ähnlich wie in der früheren Situation, in der sie sich z. B. ängstlich und hilflos fühlten. Weil die Gefühlserinnerungen so stark sind, können sie auf ihre erwachsenen Fähigkeiten nicht zugreifen und „kippen“ in alte, ungesunde Verhaltensmuster. Im Folgenden werden die einzelnen Modi kurz dargestellt (siehe auch Abb. 1) : K i n d m o d i : Im Kindmodus zeigen wir unsere Gefühle und Bedürfnisse echt und spontan (sozusagen wie Kinder es tun). Unterschieden wird das „verletzte Kind“ (fühlt sich einsam, traurig, ängstlich etc.), das „wütende oder impulsive Kind“ (fühlt sich verärgert, entrüstet, frustriert, reagiert „flapsig“) und das „glückliche Kind“ (fühlt sich glücklich, sicher und geborgen). Wesentliche Ziele in der Schematherapie sind, zu lernen, sein verletztes Kind zu trösten, zu umsorgen und zu ermutigen, sein wütendes Kind zu begrenzen und Wut angemessen zu äußern und dem glücklichen Kind Raum zu geben (z. B. bewusst angenehme Aktivitäten einplanen, genießen).
In n e r e E l t e r n m o d i : Unter inneren Eltern-Modi versteht man zum Selbst gehörende innere Instanzen. Hierbei handelt sich um erlernte und verinnerlichte negative Bewertungen, Regeln und Normen enger früherer Bezugspersonen. Unterschieden wird zwischen dem inneren Bestrafer (auch „innerer Kritiker“ genannt) und dem inneren Antreiber. Ersterer aktiviert in uns negative uns selbst in Frage stellende Aussagen (z. B. „Du bist ein Versager, taugst nichts, hast nichts Gutes verdient“). Letzterer aktiviert äußerst hohe Maßstäbe (Perfektionismus, z. B. „Du musst Bestleistung erbringen, um von anderen anerkannt zu sein.“). Sind die inneren Eltern stark aktiviert, führt dieses gleichzeitig zu einer inneren Anspannung, da die kindlichen Bedürfnisse (z. B. nach Annahme und bedingungsloser Liebe) bedroht erscheinen. Un g ü n s t i g e B e w ä l t i g u n g s m o d i : Diese Modi sind früh angeeignete Strategien, die dazu dienen, die Spannung zwischen den Bedürfnissen der Kind-Modi und den Erwartungen der Eltern-Modi zu reduzieren. Denn sie haben die Funktion Unangenehmes zu verhindern (z. B. Ablehnung) und/oder Positives herzustellen (z. B.
G esch ichte der S chematherap ie Die Schematherapie wurde in den 1990er Jahren von Jeffrey Young entwickelt, insbesondere für Patienten, die von der klassischen kognitiven Verhaltenstherapie nicht profitierten sowie für Patienten mit Persönlichkeitsstörungen. Die Schematherapie verbindet Elemente aus kognitiver Verhaltenstherapie, Bindungstheorie, Tiefenpsychologie und erlebnisorientierten Techniken. Der Schwerpunkt liegt auf der therapeutischen Beziehung, der emotionalen Aufarbeitung traumatischer Erlebnisse sowie auf der Arbeit an überdauernden Verhaltensmustern und dahinter liegenden Schemata, Emotionen und Bedürfnissen. Inzwischen wird die Schematherapie aufgrund ihrer guten Wirksamkeit und der hohen Patientenzufriedenheit auch bei verschiedenen anderen seelischen Erkrankungen (z. B. Essstörungen, Zwangsstörungen, Posttraumatischer Belastungsstörung) eingesetzt. Darüber hinaus wird die Arbeit mit Schemata auch in Beratung, Coaching und Pädagogik angewendet.
Abb. 1
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Anerkennung/Liebe). Sie werden angewendet, wenn Gefahr wahrgenommen wird, dass die wesentlichen Bedürfnisse nicht gesättigt werden könnten. Wie in den klassischen Gefahrensituationen unterscheidet man zwischen den Strategien Flucht, Kampf und Erstarren: Im Gefühlsvermeidenden Modus (Flucht) versuchen die Betroffenen ihren eigenen Gefühlen auszuweichen (z. B. Fassade zeigen, keine Gefühle zulassen, intellektualisieren) oder ihre Gefühle zu betäuben (z. B. durch Alkohol, essen, sich in die Arbeit stürzen, PC spielen etc.). Im Überkompensierenden Modus (Kampf ) finden sich Verhaltensweisen wie etwas zwanghaft kontrollieren, sich oder die eigene Leistung besonders hervorheben (Selbsterhöhung) und sich hierdurch über andere stellen, aber auch Entwertungstendenzen mit Angriffen und sich Vorteile verschaffen ohne offene Konflikte (lügen, manipulieren). Im
Unterordnenden Modus zeigen die Betroffenen ein angepasstes Verhalten, indem sie sich meist unbewusst dem anderen unterordnen und fügen. Sind ungünstige Bewältigungsmodi über einen längeren Zeitraum stark ausgeprägt, können hieraus zunehmend psychische Beschwerden (wie z. B. Depressivität) und damit einhergehender Leidensdruck entstehen.
positiven Schemata zugreifen, vielmehr können dann negative Schemata und damit einhergehend auch ungünstige Modi aktiviert werden. Ziel der Schematherapie ist es, den gesunden Erwachsenenmodus als sogenannten Lösungsmodus zu fördern. Doch wodurch genau kennzeichnet sich der gesunde Erwachsenenmodus aus? Dieses wird in Abb. 2 zusammengefasst.
Gesunder Er wachsenenmodus: Jeder von uns hat bereits einen gesunden Erwachsenenmodus. Dieser ist im Alltag aktiviert, wenn unsere positiven Schemata aktiviert sind. Wir können somit auf hilfreiche, positive und wertschätzende Aussagen über uns selbst zugreifen und entsprechend gesund handeln. In herausfordernden oder belastenden Situationen können wir jedoch nicht immer auf unsere
G esunder Er wachsenenmo dus (G E) Fähigkeiten im Gesunden erwachsenen Modus (GE)
Erläuterung
Achtsame und selbstreflexive Grundhaltung
Der GE nimmt seine eigenen Gefühle, Wünsche und Bedürfnisse, aber auch Situationen in seinem Umfeld achtsam wahr, als Grundvoraussetzung dafür, gesund reagieren zu können. Ebenso reflektiert er sich und die Situationen, in denen er sich befindet. Dieses ermöglicht es ihm, aus den zuvor automatischen Verhaltensweisen bewusst auszusteigen.
Fähigkeit, verschiedene Handlungsmöglichkeiten abzuwägen bei gleichzeitig hoher Reaktionsflexibilität
Der GE wägt Handlungsalternativen nach seinen Zielen und Werten ab anstatt starr nach bestimmten Regeln zu handeln. Er kann flexibel reagieren, indem er prüft, was in der jeweiligen Situation angemessen und zugleich funktional ist. Hierbei berücksichtigt er seinen eigenen Akku-Stand, also wie viele Ressourcen ihm zur Verfügung stehen.
Einsatz hilfreicher Selbstinstruktionen
Der GE setzt bewusst hilfreiche Selbstinstruktionen ein, also Anweisungen an sich selbst, um sich dabei zu unterstützen, neue Verhaltensweisen in den Alltag zu integrieren. Hierdurch werden gleichzeitig die Aussagen der inneren Eltern relativiert. (z. B. „Ich darf Pausen im Alltag einbauen“, anstatt zuvor: „Erst wenn alles erledigt ist, darfst du dich hinsetzen.“)
Angemessene Versorgung der Kind-Modi
Der GE kann sich seinem verletzten Kind zuwenden, es trösten und ermutigen. Er kann seinem wütenden Kind angemessen Grenzen setzen und seine Gefühle als GE gegenüber anderen vertreten. Außerdem kann er das glückliche Kind unterstützen, indem er ihm genug Raum im Alltag gibt.
Abb. 2
de’ig n is-ma g a z in – Titelthema
Behandlungsansätze der Schematherapie bei traumatischen Erfahrungen
Wenn es nun um die Begegnung mit traumatischen Erfahrungen in der Schematherapie geht, ist es das übergeordnete Ziel, mehr Stabilität im Alltag des*der Patient*in zu erlangen. In der Sprache der Schematherapie gesprochen geht es darum, den gesunden Erwachsenenmodus zu fördern. Hierzu müssen gleichzeitig andere Modi wie ungünstige Bewältigungsmodi sowie strafende und fordernde Anteile reduziert, aber auch die Kindmodi „nachversorgt“ werden. Zu Therapiebeginn wird nach der Anamneseerhebung gemeinsam mit dem*der Klient*in sein individuelles Moduskonzept (siehe Abb. 3) erarbeitet. Es dient als „innere Landkarte“ und hilft dem*der Klient*in, sich selbst besser zu verstehen, seine automatischen Verhaltensmuster schneller zu erkennen und zum Teil bereits daraus auszusteigen, weil er nun „merkt, was passiert“. Die Schematherapie bedient sich im Allgemeinen drei verschiedenen Elementen: erlebnisbasierte, verhaltensverändernde sowie kognitive Interventionen. Anhand eines kurzen Fallbeispiels sollen die unterschiedlichen Interventionsmöglichkeiten nun dargestellt werden: Fallbeispiel
Eine Klientin, Elke S., schildert in der Therapiesitzung, dass sie kürzlich bei einem Konflikt mit dem Vorgesetzten „mal wieder“ ein starkes und körperlich erlebbares Angstgefühl gehabt habe, so dass sie in eine völlige Passivität und Anpassung „gefallen“ sei. Ihr hätten die Worte gefehlt, um mitzuteilen, dass sie sich benachteiligt sehe. Stattdessen habe sie auf den Boden geschaut und dem Vorgesetzten Recht gegeben. Ihr Ziel sei es, in solchen Situationen zukünftig ihr Anliegen selbstsicher vertreten zu können. Zunächst ordnen wir während unserer Sitzung die Situation in das Fallkonzept der Klientin ein. Elke S. befand sich in der Situation in ihrem kindlichen Angstmodus bzw. nutzte die ungünstige Bewältigungsstrategie der Anpassung (Erstarren) als Schutz, um sich kurzfristig nicht noch ängstlicher und hilfloser zu fühlen. Hierdurch werden
Einf aches Mo dusmo del l (Roediger, 2009; ergänzt nach Hersberger, 2016)
Gott
tröstet
begrenzt
stärkt tröstet
Kind-Modi
Gesunder Erwachsener Spannung
begrenzt
Innere-Eltern-Modi
Bewältigungs-Modi
Klinische Symptome
Abb. 3
allerdings langfristig ihr Selbstwert sowie ihre sozialen Kompetenzen geschwächt, weshalb sie sich nachvollziehbarerweise eine Verhaltensveränderung wünscht. Erlebnisbasierte Inter ventionen : In der Therapiesitzung wird im Rahmen einer sogenannten Imaginationsübung das Gefühl aus der Alltagssituation (in unserem Beispiel das Gefühl in der Konfliktsituation mit dem Vorgesetzten) zunächst vertieft, indem die Klientin erneut spürt, wie sich dieses Gefühl anfühlt. Im nächsten Schritt wird sie angeleitet zu prüfen, ob sie dieses Gefühl „von früher“ kennt. Mit Hilfe dieser „Affektbrücke“ wird sie zu einer möglichen Situation geleitet, in der das Gefühl begründet in seiner Biografie vorhanden war. Zumeist können Patienten durch diese Imaginationsübung sehr gut eine oder mehrere Situationen nennen, in denen sie sich ähnlich fühlten. Unsere Klientin beschrieb eine Szene, in der sie den harschen Worten ihres Vaters hilflos ausgeliefert war. Ihr angepasstes Verhalten im Sinne von Schweigen und klein beigeben in der dortigen Situation habe eine noch schärfere Reaktion des Vaters verhindert. Im Folgenden wurden die Bedürfnisse der
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Klientin (nach Schutz, ebenso nach Gesehen werden ihrer eigenen Wünsche) herausgearbeitet. In der Imaginationsübung tritt nun Elke S. als Gesunde Erwachsene zusätzlich (zu ihrem damaligen Kind und ihrem Vater) in die Szene hinein und tritt für die Bedürfnisse des Kindes ein, indem sie z. B. stellvertretend für das Kind ihren Vater begrenzt und das Kind beschützt. Bei Klienten, bei denen der Gesunde Erwachsene-Modus noch nicht ausreichend ausgeprägt ist, kann der*die Therapeut*in zunächst als Modell stellvertretend in die Szene hineintreten und für die Bedürfnisse des*der Klient*in einstehen mit dem Ziel, dass diese Aufgabe im Therapieverlauf schließlich der Gesunde Erwachsene selbst übernimmt. Nachdem die Ursprungsszene „umgeschrieben“ wurde (Rescripting), wird das neu erlebte Gefühl (in unserem Beispiel Gefühl von Sicherheit und Stärke) vertieft und bei der Klientin verankert, bevor es in die Alltagszene mit „hinübergenommen“ wird. Sie wird dazu angeleitet, das Gefühl der Sicherheit und Stärke in der Alltagszene bewusst zu spüren, bevor sie aus diesem Gefühl heraus in der Imaginationsübung ihrem Vorgesetzten selbstbewusst ihre Meinung sagt. Hierbei
erlebte sie, dass sie in der Lage ist, sich mitzuteilen und somit gar nicht schweigen muss. Eine weitere Möglichkeit belastenden Erfahrungen mit Schematherapie zu begegnen ist die Arbeit an den inneren Elternmodi. Unsere Klientin entwickelte im Kontakt mit ihrem harschen Vater bereits früh innere Aussagen wie „deine Meinung ist nicht wichtig“, „mit dir stimmt etwas nicht“ und „du musst tun, was andere dir sagen“. Diese Aussagen prägten sich bei ihr ein und bestimmten oftmals ihr untergeordnetes Verhalten. Um gesunde, selbstsichere Verhaltensweisen weiter zu fördern, galt es somit, ihre inneren Elternmodi zu reduzieren. Hierzu kann eine weitere erlebnisbasierte Intervention eingesetzt werden, ein sogenannter Dialog auf Stühlen. Dazu wird der innere Elternteil (Kritiker oder Antreiber) in der inneren Vorstellung auf einen leeren Stuhl gesetzt. Gemeinsam mit dem*der Therapeut*in wird nun der innere Kritiker bzw. Antreiber mit Worten begrenzt und entmachtet. Klienten erleben es hierbei als äußerst entlastend, wenn der*der Therapeut*in stellvertretend ihren inneren Kritiker begrenzt (in unserem Beispiel zum inneren Kritiker gewandt: „Es ist eine Lüge, dass mit Elke etwas nicht stimmt. Sie ist wertvoll, so wie sie ist“). Patienten spüren eine innere Stärke, wenn sie im Verlauf der Sitzung selbst Worte der Entmachtung finden und sich gegenüber ihrem inneren Kritiker behaupten können (z. B. „Ich möchte nicht, dass du noch ein einziges Mal behauptest, ich sei nicht wichtig.“). Verha ltens verändernde Inter ventionen : Um nun die ungünstige Bewältigungsstrategie der Unterordnung weiter aufzubrechen, gilt es die neuen Verhaltensweisen im Alltag zu etablieren. Eine Möglichkeit hierzu bietet das Soziale Kompetenztraining. In Rollenspielen können Alltagssituationen in der Therapie „nachgespielt“ und gesunde, selbstsichere Verhaltensweisen eingeübt werden. Hierdurch macht unsere Klientin die Erfahrung, dass sie mit zunehmender Übung Worte findet, um sich in der beruflichen Situation mitzuteilen. Kognitive Interventionen: Eine mögliche Intervention auf kognitiver Ebene besteht darin, die Vor- und Nachteile des
ungünstigen Bewältigungsmodus (z. B. der Unterordnung) in einer Tabelle zu notieren. Hierdurch sollen sowohl die Funktionalität des Verhaltens (Wozu dient mein Verhalten?), als auch dessen Schwierigkeiten (z. B. „Die eigene Meinung nicht mitzuteilen als Form der Unterordnung führt dazu, dass mein Gegenüber nicht einmal weiß, was ich möchte und somit auch nicht darauf eingehen kann.“) bewusstwerden. Diese Übung zielt darauf ab, sich durch das Bewusstmachen der Nachteile des Verhaltens für ein Ausbrechen aus dem alten, ungünstigen Verhalten und für einen Wechsel in den Gesunden Erwachsenenmodus zu entscheiden. Schematherapie und christlicher Glaube
Inwieweit nun sind Schematherapie und christlicher Glaube miteinander vereinbar? Luca Hersberger (2016) zeigt auf kreative und kompetente Weise, wie sich Schematherapie und christlicher Glaube ergänzen und bereichern. Das Ergebnis ist sichtbar in unseren Beziehungen: Je weniger wir Bewältigungsstrategien anwenden, die uns selbst oder anderen schaden (z. B. sich selbst oder andere abwerten, Fassade zeigen, um Gefühle vor uns selbst und anderen zu verbergen) und je mehr wir unsere Gefühle und Bedürfnisse im gesunden erwachsenen Modus authentisch zeigen, um so heilsamer und bereichernder erleben wir die Beziehungen mit anderen Menschen. Im christlich integrativen Modusmodell nach Hersberger (siehe Abb.3, Seite 33) wird deutlich, wie der christliche Glaube in die Therapie integriert wird. Gott, als der biblische Gott (nicht unser evtl. verzerrtes Gottesbild) ist derjenige, der den gesunden Erwachsenen stärkt, erquickt und befähigt, gesunde Beziehungen zu leben. Durch ihn lassen wir uns ausstatten, den inneren Kritiker zu begrenzen und die Kindmodi (selbst) zu trösten. Das Modell veranschaulicht gleichzeitig, dass Gott auch direkt die inneren Eltern begrenzen oder die Kindmodi versorgen kann. Unserer Klientin, die einen starken inneren Kritiker hatte, der ihre Meinung als nicht wichtig ansah, mögen Verse aus Psalm 139 helfen: „Ich danke dir, dass du mich so herrlich und wunderbar gemacht
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hast!“ (Vers 14a) sowie „Wie kostbar sind deine Gedanken über mich, Gott. Es sind unendlich viele“ (Vers 17). Wenn es um die Versorgung der Kindmodi geht, so erleben Klienten es als heilsam, in einer Imaginationsübung Gott an einem „inneren Ort“ zu begegnen, an dem sie sich sicher und geborgen fühlen. Hier entsteht zumeist eine sehr berührende Form des Gebets – eine Gottesbegegnung – in der die Klienten Gott als den erleben, der er wirklich ist: zugewandt, verständnisvoll, liebend, gnädig, ermutigend und manchmal auch humorvoll. Zusammenfassung
Die Schematherapie ist ein vielseitiges Verfahren, das erlebnisbasierte, verhaltensverändernde und kognitive Interventionen miteinander vereint mit dem Ziel, gesunde erwachsene, beziehungsorientierte Verhaltensweisen zu fördern und ungünstige Bewältigungsstrategien, die sich während belastenden Erfahrungen als Schutzmechanismus entwickelten, zu reduzieren. Hierfür gilt es, innere kritische Anteile zu reduzieren und verletzte kindliche Anteile rückwirkend zu versorgen. Das Verfahren ist mit dem christlichen Glauben sehr gut vereinbar und bietet eine Reihe von Ansätzen, wie der Glaube durch Schematherapie gestärkt und gleichzeitig gesunde Verhaltensund Erlebensmuster durch den Glauben erweitert werden können. Klienten können ihr Verhalten und Erleben durch die Schemaarbeit besser wahrnehmen und verstehen, indem sie Alltagssituationen mithilfe ihres individuellen Moduskonzepts einordnen. Wenn es Klienten zunehmend gelingt, zuvor automatisch ablaufendes ungünstiges Verhalten und Denken abzulegen und langfristig hilfreiche Strategien anzuwenden, fördert das ihre Selbststeuerung, ihr Selbstwerterleben und ihre Beziehungsfähigkeit.
Literatur • Handrock et al., 2016. Schemaberatung , Schemacoaching, Schemakurzzeittherapie. Beltz. • Roediger, 2009. Was ist Schematherapie? Junfermann. • Reiss, Farrell, Shaw, 2015. Schematherapie erfolgreich anwenden. Junfermann. • Hersberger. Heilsame Beziehungen. Wenn christlicher Glaube und Schematherapie sich ergänzen. arteMedia, 2016. (evtl.: Weiterführende Literatur für alle an Schematherapie Interessierten: • Jacob et al. Andere Wege gehen: Lebensmuster verstehen und verändern - ein schematherapeutisches Selbsthilfebuch. Beltz, 2011. • Young & Klosko. Sein leben neu erfinden. Junfermann, 2006. • Roediger. Raus aus der Lebensfalle: Das Schematherapie-Patientenbuch. 2012.)
„Ich danke dir, dass du mich so herrlich und wunderbar gemacht hast!“ Psalm 139, 14 a
Autorin
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Dr. rer. nat. Marie-Luise Armbruster ist DiplomPsychologin, psychologische Psychotherapeutin und leitende Psychologin im de’ignisGesundheitszentrum Egenhausen.
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Ergotherapeutische und kunsttherapeutische Ansätze in der Traumatherapie Von Jana Schwarz
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Erg otherap ie Die Ergotherapie hat das Ziel die Hand• lungsfähigkeit von Menschen zu unterstüt-
Bild: Paulo Sousa / photocase.de
zen. Somit beraten und fördern Ergotherapeuten Menschen bei der Durchführung für sie bedeutungsvoller Betätigungen, damit sie ihren Alltag, das Arbeitsleben oder ihre Freizeit gut meistern. Unter Berücksichtigung der persönlichen Umweltbedingungen erfassen und fördern die Ergotherapeuten die Teilhabe der Klienten in den unterschiedlichen Lebensbereichen, die Lebensqualität und das Wohlbefinden. Dazu bieten sie Beratung und Training der spezifischen Aktivitäten, gesundheitsfördernde Umweltanpassungen und eine Stärkung der Gesundheitskompetenz der Klienten an. In der psychosomatischen Rehabilitation bedeutet dies, dass der Patient und Ergotherapeut gemeinsam erfassen, welche Aktivitäten wegen einer Erkrankung beeinträchtigt, aufgegeben, weiterhin gut gelingen oder vielleicht auch seit der Erkrankung neu hinzugekommen sind. Es wird der Frage nachgegangen, in welchen Lebensbereichen der Patient für sich Lebensqualität und Wohlbefinden erlebt, beziehungsweise in welchen Lebensbereichen diese bedroht und eine Teilhabe zum Beispiel im Arbeitsleben gefährdet scheinen. Gemeinsam erarbeiten Patienten und Ergotherapeuten konkrete Ziele für die Rehabilitation. Traumatisierte Patienten, nach starken psychischen Erschütterungen oder Gewalterfahrungen, durch die sie eine körperliche und/ oder seelische Verletzung erfahren haben, erleben zahlreiche Herausforderungen in ihrem Alltag und in ihren Aktivitäten. Sie berichten häufig von Interessensverlust, Teilnahmslosigkeit, Vermeidungsverhalten oder Schwierigkeiten mit Menschen in Kontakt- oder in Beziehung zu treten. Auch bei vielleicht bestehendem Wunsch nach Nähe halten sie eventuell Abstand und erleben zum Beispiel eine Unzufriedenheit in der Beziehungsgestaltung. Vielleicht fällt es auch schwer Lob anzunehmen und sich selbst zu vertrauen, etwas bewirken beziehungsweise schaffen zu können. Auf Grund des Erlebten ist es vielleicht schwierig sich Kritik oder Konflikten zu stellen und Probleme zu
lösen. Auch das Wahrnehmen und Äußern von Bedürfnissen können Herausforderungen sein. Es fällt schwer Emotionen zu regulieren und mit z. B. Frustration, Trauer, Aggressionen oder dissoziativen Stressreaktionen umzugehen. Verschiedenen soziale Lebensrollen, z. B. die Rolle der Mutter, und der damit verbundenen Aufgaben können vielleicht nicht mehr zufriedenstellend erfüllt werden. Auch durch eingeschränkte psychische Grundfunktionen wie Ausdauer, Belastbarkeit, Flexibilität, Konzentration und Motivation, können Aktivitäten beeinträchtigt sein. Traumatisierte Personen berichten auch häufiger von einer veränderten Körper- und Selbstwahrnehmung, unter der sie leiden und die Aktivitäten hemmen kann. Und ein chronisches Gefühl der Anspannung, wie bei einem „ständigen Bedroht-Sein“, führen zu einer raschen Erschöpfung. Die Tages- und Zeitstrukturierungen gehen leicht verloren. Für Trauma-Patienten ist es eine wichtige Erfahrung, aus der Ohnmacht heraus wieder ins Handeln zu kommen und ihren Lebensrollen entsprechend zufriedenstellend agieren zu können, beziehungsweise in ihrer individuellen Umwelt teil zu haben. „Die Ergotherapie nutzt eine andere Form der therapeutischen Interventionen als die Psychotherapie: Durch gemeinsame (Alltags-) Handlungen wird ein besonderer Lernraum geschaffen“.1 Auch feindliche und misstrauische Haltungen können oftmals leicht im Tun abgebaut werden und Vertrauen gewagt werden. Der Aufbau einer verlässlichen und vertrauensvollen Beziehung zum Ergotherapeuten und der Gruppe ist herausfordernd und chancenreich. Die Aktivitäten und die Wiedererlangung einer Struktur im Alltagshelfen Selbstwirksamkeit zu erleben und sich zu stabilisieren. Unsere Patienten kreieren auch in der Ergotherapie unter Anleitung eine Fülle an stabilisierenden Elementen und konkret anwendbaren Fertigkeiten (Skills). Wir finden gemeinsam heraus, was wohltuend ist und bauen angenehme Aktivitäten im Alltag auf. Verschiedene stabilisierende Handlungsmethoden und Materialien werden zum Beispiel zu einem „Ressourcen- bzw. Skills-Koffer“ in der Stabilisierungsgruppe
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zusammengestellt. Auch das „Genießen können“ ist eine Fähigkeit, die ganz praktisch trainiert werden kann (Genusstraining). Kreativ-handwerkliche Gruppen vermitteln unter Anderem wieder Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten und ermutigen zum Explorieren. „Ich kann etwas tun und bewirken oder erreichen!“, berichten Patienten. Wir ermutigen traumatisierte Patienten besonders, angepasstes Verhalten mutig zu reduzieren und eigenen Interessen und Bedürfnissen nach zu gehen. Im Alltags- oder Berufstraining können Handlungsfähigkeiten und Handlungsoptionen kennen gelernt und erprobt werden. Wichtige Lebensbereiche gelangen so wieder in den Blick und Veränderungen können vorgenommen werden, neue Routinen entwickelt oder zurückgewonnen werden. Auch Tätigkeiten wie das Boxen und ein Selbstverteidigungskurs können hilfreich sein. Im therapeutischen Boxen wird Wut spürbar und bewältigbar zugelassen und ein Zugang zur eigenen Kraft gefunden. In einem Selbstverteidigungskurs geht es dann darum Risiken und die Gewaltentstehung einzuschätzen, das Grenzen setzen zu üben („Nein-Sagen“), Handlungsstrategien zu erproben und somit auch Selbstsicherheit zu gewinnen. Ebenso wichtig ist es aber auch, nach zum Teil „jahrelangen Kämpfen“ emotional abzurüsten und wieder entspannen zu lernen, um neue Kraft zu gewinnen (Entspannungstraining). Auch im Sozialen Kompetenztraining werden Handlungsoptionen erarbeitet und erprobt und Fähigkeiten entwickelt, wie zum Beispiel Widerspruch äußern, um Hilfe bitten oder unerwünschte Kontakte beenden können. Im Aktiven Gesundheitstraining werden Ressourcen entdeckt und verankert, die Resilienz und gesundheitsförderndes Handeln gestärkt. Der Aufbau angenehmer Aktivitäten, die Gestaltung persönlicher Beziehungen und eine ausgewogene LifeBalance bzw. die Entspannungsfähigkeit sind Inhalte im Freizeitkompetenztraining. Bei traumatisierten Patienten haben sich auch ergotherapeutische Konzepte bewährt, die die Selbststeuerung und Wahrnehmung des eigenen körperlichen und psychischen Zustandes trainieren und somit selbstbestimmtes Handeln ermöglichen.
In der Ergotherapie stehen nicht belastende Ereignisse, Krankheiten, Medikamente, etc. im Vordergrund, sondern die Bewältigung des Alltags, die Lebensqualität und das Wohlbefinden in den Aktivitäten und Handlungen. Auch über einen teilstationären oder stationären Aufenthalt in der psychosomatischen Rehabilitation hinaus ist Ergotherapie durch einen Arzt auf Rezept verordnungsfähig (psychisch-funktionelle Behandlung). Mögliche Ziele der Ergotherapie bei traumatisierten Patienten:
• Kraft entwickeln für das Leben • Psychische Stabilität aufbauen • Zufriedenstellendes, individuelles Zeitmanagement und Tagesstruktur entwickeln • Den Alltag nach den eigenen Bedürfnissen gestalten • Einen selbstbestimmten Umgang mit eigenen Gefühlen fördern • Eine gute Balance zwischen Anforderungen und Entspannung entwickeln • Einen zufriedenstellenden Arbeitsalltag proaktiv gestalten • Eine Selbstbestimmte Lebensführung entwickeln • Die Konzentration und Merkfähigkeit verbessern • Förderung der sozio-emotionalen Fähigkeiten wie Konflikt- und Kritikfähigkeit • Erkennen und Äußern eigener Wünsche und Bedürfnisse • Förderung emotionaler und körperlicher Wahrnehmung • Auseinandersetzung mit Gefühlen, Wünschen, Werten und Bedürfnissen
• Handwerklich-kreative Gruppen • Schmerzgruppe zur Behandlung traumatisierter Schmerzpatienten • Tiergestützte Therapie • Beratung bei unterstützenden Hilfsmittel z. B. digitalen Anwendungen/Apps Fußnoten 1 Schreiner, A. (2016): Aus der Ohnmacht zur Handlung - Wege zur unterstützenden Heilung von komplex traumatisierten Patientinnen in der Ergotherapie. Verfügbar unter: www.ankeschreiner.de/docs/ ergotherapie_austria_1601_s20ff_Ohnmacht.pdf
Literatur • Kielhofer, G., Marotzki, U., Mentrup C. (2005): Model of Human Occupation (MOHO) – Grundlagen für die Praxis. Heidelberg: Springer Medizin Verlag. • Thielen, S. (2019): SELWA® - Ergotherapeutisches Konzept zur Behandlung psychisch/psychosomatisch Erkankter. • Voelzke, M. (2018): Ergotherapie im Rahmen der DBT – Handlungs- und materialbezogenes Arbeiten. Stuttgart: Schattauer Verlag.
Kunsttherap ie „Die besondere Qualität der Kunsttherapie liegt darin, den Kontakt zu sich selbst herzustellen und eine Verbindung zu einer unbewussteren Ebene der inneren Bilder zu schaffen.“ (Karin Kirschmann) Wenn Worte allein nicht ausreichen, helfen Bilder und Skulpturen, auszudrücken was vorerst unklar und unaussprechbar war. „Ich mache mir ein Bild von …“ Kunsttherapie ist ein psychotherapeutisches Therapieverfahren, das den bildnerischen Ausdruck und verschiedene, künstlerische Medien einsetzt, um Patienten einen Zugang zu inneren Prozessen, Gefühlen, Verhaltensmustern und Ressourcen zu ermöglichen. Angestrebt wird ein Gestaltungsprozess, als Beziehungserfahrung zwischen Patient und Bild, aber auch mit dem Therapeuten und Gott. Vorkenntnisse, künstlerisches Können oder das Gefallen (Ästhetik) von Werkstücken sind dabei nicht ausschlaggebend. Stabilisierungsphase
In der Stabilisierungsphase geht es vor allem darum, einen Zugang zu Ressourcen zu entdecken und einen fürsorglichen Umgang mit sich selbst zu erlernen. „Bilder und Gestaltetes sind Container für Belastendes, Zugang zu Veränderung fördernden Kräften und Anker für heilsame Erfahrungen. Einen inneren Zustand malend und gestaltend ausdrücken zu können, heißt in Bewegung zu sein, etwas tun zu können, sich mitzuteilen. In den gestalterischen Prozess kann jetzt die Achtsamkeit, der Schutz, die Kontrolle einfließen, die es damals nicht gab.“ 1 Übungen wie eine „Tresorübung“, „meine Schutzfarbe“, die visualisierte „Sichere Ort“– Übung, Verwandlungsbilder, Rahmenbilder können dieses Erleben unterstützen. Damit unterstützt die Kunsttherapie Imaginationsübungen und angstfreies Gestalten. „Der Umgang mit gestalterischem Material kann aus der traumatischen Erstarrung befreien. Verschüttetes kann gesehen, geborgen und versorgt werden. Isoliertes bekommt einen Platz. Mit den Händen etwas tun, schöpferisch tätig zu sein, zu gestalten und zu verändern, Formen zu finden, heißt auch, das Eigene
Mögliche Inhalte der Ergotherapie bei traumatisierten Patienten:
• Alltagstraining • Berufstraining • Freizeitkompetenztraining • Genusstraining • Stabilisierungsgruppen • Aktives Gesundheitstraining • Konzentrationstraining • Soziales Kompetenztraining • Entspannungstherapie • Therapeutisches Boxen und Selbstverteidigungstraining
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wiederzufinden und in Kontakt zu sein mit dem durch die Traumatisierung unbeschädigten Bereich des Selbst.“ 2 In manchen Fällen kann die Stabilisierungsphase ausreichend sein. Nicht immer ist eine Traumakonfrontation notwendig. Explorationsphase (Traumakonfrontation)
Eine Traumakonfrontation, das heißt die Auseinandersetzung mit dem belastenden Erlebten, ist in der de’ignis-Fachklinik im Einzelsetting möglich. Außerdem sollten die Patienten zusätzlich therapeutisch begleitet und gut angebunden sein. Die gestalterische Auseinandersetzung mit traumatischen Erinnerungen oder mit bedürftigen, verletzten kindlichen Anteilen (Nachversorgung) bedarf eines geschützten Rahmens. Ebenso die Arbeit mit inneren Aggressoren (Täterintrojektionen) oder die Auseinandersetzung mit dem eigenen Körpererleben, Schmerzen oder unangenehmen Emotionen (Ekel, Scham, Schuld). Integrationsphase
In der Integrationsphase sind die Trauerarbeit und die Neuorientierung in eine hoffnungsvolle, zuversichtliche Zukunft der gestalterische Schwerpunkt. Der innere Frieden und die Akzeptanz, bei gleichzeitiger Benennung des Erlebten und Einordnung in die eigene Biographie sind in dieser Phase wichtig. Dabei werden die Bewältigungsstrategien und der therapeutische Weg , der zurückgelegt wurde, gewürdigt. Außerdem werden wiedererlangte oder erworbene Ressourcen gefestigt. Die verschiedenen Phasen der kunsttherapeutischen Arbeit mit traumatisierten Patienten laufen nicht zwingend linear ab, Fußnoten sondern orientieren sich an den aktuellen 1 Gromes, 2008, aus Kunsttherapie bei psychosomatischen Störungen, S. 94 Bedürfnissen der Person. 2 ebd.
Bild: Paulo Sousa / photocase.de
Literatur • Trautmann-Voigt, S., Voigt, B. (2007). Körper und Kunst in der Psychotraumatologie – Methodenintegrative Therapie. Stuttgart: Schattauer Verlag. • Von Spreti, F., Martius, P., Förstl, H. (Hrsg.) (2005). Kunsttherapie bei psychischen Störungen. München: Urban & Fischer Verlag. • Martius, Ph., von Spreti, F., Henningsen, P. (2008). Kunsttherapie bei psychosomatischen Störungen. München: Urban & Fischer Verlag.
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Autorin
Jana Schwarz ist Ergotherapeutin im de’ignisGesundheitszentrum in Egenhausen.
Der Vergebungsprozess Vergebung ist ein zentrales Thema im christlichen Glauben. Das Kreuz als wichtigstes Symbol des Christentums, lässt dies schon erkennen. Doch wie genau sieht der Prozess der Vergebung aus? Was sagt die Bibel zu diesem Thema? Von Michael Appel
Forgiveness, 1908 –1909 von Carl Vilhelm Meyer (Öl auf Leinwand)
de’ig n is-ma g a z in – Titelthema
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Alle Vergebung basiert auf der Grundlage der Vergebung Gottes, welche durch den Glauben an Jesus Christus wirksam wird. Das Sterben Jesu am Kreuz ermöglicht erst diese Vergebung. Diese Vergebung bezieht sich nun nicht nur auf die vertikale Ebene, also von Gott zu Mensch, sondern auch auf die horizontale Ebene, also von Mensch zu Mensch. Das Neue Testament fordert darum auf, sich gegenseitig zu vergeben. Dies wird im Vaterunser deutlich: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.“ (Mt. 6,12). Auch der Apostel Paulus fordert die Christen in Ephesus auf, einander zu vergeben (Eph. 4,32). Wie alle geistlichen Dinge, zum Beispiel Bekehrung und innere Heilung, ist auch die Vergebung ein Prozess, in dem man verschiedene Stadien durchläuft. Die meisten Menschen, die verletzt werden, können nicht sofort vergeben, sondern brauchen Zeit dafür. Bei schweren Traumatisierungen, wie zum Beispiel langjährigem Missbrauch oder Kriegserfahrungen, kann dies Monate bis Jahre dauern. Vergebung ist nicht einfach und fordert uns heraus. Auch Gott hat einen hohen Preis für die Vergebung der Menschheit bezahlt: sein Sohn Jesus Christus hat am Kreuz dafür gelitten. Wie bei jeder Veränderung braucht es auch beim Vergebungsprozess einen ersten Schritt und dieser ist oft schwer. Der nachfolgend beschriebene Ablauf, soll ein Hilfsmittel sein, Menschen auf diesem Weg zu begleiten.
ja alles zurückzahlen. Da bekam der Herr Mitleid, er gab ihn frei und erließ ihm auch noch die ganze Schuld. Kaum draußen, traf dieser Mann auf einen Kollegen, der ihm einen geringen Betrag schuldete. Den packte er an der Kehle, würgte ihn und sagte: Gib zurück, was du mir schuldest! Der Schuldner fiel auf die Knie und bettelte: Hab Geduld mit mir! Ich will es dir ja zurückgeben! Aber sein Gläubiger wollte nichts davon hören, sondern ließ ihn ins Gefängnis werfen, bis er die Schuld beglichen hätte. Als das seine anderen Kollegen sahen, konnten sie es nicht fassen. Sie liefen zu ihrem Herrn und erzählten ihm, was geschehen war. Er ließ den Mann kommen und sagte: Was bist du für ein böser Mensch! Ich habe dir die ganze Schuld erlassen, weil du mich darum gebeten hast. Hättest du nicht auch Erbarmen haben können mit deinem Kollegen, so wie ich es mit dir gehabt habe? Dann übergab er ihn voller Zorn den Folterknechten zur Bestrafung, bis er die ganze Schuld zurückgezahlt haben würde. So wird euch mein Vater im Himmel auch behandeln, wenn ihr eurem Bruder oder eurer Schwester nicht von Herzen verzeiht.“ (Nach GNB) Jesus macht mit diesem Gleichnis die Wichtigkeit der gegenseitigen Vergebung deutlich. Außerdem dient die Anweisung des Apostel Paulus im Römerbrief 12,19 „Nehmt keine Rache, holt euch nicht selbst euer Recht, meine Lieben, sondern überlasst das Gericht Gott“ noch als weitere Basis für die folgenden Überlegungen.
Theologische Grundlagen
Ablauf des Vergebungsprozesses:
Als Grundlage für Vergebung dient das Gleichnis des „Unbarmherzigen Schuldners“ bzw. „Schalksknechts“ in Matthäus 18, 21–35: „Jesus fuhr fort: Macht euch klar, was es bedeutet, dass Gott angefangen hat, seine Herrschaft aufzurichten! Er handelt dabei wie jener König, der mit seinen Verwaltern seine Güter abrechnen wollte. Gleich zu Beginn brachte man ihm einen Mann, der ihm einen Millionenbetrag schuldete. Da er nicht zahlen konnte, befahl der Herr, ihn zu verkaufen, auch seine Frau und seine Kinder und seinen ganzen Besitz, und den Erlös für die Tilgung der Schulden zu verwenden. Aber der Schuldner warf sich vor ihm nieder und bat: Hab doch Geduld mit mir! Ich will dir
Pha se 1: Abre chnen So wie der König hier im Gleichnis mit seinen Knechten abrechnet, ist es notwendig im Vergebungsprozess mit den Angeklagten bzw. Schuldigen abzurechnen. Vergebung bedeutet nicht die Schuld unter den Teppich zu kehren oder zu verneinen. Sonst besteht die Gefahr, dass Verletzungen verdrängt werden und im Unterbewusstsein weiter brodeln. Die Folge kann sein, dass Menschen verbittern. Gott selber ignoriert Schuld nicht einfach, sondern sie muss beglichen werden. Anders ausgedrückt: Schuld/ Sünde sollte klar benannt werden. Dies hat oft eine befreiende Wirkung. Dabei ist es wichtig, zu klären, ob andere/weitere Dinge
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auch beim Patienten vorliegen, wie zum Beispiel: eigene Schuld, Übertragungen, eigene Verletztheit, Zwänge oder Versündigungswahn usw. In dieser ersten Phase gibt es aber auch eine Warnung: Es besteht die Gefahr in diesem Stadium stecken zu bleiben und dabei zu verbittern. Dies sollte der*die Seelsorger*in bzw. der*die Therapeut*in im Auge behalten. Pha s e 2: L os la ss en Wenn wir nun wissen, welche Schuld vorliegt, z. B. sexueller Missbrauch, Lügen oder Ehebruch usw. dann kommen wir zum Kern der Vergebungsarbeit. Normalerweise hätte nun der Schuldige die geeignete Strafe verdient. Statt das Urteil nun zu vollstrecken, wird dem Angeklagten die Schuld erlassen und es kommt zu einem Freispruch. Die Forderung nach Rache und Vergeltung wird fallen gelassen. Sehr oft bewirkt das Loslassen eine intrapsychische Entlastung und der Heilungsprozess wird unterstützt. Auch ist der*die Patient*in/Klient*in nicht mehr in der Opferhaltung, sondern wird aktiv. Durch dieses Loslassen wird geistliche Gebundenheit an den*die Täter*in gelöst und es kommt zu neuer Freiheit. Pha s e 3: Üb er g eb en Dies ist der letzte Aspekt bei der Vergebungsarbeit. Nach dem Römerbrief sollen wir Christen Gott das Richten und Strafen überlassen. Das heißt im Fall der Vergebungsarbeit, das Anliegen an Gott abzugeben. Gott sagt im Alten und Neuen Testament: „Die Rache ist mein, ich will vergelten, spricht der Herr.“ (Röm. 12,19) Gott wird die Schuldfrage gerecht und objektiv beurteilen. Das Delegieren an Gott befreit von Rachegedanken und ist hilfreich bei der Verarbeitung der Verletzungen. Gott der Herr wird Gerechtigkeit in Ewigkeit walten lassen. Dieser Ewigkeitsfaktor lässt die Schuld und die Verletzungen oft in einem anderen Licht erscheinen und hilft die Wunden heilen zu lassen. Pra ktische D urchf ü hr ung Wenn ich Patienten bei diesem Vergebungsprozess begleite, frage ich zuerst nach, ob sie das überhaupt wollen. Dann gebe ich ihnen
Praxisbeispiele
Herrn M. habe ich während seines Klinikaufenthaltes begleitet. Er wollte gerne seinem Vater vergeben, welcher ihn in der Kindheit sexuell missbraucht und geschlagen hatte. Er hatte schon im Gebet versucht, ihm zu vergeben, aber es blieb weiterhin ein wichtiges unerledigtes Thema für ihn. Er hatte seinen Vater aber noch nie konkret angeklagt. Während der Stuhlarbeit kam sehr viel Wut und Aggression hoch, welche er bisher verdrängt hatte. An den folgenden Tagen haben wir konkret mit seiner Wut gearbeitet. Dies erlebte er als sehr befreiend und auch andere psychische Probleme reduzierten sich. Ein zweites Beispiel ist Frau P. Sie konnte ihrem Ex-Ehemann einfach nicht vergeben, der sie über Jahre betrogen hatte. Sie schrieb einen zehnseitigen Anklagebrief, welchen sie über eine Stunde vorgelesen hat. All die Verletzungen und Schuld mal auszusprechen, war sehr hilfreich und entlastend für sie. Herr K. wollte gerne seinem christlichen Arbeitgeber vergeben, welcher ihn abserviert hatte, weil es zwischenmenschliche Konflikte gab. Er wusste aber nicht, wie er das genau machen sollte. Wir haben den kompletten Vergebungsprozess durchgearbeitet und den Anklagebrief gemeinsam geschreddert.
Vertiefende Aspekte zum Thema Vergebung
Al l g emein e A sp ekte Für eine*n christliche*n Therapeut*in bzw. Seelsorger*in ist der Vergebungsprozess sehr wichtig, um besonders gläubige Patienten gut zu begleiten. Dieser Prozess ist sehr individuell und braucht Empathie, um zu erkennen, wo der*die Patient*in gerade steht und was wirklich dran ist. Die drei Phasen in der hier vorgestellten Vergebungsarbeit sollen ein Beispiel und Hilfsmittel sein. Eine einfache feste Struktur ist für viele Patienten nützlich und hilfreich. Neben dem geistlichen Aspekt ist der Vergebungsprozess auch für die psychische Gesundheit wichtig. Es hilft dem ganzen Menschen: Geist, Seele und Körper.
Heil ig er G eist und Gnade G ottes Vergebung ist ein Geschenk Gottes. Diese Bereitschaft bewirkt der Heilige Geist in Menschen. Bei der Lösung von Schuld, sowie Heilung von Verletzungen ist der Geist Gottes am Wirken. Ohne das Eingreifen vom Heiligen Geist ist echte Vergebung nicht möglich. Deshalb können wir Vergebung auch nicht erzwingen. Aber wir können uns öffnen und Gott wirken lassen. Dies ist der aktive Part im Vergebungsprozess. Wir haben immer die Möglichkeit den Heiligen Geist einzuladen.
Verg ebung und der Alte Mensch In der Bibel wird der „Alte Mensch“ als das „Widergöttliche“ im Menschen bezeichnet. Dieser „Alte Adam“ möchte keine Vergebung, sondern Rache und verletzen. Auch dieser Aspekt ist in der therapeutischen Arbeit zu berücksichtigen und ggf. anzusprechen. In diesem innerpsychischen Konflikt ist die alte christliche Frage berechtigt: Wem gebe ich Raum? Dem Heiligen Geist oder Verg e bung und staatl iche G e wa lt meinem alten Ego? Nur der Heilige Geist Die Aufforderung, zu vergeben, ist an Chris- schafft die Überwindung unserer selbstten gerichtet und nicht an Staaten. Laut süchtigen Anteile (vgl. Röm. 8). dem Römerbrief Kapitel 13 ist der Staat dazu eingesetzt, das Böse einzudämmen Wie derg utmachung und Gerechtigkeit walten zu lassen. Wenn Wiedergutmachung ist ein biblisches Prinalso jemand vor dem Staat/Gesetz schuldig zip (vgl. Gebote aus dem Alten Testament, wird, hat er auch die entsprechende Strafe Zachäus). Eine Wiedergutmachung ist oft verdient und muss diese tragen. Vergebung hilfreich bei der Heilung von Verletzungen. bedeutet also keine Schonung vor Strafver- Das Leid wird anerkannt und eine Entschäfolgung. Dies ist besonders in christlichen digung angestrebt. Dem*der Täter*in tut Kreisen wichtig, damit Vergehen nicht ver- sein Verhalten leid und eine Entschädigung tuscht, sondern angezeigt werden. oder Entschuldigung wird gewährleistet. Er/ sie könnte aber auch eine Therapie bezahVerg e bung und G ef ü h le len. Die Wiedergutmachung ist keine VorIm Vergebungsprozess durchlaufen viele aussetzung für Vergebung. Wir haben die Menschen verschiedene Phasen von Gefühls- Aufforderung zu vergeben, auch wenn der zuständen, z. B. Verleugnung, Trauer, Wut Schuldige es nicht einsieht. und Resignation. Diese Gefühlsschwankungen sind normal und wichtig für eine gesunde Verarbeitung. Vergebung bedeutet auch nicht, wie oft fälschlicher Weise gesagt wird, dass alle negativen Gefühle weg sind. Dies kann natürlich passieren, ist aber kein objektives Kriterium. Vergebung ist kein 08/15 Schema, sondern läuft bei jedem anders ab, weil die Verletzungen und die Persönlichkeiten unterschiedlich sind.
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einen Vortrag zum Thema Vergebung und über den Vergebungsprozess zum Anhören mit. Danach dürfen sie einen Anklagebrief an den*die Täter*in schreiben. Im Anschluss wird dieser Brief in einer Stuhlarbeit vorgelesen. Der leere Stuhl gilt als Platzhalter für die Schuldige. Nach dem Vorlesen frage ich die Patientin, ob sie bereit ist, zu vergeben. Dies wird eigenständig vom Patienten im Gebet formuliert. Zum Schluss segne ich die Ratsuchende und stelle sie unter Gottes Segen und übergebe Gott die Angelegenheit. Danach wird der Anklagebrief geschreddert oder verbrannt.
Detail des Gemäldes Abstieg vom Kreuz, 1435 von Rogier van der Weyden (Öl auf Leinwand)
Ver g ebung und Ab g renzung Einige Menschen wollen nicht vergeben, aus der Angst heraus, wieder verletzt zu werden. Vergebung bedeutet deshalb nicht, dass wir nie wieder verletzt werden, diese Gefahr besteht weiterhin. Ein*e Patient*in/ Klient*in hat aber das Recht auf Abgrenzung. Vergebung bedeutet auch nicht, dass jeder mit uns machen kann, was er will. Verletzte Menschen haben das Recht sich zu schützen. Ver g ebung und Versö hnung Es gibt einen Unterschied zwischen Vergebung und Versöhnung. Vergebung ist, dass ich dem Betreffenden die Schuld nicht mehr anrechne. Versöhnung ist ein Neuanfang und Vergebung von beiden Seiten. Versöhnung ist oft wünschenswert, aber nicht immer möglich. Vergebung meinerseits ist jedoch immer möglich. Auch wenn Versöhnung erfolgt, ist ein ständiges Treffen nicht immer erstrebenswert z. B. bei starken Verletzungen. Zusammenfassung
Für mich ist Vergebung ein Geschenk Gottes. Gerade für eine*n Seelsorger*in ist der Vergebungsprozess ein wichtiges Instrument. Gegenüber säkularen Therapeut*innen ist der geistliche Aspekt der Vergebung ein Spezialgebiet des*der christlichen Therapeut*in und somit auch ein geistlicher Auftrag. Vergebung ist ein Prozess, der individuell verläuft. Anklagen, Loslassen und Übergeben sind wichtige Phasen. Kreative Elemente wie Anklagebrief, Stuhlarbeit und symbolisches Verbrennen des Briefes unterstützen diesen Prozess. Dabei fördern emotionale Reaktionen den Heilungsweg.
Autor
Michael Appel hat einen B. A. in ev. Theologie und ist Krankenpfleger in der de’ignis-Fachklinik
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Ein Erfahrungsbericht:
Die Kontrolle zurückgewinnen Die Autorin ist der Redaktion bekannt.
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Aufgewachsen bin ich in einer „christlichen“ Familie. Nach außen hin schien alles wie eine „schöne heile Welt“, aber hinter verschlossener Tür gab es ein Geheimnis, von dem nicht mal mein Vater wusste. Während meiner gesamten Kindheit wurde ich von meiner Mutter verbal und körperlich missbraucht, gedemütigt, erniedrigt und in jeglicher Form als wertlos bezeichnet. Privatsphäre gab es für mich nicht. Aus ihrer Sicht war ich das „schwarze Schaf “ in der so weißen Familie. Wenn ich mich verletzt zeigte, war ich „zu sensibel“, wenn ich versuchte mich zu wehren war ich das „schwierige“ Kind, wenn ich etwas falsch machte wurde mir gesagt wie „dumm“ ich sei. Meine jüngere Schwester war die tolle, intelligente und wunderschöne Tochter. Das wurde mir immer wieder deutlich vermittelt. Wenn ich „Trauma“ hörte, dachte ich, dass es sich um die Folgen eines schlimmen Moments oder einer Situation handelte. Tatsächlich war aber auch ich Opfer eines Traumas. Nicht ein Moment, nicht eine Situation, sondern jahrelanger verbaler und körperlicher Missbrauch beeinflussten mein Leben so stark, dass ich nicht fähig war als erwachsene Person richtig und gesund zu leben. Lange dachte ich, dass es normal sei und das Leben eben so ist. Ich dachte, dass es normal sei, sich mit verschiedenen Situationen schwer zu tun. Mir wurde irgendwann mal klar, dass meine Mutter nicht normal ist. Aber bis ich wirklich verstand, dass ich unter ihrem Einfluss litt, vergingen noch viele Jahre. Erst mit 35 Jahren hatte ich plötzlich den entscheidenden Moment, der mir klarmachte, dass mein Leben doch nicht normal war, dass meine Erfahrungen nicht ok waren und ich Hilfe brauchte.
Nachmittags gab es, aus meiner Sicht, ein paar seltsame Momente zwischen meinen Kindern und meiner Mutter, aber ich vermutete, dass ich mir nur etwas einbildete. Später, als wir wieder zu Hause waren, brach mein Sohn in Tränen aus. Er erzählte mir wie sehr er sich von seiner Oma verletzt fühlte, wie er sich abgewiesen und deutlich benachteiligt (zu seiner Schwester) fühlte. Tröstend und ermutigend stand ich meinem Sohn zur Seite und nach dem er sich beruhigt hatte war das Thema für ihn erst einmal erledigt, doch mir ging sein Empfinden nicht mehr aus dem Kopf. Was mir an diesem Nachmittag aufgefallen war, war keine Einbildung. Meine Mutter hatte tatsächlich meinen Sohn abweisend behandelt und meine Tochter deutlich bevorzugt. Ich verstand nicht wie eine Oma ihre Enkel so behandeln konnte also begann ich im Internet nach Verhaltensmustern zu suchen um eine Erklärung zu finden, die das normalisieren könnte. In den folgenden Tagen kam es wie eine schreckliche Welle über mich, ein Gefühl keine Luft mehr zu bekommen, als mir bewusst wurde, dass diese Situation genau dem entsprach, was ich als Kind durchgemacht hatte. Diese leise und unauffällige Abweisung die so sehr schmerzte, dieser Moment, wenn eine vertraute Person, von der man Liebe erwartet, einem plötzlich jegliche Grundlage für Liebe und Geborgenheit nimmt.
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Immer weiter suchte ich nach Erklärungen, Beispielen von anderen und kam schließlich zu der Vermutung, dass meine Mutter wahrscheinlich eine Persönlichkeitsstörung hat. Auch wenn das nun all die schrecklichen Dinge erklärte, brachte das dennoch mehr und mehr die Erinnerungen aus meiner Vergangenheit hoch. Worte und Situationen von meiner Kindheit kamen in mein Es war an einem schönen Sonntag im Mai, Gedächtnis, als wäre es gestern erst passiert. meine Eltern hatte mich, meine Familie und noch andere Verwandte zum Essen eingeladen. Anschließend gingen wir an einem Teich spazieren, wobei sich mein Sohn immer wieder von der Gruppe abnabelte und alleine ging. Er wirkte etwas anders als sonst, aber ich dachte, er brauchte einfach nur etwas Zeit für sich. Während des
Plötzlich war der jahrelange, unterschwellige Schmerz real, er tat weh. Ich konnte nicht mehr klar denken und stand vor diesem riesigen Berg von schmerzlichen Erfahrungen und wusste nicht wie ich damit umgehen sollte. Über Bekannte erfuhr ich von der de’ignisBeratungsstelle in Stuttgart und füllte sofort das Kontaktformular aus. Die drei Wochen bis zu meinem ersten Termin schienen mir wie eine Ewigkeit zu dauern. Als es dann endlich soweit war, kam eine Erleichterung über mich. Es fühlte sich an als würde mir jemand eine unglaublich schwere Last nehmen. Es dauerte fast zwei Jahre bis ich lernte anders zu denken und zu leben, aber dieser erste Termin gab mir das Gefühl, dass ich nicht mehr alleine durch das Ganze gehen muss und es jetzt jemanden gab, der mir zur Seite steht. In den folgenden zwei Jahren lernte ich erwachsen zu werden. Nach außen hin war ich das natürlich schon, verheiratet, zwei Kinder und selbstständig, aber innerlich war ich ein Kind, unsicher, verletzt, wütend und verängstigt. Der erste Schritt bestand darin mir erst einmal klar zu machen, dass ich erwachsen bin. Meine Mutter war auf derselben Ebene wie ich, nicht über mir. Sie konnte mich nicht mehr beherrschen. Ich hatte meine Mutter etwa drei Monate lange gemieden und hatte all meinen Mut zusammengefasst um mich mit ihr alleine zu treffen. Auf dem Weg zu dem Treffen redete ich mir die ganze Fahrt über ein „Ich bin erwachsen, ich kann das …“ Bei dem Treffen erzählte ich ihr alles was sich ereignet hatte und erklärte ihr auch, dass es so nicht weitergehen kann. Sie schien verständnisvoll und ich hatte Hoffnung, dass es besser werden könnte, aber leider waren das auch wieder nur leere Worte von ihr.
Es fühlte sich an als würde mir jemand eine unglaublich schwere Last nehmen. 45
Freude auszulösen. Diese Erfahrung gab mir Frieden und eine Sicherheit, die ich bis zu diesem Zeitpunkt so nie gespürt hatte. Dennoch musste ich auch an mir arbeiten um voran zu kommen. Diese Übung hatte mir mehr Sicherheit gegeben, aber anwenden musste ich diese selbst und oftmals aus meiner bequemen/gewohnten? und sicheren Welt hinaustreten. Ich musste lernen Konfliktsituationen direkt anzusprechen, statt sie zu ignorieren und in mich „hinein zu fressen“. Das verlief anfangs sehr holprig und ich machte noch einige Fehler. Mit der Zeit lernte ich jedoch mich In dem Heilungsprozess war für mich die in mein Gegenüber hineinzuversetzen und wahrscheinlich eindrucksvollste, therapeu- meinen Standpunkt ohne einen Angriff zu tische Erfahrung, eine Imaginationsübung. vermitteln. Mit Hilfe meiner Therapeutin versetzte ich mich in eine, für mich damals schmerzhafte Es kam der Tag, an dem ich fähig war, meiner Situation. Ich schloss meine Augen und Mutter klar zu sagen, dass sie keine Kontbegab mich zurück in genau diesen Moment, rolle mehr über mich hat, dass ihre Worte ich sah mein „Kind-Ich“, meine Mutter und mich nicht mehr angreifen können, dass es ich sah wie sie mir weh tat. Ich konnte als mir egal ist ob sie sich „verletzt“ fühlt, bei Erwachsene in diesen Moment eintreten, dem Verlust dieser Kontrolle. Dieser Tag konnte meiner Mutter das sagen was ich war bedeutend, befreiend und der Wendedamals aus Angst und Unsicherheit nicht punkt meines Lebens. Ich zitterte und war sagen konnte. Ich war in der Lage meiner aufgeregt, aber dennoch ruhig als ich mit Mutter in dieser Übung meine Meinung zu ihr sprach. Ich war bestimmend und klar in sagen und konnte ihr klarmachen, dass es dem was ich sagte. nicht ok ist, was sie da tut. Es gab mir Kraft, Ab diesem Moment änderte sich alles. Es Mut und es stärkte mein Selbstbewusstsein, war der Schlüsselmoment, den ich gebraucht es nahm mir jegliche Angst vor ihr. Auch hatte. Meine Angst vor anderen Menschen wenn das für mich ein sehr großer Schritt war plötzlich verschwunden und meine war und unglaublichen Wert trug, war es Unsicherheiten in alltäglichen Situationen dennoch für mich noch bedeutender mei- waren weg. Ich fühlte mich stark, sicher und nem Kind-Ich zu helfen. So konnte ich dem mutig. Es gibt hin und wieder Momente in kleinen Mädchen Mut machen und ihr sagen, denen mein kindliches Denken und meine dass alles irgendwann gut werden würde, Unsicherheiten hochkommen, aber jetzt dass all diese Erfahrungen dazu beitragen bin ich in der Lage diese zu erkennen und würden, eine tiefe und unbeschreibliche zu ändern.
Heute beginne ich jeden Tag mit Freude, kann vor Menschen sprechen, fühle mich in meinem Alltag sicher und stark. Ich bin Gott so dankbar, dass er mich zu de’ignis geführt hat und ich dort eine Therapie machen konnte. Gott hat mich in dem Prozess in vielerlei Hinsicht geleitet und half mir ein völlig anderes und neues Leben zu führen, ein Leben von dem ich nicht mal wusste, dass es für mich existieren kann.
Meine Angst vor anderen Menschen war plötzlich verschwunden und meine Unsicherheiten in alltäglichen Situationen waren weg. de’ig n is-ma g a z in – Titelthema
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Mir wurde klar, dass meine Mutter sich nicht ändern würde, also musste ich mich und meine Beziehung zu ihr ändern. Unter keinen Umständen wollte ich, dass meine Kinder das erfahren mussten, was ich durchgemacht hatte. Also beschloss ich für mich und meine Familie Grenzen zu setzten. Grenzen, die eine Beziehung ermöglichten, aber dennoch mich und meine Kinder schützten. Das passte zwar meiner Mutter, die Kontrolle liebte, überhaupt nicht, aber sie hatte keine Wahl, als das zu nehmen was sie bekam.
Ein Erfahrungsbericht:
In der Bewältigung des Traumas wachsen Die Autorin ist der Redaktion bekannt.
Nach dem Suizid meiner Mutter begann • für mich eine unglaublich schwere Zeit. Schon zuvor hatten Probleme in der Familie mich belastet. Doch die Zeit nach dem Suizid war für mich die Hölle. Gleichzeitig begann jedoch auch meine Reise auf dem Weg der Heilung, den ich mit Gott gehen durfte und darf. Mir war klar, dass ich um
dieses traumatische Ereignis zu verarbeiten professionelle Hilfe benötigte. Gleichzeitig waren mir die Vorurteile die bzgl. einer Psychotherapie existieren bewusst. In unserer Gesellschaft wird der Wert eines Menschen an seiner Leistung gemessen. Eine Person die eine Psychotherapie absolviert, wird oft mit einem defizitorientierten Blick betrachtet.
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Ich hatte Angst in eine Schublade gesteckt zu werden, wenn jemand mitbekommt, dass ich eine Therapie mache. Auch die Frage: „Was könnten die Leute reden?“ hat mich verunsichert. Die Entscheidung mit Gottes Hilfe mich durch all das Schwere hindurch zu kämpfen stand jedoch fest und so habe ich mich für eine Therapie bei de’ignis entschieden.
Im Rückblick auf die Therapie staune ich wie stark ich davon profitiert habe. Es sind Veränderungen eingetreten, die ich mir davor nur erhoffen konnte. Diese konnte ich nur erreichen indem ich mich den unbearbeiteten, traumatischen Erfahrungen stellte und diese ausgehalten habe. Das war intensiv, anstrengend und schmerzhaft. Ebenso aber auch heilsam. Bewusst habe ich mich in der Therapie mit Themen konfrontiert, bei denen ich das Gefühl hatte es kaum auszuhalten darüber zu sprechen oder auch nur darüber nachzudenken. Das war harte innere Arbeit. Mit Blick auf das, was ich geschafft habe, fühle ich mich jetzt unglaublich stark. Zu Beginn meiner Therapie, nur einige Monate nach dem Suizid meiner Mutter, stand zunächst die Krisenbewältigung im Vordergrund. Zu diesem Zeitpunkt hat es mir sehr gut getan, eine kompetente Psychologin an der Seite zu haben, die mich professionell in der ersten Phase des Schocks und der Trauer begleitet hat. Außerdem hat mir die Arbeit mit dem „inneren Kind“ sehr geholfen. Meine Therapeutin und ich haben uns Gedanken gemacht, was ich als Kind in schwierigen Situationen gebraucht hätte und wie ich heute für mein inneres Kind eintreten kann, damit es mir gut geht. Nach und nach war es mir immer mehr möglich an Themen zu arbeiten, die mit meiner Mutter bzw. dem Suizid zusammenhingen. Die Möglichkeit mit meiner Mutter noch einmal zu reden oder mich von ihr zu verabschieden hatte ich nicht. Ein enormer Gewinn war für mich die Arbeit mit einem „imaginativen Verfahren“ (Anmerkung der Redaktion: IRRT, vgl. Artikel von Dr. med. Rolf Senst). Mit meiner Therapeutin habe ich mit Hilfe dieses Verfahrens ein letztes Gespräch mit meiner Mutter geführt. Ich hatte die Augen geschlossen und unter Anleitung meiner Therapeutin mir vorgestellt ein letztes Gespräch mit meiner Mutter zu führen und ihr all das zu sagen was mir auf dem Herzen lag. Diese Sitzung war unglaublich schmerzhaft und intensiv. Gleichzeitig war sie sehr wertvoll für mich und ein großer Schritt in Richtung Traumabewältigung. Für ein Jahr war es mir nicht möglich das Grab meiner Mutter zu besuchen.
Gemeinsam mit meiner Therapeutin habe ich die Szene durchgesprochen. Das Grab meiner Mutter dann zum ersten Mal alleine besuchen zu können war ein riesiger Erfolg und somit ein Meilenstein für mich. Mittlerweile ist der Friedhof für mich zu einem Ort geworden an dem ich bewusst trauern kann und mich meiner Mutter nahe spüre. Aber auch die Tage vor und nach dem Suizid sowie die Beerdigung haben wir aufgearbeitet. Eine große Unterstützung war mir hierbei der Impuls meiner Therapeutin mir bewusst zu machen, wo auch Positives geschehen ist. Zum Beispiel der Beistand von Freundinnen und Freunden sowie der Familie und der Kirchengemeinde, was sich unter anderem in Besuchen äußerte, aber auch daran, dass ich gespürt habe, wie sehr die Menschen mit mir und meiner Familie mitleiden. Im Rückblick bin ich dankbar für alles was ich mir erarbeitet habe und wie ich in dem Ganzen gewachsen bin. Doch oft war der Prozess zäh. Hilfreich fand ich, dass meine Therapeutin mir immer wieder meine Fortschritte vor Augen geführt und mich daran erinnert hat, wie viele meiner Ziele ich schon erreicht habe. Ich habe gelernt zu akzeptieren, was passiert ist und damit zu leben. Der Geburts- und Todestag meiner Mutter sind noch immer schwierig für mich, doch ich weiß, wie ich mich verhalten kann, um damit gut umzugehen. Letzen Endes bin ich sehr dankbar für die Therapie und spüre wie meine Wunden zu einem großen Teil schon verheilt sind und bin mir sicher, dass sie komplett heilen werden.
Das war harte innere Arbeit. Mit Blick auf das, was ich geschafft habe, fühle ich mich jetzt unglaublich stark.
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Aktuell
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Fachklinik • Wohnheim • Institut • Stiftung
In der de’ignis-Fachklinik erhalten Menschen bei psychischen und psychosomatischen Erkrankungen, wie zum Beispiel Depressionen, Ängsten, Zwängen und Burn-out, sowohl stationär als auch ambulant oder tagesklinisch eine individuell auf sie ausgerichtete Behandlung. Zusätzlich bietet sie Nachsorge- und Sonderprogramme mit einzelnen Sozialversicherungsträgern sowie verschiedene Präventionsangebote an. ↗ Ab Seite 50 Das de’ignis -Wohnheim nimmt Menschen mit psychischen Erkrankungen und Lebenskrisen auf, die vorübergehend oder langfristig nicht in der Lage sind, selbstständig zu leben. Es deckt die Bereiche des intensiven und teilstationären Heimbereichs, den Wohntrainingsbereich sowie den ambulanten Bereich ab. Dabei bietet es ein umfangreiches sozialtherapeutisches Programm an. ↗ Ab Seite 60 Das de’ignis -Institut bietet seit über 20 Jahren erfolgreich Fortbildung, Schulung, Supervision und Beratung für Erwachsene sowie Kinder und Jugendliche an, hierbei insbesondere die Fortbildung für Christlich-integrative Beratung und Therapie. Das Institut bildet eine Schnittstelle zwischen Medizin, Psychologie und Theologie. ↗ Ab Seite 52 Die de’ignis -Stiftung in Polen bietet bereits seit einigen Jahren Seelsorgekurse an und unterstützt den Aufbau eines Seelsorge-Beratungsstellen-Netzwerkes. Des Weiteren erhalten Menschen mit psychischen Erkrankungen in der de’ignis-Beratungsstelle in Warschau ambulante Psychotherapie. ↗ Auf Seite 62
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Umbaumaßnahmen am Klinikcampus in Altensteig
Ganz herzlich möchten wir uns bei allen Spenderinnen und •Spendern für die eingegangenen Spenden bedanken. Das
sind sehr dankbar dafür, dass trotz der Corona-Pandemie •dieWir Bauarbeiten am Klinikcampus in Altensteig fortgeführt
sind herausfordernde Zeiten in der sich die Gesellschaft, Wirtschaft und Politik aktuell befindet, die auch uns als gemeinnützige Einrichtung herausfordern. Umso mehr schätzen wir Ihre Unterstützung und sind Ihnen dafür von Herzen dankbar. Als de’ignis möchten wir insbesondere in dieser Zeit weiterhin Menschen in ihren Krisensituationen kompetent auf christlicher Basis helfen.
werden konnten. Dieser wurde um ein neues Therapiegebäude erweitert. In diesem befindet sich nun ein großzügiger, multifunktionaler Raum für Gruppenangebote, Impulsvorträge und Andachten sowie ein moderner Gymnastikraum für körperliche Bewegungs- und Entspannungsübungen sowie daran angeschlossen ein Fitnessbereich mit zahlreichen Fitnessgeräten. Abschließende Handwerksarbeiten erfolgen noch, um das Gebäude in seiner Funktionalität und Gestaltung abzurunden. Durch die Erweiterung wird die Behandlungsqualität weiter erhöht. So bieten die Räumlichkeiten den Einsatz weiterer Therapiemodule die den Patienten für ihre seelische Genesung zu Gute kommen. Wir freuen uns sehr über die neuen Räumlichkeiten und bedanken uns bei allen Beteiligten die daran mitgewirkt haben.
Wer uns unterstützen möchte: Wir freuen uns auch weiterhin über jedes ermutigende Wort, Ihre Gebete und Spenden. Wir wünschen Ihnen Gottes Segen und dass Sie gut durch diese Zeit kommen! Spendenkonto: de’ignis-Fachklinik gGmbH Volksbank Nordschwarzwald eG IBAN: DE50 6426 1853 0062 1680 02 BIC: GENODES1PGW
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Illustration Seite 50, links: north100 / Adobe Stock; Bild Seite 51: alvarez / iStock
Ein großes Dankeschön für die eingegangenen Spenden
Ambulante Reha: Wohnortnah seelisch versorgt der stationären Rehabilitation bieten wir im Schwarz•waldNeben auch die ganztägig ambulante Rehabilitation in unserem
Ein zeltherap i e Gr upp entherap ie
de’ignis-Gesundheitszentrum in Egenhausen an. Diese ist für jeden interessant, der an einer seelisch bedingten Erkrankung leidet und aus persönlichen, familiären oder beruflichen Gründen besser von einem teilstationären als von einem vollstationären Behandlungsangebot profitieren kann. Der Bezug zur gewohnten Umgebung bleibt erhalten, so dass Patienten neue Erfahrungen gleich umsetzen können.
G esta ltung stherap ie Erg otherap ie S oz iotherap ie Arb eits- und B ela stung stra in ing
Zudem besteht hier der Vorteil, dass die Umsetzung des Gelernten und therapeutisch Vereinbarten engmaschig begleitet werden kann. Des Weiteren besteht dadurch die Möglichkeit, die therapeutischen Schritte bei Bedarf schnell anzupassen und kompetent auf Veränderungen im sozialen Umfeld zu reagieren. Inhaltlich bzw. generell wird das gesamte Spektrum aller psychosomatischen Krankheitsbilder im teilstationären Setting behandelt. In unserem kompetenten multimodalen und multiprofessionellen Team kommen unter anderem neben stehende Module zum Einsatz:
G esund heits vor trä g e Umf a ssendes Sp or t- und B e we g ung sang e b ot ( in Gr upp e und Einzel ) Konzentrations- und Aufmerk sam keitsd ia g nostik und -Tra in ing (auch b er uf sb e z o g en) Themenzentrier te G esprächs g r upp e zu leb enspra ktischen und g eistl ichen Gr undfra g en (a ls freiwil l ig es Ang eb ot) Entsp annung Phy s i otherap i e Komp etente somatische ( körp erl iche) är ztl iche B etreuung , in klusi ve Optim i er ung der Me d i kati on
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de’ignis-Institut gGmbH · Markgrafenweg 17 72213 Altensteig · Telefon +49 (0) 7453 94 94 -0 institut@deignis.de · www.deignis.de
Was macht das Fortbildungsangebot von de’ignis so einzigartig? Vielleicht haben Sie sich das auch schon gefragt, was die Fortbildungsangebote von de’ignis so besonders macht? Welche Vorteile habe ich, wenn ich diese Angebote in Teilen oder ganz besuche? Ist eine Verbindung von Wissen und Glauben möglich?
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Aufgrund unseres engagierten und persönlich gelebten Glaubens bieten wir einen wissenschaftlich fundierten Theorierahmen, in dem Glaube und Wissenschaft, Theologie und Psychotherapie nicht unverbunden nebeneinander stehen, sondern sich in dem von uns entwickelten Konzept der Christlichintegrativen Beratung und Therapie (CiBT) zu einer Theorie der menschlichen Existenz verbinden; hin zu einer Anthropologie, die besonders im bio-psycho-sozial-spirituellen Modell des Menschen, neben anderen Modellen und der Praxis der CiBT ihren Ausdruck findet.
Aufgrund unserer langjährigen Erfahrung im ambulanten und stationären Bereich der Behandlung psychischer Störungen verbinden wir klinische und sozialtherapeutische Kompetenz mit einer kontinuierlichen Theorieentwicklung.
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Aufgrund unserer christozentrischen spirituellen Erfahrung und theologischen Kompetenz gelingt uns ein bewusstes Crossover der Grenze zwischen Theologie und Psychologie.
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Aufgrund unserer klaren biblischen Positionierung und gleichzeitiger Interkonfessionalität und Interkulturalität basiert unser theologischer Standpunkt auf den Prinzipien der Sola-Aussagen Luthers und ergänzend dazu an der gemeinsamen Erklärung des Lutherischen Weltbundes und des päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen über Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre. Unsere Hermeneutik ist an der Kanonischen Exegese orientiert. Unser wissenschaftlicher Beirat besteht aus Mitgliedern anerkannter Konfessionen.
Zusammengefasst: Das Ineinandergreifen von hoher Fachkompetenz, einer christozentrischen überkonfessionellen Theologie mit persönlichen Glaubenserfahrungen (Gottvertrauen) sind das unverwechselbar Besondere und Einzigartige unserer Fortbildungs- und Schulungsangebote.
Bild rechts: AYAimages / Adobe Stock
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Aufgrund der hohen Fachkompetenz unserer Mitarbeiter und Referenten gelingt uns eine Gesamtschau medizinischer, psychiatrischer, psychotherapeutischer und sozialtherapeutischer Aspekte und deren Vermittlung auf hohem Niveau durch Selbsterfahrung und praktische Übungen.
Bei allen Fortbildungsangeboten können auch nur Einzelseminare besucht werden. Der Einstieg in die jeweilige Fortbildung ist mit jedem Seminar möglich. Folgende Aspekte kennzeichnen die einzelnen Fortbildungsangebote im Überblick: →
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Kurs in begleitender Seelsorge In Wochenendseminare, die innerhalb von zwei Jahren angeboten werden, werden Sie in begleitender Seelsorge ausgebildet. Ein wesentlicher Schwerpunkt liegt dabei auf der Begleitung von Menschen mit psychischen Schwierigkeiten im Gemeindekontext. In diesem Kurs ist Raum und Zeit für die persönliche Seelsorge und geistlichen Zuspruch durch ein großes Mitarbeiterteam. (Eine Übersicht zu bevorstehenden Terminen finden Sie auf ↗Seite 59)
Gesundheitscoaching Mit der Fortbildung in Gesundheitscoaching im betrieblichen und privaten Kontext erwerben Sie innerhalb von sechs zweitägigen Seminaren in überschaubarer Gruppe die Befähigung zu Aufbau und Durchführung von Gesundheitscoaching z. B. innerhalb eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) oder einer Gemeinde und lernen andere zur Entwicklung eines gesunden Lebensstils sowie zu Spiritualität als Kompetenz und Haltung anzuleiten. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Themen gesunde Ernährung, Bewegung, Entspannungstraining und Stressmanagement.
Fortbildung in christlich-integrativer Beratung und Therapie (CiBT)
CiBT basic Innerhalb von sieben dreitägigen Intensiv-Seminaren werden in einer kleinen Gruppe grundlegendes Wissen und Tools für die Lebensberatung vermittelt und Grundlagen für therapeutisches Handeln gelegt. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Vermittlung von Krankheitsbildern (Psychoedukation, insbesondere bei Angststörungen und Depressionen), Lebensberatung unter Einbezug des Glaubens als Ressource, Stressbewältigung und Training von Kommunikation sowie theologischer Kompetenz. Dabei wird das persönliche Glaubensleben der Teilnehmer gestärkt und die Persönlichkeitsentwicklung gefördert.
CiBT advanced Aufbauend auf CiBT basic vermittelt CiBT advanced vertieftes Wissen, praktische Fähigkeiten und Werkzeuge für Berater/ innen und Therapeuten/Therapeutinnen mit Schwerpunkt auf Kompetenz für Spiritualität. Mit den Seminaren von CiBT advanced und den begleitenden Praxiserfahrungen werden Sie optimal auf das Aufgabenfeld eines Heilpraktikers/einer Heilpraktikerin für Psychotherapie vorbereitet. Sie werden befähigt:
• eigenständig Behandlungen nach Diagnosestellung anhand der Schemata AMDP 1-, OPD 2- und SPIR3 durchzuführen. • Interpersonelle Psychotherapie (IPT), systemische Tools und gezielte Interventionen der kognitiven Verhaltenstherapie, der Akzeptanz- und Commitment-Therapie, der Arbeit mit dem Schema-Modusmodell und verschiedenste kreative Elemente in Beratung und Psychotherapie einzusetzen. • die Übertragung-Gegenübertragungs-Situation optimal zu steuern, durch ständige Selbsterfahrung und Supervision während des Kurses • die Spiritualität des Klienten in die Beratung und Therapie mit einzubeziehen
Manual zur Dokumentation psychiatrischer Befunde der Arbeitsgemeinschaft für Methodik und Dokumentation in der Psychiatrie (AMDP) 2 Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik (OPD) 3 SPIR – Halbstrukturiertes klinisches Interview zur Erhebung einer „spirituellen Anamnese“
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de’ig n is-ma g a z in – Aktuell – Institut
Die Fortbildungsangebote in der Übersicht Unsere Angebote in Fortbildung und Coaching sind breit aufgestellt und eignen sich sowohl für Einsteiger als auch Fortgeschrittene. Für mehr Informationen kontaktieren Sie uns gerne!
Christlich-integrative Beratung und Therapie advanced
Spezifische Seminarangebote:
Vertieftes Wissen, praktische Fähigkeiten und Tools für Berater und Therapeuten
Interpersonelle Psychotherapie (IPT)
Christlich-integrative Beratung und Therapie basic
Vermittlung des diagnosenspezifischen Psychotherapieverfahrens
Grundlegendes Wissen und Tools für die Lebensberatung
„Imagery Rescripting and Reprocessing Therapy“ (IRRT)
Fortbildung in Gesundheitscoaching
Vermittlung des Traumatherapieverfahrens
Aufbau und Durchführung von Gesundheitscoaching (Prävention)
Psychoedukation Systematische und strukturierte Vermittlung von psychischen Krankheitsbildern
Kurs in begleitender Seelsorge Ausbildung in der Begleitung von Menschen mit psychischen Schwierigkeiten
Bild links: SDI Productions / iStock
Empfohlen für Fortgeschrittene
Empfohlen für Einsteiger
Die Fortbildungen finden in unserem modern gestalteten Seminarraum direkt angrenzend an das Naturschutzgebiet „Egenhäuser Kapf“ im Schwarzwald statt.
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Interview mit Dr. Helge und Diana Bürsing Absolventen der Fortbildung CiBT basic und advanced
Im Januar 2020 hat wieder eine Gruppe die Fortbildung CiBT advanced beendet. Die meisten davon bereiten sich aktuell auf die Prüfung beim staatlichen Gesundheitsamt zum/zur Heilpraktiker/in für Psychotherapie vor. Zwei Absolventen (Dr. Helge und Diana Bürsing) haben wir befragt:
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Welche berufliche Vorqualifikation habt ihr und was war eure Motivation an der Fortbildung teilzunehmen?
Ich komme eigentlich aus der Naturwissenschaft und leite eine wissenschaftliche Abteilung. Zusätzlich war ich Ältester einer Kirchengemeinde und hatte in diesem Zuge ein paar christliche Seminare zum Thema Seelsorge besucht und Menschen begleitet. Die Motivation reicht weit zurück. Bereits vor etlichen Jahren wollte ich mich als Seelsorger mit Diana ausbilden lassen. Menschen lagen mir immer am Herzen. Ein wahres Wunder von Gott ist es in meinen Augen, wenn ein Mensch sein Leben verändert und sich neu auf Gott besinnt. Daher wollte ich in den Gemeinden, in denen ich war, immer eine Seelsorgearbeit aufbauen. Es fand sich jedoch nie die Zeit dazu oder die Finanzen reichten nicht aus, um Fortbildungen zu besuchen. Diana: Ich war viele Jahre als Erzieherin in Kindertagesstätten und in der Schulsozialarbeit tätig. In den letzten Jahren habe ich als Psychomotorikerin mit Vorschulkindern gearbeitet. Zusätzlich war ich Teil eines interdisziplinären Teams für Asthmaschulungen für Kinder und ihre Eltern. Hier zeigte sich deutlich, dass eine einmalige Beratungseinheit für Familien oft zu kurz ausfiel und der Teil der psychologischen Begleitung nach der Schulung schon wieder beendet war. In vielen meiner Beratungsgespräche nahm ich wahr, dass der Wunsch (seitens der Eltern) nach weiterer Begleitung da war und es mir in dem Kontext nicht möglich war dem zu begegnen. Helge:
Was waren für euch die Schwerpunkte (inhaltlich und • persönlich) in den einzelnen Kursen basic und advanced? Was habt ihr gelernt, was hat euch geprägt? Diana: Mich hat es immer wieder begeistert christlich-integrativ zu denken, herausgefordert zu werden und das Ganze im psychiatrischen Kontext zu betrachten. Es ist einfach wunderbar in biblischen Geschichten Menschen und Gott im Krisenmanagement zu begegnen und festzustellen, dass es heute noch alles relevant ist. Wie kostbar, tröstlich und ermutigend! Ich habe eine Menge über die einzelnen Krankheitsbilder gelernt, habe ein weites Herz erhalten für meine Mitmenschen in psychischer Not, hier sind Verständnis und Empathie gewachsen. Heute bin ich gefestigter in der Beratung und Begleitung von Menschen. Neben den sehr guten Sachvorträgen waren die praktischen Übungen und die Rollenspiele für mich optimal, um Gehörtes zu festigen, um mich selbst besser kennenzulernen, mich auszuprobieren und dadurch zu lernen. Das war mein Highlight, ein wahrer Schatz den ich mitnehme. Helge: Prägend habe ich die Vielfalt an Vorträgen, Übungen und unterschiedlichen Menschen in den Kursen erlebt. Jeder war auf seine Art für mich bereichernd. Es war immer ein Wechselspiel aus Theorie und Praxis, Wissen und kreativen Tools verbunden mit eigenem Ausprobieren. Inhaltlich hat mich der christlich-integrative Ansatz begeistert. Ich konnte tief eintauchen in die Fachliteratur ohne christliche Perspektive und parallel sehen, wie bei de’ignis Gott das Bild auf die Psyche nicht nur erweitert, sondern regelrecht sprengt. Persönlich hat mich die Erkenntnis berührt, dass jeder psychische Probleme bekommen kann, auch ich, aber Gott uns eine Menge Ressourcen geschenkt hat, die wir gerade in der Begleitung neu beim Ratsuchenden entdecken dürfen.
Es war immer ein Wechselspiel aus Theorie und Praxis, Wissen und kreativen Tools verbunden mit eigenem Ausprobieren. Inhaltlich hat mich der christlich-integrative Ansatz begeistert. de’ig n is-ma g a z in – Aktuell – Institut
Wenn du neugierig bist, wie psychiatrisches Fachwissen mit einem lebendigen Gott zusammenpassen, dann bist du hier genau richtig. Inwiefern haben die gelernten Inhalte eure Beratungs• arbeit verändert (inhaltlich und strukturell). Wie sieht hier eure Perspektive aus? Helge: Ich war immer sehr kognitiv in der Beratung unterwegs, kreative Elemente haben mir gefehlt. Viel Wissen habe ich durch die Ausbildung bei de’ignis erhalten, hier habe ich mich auch bei der Beratung verändert. Ich habe kreative Tools ausprobiert und werde weitere in meine Beratung mit einbringen. Außerdem habe ich verstanden und lerne immer mehr, dass es der Prozess des Ratsuchenden ist und ich „nur“ Begleiter sein darf. Der Ratsuchende darf erkennen und seine Ressourcen, die Gott ihm gegeben hat, nutzen. Perspektivisch plane ich die Beratungstätigkeit weiter zu intensivieren. In meiner Gemeinde leite ich ein Team, dass es gilt weiter auszubauen. Hier kann ich meine erworbene Fach- und meine Leitungskompetenz einbringen. Diana: Ich kann manche Reaktion und Handlung besser einordnen, mein neu erworbenes Fachwissen hilft mir in meiner Beratung und Begleitung. Meine Planung und Vorbereitung gelingt im optimaleren Zeitfenster und auch meine Beratungseinheiten konnte ich zeitlich optimieren. Das ist für mich ein kleines Wunder!
Es ist für mich sehr spannend, mein erprobtes Fachwissen mit neu Gelerntem zu verknüpfen. Ich bin dabei psychomotorische Einheiten (Körper, Bewegung, Wahrnehmung) in meinen Beratungseinheiten zu nutzen und erlebe erstaunliche Aufbrüche die zu einem guten Ziel führen. Seit einiger Zeit finden immer wieder Familien zu mir. Das gab mir einen Grund meine Beratungspraxis räumlich umzugestalten, nun fühlen sich Kinder und Erwachsene wohl. Mein Herz schlägt für Familien! Kinder, Jugendliche und ihre Eltern – jeder für sich und alle gemeinsam, starke Familien wachsen im Miteinander. Ich sehe meinen Auftrag darin, den einzelnen zu stärken, das Familiensystem in Bewegung zu halten, so können Ressourcen entdeckt und mobilisiert werden und Beziehungen heilen und gestärkt werden. Starke Familien können entstehen. Das mitzuerleben ist ein großes Geschenk, ein Wunder das Gott gerne gibt und wenn wir Geduld, Hoffnung und Glauben für sie haben, dann werden wir staunen was Gott tut. Gibt es noch etwas, das ihr Personen, die noch unentschie• den sind, ob sie an der Fortbildung teilnehmen sollen, sagen wollt? Diana: Wenn du neugierig bist, wie psychiatrisches Fachwissen mit einem lebendigen Gott zusammenpassen, dann bist du hier genau richtig. Wenn du jemand bist der gerne Fachwissen und Glauben auf Herz und Nieren prüft, dann bist du hier genau richtig. Wenn du jemand bist der Theorie nur mit Praxis versteht, bist du hier genau richtig. Wenn du den Mut hast dich selbst besser kennenzulernen, dann zögere nicht – melde dich an und lass dich von Gott formen, um anderen noch besser zu dienen! H e l g e : Die Ausbildung bei de’ignis begeistert, da hier unterschiedlichste Menschen aus verschiedenen Fachgebieten lehren und man eine Breite und gleichzeitig Tiefe an Wissen theoretisch und praktisch vermittelt bekommt. Wer nicht oberflächlich bleiben möchte, ist hier genau richtig.
Vielen Dank für das Gespräch und eure Eindrücke zur Fortbildung in Christlich-integrativer Beratung und Therapie. Wir wünschen euch Gottes Segen für eure Arbeit und viel Erfolg auf eurem weiteren Weg!
Dr. Hel g e und Diana Bürsing
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Kompetenz. Und Gottvertrauen.
Jan (Arzt), Teilnehmer der CiBT Fortbildung:
Überzeugen Sie sich selbst beim stag. nächsten Campu Jetzt anmelden! ustag findet am Der nächste Camp statt. Weitere 20 20 er 28. Novemb online auf Sie Termine finden ildung rtb /fo de is. deign
Eine Fortbildung, die mir vermittelt, wer und was die Therapie wirklich tragfähig macht.
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de’ignis-Institut gGmbH · Markgrafenweg 17 72213 Altensteig · Telefon +49 (0) 7453 94 94 - 0 institut@deignis.de · www.deignis.de
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Alle weiteren Informationen finden Sie auf www.deignis.de
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Einstieg jederzeit möglich!
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Das de’ignis-Institut bietet Ihnen berufsbegleitende Fortbildungen in Christlich-integrativer Beratung und Therapie sowie Gesundheitscoaching. Dabei werden Theologie, Pastoralpsychologie, Psychotherapie, Psychiatrie und Psychosomatik sowie Pädagogik in einem ganzheitlichen Konzept integriert. Erhalten Sie praxisnah Einblick in die christlich-integrativen Therapie- und Beratungskonzepte von de’ignis und lernen Sie diese in Ihre eigene Arbeit zu integrieren.
Die Termine zu den einzelnen Fortbildungsangeboten in der Übersicht Veranstaltungsort: de’ignis-Fachklinik, Walddorfer Straße 23, 72227 Egenhausen
Seminare CiBT basic
Fortbildung in Gesundheitscoaching
Grundlagen psychologischer Beratung und Therapie 26. bis 28. November 2020
GC 2 – Stressmanagement und Resilienz 11. und 12. Februar 2021
Vermittlung von Wissen und Fertigkeiten für den Start einer Beratung oder Therapie im Bereich der Anamnese und psychiatrischen Befunderhebung. Erlernen von Störungsmodellen, die helfen Klienten die Entstehung von Problemen und Krankheiten zu erklären.
Vermittlung von umfassendem Wissen und Werkzeugen zum Thema Stressmanagement, Entspannung und Life-Balance.
Theologische Grundlagen 10. bis 12. Dezember 2020; 6. bis 8. Mai 2021 Vertiefung systematischer Theologie und Einführung in Anthropologie und Ethik nach einem überkonfessionellen Ansatz sowie Einbezug von Gebet in die Beratung.
Gesprächsführung und systemische Beratung 21. bis 23. Januar 2021 Vermittlung von Grundlagen einer effektiven Gesprächsführung mit dem Schwerpunkt des systemischen Ansatzes. Zudem Erlernen von Fähigkeiten wie im Krisenfall umgegangen werden muss.
Biblisch-orientierte Beratung 18. bis 20. März 2021 Einführung in die christlich-integrative Herangehensweise an das Beratungs- und Therapiegeschehen und in systematische Theologie.
GC 1 – Grundlagen Coaching 15. und 16. April 2021 Erlernen von Methoden zur Bedarfsanalyse und der Gesprächsführung. Kennenlernen eines auf Stärken fokussierten Persönlichkeitsmodells (Big Five).
GC 3 – Entspannungstraining 24. und 25. Juni 2021 Ausbildung als Kursleiter für progressive Muskelrelaxation. Einführung in das ZPP-zertifizierte Kursprogramm „Entspannt durch den Tag mit Progressiver Muskelrelaxation“. Für den Kursleiternachweis wird zusätzlich Seminar GC 2 oder Seminar CiBT basic G benötigt.
GC 4 – Prävention mit und durch Bewegung 9. und 10. September 2021 Vermittlung, wie Motivationsprozesse zu einem andauernden Bewegungsverhalten des Klienten entwickelt werden können mit Transfer in den beruflichen und sonstigen Alltag.
GC 5 – Gesunde Ernährung 11. und 12. November 2021 Vermittlung von Grundlagen der Ernährungsphysiologie und -psychologie und Spiritualität mit Transfer in Alltag und Beruf des Klienten.
Seminare CiBT advanced Aspekte therapeutischer Beziehung 25. bis 27. Februar 2021 Vermittlung von Wissen über den Hauptwirkfaktor in der Psychotherapie: die therapeutische Beziehung. Dabei sind der interkulturelle Kontext und die Compliancegestaltung bei Psychopharmaka besonders im Blick. Zudem Vermittlung der Themen Selbstfürsorge und Selbsterfahrung/Intervision.
GC 6 – BGM und Coaching-Tools 20. und 21. Januar 2022 Darstellung möglicher Arbeitsfelder für das Gesundheitscoaching und Vermittlung der theoretischen Grundlagen sowie des rechtlichen Rahmens. Vermittlung von Tools für die eigenständige Durchführung von CoachingTätigkeiten im beruflichen Rahmen und psychosozialen Umfeld.
Psychische Krankheitsbilder III 22. bis 24. April 2021 Vermittlung von Wissen zu psychotischen und wahnhaften Störungen, Zwangsstörungen, Demenz und Sucht, sowie Ansätze für Psychoedukation und Therapie.
are Alle Semin ln auch einze buchbar!
Psychische Krankheitsbilder IV 17. bis 19. Juni 2021 Vermittlung von Wissen zu Persönlichkeitsstörungen, Posttraumatischer Belastungsstörung, Ess-Störungen und weiteren spezifischen Störungen wie Schlafstörungen und chronische Schmerzen, sowie Ansätze für die Therapie.
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Sozialtherapeutisches Zentrum de’ignis-Wohnheim Elemente unseres spirituell – pädagogisch – therapeutischen Konzeptes Den Menschen, die zu uns kommen, ist der • christliche Glaube sehr wichtig. Deshalb sind sie auf der Suche Spiritualität:
nach einer Gottesbeziehung, die ihnen Halt und Orientierung gibt bei der Bewältigung schwieriger Lebensphasen. Dabei geht es häufig um den Abbau drohender und strafender Gottesbilder, das Erkennen und Erleben des völligen Angenommenseins in der Liebe Gottes. Auch die Entdeckung und Entwicklung von neuer Hoffnung und neuem Lebensmut ist ein wichtiges Element bei der Krisenbewältigung. Dabei ist die neutestamentliche Botschaft der Gnade und Liebe Medizin für erschütterte, ängstliche und gequälte Seelen. Ein so geartetes Gottvertrauen ist eine gute Voraussetzung für ein gesundes realitätskonformes Selbstvertrauen. Deshalb ist für uns das verstehende Zuhören, • Geduld und Wertschätzung eine wichtige Voraussetzung, um Empathie:
helfen zu können. Menschen, die die Erfahrung gemacht haben, entwurzelt, gedemütigt und verletzt worden zu sein, brauchen Lebensraum, der ihnen Schutz und Heimat bietet. Sie brauchen ein Klima, in dem neuer Lebensmut und Selbstvertrauen wachsen und reifen kann. Die Mitarbeiter*innen des de’ignis-Wohnheims sind um eine Atmosphäre des Vertrauens durch wertschätzenden und die Selbständigkeit und Mündigkeit des*der Einzelnen fördernden Umgang miteinander bemüht.
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befriedigen“. Diese Haltung der Ohnmacht führt zur Hilflosigkeit. Wenn die Umgebung diese Hilflosigkeit aus falsch verstandenem Mitleid unterstützt, wird daraus eine erlernte Hilflosigkeit, die letztlich zur Hospitalisierung führt. Deshalb sind wir Mitarbeiter*innen im de’ignis-Wohnheim sehr darum bemüht, durch angemessene Herausforderung dieser erlernten Hilflosigkeit entgegenzuwirken. Dies erfordert sehr viel Einfühlungsvermögen, geht es doch um die richtige Balance zwischen „fördern“ und „fordern“. Das Aufgeben dysfunktionaler Verhaltensweisen ist oft mit Ängsten und dem Gefühl der Überforderung verbunden. Gerade in diesem Spannungsfeld ist uns der christliche Glaube mit seiner Botschaft von Hoffnung und Mut zum Neuanfang eine wertvolle Orientierung. Denn Gott ist ein Gott der Hoffnung, der uns mehr zutraut als wir uns selbst zutrauen. Ohne Hoffnung ist jedoch Veränderung kaum möglich, denn Veränderung erfordert Mut. Die übernatürliche Begegnung mit Jesus Christus, unserem Heiland, fördert den Mut zur Veränderung. Allerdings fällt es Menschen mit Mangel an Liebe, Geborgenheit und Wertschätzung sehr schwer, wahrzunehmen, dass es auch für sie noch Hoffnung gibt. Deshalb ist Geduld und wertschätzende Begleitung für sie so wichtig. Wir als Mitarbeiter*innen des de’ignis-Wohnheims stehen in der täglichen Herausforderung dies zu vermitteln. Dafür brauchen wir selbst Tag für Tag die Erfahrung seiner Gnade und Liebe.
Herausforderung: Aber nicht nur Wertschätzung und Empathie sind Elemente unseres Konzeptes, sondern auch die Entdeckung neuer Ressourcen und Handlungsfelder. Dabei ist zu beobachten, dass viele unserer Bewohner*innen sich nur noch sehr wenig zutrauen. Misserfolge und Erfahrungen des Scheiterns bewirkten in ihnen eine Haltung der Resignation. Resignation erzeugt bei vielen eine Opfermentalität im Sinne von „mir ging es immer schlecht, mir geht es schlecht und es wird mir auch in Zukunft schlecht gehen.“ Daraus entsteht dann häufig eine fordernde oder resignierte Haltung mit der Botschaft: „Weil mir im Leben so viel Negatives widerfahren ist, kann ich nicht mehr für mich selbst sorgen. Deshalb soll meine Umgebung meine Bedürfnisse
de’ig n is-ma g a z in – Aktuell – Wohnheim
Kurs in begleitender Seelsorge Zur Begleitung von Menschen in Lebenskrisen, Glaubensfragen und psychischen Nöten. Unsere Botschaft von Gnade und Liebe, gepaart mit Glaube und Hoffnung, fundiert mit solidem Fachwissen und dem Ziel einer prozesshaften Entwicklung ist das Fundament aller Seminarinhalte. Dieser Seelsorgekurs umfasst insgesamt 10 Seminare.
Aufgrund der aktuellen Situation und den damit verbundenen Unsicherheiten bei der Planung bitten wir Sie sich über aktuelle Termine und Informationen auf unserer Website unter www.deignis.de/fortbildung/seelsorge-schulung zu erkundigen und gegebenenfalls auf Ausweichtermine zu achten. Diese werden rechtzeitig online bekannt gegeben.
Eingeladen sind Christen, die einen inneren Ruf zur Seelsorge verspüren, aber auch solche, die sich einfach nur für seelsorgerliche Fragen interessieren. Der Kurs in begleitender Seelsorge soll zur qualifizierten Begleitung von Menschen in Lebenskrisen, Glaubensfragen und psychischen Nöten befähigen. Darüber hinaus vermittelt der Kurs Einsichten in die verschiedenen Entwicklungsphasen des menschlichen Lebens und bietet damit die Möglichkeit, sich selbst besser verstehen und kennen zu lernen.
Es ist geplant dass der Kurs im Live-Stream angeboten wird. Nähere Infos hierzu finden Sie auf der Website www.tabor-schulungszentrum.de
Der Kurseinstieg ist jederzeit möglich, da die Lehreinheiten regelmäßig in weiteren Zyklen im Tabor Schulungszentrum wiederholt werden. Weitere Informationen erhalten Sie im Internet unter www.deignis.de/Fortbildungen oder unter der Telefonnummer 07434 7234 -176
Veransta ltung sor t : Tabor Schulungszentrum für Seelsorge, Beratung und neutestamentliche Dienste Sigmaringer Straße 64 · 72474 Winterlingen www.tabor-schulungszentrum.de
S em inarleitung : Winfried Hahn
www.deignis.de/fortbildung de’ignis -Institut gGmbH • Markgrafenweg 17 • 72213 Altensteig Telefon 07453 9494-0 • institut@deignis.de • www.deignis.de
de’ignis-Stiftung in Polen Aktiv trotz Corona
Dank dem Engagement unserer polnischen Mitarbeiter • konnten wir die meisten geplanten Veranstaltungen durchführen, wenn auch manche davon als Videoübertragung, jedoch mit erstaunlich hohen Teilnehmerzahlen. Dank des außerordentlichen Engagements von Privatdozent Dr. med. Herbert Scheiblich konnte auch die Summerschool in unserem Tagungshaus in Pomysk stattfinden. Hier sein Bericht: Wegen COVID-19 war es über ein halbes Jahr nur möglich digital zu konferieren. Es fiel daher leider die Mai-Tagung aus. Die Freude die Summerschool 3 zu veranstalten, war daher riesig. Es blieb aber immer ein Rest Unbehagen, ob man sich treffen kann und nicht kurz vor Schluss Auflagen zur Durchführung der Veranstaltungen kommen. Ein weiteres unsicheres Moment war, ob die Tagung ohne Infektionen ablaufen kann.
Der Glaube und die Disziplin der 35 Teilnehmer*innen wurden belohnt. Sie hatten eine sehr gute Zeit miteinander und die große Herausforderung, die 30 neuen Teilnehmer*innen zu einer Gemeinschaft zusammen zu fügen gelang. Das Wetter mit Regen und Kälte trug hier viel dazu bei. Das Thema der Tagung SKiP 3 (spirituelle Kompetenzen in Psychatrie, Psychotherapie und Pastoralpsychologie) hatte folgende Schwerpunkte: • Mit nicht religiösen Menschen über das Konzept außergewöhnlicher Erfahrungen zu sprechen, um in einen Gedankenaustausch über ihre Religiosität zu kommen. • Grundprinzipien des interreligiösen Dialogs anhand der goldenen Regel. • Neues Konzept des Selbst als Kurzintervention. Jede Psychotherapie hat ein Menschenbild, das von einem Selbst als zentrale Struktur der Psyche ausgeht. Mit der Veränderung des religiösen Selbstkonzeptes verändern sich andere Gebiete wie der Kognition des Affektes und des Verhaltens. Die Selbsterfahrung der Teilnehmer*innen erbrachte schnelle und nachhaltige positive Effekte. Auf jeden Fall folgt 2021 eine Summerschool 4. Im Oktober findet die Herbsttagung mit dem Thema ADHS, Hochsensibilität und Autismus in Warschau an einem neuen Veranstaltungsort, der Hochschule für Sozialtheologie, statt.
Hochschule für Sozialtheologie in Warschau
Spendenkonto: Christliche Stiftung de’ignis-Polen Sparkasse Pforzheim IBAN: DE83 6665 0085 0007 2605 12 BIC: PZHSDE66XXX
de’ig n is-ma g a z in – Aktuell – Stiftung in Polen
2. Platz in der Kategorie „Kliniken“
Arbeiten mit Gott – für die Gesundheit meines Nächsten. Wir sind eine Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie. Und wir glauben. Daran, dass Menschen dann am besten helfen können, wenn es ihnen selbst gut geht. Dafür tun wir so einiges – Sie werden angenehm überrascht sein. Und wenn Sie glauben, dass Beruf Berufung sein sollte, dann möchten wir Sie kennenlernen. Alle Stellenangebote auf www.deignis.de z. B. Psychologische*r Psychotherapeut*in (Stuttgart) z. B. Oberarzt*Oberärztin z. B. Gesundheits- und Krankenpfleger*in z. B. Physiotherapeut*in z. B. Ergotherapeut*in, Kunsttherapeut*in
de’ignis-Fachklinik gGmbH • Walddorfer Str. 23 • 72227 Egenhausen Telefon 07453 9391-0 • Fax 07453 9391-193 • info@deignis.de
Wer‘s glaubt, wird glücklich.
de’ignis-Institut gGmbH · Markgrafenweg 17 · 72213 Altensteig
de’ignis-Fachklinik Fachklinik auf christlicher Basis für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik • stationäre medizinische Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen • ambulante und teilstationäre Rehabilitation und Behandlungen • Sanatoriumsbehandlungen • Nachsorge IRENA und Psy-RENA • Angebote zur gesundheitlichen Prävention und Vorsorge • Assessment-Center
de’ignis-Wohnheim Sozialtherapeutisches Wohnheim nach biblischen Grundsätzen mit Einzel- und Gruppenangeboten • Gesprächstherapie • Sozialtraining • Arbeitstraining (z. B. im eigenen Verlag) • Freizeitpädagogik • individuelle Betreuung
de’ignis-Institut Institut für Psychotherapie und christlichen Glauben • Seelsorgekurs • Vernetzung von Fachleuten • Fortbildung in Christlichintegrativer Beratung und Therapie • Gesundheitscoaching • Supervision • ambulante Beratung für Erwachsene • Sozialpädagogische Beratung für Kinder, Jugendliche und Familien • Weitere Angebote zur Prävention
de’ignis-Stiftung Polen Christliche Stiftung mit Einzel- und Gruppenangeboten • Ambulante Therapieangebote, stationäre in Planung • Schulungen • Freizeitpädagogik
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