staunend denken.
In Carsten Höllers „High Psycho Tank“ baden wir unter dem Label Partizipationskunst im Museum. Formate der Partizipation haben sich nicht nur in der Politik sondern auch in der Kunstwelt durchgesetzt. Partizipation verspricht zunächst politische Emanzipation: Die Anteilslosen erheben ihre Stimme und fordern ihren Anteil. In der Politik geschieht das über Demonstrationen, Petitionen oder Wahlen, während sich die Kunst an der Passivität der Kunstbetrachter_in abarbeitet. Höllers oben beschriebener „High Psycho Tank“ ist eine Maschine zur Aktivierung des kontemplativen Publikums: „Mitmachen statt Zuschauen!“, ist die Devise. Als meine Freundin und ich frisch geduscht vor dem Tank stehen, fällt uns auf, dass der Plastikcontainer recht durchsichtig ist. Unser Spielen im Wasser war von Außen also gut zu beobachten. „Ein bisschen wie Dschungelcamp für Akademiker_innen“, sagt meine Freundin und trifft damit den Nagel auf den Kopf: Besitzt Partizipationskunst in Zeiten von Reality-Shows und Social Media überhaupt noch ein emanzipatives Potential? Partizipative Formate sind ubiquitär. Kein Event, ob Fernsehen oder Kunstbiennale, kommt ohne Mitmachformate aus. Überall gibt es Kommentarfunktionen und jede innere Regung kann in der Social Media geteilt werden. Partizipation vermittelt Zustimmung und Legitimität, doch das allein reicht nicht als Erklärung für ihren Erfolg, sie kann mehr: Partizipation ist authentisch, lebendig und sexy und genau das lässt sich gut verwerten. Menschen werden aktiviert an etwas Teil zu nehmen, das sie noch nicht kennen, etwas, das ihnen fremd ist. Die Partizipierenden machen selbstvergessen ihre Erfahrung und das Publikum schaut live dabei zu. Lebendigkeitskonsum nennt das Diedrich Diederichsen. (Diederichsen 2008: 275) Es ist genau dieser Lebendigkeitskonsum, mit dem die Reality-Shows und die Social Media ihr Geld verdienen. Über partizipative Formate wird Authentizität und Lebendigkeit hergestellt, indem die Partizipierenden ein Moment von Es-könnte-immer-etwas-Unvorhergesehenes-passieren erzeugen. Eine ganze Welle der Partizipation spült seit zwanzig Jahren durch die zeitgenössische Kunst. Im Zuge
der Relational Art wurde in den Kunsträumen gekocht und gelebt. Es wurden Rituale in sozialen Brennpunkten durchgeführt und historische Ereignisse nachgestellt. Theaterbesucher fanden sich bei Inszenierungen des Kollektivs SIGNA in einem Nachtclub wieder und Tino Seghal hat eigentlich alle einmal tanzen lassen. Laut Claire Bishop haben der Zusammenbruch des Kommunismus und der Rückzug der Sozialstaaten diese Welle ausgelöst. (Bishop 2012) Die Kunst hinterfragt demnach einerseits die Eigenschaften, die der Lebendigkeits- oder Biokapitalismus einfordert: die Aktivierbarkeit, die Anschlussfähigkeit und den Willen zur Expression. Sie antwortet aber auch auf das Bedürfnis nach Nähe, Gemeinschaft und Ritual. Die Kunst steht dann dort ein, wo sich der Staat oder die Ökonomie zurückziehen, wo kulturelle Vakuen entstehen. Dann ist Partizipationskunst weniger Badespaß im Augarten, sondern arbeitet an sozialen Brennpunkten. Partizipationskunst besitzt ein emanzipatives Potential, wenn sie die Verwertungsstrukturen der Lebendigkeit sichtbar macht. In Höllers „High Psycho Tank“ wird das passive Treiben im Wasser mit der Aktivierung der Partizipierenden und dem Blick der Museumsbesucher_ innen verschränkt; Die milchigen Tankwände und das Baden spielen mit Voyeurismus und Event. Zwei Fragen nehme ich mit, an jedes Kunstwerk, dessen Material die Lebendigkeit von Partizipierenden ist: Wie gelangt die Partizipationskunst über die Geilheit und den Voyeurismus des Lebendigkeitskonsums hinaus? Wer verdient an der Authentizität der Partizipierenden?
| Johannes Siegmund
Diederichsen, Diedrich 2008: Eigenblutdoping, Selbstverwertung, Künstlerromantik, Partizipation, Köln: Kiepenheuer & Witsch. Bishop, Claire 2012: Artificial Hells, Participatory Art and the Politics of Spectatorship, London und New York: