mir habe‘, weil ich viel Geld verdiene und weil ich mich selbst erfülle.“ Es geht oft weniger um den Inhalt meiner Arbeit oder um das, was ich eigentlich produziere. Oft steht im Vordergrund wie viel Anerkennung, Status, Geld und Selbsterfüllung ich durch meine Arbeit anhäufen kann.
ternehmen sie den Versuch nach neuen Werten zu leben. Was so einfach klingt ist harte Arbeit. Es geht um nichts weniger, als tief verinnerlichte Einstellungen und Handlungsmuster zu verändern; in Harald Welzers Worten: Es geht um die Veränderung der mentalen Infrastrukturen (2011).1
Demgegenüber stehen Menschen für die Erwerbsarbeit etwas ganz anderes bedeutet. In diesem Jahr haben wir in Leipzig ein Projekt durchgeführt, in dem es um soziale, ökologische und demokratische Unternehmen (SÖDU) ging. Dazu haben wir einige Unternehmer_innen interviewt. Auffällig waren der Enthusiasmus und die Leidenschaft, die diese Menschen versprühen. Dabei machen sie oft nichts anderes, als andere Menschen auch: sie stehen im Laden und tippen Preise ein, nähen Stoffe oder mischen Farben. Und sie verdienen auch nicht mehr. Dennoch haben sie ein anderes Verhältnis zu ihrem Job. Es scheint, als ob ihr Job ein Teil von ihnen ist. Sie entwickeln eine aktive Beziehung zum Produkt ihrer Arbeit und zu den Menschen, die diese Produkte kaufen. Oft verschwimmt die Grenze zwischen Produzent_innen und Konsument_innen. Letztere werden in den Prozess mit einbezogen. Es entsteht eine Beziehung, die über ein geschäftliches Verhältnis hinaus geht. Ähnlich verhält es sich mit den Materialien und Rohstoffen, die für die Produkte verwendet werden. Dadurch, dass sich die interviewten Unternehmer_innen dafür interessieren, unter welchen ökologischen und sozialen Bedingungen die Materialien ihrer Produkte hergestellt werden, entwickeln sie ein aktives Verhältnis zu den Hersteller_innen und vielleicht auch zur Natur.
Was diesen Prozess kennzeichnet, ist ein Übergang von Passivität zur Aktivität. Die Aufgabe: „Denken ohne Geländer“, wie Hannah Arendt es beschrieb. Ich schaffe einen neuen Bezug zu mir und zur Welt, indem ich über meine Beziehungen zu mir, meinen Freund_innen, meiner Partner_in, meiner Arbeit, etc. nachdenke. Das ist der erste Schritt. Die Aufgabe könnte lauten: Wie lassen sich die unterschiedlichsten Beziehungen im Leben so gestalten, dass sie gut sind? Dazu was „gut“ ist gibt es keine immerwährenden, klaren Antworten. Aber es gibt welche, die mehr Sinn ergeben als andere. Um heraus zu finden welche diese sind und insbesondere welche für mich zutreffen, muss ich mich auf die Suche machen. Für Hannah Arendt war die Suche nach diesen Antworten nicht etwas, was man still für sich im Kämmerlein ausmacht, sondern draußen im öffentlichen Raum bespricht. Mit Freund_innen und Bekannten und Fremden. Auf das Denken folgt das Handeln: Menschen gestalten gemeinsam ihre Gesellschaft nach ihren Regeln neu!
Die Menschen, die wir interviewt haben, sind zwar Überzeugungstäter_innen, aber keine Öko-Freaks. Sie haben unterschiedliche Hintergründe, nutzen Laptops und manchmal auch Smartphones. Aber sie nehmen sich selbst als aktive Gestalter_innen ihres eigenen Lebens wahr. Nicht im oberflächlichen Sinne, indem sie Karriereweg A, B oder C einschlagen können und immer höhere Ansprüche an die Arbeitgeber_innen stellen, wie es der Generation Y nachgesagt wird. Nein, sie sind Gestalter_innen in dem Sinne, dass sie grundsätzliche Fragen für sich neu beantworten. Wie möchte ich leben? Was bedeutet Arbeit für mich? Was ist das überhaupt, das gute Leben? Um diese Fragen zu beantworten gibt es kein Gerüst aus Werten und Normen, auf das sie sich stützen wollen. Die Regelangebote aus der Gesellschaft sprechen sie nicht an - im Gegenteil - sie versuchen sich zu befreien von den sexistischen, hierarchischen und patriarchalischen Wertevorstellungen unserer Gesellschaft. Hedonistische Lebensweisen sind ihnen zu sinnfrei. Außerdem wollen sie keine Wirtschaft unterstützen, dessen soziale und ökologische Übel überwiegen. Deshalb un-
Was meiner Meinung nach also das Lebensgefühl in einer neuen Wirtschaft ausmacht, ist eine völlig neue Art von Beziehungen - zu mir selbst, zu allen anderen Menschen und zur Natur. Menschen, die es jetzt schon schaffen solche Beziehungen aufzubauen, tun dies unter sehr schwierigen Bedingungen. Denn das Regelwerk, das unsere Handlungen beschränkt, bekommt man immer dann zu spüren, wenn man etwas macht, was nicht normal ist. Ein gutes Beispiel dafür sind wieder die von uns interviewten Unternehmen: Einige haben es sehr schwer auch nur eine geeignete Rechtsform zu finden, die auf sie passt. So etwas wie ein Unternehmen, das sich am Gemeinwohl orientiert oder ein Kollektiv als Eigentümer_in hat, scheinen unsere Wirtschaftsregeln nicht einzuplanen. Gerade deswegen ist es wichtig, sich für diese Freiräume einer neuen Wirtschaft und Gesellschaft einzusetzen. Was dabei hilft ist gute Gesellschaft - andere Menschen, die ähnliche Vorstellungen davon haben, wie ein gutes Leben aussehen könnte und dies bereits jetzt leben.
| Felix Wittmann
1
Welzer, Harald (2011): Mentale Infrastrukturen: Wie das Wachstum in die Welt und in die Seele kam. Berlin: Heinrich Böll Stiftung.