Leseprobe, mehr zum Werk unter ESV.info/978-3-503-20686-5
Zweck des Gesetzes
§ 1 KSG
etwa ökonomische Folgen nicht unberücksichtigt bleiben. Das ergibt sich auch daraus, dass zwar nach dem Green Deal und dem EU-Klimapaket „Fit for 55“ das Wirtschaftswachstum von der Ressourcennutzung abgekoppelt werden soll, zugleich aber weiterhin vorausgesetzt wird. Auch daraus folgt die notwendige Verbindung von Ökonomie und Ökologie (o. Frenz, Klimaschutz in der EU, Einf. A Rn. 13). Diese Verbindung besteht vor dem Hintergrund des BVerfG-Klimabeschlusses fort, auch wenn dieser einen – wenn auch nicht unbedingten – Vorrang des Klimaschutzes befürwortet und das relative Gewicht des Klimaschutzgebotes in der Abwägung bei fortschreitendem Klimawandel immer weiter zunehmen lässt.84 Dadurch wird zwar § 1 verfassungsrechtlich geprägt. Indes verlangt auch das BVerfG im Konfliktfall einen Ausgleich mit anderen Verfassungsrechtsgütern und Verfassungsprinzipien.85 Dieser ist daher auf jeden Fall durchzuführen.
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Eine andere Frage ist das Ergebnis der konkreten Abwägung, das mit zunehmender Bedrohung durch die Folgen des Klimawandels immer stärker hin zu möglichen Einschränkungen tendieren wird. Diese stärkeren Konsequenzen, die immer konkreter und fassbarer werden, zeigten in Deutschland die extremen Hochwasserfolgen vom Juli 2021 sowie auf die gesamte Erde bezogen die alarmierenden Aussagen des IPCC-Klimaberichts vom 09. 08. 2021. Gravierende Einschränkungen treffen aber die Grundrechte der Betroffenen hart, was in der Verhältnismäßigkeitsprüfung ebenfalls zu berücksichtigen ist.86 Das überwölbende Dach dafür ist der Nachhaltigkeitsgrundsatz, der in Art. 3 Abs. 3 EUV für das Unionsrecht zentral ist und der jedenfalls für den unionsgeprägten Klimaschutz heranzuziehen ist – zusammen mit den EU-Grundrechten, welche die wirtschaftlichen Belange nicht als nachrangig schützen (Frenz, Klimaschutz in der EU, Einf. A Rn. 124 sowie ders. Klimaschutz und Grundrechte, Einf. E Rn. 94).
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Damit ist das Wirtschaftswachstum beizubehalten, darf also nicht gänzlich durch den Klimaschutz zum Erliegen kommen. Es ist aber entsprechend dem EU-Klimapaket „Fit for 55“ klimafreundlich zu gestalten: Wirtschaftswachstum durch Klimaschutz im Gebäudebereich, in der (E-)Mobilität, in der Produktion etwa durch Wasserstoff etc. (Frenz, Klimaschutz in der EU, Einf. A Rn. 57 ff.). Jedoch gibt es Wirtschaftszweige, in denen dies (noch) nicht geht, sodass sich auch darauf die Abwägung erstrecken muss. Darauf ist etwa auch bei den Sofortprogrammen nach § 8 bzw. den Klimaschutzprogrammen nach § 9 zu achten. Erfolgt eine solche Abkoppelung und Ausblendung ökonomischer Belange, ist das Vorgehen rechtswidrig wegen Verstoßes gegen die Zwecknorm des § 1. Von daher sind gegenläufige Gesichtspunkte bereits in
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BVerfG, Beschl. v. 24. 03. 2021 – 1 BvR 2656/18 u. a., ECLI:DE:BVerfG:2021: rs20210324.1bvr265618, Rn. 198. BVerfG, Beschl. v. 24. 03. 2021 – 1 BvR 2656/18 u. a., ECLI:DE:BVerfG:2021: rs20210324.1bvr265618, Rn. 198. S. Beckmann, Das Bundesverfassungsgericht, der Klimawandel und der „intertemporale Freiheitsschutz“, UPR 2021, 241 (250).
Frenz
Aus: Prof. Dr. jur. Walter Frenz (Hrsg.), Klimaschutzrecht. EU-Klimagesetz, KSG Bund und NRW, BEHG, Steuerrecht, Querschnittsthemen. Gesamtkommentar © Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2022
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