Land schafft Stadt - Felix Redmann

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Wälder & Wiesen Wiener Grünräume damals Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die Lebensbedingungen in den großen europäischen Städten wie Berlin, London, Paris und Wien immer schlechter. Die Beschleunigung der Zeit und die Verdichtung von Raum stellten die ›dampfgetriebene‹ Gesellschaft in den stark wachsenden Städten vor zunehmend prekär werdende Zustände. Zu enger Wohnraum, unzureichende Hygiene, verschmutzte Luft und mangelhafte Wasserversorgung prägten das Bild dieser Zeit. In Wien waren die neun Wiener Bezirke bereits dicht verbaut und als das obsolet gewordene Glacis – der bis zu 400m breite Grünstreifen vor der Stadtmauer des ersten Bezirks – in den 1860er-Jahren einem Verbau freigegeben wurde, fiel ein wichtiger Freiraum der Wiener*innen der Stadtentwicklung zum Opfer. Nur etwa ein Zehntel der Fläche ist in Form repräsentativer Parkanlagen, welche nahezu alle dem Adel vorbehalten waren, übrig geblieben, während der größte Teil zur imperialen Kulisse der Wiener Ringstraße mutierte. Diese Maßnahme verschärfte die ohnehin schon geringe Aufenthaltsqualität innerhalb des Linienwalls (heutigen Gürtels) zusätzlich. Obwohl es bereits Bemühungen zur Verbesserung der Lebensbedingungen gab, waren diese im Vergleich zum Wachstum der Stadt vielmehr ein Tropfen auf dem heißen Stein. 17 Allerdings kamen parallel Konzepte auf, um den prekären Verhältnissen der Industriegesellschaft entgegenzuwirken. Dies rückte nach massiver Kritik, wonach das Wohl der Stadtbewohner*innen europäischer Städte in keiner Weise berücksichtig würde, den Fokus auf eine Grünflächenversorgung sowie auf Erholung und Gesundheit. Dabei entstanden Entwürfe, die vorsahen, ein zusammenhängendes Netz an Grünräumen in die städtische Struktur einzubinden und diese gleichmäßig zwischen dichten Stadtteilen zu verteilen. Nachdem in Wien um die Jahrhundertwende herum erneut Erholungsgebiete verloren gingen und eine erneute Kritik an unzureichender Grünflächenpolitik größer wurde, konnte schließlich das Konzept des ›Wald- und Wiesengürtels‹ überzeugen. Dieser wurde 1905 umgesetzt, er sollte den langfristigen Erhalt dieser grünen Randzone gewährleisten und zur Erholung sowie Stadtdurchlüftung dienen. 18 Den landwirtschaftlichen Flächen wurde allerdings kaum Aufmerksamkeit geschenkt und diese eher als ästhetisches Element gesehen. 19

17 vgl. Machat, Renate (2005): Ein Grüngürtel um Wien, in: Karl Brunner & Petra Schneider (Hrsg.), Umwelt Stadt – Geschichte des Natur- & Lebensraumes Wien, Band 1, Wien, Köln, Weimar: Böhlau, S. 474-475.

Grünstreifen rund um Wien ein, um den Bedarf nach Erholung und Gesundheit zu decken. Dieses wird die Grundlage für die spätere Umsetzung des Wald- & Wiesengürtels: vgl. ebd., S. 475-478. 19 Vgl. Lohrberg, Frank (2001): S. 13-14.

18 Der Architekt Eugen Fassbender forderte in seinem Konzept einen

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Land in der Stadt


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