VERSICHERUNG . Pflegeversicherung
Die Situation spitzt sich zu Im Februar hat die Taskforce Pflege der Regierung einen Katalog von Maßnahmen für eine Pflegereform präsentiert. Nun ist die Politik am Zug. So gehören bundesweite Mindeststandards eingeführt. CHRISTIAN SEC
M
it der Ausarbeitung eines Ergeb-
lichen Bedarf an rund 24.000 Pflegekräften
nisberichts durch die Task-Force
und bis 2050 mit 79.000 zusätzlichen benö-
Pflege wurde im Februar der
tigten Pflegekräften. Die Volksanwaltschaft
erste Schritt der Pflegereform in Österreich
macht schon jetzt auf den Personalmangel
bewältigt. Man hat darin 17 Ziele und 64
aufmerksam, der nicht nur zu Unzufrieden-
Maßnahmenpakete zur Weiterentwicklung
heit führt, sondern auch zu Menschen-
und Zukunftssicherung des Pflege- und Be-
rechtsverletzungen. „Das Pflegepersonal tut
treuungssystems formuliert. Als nächster
sein Bestes, aber die strukturellen und wirt-
Schritt ist eine Zielsteuerung geplant, an der
schaftlichen Rahmenbedingungen machen
Bund, Länder und Gemeinden über die poli-
die Umsetzung von Konzepten der ganzheit-
tischen Entscheidungen verhandeln. Aber warum ist eine Reform des Pflegesys
lichen, aktivierenden und integrierten Pfle-
tems so wichtig? Dies liegt vor allem am de-
heißt es bei der Volksanwaltschaft.
mografischen Wandel. „In den nächsten 15
Während es Übereinstimmung darüber gibt,
Jahren werden 1,9 Millionen Österreicher in
dass der Personalmangel dringend beseitigt
Pension gehen, was auch eine Vervierfa-
werden muss, herrschen über die Vorgangs-
chung der Zahlen der Über-80-Jährigen mit
weise unterschiedliche Auffassungen, wie
sich bringen wird, von denen wiederum sehr
das Beispiel Pflegelehre zeigt. Die Bruchli-
viele pflegebedürftig sein werden“, erklärt
nie ist hier offensichtlich eine ideologische.
Sozialwissenschaftler Prof. Bernd Marin die
So fordern die Wirtschaftskammer und das
Dringlichkeit des Pflegethemas. „Der Wandel
ÖVP-nahe Hilfswerk eine Pflegelehre. Die SPÖ-nahe Volkshilfe, die Arbeiterkammer
In Österreich bezogen Ende 2019
wirkt von mehreren Seiten gleichzeitig, und zwar in die von uns ungewün schte Rich-
467.752 Personen ein Pf legegeld.
tung“, ergänzt Monika Riedel, Forscherin im
sundheits- und Krankenpflegeverband) sind
Die Zahl der pflegenden Angehöri-
Bereich Pflege beim IHS. Es werden nämlich
der Lehre gegenüber zumindest skeptisch.
gen beträgt derzeit rund 950.000 Per-
nicht nur die Pflegebedürftigen älter, son-
Der ÖGKV fürchtet dabei, dass die Pflege-
sonen. Im Jahr 2019 wurden insge-
dern auch das Personal. Hinzu kommt, dass
lehre der Attraktivität und dem Image des
samt 153.152 Personen durch mobile
die Pflegebedürftigen immer weniger Kinder
Berufs schaden könnte. Das Hilfswerk for-
Dienste zu Hause betreut. 96.458 Men-
haben und diese aufgrund der verstärkten
dert hingegen vielfältige Zugänge zum Pfle-
schen waren – ebenfalls mit Unterstüt-
Mobilität noch weiter weg von den zu Pfle-
geberuf und daher auch die Pflegelehre, um
zung der Sozialhilfe oder Mindestsi-
genden wohnen. Umso mehr fordert die For-
an noch mehr Jugendliche heranzukommen,
cherung – in stationären Einrichtungen
scherin, das Problem Personal im Bereich
denn mit der aktuellen Anzahl an Absol-
untergebracht. Mehr als zwei Drittel
Pflege und Betreuung ernsthaft anzugehen.
venten könne der prognostizierte Bedarf
Prof. Bernd Marin, österreichischer Sozialwissenschaftler
Daten und Fakten
ge und Betreuung schwierig bis unmöglich“,
und die Gewerkschaft (Österreichischer Ge-
nicht gedeckt werden.
der betreuten Personen waren Frauen. 73 Prozent der Pflegebedürftigen in
Personalengpass
den stationären Einrichtungen sind
Der Alterungsprozess der Bevölkerung führt
Unerwünschte Effekte
Personen ab Pflegestufe 4, während
bereits jetzt zu Engpässen im Pflegebereich
Ein weiteres Ziel der Regierung heißt „am-
von den zu Hause durch mobile Dien-
und einem Pflegepersonalmangel. Daher ist
bulant vor stationär“, um mobile Dienste als
ste betreuten Personen nur 32 Prozent
auch die Personalgewinnung für viele Pfle-
wesentlich günstigere Variante der Pflege zu
ein Pflegegeld ab der Stufe 4 bezogen.
geexperten das dringendste Problem. Das
stärken. „Jedoch steuert man derzeit genau
WIFO rechnet bis 2030 mit einem zusätz-
in die andere Richtung“, so Elisabeth An-
62 . GELD-MAGAZIN – Mai 2021
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„In den nächsten 15 Jahren werden 1,9 Millionen Österreicher in Pension gehen, die Anzahl der Über-80Jährigen wird sich vervierfachen.“