Leseprobe PADUA

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Jahrgang 14 / Heft 1 / 2019

Herausgeberinnen und Herausgeber Michael Bossle Doris Eberhardt Katrin S. Rohde Susanne Schewior-Popp Kordula Schneider Angelika Zegelin Assoziierte Herausgeberin Tanja Segmüller

PADUA

Fachzeitschrift für Pflegepädagogik, Patientenedukation und -bildung Praxislernen im Studium Lehren und Lernen Das „Boot Camp“ –Eine didaktische Methode zum Einstieg in den Schreibprozess einer Bachelorarbeit Wissen und Forschen Ausbildungsanregungen Betreuung Sterbender in der stationären Versorgung Informiert sein und Handeln Patientenedukation in der Pflege – Themensammlung und Unterrichtsvorschläge Teil 2


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PADUA

Fachzeitschrift für Pflegepädagogik, Patientenedukation und -bildung

Jahrgang 14 / Heft 1 / 2019

Schwerpunkt Praxislernen im Studium Herausgeberinnen und Herausgeber Michael Bossle Doris Eberhardt Katrin S. Rohde Susanne Schewior-Popp Kordula Schneider Angelika Zegelin Assoziierte Herausgeberin Tanja Segmüller


Herausgeberinnen und Herausgeber

Assoziierte Herausgeberin

Prof. Dr. Michael Bossle, Deggendorf Prof. Dr. rer. medic. Doris Eberhardt, Deggendorf Katrin S. Rohde, Berlin Prof. Dr. phil. Susanne Schewior-Popp, Mainz u. Vallendar Prof. Dr. phil. Kordula Schneider, Münster Prof. Dr. rer. medic. Angelika Zegelin, Dortmund (Verantwortliche Patientenedukation) Prof. Dr. rer. medic. Tanja Segmüller, Bochum

Redaktorin

Edith Meyer, BScN, MScN, Nürnberg padua@hogrefe.ch

Verlag

Hogrefe AG, Länggass-Str. 76, 3012 Bern, Schweiz, Tel. +41 (0) 31 300 45 00, zeitschriften@hogrefe.ch, www.hogrefe.ch

Anzeigenleitung

Josef Nietlispach, Tel. +41 (0) 31 300 45 69, inserate@hogrefe.ch

Abonnemente

Zeitschriftenvertrieb, Tel. +41 (0) 31 300 45 13, zeitschriften@hogrefe.ch

Herstellung

Fabian Hofmann, Tel. +41 (0) 31 300 45 37, fabian.hofmann@hogrefe.ch

Satz und Druck

AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten im Allgäu

Titelbild

© Gettyimages | Steve Debenport

ISSN

1861-6186

Elektronische Version

econtent.hogrefe.com/loi/pad

Preise 2019

Jahresabonnement: Institute: CHF 402.– / € 306.– Private: CHF 116.– / € 87.– Studierende: CHF 67.– / € 50.– Porto und Versandgebühren: Schweiz: CHF 15.– Europa: € 15.– Übrige Länder: CHF 27.– Der Zugang zu den Ausgaben ab 2006 ist im Abonnement inbegriffen und kann online aktiviert werden. Einzelheft: CHF 29.– / € 20.– (+ Porto und Versandgebühren)

Hinweise für Autoren

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Für die Einreichung Ihres Beitrags und für jegliche redaktionelle Fragen wenden Sie sich bitte an die Redaktion unter padua@hogrefe.ch. Mit der Einreichung Ihres Beitrags willigen Sie einer allfälligen redaktionellen Bearbeitung ein und bestätigen, dass das Manuskript weder im Inland noch im Ausland publiziert, und dass es nicht gleichzeitig bei anderen Publikationsorganen eingereicht wurde. Weiter bestätigen Sie, dass sämtliche Abdruckgenehmigungen von allfälligen Abbildungen vorliegen. Bitte befolgen Sie die Hinweise zur Manuskriptgestaltung, die auf www.padua-zeitschrift.com downloadbar sind. Jeder Autor erhält auf Wunsch ein kostenloses Belegexemplar des Hefts, in dem der Artikel erschienen ist. Sonderdrucke können gegen Rechnung bestellt werden. Eine diesbezügliche Bestellung muss spätestens mit der Rücksendung der Korrekturfahnen an den Verlag erfolgen. Die Verantwortung für den redaktionellen Inhalt der einzelnen Beiträge liegt bei den Autoren.

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Inhalt Editorial

Praxisentwicklungsstationen als kompetenzfördernde Lernumgebung für Pflegestudierende

5

Doris Eberhardt Schwerpunkt

Methodische Kompetenzen von PraxisanleiterInnen für die hochschulische Ausbildung

7

Armin Leibig und Karl-Heinz Sahmel Aus der Praxis und für die Praxis: Entwicklung von pflegedidaktisch reflektierten Transferaufgaben

13

Benjamin Kühme und Ethel Narbei Das Praxiscurriculum im Studiengang Pflege dual – Das Osnabrücker Modell: Spagat zwischen Anspruch und Alltag

21

Marlies Böggemann, Benjamin Kühme und Ute Schöniger Praxislernen im Pflegestudium

29

Teil 1: Professionalisierung in der Pflegepraxis: Anleitung von Studierenden – Erste innovative Schritte Nane Jakob und Anne Kaiser Teil 2: Durch Kollegiale Fallberatung den Austausch zwischen Pflegefachkräften und Studierenden fördern Helga Schell, Günter Milla und Astrid Herold-Majumdar „Ist doch eh alles das Gleiche, oder?!“

35

Praxisanleitung für Schüler_innen und Studierende German Quernheim Lehren und Lernen

Das „Boot Camp“

42

Eine didaktische Methode zum Einstieg in den Schreibprozess einer Bachelorarbeit Christa Büker, Matthias Mertin, Irene Müller und Dominik Röding Zum aktuellen Stand der Lehrerbildung im Hinblick auf die Anforderungen im Pflegereformgesetz

49

Christian Frieß, Silvia Wobst und Sebastian Koch

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Wissen und Forschen

55

Ausbildungsanregungen Betreuung Sterbender in der stationären Versorgung Wolfgang M. George und Johannes Herrmann

61

Vorbilder in der Pflege: eine monokulturelle Angelegenheit? Claudia Schlegel, Martin Siefers, Marion Engels, Ingeborg Beatty und Sinisa Delic Informiert sein und Handeln

64

Patientenedukation in der Pflege – Themensammlung und Unterrichtsvorschläge (Teil 2) Angelika Zegelin, Nadine Sunder und Tanja Segmüller

71

Service Meldungen, Neuheiten

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Studieren neben dem Beruf – flexibel von überall! Medizinalfachberufe (B.A. / M.A.) Akademische Weiterqualifizierung für alle in Therapie- und Pflegeberufen Tätigen, die sich parallel zu einer Berufstätigkeit weiterbilden möchten.

Gesundheitsmanagement (B.A. / M.A.) Naturheilkunde und komplementäre Heilverfahren (B.Sc.)

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Praxisentwicklungsstationen als kompetenzfördernde Lernumgebung für Pflegestudierende Mit der Etablierung primärqualifizierender Pflegestudiengänge stehen wir einmal mehr vor der Frage nach der qualifikationsgerechten Gestaltung der praktischen Ausbildungsphasen. Reuschenbach und Darmann-Finck (2018) verweisen im Anschluss an Dehnbostel (2007) auf drei arbeitsbezogene Lernformen: 1. Das arbeitsgebundene Lernen, bei dem informell über Erfahrungen gelernt wird, die beim praktischen Tun – auch über Instruktion und Anleitung – in der Arbeitsrealität erworben werden. 2. Das arbeitsverbundene Lernen, bei dem formelles und informelles Lernen verknüpft werden, indem Praxiserfahrungen mittels unterschiedlicher Methoden systematisch reflektiert werden. 3. Das arbeitsorientierte Lernen, bei dem in simulierten, möglichst realitätsnahen Lernsituationen schrittweise Handlungsabläufe eingeübt oder Handlungsalternativen erprobt und reflektiert werden.

Das arbeitsgebundene Lernen ist in der Pflegepraxis vorherrschend. Bei der Evaluation der Modellstudiengänge (Darmann-Finck et al. 2014) zeigte sich jedoch, dass gerade diese Form wenig geeignet ist, um den Aufbau von Kompetenzen auf Hochschulniveau zu fördern (Reuschenbach und Darmann-Finck 2018). Da die Kompetenzentwicklung hier wesentlich durch die Qualität der Arbeitsumgebung und die Qualität der Arbeits- und Lernaufgaben beeinflusst wird (Dehnbostel 2007), verwundert diese Erkenntnis nicht. Einrichtungen, in denen klinisch arbeitende Bachelorabsolvent_innen mit erweiterten Aufgaben flächendeckend eingesetzt werden, gehören nach wie vor zur Ausnahme (Eberhardt 2017). Und damit fehlen zwangsläufig Praxisanleitende, die aufgrund ihres akademischen Rollenprofils als Modell fungieren und die Studierenden im Rahmen des arbeitsgebundenen Lernens an ihre künftigen beruflichen Aufgaben heranzuführen können. Stattdessen bewegt sich die Praxisanleitung nach Aussage der Studierenden in besagter Evaluation vorwiegend auf dem Niveau der berufsschulischen Ausbildung (Darmann-Finck et al. 2014). Auf Hochschulseite existieren daher in der Regel eine Reihe von arbeitsverbundenen und -orientierten Lernangeboten, wie z. B. Projektarbeiten, Praxisreflexionen, Tutorenprogramme, Skills- und Simulationstrainings, Fallkonferenzen, Kollegiale Bera-

tungen, Aktionslernen usw., mit denen die Kompetenzentwicklung der Studierenden gezielt gefördert werden sollen. Weil sich die berufliche Realität jedoch nie in ihrer Komplexität simulieren lässt, ist das Potenzial vor allem des arbeitsorientierten Lernens begrenzt (Reuschenbach und Darmann-Finck 2018). Ein wichtiger Schritt scheint daher die Definition von Qualitätsstandards für Lehreinrichtungen der hochschulischen Pflegeausbildung (Darmann-Finck et al. 2017). Jedoch ist davon auszugehen, dass solche Standards nicht ohne Weiteres und vor allem nicht kurzfristig von allen Praxiseinrichtungen umgesetzt werden können. Ein gangbarer Weg für interessierte Einrichtungen könnte der Aufbau von sogenannten Praxisentwicklungsstationen sein. Diese Stationen – international auch unter dem Namen Nursing-, Practice- oder Clinical-Development Units bekannt – haben sich explizit zur Weiterentwicklung der Pflegenden und der Pflegepraxis durch systematische Methoden verpflichtet mit dem Ziel, pflegerische Exzellenz aufzubauen und langfristig zu sichern (Greenwood 1999). Vier Strategien spielen hierbei eine wichtige Rolle (Christian 1995): 1. Etablierung einer personenzentrierten Pflegepraxis 2. Implementierung einer Evidence-basierten Praxis 3. Gezielte Personalentwicklung 4. Reorganisation der Pflege

Als Nutzen von Praxisentwicklungsstationen wird die Befähigung von Pflegenden zur Veränderung und Weiterentwicklung der pflegerischen Versorgung, die stärkere Integration von Forschungsergebnissen bzw. neuem Wissen in die Praxis, die Ermöglichung von kreativem und innovativem Pflegehandeln sowie die bessere Vernetzung von Praxis und Hochschulen beschrieben (Flint & Wright 2001; Greenwood & Parsons 2002). Darüber hinaus erfüllen Praxisentwicklungsstationen eine Reihe von Kriterien (Schiereck 2000): So sind hier nicht nur akademische Pflegerollen vorzufinden, sondern auch Programme und Aktivitäten zur begleitenden Kompetenzentwicklung aller Mitglieder des Pflegeteams, ebenso wie Führungspersonen, die eine Kultur fördern, in der Veränderung, Entwicklung und Lernen zum obligatorischen Bestandteil einer professionellen Praxis gehören. Damit erscheinen Praxisentwicklungsstationen nicht nur als vielversprechendes

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Editorial

Doris Eberhardt


6 Editorial

Konzept für die gelingende Implementierung der neuen akademischen Rollen (Eberhardt 2018), sondern auch als Umgebung, in der für die Entwicklung von Kompetenzen auf Hochschulniveau bedeutsame Lernerfahrungen ermöglicht werden können. Der Schwerpunkt dieser Ausgabe widmet sich dem Thema Praxislernen im Pflegestudium aus ganz unterschiedlichen Perspektiven und zeigt engagierte Ansätze zur Gestaltung arbeitsbezogener Lernarrangements für Pflegestudierende. Lassen wir uns zum Nach- und Weiterdenken anregen! Ihre Doris Eberhardt

Literatur Christian SL (1995). An overview of NDU practices and values. Nurs Times 91 (34), 11. Darmann-Finck I, Helmbold A & Reuschenbach B (2017). Lehreinrichtungen der hochschulischen Pflegeausbildung – Überlegungen zur Entwicklung eines Qualitätsstandards. PfleGe 22 (3), 273 – 278. Darmann-Finck I, Muths S, Görres S, Adrian C, Bomball J & Reuschenbach B (2014). Inhaltliche und strukturelle Evaluation

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der Modellstudiengänge zur Weiterentwicklung der Pflegeund Gesundheitsfachberufe in NRW. Abschlussbericht vom Dezember 2014. http://www.mgepa.nrw.de/mediapool/pdf/­ pflege/20150528_NRW-Abschlussbericht-End-26_05_2015. pdf. Zugriff am 23.12.18. Dehnbostel P (2007). Lernen im Prozess der Arbeit. Münster: ­Waxmann. Eberhardt D (2018). Schwerpunkt Praxisentwicklung. CNE Pflegemanagement, Ausgabe 6, 4 – 11. Eberhardt D (2017). Integration akademischer Berufsrollen in die Pflegepraxis: eine empirische Untersuchung aus praxeologischer Perspektive. Dissertation, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Flint H & Wright SG (2001). Nursing development units: progress and developments. Nursing Stand 15 (29), 39–41. Greenwood J & Parsons M (2002). The evaluation of a clinical development unit leadership preparation program by focus group interviews – part I: positive aspects. Nurse Educ Today, 22 (7), 527–533. Greenwood J (1999). Clinical development units (nursing): the Western Sydney approach. J Adv Nurs 29 (3), 674–679. Reuschenbach B & Darmann-Finck I (2018). Pflege studieren – Intentionen, Strukturen und Erfahrungen. In Sahmel KH (Hrsg.). Hochschuldidaktik der Pflege und Gesundheitsfachberufe. Berlin: Springer, 63 – 76. Schiereck S (2000). Soziale Interaktion zwischen Pflegekräften und PatientInnen im Organisationsverlauf einer Nursing Development Unit. Eine empirische Studie innerhalb einer Nursing Development Unit in England. Pflege 13 (4), 234–241.

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Methodische Kompetenzen von PraxisanleiterInnen für die hochschulische Ausbildung Studierende in den Gesundheitsberufen sollen künftig in der hochschulischen Pflege-Qualifika­ tion in der Berufspraxis von PraxisanleiterInnen betreut werden, die sich im Rahmen von Anleitungen diverser Methoden bedienen. Hier soll geklärt werden welche methodisch-didaktischen Kompetenzen und welche weiteren Qualifikationen Praxis­ anleiterInnen in Zukunft benötigen werden, um die gesetzlichen Ausbildungsziele zu realisieren. Das Lernen in der Berufspraxis und damit die Praxisanleitung in der Ausbildung der Gesundheits- und Pflegeberufe erfahren zunehmende Bedeutung. Dies zeigt sich u. a. daran, dass der Umfang der Weiterbildung von PraxisanleiterInnen, mit dem neuen Pflegeberufegesetz von 2018, von 200 auf 300 Stunden erhöht worden ist. Dies stellt zwar per se keinen Fortschritt dar, da die Weiterbildung bereits 1996 in Hessen einen Umfang von 460 Stunden umfasste (­Mamerow, 2016, S. 9), zeigt aber in die richtige Richtung.

­ rschweren die Vereinbarung von Lernzeiten“ (Steffan & e Knoch, 2015, S. 265). Die Autorinnen fordern daher eine Veränderung der Inhalte und Angebote in Rahmen der Weiterbildung zum / zur PraxisanleiterIn. Einen Schritt weiter gehen Hobbs & Green (2003) und Auböck et al (2014), die „für die anleitenden Pflegepersonen eine in erster Linie wissenschaftliche Qualifikation“ fordern (S. 2 53). Ein Anspruch, der eigentlich nicht weiter diskutiert werden müsste, sondern als gegeben angesehen werden sollte. Also eine hochschulische Qualifikation im Bereich Nursing oder Pflegewissenschaft, was aber nur die fachlichen Kompetenzen abdecken würde. Die vom Gesetzgeber geforderte „berufspädagogische“ Qualifikation kann im Rahmen des Studiums im Rahmen e­ ines zusätzlichen Moduls erworben werden. An einigen Hochschulen (z. B. an der Hochschule Ludwigshafen) können die Studierenden im dualen Studiengang Pflege das Wahlmodul „Praxisanleitung“ belegen und haben mit dem Studienabschluss die Möglichkeit (auch) als PraxisanleiterIn tätig zu werden. Kurzfristig wäre dies ein gangbarer Weg auch für andere Pflegestudiengänge, längerfristig aber sollte darüber nachgedacht werden, die Qualifikation von „Lehrern für Praxis“ der von „Lehrern für Theorie“ anzugleichen – Das widerspräche aber allen berufspädagogischen Traditionen.

Qualifikation von PraxisanleiterInnen Die Praxisanleitung hat sich in den letzten Jahren in den Aus- und Weiterbildungen etabliert, doch zeigen diverse Untersuchungen (Landes-Pflege-Rat, 2017; Zimmermann & Lehmann, 2014; verdi, 2015, Sahmel, 2015) dass die Aus- und Weiterbildungspraxis noch defizitär ist. Dies betrifft sowohl die strukturellen Bedingungen wie die Freistellung, die Vergütung, die innerbetriebliche Stellenintegration inkl. dienstrechtlicher Unterstellung, wie auch prozessuale Aspekte wie Anleitungsmethoden, Lehr-LernSetting oder die Reflexion des Lernens. So finden 67 – 78 % der gezielten Anleitungen nicht im gesetzlichen Rahmen statt (Landes-Pflege-Rat, 2017, S. 24). Ein ähnliches Bild zeigen Steffan und Knoch (2015) auf, die sich mit dem Erleben von Anleitung von dual bzw. ausbildungsbegleitenden Studierenden beschäftigt haben. So sind PraxisanleiterInnen nicht auf den aktuellen Wissensstand und „(Z)unehmender Versorgungs- und Betreuungsaufwand der Klienten und hoher Personalmangel

Kompetenzen künftiger PraxisanleiterInnen Welche Kompetenzen benötigen PraxisanleiterInnen, die eine hochschulische Qualifikation haben (sollten)? Analysiert man die Vorgaben des Pflegeberufegesetzes, so findet man normative Vorgaben für eine Qualifizierung von PraxisanleiterInnen vor allem in § 37. Hier werden drei umfassende Ziele formuliert. Zunächst allgemein: 1. Die Primärqualifikation an Hochschulen befähigt zur unmittelbaren Tätigkeit an zu pflegenden Menschen und hat gegenüber der schulischen Ausbildung ein erweitertes Ausbildungsziel. 2. Die Hochschule vermittelt die Kompetenzen, die für eine selbstständige umfassende und prozessorientierte Pflege erforderlich sind und dies auf wissenschaftlicher Basis und Methodik.

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Schwerpunkt

Armin Leibig und Karl-Heinz Sahmel


8 Schwerpunkt

Im dritten, konkreteren Ausbildungsziel wird erneut der Kompetenzbegriff verwendet und es findet sich folgende Differenzierung: a. Steuerung / Gestaltung hochkomplexer Pflegeprozess, die wissenschaftsbasiert und -orientiert sind b. Vertieftes Wissen über Pflegewissenschaft, den gesellschaftlich-institutionellen Rahmen der Pflege und des normativ-institutionellen Versorgungssystems sowie die Weiterentwicklung der Pflege und Gesundheit mitzugestalten. c. Forschungsgebiete für die Pflege erschließen, forschungsbasierte Problemlösungen transferieren und berufsspe­ zifische Bildungsbedarfe erkennen. d. Sich mit der theoretischen und praktischen Berufspraxis kritisch-reflexiv und analytisch auseinandersetzen und evidenzbasierte Lösungen entwickelt bzw. implementieren. e. Mitwirkung bei der Entwicklung von qualitätssichernden Konzepten. Ergänzend können im Rahmen der hochschulischen Ausbildung zusätzliche Kompetenzen vermitteln werden, wobei das Ausbildungsziel nicht gefährdet werden darf. Die Studierenden sollen also hochkomplexe Pflege­ prozesse steuern und sich dabei am aktuellen wissen­ schaft­lichen Forschungsstand der Pflege orientieren. Die Perspektive soll nicht ausschließlich auf den Patienten ausgerichtet sein, sondern auch gesellschaftliche, gesundheitspolitische und institutionelle Aspekte sollen handlungsleitend sein. Die Pflegeinterventionen werden einer kritischen Reflexion unterzogen, wobei Evidenzbasierung die Leitkategorie darstellen soll. Auf diese Weise soll eine hohe Qualität entwickelt werden und auch die normativen Vorgaben (SOP, Nationalen Expertenstandards, Leitlinien usw.) dieser wissenschaftlichen Betrachtungsweise unterzogen werden. Betrachtet man nun die genannten Ansprüche an Studierenden kritisch und bringt sie in Verbindung mit Praxisanleitung, so kann sicherlich behauptet werden, dass die bisherige Qualifikation von PraxisanleiterInnen nicht die Ansprüche an eine methodisch-didaktische Qualifikation für evidenzbasierte Pflege erfüllt, da die notwendigen Kompetenzen weder im Rahmen der Ausbildung, noch in der Weiterbildung zum / zur PraxisanleiterIn erworben werden. Sowohl die Curricula der DKG (2015) als auch die Weiterbildungsordnung der Landespflegekammer RheinlandPfalz (2018) weisen hier Defizite auf. Betrachtet man das Modul „Lernprozesse im Praxisfeld gestalten“ (70 Stunden) der Landespflegekammer bezüglich der Lernergebnisse, so werden für den Bereich „Wissen“ ausschließlich die Verben skizzieren (→ Verständnis), kennen (→ Verständnis) und beurteilen (→ Analyse) verwendet. Diese Formulierungen ermöglichen es nicht die Kompetenzen zu erwerben, die für Anleitung von Bachelor-Studierenden notwendig sind. Ebenso verhält es sich mit den Lernergebnissen für den Bereich „Einstellungen / Wert / Haltungen“ im selben Modul. Auch hier entsprechen die Verben sich motiviert einbringen (→ Reagieren), entwickeln eine AmbiPADUA (2019), 14 (1), 7–12

guitätstoleranz (→ Wertkomplex) bewusst (→ Aufnahmen) nicht durchgehend dem Anspruch an ein Bachelorniveau. Dieses Niveau ist u. a. festgeschrieben in „Kompetenzen zur Planung, Bearbeitung und Auswertung von umfassenden fachlichen Aufgaben- und Problemstellungen sowie zur eigenverantwortlichen Steuerung von Prozessen in Teilbereichen eines wissenschaftlichen Faches oder in einem beruflichen Tätigkeitsfeld“ (DQR, 2011). Trotz dieser Kritik soll der konstruktive Aspekt genutzt werden, um – nur – für den Bereich der Methodenkompetenz Möglichkeiten darzustellen, wie künftige PraxisanleiterInnen sich ein Methodenpool erwerben können. Dieses soll in Verbindung mit dem individuellen Lernbedarf der Auszubildenden, den Lerninhalten und den strukturellen Begebenheiten der Praxis in ein konstruktives Lernsetting überführt werden.

Methodenkompetenz Der Begriff der Methodenkompetenz stellt sich nicht nur für eine(n) PraxisanleiterIn als komplex dar. So müssen Informationen über die Methode und den Lehr-Lern­ inhalt beschafft werden und diese in Verbindung mit den zeitlichen Ressourcen gebracht werden. Parallel dazu stehen Überlegungen zum Konzept und der Präsentation bzw. Anwendung. Die Methode ist somit im didaktischen Denken vernetzt und bedarf komplexer Betrachtungsweisen (Sahmel 2015). Mittels ihrer eigenen Methode sollen Studierende neue und komplexe Aufgaben bzw. Probleme flexibel und selbstständig bewältigen. Hinter der Methodenkompetenz verbergen sich die Schlüsselworte Problemlösefähigkeit, Transferfähigkeit, vernetztes sowie abstraktes Denken und Analysefähigkeit.

Allgemeiner methodischer Ansatz von Praxisanleitung Aus Sicht der Studierenden, die keinen Schülerstatus ­haben (!), gilt es, in die Praxisanleitung erwachsenenpädagogische Elemente zu integrieren. Dies bedeutet für die PraxisanleiterInnen mehr Moderatorin, Begleiterin, Betreuerin und Coach zu sein. Dabei stehen das selbstgesteuerte und selbstorganisierte Lernen im Mittelpunkt, wobei zusätzlich intermediales Lernen eingebunden werden kann. Diese Ausrichtung auf selbstbestimmende Elemente unterstützt und motiviert die Lernenden und schafft eine Atmosphäre des Vertrauens und der Unabhängigkeit. Für Bohrer wird „Selbstständig werden der Lernenden durch Kontinuität und sichere Beziehungen im Lernumfeld bestimmt“ (Bohrer, 2013, S. 92). Bohrers Ansatz kann als Übergang vom formellen zum informellen Lernen in der praktischen Pflegeausbildung gewertet werden. Genau diesen Prozess müssen PraxisanleiterInnen ©2019 Hogrefe


Schwerpunkt 9

initiieren, um das im § 5 als Ausbildungsziel beschriebene lebenslange Lernen zu forcieren, was „als ein Prozess der eigenen beruflichen Biographie verstanden [wird] und die fortlaufende persönliche und fachliche Weiterentwicklung als notwendig anerkannt“ wird. Methode wird im Weiteren nicht nur als Methode zum Lerntransfer verstanden, sondern immer auch als Mittel zu Emanzipation.

Planung von Praxisanleitung Aus pädagogischer Perspektive sollten die Studierenden ihren Lernprozess möglichst selbst- und mit- bestimmen können. Daher sollte ein Rahmen-Lernplan vorliegen, der analog zu den theoretischen Lernangeboten die Tä­ tigkeitsschwerpunkte oder Kompetenzen einzelner Ab­ teil­ungen aufführt und mit dem Curriculum der Schule ­ab­gestimmt ist. Wird eine Praxisanleitung seitens des Studierenden geplant, erfolgt eine Kontaktaufnahme mit dem / der gewählten PraxisanleiterIn und die Vereinbarung eines Gespräches. Dabei werden Lernschwerpunkte, Methodenauswahl, Kommunikationsstruktur, Nachbesprechung und das weitere Procedere vereinbart. Neben diesen Aspekten ist die Bestimmung des Lernbereichs, vor allem der / die zu versorgenden PatientenInnen von Bedeutung. Idealerweise bestimmen die Studierenden den Lernbereich, wobei für die Anleitung beiderseits Vorbereitungen getroffen werden.

Vorbereitung auf die Praxisanleitung Zur Vorbereitung auf die Praxisanleitung können Lernaufgaben an die Studierenden gegeben werden, bei denen ­reale Tätigkeiten aufgegriffen werden. Dies mit dem Ziel, neues Wissen anzuwenden und subjektive Theorien zu verändern (Müller, 2005, S. 685). Die individuelle Wissensgenerierung stellt eine Verbindung zwischen dem formellen und informellen Lernen in Verbindung mit der Berufspraxis her (Schröder, 2009, S. 23) und zeigt, dass die Studierenden einen theoretischen Hintergrund für die Berufspraxis benötigen. Als eine weitere Möglichkeit zur Vorbereitung kann das Reflexionsintegrative Anleitungsmodell (RIA) gelten, bei dem die Studierenden die Anleitungsthemen selbst wählen und die Ziele und Beobachtungskriterien bestimmen (Fuchs-Hlinka, 2014). Auch die Fallarbeit kann als Vorbereitung für eine Praxisanleitung eingesetzt werden. So kann z. B. im Rahmen des praktischen Einsatzes auf einer kardiologischen Abteilung ein Fall zur Vorbereitung bearbeitet werden, wobei der Fokus (Krankheitsbild, Lebenssituation bzw. -qualität, Konfliktsituation in Familie / Beruf) auf andere Aspekte gelegt werden kann, als in der folgenden Anleitung. Die Fallarbeit soll entdeckendes Lernen ermöglichen und dazu noch kognitive Strukturen aufbauen, um nachfol-

gend Methodenwissen und Orientierung zu vermitteln (Rohde, 2006, S. 17). Während Fälle durchaus komplex sein können, können alternativ Fallvignetten zur Vorbereitung verwendet werden. Fallvignetten sind inhaltlich ­kürzer gefasst und stellen eine stimulierende Ausgangs­ situation dar, die die Studierenden zu weiterführenden Handlungsmöglichkeiten anregen und im Rahmen der Anleitung aufgenommen werden (Schnurr, 2003).

Methoden der Praxisanleitung Die Praxisanleitung stellt das geplante und gezielte pädagogische Setting dar, indem Fertigkeiten und Wissen vermittelt werden. Schmal (2017, S. 179 ff) fasst unter der klassischen praktischen Anleitung folgende Methoden ­ zusammen: • 4-Schritt-Methode • Modell mit Metalog • Problembasierte Praxisanleitung • Cognitive Apprenticeship • Lernaufgaben Quernheim (2017, S. 61 ff) führt unter den Anleitungs- und Lernmodellen in der Praxis diverse Lernansätze auf. Dabei ist der Schwerpunkt weniger methodisch ausgerichtet als vielmehr auf das Lernen bzw. lerntheoretische Aspekte. Nachfolgend werden aus der Fülle der Methoden einige aufgegriffen und näher analysiert, die uns besonders wichtig erscheinen, sowie ihr Gebrauch in der Berufspraxis diskutiert.

Modeling mit Metalog Bei der Methode des Modeling mit Metalog verdeutlicht der Lehrende „durch ,lautes‘ Denken in der Situation, was gerade geschieht, warum es geschieht und wie es geschieht“ (Brühlmann, 2005, S. 365). Der Studierende kann nachvollziehen, was der Lehrende in der konkreten Pflegesituation überlegt, welche Wirkungen er erwartet, welche Handlungsalternativen sich ergeben usw. Diese Art des kommentierten Handelns hat den Vorteil, dass die Wahrnehmung und Beobachtung gelenkt wird, kontextorientiertes Wissen wird in der Situation explizit, explizites Wissen wird mit der eigenen Wahrnehmung verknüpft und die Reflexion findet auf einem höheren Abstraktionsniveau statt (Brühlmann, 2005, S. 366). Als lerntheoretischer Ansatz kann das Lernen am Modell gelten, wobei der Lehrende eine dominierende Rolle einnimmt.

Problemorientierte Praxisanleitung Die problemorientierte Praxisanleitung geht von einem Problem zu Beginn der Anleitung aus. Dabei sind die Vorkennt-

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nisse, der Schwierigkeits- und Neuigkeitsgrad zu beachten. Die Ziele dieser Methode liegen in der Erhöhung der Lernkompetenz, dem selbständigen Arbeiten mit Förderung der Selbstverantwortung, der Problemlösungsfähigkeiten und der Aktivierung von Vorwissen (Schmal, 2014, S. 159). Wichtig sind bei dieser Methode, dass die Rahmenbedingungen wie Zugang zu Literatur, Internet und Spezialisten im interdisziplinären Team, vorhanden sind. Das Problem wird schriftlich formuliert und der Studierende stellt für sich Fragen, die zur Lösung des Problems beitragen können. Mittels eigenem Vorwissen wird nun versucht, das Problem zu lösen. Sollten die eigenen Erfahrungen oder subjektiven Theorien keine Lösung ermöglichen, geht der Studierende in die Recherche, um die Fragen schriftlich zu beantworten. Anschließend werden die neuen Erkenntnisse in der Praxis angewandt und es erfolgt u. a. eine Evaluation zum Thema Theorie-Praxis-Transfer. Der Lehrende übernimmt hier die Rolle des Begleiters und Impulsgebers.

Cognitive Apprenticeship Eine weitere Anleitungsmethode ist das Cognitive Apprenticeship. Diese Methode stellt ein mehrphasiges Modell dar, in dem der Lehrende sich immer mehr aus der Situa­ tion zurückzieht, während der Lernende zunehmend aktiv seinen Lernprozess gestaltet. Die einzelnen Phasen finden sich in Tabelle 1. Für den Lehrenden ist es bei der Methode vor allem wichtig, den Übergang von Scaffolding zum Fading zu erkennen. Das Cognitive Apprenticeship bildet den Prozess von der Lehrerzentrierung hin zur Lernerzentrierung innerhalb der Methoden ab. Die drei aufgeführten Methoden zeigen Möglichkeiten von PraxisanleiterInnen auf, über Methoden nicht nur

Kompetenzen zu entwickeln, sondern auch auf die Entwicklung von Verantwortung und Selbstständigkeit von Studierenden im Praxisfeld hinzuwirken. Für den / die PraxisanleiterIn gilt es, die geeigneten Methoden unter unterschiedlichen Aspekten auszuwählen wie z. B. • Lernender und Methode sind für den aktuellen Leistungsstand passend • Für den Lernenden ist die Methode bezüglich seines Lerntyps stimmig • Pflegerischer Inhalt und Methoden ergänzen sich • Mit der Methode kann das Lernziel in den Fokus des Lernenden geraten • Der / die PraxisanleiterIn kann die Methoden authentisch anwenden • Die Förderung der Selbstständigkeit kann je nach Leistungsstand des Lernenden erfolgen • Bei Einsatz der Methode finden ethische Dimensionen Beachtung

Methoden und Reflexion Den Abschluss einer Praxisanleitung bildet i. d. R . das Nachgespräch. Häufig stellt das Nachgespräch nur eine Rückmeldung (= Feedback) zu den erfolgten pflegerischen Handlungen dar. Ein Feed up (Was ist mein Ziel?) und Feed forward (Was kommt als Nächstes?) wird häufig nicht gegeben (Hattie, 2015, S. 209). Doch gerade diese Informationen benötigen Lernende, wenn es gilt, die eigenen Lernprozesse zunehmend selbst zu bestimmen – auch über die Ausbildungszeit hinaus. Wenn künftig kompetenzorientiert ausgebildet werden soll, muss auch eine Rückmeldung über die persönliche Entwicklung im Berufsfeld (= Personale Kompetenz) und die soziale Kompetenz er-

Tabelle 1. Phasen des Cognitive Apprenticeship (in Anlehnung an: Schewior-Popp, 2011, S. 9 f) Phase

Methode

Aktivität der Lehrenden

Aktivität des Lernenden

1

Modelling (Vorführen)

Zeigen und Erklären einer pflegerischen Handlung Erläuterung der Vorgehens- und Denkweise

Durch Beobachtung wird ein Handlungsleitfaden entwickelt

2

Coaching (Beratung)

Hilfsgerüst wird angeboten Unterstützung bei der Handlung Impulse und Korrekturen

Durchführung der Handlung mit Unterstützung des Lehrenden

3

Scaffolding (Unterstützung)

Teilaufgaben werden noch übernommen Lernender bekommt noch Unterstützung

Selbstständige Handlungsübernahme mit ­Unterstützung

4

Fading (Ausblenden)

Lehrende zieht sich zurück Unterstützung wird minimiert

Steigende Selbstständigkeit bei der Handlungsdurchführung

5

Articulation (Verbalisierung)

Fragen werden gestellt

Handlungsdurchführung (inkl. Modelling) Beschreibung von Handlungsschritten

6

Reflection (Reflexion)

Kritische Rückmeldung zur Handlung

Eigenleistung wird reflektiert Annäherung an Zielvorstellungen

7

Exploration (Erweiterung)

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Transfer der Erkenntnis in andere Pflege­ situationen Erweiterung der Handlungskompetenz

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folgen. Voraussetzung ist eine pädagogische Beziehung, die Vertrauen schafft und Lernen ermöglicht (Giesecke, 1992, S. 117). Für den Lernenden sind Lernfeld und Berufsfeld identisch und eine Abkoppelung der Praxisanleitung von der Pflegepraxis ist nur eingeschränkt möglich. Von daher hat Lernen in der Praxis auch mit der Organisation und deren Entwicklung zu tun. Um diesen Lernprozess zu unterstützen kann eine strukturelle Veränderung helfen. Hier kann eine Analogie hergestellt werden zur Patientenübergabe mit proaktivem Fokus (Mason, 2000). Diese Übergabeform stellt die bisherige Form auf den Kopf, da nicht mehr die Mitarbeiter­ Innen der abgebenden Schicht die Übergabe gestalten, sondern die übernehmenden MitarbeiterInnen die Patientenunterlagen sichten und aus den (unklaren und nicht vorhandenen) Fakten Fragen formulieren, um handlungsfähig zu werden. Eine weitere Form, die eigene Handlungsfähigkeit zu entwickeln stellen After-Actions-Reviews (AAR) am Ende einer Schicht dar. Hier werden durch die MitarbeiterInnen (und die Lernenden) selbstreflexiv Prozesse imaginiert und reflektiert (Gergs, 2016, S. 126 f). Dieser Prozess kann verbalisiert und dokumentiert werden und einem Qualitätsentwicklungsprozess zugeführt werden. Ein weiteres Konzept dazu stellt der Selbstreflexions­ bogen für die Praxis (SeRPA©) dar, der eine Entwicklung der Kompetenz durch Selbstreflexion vorsieht (Kraske et al., 2016). Ziel ist die strukturierte Auseinandersetzung mit dem Erlebten und das Entwickeln von Handlungsalternativen.

Fazit Praxisanleitung braucht nicht nur Methode, sondern sie bedarf umfangreicher pädagogischer und fachlicher Kompetenz. Schließlich sollen die Studierenden „wissenschaftlich-methodisch zur Problemlösungsfähigkeit […] befähigt werden, um Pflegethemen der Praxis weiterentwickeln zu können“ (Kühme & Narbei, 2017, S. 31). Aus diesem Zitat ergeben sich die beiden Qualifikationsschienen für PraxisanleiterInnen: Fachlichkeit (= Pflegewissenschaft) und pädagogische Kompetenz (= Pflegepädagogik). Beide müssen künftig Gegenstand einer akademischen Qualifikation sein und können in einem Bachelorstudium unterschiedlich gewichtet sein. Es wurde aufgezeigt, dass Methoden in unterschiedlichen Phasen von Praxisanleitung Anwendung finden können und deren Auswahl dabei in ein komplexes System eingebunden ist. Als Maximen zur Auswahl sollten gelten, die Selbstständigkeit und Selbsttätigkeit zu fördern, Selbststeuerung und Selbstorganisation zu entwickeln, informelle zu Gunsten formeller Lernsequenzen fördern, die Lernenden als Teil eines Systems zu sehen, welches autonome und individuelle Handlungsoptionen ermöglichen sollte. Wie in der theoretischen Ausbildung geht es nicht um den Einsatz von Methoden durch die Lehrenden,

sondern darum, dass Lehren und Lernen Methode bekommt (Sahmel 2015). Auch in der praktischen Pflege­ ausbildung gilt es, eine Lernkultur innerhalb der Organi­ sationen zu entwickeln, die nicht darauf beruht nur Anforderungen von Zertifizierungen zu erfüllen, sondern sich mit dem Lernen lernen, der individuellen Lernbiographie und der Sozialisation kritisch auseinander zu setzen. Denn dies ist die Basis für lebenslanges Lernen.

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Dr. phil. Armin Leibig MA Professor für Gesundheits- und Pflegepädagogik an Hochschule Ludwigshafen am Rhein Fachbereich Sozial- und Gesundheitswesen, Krankenpfleger, Pflegepädagoge Armin.Leibig@hs-lu.de Prof. Dr. paed. habil. Karl-Heinz Sahmel von 1997 bis 2018 Professor für Pflegepädagogik an der Hochschule Ludwigshafen; apl. Professor am Institut für Pflegewissenschaft der UMIT Hall / Tirol karl-heinz.sahmel@t-online.de

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Aus der Praxis und für die Praxis: Entwicklung von pflegedidaktisch reflektierten Transferaufgaben Benjamin Kühme und Ethel Narbei

diengängen stehen die Hochschulen und die Pflegepraxis vor Herausforderungen, in denen die Vernetzung von Praxis und Theorie besondere Bedeutung hat. Pflegepraxis und akademisches Pflegewissen stehen im Besonderen dialektisch, in ihrer wechselseitigen Dynamik, im Mittelpunkt der Diskussion.

Die Integration der akademischen Bildung in die Praxis hat eine hohe Bedeutung. Wenn dies nicht gelingt, ist zu befürchten, dass hochschulische Konzepte in einen Legitimationsnotstand geraten (Kühme / Narbei 2017). Aus diesem Grund sollte in der curricularen Entwicklung das Ziel verfolgt werden, den Prozess der Praxis-Theorie-Reflex­ ion anzustoßen. Das neue Berufsgesetz (PflBRefG 2017) sieht die pflegerische Grundausbildung auch an Hochschulen vor. Fragen zum Praxisbezug, Praxis – Theorie- Transfer und zum verwertbaren akademischen Mehrwert von Pflegebildung werden drängender. Zudem besteht die Gefahr, dass hochschulische Institutionslogik und Pflegepraxis nur schlecht zueinander finden, da diese beiden Lernorte in Deutschland traditionell wenige Berührungspunkte haben und sich in der Zusammenarbeit erst noch bewähren müssen. Gleichwohl ist zu betonen, dass mittlerweile viele gute Beispiele für die Konzeption und Themen hochschulischer Pflegeausbildung vorgelegt wurden und einen rasanten und ertragreichen Diskurs zum Thema abbilden (u. a. ­Elsbernd / Bader 2017, Büker et al. 2018), der Beachtung finden sollte. In der Entwicklung eines primärqualifizierenden Studienprogramms1 wurde zur Praxis-Theorie-Vernetzung das Ins­ trument der studentischen Transferaufgaben entwickelt, um Chancen des besonderen Verhältnisses zwischen Praxis und Theorie zu nutzen. Mit Hilfe der pf­

legedidaktischen Kategorialanalyse (Greb 2003, 2010) wurden Themen und Problemstellung der Pflegepraxis erhoben, pflegedidaktisch reflektiert und für Praxisaufgaben der Studierenden aufbereitet, die wir folgend Transferaufgaben nennen. Um das Studienprogramm tragfähig zu gestalten, wurden der Praxisbezug, die Berücksichtigung der Pflegedidaktik und die Belange der Pflegepraxis als wichtig erachtet.

Aus der Praxis und für die Praxis: Anlass zur Realanalyse In der Entwicklung von Studienprogrammen für den Pflegeberuf bedarf es der besonderen Berücksichtigung der beruflichen Handlungsfelder, da Pflege besonders stark an der Logik der Praxis orientiert ist. Wiederholt wurde uns im Verlauf der Konzeption signalisiert, dass es für einen großen Teil der in der Praxis tätigen Pflegenden keinen Sinn ergibt, dass Pflegende zukünftig eine akademische Ausbildung erhalten. Gleichsam war und ist es problematisch, dass PraxisanleiterInnen bisher kaum akademisch ausgebildet sind und damit keine vergleichbare Berufssozialisation wie die Pflegestudierenden durchlaufen. So erschließt sich für Anleitende in der Praxis oft nicht der Sinn, dass Studentinnen ebenso wie die Pflegeschülerinnen für die Pflegepraxis ausgebildet werden. Dabei ist zu befürchten, dass sich Studierende durch erfahrene Ablehnung nicht mit den Pflegeteams identifizieren und sich selbst nicht als Pflegepraktiker wahrnehmen. Die Entwicklung der akademischen Pflegebildung löst bis heute Ängste und Zweifel in der Pflegepraxis aus. Auch 20 Jahre nach Axmacher (1991) ist in der Entwicklung für Studienprogramme zu bedenken, dass in der Begegnung zwischen erfahrenen Pflegepraktikern und Pflegestudierenden das Phänomen der Heimatlosigkeit im eigenen G ­ egenstandsfeld

Das Studienprogramm wurde als Modellstudiengang Pflege an der ehemals Mathias Hochschule Rheine nach den Vorgaben des § 4 Abs. 1 KrPflG, entwickelt, um für zukünftig Pflegende einen primärqualifizierenden Bachelorabschluss zu ermöglichen. Im Rahmen der Vorgaben aus der Modellklausel musste die akademische Bildung mit den berufsrechtlichen Regelwerken der Pflegeberufe verzahnt werden und war in einem Kooperationsverbund (Hochschule und Fachschulen) umzusetzen. Der Projektgruppe gehörten neben den Autoren an: Kerstin Zimmermann, Peter Ahaus, Andreas Holtmann, Petra Mohr und als späterer Studiengangleiter Prof. Dr. Markus Zimmermann. Deren Arbeit möchten wir an dieser Stelle ausdrücklich würdigen.

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Mit dem Start von primärqualifizierenden Pflegestu-


14 Schwerpunkt

zu Konflikten führen kann. Für die Ent­wicklung von Studienprogrammen scheint es daher u. a. essenziell, die Praxisbelange von Pflegepraktikern aufzunehmen, um deren wertvolles Erfah­ rungswissen mit einzubringen. Zu den vielfältigen Entwick­lungsprozessen der Pflege, die durch die Primärakademisierung ausgelöst werden, gehört neben der Professionalisierung auch die inhaltliche Entwicklung von Pflegethemen. Hiervon sollte die Pflegepraxis profitieren und den Mehrwert akademischer Ausbildung erfahren. So war es ein zentrales Anliegen, die Themen und Problemstellungen der Praxis ins Curriculum aufzunehmen. In einer Realanalyse wurden Pflegepraktiker befragt, um die Handlungsfelder mit ihren immanenten Problemstellungen zu erfassen. In Folge der didaktischen Aufarbeitung sollten die Studierenden wissenschaftlich- methodisch zur Problemlösefähigkeit befähigt werden, um Pflegethemen der Praxis zukünftig weiterentwickeln zu können. Zudem sollten sie sich mit den Belangen der Pflegepraxis identifizieren, um sich als Teil der Pflegeteams zu fühlen.

Vorgehen zur Realanalyse Die Befunde der Pflegepraxis wurden in Bildungsinhalte transformiert, um diese zur Profilbestimmung und für die weitere Ausrichtung der Module im Studienprogramm zu nutzen. In der Entwicklungsphase wurden Pflegepraktik­ erinnen, Pflegedirektionen und Personalvertretungen aus kooperierenden Kranken- und Kinderkrankenhäusern in die Realanalyse einbezogen. In einem erweiterten Durchlauf wurden Pflegepraktikerinnen und Pflegedienstleitungen aus Einrichtungen der Altenhilfe in die Befragung einbezogen. Die Pflegedirektionen selbst nahmen die Rollen der Gatekeeper ein. Die Praktiker wurden über die offenen Fragestellungen aufgefordert, Problemstellungen der Pflegepraxis darzustellen, die ihrer Meinung nach typisch für den berufspraktischen Alltag sind. Weiterführend sollten die Befragten Themenstellungen beschreiben, die sie generell für ihre Institutionen und für die Pflege als zukünftig wichtig erachteten. Zudem bekamen die Befragten die Möglichkeit zu benennen und zu begründen, welche Fähigkeiten sie sich von zukünftig Pflegenden erhoffen würden. Die Auswertung der Fragebögen erfolgte als Kategorialanalyse mit Hilfe des Strukturgitters von Ulrike Greb (2003). Die Ergebnisse wurden mit Hilfe der Reflexionskategorien im Strukturgitter reflektiert und systematisch in das Curriculum des Studiengangs Pflege überführt. Unter Berücksichtigung der pflegepädagogischen Forschung war zudem auch klar, dass die Konzeption nicht ausschließlich einen Verwertungsbezug für die Pflege­ praxis verfolgen darf, sondern dass das zukünftige Studienprogramm auch dem Anspruch auf Bildung im bildungstheoretischen Sinne genügen muss.

Bildungsbezug durch Pflegedidaktik Neben dem Anspruch auf Praxisbezug ist zudem der pflegepädagogischen Forschung Rechnung zu tragen, in der Befunde vorliegen, dass die Verwertung der Lernenden in der praktischen Ausbildung als Arbeitskraft dominiert (Fichtmüller / Walter 2007, Balzer / Kühme 2009), was zu Lasten von Lern- und Bildungsprozessen geschieht (­Kühme 2015). Es sollte gerade um die Förderung von Bildungsprozessen gehen, die an der Schnittstelle von Praxis und Theorie der besonderen Aufmerksamkeit bedürfen (Bohrer 2013, Kühme 2015). Für regelhafte, berufliche und akademische (Pflegeaus-) Bildung gilt gleichermaßen, dass der Pflegeberuf ein Bildungsberuf ist! Seit vielen Jahren wird dies in pflegewissenschaftlichen und pflegedidaktischen Arbeiten gut begründet (Wittneben 2009; Ertl-Schmuck 2010; Greb 2003, 2010, Darmann-Finck 2010) und an dieser Stelle nicht tiefergehend expliziert.2 Vor dem Hintergrund des fachlichen Diskurses ist die bildungstheoretische Legitimation von Curricula und Konzepten in der Pflegeausbildung unverzichtbar. Für die Handlungsebene in der Praxis ist beispielhaft wichtig, ob Lernenden „verrichtungsorientierte“ Muster (Wittneben 2009, S. 108) oder „multidimensionale patientenorientierte“ Muster (ebenda) erlernen. Für Praxisanleiterinnen stellt sich die Frage, wie die Lernziele im Kontext der Pflege­einheit erreicht werden können. Aber warum bedarf gerade die Pflegepraxis bildungstheoretischer Modelle für die Pflegeausbildung? Pflegende bewegen sich in einem Arbeitsalltag, der von widersprüchlichen Anforderungen bestimmt wird (Antinomien). Diese Widersprüche sind den Institutionen immanent und können nicht umgangen werden (Greb 2003, 2010; Walter 2011). Es gilt, die systemimmanenten Widersprüche aufzudecken und kritisch zu reflektieren, um die beruflichen Anforderungen in der Pflege erfassen zu können. Diesen bildungstheoretischen Auftrag an die Pflege­ praxis kann man einfach illustrieren. Im Praxisalltag sind Pflegende den einzelnen, am Patientenfall ausgerichteten Bedürfnissen und zugleich den gesamtorganisatorischen Anforderungen einer Pflegeeinheit verpflichtet. In der beruflichen Realität führt dies zu Dilemmata, da beide Anforderungen im Widerspruch zueinander stehen können und von Lernenden bewältigt werden müssen. Prozesse der beruflichen Deformation (Overlander 1999) und des „Cool­ out“ (Kersting 2011) können, unserer Ansicht nach, die Folge sein, wenn die systemimmanenten, widersprüchlichen Erfahrungen im Pflegealltag nicht ausreichend bearbeitet werden. Zudem kann die Art und Weise, ob und wie die Bewältigung gelingt, darüber entscheiden, ob Bildungs­ prozesse stattfinden oder stagnieren (Kühme 2015). Lernende in der Pflege müssen reflektieren können, dass sie sich in der Praxisrealität in Begründungszwängen von individuellen Bedürfnissen des Patienten und fiskalisch orientierten Arbeitsabläufen der Institution befinden. Kurzum: die Pflegende bewegt sich in dem Spannungsfeld,

Für den aktuellen Diskurs verweisen wir auf Ertl-Schmuck, Fichtmüller (2010) und Ertl-Schmuck, Greb (2013, 2015).

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Schwerpunkt 15

Kritische Theorie (Adorno): gesellschaftliche Strukturen und Widersprüche

Berufsbildungstheorie: Pflege im Bezugssystem von Tausch und Herrschaft (Heydorn, Blankertz, Klafki)

Pflege- und Gesundheitswissenschaften

Hermeneutische Einzelfallkompetenz zentrale Medien der Pflege

1. Krankheitserleben

2. Helfen

Handlungstyp

3. Gesundheitswesen

I. Individuum

II. Interaktion

III. Institution

leibgebundene Perspektive

humanitärpragmatische Perspektive

gesundheitspolitisch ökonomische Persp.

1.I Leiderfahrung und Leibentfremdung

1.II Mimesis und Projektion

1.III Individualität und Standardisierung

2.I Beziehung und Methode

2.II Teamarbeit und Konkurrenz

2.III Tradition und Emanzipation

3.I Bedürfnis und Verwaltung

3.II Humanisierung und Sozialtechnologie

3.III Marktliberalität und soziale Gerechtigkeit

Aussagen Pflegepraktiker kategorialanalytisch ausgewertet: n=13 Abbildung 1. Kriteriensatz für die Pflege (Greb 2003 – 2010).

die individuellen Bedürfnisse ihrer Patientin bei der Morgenpflege zu erfüllen und mit Blick auf die vorgegebenen zeitlichen Ressourcen innerhalb ihrer Pflegeeinheit auch zu vernachlässigen. Eine bildungstheoretische Antwort auf das umschriebene Spannungsfeld kommt aus der Kritischen Pflegedidaktik (Greb 2003). Das pflegedidaktische Modell ist darauf ausgerichtet, die Widersprüche, gesellschaftliche und System bedingte Verflechtungen der Pflege in den Blick nehmen, um pflegeberufliche Handlungsfähigkeit zu fördern.

Fachdidaktische Reflexion: Entwicklung von Transferaufgaben aus den Befunden der Realanalyse Zur Umsetzung der Zielsetzung wurde die pflegedidaktische Kategorialanalyse nach Greb (2010) angewandt, da sie zum Einen in Form einer Realanalyse die Belange der Praxisrealität berücksichtigt und zum Anderen mittels pflegedidaktischer Reflexion zu Bildungsgehalten führt. Im Zentrum stehen die Widersprüche, die den pflegerischen Praxisalltag bestimmen. Die pflegedidaktische Kategorialanalyse er-

möglichte uns, methodisch die Widersprüche selbst zum Thema zu machen. Mit Hilfe des Kriteriensatzes (Abb. 1) für die Pflege offenbart sich die Widerspruchserfahrung und führt zu den Antinomien, die der Pflegepraxis immanent sind. Das Vorgehen mit dem Strukturgitter führt in der curricularen Arbeit zur reflektierten Auseinandersetzung von Theorie und Praxis, da in der Realanalyse berufliche Situationen und Anforderungen aufgenommen werden: „Eine pflegerische Kategorialanalyse ist eine durch pflege­ pädagogische Kategorien gelenkte systematische Analyse und Reflexion von Anforderungen, wie sie beispielsweise durch ­Bildungspläne und Lernfelder vorgegeben sind. In einer theo­ retischen Kategorialanalyse werden empirische und fach­ wissenschaftliche Sachverhalte der Pflege sowie berufliche Handlungserfordernisse mit Hilfe eines pflegeimmanenten Kriteriensatzes in didaktische Gegenstände übersetzt (trans­ formiert) und auf diesem Weg als Unterrichtsgegenstände ­bildungstheoretisch fundiert. Im Prozess der Curriculum Kon­ struktion folgt diese Theoriearbeit einer Bedingungsanalyse und korrespondiert mit einer empirischen Realanalyse, so dass Qualifikationserfordernisse der pflegerischen Praxis in die ­Reflexion aufgenommen werden.“ (Greb 2010, S. 125) Problemstellungen und Themen der Berufsgruppe sowie der Berufspraxis sollten nicht nur berücksichtigt werden, sondern Kernpunkte der pflegedidaktischen Reflexion

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sein und das Studiengangprofil bilden (vgl. Abbildung  1). Ziel war es, Bildungsinhalte in das Hochschulcurriculum zu überführen. Themenstellungen der Pflegerealität wurden so Gegenstand der Hochschullehre und weiterführend als Transferaufgaben (Praxisaufgaben) für die Studierenden entwickelt, die in der Praxis bearbeitet und von den Lehrenden begleitet werden. So wurde einerseits für die hochschulische Lehre die wissenschaftliche Reflexion von Problemstellungen der Pflegepraxis im direkten Berufsfeld berücksichtigt und die kritische Überprüfung der Berufsrealität, an bildungstheoretischen Maßstäben angesetzte Reflexion andererseits.

Auszüge aus der Kategorialanalyse Die Angaben der Pflegepraktiker wurden mit den Kategorien im Kriteriensatz (Abb. 1) reflektiert, wie nachfolgend in Auszügen dargestellt. Die folgende Aussage wurde beispielsweise unter Einnahme der Perspektive des Indivi­ duums (Greb 2010) bearbeitet: „Wissenschaftliche Erkenntnis, Leitlinien etc. für die bislang zu wenig qualifizierten Mitarbeiter in der Praxis anwendbar machen.“ So ergab ein Ausschnitt aus der Reflexion mit der Kategorie 2.I Beziehung und Methode: (…) In Form realer, durch die Studierenden vorgefundener Fallsituationen, erlernen sie exemplarisch die reflexive Ausei­ nandersetzung mit Widersprüchen aus den individuellen ­Bedürfnissen ihrer Patientinnen und wissenschaftlich-theo­ retischen Erkenntnissen. Sie sind in der Lage, die Dialektik von Praxis und Theorie zu erfassen. Sie lernen wissenschaftliche Erkenntnisse (u. a. EBN) methodisch für Lösungsansätze her­ anzuziehen, die ihnen Entscheidungsmöglichkeiten bieten. Zudem gleichen sie die wissenschaftlichen Erkenntnisse mit den Erfahrungen und der Biografie der Patientinnen ab. Sie werden sich bewusst, dass die Anforderungen einer evidenzba­ sierten Pflege im Widerspruch zum Aufbau einer individuellen Beziehung stehen können. Die Studierenden treten in den Dia­ log, um individuelle Bedürfnisse und wissenschaftliche Befun­ de (EBN) zu verhandeln. Sie werden herangeführt, die Wider­ sprüche aus Beziehungsaufbau und methodischem Vorgehen in der Pflege auszuhalten und für sich und den evidenzbasier­ ten Pflegeprozess zu reflektieren (…). Eine weitere Aussage war: „Verantwortung übernehmen und eine ökonomische, patientenorientierte Sichtweise berücksichtigen. Ökonomische Hintergründe kennen und trotzdem Patientenorientierung berücksichtigen.“ Unter Einnahme der Perspektive des Individuums (Refle­ xionskategorie 3.I Individuum und Organisation): (…) Sie werden realen Fallsituationen in der Praxis nachge­ hen, aus denen sich ein Anspruch aus Wahrung der Individua­ litäten der Betroffenen, ihrer persönlichen Lebens- und Lei­ densgeschichten ergeben. Im an Funktionen ausgerichteten Betrieb Krankenhaus analysieren sie, an welchen Stellen der Versorgungsabläufe es zu Brüchen im Fallverlauf kommt. Sie PADUA (2019), 14 (1), 13–19

erkennen, welche Einzelschicksale im Gefüge der Organisation Krankenhaus geprägt werden, wo sich Funktionen gegen die Individualität der Patienten richten. Zukünftig sollen sie Brü­ che frühzeitig voraussehen, um positiven Einfluss auf die Pa­ tientenfallsteuerung nehmen zu können (…), den individuellen Pflegeprozess im Kontext der funktionalen Organisation neu zu gestalten. Das Modul bahnt reflexiv, methodisch die pflege­ rische Fallkompetenz der Studierenden an (…) Mit dem Kriteriensatz für die Pflege konnten die zuvor erhobenen Aussagen der Pflegepraktiker mittels Reflexionskategorien konstellativ betrachtet und weiter ausformuliert werden. In einem nächsten Schritt erfolgte der Abgleich mit pflegewissenschaftlichen und bezugswissenschaftlichen Inhalten in Form einer Sachanalyse. Gemäß der pflegedidaktisch reflektierten Bildungsziele wurden methodische Entscheidungen getroffen, wie z. B. das Einüben von Patientenfallanalysen in der Praxis, um ­deren Verflechtungen inmitten der systemimmanenten Widersprüche aufzuspüren.

Transferaufgaben In der Realanalyse erwies sich als Kernproblem, dass im Krankenhausarbeitsalltag die Patientenfallverantwortung schlecht oder überhaupt nicht geregelt ist und es deshalb zu vielen Versorgungsbrüchen kommt. Auf Basis des pflegewissenschaftlichen Diskurses zur Professionalisierung der Pflege, in dem die doppelten Handlungslogik nach Oevermann (1996) als grundlegende Voraussetzung für professionelles Pflegehandeln gesehen wird (Greb 2010, Walter 2011), wurde als zentrales Element der Transferaufgaben die Entwicklung des Fallverstehens bei den Studierenden angestrebt. Die doppelte Handlungslogik in der Pflege ergibt sich aus der Besinnung auf Regelwissen und der Anwendung des Fallverstehens. So üben die Studierenden in jeder Transferaufgabe methodisch das Deuten des Falls, wie sie es in den Seminaren zur Fallarbeit vermittelt bekommen. Sie sollen die Fähigkeit zur Perspekti­ venbeweglichkeit entfalten, um für ihre Patienten und die Pflegearbeit die gesellschaftlichen und institutionellen Umstände erfassen zu können. Die Studierenden lernen die beruflichen Handlungsfelder kennen, die durch systemimmanente Widersprüche geprägt sind. Zusätzlich zur Fallarbeit bekommen die zu bearbeitenden Transferaufgaben eine inhaltliche Ausrichtung. So führen beispielsweise die Studierenden Assessments zur Ernährungssituation von Menschen im Krankenhaus durch, explorieren die Evidenzlage zu pflegepraktischen Themen (u. a. Blasenkatheterismus) und nehmen Einschätzungen zum Prozess der Bettlägerigkeit vor (Zegelin 2005). Die Auswahl der Fallsituationen in der Praxis erfolgt mit Hilfe von erfahrenen Praxisanleiterinnen, die nach B ­ enner (2000) für ihren Praxisbereich Intuitionen entwickeln. Diese Kernkompetenz der Anleiterinnen erwies sich als sehr vorteilhaft, um einen sicheren Falltransfer zu gewährleisten. Gerade bei den Fallanalysen haben die Studier­ ©2019 Hogrefe


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enden von den Erfahrungen und Perspektiven der Praxisanleiterinnen profitiert. Es ist festzuhalten, dass diese Aufgabe von Fachschullehrerinnen und Hochschullehrer­ innen nur unzureichend übernommen werden kann, da sie üblicherweise nicht mehr in der ­Praxis tätig sind. Für den gelingenden Praxis-Theorie-Transfer sollten die Transferaufgaben von den Studierenden in extra ausgewiesenen Transferzeiten in der direkten Pflegepraxis bearbeitet werden. Es ist günstig, wenn im laufenden Studienbetrieb an das jeweilige Hochschulmodul (Theorie in der Hochschule), Transferzeit (Praxisphase) und Selbststudienzeit anschließen. So können die Lernenden erworbenes Wissen und Praxisrealität mit einander abgleichen – die theoretische Reflexion der Praxis und die Überprüfung theoretischen Wissens anhand von Problemen der Praxisrealität werden zur Selbstverständlichkeit. Es versteht sich von selbst, dass die bearbeiteten Transferaufgaben an der Hochschule begutachtet und mit den Lernenden in der folgenden Präsenzphase besprochen werden.

Rückbindung von Transferaufgaben in die Praxis Die Transferaufgaben zielen auf die direkte Patienten­ nähe und damit auf das unmittelbare Praxisfeld ab. Die Ergebnisse der Transferaufgaben werden in den Pfle­ geteams und im Pflegemanagement durch die Studierenden selbst vorgestellt und in einigen Fällen über die Pflegedirektionen projektbezogen in die Praxis zurückgeführt. So halten beispielsweise die Studierenden im Anschluss an die Dienstübergabe einen kurzen Vortrag und berichten über die Evidenzlage zu einem Pflege­thema, wie den Blasenkatheterismus, was wiederum mit den Praxisanlei­ terinnen für individuelle Patientensituationen diskutiert wird. In Abteilungsleitersitzungen stellen die Studierenden ihre Fallanalysen und die damit aufgedeckten Ver­ strickungen für die Patienten vor, um auf typische Problemstellung in der Institution aufmerksam zu machen – und um zu neuen Lösungen zu kommen. Ziel des Vorgehens

ist der zirkuläre Wissens­austausch zwischen Praxis und Hochschule. Mit den Transferleistungen wird auch in der beruflichen Praxis erfahren, welche Fähigkeiten Studierende während des Studiums entwickeln und Ängste, die aus dem Phänomen der Heimatlosigkeit im eigenen Gegenstandsfeld resultieren (Axmacher 1991), werden wesentlich seltener diskutiert. Darüber hinaus entsteht eine Vorstellung davon, was akademisch ausgebildete Pflegende in der Praxis für Aufgaben übernehmen können.

Fazit und erste Bewertung Für das Konzept der Transferaufgaben werden an dieser Stelle die Untersuchung des Instituts für Public Health und Pflegeforschung der Universität Bremen angeführt. Die Untersuchungen ermöglicht eine erste Bewertung und eröffnet einen wertvollen Ausblick für die Weiterarbeit am Instrument der Transferaufgaben. Im Rahmen der Gesamtevaluation der nordrhein-westfälischen Studiengänge wurden Experten-Fo­ kusgruppen durchgeführt, um die Wirksamkeit der Theorie-Praxis-Vernetzung in den unterschiedlichen Modellprojekten abzubilden (Darmann-Finck und Muths 2014). So ergibt sich für das Studienprogramm, dass dem Instrument der Transferaufgaben für die Vernetzung von Praxis-Theorie-Praxis eine große Bedeutung zugeschrieben wird (­Darmann-Finck und Muths 2014). Die Autorinnen halten fest: „Die Bearbeitung der Transferaufgaben wird als Anregung zur kritischen Reflexion und zur Diskussion der Praxis erfahren (…).“ (Darmann-Finck, Muths 2014, S. 143). Das Instrument zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass es Pflegepraxis weiterentwickeln kann und an der Schnittstelle PraxisTheorie fruchtbare Diskussionen zum Umgang mit neuem Pflegewissen auslöst (ebd.). Beispielhaft wird im Zusammenhang mit der Transferaufgabe „Kurzvortrag zum evidenzbasierten Katheterismus“ beschrieben, dass der Gewinn der Transferaufgabe nicht in erster Linie in der Vermittlung von Wissen an die Praktiker bestehe („die wissen ja wie man einen Katheter legt“). Der Gewinn ergibt sich aus der kritischen und wissenschaftlich begründeten

Tabelle 1. Übersicht zu Transferaufgaben im Studiengang (Auszug) Problemstellungen (aus der Erhebung Praxis)

Theorie / Modul

Aus den Bildungsinhalten der Kategorialanalyse

„Umsetzung Expertenstandards und Erkenntnisse der Pflegewissenschaft“

G-P I.4

Reflexion Expertenstandard zur Kontinenzförderung, Reflexion pflegerische Interventionen: evidenzbasierter Katheterismus. Kurzvortrag am Einsatzort (…)

„Gefühl unzulänglicher Prozessabläufe für die Pflege im System Krankenhaus“

G-P III.1

Beobachtung und Analyse eines betrieblichen (Teil-) Prozesses (…)

„Unzulängliche Leistungsdarstellung von Pflege im Krankenhaus“

G-P IV.3

Kritische Fallanalyse: Pflegebedarf, Kosten-Leistungserfassung anhand eines Fallverlaufs erheben und im Pflegeteam darstellen (…)

„Problemlösung mit methodischen und wissenschaftlichen Erkenntnissen – den Patienten im Blickfeld behalten“

G-P V.3

(projekt-)Analyse einer Fall- und Versorgungskonstellation: ­chronisch erkrankter Patient (…)

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Überprüfung der beobachteten Praxis und in einer für die Praktiker nachvollziehbaren Rückmeldung der gewonnenen Erkenntnisse (Darmann-Finck / Muths 2014). Das zentrale Kriterium der Aufgaben, die Praxis in die Aufgabenstellung einzubinden, geht scheinbar auf. Durch die Einbindung der in der Praxis Tätigen entwickelt sich eine fachwissenschaftliche Sensibilisierung der Pflegepraxis. Innerhalb der Pflegeteams werden Handlungsdefizite erkannt und Anre­gungen zum Umdenken gegeben. Gleichsam sind die Aufgabenstellungen so entwickelt, dass auch das Erfahrungswissen der Pflegenden im Sinne Benners (2000) gewürdigt wird und für die Studierenden mit dem wissenschaftlichen Wissen aus dem Hochschulmodul zum Abgleich kommt. Über diesen Weg wird in der Praxis der Mehrwert der akademischen Pflegeausbildung erkannt und die hochschulische Bildung wird als weniger bedrohlich seitens der Praktiker erlebt. Die Forscherinnen der Gesamtevaluation kommen zu dem Schluss, dass mit dem Vorgehen der Transferaufgaben die Chance aufgezeigt wird, was ein methodisch strukturierter und wissenschaftlich begründeter Ansatz für die Praxis leisten kann (Darmann-Finck / Muths 2014, S. 143). Aus Sicht der Entwickler gehen Würdigung des Erfahrungswissens der Praktiker, wissenschaftlicher Abgleich durch die Studierenden und spürbarere Mehrwert akademischer Pflegebildung in der Pflegepraxis ineinander auf, was nicht zuletzt in der Phase der pflegedidaktischen Reflexion angebahnt wurde. Vernetzung von Praxis-Theorie-Praxis kann aber nicht als zufälliges Produkt in der Entwicklung eines Pflegestudiengangs abfallen. Die Bearbeitung der Transferaufgaben erfordern Ressourcen und Strukturen, die in einem Studiengang Pflege institutionalisiert sein müssen. Die Vorgänge bieten Chancen, Praxis und Wissenschaft nachhaltig zu verzahnen und zu verbessern. Es gilt sich bewusst zu machen, dass die Pflegewissenschaft eine Praxiswissenschaft ist. Längerfristig werden gerade diese Einrichtungen davon profitieren, die innovative Anschlüsse an hochschulische Bildung genutzt haben und sich strukturell darauf einstellen. Gleichzeitig sind die Prozesse auch mit Unsicherheit verbunden und für das Management besteht die Anforderung, in den Institutionen durch neue Strukturen zu unterstützen, die dem Praxis-TheorieTransfer dienlich sind. Eine wertvolle Personalressource stellen die Praxisanleiterinnen dar, die aus Sicht der Autoren viel zu lange vernachlässigt wurden und dringend eine Teilhabe an hochschulischer Bildung bedürfen. Das Praxisanleiter­ innen in hochschulischen Lehr-Lernkonzepten eine wichtige Schlüsselfunktion einnehmen können, haben wir mit den Transferaufgaben erprobt.

Literatur Axmacher, D. (1991): Pflegewissenschaft- Heimatverlust der Krankenpflege? In: U. Rabe-Kleberg, H. Krüger, M. E. Karsten und T. Bals (Hrsg.). Pro Person. Dienstleistungsberufe in der Krankenpflege, Altenpflege und Kindererziehung, AusbildungPADUA (2019), 14 (1), 13–19

Tätigkeitsfelder- Professionalisierung, Ergebnisse und Materialien. Fachtagung „Hochschulausbildung für Berufe im Bereich Personenbezogener Dienstleistungen. Universität Bremen (S. 120 – 137) Bielefeld: Böllert (Kritische Texte). Balzer, S.; Kühme, B. (2009): Anpassung und Selbstbestimmung in der Pflege. Studien zum Ausbildungserleben von Pflegeschülern. Frankfurt am Main: Mabuse. Benner, P. (2000). Stufen zur Pflegekompetenz. Bern: Huber. Bohrer, A. (2013). Selbständigwerden in der Pflegepraxis. Eine ­empirische Studie zum informellen Lernen in der praktischen Pflegeausbildung. Berlin: wvb. Büker, C. Lademann, J. Müller, K. (2018). Moderne Pflege heute: Beruf und Profession zeitgemäß verstehen und leben (Bachelor Pflegestudium, Band 1). Stuttgart: Kohlhammer Darmann-Finck, I. (2010). Eckpunkte einer interaktionistischen Pflegedidaktik. In: R. Ertl-Schmuck und F. Fichtmüller (Hrsg.). Theorien und Modelle der Pflegedidaktik. Eine Einführung. Weinhein, München: Juventa, S. 13 – 54. Darmann-Finck, I.; Muths, S. (2014): Analyse der Ansätze zur Theorie­-Praxis-Verknüpfung. In: I. Darmann-Finck, S. Muths, S. Görres, C. Adrian, J. Bomball und B. Reuschenbach (Hrsg.). Abschlussbericht 2014. „Inhaltliche und strukturelle Evaluation der Modellstudiengänge zur Weiterentwicklung der Pflege- und Gesundheitsfachberufe in NRW“. (117 – 237). Studie im Auftrag des Ministeriums für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und ­Alter des Landes Nordrhein-Westfalen. Elsbernd, A., Bader, K. (2017). Curriculares Konzept für einen primärqualifizierenden Bachelorstudiengang „Pflege“. Esslinger Standortbestimmungen. Lage: Jacobs Ertl-Schmuck, R. (2010). Subjektorientierte Pflegedidaktik. In: R. Ertl-Schmuck und F. Fichtmüller (Hrsg.). Theorien und Modelle der Pflegedidaktik. Eine Einführung. (55 – 80) Weinheim, München: Juventa. Fichtmüller, F.; Walter, A. (2007). Pflege lernen. Empirische Begriffs- und Theoriebildung zum Wirkgefüge von Lernen und Lehren beruflichen Pflegehandelns. Göttingen: V&S unipress. GV.KRW (2010). Gesetz über die Durchführung von Modellvor­haben zur Weiterentwicklung der Berufe in der Alten- und Krankenpflege, für Hebammen, Logopäden, Ergotherapeuten und Physiotherapeuten vom 26. März 2010 des Landes NRW, (177). Greb, U. (2003). Identitätskritik und Lehrerbildung. Ein hochschuldidaktisches Konzept für die Fachdidaktik Pflege. Frankfurt am Main: Mabuse. Greb, U. (2009): Der Strukturgitteransatz in der Pflegedidaktik. In: C. Olbrich (Hrsg.). Modelle der Pflegedidaktik. (23 – 42). München: Elsevier; Urban& Fischer. Greb, U. (2010): Die pflegedidaktische Kategorialanalyse. In: R. Ertl-Schmuck und F. Fichtmüller (Hrsg.). Theorien und Modelle der Pflegedidaktik. Eine Einführung (124  –  163). Weinheim, München: Juventa. Kersting, K. (2011). „Coolout“ in der Pflege. Eine Studie zur mora­ lischen Desensibilisierung. Frankfurt am Main: Mabuse. Kühme, B. (2015). Identitätsentwicklung in der pflegepraktischen Ausbildung. In: R. Ertl-Schmuck und U. Greb (Hrsg.). Pflege­ didaktische Forschungsfelder (102 – 124). Weinheim, Basel: Beltz. Kühme, B., Narbei, E. (2017). Entwicklung von pflegedidaktisch reflektierten Transferaufgaben. In: Evers, T., Helmbold, A., Latteck, Ä-D., Störkel, F. (Hrsg.) (2017). Lehr-Lernkonzepte zur klinischen Kompetenzentwicklung. Best-Practice-Beispiele aus den Modellstudiengängen NRW. (29 – 44). Opladen, Berlin& Toronto: Budrich. Oevermann, U. (1996). Theoretische Skizze einer revidierten Theorie professionellen Handelns. In: A. Combe und W. Helsper (Hrsg.). Pädagogische Professionalität (70 – 183). Frankfurt am Main: Suhrkamp. Overlander, G. (1999). Gefühlsarbeit in der Pflege. Von Sprachbereinigung und Deformation des Selbst. Dr. med. Mabuse. Zeitschrift im Gesundheitswesen 19 (121), 34 – 36. Walter, A. (2011). Welche Anforderungen stellen berufsqualifizierende gesundheitsbezogene Studiengänge an die Hochschuldidaktik? Pflegewissenschaft 13 (1), 40 – 44. ©2019 Hogrefe


Schwerpunkt 19

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Prof. Dr. Benjamin Kühme Dipl. Pflegepädagoge (FH), Professor für Pflegewissenschaft im Studiengang Pflege dual an der Hochschule Osnabrück b.kuehme@hs-osnabrueck.de

Gesetzte und Verordnungen Gesetz über die Durchführung von Modellvorhaben zur Weiterentwicklung der Berufe in der Alten- und Krankenpflege, für Hebammen, Logopäden, Ergotherapeuten und Physiotherapeuten vom 26. März 2010 des Landes NRW (GV.KRW 2010 S. 177) Gesetz zur Reform der Pflegeberufe (Pflegeberufe­ reformgesetz – PflBRefG 2017). Bundesgesetzblatt. Jahrgang 2017. Teil I. Nr. 49 ausgegeben zu Bonn 24.Juli 2017 KrPflG (2003) Gesetz über die Berufe in der Krankenpflege und zur Änderung anderer Gesetze vom 16.07.2003, Bundesgesetzblatt, Bonn, Jahrgang 2003

Ethel Narbei Dipl.-Krankenschwester (Univ.), Dipl. Pflegepädagogin (FH), Schul­ leiterin Berufsfachschule Altenpflege des Diakonischen Werk Wolfsburg e. V., Diakonisches Werk Wolfsburg e. V., Berufsfachschule Altenpflege

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Version A

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Das Praxiscurriculum im Studiengang Pflege dual – Das Osnabrücker Modell: Spagat zwischen Anspruch und Alltag1 Marlies Böggemann, Benjamin Kühme und Ute Schöniger

Der generalistisch ausgerichtete Studiengang Pflege an der Hochschule Osnabrück verbindet die Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflege ­ bzw. Gesundheits- und Kinderkrankenpflege und

dass Praxisanleiterinnen an pflegetheoretische und vor ­allem pflegedidaktische Reflexionen herangeführt werden müssen. Zudem werden im Beitrag Entwicklung, Erfah­ rungen und Evaluationsergebnisse des seit 2011 angebote­ nen Studienprogramms zur Diskussion gestellt.

Science. Im Studienprogramm werden theoretische und praktische Ausbildung sowie Studium gleichberechtigt koordiniert und kooperativ gestaltet. In diesem Verschränkungsmodell (Moers et al. 2012) werden die drei Lernorte Hochschule, Berufsfachschule und Fachpraxis miteinander verknüpft und abgestimmt. Strukturell ist das Bildungsprogramm durch ein gemein­ sames Rahmencurriculum und drei Teilcurricula (Hoch­ schule, Berufsfachschule und Praxis) angelegt. Die Hoch­ schule kooperiert für den Studiengang Pflege mit verbundleitenden Berufsfachschulen und mehr als 20 weiteren Institutionen an den Standorten Osnabrück und Lingen. Die Kooperation sieht vor, dass die jeweiligen Stärken der Kooperationspartner eingebracht werden. So wurde im Osnabrücker Modell bewusst auf die bewährte Erfahrung der Pflegeschulen gesetzt, die Berufsbefähi­ gung im Sinne der § 3 (KrPflG) und § 3 (AltPflG) für die Pflegepraxis zu gewährleisten. Zudem wurde die pflegeri­ sche Erstausbildung auf akademischem Niveau (DQR 6, HQR 1) an der Hochschule Osnabrück pflegewissenschaft­ lich ausgerichtet. Seit 2011 gelingt es in Niedersachsen so, ressourcensparend und unter Berücksichtigung der je­ weiligen Organisationserfahrung akademische Erstausbil­ dung in der Pflege erfolgreich umzusetzen. Im Studien­ programm sind Lernorte und Akteure durch Instrumente der Lernortverknüpfung, wie beispielsweise Praxislern­ module, Lernaufgaben und Studienbriefe miteinander verzahnt. Das Konzept trägt dem Umstand Rechnung,

Berufliche Befähigung und akade­ mische Erstausbildung im Studien­ gang Pflege dual: Kooperation von Hochschule und Fachschulen Der duale Studiengang Pflege (Bachelor of Science) führt zu einer allgemeinen Berufsbefähigung in der Pflege und zugleich zur vertieften Kompetenzbildung, pflegeberuf­ liches Handeln pflege- und bezugswissenschaftlich zu ­reflektieren, um zu neuen, erweiterten und innovativen Lösungsmöglichkeiten in der Pflegepraxis zu kommen. ­ Grundlegende Ziele des Studiums sind daher die wissen­ schaftlich basierte Beschäftigungsfähigkeit in allen Hand­ lungsfeldern der Pflege, sowie die Persönlichkeitsentwick­ lung der Studierenden (Gerholz / Sloane 2008, S. 4, Kühme 2015, S. 102 ff.). Dazu gehört zum einen die Fähigkeit zur Anwendung des Wissens aus Pflegewissenschaft und den benachbarten Disziplinen, um durch gezieltes Ableiten aus Forschung und Theorie nach begründeten Prinzipen vorzugehen. Zum anderen gehört dazu der Erwerb höhe­ rer interaktiver und ethischer Kompetenzen, welche die Verantwortlichkeit für eine eigenständige Steuerung des patientenbezogenen Pflegeprozesses in der interdiszi­ plinären Praxis stärkt. Das Selbstverständnis zur wis­ senschaftlichen Reflexion und die pflegeberufliche Per­ sönlichkeitsbildung bedingen einander – sie sind ein grundlegendes Ziel der akademischen Erstausbildung, um Vorgänge in der Pflegepraxis dauerhaft neu zu gestalten. Beispielsweise sind die Absolventen_innen dadurch in der

In unserem Beitrag setzten wir den Schwerpunkt auf das Praxiscurriculum des Studienprogramms, das mit Blick auf die Strukturen praktischer Anleitung von Studierenden bewusst pflegetheoretisch (Benner 2000) und pflegedidaktisch ausgerichtet (Olbrich 2009) und erarbeitet wurde.

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Schwerpunkt

die Ausbildung der Altenpflege mit dem Bachelor of


22 Schwerpunkt

Lage, nach dem zusätzlichen Erwerb von Praxiserfahrun­ gen, in der klinischen Praxis die Rolle einer Primary Nurse (Ersser / Tutton 2000, S. 6 ff.) zu übernehmen. Das beinhal­ tet Verantwortung für die evidenzbasierte Pflegeprozess­ steuerung im interdisziplinären Team und Anleitung von Assistenzkräften. Das Entstehen dieses Kompetenzprofils hängt vor allem von der Qualität der Praxisausbildung ab und davon, ob die Absolventen_innen parallel zur akade­ mischen Ausbildung auch den regelhaften Weg der Aus­ bildung nach den Berufsgesetzen (KrPflG / AltPflG) ab­ solviert haben, um in der Praxis von den Pflegenden und den berufsregulierenden Behörden anerkannt zu werden. Gleichsam geht es auch darum, dass sich die Lernenden der neuen Pflegegeneration selbst mit den fachschulisch aus­ gebildeten Pflegenden und der Pflegepraxis identifizieren können. Das Zusammenspiel von Fachpraxis, Berufsfach­ schule und Hochschule nimmt demnach eine entscheiden­ de Rolle ein, um alle genannten Ziele zur erreichen. Die systematische Einbindung der Praxisanteile in das Studium ist für die klinische Ausrichtung und Entwicklung der notwendigen Handlungskompetenzen unabdingbar. Die fachpraktische Ausbildung wird darüber hinaus gezielt als Lernfeld für das Studium genutzt, was sich u. a. in Form von vier Praxismodulen (Praxislernen 1 – 4) im Studienpro­ gramm konkretisiert. Praxisorientierte Studienleistungen mit direkter und gezielter Betreuung durch Hochschulleh­ rende sowie Reflexionsphasen in den entsprechenden Mo­ dulen, garantieren die didaktisch sinnvolle Integration praktischer Ausbildungsanteile in das Studium und ver­ hindern eine zeitliche Überforderung der Studierenden. Praxislernen in der Pflegepraxis bekommt hierdurch eine neue Bedeutung – setzt neue Schwerpunkte der Pra­ xis-Theorie-Reflexion. Gleichwohl ist das Vorgehen auch mit neuen Schwierigkeiten verbunden, wie beispielsweise die Einbindung von Praxisanleitung in der Praxis, die noch einmal gesondert gesichert werden muss. Durch die Struk­ tur des Studiums, bei der die praktischen Ausbildungsan­ teile besondere Berücksichtigung finden, wird eine inten­ sive Praxiseinbindung erreicht, die sich positiv auf die Berufsbefähigung der Studierenden auswirkt. Auf der Handlungsebene spielen hierbei die entwickelten Instru­ mente (Kompetenzcluster im Praxiscurriculum, Studien­ leistungen in den Modulen Praxislernen 1 – 4, Praxispro­ jekt und Bachelorarbeit) eine bedeutsame Rolle. Durch das gemeinsam mit den Kooperationspartnern entwickel­ te Praxiscurriculum werden praktische Lernanteile im Sin­ ne der Module des Hochschulcurriculums strukturiert und didaktisch sinnvoll eingebunden.

Praxisphasen und Lernen in der Praxis Die Gesamtdauer des Studiums umfasst acht Semester. In­ nerhalb dieser Zeit wird eine Teilzeitausbildung von drei­ einhalb Jahren absolviert. Die vorgesehenen 2880 Stunden PADUA (2019), 14 (1), 21–27

praktischer Ausbildung werden in 96 Wochen mit jeweils 30 Stunden Wochenarbeitszeit in Praxisphasen zeitlich ge­ plant. Die zeitliche Strukturierung der Praxisphasen ist durch den Ablaufplan der Studiengruppen vorgegeben. Die Verantwortung für die detaillierte Planung der Praxisein­ sätze liegt bei den Berufsfachschulen. In den Praxisphasen ist ein großer Teil Studienzeit in Form von Selbststudium eingerechnet. Die verbleibenden zehn Stunden pro Ar­ beitswoche werden von den Studierenden eigenverant­ wortlich für die Bearbeitung der Praxisaufgaben aus dem Praxiscurriculum genutzt. Individuelle Verschränkungen mit den Modulen Praxislernen 1 – 4 bilden Synergien und sind mit dem Praxiscurriculum und den Akteuren abge­ stimmt. Alle Aufgaben sind bewusst dazu entwickelt, reale Praxissituationen aufzugreifen, um diese mit dem theore­ tisch Erlernten zu bearbeiten. Im Vordergrund steht fast immer ein Fallbezug, der für die Studierenden die Grund­ lage der Auseinandersetzung ist und die Entwicklung der hermeneutischen Fallkompetenz fördern soll. Das Vorge­ hen zielt bewusst darauf ab, für alle Akteure die Patienten­ orientierung im Sinne Wittnebens (2009) in den Fokus zu rücken. Ein Nebeneffekt ist, dass die verrichtungsorien­ tierten Aufgaben (Wittneben 2009, S. 108) im praktischen Tun bewusstwerden und Anlass zur Reflexion geben. Den Praxisanleiterinnen kommt eine Schlüsselfunktion zu, da sie auf Grundlage ihres pflegerischen Expertentums (Benner 2000, S. 47 ff.) die Fallauswahl steuern und beglei­ ten, um Patientenschädigungen auszuschließen. So zeigt sich, dass es gerade die Bennersche Intuitionsbildung der Praxisanleiterinnen ist, die das Lernen an realistischen Fäl­ len ermöglicht. Durch den permanenten Wechsel der Stu­ dierenden zwischen den Lern- und Praxisorten sind sie selbst die einzige Konstante mit dem Gesamtüberblick ihrer Kompetenzentwicklung. Sie übernehmen damit selbst ein hohes Maß an Eigenverantwortung für ihr Lernen und Han­ deln und für das Lernen und Handeln anderer Personen, wie es nach EQR / DQR 6-Nieveau (HQR 1) vorgesehen ist. An dieser Schnittstelle zwischen Praxis und Theorie wird vielen Beteiligten bereits durch die ­Aufgabenstellungen deutlich, wodurch sich akademische Erstausbildung von der regelhaften Pflegeausbildung unterscheidet.

Theoretische Hintergründe und Bezüge des Praxiscurriculums Der in den Modulen des gemeinsamen Rahmencurricu­ lums beschriebene und zu erlernende berufliche Wissens­ kanon wird mit Hilfe des gemeinsamen Praxiscurriculums auf Ebene der Handlungskompetenz umgesetzt. Die übli­ che Fächerbildung aus medizinischen Ordnungssystemen (u. a. Pflege in der Pädiatrie, Pflege in der Chirurgie) wur­ de bewusst nicht berücksichtigt, um pflegeoriginäre Be­ zugsgrößen zu Grunde zu legen. Aus diesem Grunde ­werden im Praxiscurriculum die im Rahmencurriculum strukturgebenden gesundheitsbezogenen Seinszustände ©2019 Hogrefe


Schwerpunkt 23

des Menschen (Schöniger et al. 2003) zugrunde gelegt, denn die Basis der zu erwerbenden Handlungskompetenz liegt in der pflegerischen Sorge (vgl. Schnepp 1996, S. 13 ff.) um Menschen in gravierenden Seins-Formen des Lebens: • Gesund-Sein und Bleiben • Abhängig-Sein • Behindert-Sein • Chronisch-Krank-Sein • Teil der Gesellschaft-Sein (vgl. Schöniger et al. 2003) Die Lernorte Praxis mit ihren Lernangeboten und die dort zu erfüllenden Lernaufgaben werden aus den ge­ wählten pflegerischen Perspektiven abgeleitet und als auf­ bauender Kompetenzerwerb geplant. Bewusst wird davon abgewichen, die Pflege aus medizinischen Diagnosen ab­ zuleiten, da pflegerische Sorge nicht ausschließlich durch einen naturwissenschaftlich-medizinischen Zugang zum Sorgeempfänger geprägt wird sondern darüber hinaus durch ein hermeneutisches Verstehen. Es ist anzumerken, dass medizinorganisatorische Kategorien als Bezugspunk­ te des Lernens dem pflegeprofessionellen Anspruch nicht gerecht werden, da Pflegende die Fallsituationen ihrer Pflegeempfänger deuten müssen. Die meisten Kompetenztheorien heben den Begriff der Handlungskompetenz hervor (Panke-Kochinke 2002, S. 35 ff., Wittneben 2009, S. 117 ff., Schwarz-Govaers 2009, S. 92 f). Handlungskompetenz wird im Studienprogramm als die Bereitschaft und Fähigkeit des Einzelnen verstan­ den, sich in sozialen und beruflichen Situationen sachge­ recht durchdacht sowie individuell und sozial verantwort­ lich zu verhalten. Konkretisiert wird das Konstrukt der Handlungskompetenz anhand des pflegewissenschaftlich fundierten Kompetenzmodells von Benner (2000), in dem mit Kompetenzen oder Fähigkeiten das angewandte pflegerische Können in realen Praxissituationen gemeint ist (ebd. 2000, S. 48 f). Für das Praxiscurriculum werden die von Benner be­ schriebenen Handlungsbereiche dem aktuellen Sprach­ gebrauch angepasst. Darüber hinaus werden die abge­ leiteten Kompetenzen im Hinblick auf den erweiterten Betätigungsbereich der Pflegenden zum Beispiel in der Altenpflege, der Rehabilitation und der Gesundheitsfür­ sorge, modifiziert. Damit ist ein pflegetheoretischer Bezug gewählt, der die Bereiche und Belange der Pflegepraxis bewusst aufnimmt. Durch die Bereiche der Pflegepraxis (Benner 2000) werden das Pflegerische und die pflegerische Kompetenz sprachlich und weiterführend zur Benennung einer pflegerischen Handlungskompetenz gefasst. Das Vorgehen nach dem so entwickelten Praxiscurricu­ lum fördert die Kompetenzentwicklung in Form von Selbstevaluation und Ausbildung der Urteilskraft der Stu­ dierenden. Dies wird im Verlauf der praktischen Ausbil­ dung als selbstverantwortliche Steuerung des Kompeten­ zerwerbs durch die Studierenden selbst gefördert. So entscheiden z. B. die Studierenden aus dem Katalog der Lernaufgaben zunehmend eigeninitiativ über Schwer­ punkte ihrer jeweiligen Praxiseinsätze.

2017 wurde das Praxiscurriculum auf Basis von euro­ päischen Bildungsentwicklungen und neuen Anforderun­ gen durch die Disziplin Pflegedidaktik (vgl. Ertl-Schmuck / Fichtmüller 2009, Ertl-Schmuck / Greb 2013, ErtlSchmuck / Greb 2015) revidiert und nachgearbeitet. Zu den wesentlichen Veränderungen gehören die Reflexion auf ein pflegedidaktisches Modell (Olbrich 2009) und ein ausge­ wiesener Bezug zum Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR) äquivalent dem Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR) und dem Hochschulqualifikationsrahmen (HQR), um angemessen auf zukünftige Re-Akkreditierungsprozes­ se reagieren zu können. Beide Revisionskriterien wurden unter Berücksichtigung der für das Praxiscurriculum ausge­ wählten Pflegetheorie (Benner 2000) ausgewählt und bear­ beitet. Sowohl die bis zum Zeitpunkt der Revision bewährte Pflegetheorie, als auch die gewählte Pflegedidaktik, weisen jeweils einen ausgewiesenen Kompetenzbezug auf, der sich aus Sicht der Autor_innen ergänzt. Im Rahmen der Lernaufgaben für die Praxis werden ­sowohl Kompetenzen als auch Entwicklungsstufen (re­ge­ lgeleitetes, situativ-beurteilendes, reflektiertes und aktivethisches Handeln, Olbrich 2009, S. 72 ff.) in den Hand­ lungsbereichen vorgegeben. Mit dem Kompetenzmodell von Benner wird die Spannbreite pflegerischer Kompeten­ zen deutlich in ihrer horizontalen Weite, gleichzeitig kann das Ausprägungsniveau der Kompetenzen über das pflege­ didaktische Modell von Olbrich (2009) abgebildet werden.

Bereiche der Pflegepraxis (Benner 2000): Strukturierung des Praxiscurriculums Da die Qualifikation im Studienprogramm auf alle Pflege­ bereiche zielt, ist darüber hinaus eine Erweiterung des ­Abstraktionsniveaus bei den Kompetenzbeschreibungen notwendig. Dies ermöglicht eine größere Offenheit des Curriculums zur Konkretisierung für verschiedene Pflege­ bereiche oder Versorgungsformen, bei der Entwicklung der entsprechenden Lernaufgaben oder der Lernangebote durch die Praxiseinrichtungen. Gleichzeitig wird dadurch gesichert, dass die verschiedenen Kooperationspartner (Praxiseinrichtungen) ihre jeweiligen Schwerpunktsetz­ ungen in der praktischen Ausbildung vornehmen können. Tabelle 1 zeigt im Auszug den Bezug zu Benner. Tabelle 1. Bereich der Pflegepraxis (Benner 2000) im Studien­ programm Pflege dual (Auszug) 7. Handlungsbereich Organisation und Zusammenarbeit Handlungskompetenzen • Prioritäten setzen bzgl. Des pflegerischen Handelns und der ­Zusammenarbeit mit der Patientin / dem Patienten und den an der Pflege und Therapie Beteiligten. • Im therapeutischen Team kooperativ zusammenarbeiten. • Berufstypische und ethische Konflikte und belastende Situationen erkennen, vorbeugen und bewältigen.

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Tabelle 2. Kompetenzbildung nach EQR und Olbrich (2009) im Praxiscurriculum (Auszug) Kenntnisse / Fertigkeiten / Kompetenz (EQR ab Stufe 5)

Aktiv-ethisch

Stufe 5: umfassendes, spezialisiertes Theorie- und Faktenwissen in einem Arbeits- oder Lern­ bereich, sowie Bewusstsein für Grenzen dieser Kenntnisse. Umfassende kognitive und praktische ­Fertigkeiten die erforderlich sind, um kreative Lösungen für abstrakte Probleme zu erarbeiten. ­Leiten und beaufsichtigen in Arbeits- oder Lernkontexten, in denen nicht vorhersehbare Änderungen auftreten, Überprüfung und Entwicklung der eigenen Leistung und der Leistung anderer Personen.

Hier gelingt ein „(…) bewusstes Aufgreifen der Werte und der Werte­ verletzungen, die dem Gesamtgeschehen einer Pflegesituation zugrunde liegen.“ (Olbrich 2009, 66). Aktivitäten der Lernenden zeichnen sich durch Bezüge zu Wertebegründungen aus. Ein ethisches Dilemmata wird wahrgenommen und kann kommunikativ ausgedrückt werden. Die Lernenden zeigen sich engagiert, mitfühlend, mutig, konstruktiv – auch wenn es ­außerhalb der Routinen oder gegen die Meinung anderer ist.

Stufe 6: Fortgeschrittene Kenntnisse in einem Arbeits- oder Lernbereich unter Einsatz eines kritischen Verständnisses von Theorien und Grundsätzen. Fortgeschrittene Fertigkeiten, die ­Beherrschung des Fachs sowie Innovationsfähigkeit erkennen lassen, und zu Lösung komplexer und vorhersehbarer Probleme in einem spezialisierten Arbeits- oder Lernbereich nötig sind. Leitung komplexer fachlicher Tätigkeiten oder Projekte und Übernahme von Entscheidungsverantwortung in nicht vorhersehbaren Arbeits- oder Lernkontexten, Übernahme der Verantwortung für die berufliche Entwicklung von Einzelpersonen oder Gruppen. Stufe 7 für Bachelor nicht vorgesehen. Stufe 8 für Bachelor nicht vorgesehen.

Pflegedidaktischer Bezug im Studienprogramm Olbrich stellt in ihrem kompetenzorientierten Modell die Bezüge zum EQR her (ebd. 2009, S. 70 ff.) und leitet zu­ dem für ihren Kompetenzbegriff pflegetheoretische Be­ stimmungen zum Modell von Benner ab (ebd. 2009, S. 65 f.). Die Autorin (Olbrich 2009) unterscheidet pfleger­ ische Kompetenzbildung (Handlungsdimensionen) in re­ gelgeleitetes Handeln (Wissen haben), situativ-beurtei­ lendes Handeln (vertieft wahrnehmen), reflektierendes Handeln (bewerten und entscheiden) und aktiv- ethisches Handeln (persönlich stark sein). Die einzelnen Handlungsdimensionen werden von ihr den Stufen des EQR zugeordnet und hierdurch der An­ schluss an das europäische Bologna-System hergestellt (ebd. 2009, S. 70 ff.). Zur Beschreibung der jeweiligen Ent­ wicklungsstufe nach EQR und der pflegedidaktischen Handlungsdimension werden nachstehend wichtige Un­ terscheidungen dargestellt. Dabei sind die pflegerischen Hand­ lungsdimensionen den unterschiedlichen Niveau­ stufen des EQR (äquivalent DQR) bereits zugeordnet (s. Tabelle 2).

Kompetenzcluster: Praxislernaufgaben Die als abschließendes Konkretisierungsprodukt entwi­ ckelten Kompetenzcluster bilden die Basis der Praxisaus­ bildung. Für das Praxiscurriculum wurden insgesamt 28 dieser Kompetenzcluster entwickelt, die das gesamte Pra­ xislernen steuern, in dem sie die curricularen Elemente zu­ sammenführen und ordnen. Zentrale Elemente der Kom­ petenzcluster sind die in den sieben Handlungsbereichen PADUA (2019), 14 (1), 21–27

angestrebten Kompetenzen (Benner 2000). Jedem der sie­ ben Handlungsbereiche werden ausgewählte Kompeten­ zanforderungen und Entwicklungsstufen (EQR / DQR, ­Olbrich) zugeordnet und in Form von Aufgabenstellungen konkretisiert – es wird geprüft, welches Kompetenzniveau nach Olbrich (2009) realistisch erscheint und von den Stu­ dierenden zu erreichen ist. Darüber hinaus erfolgt in den Kompetenzclustern der Bezug zu den Inhalten der Module des Rahmencurricu­ lums und ist der zeitlichen Struktur der Praxiseinsätze an­ gepasst. Diese Cluster sind zwischen den beteiligten Aus­ bildungsstätten konsentiert und bilden die Grundlage für ein gemeinsames Verständnis und Vorgehen. Die aus den Kompetenzclustern abgeleiteten Praxis­ lernaufgaben wurden in der Arbeitsgruppe (Fachschulen, Praxisanleiterinnen und Hochschule) für alle Cluster ex­ emplarisch entwickelt. Hier besteht die Möglichkeit, dass Auswahl der Inhalte und Schwerpunktsetzungen durch die Ausbildungsstätten und die Hochschule vorgenommen werden können. Damit wird den Besonderheiten der ein­ zelnen Ausbildungsstätten (individuelle Schwerpunktset­ zungen der Praxiseinrichtungen) Raum gegeben, gleich­ zeitig aber eine, an einheitlichen Prinzipien orientierte, Ausbildung gewährleistet. Vereinzelnd sind Kompetenz­ cluster den hochschulischen Modulen zum Praxislernen direkt zugeordnet und gelten als äquivalent, bilden erwei­ terte Lernsynergien mit der Praxis. Beispielsweise nehmen die Studierenden in der Praxis eine Pflegebegutachtung nach dem NBA (Büscher / ­Wingenfeld 2018) vor und werden anschließend in den vorgefundenen Fallsituationen zur Pflegebedürftigkeit beratend tätig. Oder sie gestalten die Pflegeprozess­ planung unter Berücksichtigung von interner und exter­ ner Evidenz (Behrens / Langer 2010), die für vorgefun­ dene Fallsituationen tiefergehend geklärt wird. Die Aufgabenstellungen sind Anlass dazu, dass die Studieren­ den mit den Betroffenen und Pflegenden in der Praxis ins Gespräch kommen. ©2019 Hogrefe


Schwerpunkt

Evaluation und Erfahrungen: Spagat zwischen Anspruch und Alltag! Mit diesen Ausführungen wird das Entstehen eines sich dy­ namisch entwickelnden Praxiscurriculums beschrieben, das gemeinsam von Hochschule und kooperierenden Fach­ schulen entwickelt wurde. Die zugrunde gelegten theore­ tischen Modelle eignen sich zum einen zur Umsetzung innerhalb eines Kooperationsverbundes, bei dem jede Ins­ titution ihre Stärken für eine akademische und berufliche Erstausbildung einbringt. Die Evaluationen des Praxiscurriculums gründeten auf den Erfahrungen und Bewertungen der Akteure (Studie­ rende, Fachschullehrende, Praxisanleiterinnen und Hoch­ schullehrende) der ersten Studiengruppen. Hierfür wur­ den regelmäßig Fragebögen innerhalb des Studienverlaufes eingesetzt und ausgewertet. Zudem wurden drei Tagesver­ anstaltungen mit Fachschullehrern und Praxisanleiterin­ nen durchgeführt, an denen theoretische Hintergründe vermittelt wurden und die Teilnehmerinnen in Workshops konkrete Lernaufgaben bearbeiten konnten. Es versteht sich von selbst, dass die Veranstaltungen für die Evaluation genutzt wurden und die beteiligten Akteurinnen ihre Be­ wertungen zum Praxiscurriculum einbringen konnten. Ins­ gesamt fassen wir die Rückmeldungen zusammen: Als größte Herausforderung in der Arbeit mit dem Pra­ xiscurriculum haben sich die Einarbeitung in Denkweise (theoretische Bezüge) und Struktur sowie der Kommuni­

25

kationsfluss unter den verschiedenen Beteiligten erwie­ sen. Trotz mehrerer Auftaktveranstaltungen, kontinuier­ lichen Schulungen und Arbeitsgruppen, bedeutet die Umsetzung in den Praxissituationen eine große Heraus­ forderung für die Praxisanleitungen. Es gab anfangs viele Bedenken in den Teams der Praxis, sowohl hinsichtlich der Notwendigkeit einer akademi­ schen Erstausbildung, als auch in Bezug auf die eigenen Fähigkeiten, diese zu unterstützen. Als Referenzproblem stellt sich generell dar, dass die Praxisanleiterausbildung nicht hochschulisch ist – gleichwohl sollen hochschulisch Lernende in der Praxis ausgebildet werden. Sehr hilfreich ist hier die enge Kooperation zwischen Hochschule und Berufsfachschulen, der die gemeinsame Erarbeitung des Praxiscurriculums zu Grunde lag. Gerade die Berufsfachschulen erwiesen sich als Schlüsselstellen zwischen Hochschule und Praxisanleitung. Mit Blick auf das neue Pflegeberufereformgesetz (PfleBRefG 2017), in dem die akademische Erstausbildung ausschließlich an Hochschulen ohne Beteiligung der Pflegeschulen vorge­ sehen ist, wird dieser Umstand zukünftig sehr kritisch gesehen. Problematisch erwies sich auch, dass in der Pflegepraxis eine sehr hohe Fluktuation der Praxisanleiterinnen fest­ zustellen ist. Es ist anzunehmen, dass dies auf die allge­ meinen Arbeitsbedingungen in der Pflegepraxis zurückzu­ führen ist. Die vorherrschende Fluktuation bedingt, dass trotz regelmäßiger Schulungen zum Praxiscurriculum kaum ein Nachkommen hinsichtlich Information, Schu­

Benner

Bereiche der Pflegepraxis

Olbrich/EQR

Deskriptor Kompetenzbildung nach Olbrich

Kompetenz

Beruferecht

Bezug Teilcurriculum Fachschule Seinszustand (Schöniger et al. 2003) Bezug Teilcurriculum Hochschulmodul

Kompetenzen nach Benner

Praxis Vorgehen

Abbildung 1. Übersicht Lernaufgabe. ©2019 Hogrefe

PADUA (2019), 14 (1), 21–27


26 Schwerpunkt

lung und Einweisung in das Praxiscurriculum möglich ist. Dennoch bleibt eine gute Kooperation mit dauerhaft ge­ meinsamen Absprachen und Weiterentwicklungen unab­ dingbar. Die Hochschule hat unter anderem dafür eine fachwissenschaftliche Koordinationsstelle für den Studi­ engang geschaffen, die immer wieder erste Anlaufstelle für die Praxis-Theorie-Problematik ist. Zu den in den Evaluationen häufig genannten Kritik­ punkten am Praxiscurriculum gehörten der fehlende di­ rekte Bezug zu den medizinischen Diagnosen und die komplexe theoretische Fundierung. Die Kompetenzcluster dienen der Kompetenzentwick­ lung und sind als didaktische Reflexionshilfen zur Ab­ bildung der Entwicklung der Kompetenzen zu sehen. Es ­fordert ein Denken in theoretischen Bezügen. In der Um­ setzung der Praxisanleitung / -begleitung wirken sie oft sperrig und abstrakt – sind für individuelle Praxissituatio­ nen zu konkretisieren und widersetzen sich einer Abarbei­ tung nach Checkliste. Es erfordert eine Einarbeitungszeit und Erfahrung, damit souverän umgehen zu können. Zu­ dem sind theoretische Bezüge fortlaufend in Schulungen und Arbeitssitzungen herzustellen, um den Beteiligten den didaktischen Sinn zu erschließen. Begriffsklärungen sind den Praxisanleiterinnen ungewohnt und es zeigt sich, dass die auf Verrichtungen ausgerichtete Pflegepraxis we­ nig Raum für die theoretische Reflexion der Anleiterinnen lässt. Der fehlende Raum für theoretische Auseinander­ setzungen bringt die Praxisanleiterinnen in Gewissensnot. Gleichsam ist es hinderlich, dass didaktische und pflegedi­ daktische Modelle offenbar in der Praxisanleiterausbil­ dung nicht thematisiert werden. Als Konsequenz hieraus wurde an der Hochschule Osnabrück ein dauerhaftes Wei­ terbildungsangebot konzipiert.2 In den Weiterbildungsveranstaltungen zur Pflegedidak­ tik erwies es sich als hilfreich, dass in Workshops gemein­ sam mit den Anleiterinnen mögliche Aufgabenstellungen aus dem Praxiscurriculum erarbeitet wurden. Die direkte Umsetzung der theoretischen Vorgaben auf Handlungssi­ tuationen verhalf zur Orientierung und Sicherheit im Vor­ gehen. So wurden Beispiele expliziert, in denen jeweils ­regelgeleitetes Handeln, situativ beurteilendes Handeln, reflektiertes Handeln und aktiv-ethisches Handeln (Ol­ brich 2009) im Vordergrund von exemplarischen Anlei­ tungssituationen stehen. Hierbei ergibt sich zwangsläufig, dass Aufgabenstellungen eine ganz neue und anspruchs­ vollere Ausrichtung bekommen – die Anleitungssituatio­ nen, Komplexität und Leistung der Anleiterinnen auch re­ alistischer abbilden. Zusätzlicher Effekt ist, dass sich die Anleiterinnen in den Praxissituationen wiedererkennen. Was pflegerisch vermittelt werden soll, kann mit Hilfe der Pflegedidaktik in Sprache abgebildet werden. Über diesen Weg wurde den Praxisanleiterinnen eine Alternative zur traditionellen „Pflege in der Chirurgie“ oder „Pflege in der

Inneren“ eröffnet, nach denen Pflege immer nur im Be­ gründungshorizont der medizinischen Disziplin gedacht wird. Bemerkenswerterweise führten gerade Olbrichs (2009) Ausführungen zum „regelgeleiteten Handeln“ und „aktiv-ethischen Handeln“ (ebd. 2009, S. 7 7 ff.) dazu, Pra­ xissituationen neu zu denken bzw. die bisher in der Anlei­ tung gesteckten Lernziele zu überdenken. So bleibt das Praxiscurriculum im Alltag ein Reibungspunkt, der Anlass zum (Weiter-) Denken und zur Reflexion bieten soll. Generell bestand in der Evaluation Einigkeit, dass die Grundstruktur des Curriculums nicht in Frage gestellt wird – vielmehr als Entwicklung erlebt wird. Das im Curri­ culum angestrebte Kompetenzniveau wird erreicht, wie die Begutachtungen und Bewertungen der Praxislernauf­ gaben durch die fachschulischen und hochschulischen Lehrenden zeigen. Die kontinuierlichen Evaluationen be­ legen, dass die Studierenden ausreichend Zeit haben, die Praxislernaufgaben zu bearbeiten. Sie äußern wiederkeh­ rend aber das Gefühl, weniger Praxiskompetenz (Skills) zu entwickeln als die dreijährig Ausgebildeten. Diese ja eher negative Gefühlslage gilt es aufzufangen, nicht im Sinne von Nachschulungen in funktionellen Handlungsabläu­ fen, sondern durch Begründung der andersartigen Kom­ petenzanforderungen für ihr angestrebtes Berufsprofil. Dennoch ist es für die Studierenden im Berufsalltag schwer, da Lernende in den Pflegeteams immer noch da­ran ge­ messen werden, wie schnell sie eigenständige Pa­tient­ enwaschungen und Pflegetechniken übernehmen können, um die Arbeitsabläufe der Pflegeeinheit zu entlasten. Pro­ spektiv bleibt zu hoffen, dass die pflegedidaktischen und pflegewissenschaftlichen Chancen auch im Lernort Praxis selbstverständlicher werden, um die Professionalisierung der Pflege voranzubringen.

Literatur Benner, P. (2000). Stufen zur Pflegekompetenz. From novice to expert. Bern: Huber. Behrens, J., Langer, G. (2010). Evidence-based Nursing and Caring. Methoden und Ethik der Pflegepraxis und Versorgungsforschung. Bern: Huber. Büscher, A., Wingenfeld, K. (2018). Die Entwicklung des neuen ­Begriffs der Pflegebedürftigkeit und des Begutachtungsinstruments. In: Meißner, A. (Hrsg.). Begutachtung von Pflegebedürftigkeit. Praxishandbuch zur Pflegeeinschätzung bei Erwachsenen. (S. 71 – 90) Bern: Hogrefe. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend / Bundesministerium für Gesundheit (2018). Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Pflegeberufe (PflAPrV). Ersser, S., Tutton, E. (2000). Primary Nursing. Grundlagen und Anwendung eines patientenorientierten Pflegesystems. Huber. Bern. Ertl-Schmuck, R., Fichtmüller, F., Falk, J. (Hrsg.) (2009). Pflege­ didaktik als Disziplin. Eine systematische Einführung. Weinheim, München: Juventa.

Ergänzend zur Praxisanleiterausbildung mit 200 Stunden wurde das Bildungsangebot PfAD (Pflege_Anschlüsse_Durchlässigkeit) mit drei ­Bildungsmodulen á 5 ECTS und weiteren 100 theoretischen Stundenkonzipiert und über die Professional School der Hochschule Osnabrück angeboten (vgl.https://www.ps-os.de/de/seminare/pflegewissenschaft-und-pflegebildung.html. 16.0918). Das Angebot vermittelt die Auseinandersetzung mit allgemeinen und pflegedidaktischen Modellen sowie den Transfer von pflegewissenschaftlichem Wissen in die Pflegepraxis.

2

PADUA (2019), 14 (1), 21–27

©2019 Hogrefe


Schwerpunkt 27

Ertl-Schmuck, R., Greb, U., Falk, J. (Hrsg.) (2013). Pflegedidaktische Handlungsfelder. Weinheim, Basel: Beltz Juventa. Ertl-Schmuck, R., Greb, U., Falk, J. (Hrsg.) (2015): Pflegedidaktische Forschungsfelder. Weinheim, Basel: Beltz Juventa. Gerholz, K.-H., Sloane, P.F.E. (2008). Der Bolognaprozess aus curricularer und hochschuldidaktischer Perspektive. Eine Kontrastierung von beruflicher Bildung und Hochschulbildung auf der Bachelor-Stufe. http://www.bwpat.de/ausgabe14/gerholz_sloa ne_bwpat14.pdf. [Zugriff: 16.09.18] Gesetz zur Reform der Pflegeberufe (2017) Pflegeberufereform­ gesetz – PflBRefG. Bundesgesetzblatt. Jahrgang 2017. Teil I. Nr. 49 ausgegeben zu Bonn 24.Juli 2017. Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2006). Empfehlung des europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung eines Europäischen Qualifikationsrahmens für lebenslanges Lernen. ­https://www.bibb.de/dokumente/pdf/a13_eqf_rec_de.pdf [Zugriff: 16.09.2018] KrPflG (2003) Gesetz über die Berufe in der Krankenpflege und zur Änderung anderer Gesetze vom 16.07.2003, Bundesgesetzblatt, Bonn, Jahrgang 2003. AltPflG (2003) Altenpflegegesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. August 2003. Bundesgesetzblatt, Bonn, Jahrgang 2003. Kühme, B. (2015). Identitätsentwicklung in der pflegepraktischen Ausbildung. In: Ertl-Schmuck, R., Greb, U. (Hrsg.) (2015). Pflegedidaktische Forschungsfelder. (S. 102 – 124) Weinheim, Basel: Beltz, Juventa. Moers M., Schöniger U., Böggemann M. (2012). Duale Studiengänge – Chancen und Risiken für die Professionalisierung der Pflegeberufe und die Entwicklung der Pflegewissenschaft. Pflege & Gesellschaft 17 (3), 232 – 248. Olbrich. C. (2009). Kompetenztheoretisches Modell der Pflege­ didaktik. In Olbrich, C. (Hrsg.) Modelle der Pflegedidaktik. (S. 63 – 85) München: Urban & Fischer in Elsevier. Panke-Kochinke, B. (2002). Lernfelder gestalten – ein neues didaktisches Konzept. Pflegemagazin, 3 (5), 35 – 44. Schnepp, W. (1996). Pflegekundige Sorge. Pflege und Gesellschaft. 1 (2), 13 – 16. Schöniger, U., Trockel, B., Bäuml, I., Döschli, M.E., Grammer, I., Heiermann, K., Heinzmann, R., Herrmann, H., Luger, A.M., ­ ­Pöhlmann, M., Ricken, P. (2003). Denkanstöße für die praktische Pflegeausbildung. Caritas-Gemeinschaft für Pflege und Sozialberufe e. V., Katholischer Berufsverband für Pflegeberufe e. V., Katholischer Krankenhausverband Deutschlands e. V. (Hrsg.). Freiburg: Rebholz. GmbH.

Schwarz-Govaers, R. (2009). Fachdidaktikmodell Pflege. In Olbrich, C. (Hrsg.) (2009). Modelle der Pflegedidaktik. (S. 87 – 104). München: Urban & Fischer in Elsevier. Wittneben, K. (2009). Leitlinien einer kritisch-konstruktiven Pflegelernfelddidaktik. In: Olbrich, C. (Hrsg.) (2009). Modelle der Pflegedidaktik. (S. 105 – 120) München: Urban & Fischer in Elsevier.

Prof. Dr. Benjamin Kühme Dipl. Pflegepädagoge (FH), Professor für Pflegewissenschaft im Studiengang Pflege dual an der Hochschule Osnabrück b.kuehme@hs-osnabrueck.de

Marlies Böggemann Dipl.-Pflegepäd. (FH) Mitarbeiterin der Hochschule Osnabrück für die Koordination und Lehre in den Pflegestudiengängen. Mitarbeit bei der Entwicklung des dualen Studiengangs Pflege B.Sc. mit dem Schwerpunkt Konzeption des Praxiscurriculums m.boeggemann@hs-osnabrueck.de

Ute Schöniger Pflegelehrerin, Pflegewissenschaftlerin cert., Dipl. Sozialpädagogin. Entwicklung von Konzepten für die Gestaltung akademischer Pflege­ ausbildung und der Weiterbildung von Pflegepädagogen und Pflegemanagern

©2019 Hogrefe PADUA (2019), 14 (1), 21–27


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Praxislernen im Pflegestudium Im nachfolgenden Artikel wird aus zwei Perspek­ tiven der Frage nachgegangen, wie Praxislernen im Pflegestudium gelingen kann. Die Arbeit von Tutoren im Rahmen praktischer Einsätze von Bachelorstudierenden und ein Modell zum besseren TheoriePraxis-Theorie-Transfer werden beschrieben, und deren Wirkung ausgeleuchtet.

Teil 1: Professionalisierung in der Pflegepraxis: Anleitung von Studierenden – Erste innovative Schritte Nane Jakob und Anna Kaiser Das Ziel von Pflegestudiengängen ist es, Pflegende für künftige Versorgungsbedarfe im Gesundheitssystem an­ gemessen zu qualifizieren (vgl. Backhaus et al. 2018). Stu­ dierende erwerben zusätzlich zu den traditionellen Aus­ bildungsinhalten pflegewissenschaftliche Kompetenzen zur Etablierung einer evidenzbasieren Pflegepraxis. Pra­ xisanleitende müssen folglich über diese Kompetenzen verfügen und ein vernünftiges, reflektierendes Denken im Pflegehandeln fördern. Dazu setzt die München Klinik qualifizierte Tutoren ein.

Theoretischer Hintergrund Steigende Anforderungen, sich verändernde Aufgaben­ verteilungen in der Pflegepraxis und die damit ein­ hergehenden Herausforderungen resultieren in einem steigenden Bedarf an qualifiziertem Pflegepersonal. Tra­ ditionell qualifiziertes Fachpersonal kann diesem An­ spruch alleine nicht mehr gerecht werden (Friesacher, 2014). Folglich wurden ab 1990 zunehmend Pflegestudien­ gänge entwickelt (Simon, 2018). Derzeit existieren circa 150 Pflegestudiengänge mit diversen Schwerpunktsetzun­ gen (Pflegestudium 2016). Ein duales Studium verknüpft Berufsausbildung, Studium und Praxisphasen zeitlich und inhaltlich in einer triadischen Struktur (Krone, 2015). Nach Abschluss der Berufsausbildung, wird das Studium bis zum Bachelor-Abschluss fortgesetzt (Kälble, 2013, S. 1130). „Damit haben Hochschulen und Praxispartner ein Format etabliert, das den Erwerb von wissenschaft­

lichen mit berufspraktischen Kompetenzen verbindet.“ (Bundesinstitut für Berufsbildung, S. 6). Das Pflegeberufegesetz (PflBG) führt dieses Studium in den Regelbetrieb über (Darmann-Finck et al. 2016). „Die hochschulische Ausbildung umfasst die in § 5 Absatz 3 ­beschriebenen Kompetenzen der beruflichen Pflegeaus­ bildung und gemäß § 37 folgende Themenbereiche: Steuerung hochkomplexer Pflegeprozesse, Weiterent­ wicklung und Mitgestaltung der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung, forschungsgestützte Problem­ lösungen und neue Technologien in das berufliche Han­ deln übertragen, kritisch-reflexiv und analytisch mit theo­ retischem und praktischem Wissen auseinandersetzen, und wissenschaftsbasiert innovative Lösungsansätze zur Verbesserung im eigenen beruflichen Handlungsfeld ent­ wickeln und implementieren und Qualitätsmanagement­ konzepte, Leitlinien und Expertenstandards mitentwi­ ckeln (PflBG, § 37, Abs. 3). Zur Umsetzung dieser Ausbildungsziele in Theorie und Praxis müssen Angebote geschaffen werden. „Bei der Ausbildung der beruflichen Handlungskompetenz, in de­ ren Kontext sich die berufliche Identität entwickelt, nimmt die Praxisanleitung eine wichtige Stellung ein.“ (Steffan und Knoch 2015, S. 2). Bisher werden die dual Studierenden in der Pflegepraxis durch die dort tätigen, meist nicht hochschulisch ausgebildeten Praxisanleitun­ gen angeleitet, weil die Praxisanleitung der dual Studie­ renden derzeit nicht gesetzlich geregelt ist (vgl. Steffan und Knoch 2015, S. 1 f.). Die Weiterbildungsempfehlung der Deutsche Kranken­ hausgesellschaft (DKG) definiert Praxisanleitende als exa­ minierte Pflegefachkräfte mit mindestens zweijähriger Berufserfahrung, sowie einer Weiterbildung im Umfang von 200 Stunden (vgl. Quernheim 2013, S. 62 ff.). Da Stu­ dierende auf Grund der im Studium vermittelten Kompe­ tenzen mit anderen Fragestellungen an Praxisanleitende herantreten, werden künftig Kompetenzen traditionell ausgebildeter Praxisanleiter für die Betreuung der Studie­ renden nicht ausreichen. Praxisanleitungen, die auf die Bedarfe einer Pflegeausbildung auf wissenschaftlicher Grundlage ausgerichtet sind, werden notwendig. (vgl. Steffan und Knoch 2015, S. 2). Deshalb empfiehlt die DKG seit 2015 die Ergänzung der Weiterbildung durch die Moduleinheit „Theoriegelei­ tet pflegen“ (vgl. DKG 2015, S. 6 f.). Diese soll Praxisanlei­ tern pflegewissenschaftliche Grundlagen vermitteln und auf die neuen Anforderungen vorbereiten. Das ist jedoch keine ausreichende Zusatzqualifikation für berufserfah­ rene berufsfachschulisch ausgebildete Pflegefachkräfte. 2015 bis 2017 bildete die Universität Witten / Herdecke „Tutoren für duale Pflegestudiengänge“ aus (70 Std. Prä­

©2019 Hogrefe PADUA (2019), 14 (1), 29–34 https://doi.org/10.1024/1861-6186/a000470

Schwerpunkt

Nane Jakob, Anna Kaiser und Helga Schell


30 Schwerpunkt

senz und 40 Std. Selbststudium / 4 ECTS). Diese Fortbil­ dung basiert auf dem Konzept der „Geleiteten Praxis“, welches die Begleitung von Studierenden in unterschied­ lichen Feldern der Pflegepraxis zum Ziel hat. Vorausset­ zung für die Teilnahme war ein akademischer Abschluss in einem pflegerelevanten Studiengang. (vgl. Bienstein, de Jong, 2016). Der Tutor übernimmt die Funktion, Räume und Möglichkeiten zu eröffnen, sich systematisch reflek­ ­ tierend mit Themen der Pflegepraxis wissenschaftlich auseinander­zusetzen. „Es handelt sich hierbei nicht um eine Praxisanleitung, sondern es dient der Erweiterung von [pflege­ wissenschaftlichen, Anm. d. Autorinnen] Kompetenzen. Die Studierenden lernen dabei, ihre eige­ ne berufliche ­Praxis wissenschaftlich zu reflektieren, Pro­ bleme zu identifizieren und ggf. Pflegeentwicklungspro­ jekte auf den Weg zu bringen.“ (Wittener Pflegetutorium, 2016, S. 6). Vier bis acht Studierende werden einmal wöchentlich für circa zwei Stunden begleitet. Die Tutoren / innen mo­ derieren den Austausch der Studierenden über alltägliche Herausforderungen und unterstützen bei der Entwicklung von Problemlösungskompetenzen in den jeweiligen Pfle­ gesituationen. Hierunter zählen beispielsweise analyti­ sche Fähigkeiten sowie die Identifizierung von wissen­ schaftlichem Wissen, mit anschließender Adaption des Wissens in die Pflegepraxis. Dadurch wird es möglich, ­einen direkten Praxisbezug herzustellen. Zum anderen unterstützt der Tutor bei der Rollenfindung Pflegestudie­ render im beruflichen Kontext des dualen Studiums. Als Grundlage der Tutorien dienen die von der Hochschule formulierten Kernkompetenzen eines Bachelors sowie die Ziele und Aufgaben für die Praxisphase. Dement­ sprechend stellt die Kenntnis über die Inhalte des Modul­ handbuchs der Hochschule eine Voraussetzung für die ­Tutorentätigkeit dar. Den Lehrauftrag erhalten die Tuto­ ren / innen von der entsprechenden Hochschule, sie sind jedoch nicht an der Notenvergabe beteiligt (vgl. Wittener Pflegetutorium, 2016, S. 13).

Tutoren stehen in enger Verbindung mit den Hoch­ schullehrenden und den zuständigen Praxisanleiter / in­ nen der jeweiligen Einrichtung. Ziel ist es hierbei, die Kompetenzen der Studierenden zu entwickeln und aus­ zubilden und somit eine stetige Wissenszirkulation zu ge­ währleisten. Ergebnisse von Treffen werden protokolliert. Hierfür kann ein Studienbuch genutzt werden (vgl. Bien­ stein, de Jong 2016, S. 8). Zusammenfassend lassen sich die Aufgaben von Tutor / innen wie in Tabelle 1 darstellen.

Praxiserfahrung Eine schriftliche Befragung zur Arbeit der Tutoren der München Klinik ergab eine sehr positive Resonanz der Studierenden in unterschiedlichen Semestern. Aus Sicht der Tutoren / innen wirken die Studierenden häufig unsi­ cher und müssen sich in ihrer Rolle im pflegerischen Alltag einfinden. Hierbei unterstützen Gespräche. Besonders der aufmerksame Blick der Studierenden für Problemstellun­ gen in der Praxis ist wertvoll. Der systematische Austausch darüber und der Bezug zu einer pflegewissenschaftlichen Herangehensweise fördern eine systematische und evi­ denzbasierte Problemlösungskompetenz. Das gibt Studie­ renden Sicherheit und Orientierung.

Diskussion Im Jahr 2012 veröffentlichte der Wissenschaftsrat die „Empfehlungen zu hochschulischen Qualifikationen für das Gesundheitswesen“. Darin spricht sich dieser für eine Akademisierungsquote von 10 bis 20 % eines Ausbil­ dungsjahrgangs in den Gesundheitsfachberufen aus (vgl. Wissenschaftsrat 2012, S. 8). Auch wenn sich das duale Pflege-Studium inzwischen als Angebot etabliert, ist die Anzahl der Absolventen, die tatsächlich in der pflegeri­ schen Versorgung verbleiben, um beispielsweise Aufga­ benfelder, wie die eines Tutors ausüben zu können, ver­

Tabelle 1. Aufgaben von Tutor / innen (Quelle: eigene Darstellung 2018 in Anlehnung an: Wittener Pflegetutorium, Universität Witten / Herdecke 2016, S. 15) Studierende

Organisation

Hochschule

• Sitzungen mit Studierenden initiieren und moderieren • Die Studierenden in die Organisation und die Community integrieren • Prozessbegleitung • Fragen identifizieren und bearbeiten • Wissen finden • Fallreflexion • Förderung einer beruflichen Handlungskompetenz (auf Problemlösungsebene) • Rollenfindung • Beobachten des Phasenverlaufs von Unterricht und Unterrichtsstörung • Netzwerke bilden

• Akquise von Gatekeepern • Bedürfnisse der Organisation und Kompetenzen der Studierenden zusammenführen • Wegbereiter • Abstimmung mit Praxisanleitern

• Abstimmung mit Modul­ koordinatoren bzw. Dozenten bzgl.: – Praxisaufgaben – Fortschritten von Studierenden

PADUA (2019), 14 (1), 29–34

©2019 Hogrefe


Schwerpunkt 31

gleichsweise gering (vgl. Simon 2018, S. 39). Der Verbleib der Bachelorabsolventen / innen am Arbeitsmarkt ist bis­ lang unzureichend untersucht. „Die immer wieder ge­ äußerte Befürchtung, dass die akademisierten Pflegenden die „Pflege am Bett“ verlassen, kann durch die Erhebung der Hochschule München nicht bestätigt werden, wenn­ gleich Arbeitsfeldern außerhalb der direkten Pflege durch­ aus eine ebenso große Bedeutung zukommt. Allerdings arbeiten Absolventen / innen, die außerhalb der direkten Pflege tätig sind, nicht zwangsläufig patientenfern. Viel­ mehr nehmen auch hier patientennahe Tätigkeiten einen breiten Raum ein.“ (Büker, Strupeit 2016, S. 95). Das Potenzial der Bachelorabsolventen/innen, welche in der direkten und indirekten Pflege verbleiben, gilt es für eine gezielte Praxisanleitung sowie die Tutorentätigkeit zu nutzen. Durch die eigenen Erfahrungen als Studierende und die hochschulisch erworbenen Kompetenzen kann ein gezielter Wissenstransfer ermöglicht werden. Der Wunsch nach Ansprechpartnern mit gleichem oder ähnli­ chem beruflichem Abschluss wird auch von den Studie­ renden selbst geäußert. Sie erhoffen sich dadurch seitens der Betreuenden eine bessere Nachvollziehbarkeit von In­ halten und Anforderungen im Studium (vgl. Steffan und Knoch 2015, S. 4). Dies ist ebenfalls in Bezug auf Seminarund Projektarbeiten sinnvoll, da diese adäquat begleitet werden können und in einem direkten Bezug zur Praxis stehen. Die Tutoren fungieren somit als Bindeglied zwi­ schen der hochschulischen Ausbildung mit einer theorie­ basierten Herangehensweise und der Praxis und tragen damit zur individuellen wie auch systematischen Kompe­ tenzförderung der Studierenden bei. Der Einsatz hoch­ schulisch qualifizierter und in der Praxis entsprechend ausgebildeter Bachelor-Absolventeninnen und Absolven­ ten, sowohl als Tutoren als auch in der direkten PatientenVersorgung, kann in den Pflegeteams perspektivisch eine kontinuier­liche Zirkulation von Wissen ermöglichen und zukünftig die Sozialisation und Einbindung der Studieren­ den am Praxis-Lernort verbessern. Die Tutorentätigkeit muss etabliert und differenziert evaluiert werden, um die Effektivität und den damit ein­ hergehenden möglichen Wert darstellen zu können. Die Finanzierung und strukturelle Verortung der Tutoren muss geklärt werden, um das Modell in den Regelbetrieb zu überführen. Für eine positive Integration der studierten Pflegekräf­ te in die strukturellen Gegebenheiten der Organisationen gibt es derzeit nur wenige Ansätze (vgl. Witzmann 2016, S. 94). Durch begleitendes Tutoring im Lernort Praxis können den Bachelorstudierenden Arbeitsfelder aufge­ zeigt werden, in denen ihre speziellen Kompetenzen sinn­ voll entwickelt werden können. In der Folge können diese dann ebenso gewinnbringend in die Pflegepraxis integ­ riert werden und Absolventen verbleiben mit höherer Wahrscheinlichkeit langfristig im Unternehmen. Passen­ de Stellenbeschreibungen sind erforderlich. Hierbei ­stehen nicht nur Handlungsfelder der direkten Pflege, sondern auch die der indirekten Pflege im Fokus. Praxis­ anleiter/innen und Tutoren muss ein ausreichendes Zeit­

kontingent zugestanden werden, damit ihre Arbeit Wir­ kung entfalten kann. Eine systematische Integration Studierender und Absol­ venten gelingt durch gezielte Förderung. Im Unternehmen ausgebildete Absolventen sind Rollenmodelle, die Orien­ tierung schaffen und Zukunftsperspektiven aufzeigen. Nur durch proaktiv initiierte Nachwuchsförderungsstrate­ gien sowie die Ausweitung von Instrumenten zur besseren Verzahnung der hochschulischen und praktischen Ausbil­ dung (vgl. Steffan und Knoch 2015, S. 7), wird es möglich sein, im „war for talents“ zu bestehen.

Teil 2: Durch Kollegiale Fallberatung den Austausch zwischen Pflegefachkräften und Studierenden fördern Helga Schell, Günter Milla und Astrid Herold-Majumdar

Ausgangslage Seit 2008 begleitet die München Klinik als Kooperations­ partner der Hochschule München die berufliche Ausbildung der Studierenden im Studiengang Pflege dual. Die im Studi­ enanteil verankerten Inhalte sollen u. a. darauf vorbereiten, die Praxiswirklichkeit zu beschreiben, zu analysieren, Prob­ lemfelder der praktischen Pflege aufzu­decken sowie diesen methodisch zu begegnen (vgl. Dualer Bachelorstudiengang Pflege – Studienplan und Modulhandbuch, 2013). Im praktischen Feld der Pflegewissenschaft sind der konkrete Transfer sowie die Verankerung eine große Her­ ausforderung. Ein „erlernter“ Theorie-Praxis-Transfer könnte gut gelingen. Dem wird bisher zu wenig Rechnung getragen. Zudem gelingt es noch nicht ausreichend, den Stand dieses Kompetenzerwerbs auch verlässlich zu mes­ sen (Darmann-Finck, Reuschenbach 2013, S. 23).

Standortbestimmung der praktischen Ausbildung der Studierenden Inhaltsbestimmend für die praktische Ausbildung in den ersten sechs Semestern sind vorwiegend das Einüben handwerklich-technischer Fähigkeiten, die unmittelbare Bestimmung des Pflegebedarfs sowie die Organisation der eigenen Arbeit(saufträge) und das Erlangen eines Über­ blicks über das Stationsgeschehen. § 37 des Pflegeberufegesetzes (PflBG, § 37, Abs. 3) über­ steigt die bisherigen Anforderungen der praktischen Aus­ bildung bei weitem und orientiert sich an den späteren Aufgabenbereichen. Konzeptionen für den Einsatz von Bachelor-Absolventen in der klinischen Praxis sowie die Einordnung in Kompetenzprofile der Pflege sind noch in der Entwicklungsphase (Feuchtinger, 2014; Drube, 2018).

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Klinische Rahmenbedingungen Die zunehmende Arbeitsverdichtung im Pflegedienst, ein Anstieg der Fallzahlen im klinischen Bereich (ca. 15 %); eine Reduktion der Verweildauern (ca. 32 %) sowie eine Reduktion der Mitarbeiter / innen im Pflegedienst (ca. 9 %) prägen den Alltag (Weidner, 2016; statistisches Bundes­ amt, 2018). Einer amerikanischen Untersuchung zufolge treffen Pflegekräfte im Akutbereich etwa alle 10 Minuten, im Intensiv­bereich sogar alle 30 Sekunden Entscheidun­ gen (Thompson 2003 in Schrems, 2016). Obwohl nicht jede dieser Entscheidungen die gleiche Wertigkeit besitzt, verdeutlicht diese Untersuchung doch, dass von den Pfle­ gekräften eine kontinuierlich hohe geistige, körperliche und emotionale Präsenz und Sorgfalt in der Versorgung der Patienten gefordert wird. Zudem ist der Anteil komplexer und hochkomplexer pflegerischer Problemstellungen bei Patienten gestiegen. Dadurch werden Kompetenzen erforderlich, die über den Bedarf der aus Fachweiterbildungen erworbenen Spezia­ lisierungen (z. B. Wundmanagement) hinausgehen. Ge­ meint sind Fähig- und Fertigkeiten, die zum Umgang mit nicht-standardisierten Vorgehensweisen bei Menschen befähigen, sowie eigene Problemlösungsschritte in der in­ terprofessionellen und interdisziplinären Zusammenar­ beit erkennen lassen (Schober & Affara, 2008, S. 7 5; PflBG, § 37, Abs. 3). Die strukturierte Einbindung von Pflegekräf­ ten mit diesen Kompetenzen ist bisher in der Praxis nicht ausreichend gegeben.

Konsequenzen für die praktische Pflegeausbildung Studierender Studierende nehmen die Bedingungen für die Ausübung ihres Berufes durchaus wahr – konzentriert im Transfer von der Theorie zur Praxis. Anknüpfungspunkte zwi­ schen Inhalten aus dem Studium und praktischer, ­klinischer Pflege werden häufig außerhalb der direkten Patientenversorgung gesehen. Zur Ausbildung von Rol­ lenbildern fehlen Möglichkeiten, strukturierter und ge­ zielter Reflexionen gemeinsam erfahrener Praxissituati­ onen. Die Notwendigkeit der Integration akademisch ausgebildeter Pflegekräfte wird noch nicht konsequent und konkret angedacht.

Studienmodul zur Förderung des ­Theorie-Praxis-Transfers Das vorliegende Konzept bringt erfahrene Pflegefachkräf­ te mit Studierenden der Pflege zusammen, indem es sich an konkreten Fallsituationen ausrichtet. Als Methode ­findet die kollegiale Fallberatung (Schrems 2016, Tietze 2016) Anwendung. Unter der Federführung von Frau Prof. Astrid HeroldMajumdar wurde, gemeinsam mit der München Klinik Schwabing, ein für das siebte Fachsemester vorgesehenes PADUA (2019), 14 (1), 29–34

Studienmodul neu konzipiert und implementiert (HeroldMajumdar 2018).

Aufbau der Lehrveranstaltung Nach einem theoretischen Einführungsblock mit prakti­ schen Übungen anhand von Fallvignetten gehen die Studie­ renden in die Klinik, um gemeinsam Fallsituationen mit den Berufskollegen zu beraten. In der Lehrveranstaltung an der Hochschule werden die Studierenden in der fallverste­ henden Pflegediagnostik (Bekel 2002; Schrems 2008; ­Hardenacke et al. 2011) geschult, die durch Klassifikations­ systeme, wie beispielsweise die NANDA-I Pflegediagnosen (Herdmann & Kamitsuru 2016), unterstützt wird. Kritisches Denken (Herdmann & Kamitsuru 2014) und kulturelle Achtsamkeit (Rew et al. 2014) sollen dabei die Studieren­ den leiten. Das Konzept der evidenzbasierten Pflegepraxis wird aufgegriffen und unter Berücksich­tigung des Daten­ schutzes konkret auf Fallsituationen angewendet.

Kollegiale Fallberatung als Unterstützung der Theorie-Praxis- Vernetzung In der Klinik treffen die erfahrenen Pflegefachkräfte mit den Studierenden zusammen. Der Ablauf jeder einzel­ nen kollegialen Fallberatung orientiert sich an einem, an Tietze angelehnten, festgelegten Schema (Tietze, 2016, S. 62 ff.). Diese Prozessschritte bedingen für die Studie­ renden über die Zeit eine zunehmende Sicherheit mit der Methodik. Ablaufschritte: • Bekanntmachen von Fallerzähler und Studierenden • Erläuterung der Methodik (ebd., S. 64 ff.); eruieren von Erwartungen / Befürchtungen des Fallerzählers • Fallerzählung – die zum Verständnis der Situation wich­ tigen Sach- und Zustände, Entwicklungen und Verläufe werden geschildert • Formulieren eines Beratungsanliegens (vgl. ebd., S. 83 ff.) als „Kann“-Element; je nach Zielsetzung des Fallerzählers geht es darum, sich einen Fall in einem geschützten Rahmen selbst zu erarbeiten und / oder um die Lösung eines Praxisproblems • Formulierung von Verständnisfragen, Reflexion der (Patienten)Situation • kollegiale Klärung der methodischen Weiterarbeit im Hinblick auf die geschilderte Situation und auf die Ziel­ setzung des Fallerzählers (vgl. ebd., S. 115 ff.) • Priorisierung bestehender pflegerischer Problemstel­ lungen des Falls – benennen hypothetischer Pflegediag­ nosen in Abstimmung mit dem Fallerzähler • Formulierung wissenschaftlicher Fragestellungen • abschließende Reflexion der kollegialen Fallberatung Die Methodik verdeutlicht anschaulich eine praxis­ be­ zogene, kollegiale Verknüpfung theoretischer, prak­ tischer und erfahrungsgeleiteter Faktoren pflegerischer ©2019 Hogrefe


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Arbeit in Kombination zwischen Studierenden und er­ fahrenen Pflegefachkräften. Diese findet ihren Ausdruck beispielsweise in dem Austausch zu pflegefachlichen Fra­ gestellungen, der Formulierung ethischer Dilemmata, der verstehenden Annäherung an die Perspektive des Patienten und der handelnden Personen, der Priorisie­ rung pflegerelevanter Problemstellungen, der Diskussion um Vermutungen und Wahrnehmungen zur Beurteilung, der Reflexion von Interpretationen und angenommenen Zusammenhängen (auch über den Fachbereich hinaus) und der Formulierung konkreter wissenschaftlicher Fra­ gestellungen zum Fall. Die kollegiale Beratung mit den Studierenden erfolgt konsiliarisch. Entscheidungen über die Falleinschätzung und weiterführende, pflegerische Interventionen werden ausschließlich vom Behandlungsteam in der Klinik ge­ troffen.

Mehrwert aus der gemeinsamen Lehrveranstaltung Ergebnisse der Begleitstudie „CANDo“ (Herold-Majum­ dar, 2018) sind in die Optimierung des Moduls eingeflos­ sen. Für den Theorie-Praxis-Transfer lässt sich ein deutli­ cher Mehrwert erkennen. Die Pflegenden bemerken, dass insbesondere die Verdeutlichung der Komplexität ihnen helfe, den Fall konkreter zu beurteilen. Diskutierte Sichtweisen und Lösungsvorschläge fließen z. T. direkt in die weitere Arbeit mit dem Patienten ein. Die Perspekti­ ven der Studierenden, werden als hilfreich empfunden. Die Fallsituation in einem geschützten Rahmen darstel­ len zu können, wird nicht selten als Wertschätzung der persönlichen Arbeit wahrgenommen. Das Bild vom Mehrwert und der Integration akademischer Pflegekräfte konkretisiert sich. Das Bild der Studierenden vom Handlungsfeld Pflege verändert sich. Die beruflich Pflegenden werden in völlig anderen Rollen erlebt, als im Pflegealltag. Die Komplexi­ tät von Patientensituationen ermöglicht den Blick auf ein erweitertes Berufsbild und Selbstverständnis. Die Bearbeitung von Handlungsoptionen auf der Grundlage pflegerischen Fallverstehens kann gemeinsam bewerkstelligt werden. Die kollegiale Fallberatung ist eine sinnvolle Methodik die zahlreichen Handlungsstränge ei­ nes komplexen Falls sichtbar zu machen. Lösungsansätze aus einer Kombination aus beruflicher Erfahrung und the­ oretisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen werden von beiden Seiten als bereichernd empfunden.

Erkenntnisse für die Praxis Gemeinsam mit der Hochschule München konnte im kli­ nischen Setting der Theorie-Praxis-Theorie Transfer etab­ liert werden. Regelmäßige pflegerische Fallbesprechun­ gen können den genannten Mehrwert durch Reflexion

sichtbar machen. Durch das Kooperationsprojekt werden hierzu wichtige Grundlagen gelegt. Ziel akademischer Praxisanleitung sollte es sein, so­ wohl Pflegende im klinischen Setting als auch Studieren­ de gemeinsam an Problemstellungen der Praxis arbeiten zu lassen.

Literatur Teil 1 Backhaus, J., Latteck, Ä.-D., Büker, C. (2018) Hochschulische Ausbildung in Pflegeberufen – Konzepte für die Zukunft. Blätter der Wohlfahrtspflege 165 (2), 60 – 63. Bienstein, C., de Jong, A. (2016) Fortbildung zur Tutorin / Tutor zur Begleitung von Studierenden der grundständigen Bachelor­ studiengänge Pflege. https://docplayer.org/27206778-F-fort bildung-zur-tutorin-tutor-zur-begleitung-von-studierendender-grundstaendigen-bachelorstudiengaenge-pflege.html (Letzter Zugriff: 14.09.2018). Büker, C., Strupeit, S. (2016) Pflege-dual-Absolventen: Potenzial wird genutzt. Die Schwester der Pfleger, 55 (3), 92 – 95. Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.) (2017). Hofmann, S., König, M. AusbildungPlus. Duales Studium in Zahlen 2016. Trends und Analysen. https://www.bibb.de/dokumente/pdf/59df505289ed7_ bibb_09-282_ausbildungplus_barrierefrei_korr_urn.pdf (Letzter Zugriff: 14.09.2018). Darmann-Finck, I., Muths, S., Görres, S., Adrian, C. Reuschenbach, B. (2014) Abschlussbericht Dezember 2014. „Inhaltliche und strukturelle Evaluation der Modellstudiengänge zur Weiterentwicklung der Pflege- und Gesundheitsfachberufe in NRW“. https:// www.mags.nrw/sites/default/files/asset/document/pflege_­ abschlussbericht_26_05_2015.pdf (Letzter Zugriff: 14.09.2018). Deutsche Gesellschaft für Pflegewissenschaft e. V. und Deutscher Pflegerat e.  V. (2014) Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft (DGP) und des Deutschen ­ Pflegerates (DPR). https://deutscher-pflegerat.de/ Downloads/DPR%20Dokumente/140319_dpr-dgp_­s tena_ hochschulische_qualifikation.out.pdf?m=1395841265& (­Letzter Zugriff: 14.09.2018). Deutsche Krankenhausgesellschaft (2015) DKG-AG Weiterbildung zur Praxisanleitung. https://www.dkgev.de/media/file/35101. 01_PA_Anlage_I_Moduluebersicht_Module_ME.pdf (Letzter Zugriff: 14.09.2018). Friesacher, H. (2017) Studienmöglichkeiten in der Pflege. Akademisierung der Pflege. Psychische Pflege Heute 2014; 20 (01), 24 – 34. Kälble, K. (2013) Der Akademisierungsprozess der Pflege. Eine Zwischenbilanz im Kontext aktueller Entwicklungen und ­ ­Herausforderungen. Bundesgesundheitsblatt 2013. Berlin: Springer-Verlag. Krone, S. (Hrsg.) (2015) Dual Studieren im Blick. Entstehungs­ bedingungen, Interessenlagen und Umsetzungserfahrungen in dualen Studiengängen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Pflegestudium (2016) Pflege-Studiengänge in Deutschland 2016. Aktuelle Daten und Statistiken. https://www.pflegestudium.de/­ ­ fileadmin/user_upload/Inhalte/pflegestudium.de/Pflege-Studien gänge_Deutschland_2016.pdf (Letzter Zugriff: 14.09.2018). Quernheim, G. (2013) Spielend anleiten und beraten: Hilfen zur praktischen Pflegeausbildung. 4. Aufl. München: Urban & Fischer. Simon, A. (Hrsg.) (2018) Akademisch ausgebildetes Pflegefach­ personal. Entwicklung und Chancen. Berlin: Springer-Verlag. Steffan, S. & Knoch, T. (2015) Anleitung im Erleben der Studierenden. Praxisanleitungen für dual bzw. ausbildungsbegleitend Studierende. PADUA; 10 (4), 1 – 7. Wissenschaftsrat (2012) Empfehlungen zu hochschulischen Qualifikationen für das Gesundheitswesen. https://www.wissen schaftsrat.de/download/archiv/2411-12.pdf (Letzter Zugriff: 14.09.2018).

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Wittener Pflegetutorium (2016) Fortbildung zum Tutor / zur Tutorin „Modulreader“ Universität Witten / Herdecke. Witzmann, M., Lehrer, V. & Rester, D. (2016) Die Pflegepraxis voranbringen. Die Schwester der Pfleger, 55 (8), 94 – 97.

Nane Jakob Gesundheits- und Krankenpflegerin, Praxisanleiterin, B.Sc. Pflege, M.A. Management von Sozialund Gesund­heitsbetrieben, München Klinik Harlaching

Literatur Teil 2 Bekel, G. (2002). Klinische Entscheidungsfindung aus der Perspektive pflegetheoriebasierter Diagnostik; pr-internet 10, 82 – 97. Darmann-Finck, I., Reuschenbach, B. (2013). Entwicklungsstand der Kompetenzmessung im Berufsfeld Pflege; Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen (ZEVQ), (107); 23 – 29. Drube, I (2018). Von der Idee zur Realität – Die Integration akademisch ausgebildeter Pflegekräfte in die direkte Patienten­ versorgung; KU Gesundheitsmanagement, 08, 2018; 41 – 44. Feuchtinger, J. (2014). Generalisten und Spezialisten – Integration von akademisch ausgebildeten Pflegenden, CNE-Thieme, ­Fortbildung, 04, 12 – 16. Hardenacke D., Bartholomeyczik S., Halek M. (2011): Einführung und Evaluation der „Verstehenden Diagnostik“ am Beispiel des Leuchtturmprojektes InDemA. Pflege&Gesellschaft, 16 (2), 101 – 171. Herdman, H. T., Kamitsuru S. (Hrsg.) (2014). NANDA International, Inc. NURSING DIAGNOSES: Definitions & Classification 2015 – 2017, 10. Aufl., West Sussex: Wiley Blackwell. Herdman, T. H.; Kamitsuru, S. Hrsg. (2016): Pflegediagnosen – ­Definitionen und Klassifikationen 2015 – 2017, Kassel: Recom Verlag. Herold-Majumdar, A. (Hrsg). (2018). Kulturelle Achtsamkeit und Wissensbasierung in der klinisch-pflegerischen Fallbeurteilung: Entwicklung und Evaluation eines kooperativen LehrLernkonzeptes zwischen Hochschule und Klinik im Rahmen des QualiFIVE Programms im dualen Bachelorstudiengang Pflege; Ergebnisse der Begleitstudie „CANDo“: Cultural Awareness and Evidence in Nursing Diagnosis 2015 – 2017“. Hochschule München, Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften: München. Hochschule München, Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften, (2013) Dualer Bachelorstudiengang Pflege – Studienplan und Modulhandbuch, München. Pflegeberufegesetz (PflBG) (2018) http://www.pflegeberufe-­ gesetz.de (letzter Zugriff: 27.09.2018) Rew, L., Becker, H., Chontichachalalauk, J. (2014). Cultural diversity among nursing students: Reanalysis of the cultural awareness scale. Journal of Nursing Education, 53 (2), 71 – 76. Schrems, B. (2008). Verstehende Pflegediagnostik. Wien: facultas Verlag. Schrems, B. (2016). Fallarbeit in der Pflege, Grundlagen, Formen und Anwendungsbereiche; 2. Überarb. und erg. Aufl. Wien: ­facultas Verlag. Schober, M.; Affara, F. (2008). Advanced Nursing Practice (ANP); Bern: Hans Huber. Statistisches Bundesamt. (2018). Gesundheit, Grunddaten der Krankenhäuser. Fachserie12 Reihe 6.1.1 2014, 154. Verfügbar unter https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Gesellschaft­ Staat/Gesundheit/Krankenhaeuser/Krankenhaeuser.html [11.05.2018] Tietze, K.-O. (2016): Kollegiale Beratung – Problemlösungen gemeinsam entwickeln. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. Weidner F. (2016). Pflege. Macht. Politik! – Herausforderungen und Wege. Vortrag Deutscher Pflegetag 2016. Verfügbar unter ­https://www.dip.de/fileadmin/data/pdf/Aktuelles/­Weidner_ Deutscher_Pflegetag _2016-Grafiken-%C3 %B 6 ff.pdf [11.05.2018]

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Anna Kaiser Gesundheits- und Krankenpflegerin, Praxisanleiterin, Tutorin für Pflege­ wissenschaften. B.Sc. Pflege, cand. M.Sc. Advanced Nursing Practice, München Klinik Harlaching anna.kaiser2@muenchen-klinik.de

Helga Schell Gesundheits- und Kinderkranken­ pflegerin, Dipl. Pflegewirtin / Pflegewissenschaft (FH), ­ Pflege-und Servicemanagement, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, München Klinik Schwabing helga.schell@muenchen-klinik.de

Prof. Dr. rer. medic. Astrid Herold-Majumdar MScN (Univ), Dipl.Pflegewirtin (FH), Gesundheits- und Krankenpflegerin, TQM Auditorin (EQ Zert Ulm) Hochschule für Angewandte Wissen­ schaften München Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften /  Pflegewissenschaft: Studiengang­ leitung dualer Bachelorstudiengang Pflege astrid.herold-majumdar@hm.edu

Günter Milla Gesundheits- und Krankenpfleger, Geschäftsbereichsleitung Pflege und Service, München Klinik guenter.milla@muenchen-klinik.de

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„Ist doch eh alles das Gleiche, oder?!“ Praxisanleitung für Schüler_innen und Studierende German Quernheim

Im deutschen Gesundheitswesen werden neben Auszubildenden der Gesundheits- und (Kinder-) Krankenpflege bzw. Altenpflege auch Studieren-

leben die Absolventen_innen auch den Lernort Praxis mit ähnlichen Schwierigkeiten bei den Rahmenbedingungen und der Sozialisation.

de von (überwiegend noch dualen) Studiengängen für die Pflegearbeit qualifiziert. In der prakti(PAL) eine Schlüsselfunktion. Bei den beiden Lerngruppen Schüler – Studierende gibt es Gemeinsam­ keiten aber auch Differenzen. Die veränderten ­Forderungen des neuen Pflegeberufegesetzes (PflBG) haben Auswirkungen auf die Qualifikationen der PAL.

Gemeinsamkeiten Die traditionelle berufsfachschulische Ausbildung und das Bachelor-Pflegestudium verfügen über eine Schnittmenge von Gemeinsamkeiten. Schließlich verfolgen beide nach § 5 (PflBG) das gleiche Ausbildungsziel und führen zur gleichen Berufszulassung. Die Praxisanleitung beruht auf der pädagogischen Aufbereitung von Lernangeboten im Versorgungssetting des arbeitsbezogenen Lernens (u. a. Dehnbostel 2007), denn einige der in der Theorie ver­ mittelten Inhalte lassen sich nur durch die Verknüpfung in und mit der Praxis zu echten Handlungskompetenzen entwickeln. Beide Qualifikationen zielen auf einen optimalen Berufseinstieg inklusive der gesetzlich geforderten Kompetenz in Forschung und Wissenschaft. Es geht beiderseits um die Heranbildung handlungskompetenter Pflegender (Employability). Auch stellen beide Qualifikationswege ein vertieftes Bildungsverständnis mit Kenntnissen von Lerntechniken und -strategien in Aussicht. Selbst die Anwendung geeigneter Lehrmethoden, wie etwa problemorientiertes Lernen (POL) oder erfahrungs- und handlungsorientiertes Lernen, der Fallorientierung, das Vorhalten von Skillslabs u. a. ist kein exklusives Kennzeichen von Hochschulen, sondern sind zum Teil seit vielen Jahren an Pflegeschulen erfolgreich implementiert. Gemeinsam er-

Praxisanleitende als „Infrage-Steller“ Denkt man an die Anfänge der ersten berufspädagogischen Weiterbildungen der Pflegeberufe in der Bundes­ republik, fällt auf, dass sich zur gleichen Zeit in den 1980er Jahren eine Art Vorläufer der deutschen Pflegestudien­ gänge entwickelten. Diese ersten Kurse der sog. „Pflegefachseminare“ – bspw. am Bildungszentrum des DBfK in Essen – resultierten auch als Ergebnis aus der parallellaufenden Praxisanleiter-Qualifikation. Denn viel mehr als in den anderen Fachweiterbildungen (z. B. Leitung einer ­Station) beschäftigten sich die Teilnehmenden von PALWeiterbildungen mit Reflexions- und Begründungsfragen. Sie wollten Zusammenhänge und Argumente hinter einer Behauptung identifizieren. Christel Bienstein versuchte mit den angehenden PAL fehlendes Wissen international zu recherchieren – was schließlich dazu führte, eine eigene Weiterbildung – das Pflegefachseminar – zu initiieren. PAL werden mehr als andere Pflegepersonen von Schülerinnen, Studierenden aber auch von neuen, einzuarbeitenden Mitarbeitern und Kollegen nach Sinn und Zweck von Pflegetätigkeiten gefragt. Sie erklären nicht nur Pflegehandlungen, sondern „leben“ bestenfalls ihre professionelle Auffassung von Pflege in der kontinuierlichen Begründung derselben vor. Es ist anzunehmen, dass die bei PAL beobachteten Haltungen und Einstellungen von den Lernenden verinnerlicht und langfristig – wie bei einem tagtäglichen Briefing – übernommen und imitiert werden. Durch diese „detektivische“ Grundhaltung beim Fragen (Wie macht man es genau, wann, warum, wann nicht, was passiert, wenn, usw.) entwickelte sich bei einigen Anleitenden ein „physiologisches Streben nach Evidenz“, was in Sätzen wie „Wo steht das?“ zu Tage trat. Leider gab und gibt es auch weniger engagierte Anleitende, aber es wird deutlich, dass PAL eine „praxisgeleitete Theoriesicht“ benötigen, auch um Lernenden zu helfen, die Themen aus der Praxis zu identifizieren, die für sie am Lernort relevant

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Schwerpunkt

schen Ausbildung übernehmen Praxisanleitende


36 Schwerpunkt

sind. Durch die hochschulische Ausbildung kommen jetzt Studierende in die Versorgungssettings und stellen weitere Fragen, oft ganz anderer Art, beispielsweise kritisch-­ reflexive Fragen, die möglicherweise noch nie jemand zuvor gestellt hat – und nicht nur die PAL, sondern auch Teamleitungen und andere Kollegen fühlen sich unter Umständen davon herausgefordert.

Unterschiede Schüler_innen – Studierende Zukünftige Pflegende sollten verstärkt in der Lage sein, ihre Entscheidungen wissenschaftlich zu verstehen und zu begründen, interprofessionell zusammenzuarbeiten und sektorenübergreifende Fallsteuerungen zu übernehmen (Millich, 2016). Zielsetzung vieler Hochschulen ist ein neues Kompetenzprofil, das sich am Kompetenzniveau 6 des Europäischen Qualifikationsrahmens orientiert. Dazu zählt die Fähigkeit, im besonderen Maße Verantwortung zu übernehmen, über sehr gute interaktive und kommunikative Kompetenzen und ausgeprägte Reflexivität sowie erweiterte Fachkompetenz zu verfügen und wissenschaftlich und ethisch fundiert zu handeln (vgl. Lademann et al. 2016). Die in § 37 (PflBG) benannten Ausbildungsziele der hochschulischen Pflegeausbildung werden als erweitert bezeichnet. Im Studium geht es durch die Schaffung eines solchen Kompetenzprofils um vertieftes Wissen. Fragestellungen der klinischen Versorgung sollen vorrangig mit wissenschaftlichen Mitteln und evidenzbasierter Handlungskompetenz bearbeitet und gelöst werden. Im Gegensatz zur berufsfachschulischen Ausbildung geht es an der Hochschule um ausgeprägtere Reflexivität, auch, um Praxissituationen tiefergehend analysieren zu können. Dies zeichnet sich idealerweise durch ein differenzierteres Fallverstehen aus. Studienabsolventen sollen Innovationsprozesse initiieren und im Sinne eines Projektmanagements begleiten können (Lademann et al. 2016, 339). Studierende sollten aufgrund ihrer Bildung in der Praxis z. B. mehr Evidence-based Nursing (EBN) bzw. forschungsbasiertes Wissen einfordern und vertiefend nachfragen. Sie werden durch einige Hochschulen auch auf spezifischere Aufgaben wie Führung, Organisation und Lehraufgaben vor­ bereitet (Auböck et al. 2014). Obwohl Hochschulen andere Ziele als Berufsfachschulen anstreben, ist nicht zu vergessen, dass beide Schulformen eine Erstausbildung anbieten und zur Berufsfähigkeit führen. Es besteht eine große Uneinheitlichkeit der hochschulischen Ausbildung durch fehlende standardisierte Rahmenbedingungen / Curricula. Die strukturellen und inhaltlichen Merkmale unterscheiden sich nicht nur von Hochschule zu Hochschule, sondern auch innerhalb der berufsfachlichen Schulen. So ist anzunehmen, dass bspw. bei berufsfachlichen Schulen mit einem hohen Anteil von Abiturienten andere Outcomequalitäten erreicht werden als in Pflegeschulen, die eher Absolventen der zehnjähriPADUA (2019), 14 (1), 35–41

gen Hauptschule ausbilden. Ähnliche Auswirkungen auf die Ausbildungsqualität haben die Persönlichkeiten der Lernenden, ihrer Lehrenden und die Kultur der Trägerschaft. Im Durchschnitt arbeiten Studierende anders, denn sie können bestenfalls abstrakter denken, sollten Wissenschaft verstehen und die Ergebnissein die Arbeit einfließen lassen. Aber es gibt natürlich auch Schüler_innen, die es genauso können. Im Rahmen des Studiums lernen Absolventen, wie sie den Markt von Ausschreibungen für Fördergelder beobachten, selbst initiativ werden und Anträge stellen. Damit lernen sie das Rüstzeug, um später weit reichende Veränderungen in ihrem Beruf bzw. Wirkungsfeld anzustoßen. Ebenso werden sie angehalten, Fachartikel der Commu­ nity zu lesen, sich an Kongressen zu beteiligen oder selbst Artikel zu veröffentlichen. In Gänze erwerben sie damit auch ein größeres berufliches Selbstbewusstsein und bringen sich ggf. stärker in therapeutische Teams ein. In meinen Seminaren mit Praxisanleitenden wird zuweilen diskutiert, ob und welche Unterschiede es zwischen beiden Ausbildungsformen gibt und in welcher Art sich diese darstellen. Anleitende, die sowohl mit Studierenden als auch mit Schüler_innen arbeiten, nennen zur Differenzierung häufig die nachfolgenden sechs Kriterien:

Evidenzbasierung Studierende benötigen in der Praxis zuerst klinisches Wissen über ihre Einflussnahme auf die fachliche Pflege am Empfänger. Erst wenn sie das verstanden und sich damit vertraut gemacht haben, sind sie in der Lage, die passende Evidenz zu entdecken. Prüfer, die sowohl Schüler_innen als auch Studierende praktisch prüfen, erleben bei einigen Schülern aber auch, dass sie komplexe Fälle intensiv durchdringen.

Orientierungen Die berufsschulische Ausbildung dauert drei, das Studium bis zu 4,5 Jahren. Es fehlt in den Berufsfachschulen vielfach die Zeit, die genauen Hintergründe für die in Studien beschriebenen Indikationen bzw. Kontraindikationen einer Pflegeintervention, oder die Details der nationalen Expertenstandards systematisch und akribisch durchzuarbeiten. So bleibt es eher bei einer groben Orientierung an Routinen. Demgegenüber steigen die Studierenden an der Hochschule tiefer ein und initiieren bestenfalls Innovationsprozesse. Aber auch duale Studiengänge „arbeiten in unterschiedlichem Ausmaß mit verdichtetem Programm, verkürzten Anwesenheitszeiten an der Hochschule und Mehrfachanforderungen von theoretischer und praktischer Ausbildung und Studium“ (Moers & Schöninger 2012, S. 246). So bleiben die postulierten Ziele manchmal nur Wunschdenken, weil auch an einzelnen Hochschulen ©2019 Hogrefe


Schwerpunkt 37

die Möglichkeiten und Freiräume beschränkt1 sind. Bartholomeyczik warnt vor zu hohen Erwartungen: So sei es in den 1990er Jahren vorgekommen, dass Studierende in ihren Praxissemestern teilweise Probleme lösen sollten, für die Beraterfirmen viel Zeit und Geld gefordert hätten (Bartholomeyczik 2017, S. 111).

Haltung / Einstellung Zu einer professionellen Haltung gehört keinesfalls Elitedenken. Dies kann jedoch bei Absolventen von Schulen und Hochschulen auftreten, sollte aber unbedingt vermieden werden. Es wird vereinzelt berichtet, dass Studierende mit einer Selbstherrlichkeit bzw. Arroganz in der Praxis agieren. Menschen mit „gesundem“ Selbstwertgefühl, ob akademisch oder nicht – ruhen in sich selbst. Sie müssen sich nicht rechtfertigen, im Kontakt mit nicht-akade­ misierten Kollegen auf Privilegien bestehen oder ihr eventuell größeres theoretisches Wissen herausstellen.

Sich verleugnen Dass es nicht immer optimal läuft, zeigen Berichte von Studierenden, die sich in ihrer Versorgungseinrichtung nicht trauten, sich als Bachelor-Anwärter zu outen, sondern sich stattdessen als Schüler_innen ausgaben. Sie begründen dies damit, dass Fehler von Studierenden von den Examinierten deutlich höher bewertet würden, als Fehler von Schülern. Es gibt Aussagen von Betroffenen, sich verteidigen zu müssen bzw. das Vorurteil richtig zu stellen, dass sie nicht eine Leitungs- oder Stabsstelle anstreben, sondern erst einmal einige Jahre „bedside“ ihre Erfahrungen sammeln möchten. Studierende erleben, dass sie vereinzelt mit Ressentiments belegt werden. Manchen würde unterstellt, sie wüssten schon vieles und werden deshalb allein zu Patienten geschickt.

Ängste vor Studierenden In Seminaren bzw. bei Kongressen mit PAL wird hin und wieder diskutiert, dass Mitarbeitende eine unausgesprochene Angst vor Studierenden hätten. Sie glauben, dass die angehenden Akademiker wissenschaftlich „fitter“ wären als sie. Da ihnen selbst das theoretische Know-how (noch) fehle, fürchten sie, sich mitunter zu blamieren. Dass dieses nicht nur die Studierenden betrifft, beschreibt Bartholomeyczik: Ängste bestanden damals schon beim ersten Kontakt der Krankenschwestern mit akademisch gebildeten Pflegenden. Es lag an der Vorstellung, „diese würden jetzt alles neu erfinden, hätten aber keine Ahnung

davon, was wirklich wichtig sei“ (Bartholomeyczik 2017, S. 111). Aber auch PAL erzählen von eigenen Unsicherheiten im Kontakt mit Studierenden. Während sie im Umgang mit Schüler_innen meist ein ausgeprägtes Kompetenzgefühl erleben, äußern einzelne PAL ohne akademischen Hintergrund, in der Arbeit mit Studierenden zuweilen ihre Bedenken und ihre Angst vor Bloßstellung.

Perspektiven nach Abschluss Der echte Wissensvorsprung der Studierenden entwickelt sich meist erst nach dem Bachelorabschluss. Sie können andere Kompetenzen als mit der traditionellen Ausbildung erlangen. Waschen, Essen anreichen oder Infusionen anhängen können Schüler und Studierende aufgrund der Praxisanleitung gleich; da sollte es auch keinen Qualitäts­ unterschied geben. Dagegen unterscheidet sich je nach Engagement der Lernenden das Hinterfragen des eigenen Handelns, der Anspruch an die Weiterentwicklung der Pflege, möglicherweise auch die Kommunikationsfähigkeit und multiprofessionelle Zusammenarbeit. Genau aus diesem Grund ist es wichtig, dass fertige Bachelor-­ Kollegen (wie auch die berufsfachschulischen) Neustarter in den ersten zwei Arbeitsjahren engmaschig von Anleitern begleitet und nicht nur systematisch eingearbeitet werden. Beispielsweise werden deswegen an manchen Unikliniken die „frischen“ Bachelorkolleginnen von der Stabstelle Pflegewissenschaft in einem Trainee-Programm strukturiert begleitet. Traditionell ausgebildete Pflegende orientieren sich eher an den bekannten Versorgungssettings, die als Leitmaxime während der Ausbildung gelten. Mangels klarer Verantwortungsbereiche für Bachelor-Stellen, die durch Stellenbeschreibungen definiert sind, fehlen akademischen Pflegenden (noch) klare Perspektiven zu späteren Arbeitsfeldern. Sie sind mit dem beruflichen Erscheinungsbild und der Rolle ihrer Profession mangels Vorbildern zum Teil noch unzureichend vertraut. Neuere Forschung zeigt, dass mindestens 25 % der Mitglieder einer Gruppe benötigt werden, um neue soziale Konventionen erfolgreich durch zusetzen (vgl. Centola et al. 2018). Hier ist idealerweise auch von PAL echte Pionierarbeit zu leisten. Insbesondere die erworbenen Erfahrungen bei Auslandspraktika zeigen Studierenden eine real existierende positive Pflegezukunft auf. Fehlende Perspektiven können negative Auswirkungen auf die intrinsische Motivation Studierender haben. Denn wer nicht genau weiß, welche Arbeitsbedingungen nach Abschluss des Studiums anzutreffen sind, dem fehlt häufig auch ein zielgerichteter Anreiz, das Studium erfolgreich abzuschließen.

In diesem Zusammenhang darf kritisch angemerkt werden, dass manchmal wie bei der „eierlegenden Wollmilchsau“ im Studiengang zusätzliche Weiterbildungsabschlüsse wie Intensivpflege, Wundmanager, Praxisanleiter oder Stationsleitung integriert werden. Da muss inhaltlich einiges auf der Strecke bleiben, zumal § 37 (PflBG) in Punkt (4) dezidiert warnt, dass die benannten zusätzlichen Kompetenzen die Erreichung des Ausbildungsziels nicht gefährden dürfen. Es gilt die Maxime: Hochschulen sollen die Erstausbildung nicht aus dem Blick verlieren.

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Die im Studium vermittelten Kompetenzen sind vertieft und verfolgen ein anderes Ausbildungsziel. Genau aus diesem Grund lässt sich ein Studium nicht mit der Qualität einer beruflichen Ausbildung vergleichen. Vielmehr zeigen sich bestenfalls Unterschiede in der Qualität der Patientenversorgung (Aiken et al 2017). Die häufig veröffentlichten Ergebnisse zeigen international, dass eine zehnprozentige Erhöhung der Pflegenden auf Bachelorniveau zu einer sieben-prozentigen Verringerung der Mortalität des Patienten führen kann (a. a. O.). Dieses hat weniger mit der Ausbildungsqualität sondern mehr mit der Wirkungsqualität zu tun, also der Leistung am Ort des Versorgungssettings. Und dieser Outcome wird im Idealfall durch eine akademische Ausbildung angehoben. Die angeführten internationalen Daten stammen nicht aus Deutschland. Hier fehlen Studienergebnisse und es kann derzeit nur mit Thesen gearbeitet werden wie zum Beispiel: Durch akademische Pflege wird sich die Qualität der Patientenversorgung verändern. Welche Konsequenzen haben die bis hier aufgeführten Kriterien für die Praxisanleitung?

Anleitungsideen § 31 der PflAPrV fordert, dass die Praxisanleitung für Studierende durch geeignetes, in der Regel hochschulisch qualifiziertes Pflegepersonal zu erfolgen hat. Die nachfolgenden Anleitungsvorschläge werden in Tabelle 1 stichpunktartig vorgestellt. Die anleitungsdidaktischen Fachbegriffe sind in der berufspädagogischen Literatur beschrieben (vgl. Quernheim 2017, Mamerow 2015, Bensch 2015, Strimmer & Schleich 2013 u. a.).

Attraktivitätssteigerung durch Studierende im Team Für die Ausbildungseinsatzorte ergeben sich durch die Anwesenheit von Studierenden Vorteile, denn während früher beim Pflegeschüler z. B. das Thema X im Mittelpunkt der Anleitung stand, wird (im besten Falle) beim Studierenden das Thema X plus wissenschaftlichem oder z. B. monetärem Hintergrund bearbeitet. Hier werden Handlungen stärker im Blickfeld von studiengestütztem Wissen betrachtet, es werden kritischer praktische Umsetzungen analysiert und dadurch eigene Meinungen herausgebildet. Mitunter könnte durch erhellende Fragen der Studierenden das ganze Team einschließlich der Einrichtung profitieren. Denn es geht auch um die Frage, welchen Skill- und Grademix benötigen wir, um die bestmögliche Versorgung der Patienten / Bewohner / Klienten und deren Bezugspersonen zu erreichen. Um eine höhere Qualität zu erlangen, benötigen viele Teams einen gewissen Prozentsatz akademisierter Pflege. Keinesfalls geht es hier um die Abwertung der beruflichen Ausbildung! PADUA (2019), 14 (1), 1–41

Defizitäre Praxisanleiter-Weiterbildung Die laut Gesetz auf 300 Stunden erhöhte Weiterbildung zur Praxisanleitung entspricht lediglich 65 % der vorher geltenden Weiterbildungsgesetze einiger Bundesländer (z. B. das Gesetz in Rheinland-Pfalz von 1995 forderte 460 Std.). Warum man jetzt aber als neue Stundenanzahl kritiklos die völlig unzureichenden 300 Stunden akzeptiert und nicht die 720 Stunden der Fachweiterbildungen wie z. B. in Endoskopie, Intensiv- und Anästhesiepflege – fordert, bleibt unverständlich. Kritik wird von einigen Weiterbildungsteilnehmenden auch an der Qualifikation der Dozenten geäußert. Da unterrichten immer noch Lehrende für Pflegeberufe oder Pflegepädagogen Formen der Anleitung, die niemals selbst im PAL-Tagesgeschäft Erfahrungen sammelten und schlimmstenfalls ihre Unterrichtsplanungen aus dem Kurssetting auf eine 1:1 Anleitungssituation fehlerhaft übertragen. Darum sollte für die Qualifikation von Dozenten für PAL gefordert werden, dass handelnde Akteure (z. B. Pflegepädagogen) über intensives Erfahrungswissen aus der Praxisanleitung verfügen. Praxisanleitende sind gemäß der §§ 4 und 5 PflBG, respektive § 37 Abs. 3, zu qualifizieren. So fordert der Deutsche Bildungsrat bei Lernbegleitungen und Anleitung den Nachweis grundlegender wissenschafts­ basierter, anleitungsdidaktischer und pflegepädagogischer Kompetenzen (DBR 2018). Diese sind für PAL auf akademischem Niveau im Umfang von 180 ECTS im Sinne eines Bachelor-Studienganges auszurichten. Aktuell ist bedauerlicherweise zu beobachten, dass zahlreiche Träger geradezu „schlagartig“ viele ihrer Mitarbeitenden in die alte, 200-stündige Weiterbildungsmaßnahme schicken. Manchem Absolventen hätte die (ab 2020) notwendigen 300 Weiterbildungsstunden sicherlich gut getan. Einige, gerade auch traditionelle PAL und Lehrende (ohne Studium) haben wissenschaftliches Arbeiten weder in ihrer Ausbildung noch in späteren Weiterbildungen gelernt. Betroffene sollten vor Kontakt mit Studierenden in Aufbauschulungen ihre Wissenslücken ausgleichen. Aus diesem Grunde bieten erste Hochschulen sogenannte Tutorenkurse an. An der Universität Witten / Herdecke erfahren die Teilnehmenden, wie sie die Lernenden durch das Studium „geleiten“. Das heißt, sie qualifizieren sich, um die Zielgruppe zu coachen, Problemanalysen professionell durchzuführen und schulen ihr Know-How, um Pflegeentwicklungsprojekte auf den Weg zu bringen (Bienstein 2016).

Zukünftige Anforderungen an Praxisanleiter_innen Aufgrund der generalistischen Ausbildung werden viele Inhalte nur noch exemplarisch unterrichtet. Gerade hier ist professionelle Praxisanleitung notwendig, um Hand©2019 Hogrefe


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lungskompetenzen am Praxisort zu entwickeln. Auch die nachfolgend aufgeführten Studieninhalte gehören u. a. zur Qualifikation: Methodische Konzepte z. B. Kognitive Apprenticeship, Situatives Führen, Tutoring, Mentoring, ­Onboarding / Einarbeitungskonzepte, Personalentwicklung (z. B. „Training into the job“ bei Berufsfindungspraktikanten), Aktive Mitwirkung in der Lernortkooperation

(PAL-Arbeitskreis vgl. § 8 PflAPrV), Vernetzungsarbeit der PAL regional, national, international, Einsatz von Videos und Erstellung von Video-Tutorials, Schulungen im Gruppensetting, PAL am 3. Lernort, in Skillslabs, Simulations­ zentren, Bildungs- und Fortbildungseinrichtungen, Marketing für PAL, Qualitätsmanagement der Anleitung (Kennzahlen usw.).

Tabelle 1. Anleitungsideen Nr.

Berufsfachschulische Ausbildung

1

Inhaltliche und methodische Ausrichtung der Praxisanleitung

a

Lernbegleitung für Beide

Gezielte Anleitungen, Einsatz von Checklisten, Anleitung im Setzen von Prioritäten, Gamification, Serious games, Funlearning, digitale Anleitung mit KI-Unterstützung (künstliche-Intelligenz) Checklisten werden optimaler Weise selbständig erstellt

b

Unter Anleitung erstellen Schüler selbst qualitative und quantitative Checklisten

2

Wissenshorizonte und Wissensmanagement

a

b

Bachelor Studium

PAL verknüpfen die Inhalte der Curricula mit der Praxis und setzen diese um

c

Inhalte § 2 PflAPrüV

(Je nach Hochschule) Tendenz zu systemischem Denken. Bis zu 5 % der Praxiseinsätze können durch prakt. Lerneinheiten an der Hochschule ersetzt werden

Projekt: Schichtleitung bzw. Leitung von Teilbereichen Ausbildungsziele laut Curriculum z. B. Arbeit mit Assessmentbögen und Risiko­ einschätzungsinstrumenten bzw. Projekte zur Entbürokratisierung

PAL arbeiten mit Studien- und Lehrbriefen und kennen deren Konzept Anleitung zu situativem Führen, Projektmanagement, selbständige Diagnostik, Clinical Reasoning, (Haring & Siegmüller 2018), wissenschaftsorientierte Assessmentverfahren (Anlage 5 PflAPrVO § 32)

Problemorientiertes Lernen Praxisanleitervisite Die Komplexität von Fällen wird unterschiedlich durchdrungen. Grundlagen Emotionsarbeit Allgemeines Lösen von Fragen

Systematisch mit Studieninhalten aufbereitete Praxis-Lernsituation mit Fallreflexionen Forschendes Lernen: Critical Thinking

d

Verweis auf Intranet, Flipped Learning, Pflegefachliteratur, Einsatz von ABC-Listen, Mindmaps, kreativ Neugier entwickeln, Mäeutik

Integration MOOCs = Massive Open Online Courses (Goldschmidt & Greene-Ryan 2014) Erstellung Videotutorials

e

Vorhandene Quellen wie Verlegungsberichte, Diagnostik, Datenbank zur Kompatibilität der Medikation u. Ä. effizient nutzen

Vertiefte Pflegefachkompetenz, zusätzlich wird Pflegediagnostik mit Datenbanken abgeglichen

Umsetzung hauseigener Pflegestandards, Orientierung an Expertenstandards

Effizienzüberprüfung vorhandener Standards, Einblick/Mitwirkung in Standardgruppe

3

Orientierungen

a 4

Haltung bzw. Ängste

a

Lernangebote im Rahmen des künftigen Vorbehalts (§ 4 PflBG) z.B. Anleitung zur Steuerung des Pflegeprozess

b

Sozialisation: PAL zeigen empathisches und selbstsicheres Auftreten im inter­ disziplinären Team Skript-based-Training z.B. mit Serviceketten (Quernheim 2018a)

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Tabelle 1. Anleitungsideen Nr.

Berufsfachschulische Ausbildung

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Perspektive vor / nach Abschluss

a

Schüler erwerben ein Grundverständnis von Wissenschaft und Forschung um Begriffe wie „Signifikanz“ bzw. „Repräsentanz“ regelhaft zu verstehen. Bestenfalls intelligente Forschungsanwendung, d. h. wenn die PAL mit ihnen praxisrelevante Studien lesen, erkennen sie deren Stärken und Schwächen

b

Lernbegleitung für Beide

Bachelor Studium

Klassische Anleitungsthemen der Funktions-, Langzeit- und ambulanten Pflege

Bachelor werden idealerweise zu sog. ‚ChangeAgents‘ befähigt, also unter Anleitung Wissensvermittler zu sein. D.h. sie suchen systematisch und finden Wissen auf, lesen verstehend und kritisierend und spielen die Konklusion einer Studie wieder auf die Praxis zurück; kurzum: sie arbeiten wissenschaftlich

Vorbereiten auf die praktische staatliche Prüfung

PAL unterstützen ggf. beim selbstständigen Schreiben der Bachelor-Arbeit (§ 35 Abs. 5 und 6 PflPrV)

Die Auflistungen machen deutlich, dass in den 300 Weiterbildungsstunden kaum noch Zeit für Pflegewissenschaft und Pflegeforschung bleibt. Diese gehören meines Erachtens auch nicht originär in eine Qualifikation für PAL, sondern sollten vielmehr (aufgrund der Berufszulassung) vorausgesetzt – oder bei ehemals weitergebildeten PAL, nachgeschult werden. Mittelfristig sind PAL akademisch zu qualifizieren, um den neuen Anforderungen der Pflege-Studierenden, gerecht zu werden.

Kritik PAL als Beobachtende Den Forderungen, dass PAL in einem neuen Verständnis zu Lernberatenden, Beobachtenden und Moderierenden werden sollten und sich in der Praxis vermehrt im Hintergrund aufhalten – wie es Sodar (2012) für die Rolle der PAL am 3. Lernort richtig fordert, muss hier für den Praxiseinsatzort klar widersprochen werden. Denn ähnliche, beobachtende Rollen, nehmen die Pflegepädagogen im Rahmen der Praxisbegleitung ein. Wenn auf Station nun auch noch die PAL lediglich im Hintergrund beobachtend agieren, wer sorgt dann für das erfolgreiche Lernen am Modell? Es wäre eine Pervertierung des Terminus: Praxisanleiter, wenn nun überspitzt ausgedrückt, dieser zu einem Praxisbeobachter degradiert würde. Zur Rolle der PAL gehört das Zeigen, Demonstrieren, das Vorbild-sein, um die professionelle pädagogische Haltung und Einstellung zu leben. Angefangen vom beruflichen Selbstverständnis über das Transferieren und Verdeutlichen ungezählter informeller Lernprozesse bis zum strategischen Einsatz der Emotionsarbeit. PAL als Rollenvorbild sollte stärkstes Gewicht haben, um Berufseinsteigern Sicherheit und Muster zu geben. Im Verlauf von 40 Jahren Praxisanleitung hat sich das Selbstverständnis deutlich zu einer Art Impulsgeber hinsichtlich eines konstruktivistischen Lehr-Verständnisses gewandelt (Quernheim, 2018b). Doch wer, wenn nicht zukünftig akademisch ausgebildete PAL zeigen den Studierenden, wie sich eine (akademische) professionelle Pflege PADUA (2019), 14 (1), 1–41

in der Praxis darstellt? Es benötigt „fitte“ und intelligente PAL, die derzeit z. T. noch traditionell im Rahmen einer Weiterbildung qualifiziert werden, aber mittelfristig nicht nur für Studierende, sondern auch für die neuen Mitarbeitenden und Berufsfindungspraktikanten, akademisch ausgebildet werden.

Umgang mit derzeitigen weitergebildeten PAL Entscheidend ist die Unterstützung der PAL durch fortlaufende Schulung und Reflexion. Sinnvollerweise gewährleistet letzteres der Gesetzgeber (in § 4 PflAPrV) durch jährlich mindestens 24 Stunden Fortbildungen. Themen könnten dabei sein: Update oder Refresher zu Anleitungsdidaktik, pädagogisches Verständnis, neue Impulse und Strömungen der Anleitung (Einsatz von Virtual-Reality Brillen bei digitalisierten Anleitungsformen), didaktische Fragen zu pflegewissenschaftlichen Themen. Bis 2029 gilt die Übergangszeit, um die derzeitigen und zukünftigen PAL hochschulisch (nach-)zu qualifizieren (§ 31 Absatz 1 PflAPrVO). Es ist anzunehmen, dass weniger als 5 % aller PAL über einen Studienabschluss verfügen. D.h. wahrscheinlich werden 95 % der gegenwärtigen Studierenden von traditionell weitergebildeten PAL qualifiziert. Für sie gilt zwar Bestandsschutz, aber auch sie unterliegen dem Anspruch des lebenslangen Lernens. Diese hohe Anzahl von erfahrenen, vielfach motivierten Kolleginnen benötigen unbedingt Wertschätzung und eine Haltung der Ermutigung (Frick 2011). Dies könnten Aussagen der Dienstgeber sein wie z. B.: „Ihr PAL habt Erfahrungswissen und vermit­ telt das super!“. Stellen Sie auch offene Fragen wie: „Was dürfen wir Euch bieten, welches Wissen und welche Rahmen­ bedingungen benötigt ihr von uns, damit ihr noch pass­ genauer mit der nächsten Studierenden-Kohorte arbeiten könnt?“. ©2019 Hogrefe


Schwerpunkt 41

Praxisanleitung sorgt für Qualität Die Rollenidentifikation ist ein essentieller Aspekt für gelingende Praxisanleitung und setzt neben einer finanziellen Anerkennung auch die Akzeptanz im stationseigenen Team voraus. Anleitung und Einarbeitung ist Qualitätsentwicklung. Wenn wir zukünftig kompetente Pflegende möchten, müssen wir jetzt eine kompetente, praktische Pflegeausbildung bieten. Praxisanleitende werden gebraucht; sie müssen für ihre Tätigkeit freigestellt und angemessen entlohnt werden. Lassen wir uns dazu abschließend den Wortlaut von § 4 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung „auf der Zunge zergehen“ und setzen ihn um: „Es ist daher wichtig, die Tätigkeit als PAL at­ traktiv zu gestalten. Den Ländern steht die Möglichkeit offen, für als PAL tätige Pflegefachkräfte finanzielle Aufschläge zu gewähren oder eine höhere Einstufung beim Grundgehalt vorzunehmen“.

Literatur Aiken, LH; Sloane, D; Griffiths, P et al (2017). Nursing skill mix in Europeans hospitals BMJ BMJ Quality & Safety,7, 559 – 568. Auböck, U; Haselwanter-Schneider, A; Them, C (2014). Die Rolle von Praxisanleitern und Praxisanleiterinnen in der klinischpraktischen Ausbildung von österreichischen Pflegestudierenden. Pflege & Gesellschaft; 3, 251 – 267. Bartholomeyczik, S (2017). Zur Entwicklung der Pflegewissenschaft in Deutschland – eine schwere Geburt. Pflege & Gesellschaft, 2. 101 – 118. Bensch, S (2015). Ist Pflege bereit für kritisches Denker? Implikationen für Pflegepraxis und –didaktik zum Wohle der Pflegebe­ dürftigen. Padua,10 (5), 299 – 305. Bienstein, C (2016). Tutoren-Ausbildung: Studierende brauchen wissenschaftliche Begleitung. Die Schwester / Der Pfleger, 3, 98 – 100. Centola, D et al. (2018). Experimental evidence for tipping points in social convention. Science 360 (6), 1116 – 1119. Clinton, M; Murrells,T; Robinson, S (2005). Assessing competency in nursing: a comparison of nurses prepared through degree and diploma programmes. In: Journal of Clinical Nursing, 1, 82 – 94.

DBR = Deutscher Bildungsrat für Pflegeberufe (2018). Stellungnahme zum Referentenentwurf zur PflAPrV (Pflegeberufe-­ Ausbildungs- und Prüfungsverordnung) vom 18.04. Berlin. Dehnbostel, P (2007). Lernen im Prozess der Arbeit. Münster: Waxmann Verlag. Frick, J (2011). Die Kraft der Ermutigung. 2. Aufl. Bern: Hans Huber Goldschmidt, K; Greene-Ryan, J (2014) Massive open online courses. nursing education. 2, 184 – 186. Haring, R; Siegmüller, J (Hrsg.) (2018). Evidenzbasierte Praxis in den Gesundheitsberufen. Berlin: Springer. Lademann, J et al. (2016). Primärqualifizierende Pflegestudiengänge in Deutschland. Pflege & Gesellschaft. 21 (4), 330 – 345. Mamerow, R (2015) Praxisanleitung. Berlin: Springer Millich, N (2016). Pflegestudium: Wir brauchen die hochschulische Erstausbildung. Die Schwester / Der Pfleger, 12, 90 – 93. Moers, M; Schöniger, U; Böggemann, M (2012). Duale Studien­ gänge – Chancen und Risiken für die Professionalisierung der Pflegeberufe und die Entwicklung der Pflegewissenschaft. Pflege & Gesellschaft, 3, 232 – 246. PflAPrV (2018). Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Pflegeberufe. Entwurf Stand Juni. PflBG = Pflegeberufgesetz (2017). unter https://www.bgbl.de/xaver/ bgbl/start.xav?start=%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl 117s2581.pdf%27%5D#__bgbl__%2F%2F*%5B%40 attr_ id%3D%27bgbl117s2581.pdf%27%5D__1541608100884 [Zu­ griff am 06.06.2018] Quernheim, G. (2017). Spielend anleiten und beraten. 5. Aufl. München: Elsevier. Quernheim, G. (2018a). Arbeitgeber Patient: Kundenorientierung im Gesundheitswesen. Berlin: Springer. Quernheim, G. (2018b). Die Erneuerung der Praxisanleitung. Padua, 2. 125 – 128. Sodar, M (2012). Zur Situation der fachpraktischen Ausbildung in der Allgemeinen Gesundheits- und Krankenpflege – Eine Analyse aus Sicht von PraxisanleiterInnen. Diplomarbeit Magister Universität Wien. IDS Pflegewissenschaft. Strimmer, K.; Schleich U. (2013). Fallbezogenes Lernen in der Pflegeausbildung. Masterarbeit. Köln: Katholische Hochschule NRW. Dr. rer. medic. German Quernheim Pflegewissenschaftler, Pflegepädagoge, Praxisanleiter kontakt@german-quernheim.de

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Das „Boot Camp“ – Eine didaktische Methode zum Einstieg in den Schreibprozess einer Bachelorarbeit Christa Büker, Matthias Mertin, Irene Müller und Dominik Röding

An der Fachhochschule Bielefeld wird seit einigen Jahren im dualen Bachelorstudiengang Gesundheits- und Krankenpflege zur Vorbereitung auf die

Lehren und Lernen

Bachelorarbeit ein dreitägiges Kompaktseminar – genannt „Boot Camp“ – durchgeführt. Der Beitrag widmet sich dem Hintergrund, den Zielen und Inhalten des Seminars.

Die Erstellung einer Bachelorarbeit bildet den Abschluss eines ersten Hochschulstudiums und ist für die Studierenden in der Regel die umfangreichste wissenschaftliche Arbeit ihrer bisherigen Laufbahn. Auch wenn viele Studierende das Studium bis dahin erfolgreich gemeistert haben, stellt die eigenständige wissenschaftliche Bearbeitung einer relevanten Fragestellung eine große Herausforderung dar. Obwohl es zumeist der Wunsch der Studierenden ist, das Studium in der Regelstudienzeit abzuschließen, kommt es nicht selten gerade in dieser Phase zu einer Verlängerung der Studiendauer. Im bundesweiten Durchschnitt schließen lediglich ca. 40 % aller Studierenden ihr Studium innerhalb der Regelstudienzeit ab (Statistisches Bundesamt 2016). Vielfach werden noch ein oder zwei weitere Semester bis zum Abschluss benötigt. Der Anteil der Hochschulabschlüsse innerhalb der Regelstudienzeit plus zwei Semester liegt bei 80 % (ebd.). Nicht nur die Studierenden, sondern auch die betreuenden Lehrenden und die Hochschulen haben ein Interesse am Abschluss eines Studiums in Regelstudienzeit. Als Maßnahme zur Unterstützung des Prozesses der Erstellung einer Bachelorarbeit wird seit mittlerweile drei Jahren an der Fachhochschule Bielefeld im dualen Bachelorstudiengang Gesundheits- und Krankenpflege (B. Sc.) ein dreitägiges Kompaktseminar – genannt „Boot Camp“ – für die Studierenden des letzten Semesters angeboten.

Hintergrund Der an der Fachhochschule Bielefeld angebotene Studiengang „Gesundheits- und Krankenpflege“ ist ein duales Bachelorstudium mit integrierter Berufsausbildung. Die ­ PADUA (2019), 14 (1), 42–48 https://doi.org/10.1024/1861-6186/a000472

Absolventinnen und Absolventen erwerben innerhalb von vier Jahren eine doppelte Qualifikation (akademischer Grad „Bachelor of Science“ und Berufsabschluss in der Gesundheits- und Krankenpflege). Der Studiengang ist als ein auf acht Semester angelegtes Studium konzipiert, in dem insgesamt 180 Creditpoints erworben werden. Die hochschulische Ausbildung endet nach vier Jahren mit dem Bachelor-abschluss, die parallele berufliche Ausbildung wird nach dreieinhalb Jahren mit der staatlichen Prüfung und dem Abschluss „Gesundheits- und Krankenpflege“ beendet. Das zentrale Qualifikationsziel des Studienganges ist die Ausübung der wissenschaftsbasierten beruflichen Handlungskompetenz zur patientennahen Gesundheitsversorgung von Menschen aller Altersstufen in den verschiedenen Handlungsfeldern der Gesundheits- und Krankenpflege. Nach Abschluss des Studiums sind die Absolventinnen und Absolventen befähigt, komplexe Pflegesituationen in ambulanten, teilstationären und stationären Kontexten evidence-basiert zu gestalten (MGEPA 2011). Während die ersten sieben Semester aufgrund der integrierten Ausbildung und der entsprechenden praktischen Ausbildungseinsätze als Teilzeitstudium absolviert werden, wird das letzte Semester als Vollzeitstudium angeboten. Während dieses letzten Semesters absolvieren die Studierenden einerseits ein Wahlmodul und bearbeiten andererseits ihre Bachelorarbeit und zusätzlich ein pflegewissenschaftliches Projekt, welches in einer Einrichtung des Gesundheitswesens umgesetzt wird. Aufgrund der bis dahin abgeschlossenen Berufsausbildung tendieren viele Absolventinnen und Absolventen dazu, bereits während des letzten Semesters eine Berufstätigkeit in Teilzeit aufzunehmen, obwohl grundsätzlich auch die Beantragung einer Förderung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) möglich wäre. Dies führte in der Vergangenheit zu erheblichen Schwierigkeiten, das Studium mit der Berufstätigkeit und dem Privatleben zu vereinbaren. In der ersten Kohorte, die ihr Studium im Jahr 2015 beenden konnten, führte dies zu einer Überschreitung der Regelstudienzeit um ein bis zwei Semester. Die Überschreitung der Regelstudienzeit ist aus zwei Gründen problematisch. Einerseits stehen die Hochschulen in der Pflicht, studierbare Studienprogramme zu entwickeln und deren Studierbarkeit auch zu sichern (Akkreditier­ ungsrat 2013). Das bedeutet, dass Studiengangskonzepte unter Berücksichtigung der realen studentischen Arbeits©2019 Hogrefe


Lehren und Lernen

belastung, Prüfungsorganisation, entsprechenden Beratungs- und Betreuungsangeboten in der vorgesehenen Zeit absolvierbar sein müssen (ebda.). Zugleich liegt es auch im Interesse der Hochschulen, den Studierenden einen Stu­ dienabschluss in Regelstudienzeit zu ermöglichen, da der Anteil der Absolventinnen und Absolventen in Regelstu­ dienzeit als wichtiges Erfolgskriterium (beispielsweise in Hochschulrankings) gilt (Penthin et al. 2017). Andererseits ist die Einhaltung der Regelstudienzeit auch für die Stu­ dierenden von Bedeutung, denn ein in Regelstudienzeit ­abgeschlossenes Studium führt zu einer Verlängerung der Lebensarbeitszeit und damit zu einem erhöhten Lebens­ arbeitszeiteinkommen (ebda.). Zudem ist die Einhaltung der Regelstudienzeit im Hinblick auf die Gewährung von BAföG von Bedeutung, da die Förderungshöchstdauer grundsätzlich der Dauer der Regelstudienzeit entspricht (Statistisches Bundesamt 2016). Gründe für die Nichteinhaltung der Regelstudienzeit ­lassen sich auf mehreren Ebenen verorten. Neben indivi­ duellen Merkmalen und Eingangsvoraussetzungen spielen persönliche Lebensbedingungen und hochschulinterne

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Faktoren, wie beispielsweise konkrete Anforderungen an die Bachelorarbeit, bedeutende Rollen (Penthin et al. 2017). Diskrepanzen zwischen einerseits den Anforderungen, die Professorinnen und Professoren an die Schreibkompetenz von Studierenden stellen und andererseits dem diesbezüglichen Entwicklungsstand vieler Studierender lassen sich – wie eine historisch-linguistische Studie von Pohl (2009) zeigt –, geschichtlich weit zurückverfolgen. Folgt man den Ergebnissen der Studie, dann hat sich dieser Zustand in den letzten 200 Jahren allerdings tatsächlich verschärft. Denn auf der einen Seite – so Pohl (2009) – sei das „wissenschaftliche Schreiben“ stetig komplexer geworden und von den Studierenden würde in Sachen Textproduktion immer mehr abverlangt. Auf der anderen Seite habe aber die Intensität der professoralen Betreuung von Studierenden beim Anfertigen von schriftlichen Arbeiten stetig abgenommen. In jüngerer Zeit dürfte für Deutschland sicherlich auch die Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur dieses Pro­ blem zumindest etwas zusätzlich verschärft haben. Gleiches gilt auch für die weitere formale Öffnung der

Abbildung 1. Schreibprozessmodell von Kruse (2007). ©2019 Hogrefe PADUA (2019), 14 (1), 42–48


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Tabelle 1. Programmübersicht Boot Camp Tag 1

Tag 2

Tag 3

• Begrüßung im Plenum • Überblick über das Programm • Kartenabfrage bzgl. Emotionen der ­Studierenden • Plenumsvortrag zu Formalien der ­Bachelorarbeit • Kleingruppenarbeit zur gegenseitigen ­Vorstellung der Ideen, Themen • Peer-Counseling • Beratung durch die Lehrenden • Plenum: Alumni-Berichte • Einzelarbeit: Entscheidung für das ­Thema der Bachelorarbeit

• Begrüßung im Plenum • Einzelarbeit: Erstellung eines Mindmaps zum gewählten Thema • Anfertigung eines Plakats • Rundgang aller Teilnehmenden ­(Marktplatz), Ergänzung der Plakate, Diskussion • Einzelarbeit: Internetrecherche zum ­gewählten Thema • Kleingruppenarbeit zur Entwicklung der ­Fragestellung • Diskussion der Fragestellung (Peer-Counseling und Beratung durch die Lehrenden) • Einzelarbeit: Festlegung der Fragestellung

• Begrüßung im Plenum • Kleingruppenarbeit zur Formulierung der Zielsetzung der Bachelorarbeit • Festlegung der Zielsetzung • Visualisierung der Arbeitsergebnisse des Seminars • Rundgang aller Teilnehmenden ­(Marktplatz), Diskussion • Plenumsvortrag: Prokrastination und Schreibhemmung • Plenumsvortrag: Anforderungen an die ­Erstellung eines Exposés • Feedback-Runde • Verabschiedung

Hochschule, die dazu geführt hat, dass die Studienanfängerinnen und -anfänger bezüglich ihrer schulischen Bildung heterogener geworden sind. Ob obendrein die Verbreitung „neuer Medien“ die sprachliche Kompetenz der kommenden Generationen verkommen lässt, wie dies unter kulturpessimistischen Vorzeichen populistisch debattiert wird, sei dahingestellt. Fakt ist, dass viele Studierende während ihres Studiums von Schreibproblemen betroffen sind (­Sennewald & Mandalka 2012; Dittmann et al. 2003) und dass sich zunehmend mehr Hochschulen darum bemühen (Knorr 2016), durch Schreibprobleme bedingten Studienabbrüchen oder verzögerten Studienverläufen mittels didaktischer Maßnahmen entgegenzuwirken. Das hier vorgestellte Boot Camp der Fachhochschule Bielefeld stellt eine solche Maßnahme dar. Dabei werden die Studierenden des Abschlusssemesters des dualen Studiengangs Gesundheit- und Krankenpflege bei ihrer Bachelorarbeit nach dem Schreibprozessmodell von Kruse (2007) (Abbildung 1) in der ersten Phase des Schreib­ prozesses – der Phase „Planen / Abstimmen“ – engmaschig betreut. Damit soll gewährleistet werden, dass die weiteren Phasen auf einem soliden Fundament gründen. Die Maßnahme findet in Form eines Kompaktseminars statt, da die Zielgruppe mehrheitlich bereits als Pflegefachperson erwerbstätig ist und sich daher nur bedingt auf das Studium konzentrieren kann. Die Form des Trainingslagers hilft den Teilnehmerinnen und Teilnehmern, ihren Alltag zu durchbrechen und sich für drei Tage intensiv auf die Bachelorarbeit zu konzentrieren. Ein Bündel von Maßnahmen unterstützt sie dabei, ein Thema zu finden, sich einzulesen, das Thema einzugrenzen und eine tragfähige Fragestellung zu formulieren. Auch wird über Ursachen von Schreibhemmungen und Prokrastination1 sowie entsprechende Lösungsansätze aufgeklärt. Aus schreibdidaktischer Sicht wird in diesem Camp primär die Dimension wissenschaftlicher Schreibkompetenz gefördert, die Kruse & Chitez (2012) als „Wissen“ deklarieren. Wer wissenschaftlich schreiben möchte, müsse

wissen, wie die jeweilige Disziplin Fragestellungen formuliert, welche Themen und Probleme in der Disziplin gerade als relevant und bearbeitbar gehalten werden und welche Methoden und Vorgehensweisen dafür als angemessen gelten. Bezüglich der Fragestellung und der Vorgehensweise werden die Studierenden mehrheitlich dahin geführt, dass sie ihre Bachelorarbeit als Übersichtsarbeit anfertigen. Zum Textgenre der Übersichtsarbeit siehe z. B. Swales (2004), APA (2012), Gerards & Gerards (2014) und Glasper & Rees (2017).

Vorbereitungen Das Boot Camp wird aus Hochschulmitteln zur Förderung der Qualität der Lehre finanziert. Dazu wird ein Antrag an die „Kommission zur Verbesserung der Qualität der Lehre“ gestellt, der neben Professorinnen und Professoren auch Studierende angehören. Diese Kommission entscheidet darüber, ob die geplante Maßnahme ein geeignetes Instrument ist, um die Qualität der Lehre zu sichern. Der Antrag wird etwa ein Jahr vor dem Intensivseminar gestellt, damit die Organisation und Durchführung des ­Seminars finanziell gesichert ist. Das Boot Camp findet in einer Jugendbildungsstätte statt, die neben der technischen Ausstattung über eine ausreichende Anzahl an Seminarräumen und preisgünstigen Übernachtungsmöglichkeiten verfügt. Die Reservierung der benötigten Seminarräume und Zimmer erfolgt unmittelbar nach der Genehmigung durch die Kommission. Etwa einen Monat vor dem Boot Camp wird schließlich die endgültige Anzahl der Teil­neh­merinnen und Teilnehmer an das Seminarhaus übermittelt. Die Teilnahme am Boot Camp ist freiwillig. Die Studierenden werden frühzeitig über den Termin informiert und erhalten diverse Unterlagen zur Vorbereitung. In der Vorbereitungsphase sollen die Studierenden potentielle Themen

Hiermit ist ein komplexes Problem der Handlungskontrolle gemeint, bei dem Studierende ihre Forschungs- und Schreibaktivitäten derart zugunsten anderer Aktivitäten verschieben, dass sie ihren erfolgreichen Studienabschluss in Gefahr bringen (Höcker et al. 2017).

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für eine Bachelorarbeit sammeln, die sie interessieren. Sie werden dazu angeregt, sich bereits im Vorfeld zu überlegen, ob die Themenbereiche machbar sind. Dazu erhalten sie Fragen zur Selbsteinschätzung hinsichtlich Aufwand, Durchführbarkeit, sicheres Erreichen der Ergebnisse etc., die Hinweise auf die Realisierbarkeit in einem durch die Prüfungsordnung zeitlich fixierten Rahmen geben. Mit Beginn des Boot Camp sollten sie aus ihren Ideen drei Themen ausgewählt und mögliche Arbeitstitel entwickelt haben. Weitere Vorbereitungen betreffen die Erstellung des Programms (Tabelle 1), das von den verantwortlichen Lehrenden unter Berücksichtigung der Rückmeldungen der Studierenden des Vorjahrs erstellt wird. Einen wichtigen Programmpunkt bilden die Berichte von Alumni über ihren eigenen Arbeits- und Schreibprozess während der Erstellung ihrer Bachelorarbeit. Daher werden mehrere Absolventinnen und Absolventen zur zeitweisen Teilnahme am Boot Camp eingeladen. Ferner nimmt ein wissenschaftlicher Mitarbeiter aus dem seit einigen Jahren an der Fachhochschule Bielefeld laufenden Projekt „Optimierung von Studienverläufen (OvS)“ am Seminar teil. Im Rahmen dieses Projektes wurde eine Schreibberatung für Studierende, die von Schreibhemmungen oder Prokrastination betroffen sind, eingeführt. Handlungsleitend bei der methodisch-didaktischen Gestaltung des Boot Camp ist das Bildungsverständnis der Lehreinheit Pflege und Gesundheit an der Fachhochschule Bielefeld mit der Förderung selbstgesteuerter Lern- und Bildungsprozesse, unter Nutzung eines breiten Methodenrepertoires (Beaugrand et al. 2017). Im Mittelpunkt stehen das Peer-Counseling und die Beratung durch die Lehrenden.

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tet haben. Dabei werden weder Perfektion noch endgültige Festlegungen erwartet, sondern lediglich vorläufige Arbeitstitel und erste Entwürfe, die jedoch die Richtung des Vorhabens erkennen lassen sollten. Ein weiteres Ziel des Boot Camp liegt darin, den Studierenden notwendiges Rüstzeug für den konkreten Schreibprozess an die Hand zu geben. Ferner soll das Zusammenwachsen der Studierendengruppe in der Endphase ihres Studiums noch einmal befördert werden, indem durch Pausen, gemeinsame Mahlzeiten und die freien Abendstunden viel Raum für Kommunikation und sozialen Austausch gegeben ist.

Erster Tag

Die Ziele des Kompaktseminars sind von Beginn an klar definiert und im Vorfeld mit der Studierendenkohorte kommuniziert: Im Ergebnis sollten alle Studierenden ein Thema für ihre Bachelorarbeit gewählt, eine Fragestellung formuliert und die Zielsetzung ihrer Arbeit herausgearbei-

Nach der Begrüßung im Plenum durch die Lehrenden wird zunächst ein Überblick über den geplanten Ablauf der kommenden drei Tage gegeben. Der Einstieg in die Thematik erfolgt anschließend durch das Aufgreifen von Emotionen der Studierenden im Zusammenhang mit der Bachelorarbeit. Dazu werden sie mittels einer Kartenabfrage gebeten, in Einzelarbeit ihre individuellen Ängste, Sorgen und Befürchtungen stichwortartig zu formulieren und auf einer Stellwand zu fixieren. Eine anschließende Kommentierung der Ergebnisse durch die Lehrenden findet nicht statt. Um frühzeitig eine Orientierung über relevante Rahmendaten zu geben, erfolgt im nächsten Schritt ein Vortrag durch die Lehrenden mit Hinweisen zu den Form­alien der Bachelorarbeit (Bestandteile, Umfang, Mod­alitäten der Anmeldung, Abgabetermin, Bewertungskriterien, etc.). Ergänzend dazu werden Informationen zur Begleitung und Betreuung durch die Lehrenden sowie zur Rolle der Lehrenden im Prozess der Erstellung der Bachelorarbeit gegeben. Nach dem „Warm-up“ startet die Phase der Themenfindung. Wie bereits erläutert, werden die Studierenden bereits im Vorfeld des Boot Camp aufgefordert, drei interessierende Themen zu überlegen, die nun diskutiert werden. Dazu teilen sich die Studierenden in Kleingruppen zu jeweils vier Personen auf, um sich im Zeitrahmen von 60 Minuten gegenseitig ihre mitgebrachten und auf einem Flip-

Abbildung 2. Foto: Christa Büker.

Abbildung 3. Foto: Christa Büker.

Ziele, Inhalte und Methoden

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chart visualisierten Themenvorschläge vorzustellen und mittels der Methode des „Peer-Counseling“ als Kommunikationspartner auf Augenhöhe zu erörtern. Im Anschluss daran werden die Gruppen durch die Lehrenden aufgesucht und zunächst durch die Studierenden über die Ergebnisse der gemeinsamen Diskussion informiert. Ohne bereits eine Entscheidung in eine Richtung zu forcieren, werden die verschiedenen Ideen durch die Lehrenden geprüft und die Pro's und Contra's erwogen. Für jede Gruppe wird dabei ein Zeitlimit von 30 Minuten angesetzt, anschließend erfolgt ein Wechsel zu einer anderen Gruppe. Für den Nachmittag werden mehrere Alumni der Abschlusskohorte des Vorjahres eingeladen, um ihre damaligen Bachelorarbeitsthemen vorzustellen, über ihre Erfahrungen mit der Erstellung der Qualifizierungsarbeit zu berichten und Empfehlungen auszusprechen. Die Studierenden zeigen regelmäßig ein großes Interesse an den Berichten der Absolventinnen und Absolventen und haben in aller Regel noch zahlreiche Fragen. Um es ihnen zu ermöglichen, ohne Scheu auch kritische Fragen (z. B. zur Betreuung) stellen zu können, verlassen die Lehrenden zeitweise das Plenum. Zum Abschluss des ersten Tages werden die Studierenden aufgefordert, sich nun für das endgültige Thema ihrer Bachelorarbeit zu entscheiden. Angesichts der Tatsache,

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dass eine intensive Beschäftigung mit dem Gegenstand über mehrere Monate erforderlich sein wird, sollte das wesentliche Entscheidungskriterium ein hohes Eigeninteresse an der Thematik sein.

Zweiter Tag Nachdem die Themenauswahl getroffen ist, steht am Vormittag die Erarbeitung einer passenden Fragestellung der Bachelorarbeit im Mittelpunkt. Zunächst einmal jedoch werden die Studierenden aufgefordert, sich in Eigenarbeit und mit der Arbeitstechnik des „Mindmapping“ dem T ­ hema und seinen verschiedenen Facetten anzunähern. Dazu fertigen sie ein großformatiges Plakat, in dessen Zentrum sie ihr Thema platzieren, um von dort aus unter Verwendung verschiedener Farben und Gestaltungselemente ihre Gedanken, Ideen und Assoziationen in Form einer vernetzten „Landkarte“ zu visualisieren (s. Abbildung 2). Alle Plakate werden anschließend im Seminarraum an Pinnwänden angebracht. Auf dem so entstandenen „Marktplatz“ können nun Studierende und Lehrende die verschiedenen Stände besuchen und die Plakate um ihre Anmerkungen und Anregungen ergänzen (s. Abbildung 3). Dabei entwickelt sich in aller Regel ein intensiver Austausch zwischen allen Beteilig-

Abbildung 4. Foto: Christa Büker. PADUA (2019), 14 (1), 42–48

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ten. Nach der Mittagspause erhalten die Studierenden zunächst ein Zeitfenster für eine Internetrecherche zu ihrem gewählten Thema, um auf diese Weise weitere Informationen zu sammeln und den sie interessierenden Bereich weiter eingrenzen zu können. Nach diesen intensiven vorbereitenden Arbeiten zur Erschließung des Themas steht die konkrete Exploration der Fragestellung an. Erneut teilen sich die Studierenden in Kleingruppen zu jeweils vier Personen auf, um zunächst in Gruppenarbeit und gegenseitiger Peer-Beratung Fragestellungen zu entwickeln und zu diskutieren. Erst danach erfolgt der Rundgang durch die Lehrenden mit Begutachtung und gemeinsamer Diskussion der Arbeitsergebnisse. Zum Abschluss des Tages findet eine Festlegung der Studierenden auf ihre (vorläufige) Fragestellung statt.

Dritter Tag Das Verfahren des Peer-Counseling in der Kleingruppe mit anschließender Beratung durch die Lehrenden wird auch zur Formulierung der Zielsetzung der Bachelorarbeit gewählt und bildet den Auftakt des dritten und letzten Tages im Boot Camp. Anschließend erstellen die Studierenden eine Visualisierung mit ihren jeweiligen Ergebnissen: auf einem Flipchartbogen werden Thema, Fragestellung und Zielsetzung des geplanten Vorhabens schriftlich fixiert. Die Plakate werden aufgehängt und erneut in Form des Marktplatzes präsentiert. Für die Studierenden bietet sich dadurch ein Gesamtüberblick über die Vorhaben ihrer Kommilitonen und Kommilitoninnen und es entspannen sich noch einmal produktive Diskussionen. Nach den intensiven Phasen der Einzel- und Gruppenarbeiten sowie den anspruchsvollen Diskussionsprozessen im Laufe der drei Tage finden die letzten Tagesordnungspunkte im Plenum statt. Im Rahmen eines Vortrags erhalten die Studierenden zunächst wertvolle schreibdidaktische Empfehlungen, insbesondere zum Umgang mit Schreibhemmungen und Prokrastination. Um nach dem Boot Camp möglichst rasch in die Umsetzungsphase zu gelangen, erhalten sie den Auftrag, innerhalb der nächsten vier Wochen ein Exposé zur gewählten Thematik incl. eines Arbeits- und Zeitplans zu erstellen. Dazu wird in einem zweiten Vortrag auf die Kriterien zur Erstellung eines Exposés eingegangen. Mit einer abschließenden Feedback-Runde endet das Boot Camp.

Fazit Die Form des Kompaktseminars trägt wesentlich zur Erleichterung des Einstiegs in die Bachelorarbeit bei. Wenngleich sowohl den Studierenden als auch den Lehrenden in den drei Tagen viel abverlangt wird, spricht das Ergebnis für sich: Während im ersten Jahr der Durchführung des Seminars von 33 teilnehmenden Studierenden insgesamt 29 Personen ihr Studium in Regelstudienzeit absolvierten,

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waren es im zweiten Jahr von 36 Teilnehmenden 30 Personen. Damit beträgt der Anteil der Absolventinnen und Absolventen in Regelstudienzeit in beiden Kohorten zwischen 80 und 90 Prozent. Grundsätzlich eignet sich die didaktische Methode des Boot Camp auch für andere Studiengänge und kann Studierenden in der Endphase ihres Studiums eine wertvolle Unterstützung bieten.

Literatur Akkreditierungsrat (2013). Regeln für die Akkreditierung von Studiengängen, i. d. F. v. 20.02.2013. www.akkreditierungsrat.de/ fileadmin/…/AR/…/AR_Regeln_Studiengänge_aktuell.pdf; [Zugriff am 16.02.2018] APA (Hrsg.) (2012). Publication Manual of the American Psychological Association. 6. Aufl. Washington, DC: American Psychological Association. Beaugrand, A., Mertin, M., Rolf, R. & Latteck, Ä-D. (2017). Lehr- und Lernmethoden im dualen Studium. Wissenstransfer zwischen Theorie und Praxis. Stuttgart: Kohlhammer. Dittmann, J., Geneuss, K. A., Nennstiel, C. & Quast, N. A. (2003). Schreibprobleme im Studium – Eine empirische Untersuchung. In: Ehlich, K. & Steets, A. (Hrsg.). Wissenschaftlich Schreiben – lehren und lernen. Berlin / New York: De Gruyter. Gerards, A., Gerards, M. unter Mitarbeit von Kuhberg, V., Singleton, K., Trierweiler, L. (2014). Dokumentationsmanual. Leibniz-Zentrum für Psychologische Information und Dokumentation (ZPID). https://www.zpid.de/download/…/psyndex-dokumentations manual.pdf [Zugriff am 6.12.2017] Glasper, A. & Rees, C. (Hrsg.). (2017). Nursing and Healthcare Research at a Glance. Oxford: John Wiley & Sons. Höcker, A. Engberding, M. & Rist, F. (2017). Prokrastination. Ein Manual zur Behandlung des pathologischen Aufschiebens. 2., akt. und erg. Aufl. Göttingen: Hogrefe. Knorr, D. (Hrsg.) (2016). Akademisches Schreiben. Vom Qualitätspakt Lehre 1 geförderte Schreibprojekte. Universitätskolleg-Schriften Bd. 13. Universität Hamburg. https://www.universitaets­kolleg. uni-hamburg.de/publikationen/uk-schriften-013.pdf [Zugriff am 6.12.2017] Kruse, O. (2007). Keine Angst vor dem leeren Blatt. Ohne Schreibblockaden durchs Studium. 12. überarb. Aufl. Frankfurt am Main u. a.: Campus Verlag. Kruse, O. & Chitez, M. (2012). Schreibkompetenz im Studium: Komponenten, Modelle und Assessment. In: Preußer, U., Sennewald, N. (Hrsg.). Literale Kompetenzentwicklung an der Hochschule. Frankfurt a. M.: Peter Lang. Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter (MGEPA) des Landes Nordrhein-Westfalen (2011). Berufe mit Zukunft. ­Düsseldorf. https://www.mhkbg.nrw/linearisiert/mediapool/pdf/ presse/pressemitteilungen/pm20111205/Brosch__re_Berufe_ mit_Zukunft.pdf; [Zugriff am 23.01.2018] Penthin, M., Fritzsche, E.S. & Kröner, S. (2017). Gründe für die Überschreitung der Regelstudienzeit aus Studierendensicht. Beiträge zur Hochschulforschung, 39 (2), 8 – 31. Pohl, T. (2009). Die studentische Hausarbeit: Rekonstruktion ihrer ideen- und institutionsgeschichtlichen Entstehung. Heidelberg: Synchron. Sennewald, N. & Mandalka, N. (2012). Akademisches Schreiben von Studierenden. Die Bielefelder Erhebung zur Selbsteinschätzung von Schreibkompetenzen. In: Preußer, U., Sennewald, N. (Hrsg.). Literale Kompetenzentwicklung an der Hochschule. Frankfurt a. M.: Peter Lang. Statistisches Bundesamt (2016). Hochschulen auf einen Blick. Ausgabe 2016. Wiesbaden. https://www.destatis.de/…/Hoch schulen/BroschuereHochschulenBlick0110010167004; [Zugriff am 12.02.2018] Swales, J. M. (2004). Research Genres: Explorations and Applications. Cambridge: Cambridge University Press.

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Christa Büker, Dr. PH Professorin für Pflegewissenschaft an der Fachhochschule Bielefeld

Irene Müller, Dr. phil. Professorin für Pflegewissenschaft an der Fachhochschule Bielefeld

christa.bueker@fh-bielefeld.de

irene.mueller@fh-bielefeld.de

Matthias Mertin, Dr. rer. medic. Professor für Pflegewissenschaft mit dem Anwendungsschwerpunkt Beratung an der Fachhochschule Bielefeld

Dominik Röding, Dr. rer. pol. Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Medizinischen Hochschule Hannover roeding.dominik@mh-hannover.de

matthias.mertin@fh-bielefeld.de

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Zum aktuellen Stand der Lehrer­ bildung im Hinblick auf die An­ forderungen im Pflegereformgesetz Durch die gestiegenen Anforderungen an das ­Pflegepersonal hinsichtlich neuer Qualifikationen, Komplexität in der Versorgung von Patienten und ein verändertes Arbeitsumfeld ist es notwendig, Konzepte zur beruflichen Bildung zu hinterfragen und zu überarbeiten (Bonse-Rohmann & Burchert, 2011, S. 5). Dadurch verändern sich auch die An­ forderungen an die in diesem Bereich tätigen Lehrkräfte. Dies verlangt von den Lehrenden eine hohe berufspraktische und fachtheoretische Expertise.

Die Lehrerbildung in der Pflege im Zeichen des Bologna-Prozesses Das zentrales Ziel des Bologna-Prozesses ist die Schaffung eines gemeinsamen europäischen Hochschulraumes. Zur wechselseitigen, internationalen Verständlichkeit und der quantitativ vergleichbaren Bewertung von Studienleistungen wurde u.a. das European Crédit Transfer System (ECTS) (Bischoff-Wanner & Reiber, 2008, S. 13). Durch die Einführung der gestuften Studiengänge mit Bachelor-Master-Unterscheidung wird eine Verkürzung ­ der Studienzeiten verfolgt, sowie berufsqualifizierende Abschlüsse, Vermittlung von Schlüsselkompetenzen und eine stärkere Interdisziplinarität und Internationalität gefördert (Bischoff-Wanner & Reiber, 2008, S. 13). Inwieweit diese Stufung für die Lehrerbildung sinnvoll erscheint, ist zweifelhaft. Mit der Beschränkung auf einen Bachelorabschluss ist zwar, laut der Bologna-Reform, eine Verkürzung der Studiendauer erreicht, aber eine Berufszulassung als Lehrkraft, vor allem an staatlichen Schulen, in den meisten Bundesländern ausgeschlossen bzw. mit Auflagen verbunden. Dadurch entstehen weitere Probleme für die Anerkennung von Qualifikationen der Lehrkräfte in den einzelnen Bundesländern. Es gibt einige Bundesländer, in denen bereits der Bachelorabschluss den Zugang zur Lehrtätigkeit an den Schulen des Gesundheitswesens ermöglicht und der Masterabschluss nicht zwingend für eine Lehr­tätigkeit er-

forderlich ist. Die Unterschiede entstanden durch rechtliche und politische Vorgaben in den betreffenden Bundesländern und sind ein Grundproblem der fehlenden Verankerung der Ausbildungen im öffentlich-rechtlichen Bildungssystem. Ein ausschließlicher Bachelorabschluss ist für die Lehrerausbildung laut der Bologna-Erklärung außerdem unüblich und mit den Intentionen der europäischen Studienreform nicht zu vereinbaren (Bischoff-Wanner, 2008, S. 3 5). Nun stellt sich die Frage, was z. B. ein Bachelor-­ Absolvent mit einem pädagogischen oder erziehungs­ wissenschaftlichen Abschluss unterrichten kann, wenn im Kern der Studienreform mit Einführung der gestuften Studienabschlüsse beide, also der Bachelor und der Master, berufsqualifizierend sein sollen. Aufgrund dessen müssen neue berufspädagogische Aufgabenfelder für die Bachelor­ absolventen definiert werden. Die Kultusministerien verlangen grundsätzlich einen Masterabschluss für eine Lehrtätigkeit. Im Bachelorstu­ diengang sollten bereits bildungswissenschaftliche und fachdidaktische Studienanteile integriert sein. Diese werden im Masterstudium weiter vertieft (Bonse-Rohmann & Burchert, 2011, S. 2 1). Bei Anerkennung des Master­ abschlusses legt der Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) vom 2. Juni 2005  fest, dass ein „integratives Studium an Universitäten oder gleichgestellten Hochschulen von zwei Fachwissenschaften und Bildungs­ wissenschaften in der Bachelorphase sowie in der Masterphase“ eine Voraussetzung für die Anerkennung des jeweiligen Abschlusses ist. Von Beginn an sollen zwei Fächer und Bildungswissenschaften studiert werden, die in der Masterphase eine Vertiefung erfahren. Somit entspricht diese Form einem konsekutiven Studiengang (Grund- und Aufbaustudium) (Bischoff-Wanner, 2007, S. 10). Hierbei ist die „zwei-Fächer“-Ausbildung kritisch zu hinterfragen. Die Lehr-/Lernforschung bzw. aktuelle berufliche Gesetzesgrundlagen (NotSanG, PflBRefG) favorisieren eine lernfeldorientierte Ausbildung mit dem Ziel, eine berufliche Handlungskompetenz zu ermög­lichen. Der Abschluss Master of Education ist den Universitäten vorbehalten und wird von der KMK anerkannt, während die Graduierung Master of Arts meist an Hochschulen vergeben wird. Zu deren Anerkennung ist es notwendig, dass die Hochschule eine Kooperation mit einer entsprechenden Universität eingeht. Als durchaus richtungsweisend

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Christian Frieß, Silvia Wobst und Sebastian Koch


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für die Lehrerausbildung sind die „Standards für Lehrer­ bildung: Erziehungswissenschaften“ als Beschluss der KMK von 2004 zu bewerten. In diesem heißt es, dass Lehrer Fachleute für das Unterrichten sind, sie ihre Erziehungsund Beurteilungsaufgaben gerecht und verantwortungs­ bewusst ausüben und ihre eigenen Kompetenzen ständig weiterentwickeln. Nicht ersichtlich ist, welche Kompetenzen dem jeweiligen Bachelor- und Masterstudiengang zugeordnet werden können. Der Beschluss der KMK möchte auch die berufliche Fort- und Weiterbildung der Lehrkräfte in die Standards mit einbeziehen, die allerdings in den Bundesländern unterschiedlich geregelt werden (BonseRohmann & Burchert, 2011, S. 23). Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) hat 2006 ebenfalls Empfehlungen zur Zukunft der allgemeinen Lehrer­ bildung ausgesprochen. Demnach soll die Lehrerbildung zu einem vollwertigen Master mit insgesamt 300 ECTS führen. Der Bereich Berufs- und Wirtschaftspädagogik, zu dem auch die Schulen der Gesundheitsfachberufe gehören, fordert ebenfalls 180 ECTS für den Bachelorabschluss und 120 ECTS für den Master­abschluss. Die Voraussetzung für die Verleihung des Bachelorgrades ist eine einschlägig abgeschlossene Ausbildung oder ein sechsmonatiges Betriebspraktikum. Der Masterabschluss wird dem 1. Staatsexamen gleichgesetzt. Dieser ist Voraussetzung zum zweijährigen Vorbereitungsdienst, der mit dem 2. Staatsexamen abschließt (Bischoff-Wanner, 2007, S. 11). Diesen Empfehlungen schloss sich 2004 auch die Sektion Berufs- und Wirtschaftspädagogik der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft an. Der deutsche Wissenschaftsrat sprach sich 2001 in der Lehrerausbildung für eine konsekutive Studiengangs-Struktur mit den Abschlüssen des Bachelors und Masters aus. Dabei sollen die Fachhochschulen mit ihren spezifischen und praxisorientierten ­wissenschaftlichen Ausbildungsangeboten an den Lehramtsstudiengängen mitbeteiligt werden. So können kooperative Modelle der Lehrerbildung entstehen, um die spezifischen Kompetenzen von Universität und Hochschule gewinnbringend zusammenzuführen (DarmannFinck & Ertl-Schmuck, 2008, S. 70).

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­ ltenpflegegesetz wird der Fokus auf die Erhaltung und A Wiederherstellung individueller Fähigkeiten im Rahmen geriatrischer Rehabilitationskonzepte gelegt. In der Regel findet die Ausbildung in Altenpflege- und geriatrischen Rehabilitationseinrichtungen oder der Altenhilfe statt. Die Altenpflegeschule trägt die Gesamtverantwortung für die Ausbildung und unterstützt mit Praxisbegleitungen die praktische Ausbildung. Des Weiteren ist zu gewährleisten, dass in den ausbildenden Einrichtungen eine Praxisanleitung durchgeführt wird. Die Qualifikationen des Lehrpersonals, das in der Ausbildung unterrichtet, sind im § 5 AltPflG geregelt. So muss die Schulleitung einer Altenpflegeschule zum einen hauptberuflich tätig sein und zum anderen eine pädagogische Fachkraft mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung im pflegerischen Bereich vorweisen. Diese Anforderungen können durch ein abgeschlossenes pflegepädagogisches Studium ergänzt werden. Auf die Qualifikationen der Lehrkräfte wird im Gesetz nicht konkret eingegangen. Die unspezifische und unterschiedlich ausgelegte Formulierung „pädagogisch …“ führt zu einem buntscheckigen Flickenteppich in der bundesweiten Anerkennung „pädagogisch qualifizierter Lehrkräfte“.

Die Gesundheits- und Krankenpflege Ausbildung bis 2020 „Der Beruf der Krankenpflege hat einen tiefgreifenden Wandel erfahren. Längst steht nicht mehr die Grundpflege, also die „klassischen“ pflegerischen Tätigkeiten wie z. B. Waschen, Lagern, Essen verabreichen etc., im Mittelpunkt, sondern eine differenzierte „Hochleistungspflege“ (Bienstein, 2015). In der Kurzbeschreibung der Agentur für Arbeit wird dies so skizziert: „Gesundheits- und Krankenpfleger / innen betreuen und versorgen kranke und pflegebedürftige Menschen, führen ärztlich veranlasste Maßnahmen durch, assistieren bei Untersuchungen und

Die Altenpflege Ausbildung bis 2020 Im Schuljahr 2015 / 2016 stieg die Zahl der Auszubildenden in der Altenpflege um 2,7 % auf über 68 000 an. Die steigenden Zahlen scheinen den Erfolg der durch das ­Ministerium veranlassten Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung des Berufs zu bestätigen. Dennoch besteht in der Altenpflege ein Fachkräftemangel, der sich durch den verändernden Versorgungsbedarf der Bewohner noch ­verstärken dürfte (BMFSFJ, 2016). Nach § 3 Altenpflegegesetz (AltPflG) soll die Ausbildung die zukünftigen Altenpfleger*innen befähigen, alte Menschen selbstständig und eigenverantwortlich zu begleiten und zu betreuen. Die Grundlage bilden aktuelle pflege­ wissenschaftliche und medizinische Erkenntnisse. Im PADUA (2019), 14 (1), 49–54

Abbildung 1. Qualifizierte Pflege fordert eine kompetenzorientierte Aus- und Weiterbildung. Fotos: SRH Hochschule für Gesundheit, Gera. ©2019 Hogrefe


Lehren und Lernen

Behandlungen und dokumentieren Patientendaten“ (Bundesagentur für Arbeit, 2017). Die Basis der Gesundheits- und Krankenpflege bildet das 2003 verabschiedete bzw. novellierte Gesetz über die Berufe in der Krankenpflege. Nach Abschluss der Ausbildung müssen die examinierten Pflegekräfte in der Lage sein, ein großes Aufgabenspektrum bewältigen zu können. Dazu gehört es, den individuellen Pflegebedarf des Patienten festzustellen, anhand dessen die Pflege zu planen, zu organisieren, durchzuführen und zu dokumentieren. Sind die geplanten Maßnahmen durchgeführt, so ist es zwingend nötig diese zu evaluieren, um die Qualität der durch­geführten Pflege sicher zu stellen. Die Beratung von Patienten und Angehörigen hat in den letzten Jahren immer mehr Gewicht bekommen. Die Pflegekräfte sollen die Patienten unterstützen, mit ihrer Krankheit bewusst umzugehen und Angehörige anlernen, die Pflege selbst durchzuführen (KrPflG, 2003, S. 5). Diese Bereiche müssen unter dem Gesichtspunkt der Pflegewissenschaft, den rechtlichen Rahmenbedingungen und den wirtschaftlichen- sowie ökologischen Prinzipien betrachtet werden (KrPflAPrV, 2003, S. 4 – 5). Die Pflege versucht sich von Strukturen der Fremdbestimmung und der dominierenden Medizin abzugrenzen. Dies erfordert eine fundierte wissenschaftliche Ausrichtung, eine Weiterentwicklung der Pflegeforschung im Sinne der Pflegewissenschaft und eine Weiterentwicklung der Bildung in der Pflege (Schädle-Deininger, 2015, S. 192). Die Pflege in der Bundesrepublik hat im internationalen Vergleich einen Sonderweg beschritten und unterscheidet sich hier deutlich von der in den Nachbarländern. Die Zugangsvoraussetzungen für die Gesundheits- und Krankenpflegeausbildung liegen in Deutschland im Sekundar­ bereich I und damit im Bereich einer zehn jährigen Schulbildung. Auszubildende in anderen europäischen Ländern müssen durchschnittlich 2 Jahre länger unterrichtet worden sein, bis sie eine Pflegeausbildung beginnen dürfen (Rixe, Löhr, & Schulz, 2017, S. 26). Um sich in Europa vergleichbar zu machen, wird ab 2020 die generalistische Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege ein-

Abbildung 2. Aus- und Fortbildung zum Lebens- und Erfahrungsraum werden lassen.

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geführt (PflBRefG, 2017, S. 50). In der Ausbildung unterrichtende Lehrkräfte müssen für den theoretischen und praktischen Unterricht, gemäß § 4, Abs. 3, fachlich und pädagogisch qualifiziert sein sowie über einen Hochschulabschluss verfügen (KrPflG, 2003, S. 6). Ein Schwachpunkt gerade dieses Paragraphen stellt die mangelnde Spezifität des Hochschulabschlusses dar. Hier wären eine genauere Formulierung und Eingrenzung, z. B. auf einen pädagogischen Hochschulabschluss, wünschenswert.

Die generalistische Ausbildung in der Pflege Aufgrund der demographischen Entwicklung, der Zunahme von chronischen Erkrankungen sowie der Zahl demenziell erkrankter Personen, aber auch einer gleichzeitigen Abnahme der Patienten-Verweildauer im Krankenhaus, kommt es zu einer Verdichtung und Anhäufung von komplexen Pflege- und Behandlungstätigkeiten im ambulanten Sektor (PflBRefG, 2017, S. 1). Zum einen ist mit diesem Gesetz die Möglichkeit einer stärkeren Abstufung von Qualifikationen, wie auch eine vertikale Durchlässigkeit, gegeben. Zum anderen wird dadurch die EU-Berufsanerkennungsrichtlinie 2013 / 55 / EU umgesetzt. Dies ermöglicht eine erhöhte Mobilität der Pflegekräfte innerhalb des Arbeitsraumes der europäischen Union, da der Berufsabschluss direkt anerkannt wird. Das entscheidendste Merkmal der generalistischen Ausbildung ist die Zusammenführung der drei Grundbe­rufe: Altenpflege, Gesundheits- und Krankenpflege und Gesundheits- und Kinderkrankenpflege (Wagner, 2014, S. 3). Nach Abschluss der Ausbildung können die Pflegekräfte grundsätzlich in allen Bereichen arbeiten. Die Ausbildung ist so strukturiert, dass in den ersten zwei Jahre eine gemeinsame „Grundausbildung“ absolviert wird. Im Anschluss besteht die Möglichkeit, sich entweder auf die Bereiche der Altenpflege oder der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege zu spezialisieren oder die Ausbildung im generalistischen Zweig fortzusetzen (Barley, 2017, S. 2). Mit der Einführung dieses Gesetzes ändert sich nach § 1 PflBRefG auch die Berufsbezeichnung von „Gesundheits- und Krankenpfleger*in“ zu „Pflegefachmann“ oder „Pflegefachfrau“. Wird eine Spezialisierung gewählt, schließt die Ausbildung nicht mit der Berufsbezeichnung Pflegefachmann bzw. Pflegefachfrau ab, sondern mit der ursprünglichen Bezeichnung „Altenpfleger*in“ bzw. „Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger*in“ (Ammende, 2018). Nach Artikel 15 Abs. 4 und 5 PflBRefG wird das bisher gültige KrPflG zum 31.12.2019 durch die neue gesetzliche Regelung ersetzt. Ab 2020 können die ersten Ausbildungsgänge im Rahmen der generalistischen Ausbildung beginnen (Barley, 2017, S. 2). Ein entscheidender und berufspolitisch sehr wichtiger Schritt ist, dass im Gesetz sog. „Vorbehaltene Tätigkeiten“ definiert sind, die ausschließlich durch die Pflegefachfrau bzw. den Pflegefachmann durchgeführt werden dürfen. Zu diesen, im § 4 PflBRefG aufgeführten Tätigkeiten, gehören

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„die Erhebung und Feststellung des individuellen Pflegebedarfs […]“, „die Organisation, Gestaltung und Steuerung des Pflegeprozesses […]“ und „die Analyse, Evaluation, Sicherung und Entwicklung der Qualität der Pflege […]“. Diese Kompetenzen sollen die Schüler*innen im Rahmen der Ausbildung erlangen und später selbständig durchführen können. Ein weiterer Schwerpunkt der in § 5 (Ausbildungsziel) verankert ist, ist die Einbeziehung von Angehörigen bzw. der sozialen Bezugsgruppe des Patienten. Im Vergleich zum KrPflG ist im PflBRefG ein besonderes Augenmerk auf die Erlangung von Lernkompetenzen, den Wissenstransfer, die Selbstreflexion und die Fähigkeit zum lebenslangen Lernen der Pflegekräfte gelegt worden. Des Weiteren wird durch dieses Gesetz die seit langem geforderte und notwendige Stärkung der Praxisanleitung in der praktischen Ausbildung umgesetzt. In § 6 PflBRefG ist die Praxisanleitung als „wesentlicher Bestandteil der praktischen Ausbildung“ aufgeführt. Der Gesetzgeber fordert ­einen Mindestumfang der Praxisanleitung von 10 %, der praktischen Ausbildungszeit pro Einsatz. Gemessen an der Dauer der Praxiseinsätze nach dem KrPflG, sind das 250 Stunden explizite Praxisanleitung. Die Mindestanforderungen an Pflegeschulen wurden genauer ausformuliert und sind im Vergleich zum KrPflG deutlich enger gefasst. So wird im § 9 (Mindestanforderungen an Pflegeschulen) von einer Schulleitung eine pädagogische Qualifikation und eine Hochschulausbildung auf Master-Niveau verlangt. Auch die Anforderungen an den eigentlichen Lehrkörper sind gestiegen. Lehrkräfte, die den theoretischen Unterricht durchführen, müssen über eine pflegepädagogische Hochschulausbildung auf Master-Niveau verfügen. Auch die Lehrkräfte im fachpraktischen Unterricht müssen über einen pflegepädagogischen Hochschulabschluss verfügen (PflBRefG, 2017, S. 96). Das Gesetz spricht nicht explizit von einer universitären Ausbildung. In Anbetracht dessen, dass die Lehrerbildung für allgemeinbildende Schulen an Universitäten angegliedert ist und pflege- wie medizinpädagogische Hochschulausbildung nur an Hochschulen durchgeführt wird, liegt in dieser Formulierung eine besondere Relevanz. Die Umsetzung der Forderung nach einer pädagogischen Ausbildung an Hochschulen für Lehrkräfte ist deshalb so wichtig, um den steigenden Anforderungen des Unterrichts und den pflegewissenschaftlichen Erkenntnissen gerecht zu werden. Das Umsetzen von Modernen Lehr- / Lernmethoden sowie der Einsatz von Fachdidaktiken mit dem Ziel, die Qualität in der Pflegeausbildung sicherzustellen, kann auf langfristige Sicht nur durch Lehrkräfte mit einer pädagogischen Hochschulausbildung auf Master Niveau gewährleistet werden (Igl, 2018, S. 117 – 119). „Die Vorgabe einer Hochschulausbildung für Schulleitungen und Lehrkräfte stellt keinen ungerechtfertigten Eingriff in die Berufsfreiheit dar. Nach Artikel 12 des Grundgesetzes sind Beschränkungen der Berufsfreiheit nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes möglich. Diese Voraussetzung wird durch das Pflegeberufegesetz erfüllt“ (Igl, 2018, S. 119). Des Weiteren ist das Verhältnis der Anzahl von hauptberuflichen Lehrkräften zu Schülern auf eine Quote von minPADUA (2019), 14 (1), 49–54

Lehren und Lernen

destens 1:20 festgelegt worden. Aufgrund der Anhebung der Anforderungen gegenüber dem Lehrpersonal, können die Landesregierungen Übergangsregelungen bis 2027 erlassen (PflBRefG, 2017, S. 96). Im KrPflG war die pflegerische Hochschulausbildung nur im Rahmen von Modellvorhaben möglich. Im Teil 3 ist erstmals die hochschulische Pflegeausbildung festgeschrieben und geregelt (PflBRefG, 2017, S. 2 8). Bis zum 31.12.2025 werden die Abschlüsse bzw. die Spezialisierung in der Ausbildung evaluiert. Haben mehr als 50 % die generalistische Ausbildung ohne Spezialisierung abgeschlossen, so werden die Ausbildungen der Altenpflege und Gesundheits- und Kinderkrankenpflege auslaufen. Über einen Wegfall dieser eigenständigen Berufe würde in diesem Fall der Gesetzgeber erneut entscheiden (Barley, 2017, S. 2). Ob sich in einem Jahr eine Spezialisierung mit der Erlangung von adäquaten Handlungskompetenzen, vor allem im Bereich der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege, im Vergleich mit der vorhergehenden Ausbildung erreichen lässt, bleibt abzuwarten.

Die Lehrerbildung in der Pflege in anderen Ländern Eine Intention des „Bologna-Prozesses“ ist es, die erhöhte Mobilität der Studierenden im europäischen und internationalen Hochschulraum zu gewährleisten (Bischoff-Wanner, 2008, S. 12 – 13). Die Globalisierung prägt neben dem produzierenden Wirtschaftsbereich auch die Dienstleistungsbranche und darin mehr und mehr die Pflege. Techniken, Studien, vor allem aber Pflegekräfte bewegen sich schon längst über nationale Wirtschaftsräume hinaus. So lohnt sich der Blick auf die Qualifikationen der Lehrkräfte in Großbritannien und den Vereinigten Staaten. Gerade diese Länder professionalisierten die Pflege früh und verorteten deren Ausbildung an Hochschulen.

Großbritannien Durch Florence Nightingale wurde am 4. Juni 1860 die erste Krankenpflegeschule gegründet. Sie professionalisierte als Erste die Pflege in Großbritannien revolutionär (Kolling, 2017). Die Pflegeausbildung in Großbritannien ist in drei Bereiche untergliedert, die alle an einer Hochschule bzw. Universität angegliedert sind. Der erste Abschluss ist der einer „Registered Nurse“. Absolventen verfügen über einen Bachelor of Nursing. In einem Aufbau-Studium kann der Master-Abschluss und damit die Bezeichnung „Nurse Practitioner“ erlangt werden. Dieser Abschluss eröffnet den Weg in eine Promotion mit dem Abschluss Philosophical Degree (PhD). Um in der Pflegeausbildung unterrichten zu dürfen ist eine Master-Qualifikation und ein „Post Graduate Teaching Certificate“, eine pädagogische Qualifikation, erforderlich. In Deutschland ist eine Tätigkeit in der Pflege keine formale Voraussetzung, um in der Lehre tätig zu wer©2019 Hogrefe


Lehren und Lernen

den. In Großbritannien dagegen muss der Lehrer als aktive Pflegekraft registriert und tätig sein (Filkins & Landenberger, 2005, S. 8 7 – 94).

Vereinigte Staaten von Amerika Bis 2020 werden in den Vereinigten Staaten ca. 80 % der Pflegekräfte einen akademischen Grad erlangt haben. In den USA kann zwischen drei Möglichkeiten der pflege­ rischen Ausbildung, der „Associate of Science in Nursing (ASc)“, dem „Diploma Nursing Program“ und dem „Bachelor of Science in Nursing (BScN)“ gewählt werden. Diese unterscheiden sich in der Dauer und dem zu erreichenden Abschluss. Sie sind alle generealistisch ausgelegt und gelten als „Registered Nurse“. Die Mindestvoraussetzung, um als Lehrer Pflegekräfte ausbilden zu dürfen, ist ein „Master of Science in Nursing“. Dadurch liegt die Akademisierung der Lehrer in der Pflege bei 100 %. Wie auch in Großbritannien müssen die Lehrkräfte über eine aktive Registrierung als „Nurse“ und eine Zertifizierung bei der National League for Nursing Accrediting Commission (NLNAC) oder der American Association of Colleges of Nursing (AACN) verfügen. Diese Organisationen überwachen die Qualifikationen der Lehrkräfte und prüfen deren Ausbildung (Koch, 2012).

Fazit Mit der Einführung des PflBRefG kommt es, zu einer Veränderung der Anforderung an das Lehrpersonal. Gerade in der Altenpflegeausbildung, in der früher eine pädagogische Qualifikation zum Unterrichten ausreichend war, wird dies besonders große Veränderungen nach sich ziehen. Auch wenn in der Krankenpflegeausbildung seit 2003 eine Hochschulausbildung für das Lehrpersonal gefordert wird ist fraglich, ob diese Anforderungen bis heute flächendeckend umgesetzt sind. Da es für die Qualifika­ tionen der Lehrkräfte in der Altenpflege und der Gesundheits- und Krankenpflege nur sehr wenig konkrete Daten in den Bundesländern gibt, wurden 2017 zwei Studien, in Brandenburg für die Altenpflegeausbildung und in Oberbayern für die Gesundheits- und Krankenpflege, durchgeführt. Diese hatten das Ziel sich mit der Fragstellung der Akademisierung bzw. der Qualifizierung des Lehrpersonals zu beschäftigen. Die Ergebnisse der Studien werden in der nächsten Ausgabe vorgestellt.

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©2019 Hogrefe PADUA (2019), 14 (1), 49–54


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Lehren und Lernen

Reiber, K. (2011). Pädagogin, Fachwissenschaftlerin oder Berufsexpertin – Leitbilder und Selbstverständnisse vom Professionellen Lehren in der Pflegeausbildung. PADUA, 6 (4), 26 – 28. Rixe, J., Löhr, M., & Schulz, M. (2017). Konsequenzen der Akademisierung in der Pflege. Monitor Pflege 1 (3), 26 – 29. Schädle-Deininger, H. (2015). Entwicklungen in der Pflegebildung – Einige unfrisierte Gedanken zur Pflegebildung in Deutschland. PADUA 10 (3), 192 – 196. Wagner, F. (2014). Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe. In C. Bienstein, F. Wagner, F. Weidner, G. Stöcker, S. Werner, B. Groß, ... C. Ott, (Hrsg.) Die Generalistische Ausbildung in der Pflege. ­Berlin: Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe. https://www. dbfk.de/media/docs/download/Allgemein/GeneralistischeAusbildung-in-der-Pflege_2014.pdf [Zugriff 23.12.2017]

Christian Frieß Lehrkraft an der Feuerwehrund Rettungsdienst Schule München/ Berufsfachschule für Notfallsanitäter­ Innen der Landeshauptstadt München

Silvia Wobst Krankenschwester und Medizin­ pädagogin (B.A.). Lehrkraft an der Altenpflegeschule der LWGA GmbH in Cottbus

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©2019 Hogrefe


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Ausbildungsanregungen Betreuung Sterbender in der stationären Versorgung Bereits während der ersten Arbeitseinsätze wird der überwiegende Teil der Pflegekräfte mit sterbenden Menschen konfrontiert. Auch bringt ein großer Teil der Auszubildenden bereits persönliche Vorerfah-

gen im persönlichen Lebensumfeld – verwendet werden. Der vorliegende Beitrag konzentriert sich nach einer allgemeinen Ergebnisvorstellung auf die ableitbaren Konsequenzen für die Aus- und Weiterbildung.

rungen mit, die in der inhaltlichen und curriculativen Ausgestaltung der Themen „Betreuung Sterbender“ und „palliative Pflege“ berücksichtigt werden sollten. Als eine Konsequenz aus einer empirischen Studie aus dem Jahr 2017 zeigte sich, dass die den Auszubildenden begleitende Funktion des Lehrers / Ausbilders gestärkt werden sollte.

Für ungefähr 1 Millionen Mitarbeiter*innen der Gesundheitsberufe in Deutschland gehört die Betreuung Sterbender zum beruflichen Tagesgeschehen. Die wenigen deutschsprachigen empirischen Studien, die es zu diesem Handlungsfeld gibt, begrenzen sich in aller Regel auf dezidiert „palliative Versorgungs- und Handlungsbereiche“, obwohl in diesen weniger als 20 % aller Sterbenden betreut werden. Auch gibt es keine evaluativen Studien zu den längerfristigen Effekten der in den Ausbildungen vermittelten Inhalte zur Betreuung schwerkranker und sterbender Menschen. Dies berechtigt die allgemeinere Frage nach den in dieser beruflichen Grenzsituation gesammelten biographischen Erfahrungen und im spezielleren, wie gut sich die betroffenen Helfer aufgrund ihrer Ausbildung vorbereitet sehen und welche Ausbildungsinhalte, auch rückblickend, als hilfreich bzw. fehlend bewertet werden. In unserer 2017 deutschlandweit, u. a. zu diesem Zweck, durchgeführten Studie konnten wir zeigen, dass Umfang und Qualität der Ausbildung von großer Bedeutung für die kurz- als auch längerfristige berufliche Entwicklung ist. Auch unterscheiden sich die Einschätzungen aufgrund unterschiedlicher Berufsausbildungen. Ferner konnten Hinweise dafür gefunden werden, dass es der gelungene Umgang mit den spezifischen Herausforderungen, die sich in der Betreuung Sterbender ergeben, ist, die zu einer „gelungenen“ berufsbiographischen Entwicklung führen und dass hierfür insbesondere der Einsatz persönlicher Ressourcen – wie etwa eigener Werthaltungen und Erfahrun-

Methode Verwendet wurde ein vor diesen Zielstellungen entwickelter Fragebogen, dessen 82 Items (davon 6 offene) acht Erfahrungsbereichen zuzuordnen sind: 1. Sozio-demographische Variablen 2. vorberufliche Erfahrungen im Elternhaus und Schule 3. Ausbildung und erste berufliche Erfahrungen 4. berufliche Prägungen 5. Belastungen 6. Entlastungen 7. Helfervoraussetzungen 8. Konsquenzen

Unabhängige bzw. soz.-dem. Variabeln

10 Items

Vorberufliche Erfahrungen

8 Items

Frühe berufliche Erfahrungen

15 Items (davon zwei offene)

Berufliche Gesamtfragebogen: 8 Bereiche 82 Items

Prägungen

8 Items (davon ein offenes)

Belastungen

14 Items (davon ein offenes)

Entlastungen

11 Items (davon ein offenes)

Helfervoraussetzungen

16 Items

Konsequenzen

10 Items (davon ein offenes)

Abbildung 1. Aufbau Messinstrument.

©2019 Hogrefe PADUA (2019), 14 (1), 55–60 https://doi.org/10.1024/1861-6186/a000474

Wissen und Forschen

Wolfgang M. George und Johannes Herrmann


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Wissen und Forschen

Tabelle 1. Studienstichprobe

Geschlecht, n = 496 Weiblich Männlich

n

Prozent (%) 367 121

74,0 24,4

Ergebnisse

Alter Durchschnitt: 44,7 Jahre

Vorberufliche Erfahrungen

Beruf Ärzte Krankenpflegekräfte Altenpflegekräfte Sozialarbeiter Seelsorger Management Ausbildung

56 237  86  29  17  21  33

11,3 52,2 17,3  5,8  3,4  4,2  6,7

Berufserfahrung Ausbildung Bis 2 Jahre 3 – 5 Jahre 6 – 10 Jahre Länger als 11 Jahre

33  18  34  64 325

06,7 03,6 06,9 12,9 65,5

Versorgungssektor Krankenhaus Pflegeheim Ambulante Versorgung

224  97 121

45,2 19,6 24,4

51 % der Befragten wurden durch die elterliche Erziehung mit dem Thema konfrontiert. Von diesen bewerten 75 % dies als eine gelungene Auseinandersetzung. Jeder dritte der Befragten (33 %) gibt an, dass „Tod und Sterben“ Gegenstand des Schulunterrichts war. (s. Abbildung 2 und 3) Von diesen bilanzieren 80 % dies als gute Hinführung. Als Jugendliche haben sich 36 % mit dem Thema befasst. Hierbei besitzen eigene Reflektionen (54 %) bzw. Gespräche innerhalb der Familie (45 %) eine bedeutsamere Rolle als etwa Filme oder Bücher (33 %). Das durchschnittliche Lebensalter, in dem im familiären Umfeld ein Todesereig-

100

Art der Station / VersorgungsBereich (Wenn KH, N = 224) Onkologische Station Palliativbereich Intensivstation Allgemeinstation

31  34  71  50

13,8 15,2 31,7 22,3

Träger der Einrichtung Frei-Gemeinnützig Privater Träger Öffentlicher Träger

136 135 182

30,0 29,8 40,2

80

Prozent

Variablen

weit sinnvoll, ein fünfstufiges Likert-Antwortformat. Die Datenanalyse wurde mit IBM SPSS ­Statistics, Version 24, durchgeführt.

60

40

20

0

PADUA (2019), 14 (1), 55–60

Kann mich nicht erinnern

Keine Ja, dieser Gegenstand Auseinandersetzung war ein Thema

Wurden Sie durch ihre elterliche Erziehung bereits in Ihrer Kindheit mit dem Thema „Tod und Sterben“ konfrontiert?

Abbildung 2. Erfahrung Elternhaus.

100

80

Prozent

Der Erfahrungsbereich Konsequenzen wurde derart erfasst, dass die Fähigkeiten des „idealen“ Mitarbeiters ermittelt wurden (a), ob persönliche Angehörige im eigenen Arbeitsbereich versterben könnten (b), ob Mitarbeiter, die in der Betreuung Sterbender arbeiten, Schaden (Zynismus, Burn-out etc.) nehmen (c) und ob sich die Befragten – aufgrund der beruflichen Erfahrungen – gut auf ihr eigenes Sterben vorbereitet sehen. Die Stichprobe setzt sich transsektoral (ambulant / stationär), interdisziplinär (Krankenpflege-, Altenpflegepersonal, Ärzte und Therapeuten) und krankenhausbereichsselektiv (Allgemein-, Onkologie-, Intensiv- und Palliativstation) zusammen und wurde deutschlandweit geschichtet im Zeitraum vom 15.1.2017 bis 30.6.2017 erhoben. Die notwendige Ansprache wurde über Fachgesellschaften, Direktansprache und Aufrufe in Fachmedien geführt. In die Auswertung gelangten 496 Personen aus 383 Einrichtungen. Die Art der Stichprobengewinnung, insbesondere die Selbstrekrutierung der Teilnehmer, entspricht dem explorativen, nicht konfirmatorischen Charakter der Untersuchung. Die verwendeten Items nutzten, so-

60

40

20

0

Kann mich nicht erinnern

Keine Ja, dieser Gegenstand Auseinandersetzung war ein Thema

Wurde in Ihrer Schule das Thema „Tod und Sterben“ alters- bzw. fachgebunden (z.B. Religion, Ethik, Biologie) behandelt?

Abbildung 3. Erfahrung Schule. ©2019 Hogrefe


Wissen und Forschen

nis stattfand, liegt bei 13 Jahren. Rückblickend bewerten diese Erfahrung 50 % als ausgesprochen schwierig bzw. schwierig. 25 % können diese Erfahrung rückblickend als hilfreich und gewinnbringend bewerten.

57

Tabelle 2. War das in der Ausbildung vermittelte hilfreich? Häufigkeit

Prozent

1 sehr hilfreich

60

12,1

2 eher hilfreich

104

21,0

3 teils / teils

165

33,3

4 eher nicht hilfreich

98

19,8

5 gar nicht hilfreich

36

7,3

Gesamt

463

93,3

Fehlend

33

6,7

Gesamt

496

100,0

Gültig

Ausbildung und erste berufliche Erfahrungen

Prozent

60

40

20

0

Zu Beginn der Ausbildung

ca. in der Hälfte der Zeit

Gegen Ende

Mehrfach

Wann wurde die Betreuung und Arbeit mit sterbenden Menschen im Rahmen Ihrer Ausbildung behandelt?

Abbildung 4. Zeitpunkt der Themenvermittlung.

80

Prozent

60

40

20

Eigene Emotionen besser

steuern zu können

Umgang mit den

Angehörigen

0

Umgang mit den

Ängsten des Patienten

Elemente des Arbeitsklimas werden als besonders bedeutsam beschrieben: Schlechte Teamstimmung (81 %), permanenter Zeitdruck (79 %) oder Ärger mit den Vorgesetzten (65 %). Aber auch solche aus dem eigenen Umfeld wie eigene Unzufriedenheit (65 %), die fehlende Möglichkeit, zu Hause abzuschalten (62 %) oder eigene Erkrankungen (55 %). Die Interaktionen mit den Angehörigen (36 %), ein überraschender Tod (51 %) als auch ein medizinisches Problem nicht in den Griff zu bekommen (62 %), besitzen ebenfalls eine relativ große Bedeutung. Den Umgang mit dem Verstorbenen beschreiben nur wenige als belastend

80

Kontrolle der Symptome

Belastungen

100

Gesprächstraining

Das in der Ausbildung vermittelte Rüstzeug bewerten 27 % als nicht hinreichend, 12 % als sehr hilfreich und 21 % als hilfreich (s. Tabelle 2). Zu welchem Zeitpunkt die Betreuung und Arbeit mit sterbenden Menschen im Rahmen der Ausbildung behandelt wurde, ist in Abbildung 4 zu sehen. Als hilfreiche Ausbildungsinhalte werden bewertet: Gesprächstraining (26 %), Symptomkontrolle (35 %), Umgang mit eigenen Emotionen (38 %), Umgang mit Angehörigen (41 %) und Umgang mit den Ängsten des Patienten (53 %) (vgl. Abbildung 5). Über die Hälfte (55 %) der Befragten geben an, dass es insbesondere das Gesprächstraining sei, das gefehlt habe. 58 % geben an, bereits in den ersten Tagen (23 %) bzw. Wochen (35 %) mit Sterbenden konfrontiert worden zu sein. Diese ersten frühen Erfahrungen konnten 24 % nur sehr schwer bewältigen, 52 % nehmen eine gelungene Auseinandersetzung für sich in Anspruch. Die Aussage, dass diese ersten beruflichen Erfahrungen eine prägende Wirkung für das Kommende besessen haben, bestätigen 69 % der Befragten. Eine Aussprache zu diesen Erfahrungen hierzu findet vor allem innerhalb des Stationsteams (63 %) sowie des Freundes- und Familienkreises (50 %) statt. Vorgesetzte (11 %) oder etwa die Ausbilder (11 %) besitzen hier eine deutlich geringere Bedeutung. Es sind die Erfahrungen der täglichen Arbeit mit Sterbenden (85 %) und deren Familien (76 %), welche die Befragten als wichtigste, prägende Einflussgrößen beruflicher Identitätsbildung benennen. Demgegenüber tritt die Bedeutung des modellhaft arbeitenden Kollegen (44 %) und auch der Fort- und Weiterbildung (62 %) zurück. Dass auch außerberufliche Erfahrungen eine hervorragende Bedeutung besitzen, geben 51 % an. 96 TN beantworten das offene Item, wobei über 80 % über außerberufliche Erfahrungen berichten.

Abbildung 5. Ausbildung: Hilfreiche Elemente.

(9 %). Als größte Belastung zeigt sich ein junges Lebensalter des Patienten (85 %). 158 TN nehmen das offene Item, in dem ergänzende Angaben zu Belastungen gemacht werden konnten, z. T. umfassend in Anspruch. Die Formulierungen streuen breit über Aspekte des Arbeitsklimas (a), unzureichender fachlicher und mensch­licher Kompeten-

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Wissen und Forschen

80

100 80 Prozent

Prozent

60

40

60 40 20

20

Psychische (98 %) und physische Gesundheit (76 %) werden als von größter Bedeutung benannt. Eigene Fehler zu erkennen und zu überwinden (95 %), sich auf Sterbende einlassen zu können (96 %), in einem kollegialen Team zu arbeiten (95 %) werden als wichtig erfasst. Demgegenüber tritt die Bedeutung der (gesellschaftlichen) Anerkennung in der Wichtigkeit zurück (57 %). PADUA (2019), 14 (1), 55–60

Berufsausbildung

Abbildung 7. Mit wem wird gesprochen.

Konsequenzen Dass ein eigener Angehöriger in der Einrichtung verstirbt, können sich 34 % gut vorstellen. Für 26 % gilt dies nicht. 50 % können sich dies – wenn auch mit z. T. deutlichen Einschränkungen – vorstellen. 66 % sehen sich aufgrund ihrer Erfahrungen besser auf das eigene Sterben vorbereitet, 13 % glauben dies nicht. 21 % sind unentschlossen. Ob die beruflichen Erfahrungen der Sterbebegleitung zu persönlicher Schädigung der Mitarbeiter führt, weisen 29 % zurück (nein = 10 %, eher nein = 19 %), dass dies der Fall sei, geben 26 % (ja = 12 % eher ja = 14 %) an. 45 % sehen eine „teilweise“ Gefährdung. Für das eigene Sterben in einer stationären Einrichtung wünschen sich die Mitarbeiter eine gute medizinische Betreuung (92 %), Pflege (97 %), dass letzte Dinge geklärt werden können (91 %) und eine gelungene Angehörigenintegration (92 %).

Berufsausbildung

50

examinierte/r Krankenpfleger/in Arzt/Ärtzin Sozialarbeit, Seelsorge, Psychologie, Therapie examinierte/r Altenpfleger/in Administration

40

Prozent

Mitarbeitervoraussetzungen

Administration

Aktivitäten des normalen Lebens werden von 66 % als hilfreich beschrieben, das Lesen von Büchern (39 %), das Hören von Musik (54 %) und Sporttreiben (61 %) unterstreichen die Funktion von Ablenkungen. Wichtiger sind die sozialen Interaktionen mit den Betroffenen am Arbeitsplatz. 82 % benennen die entlastende Funktion des kollegialen Gesprächs, 53 % desjenigen mit Patienten und Angehörigen (44 %). Es sind die persönlichen Werte (92 %), die den Mitarbeitern am ehesten Hilfestellung geben. Eine eigene religiös-ethische Verwurzelung wird von 56 %, die gedankliche Auseinandersetzung von 77 % als wichtige Entlastung benannt. 154 TN nehmen das ergänzende offene Item z. T. umfassend in Anspruch. Die Formulierungen streuen über oben benannte Strategien und Aktivitäten hinaus und benennen folgende Aspekte: Natur- und Tiererlebnis (a), familiäre und soziale Bindungen (b), Wissen um eigene Endlichkeit (c), Hobbies (d), Abstand und Regeneration (e).

examinierte/r Altenpfleger/in

Entlastungen

Sozialarbeit, Seelsorge, Psychologie, Therapie

zen (b), gesellschaftlicher Defizite (c), dem handlungssteuernden ökonomischen Primat (d) oder den psychosozialen und administrativen Schwierigkeiten (e). Dabei lassen sich über 80 % der offenen Antworten auf deren appellativen, auf offensichtlich bekannte Versäumnisse verweisende Aussagen, zusammenführen.

Arzt/Ärtzin

Eigene Emotionen besser

steuern zu können

Umgang mit den

Angehörigen

Umgang mit den

Ängsten des Patienten

Kontrolle der Symptome

Gesprächstraining

Abbildung 6. Ausbildung: Fehlende Elemente.

examinierte/r Krankenpfleger/in

0

0

Mit Teamkollegen Mit anderen Auszubildenden Mit Vorgesetzen Mit den Ausbildern Mit Verwandten

oder Freunden

30

20

10

0

Zu Beginn der ca. in der Hälfte Gegen Ende Ausbildung der Zeit

Mehrfach

Wann wurde die Betreuung und Arbeit mit sterbenden Menschen im Rahmen Ihrer Ausbildung behandelt?

Abbildung 8. Berufsgruppenvergleich: Zeitpunkt der Themen­ vermittlung. ©2019 Hogrefe


Wissen und Forschen

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Berufsgruppenvergleiche

%

%

%

%

%

%

%

In Abhängigkeit der Berufszugehörigkeit kommt es zu unterschiedlichen Bereitschaften bzw. Möglichkeiten der Aussprache über die Erfahrungen. Die Einbindung der Ausbilder ist durchweg sehr gering. Am höchsten ist diese bei den Sozialarbeitern / Seelsorgern (20 %) ausgeprägt, am geringsten fällt diese bei den Ärzten (4 %) aus. Bei ­Auszubildenden der Pflege sind es 12 %. Mit wem ersten Erfahrungen besprochen wurden zeigt Abbildung 7, der Berufsgruppenvergleich, wann die Betreuung und Arbeit mit sterbenden Menschen im Rahmen der Ausbildung ­behandelt wurde, wird in Abbildung 8 aufgezeigt. Die erste Sterbesituation in der Praxis für sich zu bewältigen gelang Krankenpflegepersonal, Ärzten und Sozial­ arbeitern / Therapeuten weniger gut als dies für die Altenpflegekräfte der Fall ist. Dass die ersten beruflichen Erfahrungen besonders prägend sind, akzentuieren die Altenpflegekräfte stärker als Sozialarbeiter, Krankenpflegekräfte und Ärzte. Am wenigsten hilfreich beschreiben ihre über die berufliche Ausbildung vermittelte Kompetenz zur Betreuung Sterbender die Ärzte, gefolgt von den Krankenpflegekräften, den Sozialarbeitern und Therapeuten und den Altenpflegekräften. Fort- und Weiterbildungen zum Umgang mit Sterbenden sprechen Ärzte deutlich weniger Bedeutung zu als es die Pflegekräfte, die Sozialarbeiter / Therapeuten oder die Altenpflegekräfte vornehmen. Insbesondere deren Praxistransfer zweifeln die Ärzte im Vergleich zu den anderen Berufsgruppen stärker an. Welche Einflussfaktoren für die berufliche Identitätsbildung im Umgang mit Sterbenden bzw. dem Thema Tod und Sterben prägend sind, zeigt Abbildung 9. Außerberufliche Erfahrungen besitzen bei den Sozial­ arbeitern / Therapeuten die größte Bedeutung, es folgen

Erfahrungen in der täglichen Arbeit mit dem Sterbenden Erfahrungen in der täglichen Arbeit mit Angehörigen und Freunden des Sterbenden Wissen, das ich in Fort- und Weiterbildungen erwerben konnte Verhaltensmöglichkeiten, die ich in Fort- und Weiterbildung erlernen konnte Modellhaft arbeitende Kollegen/innen Abschreckende Beispiele der Betreuung Sterbender Außerberufliche Erfahrungen

trifft gar nicht zu

trifft eher nicht zu

teils / teils

trifft überwiegend zu

trifft voll zu

80 40 0 80 40 0 80 40 0 80 40 0 80 40 0 80 40 0 80 40 0

Abbildung 9. Prägende Faktoren.

Pflegekräfte, Altenpflegekräfte und die Ärzte. Eine unzureichende materielle Entlohnung für ihren Einsatz wird von Altenpflegekräften, Pflegekräften und Sozialarbeitern / Therapeuten als deutlich belastender beschrieben als das bei Ärzten der Fall ist. Ähnlich ist die Situation, inwieweit ein permanenter Zeit- und Arbeitsdruck die Betreuungsqualität beeinträchtigt: Am höchsten ist die sich ergebende Belastung für Altenpflegekräfte, gefolgt von Pflegekräften, Sozialarbeitern / Therapeuten und Ärzten. Ein medizinisches Behandlungsproblem nicht in den Griff zu bekommen wiegt für die Altenpflege- und Pflegekräfte mehr als für Sozialarbeiter / Therapeuten und Ärzte. Um mit den Belastungen klar zukommen besitzen die eigenen Werte für Ärzte eine etwas geringere Bedeutung als für als für Alten-, Pflegekräfte und Sozialarbeiter / Therapeuten. Die Bedeutung von physischer Gesundheit betonen Alten- und Pflegekräfte akzentuierter als dies die Sozialarbeiter / Therapeuten und Ärzte angeben. Es sind die Altenpflegekräfte, gefolgt von den Pflegekräften, Ärzten und Sozialarbeitern, die sich am wenigsten vorstellen können, einen Familienangehörigen in der „eigenen Einrichtung“ zum Sterben zu wissen. Durch ihre Erfahrung in der Betreuung Sterbender sehen sich Sozialarbeiter / Therapeuten und Krankenpflegekräfte besser auf das eigene Sterben vorbereitet als Altenpflegekräfte und Ärzte. Umfassende Zuwendung für das eigene Sterben wünschen sich die Ärzte weniger stark als Sozialarbeiter / Therapeuten und Krankenpflege- bzw. Altenpflegekräfte.

Interpretation und Empfehlungen in Bezug auf die Ausbildung Nur die Hälfte der Befragten geben an, dass über das Thema „Tod und Sterben“ im Elternhaus eine Auseinandersetzung stattgefunden hat und nur jeder 3. der Befragten erinnert sich daran, dass in der Schule das Thema „Tod und Sterben“ behandelt wurde. Dort fehlt leider bis heute jegliches thanatologisches Konzept. Die erste Konfrontation mit einem Verstorbenen findet im Durchschnitt mit 13 Jahren statt, also vor dem Erwachsenenalter. Über die Hälfte bewertet diese Erfahrung rückblickend als belastend. Insgesamt weisen die Befunde der vorberuflichen Sozialisation und Erfahrungen darauf hin, dass diese eine, wenn auch nur geringe Auswirkung auf die spätere berufliche Praxis der Sterbebetreuung besitzen. Ganz wie es die Ergebnisse zeigen, werden in nahezu allen eingesehenen Ausbildungscurricula, etwa auch der Pflege- und Altenpflege, die unterschiedlichen Kompetenzen zur Pflege und Begleitung Sterbender in der zweiten Ausbildungshälfte, häufig erst im 3. Jahr, vermittelt. Dies ist verständlich, ist doch dann die fachliche Kenntnis und erworbene psycho-soziale Fähigkeit am umfassendsten. Zugleich konnte gezeigt werden, dass in der Regel bereits in den ersten praktischen Einsätzen die Auszubildenden mit sterbenden Patienten bzw. Bewohnern konfrontiert

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werden. Diesem Dilemma kann dadurch begegnet werden, dass die Auszubildenden bereits vor Ihrem ersten Einsatz bestmöglich vorbereitet werden. Auch eine gezielte Einbindung der Praxisanleiterinnen auf den Stationen in die Ausbildung an den Fachschulen, sollte durchgeführt werden. Zugleich kann auch geprüft werden, von welchen Wohnbereichen und Stationen in der ersten Ausbildungshälfte abgesehen werden sollte. Legitimiert wird solch ein Vorgehen auch durch den Studienbefund, dass ein erheblicher Teil der Auszubildenden bereits vor der Ausbildung eine als schwierig empfundene, persönliche Erfahrung machen musste, wie dann etwa in einer ontologischen Konfrontation anlässlich der Ausbildung deutlich werden kann. Dann eigentlich verspätet. Dies zu wissen sollte hilfreich für die Aus­bilder sein, die den Gegenstand vermitteln. Für die Ausbilder – etwa die Kursleitung – kann es insgesamt nicht zufriedenstellend sein, wenn sie / er – etwa im Unterrichtsfach – nur im absoluten Ausnahmefall (weniger als 5 %), als Ansprechpartner für die ersten gesammelten Erfahrungen eingebunden wird. Bestmöglich aufgelöst werden kann diese Situation nur dadurch, dass aktive und kontinuierliche Aussprache des Themenkreises durch die Lehrenden, insbesondere während und nach den ersten berufspraktischen Einsätzen, gesucht wird. Dass positive Erfahrungen wichtig für eine gelungene Bewältigung und damit einhergehendes berufliches Selbstverständnis sind, konnte aufgezeigt werden und wird zusätzlich durch zahlreiche Aussagen der Befragten in dem hierfür formulierten offenen Item unterstrichen. Kommunikationsfähigkeit, die nicht zuletzt durch Gesprächstraining vermittelt und erworben werden kann, wird als wesentliche Mitarbeiterkompetenz durch die Helfenden benannt, zugleich ist klar, dass allein die (Ausbildenden-) Gruppengröße hier sehr begrenzte Durchführungsmöglichkeiten zulässt. Es überrascht also kaum, wenn hier Defizite durch die Befragten beschrieben werden. Es müssen also alle Möglichkeiten, in denen Gesprächstrainings durchgeführt werden, in deren Transfer auch für die Betreuungssituation Sterbender genutzt werden. Hier ist etwa an die Gespräche und Interaktionen mit den Angehörigen zu denken, deren Gelingen von großer Bedeutung für die Pflegenden ist. Es sind die Ärzte, welche die größten Defizite der Ausbildung beschreiben und die sich in den ersten beruflichen Konfrontationen am wenigsten auf diese vorbereitet beschreiben. Es bleibt zu hoffen, dass die in Deutschland seit 2009 existierende Veränderung der Approbationsordnung mittelfristig den jungen Medizinern bessere Möglichkeiten sichert. Interessant ist, dass die Grenzen von durch Weiterbildung vermittelten Kompetenzen von den Medizinern am stärksten relativiert werden, dies setzt sich auch dahingehend fort, dass außerberufliche Lebenserfahrungen als weniger be-

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deutsam bewertet werden. So bleibt zu hoffen, dass der Ausbildungsgegenstand „Betreuung Sterbender“ auch in der intensivmedizinischen Grundausbildung – bereits während des Studiums – als wichtiger Inhalt behandelt wird.

Literatur George, W. (2014). Sterben im Krankenhaus unter besonderer Berücksichtigung der Ausbildung beruflicher Helfer, PADUA 9 (4) 232 – 236. George, W., Dommer, E & Szymczak V (2013). Sterben im Krankenhaus, Gießen: Psychosozial-Verlag. George, W. (2007). MIA Multidimensionales Inventar zur Integra­ tion von Angehörigen (und Patienten) in den Behandlungs­ prozess, Harcourt-Test-Services. George, W. (2006). Patientenintegration. München: Reinhardt-­ Verlag. George, W., George, U. (2005). Angehörigenintegration in der Pflege. München: Reinhardt-Verlag. George, W., Beckmann, D. & Vaitl, D. (1990). Aktuelle empirische Daten zur Sterbesituation im Krankenhaus. Medizinische Welt 41 (8), 103 – 106. McKeown, K. et al. (2008). Dying in hospital in Ireland: an assessment of the quality of care in the last week of life. National audit of end-of-life care in hospitals in Ireland. Statistisches Bundesamt (2011): Gesundheit. Diagnosedaten der Patienten und Patientinnen in Krankenhäusern. Fachserie 12 Reihe 6.2.1. Wiesbaden: Statistisches Bundesamt. Weitere Literatur kann unter george@transmit.de angefragt werden.

Prof. Dr. Wolfgang Michael George Diplompsychologe und Kranken­ pfleger, verantwortet den TransMITProjektbereich für Versorgungs­ forschung. Arbeitsschwerpunkte: Integration der Patienten und Angehörigen in den Versorgungsprozess und regionale Gesundheitsversorgungskonzepte. Initiator der „Gießener-Studien“ zu den stationären Sterbebedingungen in Deutschland w.george@andramedos-net.de

Dr. Johannes Herrmann Sozialwissenschaftler, arbeitet freiberuflich als Statistikberater

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Vorbilder in der Pflege: Eine monokulturelle Angelegenheit? Auf dem Weg zur beruflichen Sozialisierung spielen Vorbilder eine wichtige Rolle. Sie vermitteln Halt und Orientierung. In einem Workshop haben sich Lehrpersonen aus verschiedenen europäischen Ländern mit der Vorbildfunktion auseinandergesetzt. Vorbilder sind Menschen, mit denen wir uns identifizie­ ren. Sie haben Qualitäten, die wir auch vorweisen möch­ ten und sind in Positionen, die wir erstrebenswert finden (Paice, et al. 2002). Vorbilder beeinflussen das Verhal­ ten, indem sie zum Beispiel die im Pflegeberuf erwarte­ ten praktischen beruflichen oder persönlichen Merk­ male veranschaulichen. Diese Merkmale können dann von anderen übernommen werden (Felstead & ­Springett, 2016). Ein berufliches Vorbild zu haben gibt Halt und Orientierung. Für den wichtigen Prozess der Sozialisierung und den Aufbau der Berufsidentität in der Pflege ist die Rollen­ modellierung mit Begleitung von Vorbildern essentiell (­Webster et al., 2016). Wir lernen die Normen, Werte, Ver­ haltensweisen, Einstellungen und die Kultur der Profes­ sion kennen und bekommen diese durch bestimmte Vor­ bilder vorgelebt (Marañón & Pera, 2015). Allerdings ist es unmöglich, zu verordnen, wer ein Vor­ bild ist – wir wählen unsere Vorbilder stets selbst. Viele positive Attribute der Vorbilder repräsentieren Verhaltens­ weisen, die modifiziert werden können oder Fähigkeiten, die es zu erwerben gilt (Wright & Carrese, 2002). Nun stellt sich die Frage, welche Merkmale entscheidend sind, um im Hinblick auf die Rollenübernahme ein Vorbild zu sein. Und vor allem: Können diese Merkmale gelernt und geübt werden? Mit diesen und weiteren Fragen bezüglich des Phäno­ mens Vorbild hat sich eine Gruppe von Pflegefachperso­ nen im Rahmen der Veranstaltung „International Days“, die im Frühjahr 2017 am Berner Bildungszentrum Pflege (BZ Pflege) stattgefunden hat, auseinandergesetzt.

Vorgehen Im Rahmen eines internationalen Workshops haben sich Pflegefachpersonen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz mit dem Thema Vorbild beschäftigt. Ein Gross­ teil der Teilnehmenden arbeitet als Berufsschullehrer

oder -lehrerin an verschiedenen Pflegeschulen in den ­erwähnten Ländern. Zwei weitere Teilnehmende sind in der Pflegepraxis tätig. Ziel des Workshops war die Aus­ einandersetzung mit dem Thema Vorbild und dessen Bedeutung für die Pflege, allerdings wurde der Fokus bewusst erweitert. Es ging grundlegend um die Frage, was Vorbilder für Menschen im Kontext ihrer Biografie oder Migrationsgeschichte bedeuten. Nachdem sich die Workshop-Teilnehmenden anhand einer Selbstreflexion mit ihren eigenen Vorstellungen von Vorbildern beschäf­ tigt hatten, wurden die Erkenntnisse in Kleingruppen dis­ kutiert und mit der vorhandenen Literatur in Verbindung gebracht. Die Resultate dieser Diskussionen lieferten die Grund­ lage zur Entwicklung eines halbstrukturierten Fragebo­ gens (Tabelle 1), der für die nachfolgenden Fokus-Inter­ views genutzt werden konnte. Da der Campus des BZ Pflege in Bern von einer kulturellen Vielfalt umgeben ist – es gibt Restaurants, Geschäfte, Treffpunkte – wurde diese Umgebung genutzt, um Personen aus verschiedenen Kul­ turkreisen in den Workshop einzubeziehen. Sieben Perso­ nen aus den Ländern Libanon, Kosovo, Syrien, China und der Schweiz, erklärten sich bereit, ein Interview zum The­ ma Vorbild zu geben.

Auswertung der Interviews Die Interviews ergaben, dass der Begriff Vorbild meist positiv besetzt ist. Man stellt sich darunter Personen vor, die etwas widerspiegeln, das man auch sein möchte. Aus dem Genderaspekt lässt sich keine Bevorzugung ablei­ ten. Das heisst, bei manchen Befragten ist das Vorbild der grosse Bruder oder die Lehrerin, bei anderen ist es ein Sportler oder die Mutter. Durch die Beschreibung wird klar, dass die Vorbilder aufgrund der Art und Weise, wie sie Dinge vorleben, eine gewisse Macht ausüben. Auf die Frage, ob es Menschen in ihrem Leben gibt, die sie beeindrucken, nannten die Befragten meist Personen aus dem familiären, schulischen und sportlichen Um­ feld. Es gab aber auch generalistische Aussagen, wie zum Beispiel: „Vorbilder sind nicht bestimmte Personen, sondern Menschen, die auf eigenen Füssen stehen, authentisch sind, Engagement zeigen und eine Sache mit Herzblut machen.“ Nr. 1. Wirklich grosse Vorbilder weisen folgende Merkmale auf: Sie leben Werte vor, setzen auf verlässliche ­Beziehungen

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Wissen und Forschen

Claudia Schlegel, Martin Siefers, Marion Engels, Ingeborg Beatty und Sinisa Delic


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Wissen und Forschen

Tabelle 1. Halbstrukturierter Fragebogen, entwickelt durch die Teilnehmenden des Workshops Hauptfrage

Zusatzfragen

Klärende Fragen

Was verbinden Sie mit dem Begriff Vorbild?

a) Welche „Merkmale“ sind für Sie dabei wichtig? b) Welche „Merkmale“ sollten nicht ­vorkommen?

Gibt es eine spezielle Situation, die Ihnen in den Sinn kommt?

Gibt es Menschen in Ihrem Leben, die Sie ­beeindruckt haben?

Was war speziell an diesen Menschen?

Was haben diese Menschen bei Ihnen ­bewirkt?

Haben diese Erfahrungen heute noch E ­ influss auf Sie?

Sehen Sie sich als Vorbild?

Wenn ja, privat oder beruflich?

Welche (Vorbild-)Situationen haben Sie ­geprägt oder beeinflusst?

Haben diese Situationen eine Auswirkung auf Ihr Leben?

Welche Menschen haben Sie in den ­Situationen geprägt?

Warum wurden diese Personen bedeutsam für Sie?

und halten sich an klare Regeln, wie folgende Aussagen belegen: „Es ist wichtig, die Kultur besser kennenzulernen. Ein Vorbild muss ehrlich und direkt sein und eine gewisse ­Linie / Haltung vorleben.“ Nr. 2. „Offen sein für andere Menschen … Interesse an Menschen haben wollen. Soziales Engagement zeigen.“ Nr. 3. „Etwas weitergeben können … authentisch und professionell sein, unabhängig vom gesellschaftlichen Stand. Es ist wichtig, eine gewisse Haltung einzunehmen und nicht überheblich zu sein.“ Nr. 4. Selbst Vorbild zu sein, heisst Verantwortung zu überneh­ men, Charakterstärke zu zeigen, Wissen weiterzugeben. „Ich hoffe, als Chefin ein Vorbild zu sein, im Sinne von Frontfrau sein. Ich habe festgestellt, dass die Auszubildenden Handlungswissen übernehmen.“ Nr. 5. Offenheit, Authentizität, Interesse am anderen, eine klare Linie vorleben und vertreten werden als wichtige Charakteristika eines Vorbildes genannt.

Vorbilder in der Krankenpflege In der Krankenpflege werden jene Frauen als große Vorbil­ der beschrieben, die eine prägende Rolle hatten. FrankeHandrich (1998) nannte in ihrem Artikel über die Ge­ schichte der Krankenpflege solche Vorbilder als „weise Frauen“. Florence Nightingale, Amalie Sieveking und an­ dere Frauen mit Vorbildfunktion haben sich im Beruf auf ihre Sinne verlassen und mit ihrem damals umfassenden Wissen um Vorsorge, Pflege und Heilung ganzheitlich den Patienten angenommen. Nebst Herzblut, Vorleben von Werten, und dem Interesse am Anderen war es den Pio­ nierinnen wichtig, Menschen so zu versorgen, dass sie in Würde krank sein oder sterben durften. Die durchgeführten Interviews mit Personen aus ver­ schiedenen Kulturen zeigen, dass Würde, Authentizi­ tät und Achtung vor dem Anderen auch heute wichtige Merkmale von Vorbildern sind. Menschen, an die man glaubt, sollen ehrlich sein (Nr. 2) und eine klare Linie ha­ PADUA (2019), 14 (1), 61–63

Wenn ja, warum? Wenn nein, warum?

Sind diese Personen aus Ihrem näheren bzw. weiteren Umfeld?

ben (Nr. 4). Zudem wird erwartet, dass sie Verantwortung übernehmen und fähig sind, eine „Frontperson“ zu sein (Nr. 5), da andere sich an ihnen orientieren. Vorbild und Professionalität sind nicht diametral, son­ dern gleichbedeutend. Durch die Merkmale von Vorbildern (Tabelle 2) charakterisieren wir unsere Profession und Pro­ fessionalität. Wir lernen durch Übung und Beobachtung und die beste Vorgehensweise ist es, sich am Modell einer professionellen Person zu orientieren (i. A. Aristoteles). Pflegefachpersonen tragen unter anderem Verantwor­ tung für Patienten, Angehörige, Studierende, das interpro­ fessionelle Team und für den Berufsstand selbst. Ihr Auf­ treten gegenüber Stakeholdern soll professionell und für andere vorbildlich sein. Die Identitätsentwicklung von Pflegefachpersonen hängt stark mit der Förderung von kommunikativen wie interaktiven Kompetenzen zusam­ men. Das Erleben von sozialer Zugehörigkeit (vgl. Heinzer und Reichenbach, 2013) und Wertschätzung, eine konst­ ruktive Teamarbeit, der Aufbau von tragfähigen Beziehun­ gen, das Entwickeln von Werten sowie die Reflektion von Patientensituationen wirken sich äusserst positiv auf die berufliche Identität aus. Pflegeteams sollen bezüglich ihrer Kompetenzen, Be­ rufsprofile und Vorbildfunktionen ausgewogen zusam­ mengestellt werden. Studierende nennen als Vorbilder vorwiegend erfahrene, reife Berufspersonen, die klare Werte weitergeben und somit die persönliche und beruf­ liche Entwicklung der Auszubildenden fördern. Wenn Vor­ bilder in der Praxis fehlen, ist die Arbeitsatmosphäre von Hektik, Unsicherheit und Orientierungslosigkeit geprägt. In solchen Situationen kann es zu Fehleinschätzung von Patientensituationen kommen, die zu Komplikationen und schlechter Pflegequalität führen. Das wichtigste Qua­ litätsmerkmal in der klinischen Praxis sind die Vorbilder. Dieser Aspekt sollte bei der Professionalisierung des Be­ rufs beachtet werden, da es sonst am Krankenbett keine Vorbilder mehr geben wird. Als Schlussfolgerung kann gesagt werden: Vorbilder sind nicht monokulturell. Menschen haben das Bedürfnis, sich an einem Gegenüber zu orientieren – sei es im priva­ ten Umfeld oder im Berufsleben. ©2019 Hogrefe


Wissen und Forschen

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Tabelle 2. Merkmale von Vorbildern und Erläuterung, wie diese in der Pflegepraxis ausgebildet werden können (entwickelt durch ­Erkenntnisse der Interviews sowie das Beiziehen der Literatur) Dimensionen (in Anlehnung an Wright et al., 2002; ­Brugess et al., 2015)

Mögliche gewünschte Merkmale von Vorbildern in Gesundheits­berufen (abgeleitet aus Interviews und Literatur)

Zu entwickelnde Kompetenzen für die Praxis (bezogen auf Heyse et al.,2012)

1. Klinische Fähigkeiten

• • • •

Gutes Allgemeinwissen Fähigkeit, das richtige Urteil zu fällen Verfügt über klinische Handlungsfähigkeit Fähigkeit, klinische Skills Niveau entsprechend zu erklären und zu ­demonstrieren • Empathie (für die Patienten) • Fähigkeit, schwierige Situationen zu bewältigen • Fähigkeit, im Team zu kommunizieren und zu kooperieren

• • • • •

Teamfähigkeit Entscheidungsfähigkeit Analytische Fähigkeiten Fachwissen Ergebnisorientiertes Handeln

2. Lehrfähigkeiten

• • • • • • •

Ermöglicht positive Lernerfahrungen Strukturiertes Lernen mit klaren Erwartungen Gewährt sofortiges und aussagekräftiges Feedback Fähigkeit, die Diskussionen und Reflexionen zu leiten Fähigkeit, gut zu interagieren Fähigkeit, Lernenden jederzeit zu unterstützen und ihnen zu helfen Fähigkeit eine vertrauensvolle Lernathmosphäre zu schaffen, die zum Ausprobieren anregt

• • • • •

Kommunikationsfähigkeit Kooperationsfähigkeit Beratungsfähigkeit Verständnisbereitschaft Fachübergreifende Kenntnisse

3. Persönliche Qualitäten

• • • • • • • • • • • • • • • •

Freundlich und nett Authentisch Geduldig Selbstbewusst Respektvoll Begeisterungsfähig Leidenschaftlich für die Berufswahl Integrität Zwischenmenschliche Fähigkeiten Leadership Ermutigend Inspirierend Verständnisvoll Hat Vertrauen in die Fähigkeiten der Studierenden Bietet Sicherheit Ist engagiert

• • • • • •

Selbstmanagement Ganzheitliches Denken Glaubwürdigkeit Lernbereitschaft Konfliktlösungsfähigkeit Ambiguitätstoleranz

Literatur Heinzer, S., Reichenbach,R. (2013) Die Entwicklung der beruflichen Identität. http://www.ife.uzh.ch [Zugriff 13.03.2018] Paice, E., Heard, S. & Moss, F. (2002). How important are role models in making good doctors? BMJ, 325 (7366), 707 – 710. Felstead, I. S., Springett, K. (2016). An exploration of role model influence on adult nursing students’ professional development: A phenomenological research study. Nurse Educ Today, 37, 66 – 70. Webster, A., Bowron, C., Matthew-Maich, N. & Patterson, P. (2016). The effect of nursing staff on student learning in the clinical setting. Nurs Stand, 30 (40),40 – 7. Marañón, A. A. & Pera, M. P. I. (2015). Theory and practice in the construction of professional identity in nursing students: a qualitative study. Nurse Educ Today, 35 (7), 859 – 63. Wright, S. M. & Carrese, J. A. (2002). Excellence in role modelling: insight and perspectives from the pros. CMAJ, 167 (6), 638 – 6.

Dr. Claudia Schlegel Leitung LTT, Berner Bildungszentrum Pflege, Bern

Martin Siefers Dipl. Pflegewissenschaftler (FH), Ausbildungszentrum für Gesundheitsberufe Universitätsklinikum Düsseldorf

Marion Engels Lehrerin für Pflegeberufe, ­Universitätsklinikum Düsseldorf

Ingeborg Beatty, Berufsschullehrerin, MAS „Palliative Care“, ­Berner Bildungszentrum ­Pflege, Bern

Sinisa Delic, Lehrperson, Abteilung Weiter­bildungen Pflege mit Schwerpunkten, Berner Bildungszentrum Pflege ©2019 Hogrefe PADUA (2019), 14 (1), 61–63


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Patientenedukation in der Pflege – Themensammlung & Unterrichts­ vorschläge (Teil 2) Informiert sein und Handeln

Angelika Zegelin, Nadine Sunder und Tanja Segmüller

Im ersten Teil dieser Artikelserie (Heft 5 / 2018) wurden die theoretischen Grundlagen, Beweggründe und Erfordernisse der Übernahme der Patientenund Familienedukation durch professionell Pflegende sowie deren genuine Spezifität und Fundierung

ntene i t a P ation eduk

Pflegende unglücklicherweise insbesondere im Kontext der Nachfrage hiernach häufig eine vermeintliche Rück­ dele­gation an die Ärzte aufgrund vermuteter rechtlicher Unklarheiten, was meist jedoch unnötig ist (Köpke & Meyer 2011). Aufklärung ist ein Bestandteil von Infor­ mation!

herausgestellt. In diesem Teil werden Strategien und Prozesse der pflegebezogenen Patienten- und Familienedukation anhand von konkreten Beispielen beschrieben. Es wird aufgezeigt, wie Patienten­ edukation im pflegerischen Alltag mittels Informa­ tion und Schulung gelingen kann.

Beratung Ergebnisoffener, dialogischer Prozess, in dem eine individuelle Lösung vorbereitet wird, es geht um Klärung und Stärkung des Klienten.

Schulung

Zunächst sollten die wichtigsten Strategien – Information, Beratung, Schulung und Moderation – vorgestellt und näher beschrieben werden. Im Unterricht bzw. der Lehre können die vier Begriffe auch von den Lernenden selbst recherchiert werden. Wenngleich „Aufklärung“ und „Anleitung“ namentlich keine explizite Erwähnung erfahren, ist es für professionell Pflegende dennoch bedeutsam zu verstehen, dass diese Interventionen als begleitende Bestandteile einer pflegebezogenen Patienten- und Familien­ edukation im Rahmen von Information, Beratung und Schulung keineswegs ausgeschlossen werden (vgl. AbtZegelin 2017 / 2003a / b / 2000, Büker 2015, Kocks & ­Segmüller 2017 / 2017a, Segmüller 2017 / 2017a, Sunder & Segmüller 2017, Tolsdorf 2016 / 2013).

Geplantes Vermitteln von Wissen oder Fertigkeiten, Einfluss auf Einstellungen, schrittweise, zielorientiert, am Ende Bündelung oder Überprüfung, Schulungen können auch sehr kurz sein und sich an Einzelne richten, ähnliche Begriffe: Training, Unterweisung. Leider wird anstelle von Schulung hier immer wieder der Begriff „Anleitung“ ins Spiel gebracht. International ist er ungebräuchlich. In Deutschland wird er eher mit Praxis­ anleitung verknüpft – also dem gesamten Prozess der Einarbeitung Pflegender in die Berufspraxis (Quernheim 2017). Dabei ist Anleitung zweifelsohne Bestandteil innerhalb einer Schulung, allerdings vielmehr in Gestalt handlungsbegleitendem Verbalisieren im Sinne von Demons­ trieren, Simulieren und Nachahmen (Sunder & Segmüller 2017). Patientenschulung und Patienteninformation sind etablierte Begriffe, folgerichtig sollte professionelle Pflege diese mitbesetzen!

Information

Moderation

Die häufigste Strategie, gezielte Mitteilungen, kurze Gespräche, Bereitstellung vielfältiger Medien, Adressen­ vermittlung, Recherchehilfen. Da „Aufklärung“ noch immer ein vorwiegend mit der ärztlichen Domäne verknüpfter Begriff ist, vollziehen

In den letzten Jahren haben Aktivitäten einer „Familien“– Moderation bei Pflegebedürftigkeit – sowohl zur Klärung bei Beginn einer Pflegesituation, etwa im Rahmen von Entlassungsmanagement, als auch bei Krisen innerhalb langer Pflegeverläufe – zugenommen.

Strategien der Patientenund Familienedukation

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Informiert sein und Handeln

Prozess der Patientenund Familienedukation Alle Strategien unterliegen eigenen Handlungslogiken (Schaeffer & Dewe 2011, Schaeffer 2008) und benötigen differenzierte Überlegungen – je nach Klienten und Situa­ tion sollte die Auswahl spezifisch sein. Pflegende sollten sowohl die Differenzierungen dieser Interventionen als auch ihre Gemeinsamkeiten und Schnittmengen kennen, um zu erkennen, was durch die Patienten- / Klienten- / Hilfe­ suchende bei ihnen in der jeweiligen Situation nachgefragt wird (Sunder & Segmüller 2017). Auch auf Klientenseite sind viele Voraussetzungen für eine erfolgreiche Begleitung erforderlich: Motivation, Vorwissen, manuelle und sensorische Fähigkeiten, Körperwahrnehmung, Kompetenzen des Beurteilens und Entscheidens, Risiken wahrnehmen, Kontakt zu Profis gestalten, Verantwortung übernehmen, Vertrauen, Zukunftserwartungen, den Lebensentwurf austarieren etc. Diese Aufzählung zeigt, dass pflegebezogene Patienten- und Familienedukation anspruchsvoll ist und einer fundierten, fachkundigen Hinführung sowie Ausbildung bedarf und eben nicht allein aufgrund der Jahre der Berufszugehörigkeit und der so gesammelten Erfahrungen in der Durchführung legitimiert werden kann (Sunder & Segmüller 2017). Am Beispiel Schulung können Schritte verdeutlicht werden, welche dem Aufbau des Pflegeprozesses ähneln. Zunächst geht es darum, den zu Schulenden kennenzu­ lernen, bei kleinen Einheiten reicht eine sehr kurze Anamnese, bei wochenlangen Einheiten ist mehr Aufwand nötig. Die oben genannten Aspekte sind einzuschätzen, auch die bevorzugte Lernmethode ist kennenzu­ lernen (Zegelin 2006). Die pädagogische Psychologie hat mehrere Konzepte zu „Lerntypen“ vorgelegt und aufgezeigt, dass Menschen in der Regel gemischt lernen (ebd.). Auch hier wäre eine Recherche durch die Lernenden selbst möglich. Zu vielen Krankheiten und Diagnosen liegen spezielle Assessments sowie Studien zur Wirkung von Patienten­ edukation vor (exempl. Jing-Yu 2012, Davies 2010, Beasly 2009). Eine Recherche zu weiteren Assessments oder Studien könnte in den Studiengängen durchgeführt werden. Die wenigsten Assessments sind allerdings für den Praxisgebrauch geeignet oder regelhaft ins Deutsche übersetzt. Im Rahmen der vorbenannten Studien können die dort Anwendung findenden Messinstrumente Ausgangspunkt und Erfolg von Maßnahmen belegen. In der überwiegenden Anzahl beziehen sich die Konzepte dabei auf Verän­ derung von Wissen, Einstellungen oder auch praktischer Fähigkeiten. Im Sinne kleiner Prüfungen könnte hier auch der OSCE-Ansatz helfen, denn „Objective Structured Clinical Examination“ sind kurze praktische Prüfungen, die zunächst vorrangig in reformierten Medizin-Studiengängen (Chenot & Ehrhardt 2003), inzwischen aber auch in der Pflege gebräuchlich sind (Schlegel 2018). Auch hier bieten sich weitere Recherchen in Studiengängen an,

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i­ nwieweit diese auch für die Durchführung patienten- und familienedukativer Aktivitäten im Pflegealltag zu adap­ tieren sind. Bei aufwändigen Begleitprozessen können auch (schriftliche) Auftragsklärungen bzw. Zielvereinbarungen den edukativen Prozess transparenter und verbindlicher gestalten. „Goal attainment“ (Kolip & Schaefer 2015) ist in vielen Bereichen modern, in beruflicher Bildung wird von „Contract-Learning“ (Arnold & Lermen 2017) gesprochen. Erfahrungen mit diesen Ansätzen gibt es auch in der Psychiatrie. Überhaupt lohnt sich ein Blick in diese Richtung, allerdings firmiert hier das ganze Thema unter dem Terminus „Psychoedukation“, zum Teil mit eigenen Modellen (Bäuml et al. 2016). Recherchen in diesem Gebiet können so durchaus synergetische Beiträge zur pflege­ bezogenen Patienten- und Familienedukation leisten. Nach der Anwendung der jeweiligen Interventionen sind stets Zusammenfassungen und Auswertungen nötig – auch ein nachvollziehbares Dokumentationskonzept für alle Aktivitäten der pflegebezogenen Patienten – und Familienedukation sollte vorliegen (Zegelin 2013 / 2009a). Zukunftsvision ist eine übergreifende Datenbank mit Evaluationen, die sich im Zuge dessen auf einzelne Interven­ tionen, auf Prozesse oder auf landes- bzw. organisationsweite Vorgänge, etwa bei Transplantationspatienten oder bei Pflegekursen für Angehörige, beziehen können. Besonderheiten stellen Klienten mit kognitiven Einschränkungen dar – eine durchaus große Gruppe in allen Settings. Menschen die schlecht hören, schlecht sehen, manuell eingeschränkt sind, wenig behalten können, Menschen mit leichter Demenz. Für sie muss alles vereinfacht werden. In der letzten Zeit werden auch Konzepte der „leichten Sprache“ zunehmend in die pflege­rische Patientenedukation übertragen wie beispielsweise „Hat Mama Demenz?“ ein Heft über älter werdende Menschen mit Demenz in leichter Sprache von der Demenz Support Stuttgart gGmbH in Kooperation mit dem Landesverband Baden-Württemberg der Lebenshilfe für Menschen mit Behinderung e.V. aus dem Jahr 2017. Ein Beitrag zu Broschüren in leichter Sprache findet sich auch in der „Padua“ (Boll 2017). Auch sind die erzielbaren Lerntiefen der Unterstützungsnachsuchenden unterschiedlich, oft ist nur oberflächliches Faktenwissen vermittelbar, manchmal auch Hintergründe, Zusammenhänge und Prinzipien (Zegelin 2006). Letzteres kann die Betroffenen am geeignetsten darin unterstützen, mit einschränkenden Bedingungen besser umgehen und durch Handlungsoptionen mehr Freiheit erreichen zu können. Überhaupt ist Handlungswissen eine „reife“ Stufe der Bewältigung (ebd.), unter schwierigen Bedingungen, im Urlaub zu improvisieren, mit Komplikationen fertig zu werden, Anliegen politisch zu transportieren – dies zeigt, dass Erkrankte zu Experten ihrer Situation – also experts by experience – geworden sind. Oft braucht es dazu viele Jahre der Erfahrung (aus diesem Grund verbieten sich auch Bezeichnungen wie ExpertenLaien). Eine erweiterte Entwicklungsstufe besteht darin, dass Betroffene ihr Wissen in guter Form – exemplarisch in

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Informiert sein und Handeln

der Selbsthilfe – weitergeben können. Wissen – so ist heutig unverkennbar – ist zweifelsohne bedeutsam, allerdings nicht hinlänglich, um Menschen zu befähigen, selbst in Richtung Verbesserung aktiv zu werden. Besondere Klientengruppen professionell Pflegender sind auch Kinder und Jugendliche. Für sie steht nur ­eingeschränkt Material zur Verfügung. Als ein positives Beispiel können hier die modularen Schulungsprogramme MODUS-Schulungen & TRANSITIONS-Schulungen des Kompetenznetz Patientenschulungen (Szczepanski 2013 / 2018) dienen1. Zudem sind ebenso Konzepte und Materialien für Migranten wichtig, dabei reicht eine bloße Übersetzung nicht aus, die Inhalte sind ebenfalls kulturell anzupassen. Ein positives Beispiel ist hier das Webportal ZANZU: Mein Körper in Wort und Bild (BZgA 2018)2. Für beide Zielgruppen empfehlen sich Recherchen zum Auffinden vergleichbarer Beispiele. In der Lehre der pflegerischen Grundausbildung sowie im Studium erscheint es vor diesem Hintergrund überaus sinnvoll, immer wieder einen pflegetheoretischen Bezug für die inhaltliche Ausgestaltung patienten- und familienedukativer Interventionen herzustellen. Im Kontext der Zielgruppe Kinder und Jugendliche bietet sich hier vor­ rangig die Pflegetheorie des systemischen Gleichgewichts von Marie Luise Friedemann an (Friedemann & Köhlen 2003) und mit Blick auf die Zielgruppe der Menschen mit Migrationshintergrund geht hinsichtlich einer kultursensiblen Pflege weder der Weg am Sunrise Modell der transkulturellen Pflegetheorie von Madeleine Leininger (ebd. 1998) noch an der transkulturellen Kompetenz von Dagmar Domenig (ebd. 2007) vorbei. Für Pflegende kann es im Zuge des Theorie-PraxisTransfers im Rahmen der Durchführung patienten- und familienedukativer Aktivitäten sehr hilfreich sein, auf diese pflegetheoretischen Grundannahmen Rückgriff zu haben!

Tabelle 1. Praktische Tipps für das edukative Gespräch

Mangel an Lernmaterial

Die zusammengetragenen Überlegungen der Tabelle 1 sind altbekannte Hinweise zur Ermöglichung besseren Lernens. In der pflegebezogenen Patienten- und Familienedukation kommen im Besonderen noch die folgenden hinzu: Bei Informationen sollte die Aufmerksamkeit stets auf den Moment gelenkt werden. Es ist sicherzustellen, dass Patienten einigermaßen beschwerdefrei und überhaupt in der Lage sind, zuzuhören. Durch entsprechende Hinweise – wie z. B. „Ich möchte Ihnen das jetzt erklären“ – sollte die Situation herausgehoben werden, denn offenbar kommen viele Informationen bei Patienten nicht an, weil sie handlungsbegleitend „vermurmelt“ werden. Immer dann, wenn Patienten Eile spüren, halten sie sich mit Äußerungen zurück und trauen sich nicht zu fragen. Ein

Insgesamt steht wenig gutes Lernmaterial für die pflegebezogene Patienten- und Familienedukation zur Verfügung (Zegelin 2006). Ein Problem ist beispielsweise, dass professionell Pflegende manchmal davon ausgehen, dass die Betroffenen ein „vereinfachtes Fachwissen“ brauchen. Dies ist nur eingeschränkt richtig, denn Erkrankte haben oft Alltagsfragen und andere Schwierigkeiten als vermutet. Pflegebezogene Patienten- und Familienedukation sollte deswegen diese direkten Patientenfragen aufgreifen, wie etwa in der Diagnostik: Wie lange dauert der Eingriff ­ungefähr? Bekomme ich dann Schmerzen? Wie geht es d ­ anach weiter? Patienten-Aufklärungsbögen der Medi­

• Informationen persönliche Bedeutung verleihen (Individualisieren) • an Bekanntes anknüpfen (erfragen, was gewusst wird, Anamnese) • ein mittlerer Neuigkeitswert ist wichtig • Portionieren (nicht zu viel auf einmal wollen) • Anschaulichkeit herstellen durch Beispiele, Analogien, Bilder, Zeichnungen, Merksprüche, oder Vergleiche • mehrere Sinneskanäle zur Behaltensleistung nutzen (multimodal arbeiten: Hören 20 %, Sehen 30 %, Sprechen 70 %, Handeln 90 % – Nachsprechen und Aufschreiben erscheint sinnvoll) • Verständlichkeit (Fremdworte und Fachbegriffe erklären) • Körpersprache und Stimme einsetzen (Zugewandtheit, Blickkontakt, Gestik, Betonung) • Festigung durch Wiederholen, Zusammenfassen, Pausen machen (nach ca. 15 Minuten) • Gegenüber aktivieren, Fragen stellen lassen, mit eigenen Worten bündeln lassen • Positive Rückmeldung, Bestätigung, Lob und Ermutigung

ziner_innen beantworten diese Fragen nicht, sie dienen lediglich der rechtlichen Absicherung. Bei der Vorbereitung zum Leben mit chronischen Krankheiten steht die spätere Alltagssituation ebenfalls im Vordergrund (Abt ­Zegelin 2017 / 2009a, Corbin & Strauss 2010, Schaeffer & Moers 2009 / 2008, Grypdonck 2005). Kreative Pflegende „basteln“ Lernmaterial, etwa aus ausgemusterten Sachen, sie fertigen selbst einfache Zeichnungen an oder erstellen kurze Merklisten.

Hinweise aus Lernpsychologie nutzen

Aufzufinden unter den URL: https://www.kompetenznetz-patientenschulung.de/modus-schulungen/ und URL: http://between-kompas.com/ verfügbar unter dem Link: URL: https://www.zanzu.de/de

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Informiert sein und Handeln

häufiger Fehler in der „sprechenden Pflege“ ist auch, dass zugleich zu viele sowie unverständlich Informationen angeboten werden. Zweifelsohne sollten Fachbegriffe zwar genannt, aber stets in Alltagssprache übersetzt werden. Manchmal erleben Patienten und Angehörige auch, dass die sie umgebenden Gesundheitsprofessionellen unterschiedliche Aussagen treffen – dies führt zu Verwirrungen und ist bestmöglich zu vermeiden. Zunehmend schwieriger wird es, wenn Patienten spüren, dass ihr Wille keine Akzeptanz findet und etwas ihnen Fremdes durchgesetzt werden soll. (vgl. dazu Abt Zegelin & Reuther 2014, Zegelin 2013 / 2009a / 2006 / 2003, Abt-Zegelin & Kolbe 2011, Bamberger 2013 / 2010a – c / 2009a / b) Ergo: Wenn edukative Interventionen in ihrem Outcome nachhaltig sein sollen, müssen Pflegende sich prozessbegleitend immer wieder vergegenwärtigen, dass es um Aktivierung und Befähigung und eben nicht um Bevormundung, Unterweisung und Überstülpen von Standardlösungen geht. Wenn ausreichend Unterrichtszeit zur Verfügung steht, können alle diese Aspekte eingeübt werden. Eine Fundgrube für die Patientenbegleitung sind auch „Kognitive Strategien“ (z. B. Hascher & Schmidt 2010). Hier bietet sich erneut eine Recherche an, um die Adaptionsfähigkeit der sogenannten kognitiven Strategien auf die pflegebezogene Patienten- und Familienedukation in der Pflege zu prüfen.

Tools zum Thema Information Information ist die weitaus häufigste Interaktionsform in der Pflege, etwa in kurzen Gesprächen zwischen Pflegenden und Patienten, oft vermischen sich dabei Informationen mit Alltags- und Befindlichkeitsgesprächen. Wenn es wichtig ist, dass bestimmte Informationen vermittelt werden sollen, gibt es zahlreiche Hilfen – dabei ist auch darauf zu achten, dass jede Pflegeperson die gleichen Inhalte anspricht und vermittelt.

Kitteltaschen-Karten / Pocketcards Diese praxisnahe Form ist zu sehr vielen Themen denkbar, sie erhalten die wichtigsten Kurz-Infos in standardisierter Form und werden von Pflegenden erarbeitet. Ein publiziertes Beispiel stellen die Kurzgespräche zum Thema Epilepsie dar (Abt-Zegelin 2004).

Leitfäden / Checklisten Auch sie erhalten Kurz-Infos in übersichtlicher Form, häufig gekoppelt mit einer Möglichkeit des „Abhakens“ (Abt-

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Zegelin 2009b). Hier ist ein Beispiel zugänglich, der Gesprächsleitfaden Antibiotika-Therapie (Lex et al. 2004)3.

Poster Zu sehr vielen Themen sind informative Poster vorstellbar, in Fluren oder Wartezonen aufgehängt. Poster können selbst entwickelt oder auch von Organisationen sowie der Medical-Industrie genutzt werden. Hilfreich sind hier die Ideen des „One-Minute-Wonders“: Poster, auf denen in einer Minute Lesezeit wichtige und evidenzbasierte Informationen an Klienten vermittelt werden (Krüger 2017, Schmidt & Krüger 2016).

Decision-Aids hierunter werden alle Hilfsmittel subsumiert, die es Menschen durch die Förderung ihrer Gesundheitskompetenz ermöglichen, vor ihren gesundheits- / krankheitsbezogenen Entscheidungen zum Abwägen individueller Möglichkeiten befähigt zu werden, indem sie beispielsweise handlungspraktische Übungsmöglichkeiten bereithalten oder dazu erforderliche Wissen bereitstellen. Als Decision Aids kommen die bereits vorbenannten Poster, Leitfäden und Checklisten, aber auch Entscheidungstafeln, Computerprogramme, Filme, Videoclips oder Broschüren zur Anwendung (Klemperer 2014). Bei viel Zeit in der Lehre können Produkte selbst erstellt und damit kleine Projekte durchgeführt werden. Immer wünschenswert ist eine Präsentation oder Publikation, eine Evaluation oder Weitergabe an Andere. Nur auf diesem Weg kann pflegebezogene Patienten- und Familienedukation weiter bekannt gemacht und verbreitet werden.

Broschürenarbeit Broschüren sollten in jedem Fall Gegenstand im Unterricht sein, auch wenn wenig Zeit ist. Es gibt sehr viele Broschüren und Flyer zu Gesundheitsfragen (Segmüller 2016, Abt-Zegelin 2013, Tolsdorf 2010a). Die Lernenden sollten wichtige Adressen von Broschüren Herausgebern kennenlernen – z. B. Kranken- und Pflegekassen, BZgA, Deutsche Krebshilfe, Selbsthilfeorganisationen, Pharmafirmen – und aufgefordert werden, Broschüren zu verschiedenen Themen zu sammeln. Es ist empfehlenswert, dass Broschüren mitgebracht und in Gruppen ausgewertet werden. Broschüren können auch selbst entwickelt werden. Broschüren sollten allerdings vor ihrem Einsatz bewertet werden (Kocks & Abt-Zegelin 2014a). Die „Wittener

verfügbar unter URL: https://patientenedukation.de/sites/default/files/downloads/informationsleitfaden_beratung1.pdf

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Tabelle 2. Die Wittener Liste 1. Zielgruppe und Ziel angegeben? 2. Alltagbezogen vorhanden? Relevanz der Information? 3. Positive Bewältigung beabsichtigt? Persönliche Ansprache? 4. Umfang und Schriftgröße? 5. Verständlichkeit? 6. Layout / Überschriften / Abbildungen / Gliederung? 7. Neuzeitliches Wissen / Literaturstützung / Quellen / Datum? 8. Autorenhinweise / Finanzierung / Abhängigkeit? 9. Weiterführende Hinweise / Adressen?

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pe gegründet, Experten befragt, auf das in der Einrichtung übliche Layout und auf die Literaturstützung der Inhalt geachtet werden (Lörken 2015, Tolsdorf 2010a, Steckelberg et al. 2005).Gute als auch schlechte Ergebnisse, die aus den Auswertungen von Broschüren resultieren, sollten an die Hersteller rückgemeldet werden. Der Verein Patienten- und Familienedukation e.V. führt alle zwei Jahre mit großer Resonanz im deutschsprachigen Raum einen Broschüren-Wettbewerb durch. Die Gewinner-Broschüren werden auf der Homepage des Vereins Patientenedukation5 präsentiert. Auf dieser Homepage ist auch ein Beispiel für eine Broschürenbewertung zu sehen (AOK Broschüre zur künstlichen Ernährung).

10. Vollständigkeit?

Patienten-Informationszentren (PIZ) Liste“ zur Broschürenbewertung enthält zehn einfache Evaluationsmerkmale (Tolsdorf 2010a)4. Erläuterungen zu den einzelnen Punkten finden sich in der einschlägigen Literatur. Zur Überprüfung der Verständlichkeit empfiehlt sich das „Hamburger Verständlichkeitskonzept“ (Langer et al. 2011). Mit seinen Kriterien „Einfachheit, Gliederung, Kürze, Zusätze“ ist eine gute Prüfung möglich. Hierzu gibt es viele Beispiele im Internet. Studierende sollten zusätzlich Lesbarkeitsformeln (Flesh, Fry, SMOG, FOG) kennenlernen. Diese werden zur wissenschaftlichen Testung eingesetzt – allerdings ist Lesbarkeit einfacher als Verständlichkeit. Ein Problem ist auch, dass diese mathematischen Formeln für englischsprachige Texte entwickelt wurden. International ist der Bewertungs­ katalog „SAM“ (Suitable Assessment Materials) gebräuchlich, er ist fast identisch mit der Wittener Liste (Segmüller 2017a). Die Sektion BIS – Beratung, Information und Schulung – der Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft hat Vorschläge zur Erstellung von Patientenbroschüren erarbeitet (Kocks & Abt-Zegelin 2014a). Die Übergabe einer Broschüre ist eine pflegefachliche Intervention, daher sollten Broschüren immer in das pflegerische Gespräch eingebettet sein und nicht nur übergeben werden. Jede Fachabteilung einer Klinik und jedes andere pflegerische Setting sollten passende Broschüren bevorraten. Es macht Sinn, zum gleichen Thema verschiedene Broschüren vorzuhalten, je nach Situation des Patienten (geistige Leistungsfähigkeit, Alter, Sprachkompetenz usw.). Ein sparsamer Gebrauch (nicht 5 Broschüren auf einmal) und eine sukzessive Ausgabe (nicht in einem dicken Ordner) sind ratsam. Viele gute Broschüren sind kostenlos erhältlich, allerdings gibt es auch zu vielen Themen kein Material – meistens dann, wenn kein industrielles Interesse vorhanden ist. In diesem Fall können bzw. sollten Broschüren selbst hergestellt werden. Dies ist eine anspruchsvolle Aufgabe: Es sollte eine kleine Arbeitsgrup-

Darunter werden Biblio-Mediotheken für Patienten und Angehörige verstanden – sinnvollerweise stehen sie in Krankenhäusern, Pflege- oder Ärztezentren zur Verfügung (AbtZegelin et al. 2007). Nach einem Vorbild in Boston / USA (Patient-Learning-Center) wurde 1999 im Klinikum Lüdenscheid das erste PIZ in Deutschland unter pflegerischer Leitung gegründet. Die PIZes sollten in der Klinik bekannt, gut auffindbar sein und breite Öffnungszeiten haben. Sie bearbeiten ein großes Spektrum an Patientenproblemen und wirken in die Stationen hinein. Alle PIZes evaluieren ihre Arbeit durch Nutzerbefragungen. Es stehen zahlreiche Publikationen zu den PIZes zur Verfügung. Inzwischen gibt es etwa 20 solcher Einrichtungen, die meisten sind im Verein Patienten- und Familienedukation organisiert (vgl. Segmüller 2017). Das Herzzentrum Bad Krozingen hat zusätzlich ein „mobiles PIZ“ auf den Weg gebracht, bei dem Mitarbeitende Patient_innen auf den Stationen aufsuchen. Zudem gibt es Pflegewerkstätten, in denen Angehörige vor allem zum Bereich der häuslichen Pflege, geschult werden. Besuche und Hospitationen sind dort möglich6. Als „bescheidenen Ersatz“ könnten Auszubildende und Studierende aufgefordert werden, das Gesundheitsregal der örtlichen Stadtbücherei zu besichtigen und eine Rückmeldung an die Bibliothek zu geben.

Filme Patientenfilme stellen einen riesigen Markt dar. Da die Produktion aufwändig ist, sind sie oft mit Werbebotschaften verbunden. Auch hier hat die Sektion BIS mehrere Bewertungskriterien entwickelt (Schieron 2017, Kocks 2016, Kocks & Abt-Zegelin 2014b). Davon abgesehen existiert auch eine Vielzahl von (Spiel-)Filmen und Dokumentation aus Betroffenensicht, die Patienten und Angehörigen durchaus empfohlen werden können.

Abzurufen unter dem Link: http://patientenedukation.de/sites/default/files/downloads/Wittener_Liste.pdf www.patientenedukation.de 6 virtuell kann ein Überblick unter www.patientenedukation erlangt werden 4 5

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In der Lehre können Patientenfilme angesehen und ­ egutachtet werden. Auch hier sollten gute oder schlechte b Auswertungsergebnisse an die Urheber rückgemeldet werden.

Internet Jede Pflegende sollte relevante und empfehlenswerte ­Internet-Seiten mit den wichtigsten Diagnosen aus dem täglichen Arbeitszusammenhang kennen und diese Empfehlungen an Betroffene weitergeben können. Viele Betroffene nutzen Gesundheitsportale (vgl. Büker & Sunder 2017). Dabei ist es wichtig, seriöse Seiten von Werbung zu unterscheiden. Mehrere Konzepte helfen bei der Beur­ teilung – z. B. Gütesiegel (Afgis, Hon-Code, Medisuch, ­Stiftung Gesundheit etc.)7. Das Feld „Gesundheit aus dem Netz“ eignet sich zu einer Schwerpunktbildung, bedarf aber eines großen Stundenanteils. Dies gilt auch für Online-Patientenedukation.

Schulung Unter Schulung wird eine zielorientierte, kleinschrittige Intervention verstanden (Büker 2015, Zegelin 2006). In der Pflege dominieren Einzelschulungen, in Medizin und Psychologie werden häufig Gruppenschulungen durchgeführt. Zu vielen Diagnosegruppen werden Konzepte angeboten, häufig von Pharma-Firmen entwickelt, z. B. zu den Themen: Rheuma, Hochdruck, Epilepsie (MOSES). Untersuchungen haben allerdings selbst bei etablierten Schulungen viele Mängel aufgezeigt: Lehrerzentrismus, Imperativ-Didaktik, zu viele Folien / Infos, Fachterminologie, zu wenig Alltagsbezug, kaum Evaluation, kaum Familienorientierung, Werbung überwiegt usw. Einige der „Klassiker“ von Gruppenprogrammen eignen sich, um daraus pflegeorientierte und individuelle Programme zu entwickeln. Daneben sind Pflegende durchaus verantwortlich oder mitwirkend bei Gruppenschulungsprogrammen ­tätig, etwa bei Rheumapatienten, MS-Kranken, COPDBetroffenen, Stillgruppen usw. Relativ gute Materialien bieten auch Firmen im Bereich der Stoma-Versorgung. Lernende sollten etablierte Programme kennenlernen (z. B. Medias bei Diabetes oder ABUS bei Asthma). In den letzten Jahren sind einige übergeordnete Evaluationskonzepte entstanden. In manchen Bereichen sind auch internetbasierte, z. T. interaktive Schulungsprogramme entwickelt (z. B. OTIS in der Transplantationsmedizin) auch darauf sollte eingegangen werden. Innerhalb von Schulungen kann es unterschiedliche Anleitungssequenzen geben. Anleitungsmodelle folgen ­ meistens den Schritten: Information und Ziele aushan-

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deln, Methodenwahl, Planung, Durchführung (Demonstrieren, Nachahmen, Erklären) und Evaluation (vgl. dazu Sunder & Segmüller 2017). Ohne dabei mehr Klarheit zu erreichen ist inzwischen die Lernzieldiskussion durch die Kompetenzorientierung (DQR 2011) abgelöst. In den Gesundheitswissenschaften sind die Ansätze „Cognitive Apprentisship“ (Collins 1991, Collins et al. 1989) oder das Precede-Proceed-Modell (Seibt 2016) bekannt, hierbei handelt es sich um mehrschrittige Modelle. Als Beispiel für ein komplexes, individualisiertes und pflegeorientiertes Programm soll hier die „Anleitung zur Tracheostomapflege“ vorgestellt werden. Es umfasst in einer speziellen Struktur Beratungen, Schulungen, Broschürenarbeit, Assessments usw., eine Fotostrecke hilft bei der Erläuterung des Vorgehens. Leider gibt es im deutschsprachigen Raum keine anderen Unternehmungen dieser Art. Patienten mit Dauertracheostoma (z. B. bei Kehlkopfkrebs) müssen viel beachten und lernen. So zeigt der Inhalt Themen wie Absaugen, Kanülenwechsel, Hautpflege, Ernährung, Sprechen, Schmerzen, Körperbildstörungen u. a. m., auf. Das Programm wurde in zwei Kliniken implementiert, evaluiert und ist als Broschüre8 erhältlich.

Mikroschulungen In Abgrenzung zu vielgestaltigen Programmen wurde im ersten PIZ in Lüdenscheid der Begriff „Mikroschulung“ geprägt (Zegelin 2006a). Hierbei handelt es sich um kurze Einheiten von max. 30 Minuten, in denen Betroffene einen speziellen Inhalt lernen sollen, adressiert sind nur 1 – 2 Lernende. Es kann sich um eine Handlung, eine Einstellung oder eine Wissensportion handeln (ebd., Tolsdorf 2010b). Viele Patienten müssen im Sinne von künftiger Selbstpflege, Prozeduren selbst ausführen, seien es Katheterismus, Sondenkostgabe oder Verbandwechsel. Im Jahr 2000 wurde der Prototyp einer Mikroschulung „Subkutane Injektion“ im Netzwerk entwickelt und dient seitdem als Vorbild für viele weitere Mikroschulungen – für jedes Fachgebiet sind etwa 10 Themen denkbar. Die Mikroschulungen sind konzeptualisiert: nach der Sachanalyse folgen 12 Schritte ­(Zegelin 2006a, Büker 2015). Im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Trier wurden auf jeder Station spezifische Mikroschulungen als laminierte 0rdner etabliert, es wurden Materialkörbe bereitgestellt, Patientenbroschüren entwickelt, die Dokumentation angepasst sowie ein Abrechnungskonzept im Rahmen der DRGs entwickelt. Zu mehrere Themen stehen beispielhaft Mikroschulungen als Downloads unter www.patientenedukation.de zur Verfügung. Auch die die Firma Nutricia vertreibt als Beispiel eine Mikroschulung zur Gabe von Sondenkost. Das Thema Beratung, wie auch weitere mit der pflegebezogenen Patienten- und Familienedukation assoziierte Themen, werden ausführlich im nächsten Artikelteil behandelt.

Empfehlenswerte Seiten sind z. B. www.gesundheitsinformation.de, www.krankheitserfahrung.de, www.patienten-information.de, die ­Angebote der Deutschen Krebshilfe www.krebshilfe.de oder www.krebsinformationsdienst.de. 8 www.fahl.de 7

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Dr. Angelika Zegelin Krankenschwester, Pflegewissenschaftlerin, vorm. Universität Witten / Herdecke

Prof. Dr. rer. medic.Tanja Segmüller MScN, BScN, RN, Krankenschwester, Professorin für Alterswissenschaft an der HSG Hochschule für Gesundheit, Bochum

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Service

Nachruf auf Jutta Beier, Univ.-Prof. Dr. Äußerlichkeiten waren für sie nicht so bedeutsam, Autoritäten und Ordinarien stellte sie auch schon mal in Frage. Indem sie sich selbst nie zu wichtig nahm, hob sich Jutta Beier wohltuend von den in ihrer „scientific community“ gängigen Eitelkeiten ab. Sie war eher mit einem Augenzwinkern bei der Sache, auch wenn sie die Sache sehr ernst nahm, wie ihr besonderes Engagement in der Lehre und Forschung zur Medizin- und Pflegepädagogik zeigt. Nun ist Frau Prof. Dr. Jutta Beier nach langjähriger schwerer Krankheit im Alter von 73 Jahren gestorben. Kolleginnen und Kollegen und Wegbegleiter / -innen trauern nicht nur um die Professorin und Wissenschaftsmanagerin, sondern vor allem um eine warmherzige Freundin. Nach dem Abitur absolvierte Jutta Beier eine Ausbildung als Kinderkrankenschwester, bevor sie in den 1960iger ­Jahren ihr Studium der Medizinpädagogik an der Humboldt-­ Universität zu Berlin absolvierte. Schließlich promovierte sie (1974), habilitierte sich (1988) und widmete sich als ­wissenschaftliche Assistentin bzw. seit 1995 als Professorin intensiv berufspädagogischen Fragestellungen zunächst mit dem Schwerpunkt der Medizinpädagogik und nach der Wende zunehmend auch der Pflegepädagogik. Ihr ist es maßgeblich mit zu verdanken, dass 1992 die Abteilung Medizinpädagogik, welche bereits seit 1968 in die Medizinische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin und damit in die Charité integriert worden war, als „Institut für Medizin-, Pflegepädagogik und Pflegewissenschaft“ etabliert wurde. In die Zeit ihrer langjährigen Tätigkeit als Direktorin dieses Instituts fiel vor allem auch die Neukonzeption des Studienganges Medizin- und Pflegepädagogik, was angesichts des von nachdrücklichen westdeutschen „Ratschlägen“ geprägten damaligen berufsund wissenschaftspolitischen Umfeldes kein leichtes Unterfangen war. Immerhin konnte sie aber darauf verweisen, dass der seit den 1960er-Jahren existierende ­Studiengang Medizinpädagogik an der Charité das zentrale Referenzmodell für die Etablierung der universitären Lehrkräftequalifizierung im Gesundheits- und Pflege­ bereich in Gesamtdeutschland war. Schließlich setzte Jutta Beier sich mit dafür ein, dass das „Institut für Medizin-, Pflegepädagogik und Pflegewissenschaft“ in das Centrum für Human- und Gesundheitswissenschaften der Charité – Universitätsmedizin Berlin 2000 eingegliedert wurde. Ihre wissenschaftlichen Verdienste liegen zum einen insbesondere im Bereich der Akademisierung und Professiona­ lisierung der Gesundheitsfach- und Pflege­ berufe. Hier hat sie mit ihrem Team nach der Wende im

Kontext der Konzeptionierung, Implementation und Evaluation von Hochschulcurricula Modelle zur Heraus­ bildung pädagogischer Handlungskompetenzen sowie zur Evaluation pädago­ gischer Kompetenzentwicklung entwickelt. Neben dieser Leistung lag Jutta Beier zum anderen vor allem die Nachwuchsförderung am Herzen. Es überrascht daher nicht, dass viele ihrer Doktorandinnen und Doktoranden bzw. Mitarbeiter / -innen heute selbst Professorinnen und Professoren oder in anderen leitenden Positionen im Gesundheits- und Pflegebereich tätig sind. Hierhin gehört auch, dass sie sich mit ihren Kollegen und Kolleginnen dafür ­eingesetzt hat, dass in der Promotionsordnung der Charité neben dem Doktorgrad „rerum medicinalium“ ebenso der Doktorgrad „rerum curae“ aufgenommen wurde. In den letzten Jahren ihres Lebens widmete sie sich ganz ihrer Familie und zog sich in ihr Privatleben zurück. Nur wenigen war es vergönnt, mit ihr in Kontakt zu bleiben. Jutta Beier zeichnete aus, dass sie trotz ihrer schweren Erkrankung weder ihren Lebenswillen noch Optimismus und Humor verlor. Sie war allen, die sie näher kannten, eine treue Freundin. Sie hatte noch viel vor. Wir schulden ihr noch viel mehr. Prof. Dr. Christina Köhlen, christina.koehlen@gmail.com Prof. Dr. Thomas Bals

Richtigstellung zum Artikel „Digitale Kompetenz unter Lehrenden – Eine Annäherung an eine schwierige Definition und die Messung der Medienkompetenz“ Zeitschrift PADUA in Heft 2 / 2018. Der Autor Herr Vogt ist nicht Leiter des Bereichs Fort- und Weiterbildung beim Landes-Caritasverband für Oldenburg e.V., wie es in dem Artikel erscheinen könnte. In dem Artikel wird Bezug genommen auf ein Projekt zur Lehrergesundheit im Kontext von eLearning und blended learning, welches es unseres Wissens nach nicht gibt. Andere, tatsächlich existierende Studien werden auf- und angegriffen und deren Erkenntnisse in Frage gestellt­. Klaus Brokamp LL. M., Stabsstelle Recht; Personal­ leitung. Landes-Caritasverband für Oldenburg e. V. brokamp@lcv-oldenburg.de

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Meldungen · Neuheiten


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Vorschau PADUA 2 /2019 Erscheint im April 2019

Schwerpunkt Pädagogische Diagnostik

Weitere Themen in PADUA 2/2019 Die Weiterentwicklung des Heidelbergers Curriculums – ein Praxisbericht Kulturelle Barrieren syrischer Flüchtlinge bei der Aufnahme einer Pflegeausbildung Eine qualitative Erhebung Digitale Lernszenarien Konzept, tutorielle Betreuung und gemeinsame Lernprozesse lassen digitales Lernen lebendig werden

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Gut vorbereitet für schwierige Gespräche

Viviana Abati / Stiftung Swisstransplant (Hrsg.)

Gespräche mit hohem Belastungsfaktor in der Medizin Praxislehrbuch für die Kommunikation mit Angehörigen 2019. 192 S., 33 Abb., 63 Tab., Kt € 39,95 / CHF 48.50 ISBN 978-3-456-85922-4 Auch als eBook erhältlich

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Ärzte und andere Fachpersonen müssen im klinischen Alltag mit Angehörigen oft Gespräche führen über lebensbedrohliche Verletzungen, Prognose von Krankheiten oder die Mitteilung über den Tod eines Familienmitgliedes meist ohne darauf vorbereitet worden zu sein. Dieses Buch vermittelt aufbauend auf wissenschaftlich relevanten Konzepten (u. a. aus der Notfallpsychologie) die hierfür notwendige Kommunikations-Kompetenz.

Das Werk beschreibt in didaktisch durchdachter und praxisorientierter Form, in welchen psychischen Ausnahmesituationen sich Angehörige von Patienten befinden, wie dadurch ihre Kommunikationsfähigkeiten eingeschränkt sind und wie die Fachpersonen konkret und professionell damit umgehen können. Zahlreiche Boxen und Übungen zur Anwendung und Selbstreflexion unterstützen und überprüfen den eigenen Lernerfolg.


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pflegeheute.de/dozentenbereich


Articles inside

Informiert sein und Handeln Patientenedukation in der Pflege

18min
pages 66-72

Vorbilder in der Pflege: eine monokulturelle Angelegenheit? Claudia Schlegel, Martin Siefers, Marion Engels, Ingeborg Beatty und Sinisa Delic

8min
pages 63-65

Praxislernen im Pflegestudium Teil 1: Professionalisierung in der Pflegepraxis: Anleitung von Studierenden – Erste innovative Schritte Nane Jakob und Anne Kaiser Teil 2: Durch Kollegiale Fallberatung den Austausch zwischen Pflegefachkräften und Studierenden fördern Helga Schell, Günter Milla und Astrid Herold-Majumdar

17min
pages 31-36

Zum aktuellen Stand der Lehrerbildung im Hinblick auf die Anforderungen im Pflegereformgesetz Christian Frieß, Silvia Wobst und Sebastian Koch

17min
pages 51-56

Aus der Praxis und für die Praxis: Entwicklung von pflegedidaktisch reflektierten Transferaufgaben Benjamin Kühme und Ethel Narbei

20min
pages 15-22

Ist doch eh alles das Gleiche, oder?!“ Praxisanleitung für Schüler_innen und Studierende German Quernheim

19min
pages 37-43

Das Praxiscurriculum im Studiengang Pflege dual – Das Osnabrücker Modell: Spagat zwischen Anspruch und Alltag Marlies Böggemann, Benjamin Kühme und Ute Schöniger

21min
pages 23-30

Methodische Kompetenzen von PraxisanleiterInnen für die hochschulische Ausbildung Armin Leibig und Karl-Heinz Sahmel

16min
pages 9-14

Das „Boot Camp“ Eine didaktische Methode zum Einstieg in den Schreibprozess einer Bachelorarbeit Christa Büker, Matthias Mertin, Irene Müller und Dominik Röding

16min
pages 44-50

Praxisentwicklungsstationen als kompetenzfördernde Lernumgebung für Pflegestudierende Doris Eberhardt

4min
pages 7-8
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