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Praxisentwicklungsstationen als kompetenzfördernde Lernumgebung für Pflegestudierende Mit der Etablierung primärqualifizierender Pflegestudiengänge stehen wir einmal mehr vor der Frage nach der qualifikationsgerechten Gestaltung der praktischen Ausbildungsphasen. Reuschenbach und Darmann-Finck (2018) verweisen im Anschluss an Dehnbostel (2007) auf drei arbeitsbezogene Lernformen: 1. Das arbeitsgebundene Lernen, bei dem informell über Erfahrungen gelernt wird, die beim praktischen Tun – auch über Instruktion und Anleitung – in der Arbeitsrealität erworben werden. 2. Das arbeitsverbundene Lernen, bei dem formelles und informelles Lernen verknüpft werden, indem Praxiserfahrungen mittels unterschiedlicher Methoden systematisch reflektiert werden. 3. Das arbeitsorientierte Lernen, bei dem in simulierten, möglichst realitätsnahen Lernsituationen schrittweise Handlungsabläufe eingeübt oder Handlungsalternativen erprobt und reflektiert werden.
Das arbeitsgebundene Lernen ist in der Pflegepraxis vorherrschend. Bei der Evaluation der Modellstudiengänge (Darmann-Finck et al. 2014) zeigte sich jedoch, dass gerade diese Form wenig geeignet ist, um den Aufbau von Kompetenzen auf Hochschulniveau zu fördern (Reuschenbach und Darmann-Finck 2018). Da die Kompetenzentwicklung hier wesentlich durch die Qualität der Arbeitsumgebung und die Qualität der Arbeits- und Lernaufgaben beeinflusst wird (Dehnbostel 2007), verwundert diese Erkenntnis nicht. Einrichtungen, in denen klinisch arbeitende Bachelorabsolvent_innen mit erweiterten Aufgaben flächendeckend eingesetzt werden, gehören nach wie vor zur Ausnahme (Eberhardt 2017). Und damit fehlen zwangsläufig Praxisanleitende, die aufgrund ihres akademischen Rollenprofils als Modell fungieren und die Studierenden im Rahmen des arbeitsgebundenen Lernens an ihre künftigen beruflichen Aufgaben heranzuführen können. Stattdessen bewegt sich die Praxisanleitung nach Aussage der Studierenden in besagter Evaluation vorwiegend auf dem Niveau der berufsschulischen Ausbildung (Darmann-Finck et al. 2014). Auf Hochschulseite existieren daher in der Regel eine Reihe von arbeitsverbundenen und -orientierten Lernangeboten, wie z. B. Projektarbeiten, Praxisreflexionen, Tutorenprogramme, Skills- und Simulationstrainings, Fallkonferenzen, Kollegiale Bera-
tungen, Aktionslernen usw., mit denen die Kompetenzentwicklung der Studierenden gezielt gefördert werden sollen. Weil sich die berufliche Realität jedoch nie in ihrer Komplexität simulieren lässt, ist das Potenzial vor allem des arbeitsorientierten Lernens begrenzt (Reuschenbach und Darmann-Finck 2018). Ein wichtiger Schritt scheint daher die Definition von Qualitätsstandards für Lehreinrichtungen der hochschulischen Pflegeausbildung (Darmann-Finck et al. 2017). Jedoch ist davon auszugehen, dass solche Standards nicht ohne Weiteres und vor allem nicht kurzfristig von allen Praxiseinrichtungen umgesetzt werden können. Ein gangbarer Weg für interessierte Einrichtungen könnte der Aufbau von sogenannten Praxisentwicklungsstationen sein. Diese Stationen – international auch unter dem Namen Nursing-, Practice- oder Clinical-Development Units bekannt – haben sich explizit zur Weiterentwicklung der Pflegenden und der Pflegepraxis durch systematische Methoden verpflichtet mit dem Ziel, pflegerische Exzellenz aufzubauen und langfristig zu sichern (Greenwood 1999). Vier Strategien spielen hierbei eine wichtige Rolle (Christian 1995): 1. Etablierung einer personenzentrierten Pflegepraxis 2. Implementierung einer Evidence-basierten Praxis 3. Gezielte Personalentwicklung 4. Reorganisation der Pflege
Als Nutzen von Praxisentwicklungsstationen wird die Befähigung von Pflegenden zur Veränderung und Weiterentwicklung der pflegerischen Versorgung, die stärkere Integration von Forschungsergebnissen bzw. neuem Wissen in die Praxis, die Ermöglichung von kreativem und innovativem Pflegehandeln sowie die bessere Vernetzung von Praxis und Hochschulen beschrieben (Flint & Wright 2001; Greenwood & Parsons 2002). Darüber hinaus erfüllen Praxisentwicklungsstationen eine Reihe von Kriterien (Schiereck 2000): So sind hier nicht nur akademische Pflegerollen vorzufinden, sondern auch Programme und Aktivitäten zur begleitenden Kompetenzentwicklung aller Mitglieder des Pflegeteams, ebenso wie Führungspersonen, die eine Kultur fördern, in der Veränderung, Entwicklung und Lernen zum obligatorischen Bestandteil einer professionellen Praxis gehören. Damit erscheinen Praxisentwicklungsstationen nicht nur als vielversprechendes
©2019 Hogrefe PADUA (2019), 14 (1), 5–6 https://doi.org/10.1024/1861-6186/a000466
Editorial
Doris Eberhardt