PUBLIC INTEREST
AUF DEM ANSPRUCHSVOLLEN WEG IN EINE NEUE (MOBILE) WELT
© Berenika Oblonczyk
TEXT: Prof. Johannes Busmann, Herausgeber polis Magazin & Initiator polis Convention
Wie zielgerichtet könnte man doch den ganzen Veränderungs- und Erneuerungsprozess vorantreiben, wenn es sich einfach nur um den Beginn eines neuen Innovationszyklus handeln würde. Stattdessen wird immer deutlicher, dass die Koordinaten, die zu der erfolgreichen Entwicklung des Autos und damit auch der Ordnung und Hierarchie der öffentlichen Räume beigetragen hat, so alleine nicht mehr tauglich sein werden. Allein die Frage, welche Technologien sich als tragfähig erweisen, bestimmend die Mobilität von morgen zu stützen, bleibt trotz der zunehmenden Ausrichtung auf Elektromobilität noch lange offen. Die Innovationen im Bereich der Batterietechnologien lassen erkennen, dass hier sicherlich noch entscheidende Entwicklungen in den kommenden Jahren zu erwarten sind. Gleiches gilt für die Energieträger Wasserstoff und synthetische Brennstoffe. All diese Entwicklungen lassen erkennen, dass sich die Mobilität von morgen unausweichlich an der Frage der Energie entscheiden wird. Brennstoffzelle, Batterie, synthetische Brennstoffe – keine dieser Technologien kann ohne die Fragen nach Energieerzeugung und Energieversorgung erfolgreich funktionieren. Die Mobilität der Zukunft kann nur noch aus einer Sektor-übergreifenden Perspektive auf den Energiebereich erwachsen.
Das Wort Mobilität hat sich in den vergangenen Jahren mit großer Selbstverständlichkeit in unserem Sprachgebrauch präsent gemacht. Es ist zu einem Schlüsselbegriff in der gesellschaftspolitischen Debatte um die Zukunft von Produkten, Systemen, Dienstleistungen und Nutzung von verfügbaren öffentlichen Räumen geworden. Und zugleich markiert dieser scheinbar unausgesprochen den Schritt aus dem Zeitalter des Automobils in ein komplexes Verständnis von Bewegung. Doch so einfach wie der Gebrauch des Wortes fällt uns der Weg in die neue Mobilität nicht. Zunehmend wird deutlich, dass der Abschied aus dem produktorientierten Jahrhundert des Automobils nicht zugleich das klare und eindeutige Bild verfügbar hält, was uns denn in der Welt von morgen für eine neue Mobilität erwartet.
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MEINUNG
Wofür werden wir aber überhaupt den Bedarf haben, mobil zu sein? Die Ordnung der modernen Städte mit ihrer funktionsgetrennten Entwicklung verliert zunehmend ihre Bedeutung. Wo arbeiten wir? Müssen wir künftig noch pendeln oder wird das Homeoffice diesen Mobilitätsbedarf mehr und mehr obsolet machen? Verliert die Innenstadt durch den E-Commerce endgültig ihr Privileg als Handelsstandort oder werden die Energiekosten für Logistik wieder zu einer Neubewertung der City führen? Stehen die Metropolen vor einer Krise und das städtische Umland vor einer Renaissance, weil sich kaum noch einer das Pendeln und die hohen Mieten leisten kann? Welche Verkehrssysteme und Mobilitätsangebote werden dieser ausdifferenzierten und komplexeren Wirklichkeit entsprechen und erfolgreich sein? Und über all den offenen Fragen liegt die Aufgabe, Mobilität dauerhaft klimaneutral zu gestalten und für die ganze Gesellschaft zugänglich zu machen. Lebenswerte Städte, Quartiere und Nachbarschaften entstehen nicht aus einer neuen Mobilität, sondern bilden die Vorgaben für das, was wir an vielfältiger und effizienter Mobilität benötigen. Die gesellschaftliche Akzeptanz zukünftiger Mobilitätsangebote wird sich an der Frage entscheiden, ob diese dem öffentlichen Interesse an einer gesunden Umwelt und offenen Gesellschaft Rechnung tragen.