INTERVIEW
KINDERLOSIGKEIT
ZU SEHEN AUF NETFLIX
IST EIN TABU-THEMA
Regisseurin Ulrike Kofler über ihr Kinderwunsch-Drama „Was wir wollten“, das pandemiebedingt nun bei Netflix gestartet ist. Eine spätere Kinoauswertung wird jedoch überlegt.
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schichte von Peter Stamm, die mich sehr berührt hat: Es gibt da dieses Paar, das den Urlaub einfach nicht genießen kann. Die beiden sehen immer nur das Glück der anderen, nie ihr eigenes. Das Thema Kinderwunsch ist für jedes Paar sehr persönlich, auch für mich. Ich bekam mit 33 mein erstes Kind, wollte dann noch ein zweites, aber das hat nicht mehr geklappt und warf mich in eine regelrechte Lebenskrise. Ich fragte mich: Wenn ich schon so darunter litt, wie muss es dann erst Paaren gehen, die gar keine Kinder haben? Ungewollt kinderlos zu sein, das betrifft in Europa jedes fünfte Paar.
Ulrike Kofler
Pamela Russmann
E
igentlich hätte dieses Interview bereits Mitte November erscheinen sollen, denn für damals war der österreichische Kinostart von „Was wir wollten“ geplant. Doch der Lockdown verunmöglichte selbst die Galapremiere in Wien. Ulrike Kofler trug es mit Fassung: Das Regiedebüt der Schnittmeisterin - sie saß etwa an allen Filmen von Marie Kreutzer am Schneidetisch - ist nämlich inzwischen weltweit auf Netflix zu sehen, und kann dort ab 22. Dezember auch in Österreich gestreamt werden. „Es ist schade um den Kinostart“, sagt Kofler, aber wenigstens könne der Film sein Publikum finden. Inhaltlich setzt sich „Was wir wollten“ mit dem Thema Kinderwunsch auseinander: Alice (Lavinia Wilson) und Niklas (gegen den Typ besetzt: Elyas M’Barek) sind ein glückiches Paar - aber leider kinderlos, trotz etlicher In-VitroVersuche. Die Ärztin rät dem Paar zu einer Auszeit, ein Urlaub auf Sardinien soll es auf andere Gedanken bringen. Aber wie, wenn in der Ferienwohnung nebenan ausgerechnet ein Ehepaar aus Tirol einzieht, das mit gleich zwei aufgeweckten Kindern gesegnet ist und dem Paar ständig die eigene Sehnsucht nach Nachwuchs in Erinnerung ruft. „Was wir wollten“ wurde von Österreich zur Vorauswahl für die Oscar-Kategorie „Bester fremdsprachiger Film“ eingereicht.
celluloid: Frau Kofler, wie ist das Gefühl, aus dem Schneideraum heraus auf den Regiestuhl zu wechseln? Ulrike Kofler: Es ist ein langer Prozess gewesen, denn ich bin sehr gerne Cutterin und werde das auch sicher bleiben. Aber mein Wunsch, eigene Geschichten zu erzählen, war immer schon da, ich habe schon etliche Drehbücher geschrieben, schon während meines Studiums in Köln. Wieso das Thema Kinderwunsch? Der Film basiert auf einer KurzgeCELLULOID FILMMAGAZIN
Ist unsere auf den Beruf fokussierte Gesellschaft daran schuld? Es ist ein Tabuthema, und gerade bei Akademikern sind über 40 Prozent kinderlos, weil sich im Leben alles nach hinten verschiebt, Studium, Job und Karriere sind erst einmal wichtiger, und dann ist es oft schon zu spät. Haben Sie recherchiert, welchen Einfluß die Psyche hat, wenn Paare kinderlos bleiben? Machen sie sich zu viel Druck? Die Psyche spielt sicher eine Rolle und es ist Zeit, diesem Thema eine laute Stimme zu geben. Aber mich hat auch ein anderer Faktor interessiert: Wir leben in einer Zeit, wo alles möglich und käuflich ist. Dieser neoliberale Gedanke ist auch