Die Niederösterreicherin April 2021

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Leben

AUSDRÜCKLICH ERWÜNSCHT:

Mit dem Essen spielen Nach einem schwierigen Start ins Leben marschieren die Zweijährigen Luca und Joseph heute gestärkt und offener durchs Leben, ihre Familien erleben einen genussvolleren Alltag: Wir besuchten die Kinder- und Jugendreha-Einrichtung kokon in Bad Erlach.

E

s ist wie die Leinwand eines Künstlers, das hier im Kollektiv von gutgelaunten Kleinkindern mit Leben erfüllt wird. Ihre Farben sind Lebensmittel, die Speisen ihres Mittagessens, und wenn kleine neugierige Finger in eine Schüssel eintauchen oder ein Schokoklecks auf der Nase landet, können das bahnbrechende Therapieerfolge bedeuten. Joseph und Luca heißen die beiden jungen Herren, die wir an diesem Tag während ihrer Reha im „kokon“ Bad Erlach (siehe Info) begleiten dürfen. Sie sind zwei von acht Kindern, die in einem Turnus einige Wochen dort verbringen, weil ihnen frühkindliche Essstörungen den Lebensstart erschweren. Mit Bulimie oder Magersucht, wie sie später bei Jugendlichen auftreten können, hat das nichts zu tun; bei den Zweijährigen lautete die Diagnose Ösophagusatresie. Dabei handelt es sich um eine angeborene Fehlbildung: Entweder hat die Speiseröhre keine Verbindung zum Magen und mündet in die Luftröhre oder sie ist so stark verengt, dass keine Nahrung passieren kann. Zirkusdirektor. „Joseph ist das erste Mal bei uns“, schildert die ärztliche Direktorin Anna Maria Cavini, während der junge Mann, angespornt von Mama und Physiotherapeutin, den bunten Turnsaal erforscht. „Seine Mama hat

Text: Viktória Kery-Erdélyi

Fotos: kokon/Kurt Patzak

während des Lockdowns Phänomena- überall Liebesbotschaften hinterlassen“, les zu Hause geleistet; davor hat er fast strahlt die ärztliche Leiterin. Dass Luca nichts gegessen, heute ist er schon sehr feste Substanzen zu essen beginnt, war weit.“ Joseph erklimmt gerade die Rut- ein Meilenstein. Er hatte zuvor kaum sche und überlegt einen Moment, ehe einen Muskeltonus, konnte nicht sitzen er sich ins Abenteuer stürzt. Unten an- und stehen. Inzwischen macht er seine gekommen erntet er Applaus und lacht. ersten Schritte, ist offener geworden. „Das ist das Schönste, wenn die Kinder strahlen, wenn sie etwas schaffen. Die beste Motivation für uns alle“, sagt Cavini. „Wir sehen uns beim Spielessen, du kleiner Zirkusdirektor!“, ruft sie ihm zum Abschied zu. In einem anderen Zimmer dürfen wir Luca und seiner Ergotherapeutin über die Schulter schauen. Der Bub hat mehrere Operationen hinter sich; er wurde mit Ösophagus­ atresie und taubstumm geboren. „Er war schon einmal bei uns, davor musste er voll mit Fläschchen ernährt werden“, sagt Cavini. „Wenn ich einen schlechten Tag habe, muss ich das Foto von Luca im Büro anschauen. Seine Mama hat dazugeschrieben: ,Unser geheiBAHNBRECHEND. Luca hat mehrere mes Ziel haben wir erreicht Operationen hinter sich, mit Mama Nadine – Pommes und Schnitzel.‘ Lengauer rockt er heute die Ergotherapie. Sie hat als Dankeschön uns 82


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