lie:zeit Ausgabe 88

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polit:zeit

09/2020

2. September 1945: Der japanische Aussenminister Shigemitsu unterzeichnet auf dem Schiff «USS Missouri» die Kapitulation. (Wikipedia Commons)

«Der Krieg ist zu Ende, der Friede kommt …» Vor 75 Jahren endete nach sechs schrecklichen Jahren der Zweite Weltkrieg. Wie erlebte Liechtenstein die letzten Wochen und Tage des Krieges? An dieser Stelle sei vorab das Militärische herausgegriffen, dazu der Flüchtlingsandrang und die Landtagswahl 1945. Text: Peter Geiger

Liechtenstein war im Krieg ungeschützt, waffenlos, neutral wie die Schweiz, an diese eng angelehnt. Es war in die schweizerische Kriegswirtschaft mit Rationierung, Kontingentierung und Mehranbau integriert. Solange die Kriegsfronten in Europa entfernt lagen, konnte Liechtenstein still im Winkel verharren. Freilich lauerte immer von aussen und auch von innen die Gefahr eines Anschlusses ans Dritte Reich. Der Kriegsverlauf zuungunsten von Hitler und Co. – Stichwörter: alliierte Landung in Nordafrika 1942, Stalingrad 1943, Landung

in der Normandie 1944 – rettete auch Liechtenstein und seine Bevölkerung vor dem NS-Terror und dem Verschwinden in Hitlers Grossdeutschland und dessen «Neuem Europa». Nicht zu vergessen: Alliierte Soldaten in West und Ost starben auch für Liechtenstein. Nach dem Überschreiten des Rheins im Elsass kämpfte sich im April 1945 eine französische Armee von Basel her rasch nördlich der Schweizer Grenze Richtung Bodensee und Vorarlberg vor – und damit immer näher an Liechtenstein. Deutsche

Truppen wehrten sich. Feldkirch sollte verteidigt werden. Was bereitete Liechtenstein in dieser Lage vor?

Grenzschutz Die liechtensteinische Regierung ersuchte die Schweiz Mitte Februar 1945 um militärischen Grenzschutz für die liechtensteinisch-deutsche Grenze. Die Schweiz beschied die Bitte aus Neutralitätsgründen zwar abschlägig, sandte aber auf den 23. April eine Kompanie Grenzwachtrekruten. Diese bewachte mit 100 Mann und 15 Offizieren nun zusammen mit

der liechtensteinischen Polizei, die samt Hilfspolizei rund 60 Mann umfasste, die Grenze zum Reich. Die einheimische Polizei hatte einige Maschinenpistolen erhalten. Militärischer Schutz war das Ganze aber nicht. Es ging vielmehr darum, unkontrolliertes Eindringen von Flüchtenden zu vermeiden. Vom 23. bis 28. April wurde in aller Eile ein Grenzzaun errichtet, von Schaanwald aus übers Maurer Riet, den Schellenberg und das Ruggeller Riet bis zum Rhein. Dafür wurden 10’000 Rollen Stacheldraht


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