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meine:zeit
04/2021
«Die Politik ist eigentlich zu mir gekommen» Als Kind durfte Nadine Gstöhl zu Hause nicht mitjassen, politisch besonders interessiert war sie auch nicht. Beides hat sich in der Zwischenzeit geändert. In der neuen Legislaturperiode mischt sie als stellvertretende Abgeordnete im Landtag mit und profitiert dabei unter anderem von dieser Kindheitserfahrung. Text: Heribert Beck
«Mein Vater hat mir damals beim Jassen erklärt, dass man beim Zuschauen am meisten lerne. Ich wollte aber nicht immer nur zuschauen, bis ich alt bin, sondern mitmachen», sagte Nadine Gstöhl bereits bei der Nomination des Landtagsteams der Freien Liste im vergangenen November. Diese Abfuhr habe sie geärgert, gleichzeitig aber auch angespornt, die Regeln schnell zu lernen, um zumindest anderswo mitjassen und später in anderen Lebensbereichen mitreden zu können. Nadine Gstöhl gibt dennoch offen zu, dass sie bei der Nomination noch nicht damit gerechnet hat, welchen Wahlerfolg sie am 7. Februar als Neuling auf dem politischen Parkett einfahren sollte.
In unserem kleinen Team müssen wir uns ohnehin alle überall einbringen. Nadine Gstöhl
Erfolgsgeheimnis: geselliger Vereinsmensch «Woran das liegt, ist schwer zu sagen. Als Neuling lebt man aber sicher von dem, was man in den vorangegangenen zehn
Jahren gemacht hat und nicht von wenigen Monaten Wahlkampf oder einem Parteiprogramm», sagt Nadine Gstöhl. Zwar hat sie an alte Bekannte und Freunde rund 300 persönliche Briefe geschickt und für ihr persönliches Programm geworben. «Dass ich am Ende aber viele Stimmen von anderen Parteilisten erhalten habe, liegt wohl eher daran, dass ich ein bodenständiger Vereinsmensch bin, es liebe, unter Leute zu gehen und mich gerne engagiere, wenn mir eine Sache wichtig ist.» Engagiert hat sie sich bereits seit ihrem 15. Lebensjahr in der Harmoniemusik Balzers, wo sie bis heute Klarinette spielt, später dann im Fischereiverein und in der Gartenkooperative, die ihr Mann ins Leben gerufen hat und bei der sie im Hintergrund von Anfang an mitwirkte sowie schliesslich auch in der Politik. «Ich habe natürlich hin und wieder Landtagsdebatten verfolgt, stand aber keiner Partei nahe, und aktiv in die Politik gedrängt hat es mich ohnehin nicht. Die Politik ist eigentlich zu mir gekommen», sagt Nadine Gstöhl und lacht. Im Haus, das sie mit ihrer Familie bewohnt, hat ihr Mann vor einigen Jahren einen Coworkingspace eingerichtet. Neben anderen Nutzern ist 2018 auch die Freie Liste dort eingezogen und hatte dort bis vor kurzem ihren Geschäftssitz. «Das Programm der FL hat mir schon immer zugesagt, und Thomas Lageder, der damalige Geschäftsführer der Partei, hat
mir als Politiker imponiert. Da die Geschäftsstelle der Freien Liste einen Stock über meiner Wohnung eingemietet war, sind wir dann in engeren Kontakt gekommen, haben viele Gespräche geführt – und eins kam zum anderen. Schliesslich habe ich Thomas gesagt, dass ich bereit bin, zu kandidieren, wenn er nochmals antritt. Als die Anfrage kam, habe ich nach einer gewissen Bedenkzeit daher gerne zugesagt.»
Im Fischereiverein bestens aufgenommen Ihren Anfang genommen hat die Lauf bahn von Nadine Gstöhl in öffentlichen Positionen aber eigentlich bereits vor rund zehn Jahren, als sie zum Fischereiverein gestossen ist. «Mein Vater hat viele Jahre in der Schweiz geangelt. Im Gegensatz zum Jassen durfte ich ihn dabei schon als kleines Mädchen aktiv begleiten», sagt sie und lacht. Sie kannte sich aus, wusste wie man Fische fängt und ausnimmt. «Dann ist mein Vater in der Schweiz jedoch aus dem Verein ausgetreten, und ich habe zu ihm gesagt, dass es schade wäre, ganz aufzuhören.» So schlug Nadine Gstöhl ihrem Vater vor, gemeinsam die Prüfung in Liechtenstein abzulegen. Beide waren erfolgreich, und Rainer Kühnis, damals Mitglied des Liechtensteiner Fischereivereins wurde auf sie aufmerksam. «Rainer hat mir später einmal bei einem Bier im Gasthaus Löwen in Bendern erklärt, dass er
sich als Präsident des Fischereivereins engagieren möchte, dass es im Vorstand noch jemanden brauche, der Anlässe organisiert und dass ich so die erste Frau in diesem Gremium sein könnte. Letzteres war mir nicht so wichtig. Aber der Verein liegt mir am Herzen, und gesellige Anlässe liebe ich ohnehin, also habe ich zugesagt», sagt Nadine Gstöhl. Die erste Vorstandsitzung war dann sehr amüsant. «Zuerst meinten meine männlichen Kollegen, sie dürften jetzt wohl nicht mehr ihre gewohnten Witze in die Runde werfen, da nun eine Frau mithöre. Ein Vorstandsmitglied hat aber zum Beispiel auch extra für mich eine Heizung für die eher zugige Fischerhütte organisiert. Später sagte Rainer, dass man nun die Statuten ändern müsse, da damals alle Bezeichnungen männlich waren. Ich habe gesagt: ‹Wow Rainer, das ist mir noch gar nicht aufgefallen.› Und so gestaltete sich die Zusammenarbeit im Vorstand von Anfang an respektvoll und wertschätzend», sagt Nadine Gstöhl.
Verschiedene Familienmodelle gelebt Die weibliche Hand und das Auge fürs Detail taten dem Fischereiverein auf jeden Fall aber gut. «Wenn wir unsere Fischessen vorbereitet haben, musste ich die fast ausschliesslich männlichen Helfer schon anleiten, wie man Servietten faltet und den Tisch attraktiv deckt. Dumme Sprüche musste ich mir aber nie anhören. Mei-