ESSEN & TRINKEN TRADITION
EL AVISO | 12/2021
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Potenzial. Aus einer Bleiplatte wird ein Anker, aus einem Autoventil ein Zündverteiler. Natürlich baut Felipe auch Schiffe aus Modellbausätzen und verfeinert sie mit eigenen Ideen, aber am liebsten sind ihm die Boote, die mit Kopien von Originalbauplänen und Fotos von Details beginnen und deren technische Umsetzung ganz seiner Fantasie und seinen TüftlerFähigkeiten überlassen bleibt. „Es wäre doch fantastisch, wenn das Unterrichtsfach Kreativität in der Schule eingeführt werden würde. Jedes Kind bekommt ein Stück Holz in die Hand mit der Aufgabe, etwas daraus zu machen. Jeder von uns hat einen Künstler in sich, man muss ihn nur entdecken.“
Große Leidenschaft für kleine Schiffe Der Modellbauer Felipe Munar aus Palma fertigt in monatelanger Handarbeit ferngesteuerte Miniatur-Boote, vom Llaüt bis zum Windjammer
Felipe klopft auf Holz. Genauer gesagt auf die Planken des Llaüts, das in seinem Flur steht. „Hörst du den Unterschied? Das Deck und die Spanten sind aus Holz gefertigt.“ Wieder ein Klopfen. „Und der Schiffsrumpf aus verstärktem Papier.“ Felipe Munar erklärt mit unbändiger Leidenschaft jeden einzelnen Zentimeter seiner aufwändigen Schiffsmodelle. Der 64-Jährige strahlt, wenn er überraschende Details vorführt oder seine besten Werke präsentiert. Solche Prachtexemplare sind wie Ausstellungsstücke auf Borden und Regalen im Haus aufgereiht.
Ein Tüftler voll unbändiger Kreativität Seine Liebe zu den Feinheiten bei der Arbeit an den Modellbooten geht bis hin zu den scheinbaren Nebensächlichkeiten, die der Mini-Nachbildung aber erst das gewisse Extra verleihen. Seine mit einer Medaille ausgezeichnete Yacht „Riva Aquarama“ hat nicht nur zweifarbige Planken aus abwechselnd verlegtem Iroko- und Pinienholz, sondern ist sinnigerweise sogar mit einem Schlüsselbund im Zündschloss und einigen Softdrinks in einer Kiste hinter dem Ledersitz ausgestattet. Während er das Boot wieder vorsichtig auf seine Halterung stellt, verrät er die eigentliche Faszination, die der Modellbau auf ihn ausübt. „Ich mag es, aus dem Nichts etwas zu konstruieren. Wie ein Maler, der auf einer leeren Leinwand ein Kunstwerk erschafft, so ist es meine größte Freude, aus unscheinbaren Materialien meine Boote zu gestalten.“ Liegt ein weggeworfener Gegenstand auf der Straße, beachten ihn die meisten Menschen gar nicht – Felipe aber sieht dessen
Anspruchsvolles Hobby mit vielen Fans Felipe Munar ist sein ganzes Leben lang ein Bastler gewesen. Schon als junger Mann beim Militär hat er Boote aus Streichhölzern gebaut, seit 2006 ist er Teil der mallorquinischen Modellbauszene. Inzwischen sogar Präsident des Club Modelismo Naval de Mallorca. Der quirlige kleine Mann ist der beste Botschafter, den man sich für dieses anspruchsvolle Hobby vorstellen kann. In dem Verein sind bis zu 70 Leute Mitglied, aber nicht alle mögen es, mit ihren Arbeiten in die Öffentlichkeit zu gehen. Damit die wundervollen Modelle trotzdem einem großen Publikum zugänglich
werden, holt Felipe sie bei den Clubkollegen zu Hause ab und präsentiert sie in ihrem Namen bei Messen, Festen oder anderen Events. Als ehemaliger Vertreter für Friseurprodukte hat er genau die Fähigkeiten, die es braucht, um Menschen für etwas zu begeistern. Und so ist es kein Wunder, dass die Fan-Szene auf Mallorca anwächst. Nicht nur in den Reihen der Zuschauer, sondern auch der Sammler, die Lieblingsexemplare oder gar ihre eigene Yacht en miniature besitzen wollen. Ein Casino unter Deck Das Wissen um die Konstruktion von Schiffen hat Felipe Munar von einem Mestre d’aixa erworben, einem Meister der Axt, wie die traditionellen Bootsbauer auf Mallorca genannt werden. Es dauert viele Monate, manchmal ein ganzes Jahr, bis so ein Modellboot fertiggestellt ist. Einen Eindruck vom Umfang der Arbeit bekommt man, wenn man sich hinunter beugt zu den Schiffen und die mit Liebe und Sorgfalt gestalteten Details betrachtet. Dabei kommt dann zuweilen Überraschendes zutage. Beim Nachbau eines Mississippi-Raddampfers hat Felipe seinen Sinn für historische Akkuratesse bewiesen. „Solche Dampfer waren im 19. Jahrhundert ja auch schwimmende Spielsalons und Bordelle …“ Voilà! Nach einer Spannungspause und mit einem verschmitzten Lächeln hebt er das Oberdeck ab und lüftet das Geheimnis um das Innenleben des Bootes. Unter Deck nämlich ist vom grün bezogenen