ESSEN & TRINKEN GESUNDHEIT
EL AVISO | 09/2021
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Du sollst nicht töten (2. Moses 20.13)
In der Debatte um die Erhöhung von Spenderzahlen wird häufig auf das spanische Transplantationssystem verwiesen. Danach gilt jeder Bürger als Organspender, solange er nicht
ausdrücklich
widerspricht.
Autor Ralph D. Wienrich ist bei der Recherche auf Fakten gestoßen, die meist verschwiegen werden, und die ihn selbst schockiert haben. Foto: Shutterstock
Wenn angeblich nur ein Hirntoter die Voraussetzung für eine Organentnahme ist, müssen wir uns zunächst ernsthaft fragen, wie tot ist der Hirntote wirklich? Empfindet er bei der Organentnahme tatsächlich keine Schmerzen, weil ein Toter bekanntlich ja keine Schmerzen mehr haben kann, oder erleidet er bei einer Organtransplantation, bei einer Organspende barbarische Schmerzen? Was gern als ein Akt der Nächstenliebe am Organempfänger gepriesen wird, kann schnell auch zu einem Gewaltakt am sterbenden Spender werden. Wann ist ein Mensch tot? Der Tod eines Menschen ist für uns dann klar, wenn das Herzkreislaufsystem zum Stillstand gekommen ist und die Atmung aufgehört hat. Abseits der Transplantationsthematik ist das wohl bis heute die für Jedermann verständlichste Todesdefinition. Doch er gibt einen kleinen Unterschied: Tote können keine Organe spenden! Hirntote wohl, weil deren Organe kühl und frisch am Leben gehalten werden. Dieser für hirntot Erklärte fühlt sich wie ein Lebender warm an, er wird beatmet. Aber die Hirntodproblematik ist nichts weiter als ein Todesvehikel, das in der Transplantationsmedizin zum Tragen kommt, weil man unbedingt Organe benötigt. Im normalen Sterbevorgang stirbt 10 bis 13 Minuten nach dem Herztod das Gehirn, 10 bis 20 Minuten später sterben die Zellen des Herzgewebes und der Lunge und nach 1 bis 2 Stunden setzen die Nieren aus. Als letztes Organ arbeitet nur noch der Magen-Darm-Trakt (Quelle: Fachliteratur). Organe nur von noch “lebenden” Menschen Aus diesem Grund kann die Transplantationsmedizin mit der althergebrachten Definition des Todes nicht leben. Denn mit Eintritt des Todes fließt kein sauerstoffreiches Blut mehr durch die Zellen und der Verwesungsprozess setzt ein. Die Qualität der Organe des Verstorbenen verschlechtert sich von Minute zu Minute. Das heißt also, wenn man Organe erfolgreich transplantieren will braucht man unbedingt Organe von lebenden Menschen, nicht von Toten! Ein für hirntot erklärter Mensch ist aber mittlerweile nach Ansicht von renommierten Wissenschaftler und Forschern nicht tot und verspürt folglich bei der Organentnahme barbarische Schmerzen. Aus diesem Grund empfiehlt auch die deutsche Stiftung für Organ-Transplantation zur Optimierung des chirurgischen Eingriffs die Verabreichung sehr starker Schmerzmittel. Aber warum braucht ein Toter auf Empfehlung der Transplantationsmedizin überhaupt eines der stärksten Schmerzmittel, wenn er doch als Toter überhaupt keine Schmerzen mehr verspürt? Nicht selten berichten schockierte Chirurgen von Horrorerlebnissen und das sie Organspender auf dem OP Tisch festschnallen mussten, um irritierende Bewegungen des Spenders zu verhindern. Hirntod-Begriff erst seit 1968 Der Stuttgarter Kardiologe Paolo Pavastro ist einer, der in dieser Situation Farbe bekennt. Für ihn ist der Hirntod eine arglistige Täuschung, die nur den Weg problemloser für eine Organtransplantation frei machen soll. Diese Hirntod-Diskussion dient ausschließlich der Transplantationsmedizin. Aber dabei ist bedeutsam, dass naturwissenschaftlich dieser 1968 in den Staaten extra für die Organtransplantation eingeführte Terminus nicht dem Tod unseres Verständnisses gleichzusetzen ist, er ist wissenschaftlich völlig unhaltbar. Aber nur über diesen Hirntod ist an die benötigten wie begehrten Organe überhaupt heranzukommen, die über das Vehikel Hirntod am Leben gehalten werden. So gesehen ist dieser für Hirntod erklärte bestenfalls ein Sterbender, aber immer noch ein lebender Mensch, für den es aber auch noch einen Weg zurück ins Leben geben kann!
Die Angehörigen Die Diskussion mit Angehörigen um die Freigabe von Organen noch lange vor der Stunde „Null“ nimmt mitunter groteske Züge an. Was ihnen als ein Akt der Nächstenliebe und auch als eine Art Trost “verkauft” wird, das mit dem gespendeten Organ ein Teil des geliebten Angehörigen in einem anderen Menschen jetzt weiterlebe, erweist sich dann später im Leichenkeller als ein Horrorerlebnis: Entsetzt blicken sie nicht selten in völlig entstellte Gesichter und geschundene Körper. Die Diskussion, ob eine Organspende ein christlicher Akt der Nächstenliebe oder aber doch eher ein Gewaltakt am Sterbenden ist, wird verstärkt geführt. Die Ärztin und promo-vierte Chirurgin Dr. Regina Breul, ist mittlerweile gegen den fremdnützigen Zugriff auf den sterbende Menschen: „2008 bin ich auf sehr vehemente Weise damit konfrontiert worden, dass die Hirntod-Diagnostik nicht stimmt, dass also diese Patienten, denen man Organe entnimmt, noch Lebende sein müssen. Als Ärztin kann ich es nicht vertreten, weil ich kein Leben beenden darf, und als Christin sowieso nicht. Mittlerweile gibt es im-mer mehr Kolllegen, die das Thema kritisch sehen“. Viele Ärzte und Mitglieder des Pflegepersonals bewegt das Thema: „Ich glaube das große Problem in der Transplantationsmedizin besteht darin, dass die Verantwortung verteilt wird. Der Neurologe stellt den Hirntod fest, dann kommt der Explanteur und entnimmt die Organe. Er weiß, das der Neurologe diesen Menschen für hirntot erklärt hat, also kann er die Organe entnehmen. Dann kommen die Organe in das Krankenhaus und können transplantiert werden. Die Verantwortung ist nie in einer Hand. Sie ist aufgeteilt, und dadurch fühlt sich keiner wirklich verantwortlich.“ Der Fall Trenton McKinley Der irreversible Hirntod war bereits bei dem 13-jährigen Trenton McKinley im US-Staat Maine festgestellt worden und seine Eltern hatten sich bereits für die Freigabe seiner Organe entschieden. Doch als die Ärzte die letzten Gehirnscans machen wollten, um seinen Gehirntod zu bestätigen, bewegte sich Trenton plötzlich. Trenton kehrte ins Leben zurück. In einer ähnlichen Situation hat eine Familie in Europa, die lange und schwer an ihrer aus Nächstenliebe geprägten Entscheidung, Organe ihres schwer verletzten Sohnes zur Transplantation freizugeben, unter dem Trauma gelitten, den noch lebenden Sohn auf dem OP Tisch sterben zu lassen. Zwischen dem klinischen Tod und dem biologischen Tod liegt ein Zeitraum innerhalb dessen eine Wiederbelebung gelingen kann. Biochemisch gesehen ist der Tod nämlich kein funktionelles Ereignis, sondern ein Prozess. Zwischen Ethik, Moral und Gesetz Ohne Hirntod würde es die Transplantationsmedizin also gar nicht geben. Es geht hier um Ethik, Glaube, Gesetz und Moral. Es erhebt sich doch die Frage, muss das Recht auf Leben nicht höher bewertet werden? Welchen Stellenwert darf der als Organspender in den medizinischen Blickwinkel Geratene für sich überhaupt noch beanspruchen und welchen der auf der Warteliste stehende, der auf ein lebensrettendes, lebensverlängerndes Organ hofft? Krankheit, Sterben und Tod verdrängen wir, aber dennoch bleiben diese Themen wichtig für jeden, denn eines Tages wird man zwangsweise damit konfrontiert. Der Tod war früher für uns ein komplexes Problem, ein medizinisches, ein theologisches, ein juristisches, jetzt ist es nur noch ein medizinisches! Und ein finanzielles, denn beim Thema Organspende spielt auch der – illegale – Organhandel eine Rolle.