Eine Wucht von einem Film
„Herr Bachmann und seine Klasse“ gibt einem den Glauben an die Menschheit zurück.
A
us Marokko, Rumänien, Bulgarien, Kasachstan, Russland, Brasilien, Sardinien, der Türkei und auch Deutschland stammen die zwölfbis vierzehnjährigen Kinder, die die Klasse 6b der Georg-BüchnerSchule, eine kooperative Gesamtschule im hessischen Stadtallendorf in der Nähe von Marburg, besuchen. Industriegebiet, 70 Prozent Immigrantenanteil, Integration eine Priorität. Das erfährt man in Maria Speths außerordentlich wundervollem Dokumentarfilm (Silberner Bär und Publikumspreis Berlinale 2021) aber nicht etwa über Talking Heads, einem Off-Kommentar oder durch eingeblendete Diagramme. Sondern über die Bilder, die sie findet und aus der Interaktion der Schüler mit ihrem Lehrer Dieter Bachmann, ihrem Bezugspunkt. Ein Mann kurz vor der Pensionierung, der absolut nicht aussieht und sich benimmt, wie man sich einen Lehrer allgemein vorstellt. Er trägt AC/DC-T-Shirts, Kapuzenpullover, Strickmützen. Vor allem aber hört er den Kindern wirklich zu, nimmt sie ernst, interessiert sich für sie und bringt sich dabei immer auch als Mensch selbst ein. Er involviert sie respektvoll in seinen Unterricht, erarbeitet mit ihnen gemeinsam das Wissen, das
sie erlangen sollen, anstatt sie es auswendig lernen zu lassen. MIT DEM HERZEN SPRECHEN So ist der Film auch ein Lehrstück über Pädagogik und über Vertrauen. In Herrn Bachmanns Klasse wollen sich die Kinder entfalten. Und immer wieder spielt Musik eine wesentliche, alle(s) integrierende Rolle: Aus unterschiedlichsten Kulturkreisen musizieren sie miteinander, singen Songs, die 50 Jahre alt sind und sie trotzdem einen, weil sie dadurch alle dieselbe Sprache sprechen.
Mit intensiver, nah an den Kindern pulsierender Kamera (Reinhold Vorschneider), investigativ und dabei stets zärtlich, erzählt der Film auch wie beiläufig sehr eindrücklich von den Strukturen einer kleinen, westdeutschen Industriestadt, deren Geschichte bis zurück in die NS-Zeit von Migration geprägt ist. Das Ergebnis ist nicht weniger als eine Wucht, ein Ereignis, das man gesehen haben muss – und von dem niemand unberüht bleiben kann. www.facebook.com/ HerrBachmannMadonnenfilm
HERR BACHMANN UND SEINE KLASSE KINOSTART 26.11., D 2021, REGIE Maria Speth, MIT Dieter Bachmann, Aynur Bal, Önder Cavdar, Schüler/-innen der Klasse 6 B, Schüler/-innen der Klasse 6 F, FILMLÄNGE 217 Min., © Filmgarten
50 DOT.MOVIE
050_HERR BACHMANN PLATZSPITZ_k.indd 50
11.11.21 10:01
