K U LI N A R I K
ÜBER AUFREISSER UND AUFSCHNEIDER Man kann es schon länger schmecken. In der Gastronomie werden die Köche reihenweise abser vier t . Im einstigen Königreich des Gastes regieren Maschinen und Convenience Food. Besonders betroffen ist die Hoteller ie. Sogar die gehobene.
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ach jahrzehntelanger Erfahrung in Hotels gibt man es irgendwie auf: Die Chance, wirklich gut zu essen, ist selbst in den besten Häusern oft gering. Da kann man auch gar nicht böse sein. Das liegt in der Natur der Sache. Die besten Restaurants in freier Wildbahn bewirten durchschnittlich zwischen 40 und 50 Personen pro Sitzung. Und in der Küche stehen da mindestens zehn sehr gut ausgebildete Köche. Wie soll das in Hotels für eine Anzahl von bis zu 200 Gästen gelingen? Noch dazu in einer Zeit, in der im Großhandel so viele Halbfertigund Fertiggerichte erhältlich sind, dass in der Gastronomie die Köche regelrecht abserviert oder neue erst gar nicht aufgenommen werden. Stichwort Fachkräftemangel. Wobei die Begriffe Halbfertig- und Fertiggerichte jetzt bitte nicht negativ rüberkommen sollen. Sie werden nicht glauben, welch exklusive Angebote von Spezialisten heutzutage schon erstellt werden. Ein Angebot, das wie maßgeschneidert ist für Aufschneider und Aufreißer, die nur auftauen und portionieren müssen. Nehmen wir nur einmal ein Gericht, das zweifellos auf Haubenniveau ist: eine Felice-Gänseleber und Confit vom Duroc-Schwein. Die Anleitung wird vom Produzenten mitgeliefert: Der Felice-Riegel lässt sich je nach Anwendungsbereich als Quader, Würfel oder dreieckiges Tortenstück portionieren. 68
R EL AX Magazin 2021
Oder wie wäre es mit einer Roulade vom Hirschkalb mit Cranberry im Spitzkohlmantel? Hier ist der Schwierigkeitsgrad schon etwas gestiegen: Die 200 g schweren Rouladen werden zu 40 Stück tiefgekühlt geliefert, müssen nur noch gewürzt und im vorgeheizten Kombidämpfer für 35 bis 40 Minuten gegart werden. Achten Sie also immer auf Wörter wie „ofenfrisch“ und „hausgemacht“. Diese bedeuten nicht mehr und nicht weniger, als dass Ihr Gericht aus dem Ofen kommt und in einem Haus und nicht im Freien gemacht worden ist. Auch dem Herausgeber des RELAX Guide, Christian Werner, kamen ähnliche Methoden bereits vor einigen Jahren spanisch vor. Ihm fiel auf, dass in der Hotellerie die Wahrscheinlichkeit, ein einwandfrei produziertes Frühstücksei serviert zu bekommen, immer geringer wird, je luxuriöser der Betrieb ist. Das war – kurz zusammengefasst – das Ergebnis seiner Recherche, die er in seinem Guide veröffentlichte. Nach Veröffentlichung dieses Ergebnisses dürften die Hotelmanager in diesen Häusern so aufgeschreckt gewesen sein wie – entschuldigen Sie bitte den Kalauer – Hühner. Was Werner nämlich am allermeisten gestört hat, ist die offensichtlich absichtlich gestreute Desinformation in manchen dieser Häuser. „Die Herrschaften gehen sogar davon aus, dass ihre Gäste keine Ahnung haben“, sagte er den Salzburger Nachrichten. Wie sonst