Sonderpublikation 125 Jahre VSM

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Das Schweizer Kommunikationsmagazin für Entscheider/-innen und Meinungsführer/-innen Sonderausgabe

Mai 2024

125 Jahre Verlegerverband

Engagiert für guten Journalismus

SwissMediaForum: grösster Branchentreff im KKL Luzern am 23. und 24. Mai · Andrea Masüger: Kampf gegen die Leseunlust · Albert Rösti: Gedanken des neuen Medienministers · UseTheNews: neue Ideen gegen Desinformation · Streitgespräch: Was Anna Rosenwasser und Hannes Germann verbindet

Herzlichen Glückwunsch zum 125-jährigen Jubiläum!

Die zentrale Rolle und der Einsatz des Verbands für die Stärkung der Schweizer Medienlandschaft sind beeindruckend und unablässig. Wir sind stolz auf unsere Zusammenarbeit und freuen uns auf die Zukunft, die wir gemeinsam gestalten werden.

Unser Antrieb: Guten Journalismus braucht die Schweiz!

1899 wurde im Hotel Halbmond in Olten der Schweizerische Zeitungsverlegerverein gegründet. Zielsetzung der neuen Organisation: Wahrung der Interessen der Zeitungsverleger sowie gemeinsamer Einsatz für den Journalismus in der Schweiz.

125 Jahre später darf oder muss man sagen: Die Herausforderungen für den Journalismus sind nicht kleiner geworden, im Gegenteil.

Verlegerpräsident Andrea Masüger hat es an der Dreikönigstagung Anfang des Jahres wie folgt formuliert: «Jede Zeit hat ihre eigene Dramatik, und zu jeder Zeit meint man, diese sei besonders schlimm. Doch was die Stärke des Journalismus in der Schweiz betrifft, so müssen wir heute tatsächlich gewaltig Gas geben, um dessen Schlagkraft zu erhalten.»

Das nimmt sich der Verlegerverband zu Herzen und engagiert sich auch im 125. Jahr seines Bestehens mit voller Kraft für guten Journalismus, wie Sie auf den folgenden Seiten dieses Sonderheftes lesen werden. Und dieses Engagement ist wichtiger denn je: Die digitale Transformation ist in vollem Gange und gefährdet die wirtschaftliche Basis des Journalismus. Die Umsätze aus Printwerbung sind drastisch gesunken, und weniger als ein Fünftel der Bevölkerung ist bereit, für digitale Inhalte zu bezahlen. Trotz dieser Schwierigkeiten ist die Qualität im Journalismus so hoch wie noch nie. Und die Medienunternehmen investieren fortlaufend in die digitale Transformation, um heute auf allen denkbaren Kanälen qualitativ hochstehende Informationen bereitzustellen. Doch die Lage spitzt sich zu. Der Stellenabbau in den Medienhäusern darf uns nicht kaltlassen.

Umso wichtiger, dass die vielfältigen privaten Schweizer Medienunternehmen den Zusammenhalt und das Gemeinsame pflegen, um den Herausforderungen für den Journalismus bestmöglich zu begegnen. Der Verlegerverband tut dies mit einem engagierten Präsidium, einer aktiven Geschäftsstelle und der Unterstützung seiner rund 100 Mitglieder. Zusammen mit der Politik, der Wirtschaft und dem Bildungswesen engagieren wir uns für starken Journalismus in der Schweiz. Denn was bereits vor 125 Jahren galt, gilt heute noch viel mehr: Um uns in unserer komplexen Welt zurechtzufinden und uns eine eigene Meinung zu bilden, braucht es unabhängigen und verlässlichen Journalismus. Eine Alternative gibt es nicht. Nur so können wir als Gesellschaft den drohenden und bereits realen Gefahren durch Desinformation und Fake News begegnen und Räume für den öffentlichen Diskurs und die gemeinsame Debatte schaffen.

Wollen wir unsere Welt gestalten, müssen wir sie verstehen. Und dazu brauchen wir Journalismus. Heute genauso wie morgen. Wir danken allen, die sich zusammen mit uns für die Medien und den Journalismus in der Schweiz einsetzen. Und wir freuen uns auf viele Begegnungen im Jubiläumsjahr mit Ihnen.

Feiern Sie mit uns das Jubiläum des Verlegerverbandes anlässlich des SwissMediaForum in Luzern. Sie finden den Überblick über das spannende und vielfältige Programm sowie alle weiteren Informationen in diesem Sonderheft.

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vorwort
Stefan Wabel, Geschäftsführer Verlegerverband SCHWEIZER MEDIEN.

VSM WIRKT

EVER YOUNG

125 Jahre Verband Schweizer Medien

Grosses Engagement, insbesondere auch für kleine Medienhäuser.

Die Freiburger Nachrichten AG gratuliert herzlich zum runden Geburtstag!

zum Video

Grusswort von Bundesrat Albert Rösti

Bedeutung des Verlegerverbands nimmt zu

Fundierte, verlässliche Informationen sind das Rückgrat unserer direkten Demokratie. Sie ermöglichen es den Bürgerinnen und Bürgern, sich ein eigenes Bild von den Ereignissen in unserem Land und darüber hinaus zu machen. Sie tragen zur Meinungsbildung bei und fördern das Engagement der Bevölkerung im öffentlichen Leben. Diese Informationen verdanken wir unseren Medien, die auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene über Geschehnisse berichten und sie analysieren und kommentieren.

Der Verlegerverband Schweizer Medien (VSM) feiert dieses Jahr sein 125­jähriges Bestehen. Dazu gratuliere ich herzlich. Eingedenk des Wandels, dem die Medien und Verlage seit 1899 ausgesetzt waren, ist es eine beachtliche Leistung, als grösste Branchenorganisation der privaten Schweizer Medienunternehmen stets die unterschiedlichen Interessen zwischen grossen und kleinen Verlagen, zwischen regionalen und nationalen Häusern unter einen Hut zu bekommen und nach aussen zu vertreten. Dies mit dem gemeinsamen Ziel der Mitglieder: vielfältige und flächendeckende Berichterstattung in unserem Land erhalten und dazu beitragen, unsere Gesellschaft zu informieren und zu beleben.

Die digitale Transformation schreitet unaufhaltsam voran, sie fordert die privaten Medien enorm heraus: Die Mediennutzung verändert sich rapide, und die Werbegelder fliessen vermehrt zu internationalen Technologieplattformen. Als Medienminister bereitet mir diese Entwicklung Sorge. Auch wenn ich heute kein Geschenk in Form einer um­

fassenden Medienförderung überreichen kann, möchte ich Ihnen versichern, dass der Bundesrat die bedeutende Rolle der privaten Medien für unsere Demokratie anerkennt. Wir werden uns dafür einsetzen, zeitgemässe Rahmenbedingungen für die privaten Medien zu schaffen, damit sie auch in Zukunft ihre wichtige journalistische und publizistische Arbeit wahrnehmen können.

Für viele Medienhäuser wird es zunehmend schwierig, die Herausforderungen zu meistern und allein die richtigen Antworten auf neue Entwicklungen wie etwa KI zu geben. Die Bedeutung des VSM als Dachorganisation nimmt deshalb zu. Er beobachtet neue Trends und entwickelt gemeinsame Positionen. Der Verband hilft bei der Vernetzung und beim Austausch innerhalb der Branche, und er ist auch die Verbindung in die Politik. Wettbewerb und Zusammenarbeit – der VSM hat früh erkannt, dass sich das nicht ausschliesst.

Der VSM setzt auch wichtige Impulse bei der Medienkompetenz. Er setzt sich dafür ein, dass die Bevölkerung Nachrichten versteht, journalistische Leistungen erkennt und von Fake News unterscheiden kann. Hier bin ich wieder beim Anfang: Fundierte, verlässliche Informationen sind das Rückgrat unserer direkten Demokratie.

Ich danke den Schweizer Verlegern und allen Journalistinnen und Journalisten, die sich unermüdlich für qualitativ gute Medien engagieren und wünsche ihnen für ihre anspruchsvolle Aufgabe viel Erfolg und alles Gute.

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grusswort
Bundesrat Albert Rösti, Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation.

Die grösste Reichweite der Schweiz

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Auflage
Rund 393 000
1,03 Mio. Leser*innen Mit 30 Regionalausgaben

Vom Champagnerdunst in die Realität

Es muss Mitte der Nullerjahre gewesen sein, als Martin Kall, der damalige Tamedia­CEO, an einem Medienkongress auf der Bühne lauthals verkündete, dass in seinem Verlag bald Online das Leitmedium sein werde und nicht mehr die gedruckte Zeitung. Ein Raunen ging durch den Saal, und man wunderte sich über die vermeintliche Provokation des rhetorisch eloquenten Managers. Heute ist Kalls Prophezeiung in vielen Medienhäusern Realität. Die Medienbranche hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten stärker verändert als in den Jahrhunderten zuvor. Guttenbergs Erfindung des Buchdrucks (1450) garantierte auch den hiesigen Verlagshäusern ein behagliches Gefühl von Wohlstand und Prosperität. Mit dem Aufkommen des Internets und vor allem des Smartphones wurde dies urplötzlich in Frage gestellt.

Mit einer gewissen Wehmut erinnert man sich an die grossartigen Tagungen des Verlegerverbands, an denen alljährlich in den Luxushotels zwischen Lausanne und St. Moritz im Champagnerdunst über den baldigen Untergang der Branche sinniert wurde – in der irri­

gen Annahme, dass dieser nie eintreten würde. Heute haben sich viele Vorahnungen bewahrheitet, die opulenten Kongresse gibt es nicht mehr.

Der Wandel der Medienbranche widerspiegelt sich auch im Verband Schweizer Medien (VSM) und seiner 125­jährigen Geschichte. Unser Verlag hat seine Entwicklung stets mit grossem Interesse und auch Wohlwollen verfolgt. Nicht zuletzt deshalb freuen wir uns, dass wir die vorliegende «persönlich»­Sonderausgabe gemeinsam mit dem VSM sowie dem SwissMediaForum, dem Schweizer Medienkongress, produzieren konnten. Ein grosser Dank gebührt dabei Verbandspräsident Andrea Masüger, Geschäftsführer Stefan Wabel sowie Patrik Müller, Initiant und Gründer des SwissMediaForum, die dieses Heft ermöglicht und mitgestaltet haben.

Als führender Fachverlag gratulieren wir dem VSM von ganzem Herzen zu seinem stolzen Jubiläum und freuen uns auf die diesjährige Austragung des SwissMediaForum am 23. und 24. Mai in Luzern.

Ebenfalls klassisch und digital: Die führenden Kommunikationsagenturen der Schweiz

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editorial
Matthias Ackeret ist Verleger von «persönlich».
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Sonderausgabe 125 Jahre VSM mit Sonderteil SwissMediaForum

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Vorwort Stefan Wabel, Geschäftsführer VSM.

5 Grusswort Bundesrat Albert Rösti.

7 Editorial Matthias Ackeret, Verleger «persönlich».

10 Andrea Masüger «Wir befinden uns in einer Lesekrise».

16 Debatte «Guter Journalismus muss überraschen».

22 Schweizer Mediengeschichte: Teil 1 Die Presse, die Bürger, der Staat.

26 Inside «Der Verlegerverband ist tagtäglich gefordert».

30 Umfrage Branchenvertreter und VSM-Mitglieder über ihre Beziehung zum VSM.

38 Ehrenpräsidenten Hans Heinrich Coninx, Hanspeter Lebrument und Pietro Supino erinnern sich.

42 Souvenirs aus alten Zeiten Die besten Bilder von Alberto Venzago.

44 Schweizer Mediengeschichte: Teil 2 Neue Rollen für alte und Platz für neue Medien.

49 Sonderteil SwissMediaForum 2024: Programm, Akteure und Gäste.

68 Schweizer Mediengeschichte: Teil 3 Der Umsturz als Dauerzustand.

74 Förderung der Medienkompetenz Der Kampf gegen Fake News beginnt in der Schule.

80 Schweizer Mediengeschichte: Teil 4 Die Zukunft ist digital.

Impressum

Das Titelbild wurde mit Dall-E von ChatGPT erstellt. Der VSM setzt sich für einen verantwortungsvollen Einsatz der KI im Journalismus ein und fordert, dass die KI-Systeme Urheberrechte einhalten. Siehe Seite 80.

Konzept und Realisation dieser Ausgabe: Dies ist ein Gemeinschaftswerk in Zusammenarbeit mit dem Verband SCHWEIZER MEDIEN und dem SwissMediaForum. Für Redaktion und Konzeption zuständig waren Stefan Wabel, Patrik Müller und Matthias Ackeret.

persönlich Verlags AG, Birmensdorferstr. 198, 8003 Zürich, Tel. 043 960 79 00 E-Mail: info@ persoenlich.com Verleger / Chefredaktor: Matthias Ackeret Verlags- und Anzeigenleitung: Roman Frank Redaktion: Michèle Widmer, Christian Beck, Nick Lüthi, Sandra Porchet Administration: Rahel Martinez Abonnement: Aboservice persönlich, abo@persoenlich.com Grafik: Corinne Lüthi Korrektorat: Supertext Druck: Schellenberg Druck, Schützenhausstrasse 5, 8330 Pfäffikon ZH, Tel. 044 953 11 11 Druckunterlagen: Datenträger (InDesign) Heftformat: 235 × 320 mm Auflage: 6000 Ex., erscheint Mitte Monat, 10 Ausgaben/Jahr Abo: CHF 170.– Papier: Umschlag Quattro Silk 250 g/m2 Inhalt Bavaria Bulk 90 g/m2 von Fischer Papier.

Abonnemente

Telefon: 041 329 22 66, Mail: abo@persoenlich.com, Preis: CHF 145.–/Jahr Anzeigen: 044 960 79 08, roman.frank@persoenlich.com

Täglich News auf

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«Wir befinden uns in einer Lesekrise»

Andre Masüger ist seit zweieinhalb Jahren Präsident des Verlegerverbands SCHWEIZER MEDIEN. Der Bündner Publizist und ehemalige Chefredaktor der «Südostschweiz» hat in seiner beruflichen Karriere den Medienwandel hautnah miterlebt und schätzt im Jubiläumsjahr die Situation als «angespannt» ein.

Herr Masüger, Sie haben in einem Interview über die Zukunft des Journalismus einen Vergleich mit der Landwirtschaft gezogen. War dies ironisch gemeint?

Nein, keineswegs. Das Beispiel Landwirtschaft benutze ich gerne, um zu zeigen, dass es in der Wirtschaft Bereiche gibt, deren reibungsloses Funktionieren im öffentlichen Interesse ist. Die Bauern sind wichtig für die physische Ernährung des Landes, die Verleger und die Journalisten gewissermassen für die geistige Ernährung. Beide erbringen gemeinwirtschaftliche Leistungen, die vom Staat teilweise abgegolten werden, weil sie für das Funktionieren unserer Gesellschaft essenziell sind. Verstehen Sie mich nicht falsch: Wir Verleger sind liberale Unternehmer, die überzeugt sind, dass der Journalismus zum grossen Teil über den Markt finanziert werden muss. Allerdings ist nun eine gezielte Medienförderung notwendig, um die Informationsversorgung in allen Regionen unseres Landes sicherzustellen.

Wir befinden uns in einer Lesekrise, genauer in einer Krise des «tiefen Lesens», wie es die Wissenschaft nennt. Ein befreundeter Anwalt sagte mir kürzlich, die jungen Juristen in seiner Kanzlei würden keine Nachrichten mehr lesen, nicht einmal mehr Onlinenews. Früher war es undenkbar, dass ein Anwalt nicht die «NZZ» las. Der Trend geht dahin, dass die Menschen ihren Informationsbedarf mit kurzen Videos auf TikTok oder anderen Social­Media­Kanälen decken und nur noch Informationsschnipsel auf dem Handy konsumieren. Komplexere journalistische Arbeiten werden nicht mehr gelesen. Ja viele Schüler verstehen längere Texte gar nicht mehr, wie Untersuchungen und Erfahrungsberichte von Lehrern zeigen. Dies führt zu einer unterinformierten Gesellschaft, was für eine direkte Demokratie verheerend ist.

Und wie soll der Staat hier helfen?

«Der Vergleich mit der Landwirtschaft ist keineswegs ironisch gemeint.»

Zweifeln Sie daran, dass Journalismus in Zukunft ohne staatliche Unterstützung noch möglich sein wird?

Die Medien, die in unserem politischen System eine wichtige Informationsfunktion wahrnehmen, müssen erhalten bleiben. Dazu braucht es jetzt einen befristeten Ausbau der staatlichen Medienförderung, eine Vorlage dazu liegt im Parlament. Eine Stärkung des Journalismus ist ein Investment in unsere Demokratie. Und das macht sich bezahlt, das garantiere ich Ihnen. So belegen Studien, dass in Regionen, wo Medien und Journalismus fehlen, die politische Partizipation abnimmt, vermehrt öffentliche Gelder

Andrea Masüger

Andrea Masüger ist seit dem Herbst 2021 Präsident des Verbandes SCHWEIZER MEDIEN (VSM). Der Publizist und heutige Verwaltungsrat von Somedia war zuvor während acht Jahren CEO von Somedia sowie insgesamt 17 Jahre Chefredaktor der «Südostschweiz». Er war langjähriges Mitglied der Eidgenössischen Medienkommission (EMEK), Präsident des Zürcher Journalistenpreises sowie Vizepräsident der Schweizer Journalistenschule MAZ. Der gebürtige Churer absolvierte ursprünglich eine Fotografenlehre und war zudem acht Jahre Bundeshauskorrespondent der «Bündner Zeitung».

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verschwendet werden und Falschnachrichten und Desinformation zunehmen. Das dürfen wir nicht zulassen.

Aber ist eine solche Staatsabhängigkeit für die Medien kein Problem?

Die diskutierte Medienförderung bringt keine Staatsabhängigkeit, weil sie indirekt ist. Unterstützungsgelder fliessen weder an Verlage noch an Redaktionen, sondern gehen an die Post und an Zustellorganisationen, die dadurch günstigere Taxen für die Zeitungszustellung berechnen können. Diese Form der Medienförderung gibt es seit Beginn des Bundesstaates, und niemand behauptet heute, die Medien seien vom Staat gesteuert.

Welche Medien sollten denn überhaupt Geld erhalten?

Bei den gegenwärtig diskutierten Vorlagen geht es um Zeitungen, Radio und Fernsehen privater Verlage. Die SRG bekommt ja über die Gebühren schon Geld. Es geht um eine Übergangslösung für einige Jahre. Die Diskussion, wie eine spätere, gattungsneutrale Förderung aussehen könnte, läuft jetzt langsam an.

Sie sind seit zwei Jahren Präsident des VSM. Wie schätzen Sie die derzeitige mediale Situation in der Schweiz ein?

Ich würde hier das Adjektiv «angespannt» benutzen. Zum einen attestiert die Wissenschaft, dass die Qualität im Journalismus so gut ist wie noch nie. Und die Medienhäuser bedienen heute so viele unterschiedliche Kanäle wie nur möglich, um ihr Publikum zu erreichen. Beides zeigt das grosse Engagement der Verleger. Andererseits ist da die schwierige wirtschaftliche Situation der privaten Schweizer Medienunternehmen: Die Erträge sinken, und die Kosten steigen. Die Folge sind teilweise grosse Sparprogramme, die vor allem beim Personal ansetzen, da in anderen Bereichen die Zitrone ausgepresst ist. Zurzeit werden schweizweit etwa 300 Stellen in den Redaktionen und Verlagen abgebaut. Wenn die Medienförderung hier keine Entlastung bringt, kann dieser Trend nicht gebrochen werden. Probleme haben übrigens nicht nur grosse, sondern auch mittlere und kleine Medienhäuser.

Sie engagieren sich stark gegen das Aufkommen von KI. Ist das für Sie derzeit die grösste Herausforderung?

Ich bin überhaupt nicht gegen KI in den Medien! Sie kann auch hier, wie fast überall, einen grossen Nutzen bringen – insbesondere in den Bereichen, die gut automatisiert werden können –, Abläufe vereinfachen und die journalistische Arbeit erleichtern. Ich warne aber vor zwei grossen Gefahren, die mit der technischen Entwicklung einhergehen: Erstens werden mit KI­Anwendungen in den Medien Fake News und Deepfakes zunehmen, von manipulativen Phantomtexten bis zu gefälschten Videos und Audios. Selbstverständlich nicht in seriösen Medien, aber das Vertrauen in das Gesamtsystem wird trotzdem leiden. Zweitens müssen wir höllisch aufpassen, dass unsere teuer hergestellten Inhalte nicht von KI­Firmen als kostenloses Grundlagenmaterial für eigene Informationsportale und andere kommerzielle Anwendungen genutzt werden. Es geht um dringliche Fragen des Urheberrechts. Die KI­Firmen sind heute die Freibeuter des Internets, so wie die Piraten einst die Meere unsicher machten.

Vor bald zwei Jahren, das heisst kurz vor Ihrem Amtsantritt, ging die Abstimmung über das Medienpaket verloren. Wie fest hat dies die Branche und besonders den Verband geprägt?

Es war ein Einschnitt. Nicht nur, weil das Paket scheiterte – inhaltlich kann man ja immer streiten –, sondern auch, weil die Gegner einen gehässigen Abstimmungskampf führten und bei einzelnen Verlegern voll auf den Mann spielten. Das hat mir, und auch anderen, zu denken gegeben.

Der Konflikt zwischen den grossen und den kleineren und mittleren Verlagen war immer wieder ein Thema. Derzeit hat man den Eindruck, die Situation habe sich beruhigt.

Teilen Sie diese Einschätzung?

Ja, klar. Bei der Ausarbeitung des Medienpakets gab es Differenzen im Präsidium, weil die grossen Verlage eher keine Onlineförderung wollten, die kleineren schon. Man hat sich dann aber recht schnell gefunden und am Schluss am gleichen Strick gezogen. Da ich aus einem mittelgrossen Medienhaus komme, sehe ich auch hier in meinem Amt eine Brückenfunktion zwischen kleinen und grossen Verlegern.

Wo sehen Sie konkret Ihre Aufgabe innerhalb des Verbands?

«Ich schätze die momentane mediale Situation als ‹angespannt› ein.»

Ihre Vorgänger Hans Heinrich Coninx, Hanspeter Lebrument und Pietro Supino waren alles aktive Verleger, Sie selber kamen aus dem Verlagswesen und waren vor allem aktiver Journalist. Inwiefern beeinflusst dies die Ausrichtung des VSM?

Ich war acht Jahre CEO und einige Jahre Stellvertreter des Verlegers, ich kenne also die Herausforderungen, vor denen die Branche steht. Als früherer Chefredaktor und Journalist habe ich aber auch einen besonderen Bezug zum Journalismus und zu Redaktionen. Das hilft, im Verlegerverband auch Anliegen aufzunehmen, die nicht direkt verlegerisch sind. Ich versuche, diese Brücke zu schlagen.

Ich möchte unterschiedliche Positionen und Interessen zusammenführen, um gemeinsam den Journalismus in der Schweiz zu stärken. Ich stehe im Austausch mit vielen Verlagen, aber auch mit Journalisten­ und Branchenorganisationen. Zu meinen Aufgaben gehören das Erkennen von Entwicklungen, das Einbringen von Ideen und der Kontakt mit der Politik, dem Bundesrat, der Medienwissenschaft und wichtigen Organisationen. Auch der Austausch mit unseren Kollegen im Ausland ist zentral, vor allem in Deutschland, Österreich und Luxemburg. Ich kann mich hier auf eine von Stefan Wabel hervorragend geführte Geschäftsstelle verlassen. Rückmeldungen und Reaktionen unserer Mitglieder zeigen mir, dass wir das Richtige tun.

Und diejenige des Verbands?

Neben den üblichen Aufgaben eines Branchenverbands müssen wir derzeit einer gefährlichen Zangenbewegung entgegenhalten: Auf der einen Seite haben wir die Gefahren von Fake News und ungezügelter KI.

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Am Puls der Leidenschaft.

ringiermedienschweiz.ch

Auf der anderen Seite graben uns genau diejenigen Techgiganten ökonomisch das Wasser ab, die diese Probleme verursachen. Wir müssen mit einem ganzen Strauss gezielter Bildungsangebote, zum Beispiel an Schulen, den Menschen vermitteln, wie wertvoll kritischer Journalismus ist. Hier leistet unser Medieninstitut Pionierarbeit. Und weiter geht es darum, für den Schutz unserer Inhalte im Urheberrecht zu kämpfen.

«Ich persönlich finde, dass man die Gebührenhöhe an den Aufgabenkatalog der SRG koppeln sollte.»

Es gab in der Vergangenheit immer wieder Reibereien mit der SRG, Stichwort Admeira. Ist dies ausgestanden, oder gibt es noch Konfliktpotenzial?

Admeira ist kein Thema mehr. Aber Differenzen mit der SRG haben wir im Onlinebereich, weil die SRG ihre Gebührengelder auch für ein extrem ausgebautes Newsportal einsetzt, das die privaten Angebote konkurrenziert. Gegen diese Wettbewerbsverzerrung wehren wir uns. Aber wir sind mit der SRG, zu der wir ein kollegiales Verhältnis pflegen, im steten Austausch.

Wie stellen Sie sich zur sogenannten Halbierungsinitiative?

Der Verband hat sich hier noch keine Meinung gebildet, das hat noch Zeit. Ich persönlich finde, dass man die Gebührenhöhe an den Aufgabenkatalog der SRG koppeln sollte. Dies könnte im Zusammenhang mit der Erneuerung der Konzession geschehen.

Wie bewerten Sie die Zusammenarbeit mit der Post?

Die Post hat uns erschreckt, als Pläne durchsickerten, Briefe und Zeitungen in Zukunft nicht mehr täglich zuzustellen. Das wäre angesichts von nahezu einer Milliarde jährlich zugestellter Zeitungsexemplare eine Atombombe für die Branche. Inzwischen hat der Post­Präsident Christian Levrat diese Pläne aber relativiert. Manchmal sind wir im Clinch, wenn wieder einmal die Tarife erhöht werden sollen. Aber im Allgemeinen ist

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es eine gute und partnerschaftliche Zusammenarbeit.

Der Verband engagiert sich stark für das Leistungsschutzrecht. Hat dieses, realistisch gesehen, überhaupt eine Chance? Sicher! Die Vernehmlassung zur bundesrätlichen Vorlage ist zu 75 Prozent positiv ausgefallen. Ich gehe davon aus, dass die Anpassung des Urheberrechts bald ins Parlament kommt und dort eine Mehrheit der Parteien positiv Stellung nehmen wird.

Niklaus Meienberg schrieb vor vierzig Jahren ein Essay mit dem Titel «Wer will unter die Journalisten?». Wie sieht es heute aus? Ist Journalismus überhaupt noch ein erstrebenswerter Beruf? Es ist ja lustig: Meienberg schrieb das, als es den Zeitungen so gut ging wie noch nie. Das zeigt, dass in unserer Branche immer eine Art Kulturpessimismus herrscht. Diese mediale Melancholie hält sich hartnäckig. Journalismus ist aber ein Traumberuf und wird es bleiben. Unsere Demokratie ist auf motivierte Frauen und Männer angewiesen, die berichten, wie die Welt ausschaut. Das wird immer eine faszinierende Tätigkeit bleiben, egal, wie sich die Medientechnologie entwickelt.

Sie haben lange im Bundeshaus gearbeitet. Was hat sich mehr verändert, die Politik oder der Journalismus?

Ich denke, beides gleichermassen. Die Zeiten waren in den 1980­Jahren in Politik und Medien vergleichsweise beschaulich, aber man klagte schon damals über Hektik und Stress. Gewisse Wahrnehmungen bleiben unverändert, egal, wie die Rahmenbedingungen sind.

Welche Medien konsumieren Sie jeweils am Morgen?

Die «Südostschweiz», mehrere Tageszeitungen und Onlineportale, darunter natürlich auch persoenlich.com.

«Bei mir war vieles ‹learning by doing›, ausser der Ringier-Journalistenschule gab es damals keine Ausbildungsmöglichkeiten.»

Wie war es bei Ihnen? Sie waren zuerst Fotograf …

Ja, ich habe eine Fotografenlehre gemacht und bin, als ich das Fähigkeitszeugnis in der Hand hatte, gleich in den Journalismus eingestiegen. Zwei Jahre später war ich Bundeshausjournalist. Das war alles «learning by doing», ausser der Ringier­Journalistenschule gab es damals noch keine Ausbildungsmöglichkeiten. Heute können Interessierte aus einer riesigen Palette auswählen, vom MAZ bis zu Fachhochschulen. Die Voraussetzungen für den Journalistenberuf sind heute besser denn je.

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Debatte

«Guter Journalismus muss überraschen»

Was ist guter Journalismus? Wie verändert sich der Medienkonsum? Und welchen Einfluss hat die künstliche Intelligenz? Ein Gespräch und eine Aussensicht über die Rolle des Journalismus. Und darüber, weshalb er unverzichtbar sei.

Spannende Diskussionsrunde: SVP-Ständerat Hannes Germann, Economiesuisse-CEO Monika Rühl, SP-Nationalrätin Anna Rosenwasser und Universitätsprofessor Mark Eisenegger.

Das «Felix» ist nicht nur wegen seiner berühmten Kuchen beliebt. Die Kundschaft schätzt das Café beim Zürcher Bellevue vor allem auch, weil man hier eine Vielzahl von aufgelegten Tageszeitungen entspannt lesen kann. An einem Frühlingsabend treffen sich Nationalrätin und Aktivistin Anna Rosenwasser, Medienwissenschaftler Mark Eisenegger, Ständerat Hannes Germann sowie Economiesuisse-Direktorin Monika Rühl zum Gespräch über den guten Journalismus. Dieser ist für die Meinungsbildung zentral und findet – laut der Vorsitzenden des Wirtschaftsdachverbandes zu Beginn der Diskussion – keineswegs nur im Stammblatt statt.

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Text: Pascal Krauthammer Bilder: Michael Richter

Monika Rühl: Die Vorstellung, dass ich als Liberale nur die «NZZ» konsumiere, ist natürlich völlig falsch. Ich lese bewusst auch Medien, mit denen ich politisch oftmals nicht übereinstimme, wie beispielsweise die «Woz». Diese hat Artikel, die mich interessieren, und das ist für mich die Essenz des guten Journalismus – ein Thema wird sauber abgehandelt und stringent vermittelt. Ob ich dann mit dem Inhalt des Artikels einverstanden bin oder nicht, ist eine andere Frage. Wichtig ist für mich, unterschiedliche Perspektiven zu kennen. Wir brauchen einen vielfältigen Journalismus, um zu verstehen, was um uns herum geschieht.

turelle Probleme, welche die genannte hohe Qualität gefährden.

«Die Zeiten, in denen sich die Leute allein über die Qualitätsmedien informieren, sind vorbei».

Anna Rosenwasser: Klar, Vertiefung und Recherche sind auch für mich die Essenz des guten Journalismus. Aber als Journalistin muss ich sagen: Die Realität sieht oftmals anders aus. In den letzten 15 Jahren hat sich die Situation der Medienschaffenden grundlegend verändert. Die Zeiten, da sich eine Journalistin auf einen Artikel konzentrieren konnte, sind vorbei. Heute schreibt, filmt und postet man – meist gleichzeitig. Es gibt verschiedene Kanäle, die man bearbeiten und handhaben muss. Trimedialer Journalismus hört sich gut an und kann für die Konsumentinnen auch attraktiv sein. Fakt ist aber: Die Aufgabenbereiche der Journalisten werden immer grösser, während die Ressourcen stetig sinken.

worden. Doch kursieren auf diesen Plattformen viele Fake News. Beispielsweise gefälschte Bilder, generiert von künstlicher Intelligenz, die von echten Fotos kaum mehr zu unterscheiden sind. Oder sogenannte Deepfakes. Gefälschte Videos also, in denen Politiker Worte in den Mund gelegt werden, die sie nie gesagt haben.

Mark Eisenegger: Das sehe ich gleich. Guter Journalismus überrascht mich und fordert mich heraus. Ich mag es nicht, wenn ich intellektuell bevormundet werde, darum lasse ich mich gerne irritieren und lese zum Beispiel auch mal die «Weltwoche». Warum nicht? Ich möchte selbst entscheiden, welche Schlussfolgerungen ich ziehe, nachdem man mir alle relevanten Argumente in verschiedenen Medien dargelegt hat. Das ist die Kernaufgabe des Journalismus. Er muss eine inhaltliche Vertiefung anbieten, gute Recherche liefern, also dicke Bretter bohren, denn Breaking News gibt es überall im Netz.

Mark Eisenegger, Studienprogrammdirektor am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung (IKMZ) der Universität Zürich, misst in jedem Jahr die Qualität der Schweizer Medien. Das letzte Jahrbuch 2023 stellt den Schweizer Medien ein gutes Zeugnis aus. Seit der Corona-Pandemie und dem Ukrainekrieg habe die Relevanz der Beichterstattung nochmals zugenommen, heisst es. Doch wie lässt sich das erreichte Niveau halten? Ständerat Hannes Germann, der früher als Wirtschaftsredaktor tätig war, und Nationalrätin Anna Rosenwasser, die heute noch publizistisch tätig ist, sehen beide struk-

Hannes Germann: Diese Tendenz beobachte auch ich. Natürlich ist die Qualität der Schweizer Medien auf hohem Niveau, aber wenn die Zeit zur Reflexion immer mehr fehlt, dann wird zwangsläufig etwas verloren gehen. Früher waren die Journalisten miteinander in einem intellektuellen Wettstreit, die vielen Medienschaffenden der unterschiedlichsten Titel hatten ganz verschiedene Perspektiven auf ein Thema. Heute hat man als Politiker und Leser manchmal das Gefühl, dass die Journalisten zu oft das Gleiche erzählen. Ein Einheitsbrei kann nicht im Sinn unserer Demokratie sein.

Mark Eisenegger: Das lässt sich empirisch tatsächlich bestätigen. Wir sprechen da von der inhaltlichen Medienkonzentration: Gleiche Inhalte werden in den verschiedenen Zeitungen ausgespielt. In manchen Fällen ist das Teilen von Inhalten für die Lesenden unproblematisch, oder bei einem qualitativ hochstehenden Text sogar ein Gewinn. Doch ist das Teilen von Inhalten gesamtgesellschaftlich problematisch, wenn beispielsweise die exakt gleichen Leitartikel vor Abstimmungen in den verschiedensten Zeitungen im Land erscheinen. Darunter leidet die demokratische Meinungsbildung.

So oder so: Die Zeiten, in denen sich die Leute allein über die Qualitätsmedien informieren, sind vorbei. Die sozialen Medien sind längst zu Quellen der Meinungsbildung ge-

Monika Rühl: Was mich beschäftigt, sind die Auswirkungen von Fake News und der Einfluss von künstlicher Intelligenz. Wie kann ich als Leserin in den sozialen Medien sicher sein, was real und was fake ist? Gewisse Sachen kann man schlicht nicht mehr beurteilen. Da ist das eine oder andere möglich und echt, anderes ist falsch, wirkt aber täuschend echt. Diesbezüglich leben wir schon in einer etwas seltsamen Welt. Das finde ich echt schwierig, weil das Vertrauen in das geschriebene Wort schwindet und der Wert eines Bildes unklar wird.

Mark Eisenegger: Ja, Desinformation ist ein veritables Problem, das mit der künstlichen Intelligenz nochmals zunehmen wird. Desinformation ist aber, so paradox es tönt, auch eine Chance – eine Chance für den Schweizer Journalismus. Nehmen wir die Corona­Pandemie mit all den Verschwörungstheorien, die im Netz grassierten. Hier zeigte sich, dass sich viele wieder den klassischen Medien zugewandt haben. Immer dann, wenn es eine Zeit der Unsicherheit gibt, in der man Orientie­

Germann: «Der Wildwuchs in den sozialen Medien ist eine Chance für die traditionellen Medien.»

rung braucht, kehrt man zurück zu den Leuchttürmen der Information. Das sind die klassischen Medien und nicht die sozialen Medien. Denn dort auf den Plattformen gibt es grosse Probleme in Bezug auf die Qualität, es wird ohne Regeln und Grenzen publiziert. Bei den traditionellen Medien mag längst nicht alles perfekt sein, und doch gibt es Standards, welche die Qualität ausmachen und den Namen Journalismus verdienen.

Hannes Germann: Stimmt, der Wildwuchs in den sozialen Medien ist eine Chance für die

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Rosenwasser: «In der Berichterstattung über mich wird oft verkürzt. Das geht bis an die Schmerzensgrenze.»

traditionellen Medien. Aber nur, wenn sich der Journalismus seiner Werte bewusst ist und diese Werte auch pflegt. Ich will nicht die guten alten analogen Zeiten beschwören, aber als ich noch als Journalist arbeitete, war die Relevanz das eigentliche Kriterium, ob ein Artikel gut war oder nicht. Heute wird auf den Redaktionen immer alles auch nach Klicks gemessen. Das tut mir als Ex­Journalist weh, die Klickrate kann und darf nie das ausschlaggebende Kriterium sein. Sonst steht der knackige Titel über allem, und es wird verkürzt, bis sich die Balken biegen …

Anna Rosenwasser: Genau darum bin ich so auch kritisch gegenüber Online­Schlagzeilen. Weisst du, Hannes, in der Berichterstattung über mich wird auch oft verkürzt. Das geht bis an die Schmerzensgrenze. Ich sage mir dann: Wenn es ein knackiger Titel schafft, die Menschen in den richtig guten Text zu führen, dann ist das okay. Wenn Tiefe erfolgt, dann hat die Schlagzeile ihren Dienst getan. Was aber, wenn unsere Hirne lange Formate nicht mehr gewohnt sind, wenn Menschen plötzlich nur noch kurze Schlagzeilen oder die Bildlegenden lesen. Dann haben wir als Gesellschaft ein echtes Problem, weil nur noch die Schlagzeile im Kopf bleibt, und diese Schlagzeilen sind oft auf den Skandal getrimmt.

Monika Rühl: Deine Analyse ist treffend. Das Problem zeigt sich bei Economiesuisse bereits heute. Wir sehen, wie echte und vermeintliche Skandale aus der Wirtschaftswelt medial ausgeschlachtet werden. Auf

den Redaktionen weiss man, dass etwa Geschichten über hohe Saläre und Boni ziehen und viel Traffic generieren. Solche skandalisierenden Mediengeschichten werden der Schweizer Wirtschaft aber in keiner Weise gerecht. Wir haben so viele Erfolgsgeschichten von kleinen, mittleren und grossen Firmen. Aber wenn wir diese Geschichte in die Medien bringen wollen, dann haben wir oft keine Chance, weil diese keinen KlickRausch auslösen. Der Journalismus muss hier seiner Verantwortung gerecht werden. Die klassische Unternehmensberichterstattung, wie wir sie von früher kennen, ist und bleibt wichtig. Das Gleiche gilt für vertiefende Analysen zu wichtigen politischen Fragen oder auch die Kulturberichterstattung, für die es meiner Meinung nach in der klassischen Zeitung immer Platz haben sollte.

Es ist noch gar nicht lange her, da haben Zeitungsverkäufer in den Beizen um Mitternacht

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die ersten Druckausgaben verkauft. Das Lesen des «Blicks», eines «Tagis» oder einer anderen Zeitung aus der Region musste sein. Eine «Le Temps» oder eine «NZZ» unter dem Arm gehörte zum guten Habitus. Am Mittag hörte man das «Rendezvous», und abends schaute man die «Tagesschau». Doch diese Zeiten sind passé. Die sogenannte Gruppe der Intensivnutzenden von klassischen Medien nimmt ab, während die Gruppe der Abstinenten zunimmt.

Mark Eisenegger: Seit 2009 messen wir eine Zunahme von News­Deprivierten, von Leuten also, die kaum noch Newsmedien konsumieren. Sie sagen, sie seien ob all der Informationen überfordert. Viele schreckt auch die ständige Skandalisierung ab. Sie flüchten in die sozialen Medien, und so manche verlieren sich dort auch. Das ist ein veritables Problem. Denn Leute, die viel in sozialen Medien unterwegs sind, verlieren die Markenbindung zum Journalismus. Sie können die gute nicht mehr

von der schlechten Quelle unterscheiden. Das führt dazu, dass man vom Journalismus entwöhnt wird. Knapp 46 Prozent wollen inzwischen nichts mehr mit dem klassischen Journalismus zu tun haben. Das ist fast die Hälfte der Bevölkerung.

Eisenegger: «Eine Mehrheit der Schweizer Bevölkerung ist der Ansicht, dass die KI-Anbieter den Schweizer Verlagen eine Entschädigung schulden.»

Hannes Germann: Nun, es stimmen ja auch nur 50 Prozent der Bevölkerung ab. Ich hoffe nur, dass das die Gleichen sind, die sich noch in Zeitungen, im Fernsehen oder im Radio informieren. Nein, Scherz beiseite. Für die politische Meinungsbildung ist diese Entwicklung natürlich eine Katastrophe. Wir

verhandeln komplexe Themen in der Politik, und der Journalismus leistet hier eine wichtige Übersetzungsarbeit zur Meinungsbildung. Der Journalismus hat darum in unserer direkten Demokratie eine zentrale Bedeutung. Und wenn nicht mehr gelesen oder Nachrichten sonst wie konsumiert werden, dann geht eine demokratische Kompetenz verloren. Viele werden komplexe Sachverhalte nicht mehr verstehen können.

Anna Rosenwasser: Diese Entwicklung beelendet mich ebenfalls. Es geht ja nicht nur um die klassische Politik, sondern auch um alle anderen Themen, die uns bewegen sollten. Gesellschaftspolitische Fragen, all das, was in der Welt passiert. Auch hier ist es wichtig, dass man sich informiert, und zwar aus verlässlichen Quellen. Aber, trotz aller Kassandrarufe und meiner eigenen Verzweiflung: Ich habe die Zuversicht noch nicht verloren. Ich bewege mich in Kreisen mit Leuten unter 30 und unter 20 Jahren.

19 Sonderausgabe 125 Jahre VSM

Das sind junge Menschen, die erst jetzt langsam verstehen, was für eine Bereicherung es ist, sich in Themen zu vertiefen. Der gute Journalismus hat die jüngere Generation also keineswegs verloren, aber wir sind herausgefordert. Wir müssen die Informationen zu diesen jungen Menschen tragen, sicher auch mit innovativen Formaten, die dieser Generation entsprechen.

Monika Rühl: Richtig. Das klassische Lesen eines Zeitungs­ oder Online­Artikels ist in der Tat nur eine mögliche Form des Medienkonsums. Dieser verändert sich, Artikel beispielsweise können einem heute in guter Qualität vorgelesen werden. Vor Kurzem hat sich das noch recht hölzern angehört. Die Fortschritte sind beachtlich. Hier zeigt sich, dass gerade auch die künstliche Intelligenz Gutes vollbringen kann. Die traditionellen Medien profitieren von der fortlaufenden Digitalisierung, und sie sind ja auch mitten in diesem Transformationsprozess.

Tatsächlich investieren die Schweizer Verlage massiv in die Digitalisierung. Diese Transformation kostet die Verlage Millionen, just in einer Zeit, da die Einnahmen stetig sinken. So nimmt die Zahlungsbereitschaft der Leserinnen und Leser ab, die Abonnementzahlen sind rückläufig. Der Konsum der News verlagert sich immer stärker ins Netz, und die Verlagshäuser suchen noch immer nach einer Antwort auf die Frage, wie sich dieser Trend monetarisieren lässt. Schliesslich fliessen inzwischen rund drei Viertel der dringend benötigten Werbegelder von den Schweizer Medienhäusern zu den grossen internationalen Tech-Plattformen. Diese spielen ihrerseits journalistische Inhalte aus und monetarisieren dies, ohne dass sie die Schweizer Verlage mit ihren 12 000 Medienschaffenden hierfür entsprechend vergüten würden.

Anna Rosenwasser: Es ist doch offensichtlich. Der Journalismus findet heute nicht mehr nur im analogen, sondern eben auch im digitalen

HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH ZUM 125�JAHRE�

Raum statt. Die Darstellung mag unterschiedlich sein, die Inhalte sind jedoch stets Ausfluss der Arbeit einer Journalistin oder eines Journalisten. Diese Erkenntnis gilt auch für Suchmaschinen und Online­Plattformen, die journalistische Inhalte in kurzer oder langer Form anzeigen. Der Ursprung einer News ist immer eine journalistische Leistung. Das müssen die Tech­Konzerne anerkennen. Nicht nur mit Beifall, sondern hierfür müssen sie auch zahlen.

Hannes Germann: Ich sehe das gleich. Die Finanzierung des guten Journalismus muss langfristig gesichert werden. Mit der indirekten Presseförderung wird zwar ein Teil des Problems angegangen, aber das reicht vorne und hinten nicht. Wahrscheinlich sollte man ein Leistungsschutzrecht einführen, einen Ausgleich zwischen den internationalen Plattformen und den Schweizer Plattformen. Ob das gelingt, weiss ich nicht. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt. So oder so ist für

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mich klar: Gute Arbeit soll auch etwas wert sein. Wir kreieren in der Schweiz so viele hochwertige Produkte, exportieren diese und bekommen hierfür gutes Geld. Da weiss ich nicht, warum das beim Journalismus anders sein soll.

Mark Eisenegger: Nun, wir haben die Schweizer Bevölkerung im Zusammenhang mit KI im Journalismus befragt, und da zeigt sich ein eindeutiges Bild. Eine Mehrheit ist der Meinung, dass die KI­Anbieter den Rühl: «Artikel können heute in guter Qualität vorgelesen werden.»

Schweizer Verlagen eine Entschädigung schulden, wenn sie deren Inhalte nutzen. Dies gilt meiner Meinung nach auch für andere Tech­Anbieter, die ihr Wissen auf journalistischen Content abstellen. Als Forscher habe ich da eine klare Haltung: Die Verlässlichkeit der Informationen ist für die Plattformen zentral. Diese Verlässlichkeit liefern die Schweizer Verlage und ihre Journalistinnen, selbstverständlich braucht es da eine Art finanziellen Rückfluss. Als Staatsbürger gehe ich noch einen Schritt weiter: Vom guten Journalismus profitieren letztlich alle hier in der Schweiz, auf ganz verschiedene Weise. Aber gratis gibt es diesen guten Journalismus nicht. Darum müssen wir ihm Sorge tragen.

Monika Rühl: Wenn ein neues Produkt erfunden wird, ist dies geistiges Eigentum, das geschützt wird. Es ist daher klar, dass auch journalistische Produkte einen angemessenen Schutz haben sollen. Zugleich sind es ja die «Googles dieser Welt», die mit ihrer enormen Innovationskraft helfen, die Artikel der Schweizer Medienhäuser zu verbreiten. So sind es immer gerade auch diese Plattformen, die mich auf einen spannenden Artikel aufmerksam machen oder mir in Sekundenschnelle exakt den Artikel ausspucken, den ich suche. Das ist eine Win­winSituation. Wenn wir über eine faire Lösung sprechen, dann gilt es beide Seiten zu gewichten.

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Schweizer Mediengeschichte: Teil 1

Die Presse, die Bürger, der Staat: die

Balance von Nähe und Distanz

Die Geschichte des Verlegerverbands ist eng mit der Schweizer Mediengeschichte verknüpft. Der Anfang des VSM geht auf 1899 zurück. Heute nennt man die Epoche verklärend «Belle Epoque». Doch in der Zeit von etwa 1895 bis 1914, als das kleine Binnenland im Herzen Europas in die Moderne eintrat, entstanden in schnellem Tempo neue Branchen: Elektrotechnik, Chemie, Pharma, die industrielle Uhrenfertigung, Telekommunikation, dazu der ganze tertiäre Sektor: Banken, Versicherung, Medizin, Beratung – und mit alledem die Medien!

Text: Karl Lüönd* Bilder: Keystone-SDA

Gedruckte Zeitungen entstanden im späten 16. Jahrhundert. Die erste in der Schweiz und wahrscheinlich im ganzen deutschen Sprachgebiet war die Rorschacher Monatsschrift «Annus Christi» (ab 1597), trotz des frommen Namens ein Blatt mit überwiegend kommerzieller Motivation. Die Auflage betrug ungefähr 150 Exemplare und wurde von Hand zu Hand weitergereicht. Der Inhalt bestand aus kurzen Berichten über Kriege, Verbrechen, Seeräuberei, Plünderungen, Hinrichtungen, dazu Nachrichten über Steuern, Zölle und Teuerungen. Es folgten die den grossen Handelsstrassen entlang verbreiteten Avis­ oder Intelligenzblätter, fliegenden Blätter, Messekataloge usw. Sie brachten Handelsnachrichten, Informationen über Preise, Steuern usw. Grosse Handelshäuser wie die Fugger unterhielten eigene Titel, die an den einzelnen Stationen von Hand mit lokalen Aktualitäten ergänzt und von reitenden Boten weitergereicht wurden. In Grossstädten wie London wurden Zeitungen als Treiber des kulturellen und gesellschaftlichen Lebens benötigt, vor allem als Anzeiger für neue Theaterstücke, Bücher und Pferdewetten.

Überall in Europa entwickelte sich das, was man ab dem 19 Jahrhundert «Presse»

* Karl Lüönd (1945) ist einer der besten Kenner der Schweizer Mediengeschichte. So verfasste er unter anderem Bücher über Ringier oder Tamedia. Er war unter anderem Mitglied der Chefredaktion des «Blicks», Chefredaktor des «Züri Leu» und während vieler Jahre der «Züri-Woche», deren Verleger er zeitweise war. Von 1998 bis 2005 war er Leiter des Medieninstituts des Verlegerverbandes (heute VSM). Lüönd verfasste über 30 Sachbücher und Unternehmensbiografien. Bietet seit jeher unabhängige Information, Orientierung und Einordnung: Mit der Presse war eine vierte Gewalt im Staate entstanden. (Bülacher Volksfreund, 1945)

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nannte. Es waren die jeweiligen technischen Möglichkeiten, nach denen die Pionier­Unternehmer ihr Geschäftsmodell weiterentwickelten. Zunächst war die Drucktechnologie – von der umständlichen Papierherstellung aus Haderlumpen über den Handsatz bis zur Handpresse – teuer. In feudalistisch regierten Gemeinwesen wachte eine strenge Zensur. Ausserdem setzte die eingeschränkte Alphabetisierung der Massen der Verbreitung von Ideen mit dem Mittel der Druckerpresse Grenzen. Trotz der häufig als demokratisierend gepriesenen Erfindung des Johannes Gutenberg blieb die Drucksache –auch weil sie teuer war – auf den relativ kleinen Kreis der Intellektuellen, der Regierenden, des Klerus, der schriftkundigen Reisenden und Kaufleute beschränkt.

Wie überall folgte auch in der Schweiz –wenn auch mit bemerkenswerter Verspätung – die Entwicklung der Presse den politischen Ereignissen. Nach einem kurzen Aufblühen in der Helvetik gewannen die Zeitungen mit dem 1848 gegründeten Bundesstaat an Bedeutung. Die direkte Demokratie sorgte für eine ständige Nachfrage nach Information für die Bürger. Zugleich wurden die Zeitungen zu Fechtböden des Parteienkampfs. Dies führte in den kleinräumigen Verhältnissen des Landes zu einer unerhörten Zersplitterung und fast überall zu wirtschaftlichen Problemen.

Industrialisierung als Treiber

Neue Nachrichtenmedien wurden auch aus sozialen Gründen benötigt, weil so viele Menschen ihre Bergtäler verliessen, in die grossen Agglomerationen zogen, wo die Industrie die Wasserkraft nutzte und für ihre Webereien, Spinnereien, Ziegeleien und bald einmal die ersten Kraftwerke Arbeitskräfte benötigte. Die Neuzuzüger wollten sich in ihren Gemeinden zurechtfinden. Die Familien mussten wissen, wann die Schule begann, an welchem Tag die Gemeindekanzlei geöffnet war und sicher auch, was Panoptikum und Kinematograph fürs Wochenende anboten. Wer anders als ein Anzeiger, eine Lokalzeitung konnte den Menschen helfen, den Alltag zu organisieren und nach und nach im Unvertrauten heimisch zu werden?

Wo immer ein solches Blatt entstand –durch die Initiative von Bürgern oder Parteien oder durch die Unternehmungslust eines Druckers –, stellte die Politik ihre Forderun­

gen. Im Wettbewerb der Parteien in Gemeinden und Kantonen waren die Zeitungen die wichtigsten Instrumente. Sie dienten als Plattformen und Resonanzkörper für parteipolitische Konzepte.

Der ausgesprochen kleinräumige Schweizer Staatsaufbau legte der damals noch komplizierten Typografie und der Druckerpresse das Fixkostenproblem in den Weg. Oft wurden die Blätter von nebenamtlichen Aktivisten – von Beamten, Lehrern, Regierungsleuten oder Richtern – redigiert. Der Medienwissenschafter Roger Blum hat für das Jahr 1893 allein für den Kanton Zürich 41 Kaufzeitungen mit einer Gesamtauflage von 161 000 Exemplaren nachgewiesen, fast alle einer Partei zugehörig. Anderswo waren die Verhältnisse ähnlich. «Nicht wer Partei nahm, sondern wer neutral blieb, erregte Misstrauen» (Roger Blum).

gleichzeitig Meldestelle für Zugereiste, Auskunftsstelle und Fundbüro – eine Vor­Vorform des Internet­Cafés … Aber wegen räumlicher Zersplitterung und kleinlicher politischer Aufsicht vermochten die lokalen Blätter an den meisten Orten das Bedürfnis des Publikums nicht zu befriedigen. Viele waren von politisch aktiven Gönnern abhängig.

«Der Typ des Generalanzeigers war auf die Interessen der Frauen gerichtet, die über die täglichen Einkäufe entschieden.»

Alternative Geschäftsidee von aussen Eine kommerzielle Alternative präsentierte Zürich im gleichen Jahr 1893 der Verleger Wilhelm Girardet aus Essen, der schon in vier stark wachsenden Städten Deutschlands erfolgreich nach angelsächsischem Vorbild den gleichen neuen Zeitungstyp entwickelt hatte: die sogenannten «GeneralanzeigerZeitungen»: politisch neutral, den redaktionellen Teil strikt auf die Nähe – die Stadt, den Kanton – gerichtet, unterhaltsam, ideenreich und dienstleistungsorientiert. Sie brachten Berichte vom Alltag in der Stadt, von neuen Läden. Ihre Themen waren die Programme der Varietés, der Odéons und der kinematografischen Theater, der Markt und die Tagespreise, die Schule, die Neuerungen beim Rösslitram oder bei der Kehrichtabfuhr. Unentbehrlich war der Fortsetzungsroman. Das spannende Ende erschien immer dann, wenn das Abonnement zur Erneuerung fällig war.

Eingemeindungen schaffen grössere Städte 1893 ist übrigens ein wichtiges Jahr, denn damals wurde in Zürich die erste grosse Eingemeindung vollzogen. Der starke Bevölkerungszuwachs stellte neue Verwaltungsaufgaben. Die Gemeinden Aussersihl (heutige Kreise 4 und 5), Enge inklusive Leimbach, Fluntern, Hirslanden, Hottingen, Oberstrass, Riesbach, Unterstrass, Wiedikon, Wipkingen und Wollishofen wurden zu Gross­Zürich zusammengefasst. Die meisten stimmten mit starken Mehrheiten zu, weil sie die Lasten der Infrastruktur nicht mehr stemmen konnten. In Aussersihl gab es damals Schulklassen mit bis zu 84 Schülern! Auch die Grossstadt mit ihren nach und nach in Sparten organisierten und professionalisierten Verwaltungsabteilungen hatte einen hohen aktiven Informationsbedarf, den sie zunächst mit amtlichen Publikationsorganen decken wollte. In Zürich erschienen schon ab 1730 die «Donnstags­Nachrichten», später «Tagblatt der Stadt Zürich». Sein Büro war

Politisch rechtlose Frauen entschieden über den Erfolg des neuen Zeitungstyps In den Gemeinwesen, in denen nur die Männer politische Rechte ausübten, war der Typ des Generalanzeigers stark auf die Interessen der Frauen gerichtet, die schliesslich über die täglichen Einkäufe entschieden. Das war die Grundlage für das Inseratengeschäft, die unentbehrliche Querfinanzierung der Zeitungsbetriebe zu Stadt und Land. Es funktionierte auch in Zürich. Einen Monat lang liess Girardet seinen «Tages­Anzeiger» gratis verteilen, dann hatte er annähernd 30 000 Abonnenten. In Luzern, Lausanne und Genf entstanden Nachahmertitel und hatten ebenfalls Erfolg. Die Lesenden, die Politiker, die Wirtschaftskräfte merkten: Mit der Presse war eine vierte Gewalt im Staate entstanden, hoch im Anspruch auf Unabhängigkeit, zugleich abhängig von zwei Kundengruppen mit teilweise entgegengesetzten Zielen: den

23 Sonderausgabe 125 Jahre VSM

Lesenden mit ihrem Anspruch auf Information, Welterklärung, Haltung und Unterhaltung, und den Inserenten, die bald einmal mehr als die Hälfte der Kosten bezahlten und nicht müde wurden, auf die unabhängigen Redaktionen Einfluss zu nehmen. Die wichtige Rolle der vierten Gewalt wurde auch vom jungen Bundestaat Schweiz anerkannt: Bereits im ersten Bundesgesetz über die Posttaxen von 1849 wurde eine Taxermässigung für «Zeitungen und andere periodische Blätter der Schweiz» festgehalten. Das war der Beginn der bis heute andauernden und bewährten indirekten Presseförderung.

emplare auf über 100 Millionen gestiegen war. Die damalige Forderung ist noch heute nicht erfüllt, nämlich eine transparente Kostenrechnung für den Zeitungsversand. Trotz sinkender Auflagen in den «Internet­Jahren» seit 2000 sehen die Verleger den Zeitungsversand als Grundauslastung für die Post in einer Grössenordnung, die in allen Branchen der Marktwirtschaft eine Preissenkung zur Folge haben müsste. Über eine Offenlegung ihrer Kosten für den Zeitungs­ und Zeitschriftenversand durch die Post und eine grundsätzliche Diskussion mit ihren Kunden, den Verlegern, hat man bis heute nichts vernommen.

wurde später durch die fortan branchenführende Linotype aus dem Hause Mergenthaler abgelöst. 1902 zeigte eine Umfrage unter Schweizer Journalisten, dass es erst wenige professionelle Persönlichkeiten im Geschäft waren. Die Sozialpolitik und die Arbeitsteilung zwischen Journalisten, Verlegern und Druckern wurden erst später aktuell. Es gab viel zu tun. Der Verband hat es immer wieder angepackt. Fertig geworden ist er damit noch nicht. Aber es wird weitergearbeitet.

«Am Anfang stand der gegenseitige Schutz vor Übervorteilung im Vordergrund.»

Standes- vor Sozialpolitik – und der ewige Kampf mit der Post Die Gründung des Zeitungsverlegerverbandes, die 1899 im Hotel Halbmond zu Olten vollzogen wurde, war eine Reaktion «auf die wachsenden Ansprüche der Postverwaltung betreffend Zeitungsexpedition» – ein Problem, das den Verband bis heute beschäftigt: die Posttaxen. Die Aktivität der Verleger war deshalb so dringlich, weil in den vorangegangenen zwanzig Jahren die Zahl der pro Jahr versandten taxpflichtigen Zeitungsex­

Das erste Programm des jungen Verbandes umfasste 18 Punkte. Im Vordergrund stand «der gegenseitige Schutz vor Übervorteilung», eine «gewerbeschonende Wettbewerbs­ und Marktordnung und die Abwehr behördlicher Eingriffe». Damit war deutlich genug der Griff des Monopolbetriebes PTT in die Kassen der Verleger gemeint. Nur am Rande war von sozialpartnerschaftlichen Anliegen die Rede. Der sechs Jahre früher gegründete erste nationale Journalistenverband hielt seine Interessen damals noch für gleichgerichtet mit denen der Verleger und der Drucker.

Die ersten Jahre des Verlegervereins waren auch die Zeit bedeutender technischer Neuerungen in den Zeitungsbetrieben. Ab 1888 lief die erste Rotationsmaschine, und Hermann Jent, Mitbegründer des Verbandes und Verleger des «Bundes», hatte als Erster in der Schweiz Thorne­Setzapparate angeschafft. Das System bewährte sich nicht und

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Engagement für Medien und Journalismus

«Der

Verlegerverband ist tagtäglich gefordert»

Gleich beim Hauptbahnhof Zürich befindet sich die Geschäftsstelle des Verlegerverbands SCHWEIZER MEDIEN. Der VSM hat die Dynamik des hippen Quartiers, das sich ständig erneuert, verinnerlicht. Mit einem kleinen Team bewältigt er vielfältige Aufgaben im Interesse seiner Mitglieder und im Interesse des gesamten Schweizer Medienplatzes. Eventplanung, Projektstrategie und Lobbying: Ein Besuch beim VSM zeigt, wie an einem Tag die ganze Palette der Verbandsarbeit bespielt wird.

«Nur geeint gelingt es, dass die Anliegen unserer Branche tatsächlich Gehör finden.» Die Mitglieder des VSM-Präsidiums diskutieren die aktuellen medienpolitischen Herausforderungen.

Lesen, lesen, lesen – bei der ersten Tasse Kaffee. Der Tag beim Verlegerverband beginnt für den Geschäftsführer Stefan Wabel frühmorgens mit der Durchsicht der Tageszeitungen. Von künstlicher Intelligenz über Post und Service public bis hin zu Bankengesetz, Werbeverboten oder Medienförderung:

All diese und viele weitere aktuelle Themen gilt es im Auge zu behalten. Dies gilt speziell für heute, da am Nachmittag das Präsidium des VSM zu einer Sitzung zusammenkommen wird.

Die Branche befindet sich in einem Transformationsprozess mit vielen Unbekannten.

«Die Verlage sind aktuell mehr gefordert denn je», sagt Wabel, «unabhängig davon, ob klein, mittel oder gross.» Es brauche darum eine Geschäftsstelle, die fundiertes Wissen für die wichtigen Entscheidungen bereitstellen könne: «Dabei sind wir weit mehr als nur Dienstleister. Ich sehe den Verlegerverband

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Text: Pascal Krauthammer Bilder: Ramon Lehmann

als ein eigentliches Kompetenzzentrum, das sich mit allen Medienthemen aktiv auseinandersetzt, bevor sie in aller Munde sind, bevor sie aufs politische Parkett kommen und bevor andere Player das Themensetting übernehmen können. Dazu sind wir tagtäglich gefordert.»

Wabel hat die Traktanden für die Präsidiumssitzung vor Tagen verschickt. Jetzt trifft er die letzten Vorbereitungen, bevor er seine Arbeit für eine kurze Sitzung mit Marianne Läderach unterbricht. Läderach leitet das Medieninstitut des Verlegerverbandes. Auch dieser Bereich hat sich in den letzten zehn Jahren grundlegend verändert. Während man früher noch jedes Jahr Dutzende Spit­

Verlegerverband SCHWEIZER MEDIEN –das Wichtigste in Kürze:

Der Verlegerverband SCHWEIZER MEDIEN (VSM) ist die grösste Branchenorganisation der privaten Schweizer Medienunternehmen. Er wurde 1899 als Schweizerischer Zeitungsverlegerverein gegründet und vereint heute mit seinen Schwesterverbänden Médias Suisses und Stampa Svizzera rund 100 Medienunternehmen, die zusammen über 300 Publikationen herausgeben und zahlreiche digitale Newsplattformen sowie über 30 Radio- und TV-Sender betreiben. Seit 2021 wird der VSM von Geschäftsführer Stefan Wabel geleitet.

Der VSM setzt sich für die Wahrung der Interessen der privaten Medienunternehmen und für gute Rahmenbedingungen für den Journalismus in der Schweiz ein. Im 125. Jahr seines Bestehens konzentriert sich der Verlegerverband insbesondere auf drei Haupttätigkeitsfelder:

Interest-Titel, führt neben der traditionellen Dreikönigstagung zahlreiche weitere Veranstaltungen für den Wissensaustausch in der Branche durch und steht seinen Mitgliedern als Kompetenzzentrum tatkräftig zur Seite.

Der Verlegerverband ist zudem Träger wichtiger Branchenorganisationen:

VSM Medieninstitut

Schweizer Presserat

Keystone-SDA

MAZ – Institut für Journalismus und Kommunikation

WEMF AG für Werbemedienforschung

Schweizerische Lauterkeitskommission

Kaufmännische Grundbildung: EFZ Branche

Kommunikation

Stiftung Werbestatistik Schweiz

ETH Media Technology Center

Wabel: «Die Verlage sind aktuell mehr gefordert denn je.»

zenkräfte für die Medienhäuser ausbildete, wurde mit dem Wandel der Branche 2017 auch die Weiterbildung «Eidgenössischer Fachausweis Medienmanager» eingestellt. Die Ressourcen, die dadurch frei geworden sind, hat Läderach in den Aufbau der «Medienkompetenz für die Oberstufe» gesteckt. Von diesem Engagement des VSM, das mit der neuen Initiative «UseTheNews» noch intensiviert wird, profitieren inzwischen jedes Jahr Hunderte Schulklassen aus der ganzen Schweiz. Für die demokratische Meinungsbildung leiste der VSM darum Grosses, sagt Läderach überzeugt: «Medienkompetenz ist relevant für unsere Gesellschaft. Die Jugendlichen müssen lernen, wie sie die Informationen, die sie zugespielt bekommen, einordnen können. Diese Fertigkeit muss man sich aneignen, und wir bieten die Werkzeuge dazu.» Dabei muss das MedienkompetenzProgramm ständig an die Aktualität angepasst werden. Marianne Läderach und Stefan Wabel besprechen sich kurz: Man ist sich einig, dass die künstliche Intelligenz neu ins Programm aufgenommen werden soll. Die neue Stossrichtung wird abgesegnet. Marianne Läderach beendet ihre Unterredung mit Stefan Wabel und eilt ins kleine Besprechungszimmer, wo bereits Michèle

Die Medienpolitik mit Fokus auf den Ausbau der Medienförderung und den Schutz journalistischer Inhalte in der digitalen Welt.

Die Auseinandersetzung mit künstlicher Intelligenz durch die Initiative «KI-Kompass», die Chancen und Risiken von generativer KI beleuchtet und den Wissensaustausch innerhalb der Branche fördert.

Die Förderung der Medienkompetenz. Hier setzt der Verlegerverband zusammen mit Keystone-SDA und der SRG als Träger der Dachorganisation «UseTheNews» neue Akzente, um die Medien- und Nachrichtenkompetenz in der Gesellschaft zu stärken.

Darüber hinaus engagiert sich der VSM auch im Gattungsmarketing für den Nutzer- und Werbemarkt, vergibt das Q-Label für Fachmagazine und Special-

UseTheNews – nationale Dachorganisation für Nachrichtenkompetenz

Swiss Media Forum

Schweizer Presseausweis VSM

Als aktives Mitglied engagiert sich der Verlegerverband bei folgenden Organisationen:

Economiesuisse

Schweizerischer Arbeitgeberverband

ENPA – European Newspaper Publishers’ Association

WAN-IFRA – World Association of Newspapers and News Publishers

KS/CS Kommunikation Schweiz

Weitere Informationen: www.schweizermedien.ch

Meissner auf sie wartet. Meissner, die beim VSM den Nutzermarkt und die Veranstaltungen verantwortet, ist mitten in der Vorbereitung der diesjährigen Lokalmedientagung. Ein Programmschwerpunkt ist das Thema Community­Building. Wie können kleinere und mittlere Verlage auch im digitalen Raum eine treue Leserschaft aufbauen?

«Es ist wichtig, dass der VSM seinen Mitgliedern eine Plattform und ein Netzwerk für den Wissensaustausch und die Wissenserweiterung ermöglicht, mit aktuellen Themen, die die Branche bewegen», betont Meissner. Die Themen seien ganzheitlich zu betrachten, so Läderach und Meissner. «Diese brennen sowohl den Verlagsleitenden als auch den Redaktionen unter den Nägeln.

Entsprechend erweitern wir laufend die Kontaktgruppen und unsere Kommunikation mit ihnen.» Romina Pernhardt gesellt sich dazu. Pernhardt, die beim VSM für alle Mitgliederbelange verantwortlich ist und die jährliche Mitgliederversammlung organisiert, ist der jüngste Zugang beim VSM. «Es gibt wenige Arbeitsstellen, die einen jeden Tag derart fordern und einem gleichzeitig das Gefühl geben, etwas Sinnvolles zu leisten», sagt Pernhardt, die früher auch bei Tamedia im Nutzermarkt tätig war. Gemeinsam evaluiert man die neuesten Aktionen des Presseabos. Dieses Angebot des VSM, dank dem Interessierte eine Vielzahl von Zeitungen und Zeitschriften mit Rabatt abonnieren können, wird rege genutzt: Rund

27 Sonderausgabe 125 Jahre VSM

40 Zeitschriften und Zeitungen beteiligen sich an dieser Verbundaktion. Und weil jeder Titel auch alle anderen bewirbt, ergibt dies einen starken Multiplikatoreffekt. 1,8 Millionen Werbebroschüren werden über das Jahr für die Presseabos verteilt. Mit grossem Erfolg: Jede Aktion bringt den teilnehmenden Verlagen eine Vielzahl von neuen Abonnenten.

Die Hälfte des Vormittags ist bereits durch. Die Kaffeemaschine läuft heiss. Mit einer Tasse in der Hand schaut sich der Geschäftsführer Wabel mit Martin Voigt die neuesten Kampagnenelemente der Initiative «Print wirkt» an. Voigt ist beim VSM für das Gattungsmarketing zuständig und ist daher im ständigen Austausch mit Werbern, Agenturen, Vermarktern und Medienforschungsinstituten. «Allen Anspruchsgruppen, vor allem auch jungen Agenturleuten, soll aufgezeigt werden, dass die Werbebudgets in den Zeitungen gut investiert sind. Die Kampagne soll überdies hervorheben, wie stark Print mit seiner hohen Glaubwürdigkeit wirkt.»

Voigt hat hierzu ein paar Posts für die Social­Media­Kanäle des VSM vorbereitet. Diese passen, Wabel gibt grünes Licht. Sogleich geht es zur nächsten Sitzung mit dem Public­Affairs­Spezialisten des VSM, Andreas Zoller. Vor der Präsidiumssitzung will

Wabel: «Die grosse Aufgabe ist jeweils, eine gemeinsame Haltung zu entwickeln.»

man gemeinsam die wichtigsten politischen Geschäfte durchgehen. Das Präsidium soll auf den letzten Stand gebracht werden. Zoller erläutert den neuesten Fahrplan zur indirekten Presseförderung und analysiert die kommenden Stationen in Kommission, Verwaltung oder Parlament. Auch andere Geschäfte werden diskutiert. «Unsere Herausforderungen sind komplex und unheimlich spannend», sagt Zoller. Bei verschiedenen Themen laufen Vernehmlassungen – oder die Geschäfte befinden sich bereits im parlamentarischen Prozess. «Für die Verwaltung und die Politik sind wir als Verlegerverband der Ansprechpartner Nummer eins für die Medienpolitik. Es gilt daher, mit dem Präsidium frühzeitig Positionen festzulegen, damit wir zur richtigen Zeit bereit sind. Einigkeit und Timing sind entscheidend.»

Die Präsidiumsmitglieder treffen im Sitzungszimmer in den Räumlichkeiten von CH Media in Zürich Oerlikon ein. Die Sitzung beginnt. Andrea Masüger begrüsst in seiner Funktion als Präsident des VSM und leitet gleich zur Medienpolitik über. Kurzfristig, so ist man sich in der Runde einig, ist der befristete Ausbau der indirekten Presseförderung absolut zentral. Darüber hinaus braucht es neue Ansätze für die Medienförderung. Hierfür wird mit Beschluss eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Politisch aktiv werden will man auch beim Grundversorgungsauftrag der Post, der zurzeit im Bundesrat beraten wird. Zentral ist für den VSM, dass die Zeitungen weiterhin täglich bis 12 Uhr 30 zugestellt werden. Der Geschäftsführer Wabel informiert nach weiteren Traktanden über die Entwicklungen beim AI­Act der EU, dem weltweit ersten Gesetz zur Regulierung der künstlichen Intelligenz. Die Diskussion dreht sich alsbald um die Regulierung der KI in der Schweiz und die Auslegeordnung, die der Bundesrat in diesem Jahr präsentieren wird. Die Präsidiumsmitglieder betonen, dass der Schutz der Urheberrechte für journalistische Inhalte essenziell für das Geschäftsmodell des Journalismus sei. Das Präsidium setzt zu diesem und weiteren Geschäften die Strategien fest, damit die Geschäftsstelle auf Hochtouren weitermachen kann.

Wabel, der die ganze Vorstandssitzung moderiert hat, zeigt sich am Schluss des Tages zufrieden: «Ich bin mir immer bewusst, dass unsere Mitglieder ganz unterschiedliche Ressourcen und damit zum Teil auch sehr unterschiedliche Meinungen haben. Die grosse Aufgabe ist jeweils, eine gemeinsame Haltung zu entwickeln. Denn eines ist klar: Nur geeint gelingt es, dass die Anliegen unserer Branche tatsächlich Gehör finden.»

Dies ist heute jedenfalls gelungen. Morgen jedoch erscheinen bereits die neuen Zeitungen. Und die Herausforderungen beginnen von neuem.

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Martin Voigt und Stefan Wabel besprechen die «Print wirkt»-Kampagne. Marianne Läderach leitet das Medieninstitut des VSM und verantwortet die Aktivitäten zur Förderung der Medienkompetenz. Michèle Meissner wertet mit Romina Pernhardt die Erfolge der Verbundaktion «Presseabo» aus. Andreas Zoller erläutert die medienpolitischen Positionen des VSM.

Das Präsidium des Verlegerverbands SCHWEIZER MEDIEN

Andrea Masüger, Präsident Verlegerverband

Delegierter des Verwaltungsrates, Somedia Press AG

Ladina Heimgartner

Head Media Ringier AG und CEO Ringier Medien Schweiz

Ursula Nötzli

Chief Communications & Sustainability Officer und Mitglied der Gruppenleitung TX Group

Peter Wanner, Vizepräsident Verlegerverband

Präsident des Verwaltungsrates der CH Media Holding AG und Verleger

Beat Lauber (bis Mai 2024)

Verwaltungsrat Meier + Cie AG Schaffhausen und Vorsitzender der Gesellschafterversammlung von «Schweizer Bauer»

Christoph Nussbaumer CEO Freiburger Nachrichten AG

Roman Bretschger (ab Mai 2024) Generalsekretär NZZ

Christof Nietlispach VR-Präsident Freiämter Regionalzeitungen AG

29 Sonderausgabe 125 Jahre VSM

Jubiläums-Umfrage

Was verbindet Sie mit dem VSM?

«persönlich» wollte von Schweizer Branchenvertreterinnen und -vertretern wissen, was ihr prägendstes Erlebnis mit dem Verband SCHWEIZER MEDIEN sei.

Direktor Bakom

Den VSM gibt es seit 125 Jahren, das Bakom erst seit 32. Der VSM war lange nur «Print», das Bakom ist für die «elektronischen Medien» da. Auf den ersten Blick sieht das nach viel Distanz aus. Vielleicht war es auch einmal so. Heute aber gibt es zwischen dem VSM und dem Bakom eine Partnerschaft mit dem gemeinsamen Ziel, in der Schweiz eine möglichst vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Der VSM ist für das Bakom ein zentraler Ansprechpartner, wenn es darum geht, medienpolitische Anliegen zu realisieren. Im Wissen um die unterschiedlichen Rollen des Verbandes und des Amtes hat sich eine vertrauensvolle und offene Austauschkultur entwickelt, die geprägt ist von gegenseitigem Respekt und Anerkennung. Wir sind uns glücklicherweise nicht immer einig, wie sich die Medienpolitik entwickeln sollte. Aber wir sind uns immer einig, dass wir beide das Möglichste tun, um den Medienplatz Schweiz zu stärken. Und wir wissen, dass dies eine ehrenvolle, aber auch schwierige Arbeit ist. Sie braucht Ausdauer, Kreativität und Durchhaltewillen. Seit 125 Jahren und hoffentlich noch viele, viele mehr.

CEO CH Media

Der VSM ist eine zentrale Institution für die Branche. Einerseits sorgt der VSM für die notwendige Vernetzung der verschiedenen Fachbereiche sowie den Austausch von Know­how. Wir beschäftigen uns schliesslich alle mit den gleichen Herausforderungen. Andererseits ist der VSM wichtig für die Vertretung von gemeinsamen Anliegen gegenüber der Politik. Da kann der Verband in der Regel oft mehr bewirken als ein einzelner Verlag. Mein prägendstes Erlebnis mit dem VSM war mein erstes Jahrestreffen – das letzte im Hotel Victoria­Jungfrau in Interlaken. Es war wie ein nostalgischer Blick zurück in die Zeit der goldenen 1990er­Jahre. Die Partys in den Hotelsuiten sollen bis in die frühen Morgenstunden gedauert haben und müssen legendär gewesen sein. Das hätte ich gerne miterlebt.

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Michael
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Allianz für Nachrichtenkompetenz um den Herausforderungen von Fake News zu begegnen.

#UseTheNews bündelt Journalismus, Bildung und Wissenschaft unter einem Dach.

#UseTheNews richtet sich an Lehrpersonen, Jugendliche und die gesamte Bevölkerung, um sie im Umgang mit Desinformation zu stärken.

Swissfundraising «Der Spendenmarkt lässt sich vergrössern!» marketing & kommunikation 31
www.usethenews.ch

Generaldirektor SRG SSR

Die SRG und der VSM haben ein gemeinsames Schicksal. Gemeinsam bilden wir einen wichtigen Teil des Medienplatzes Schweiz und teilen viele Herausforderungen, angefangen bei der Aufrechterhaltung einer unabhängigen Information, die für das Funktionieren der Demokratie unerlässlich ist. Eine wichtige Herausforderung in unserer digitalen, fragmentierten Gesellschaft, in der es immer schwieriger wird, das Wahre vom Falschen zu unterscheiden. Aus diesem Grund hat die SRG auch zahlreiche professionelle Kooperationen mit privaten Medien, zum Beispiel in den Bereichen Ausbildung, Video­Sharing oder technologische Innovation. In dieser Hinsicht ist die Schweiz im europäischen Vergleich vorbildlich aufgestellt, was mich sehr freut. Offensichtlich nützt die Schwächung der öffentlichen Medien den privaten nicht und umgekehrt. Die Schweiz ist zu klein, um sich solche zwecklosen Spaltungen und Kämpfe zu leisten, die letztlich nur der internationalen Konkurrenz zugutekommen.

Marc Walder

Chief Executive Officer und Managing Partner

Ringier AG

Die Antwort ist für einmal einfach: Es war im August 2015, Klausurtagung des Präsidiums des VSM. Ich habe die Präsidiumsmitglieder ordnungsgemäss und transparent informiert über das anstehende Vermarktungs­Joint­Venture zwischen der Swisscom, der SRG und Ringier. Einzelne Mitglieder, aber nicht der damalige und langjährige Präsident Hanspeter Lebrument, sahen dies als Affront. Was es natürlich nicht war, ganz im Gegenteil. Ich «durfte» dann für einen grossen Teil der Sitzung den Raum verlassen. Und wartete geduldig vor den Türen des Konferenzraumes im Sonnenberg­Komplex am Zürichberg. Ringier trat einen Tag danach aus dem Verband VSM aus. Doch diese – durchaus unangenehme – Anekdote gehört längst der Vergangenheit an.

Zum 125­Jahr­Jubiläum wünsche ich dem VSM von Herzen, dass er – zusammen mit seinen Mitgliedern, gross und (!) klein – Lösungen und Wege findet für einen starken Schweizer Medienstandort. Dazu gehört übrigens, nein – unbedingt, eine intakte SRG.

CEO Gammeter Media AG

Verlegerin Engadiner Post /Posta Ladina

In einer homogenen, viersprachigen Medienlandschaft wie in der Schweiz kommt dem Branchenverband eine bedeutende Rolle als Bindeglied zu. Ich schätze daher, dass seit je auch die kleineren Medienhäuser im Präsidium und in den Arbeitsgruppen vertreten sind – auch wenn sie sich nicht bei allen Themen gleich gut Gehör verschaffen können. Eine professionelle Geschäftsleitung setzt zukunftsgerichtete Schwerpunkte und trägt viel dazu bei, dass die Medienhäuser Entwicklungen motiviert angehen und sich dabei auf das Know­how und den Erfahrungsaustausch mit dem Verband stützen können. Ich bin dankbar, dass wir einen engagierten und dadurch präsenten Branchenverband haben. Denn eines ist sicher: Die Zukunft bringt weitere Herausforderungen, die sich gemeinsam bestimmt besser meistern lassen als im Alleingang.

Mit dem VSM bin ich seit langer Zeit in einer Art On­off­Beziehung. Als ehemaliger Radiojournalist war ich früh von den Medien fasziniert. Im späteren Anwaltsberuf kam das politisch­gesellschaftliche Element etwas zu kurz. So war es naheliegend, 2003 beim VSM als Rechtskonsulent einzusteigen. Es folgten einige Jahre als VSM­Geschäftsführer – in einer Phase, in der sich der Medienwandel auch im Branchenverband bemerkbar machte. Persönlich habe ich diese Zeit beim VSM in bester Erinnerung. Einige Jahre später durfte ich als Vertreter der NZZ im VSM­Präsidium Einsitz nehmen und mich so wieder im Verband engagieren. Besonders prägend und inspirierend waren für mich stets die Menschen, die ich durch den VSM kennenlernen durfte. Die Medienbranche ist voller spannender Persönlichkeiten, und der VSM ist die Plattform, wo man sich trifft und austauscht.

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CEO Keystone-SDA
05 Mai 2024

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Swissfundraising «Der Spendenmarkt lässt sich vergrössern!» marketing & kommunikation 33

CEO Neue Zürcher Zeitung AG

Als eines der grössten privaten Schweizer Medienunternehmen ist die NZZ schon seit langer Zeit Mitglied im VSM. Von dessen aktiven Förderung einer vielfältigen und unabhängigen Medienlandschaft profitieren auch wir. Wertvolle Erfahrungen und das Netzwerk mit Branchenexperten und Gleichgesinnten unterstützen und inspirieren mich bei aktuellen Herausforderungen. Mein prägendstes Erlebnis war mein erster Auftritt in der Elefantenrunde der Medienhäuser am jährlichen SwissMediaForum. Selten bekommt man die Spitzen der Big Five der Medienbranche zusammen an ein Podium; der Austausch ist jeweils anregend, offen, witzig und bereichernd.

Präsidentin Schweizer Presserat

Der VSM war in meiner Wahrnehmung vor zwanzig Jahren ein Hort von Patrons. An der Spitze stand ein Mann, den die Zeitungen einen «Haudegen» nannten. Er liebte das direkte Wort. Unter ihm wurde der Gesamtarbeitsvertrag der JournalistInnen gekündigt. Die Mediengewerkschaften und Berufsverbände wehrten sich, aber das half damals wenig. Zu jener Zeit hatte ich als Redaktorin der «Woz» nichts mit dem Verband zu tun. Das hat sich inzwischen geändert – und was mich wirklich freut: Mein Verhältnis zum VSM ist toll. Er gehört zu den Trägern des Presserats und sitzt im Stiftungsrat. Stefan Wabel, der heutige Geschäftsführer, repräsentiert darin den Verband, und das tut er bäumig – integrativ, konstruktiv, verlässlich, stets dem guten und fairen Journalismus verpflichtet.

05 Mai 2024
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CEO ZT Medien AG

Den VSM schätze ich als starken und unverzichtbaren Interessenvertreter der Medienbranche auf nationaler und internationaler Ebene. Das Engagement für die Pressefreiheit und den Qualitätsjournalismus ist ebenso beeindruckend wie die Unterstützung und Beratung. Der direkte Austausch und die Zusammenarbeit mit den ehemaligen sowie dem jetzigen Geschäftsführer, Stefan Wabel, zeigen immer wieder, wie wichtig es ist, Herausforderungen gemeinsam anzugehen. Hier finden auch kleine und mittlere Medienhäuser eine echte Vertretung – auch wenn es um gemeinsame Interessen wie die indirekte Presseförderung, die Bewältigung der digitalen Transformation oder die KI­Entwicklungen der Branche geht. Zum 125­jährigen Bestehen gratuliere ich dem VSM herzlich. Ich danke für den unermüdlichen Einsatz für die Schweizer Medienlandschaft und freue mich auf eine weiterhin erfolgreiche Zusammenarbeit.

Daniel Bargetze

CEO Vaduzer Medienhaus AG

Wir sind das einzige VSM­Mitglied aus dem Ausland, worauf wir stolz sind! Wir Liechtensteiner verleihen gerne das internationale Flair und haben traditionell auch wenig Mühe mit fremden Richtern, weshalb wir uns z.B. in Ermangelung eines eigenen gerne dem Schweizer Presserat unterstellen. Die Zusammenarbeit über die Landesgrenzen funktioniert also bestens. Wir schätzen generell die Teilnahme an den VSM­Veranstaltungen und Weiterbildungen und bringen uns nach Möglichkeit gerne ein. Die Erkenntnis beim Netzwerken an den VSM­Events ist jeweils, dass alle anderen, selbst die Grossen, halt auch nur mit Wasser kochen – einfach mit grösseren Pfannen. Umso wichtiger ist deshalb, diesen Austausch aktiv zu pflegen und voneinander zu profitieren. Der VSM mit all seinen Aktivitäten ist dazu eine wertvolle Plattform.

35 Sonderausgabe 125 Jahre VSM
ANZEIGE Media Focus Schweiz GmbH | +41 43 322 27 50 | mediafocus@mediafocus.ch | www.mediafocus.ch | Stauffacherstrasse 28, 8004 Zürich Das Media Focus Team gratuliert dem Verlegerverband SCHWEIZER MEDIEN ganz herzlich zum 125-Jahr-Jubiläum! Wir wissen Wer, Wie, Wo, Wann, Wie lange und Wie intensiv in der Schweiz Werbung schaltet.

Estival

Präsident Médias Suisses, association des médias privés romands

Der VSM ist ein wichtiger Partner für Médias Suisses. Seine Expertise und sein Engagement für die Interessen der Verleger in der Deutschschweiz machen ihn zu einem Schlüsselakteur in unserer Branche. Unsere enge Zusammenarbeit ermöglicht es uns, mit einer Stimme zu den entscheidenden Themen für die Zukunft der Medien zu sprechen. In einer sich wandelnden Branche und angesichts neuer Herausforderungen ist es wertvoll, einen Partner wie den VSM an unserer Seite zu haben. Wir handeln in allen Kämpfen einheitlich, wie derzeit für eine Erhöhung der Zustellförderung für Zeitungen und für die Anerkennung der Rechte der Schweizer Verleger gegenüber den GAMAM, wenn diese unsere journalistischen Inhalte kostenlos nutzen, um ihre Position auf dem Markt zu stärken. Ich freue mich, unsere Zusammenarbeit fortzusetzen. Alles Gute zum Geburtstag und unsere besten Wünsche an das gesamte Präsidium!

Gründer Tageszeitung «La Regione» und Präsident von Stampa Svizzera

Von 1992 bis 2006 war ich Mitglied des Präsidiums des VSM. Später, nach der Entscheidung, die drei separaten Verbände Schweizer Medien, Médias Suisses und Stampa Svizzera, dessen Präsident ich bin, zu gründen, nahm ich an den Sitzungen des Präsidiums als Auditor teil. Ein prägendes Erlebnis ist vor allem die Tatsache, dass der VSM immer eine grosse Aufmerksamkeit und Sensibilität gegenüber dem Tessin hatte, was ich sehr schätze.

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05 Mai 2024
Stéphane
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CEO Tamedia

Beim Dreikönigstreffen im Januar konnte ich erstmals einen direkten Kontakt zum Verband Schweizer Medien herstellen. Als neue CEO von Tamedia bot sich mir dort die wunderbare Gelegenheit, die hiesige Medienlandschaft persönlich zu erkunden und mich mit anderen Kolleginnen und Kollegen auszutauschen. Ich blicke mit Zuversicht auf die kommende Zusammenarbeit mit dem Verband. Das Dreikönigstreffen markierte den Auftakt unserer Partnerschaft, und ich war beeindruckt von der Offenheit und dem Verständnis des Verbandes für die Herausforderungen, denen unsere Branche und unsere Welt gegenüberstehen.

Herausgeberin «Zumiker Zolliker Bote», Geschäftsleiterin Fröhlich Info AG

Unsere Devise heisst: Gemeinsam geht es besser, auch in einer Branchenorganisation. Wir werden an Events und Veranstaltungen als kleiner Verlag stets willkommen geheissen. Dabei ist der Austausch unter den Mitgliedern bereichernd. Wir profitieren vom reichhaltigen und aktuellen Programm, besonders an den Lokalmedien­Tagungen und den Input­Sessions.

VR-Vizepräsidentin und Delegierte des Verwaltungsrates Somedia

Ich kenne den VSM aus Zeiten, als mein Vater Präsident war. Ich fürchtete mich immer vor seinen Reden und dachte bei mir «wie peinlich». Heute bin ich stolz auf meinen Vater. Auf seine Reden. Auf seine Auftritte. Ich erinnere mich sehr gerne an die Medienkongresse. Die Feste waren ausgelassen, fröhlich, ernsthaft. Einfach toll.

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Ehrenpräsidenten

Ein Blick in die glorreiche Vergangenheit: Die drei Verleger Hans Heinrich Coninx, Hanspeter Lebrument und Pietro Supino prägten wesentlich die Stossrichtung des Verlegerverbandes während der vergangenen 22 Jahre. Darum ein kleiner Blick zurück, illustriert von Bildern des bekannten Zürcher Fotografen Alberto Venzago von vergangenen Medienkongressen, die er jeweils im Auftrag des «persönlich» machte.

Langjähriger Verleger Tamedia, Präsident Verlegerverband (1992 bis 2003) und heute Ehrenpräsident

In praktisch allen zentralen Themen, die uns während meiner elfjährigen Präsidentschaft beschäftigen mussten, waren wir von der Gangart «Berns» abhängig. So auch bei meinem Lieblingsthema, den «Postzeitungstarifen». Ein «Dauerbrenner». Ich erwähne ferner das Datenschutzgesetz, das Gesetz über den unlauteren Wettbewerb (UWG), den journalistischen Quellenschutz und das damit zusammenhängende Zeugnisverweigerungsrecht für Journalisten. Ich erinnere weiter an den Vorschlag der Staatspolitischen Kommission des Parlaments zur Einführung eines «Medienund Presseartikels», an das Wettbewerbsrecht, mögliche Werbeverbote sowie die Einführung des Medienstrafrechts. Hinzu kam das Problem des Gebührensplittings bei den elektronischen Medien.

Mehrere Jahre standen GAV­Verhandlungen auf der Agenda. Hier, wie auch später bei der Verabschiedung der Rahmenvereinbarung mit den Journalistinnen und Journalisten, gingen die Meinungen weit auseinander. Aber bei der Ausgestaltung der Sozialpartnerschaft konnte letztlich eine Vereinbarung für eine längerfristige fruchtbare Zusammenarbeit mit den Vertragspartnern geschlossen werden.

Hanspeter Lebrument

Präsident VSM (2003 bis 2016), heute Ehrenpräsident und langjähriger Somedia-Verleger

Als ich zum Präsidenten des VSM gewählt wurde, war die Medienwelt noch die alte. Die Auflagen und die Abonnementszahlen hatten Höchststände erreicht, und die Zeitungen waren voller Inserate. Die Konkurrenten stammten meist aus dem Inland. Es ging darum, einander Marktanteile abzujagen.

In den Anfangsjahren des neuen Jahrtausends sorgten die ersten Gratiszeitungen für Aufregung in der einheimischen Medienwelt. In jenen Jahren begann die Digitalisierung, die gesamte Gesellschaft allmählich zu verändern. Nachdem Smartphones das Internet für alle immer und überall verfügbar gemacht hatten, begannen die klassischen Medien, ertragsmässig zu wackeln. Es galt, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Als ich mein Amt niederlegte, war die Medienwelt eine andere. Doch der digitale Umbau der Medien und der Wirtschaft ist längst noch nicht abgeschlossen. Erst vor kurzem klopften KI und Co. an die Tür. Für uns Medienschaffende gilt es, die damit verbundenen Chancen zu packen und der Gesellschaft unseres Landes weiterhin als verlässlicher Anker für demokratische Entscheidungen zu dienen.

38 05 Mai 2024
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Pietro Supino

Chairman & Publisher TX Group, Präsident VSM (2016 bis 2022), heute Ehrenpräsident

Im Austausch mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Ländern wird mir immer wieder bewusst, dass der Zusammenhalt der Medienbranche in der Schweiz keine Selbstverständlichkeit ist. Mit Wettbewerbern für gemeinsame Anliegen einzustehen, ist Ausdruck eines gesunden Pragmatismus. Denn für manche der grossen Herausforderungen ist jedes Unternehmen alleine zu klein.

Das wichtigste gemeinsame Anliegen ist die Förderung der Medienkompetenz. In den letzten Jahrzehnten ist das Medienangebot immer grösser geworden. Diese Entwicklung wird sich fortsetzen. Dazu tragen nicht nur die Medien bei.

Öffentliche Institutionen, private Unternehmen, Sportvereine, Stiftungen und bekannte Einzelpersonen, namentlich Politi­

ker sind auch zu Medienunternehmen geworden und stellen die Gatekeeper Funktion der Medien in Frage – von der Bundesverwaltung über den Schuhhersteller ON und Manchester United bis zum Landesmuseum oder Donald Trump.

Alle betreiben Storytelling, manchmal sogar sehr gutes Storytelling. Sie sind aber keinen professionellen Standards verpflichtet. Fehlerfreiheit, das Streben nach Wahrheit im Sinne der Vollständigkeit, Fairness und Transparenz als Grundregeln des journalistischen Handwerks werden auch in der Medienwelt unterschiedlich gepflegt.

Die Publikations­ und die Meinungsäusserungsfreiheit im Speziellen ist ein kostbares Gut. Aber der mediale Überfluss erschwert den Überblick, die Einordnung und die Orientierung. Die Gefahr der Manipulation steigt. Das ist eine grosse Sorge. Darum hat es mich als Verlegerpräsident mit besonderem Stolz erfüllt, dass der Verband Schweizer Medien das nationale Kompetenzzentrum für die Förderung der Medienkompetenz bildet.

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42 05 Mai 2024
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Schweizer Mediengeschichte: Teil 2

Neue Rollen für alte und Platz für neue Medien: vom Verteilungskampf zum Tsunami

Die Schweizer Medienlandschaft hat sich nach dem Ersten Weltkrieg tiefgreifend gewandelt, beginnend mit der Herausforderung der lokalen Presse durch das aufkommende Radio. Die Werbung entwickelte sich zeitgleich zu einem zentralen Wirtschaftsfaktor, der die Medienexpansion nach dem Zweiten Weltkrieg vorantrieb. Die Einführung des Fernsehens und die Gründung der Zeitung «Blick» brachten eine radikale Veränderung, indem sie traditionelle Medienkonzepte infrage stellten und neue Formate und Zielgruppen erschlossen.

Radio und Fernsehen veränderten die täglichen Informationsgewohnheiten. Nebst den Zeitungen der privaten Verlegern liefern neu auch die SRG-Sender Informationen und Unterhaltung. (Reportagewagen des Schweizer Fernsehen, 1954)

Medien = Presse = Zeitung oder Zeitschrift. Diese Gleichung stimmt spätestens nach dem Ersten Weltkrieg für die föderalistisch gebauten und von der direkten Demokratie benötigten lokalen Schweizer Kleinzeitungen nicht mehr. Das erste Erdbeben war der Auftritt eines unvertrauten Konkurrenten:

des Radios Anfang der 1920er­Jahre. Es wurde ein schneller Erfolg. Die Zeitungsverleger bekämpften es mit Hinweis auf ihre staatspolitische Funktion. Das Radio brachte eine Änderung der täglichen Informationsgewohnheiten, was als revolutionär und tendenziell bedrohlich empfunden wurde.

Dabei gab es den drahtlosen Rundfunk schon seit 1901. Aber anders als bei der gedruckten Presse, der sie die grösstmögliche Freiheit zugestand, kontrollierte die Politik, gestützt auf die damalige Gesetzgebung, das strenge Postregal, jede Bewegung auf dem neuen Geschäftsfeld.

44 05 Mai 2024
Text: Karl Lüönd Bilder: Keystone-SDA

Angst vor Spionage und Nazis

Das Militär argwöhnte den Rundfunk zunächst als ein neues Mittel der Spionage. Ausserdem beobachteten in den frühen 1920er­Jahren aufmerksame Schweizer Politiker dessen erste reale Wirkungen bei der Ausbreitung des Nationalsozialismus im nördlichen Nachbarland, wo ein skrupelloses Regime die Faszination des neuen, hochemotionalen Mediums für seine verbrecherischen Ziele zu nutzen verstand.

Der als offiziöse Stimme der Schweiz auftretende Landessender antwortete mit viel beachteten Meinungsbeiträgen und Analysen, vor allem – von 1940 bis 1947 und im Auftrag des Bundesrates – mit der legendären, wöchentlich ausgestrahlten «Weltchronik» des unabhängigen Historikers JeanRodolphe von Salis. Sie wurde in ganz Europa – in Nazi­Ländern unter strengsten Strafandrohungen schwarz – gehört.

Die enge politische Kontrolle der elektronischen Medien blieb in der Schweiz bis zu dem von Roger Schawinski erfolgreich geführten Angriff auf das Radiomonopol Konsens, die Ideologie des «Service public» selbstverständlich auch. Dieser Begriff, eingeführt von einem Experten der BBC, tauchte zum ersten Mal drei Jahre vor der Gründung der SRG (1931) auf. Dass die SRG im Laufe ihrer Geschichte immer wieder, das Banner des Service public schwenkend, aggressiv privatwirtschaftliches Terrain besetzt und im Schutze ihres Gebührenprivilegs lukrative Marktpositionen aufgebaut hat, hängt wahrscheinlich nicht nur mit dem Machtwillen der SRG­Oberen zusammen, sondern auch mit der Eigendynamik, die alle grossen Systeme zu entwickeln scheinen.

Zu diesen Systemen gehörte innert weniger Jahre die Schweizerische Radio­ und Fernsehgesellschaft (SRG). Sie war zwar nur ein Verein, begann aber im helvetisch­föderalistischen Getriebe der Sprachregionen, StadtLand­Gegensätze und Mikrokulturen eine verbindende Rolle zu spielen und zugleich eine enorme Machtposition aufzubauen.

Besitzstandwahrung als Verleger-Strategie Die Zeitungsverleger setzten zunächst den Kleinkrieg mit der PTT fort. Sie verhinderten zum Beispiel Inserate in den Telefonbüchern und reklamierten immer wieder, um die als Konkurrenz empfundenen Radionachrichten zeitlich einzuschränken.

Auch dem epochal neuen Medium Fernsehen näherten sich die Schweizer Verleger zunächst mit Misstrauen und Abwehrreflexen. 1951/52 debattierten National­ und Ständerat leidenschaftlich über die Finanzierung eines dreijährigen Versuchsbetriebs, an dem sich der Bund mit 2,4 Millionen Franken beteiligen wollte. Hauptargument der Landesregierung: Die Schweiz soll eine Drehscheibe der internationalen Kommunikation bleiben. Das kluge Argument der Botschaft von 1951: «Schliesslich ist die verkehrspolitische Stellung unseres Landes in Europa immer dieselbe, ganz gleich, ob es sich um Alpenpässe, Alpentunnel, Transitkabel oder um Fernsehen handelt.»

Es obsiegte wiederum der politische Wille, das neue Medium unter öffentlicher Kontrolle zu halten und die Service­public­Ideologie fortzusetzen. Anschliessend kam es zu dem in der Schweiz wohl unvermeidlichen Streit zwischen den Regionen um die StudioStandorte. Zwar hatte noch 1957 eine klare Mehrheit von 57 Prozent an der Urne den Radio­ und Fernsehartikel abgelehnt, der die neuen Medien auf eine eigene Gesetzesgrundlage gestellt hätte, doch in einer Zeit, da sich die wirtschaftlich gestärkten Schweizerinnen und Schweizer für die Welt zu interessieren und ins Ausland zu reisen begannen, kam das Fernsehen den Bürgern im Alltag gerade recht. Wie stark die Neugier des Publikums war, zeigte sich in einer der groteskesten Episoden der Schweizer Mediengeschichte. Der Zeitungsverlegerverband, der neue Konkurrenz auf dem Werbemarkt fürchtete, bot der SRG ein «Lösegeld» für den Verzicht auf die Fernsehwerbung an: 2 Millionen Franken pro Jahr, bis dass 180 000 Konzessionen erreicht wären. Mit dem Segen des Bundesrates kam dieser Kuhhandel zustande.

Bald zeigte sich, dass die Verleger und fast alle anderen Fachleute die Dynamik des Fernsehens in grotesker Weise unterschätzt hatten. Entgegen allen Erwartungen wurde die Marke der 180 000 gebührenpflichtigen Empfangsbewilligungen schon 1961 erreicht. Das Werbefernsehen kam 1965 trotzdem.

Öffentliche Empörung über erste Boulevardzeitung

Neue Konkurrenz drohte den Verlegern nicht nur durch die elektronischen Medien, sondern auch durch die neue Tageszeitung

«Blick», die am 14. Oktober 1959 das erste Mal erschien. Die Gründung des «Blicks» wurde von den anderen Zeitungsverlegern, die sich mehrheitlich (partei)politisch definierten und sich auf regionale Märkte konzentrierten, als Kampfansage und als Bruch eines jahrzehntelangen Burgfriedens verstanden. Sie empörten sich öffentlich über die populistisch­linksliberalen Positionen der ersten Boulevardzeitung der Schweiz. Doch der «Blick» war gekommen, um zu bleiben. Die visionären «Blick»­Gründer –Paul und Hans Ringier – hatten bereits 1959 das aufkommende Fernsehen im Auge und schufen mit der völlig neuen Zeitungsformel des «Blicks» das Begleitblatt für ein neues Medienzeitalter.

Angriffiger Pirat gegen erwachtes Monopol Das Nebeneinander von gedruckten und gesendeten Medien im milden Klima der Hochkonjunktur nahm 1981 ein Ende, als der in der Bundesratswahl zugunsten von Willi Ritschard verschmähte Solothurner Ständerat Leo Schürmann, eine unternehmerisch wie intellektuell herausragende Persönlichkeit, mit der Wahl zum Generaldirektor der SRG getröstet wurde. Er formte diese Organisation zu einem gut geführten und dynamischen Medienunternehmen, das – mit gesicherten Konzessionseinnahmen in Höhe von 70 Prozent – getrost eine rücksichtslose Politik der Terrainbesetzung in allen innovativen Bereichen realisieren konnte. Überall wurden Terrains besetzt: mit den dritten Programmen, dem Nachrichtensender DRS 4, dem Jugendsender Virus und der traditionsverbundenen Musikwelle. Damit führte die SRG mit der Mehrheit der Parlamentarier im Rücken den Abwehrkampf gegen die ab 1980 aufkommenden Privatradios. Das Fernsehen begann eigene Quiz­ und Spielshows zu produzieren und lernte Begriffe wie Reality­TV oder Doku­Soap buchstabieren. Mit einem geschickten Mix aus sympathischer Piraten­Allüre und genauem Gespür für die Bedürfnisse der jungen Schweizerinnen und Schweizer gewann Roger Schawinski den Kampf für die Einführung der Privatsender. Unter der begütigenden Regie von Leon Schlumpf wurden 1984 die politischen und juristischen Voraussetzungen dafür geschaffen und der neue Radio­ und Fernsehartikel eingeführt: mit etlichen lästigen Bremsen, aber immerhin!

45 Sonderausgabe 125 Jahre VSM

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Der Kulturwandel im privaten Verlagswesen Unter dem hohen Kosten­ und Konkurrenzdruck im kleinen Deutschschweizer Markt stellte sich vor allem bei den mittelgrossen Tageszeitungen ab Ende der Neunzigerjahre eine markante Konsolidierung ein. Bedeutende Unternehmer der Branche beteiligten sich an den in den Regionen spriessenden Lokalradioprojekten und an den ersten Versuchen für private lokale Fernsehsender. Die Verleger wurden Multimedia­Unternehmer!

Zugleich formierte sich das Deutschschweizer Verlagswesen in fünf Gruppen (zuzüglich einiger stolzer Unabhängiger).

Bei Tamedia, CH Media und Somedia fanden zahlreiche vom Föderalismus und vom Publicitas­Kartell künstlich ernährte mittelgrosse Titel ein Obdach. «NZZ» und «Blick» samt ihren Line­Extensions am Sonntag usw. waren stark genug für den Einzelgang. Damals sahen die wenigsten Akteure den Tsunami kommen, der in den folgenden zwanzig Jahren das Schweizer Verlagswesen umstürzen würde.

Mit dem 2005 revidierten Radio­ und Fernsehgesetz (RTVG) wurde als Ausgleich für die politisch gewollte Wettbewerbsverfälschung das Gebührensplitting eingeführt,

und die Sponsoring­ und Werberegeln für die Privaten (und nur für sie) wurden gelockert. Gerade bei der Parlamentsberatung dieses Gesetzes wurde die ungeheure Lobby­Power der SRG immer wieder spürbar. Die medienpolitische Koalition ist seither unschlagbar: Die SP dominiert spürbar die Programm­ und Personalpolitik, die CVP, heute Die Mitte, sichert die Radio­ und TVVersorgung der Randgebiete, und die vom SRG­internen Finanzausgleich profitierenden Sprachminderheiten zementieren die Allianz. Die SVP (mit bedeutenden Verlagsbesitzern wie Christoph Blocher, Walter Frey und Roger Köppel) führt oft die Fundamentalkritik an der SRG an und gibt Gegensteuer gegen deren Machtanspruch. Dieweil zeigte die Statistik, dass der Schweizer Durchschnittshaushalt schon ab etwa 2005 einen immer grösseren Teil seines Medienbudgets für Kabelanschlüsse und TV­/Internet­gestützte Zusatzdienste einschliesslich Streaming (Netflix u. a.) ausgibt. Die Aufwendungen für Druckmedien sackten auf knapp ein Viertel ab.

Ein bisschen wie bei der Gotthardpost Nach und nach verschwanden die meisten

klassischen Familienzeitschriften, während die nach wie vor vierstellige Zahl der –mehrheitlich von professionellen Redaktions­ und Verlagsfachleuten geführten –Fach­ und Spezialzeitschriften relativ unbehelligt ein eigentliches System von auskömmlichen Nischen bildet. Sie haben ihr Print­Angebot längst mit Websites, Newsletters und den Errungenschaften der Social Media erweitert.

Auch die lokal orientierten B­ und C­Zeitungen zeigen im Medien­Tsunami eine erstaunliche Widerstandsfähigkeit und liefern – sorgfältige Geschäftsführung, ausreichende Reichweite und eine den Fixkosten gewachsene Grösse vorausgesetzt – bis zum heutigen Tag solide Ergebnisse.

Doch den traditionellen Medien wird es auf längere Sicht ergehen wie der Gotthardpost nach Eröffnung des Bahntunnels. Die Kutschen können noch so blank, die Pferde noch so stark sein – die meisten Reisenden nehmen die Bahn. Aber es gibt ein starkes Hoffnungszeichen. Die Zahl der Reisenden und der verkauften Tickets für Nostalgiefahrten nimmt zu. Wenn die Postillons schnell genug umlernen, bleiben sie im Geschäft.

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48 ©2024 The Coca-Cola Company. COCA-COLA ZERO is a registered trademark of The Coca-Cola Company.

SwissMediaForum vom 23. und 24. Mai 2024

Grosses Kino für eine grosse Branche

Das SwissMediaForum ist eine Erfolgsgeschichte: 2011 von CH-Media-Chefredaktor Patrik Müller gegründet, ist es heute zum unverzichtbaren Bestandteil der Branche geworden. Bereits die erste Austragung fand im KKL Luzern statt. 2015 fusionierte das SwissMediaForum mit dem traditionellen Verlegerkongress des Verbandes Schweizer Medien. Anschliessend wurde eine neue Gesellschaft gegründet, in der sich beide Seiten einbrachten. Für die Programmierung sind Patrik Müller und Arthur Rutishauser, Chefredaktor der SonntagsZeitung, zuständig.

SwissMediaForum – der Schweizer Medienkongress 2024

Verwaltungsrat: Andreas Binder (Präsident), Felix Graf (CEO NZZ), Patrik Müller (Initiant, Chefredaktor CH Media), Gilles Marchand (Generaldirektor SRG SSR), Pietro Supino (Verleger TX Group), Marc Walder (CEO Ringier), Peter Wanner (Verleger CH Media)

Advisory Board: Frank Bodin, Pascale Bruderer, Sandra Cortesi, Christian Dorer, Miriam Meckel, Roger de Weck

Programmverantwortung: Patrik Müller, Arthur Rutishauser

Leiterin Geschäftsstelle: Karin Verardo, Beratung: Manuel Egli (Subscription Strategist Tamedia)

Programm Donnerstag, 23. Mai 2024

12.15 Uhr Eintreffen und Steh-Lunch im KKL Luzern

13.15 Uhr Referate, Panels im KKL Luzern

17.45 Uhr Programmende Tag 1

19.00 Uhr Apéro und Mediendinner im Grand Hotel National

Programm Freitag, 24. Mai 2024, auf dem Kongressschiff MS Diamant (Brücke 6, neben KKL)

08.15 Uhr Eintreffen, Kaffee und Gipfeli

09.00 Uhr Referate, Panels

12.00 Uhr Programmende Tag 2, Stehlunch

Teilnehmende: Vertreterinnen und Vertreter aus Medien, Kommunikation, Wirtschaft und Politik

Preis: 990 Franken inkl. Mediendinner (VSM-Mitglieder: 790 Franken)

Anmeldung: www.swissmediaforum.ch/ anmeldung

Anmeldung:

SwissMediaForum Sonderteil 49

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Das Programm

Donnerstag, 23. Mai 2024, im KKL Luzern

12.15 Eintreffen & Steh-Lunch vor dem Luzerner Saal im KKL

13.30 Begrüssung und Eröffnung

Arthur Rutishauser, Patrik Müller und Moderatorin Maria Victoria Haas

13.35 125 Jahre VSM: Der Verlegerpräsident im Gespräch

℅ Andrea Masüger, Präsident Verlegerverband

13.45 Die Desinformation ist schon da – hab ihr‘s gemerkt?

℅ Katharina Nocun, Publizistin und Autorin («Fake Facts»)

14.10 Ein Jahr nach der Zwangsübernahme der CS: Die UBS und die Schweiz

℅ Sergio Ermotti, CEO

14.40 Der Gaza-Krieg, Antisemitismus in der Schweiz und die Rolle der Medien

℅ Ifat Reshef, Israels Botschafterin in Bern

15.05 Die Kunst des Podcasts & Einschränkungen der Medienfreiheit in Polen

℅ Kamila Ceran, Chefredaktorin Radio TOK FM, Warschau

15.25 Pause

15.55 Die Elefantenrunde der Medienbranche: Wohin steuern die Unternehmen?

℅ Felix Graf, NZZ

℅ Gilles Marchand, SRG

℅ Pietro Supino, TX Group

℅ Marc Walder, Ringier

℅ Michael Wanner, CH Media

℅ Moderation: Christine Maier

16.45 Künstliche Intelligenz und der Journalismus: Ein ganzer Tag Radio nur mit KI

℅ Antoine Multone, Chefredaktor Couleur 3, RTS

17.00 Nach der AHV-Initiative, vor der Krankenkasseninitiative: Haben Medien und die «Elite» an Autorität verloren?

℅ Pierre-Yves Maillard, Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes SGB und SP-Ständerat

17.30

UseTheNews: gemeinsam gegen Desinformation

℅ Larissa Bieler, SRG

℅ Jann Jenatsch, Keystone-SDA

℅ Prof. Dr. Guido Keel, ZHAW

℅ Stefan Wabel, VSM

17.45 Ende Programm Tag 1

19.00 Apéro im Grand Hotel National offeriert vom VSM im Rahmen des 125-Jahr-Jubiläum

20.00 Mediendinner Hotel National

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MAZ – Institut für Journalismus und Kommunikation

«Es braucht uns mehr denn je»

Seit 40 Jahren engagiert sich das MAZ für die Medienausbildung. Direktorin Martina Fehr erklärt anlässlich des Jubiläums, was die Verbreitung von Desinformation für das MAZ bedeutet, warum dieses für die Demokratie auf Schulbesuche geht und weshalb Journalisten und Kommunikationsfachleute auch künftig nicht ohneeinander können.

Martina, das MAZ wird 40. Was gibt es zu feiern?

Zu feiern gibt es, dass unsere Stiftung sich seit 40 Jahren der Aus­ und Weiterbildung von Medienschaffenden widmen kann. Die Herausforderungen im Journalismus und in der Kommunikation sind grösser, komplexer und spannender geworden. Es braucht unsere Arbeit mehr denn je.

Warum sind die Herausforderungen noch grösser geworden?

Die Verbreitung von Desinformation hat heute ein bedenkliches Ausmass erreicht. Es ist schwierig zu entscheiden, welchen Quellen ich vertrauen kann. Dies fordert Journalistinnen und Journalisten sowie Kommunikationsfachleute gleichermassen heraus. Der Grundsatz von Haltung und Handwerk bleibt dabei entscheidend.

«Die Verbreitung von Desinformation hat heute ein bedenkliches Ausmass erreicht.»

Kannst du das näher erklären?

Es geht darum, Informationen zu überprüfen, gründlich zu recherchieren und nicht einfach nachzuplappern, immer geleitet von den berufsethischen Grundsätzen Transparenz, Integrität, Fairness und der Verpflichtung zur Wahrheit. Medienschaffende, die dies vernachlässigen, riskieren die Verbreitung von Falschinformationen – möglicherweise unbe­

05 Mai 2024 54
Martina Fehr, Direktorin MAZ.

wusst. Egal, ob es um die Einordnung einer Information durch einen Journalisten oder die Übermittlung einer Botschaft durch eine Kommunikationsfachfrau geht, der Anspruch bleibt derselbe. In der direkten Demokratie bleibt der unabhängige Journalismus als vierte Macht im Staat essenziell, und wir sehen es als unsere Verantwortung, ihn zu stärken.

Du sprichst ein neues Feld an, das das MAZ betritt – die Medienkompetenz. Ja, bisher folgten wir dem Grundsatz «Teach the teacher» – also Fachleute bilden Fachleute aus. Doch als Stiftung sehen wir es als unsere Verantwortung, klar Stellung zu beziehen und für die Stärkung der Informationsintegrität einzustehen. Im Kanton Zürich zum Beispiel stärken wir im Rahmen des Projekts PUMAS (Publizistische Medienkompetenz in Ausbildung und Schule) das Verständnis für die Aufgabe des Journalismus. Während dieser Medienwoche schlüpfen sie selber in die Rolle einer Journalistin oder eines Journalisten. Durch dieses Vorgehen verstehen sie, was hinter der Arbeit steckt. Wie aufwendig das ist, wie hoch die Fehlerquellen aber auch sind. Das sensibilisiert die jungen Menschen im Umgang mit Medien. Dieses Projekt wird wissenschaftlich begleitet und durch das Institut für Angewandte Medienwissenschaft (IAM) an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) auf seine Wirkung hin untersucht und durch die Gebert­Rüf­Stiftung unterstützt.

Das MAZ tritt neu als Institut für Journalismus und Kommunikation auf. Weshalb? Es ist eine logische Entwicklung, basierend auf unserer langjährigen Praxis. Vor 40 Jahren verpflichtete sich das MAZ, die Qualität des Schweizer Medienschaffens zu fördern. Dazu zählen wir ausdrücklich auch die Kommunikationsfachleute. Die Bildung auf Basis berufsethischer Grundsätze und das Erlernen des journalistischen Handwerks sind für beide Disziplinen gleich wichtig. Beide Disziplinen müssen ihr Handwerk entlang der journalistischen Kompetenzen beherrschen. Sie müssen Storytelling verstehen, wissen, wie eine Botschaft vermittelt wird, dass sie den Empfänger erreicht, sie müssen schreiben können, Informationen in Worte fassen und so weiter.

Hand aufs Herz: Gibt es nicht oft Skepsis zwischen Journalisten und Kommunikationsfachleuten?

Ich bin überzeugt, dass sowohl Kommunikation als auch Journalismus, wenn sie nach denselben ethischen Massstäben arbeiten, langfristig erfolgreicher sind. Eine professionelle Zusammenarbeit, bei gleichzeitig kritischer Distanz, ist förderlich für beide Seiten. Alles andere führt zum Vertrauensverlust.

Was reizt dich an deiner Aufgabe?

Die Gesellschaft ist ständig in Bewegung, und die Medienlandschaft mit uns mittendrin. Ich wirke in einem hochspannenden Umfeld! Und ich habe mit inspirierenden, intrinsisch motivierten Menschen zu tun, die für das brennen, was wir am MAZ tun. Diese Leidenschaft teilen zu können, das erachte ich als Privileg. Und es mag abgeklatscht klingen: Junge Berufsfachleute auf ihrem Weg begleiten können und sich daran zu freuen, was sie uns als Gesellschaft später zurückgeben, ist absolut sinnstiftend.

40 Jahre MAZ: Wir feiern!

Im Jahr 1984 beginnen in der Villa Krämerstein in Kastanienbaum die ersten Studierenden ihre Ausbildung am MAZ – damals noch Medienausbildungszentrum. Vier Jahrzehnte sind seitdem vergangen und die Medienwelt hat sich stark gewandelt. Unsere Absolventinnen und Absolventen haben die Schweizer Landschaft des Journalismus und der Kommunikation in all diesen Jahren massgeblich mitgeprägt und tun dies noch immer.

Das Jubiläumsjahr 2024 wollen wir feiern: mit kleinen Überraschungen, digitalen Geschenken und Veranstaltungen. Zum Beispiel mit einem Podcast on Stage im Ono Bern mit SRF-Bundeshauskorrespondent Curdin Vincenz und prominenten Politgästen. Thema: «Politiker/-innen als Influencer: Brauchen sie noch Journalismus?»

Weitere Infos zum Jubiläum findest du auf: www.maz.ch

Martina Fehr studierte Geschichte, Publizistik und Englische Literatur an der Universität Zürich und arbeitete bereits währenddessen als Redaktorin bei Radio Grischa. Nach ihrem Studium wurde sie Redaktionsund später Programmleitung des Senders. 2012 baute Fehr bei Somedia in Chur das Projektmanagement auf und führte die Unternehmensentwicklung. 2015 wurde Fehr Chefredaktorin der «Südostschweiz», 2019 Leiterin Publizistik der Medienfamilie Südostschweiz. Seit Mai 2020 leitet sie das MAZ – Institut für Journalismus und Kommunikation und ist seit Juni 2021 Stiftungsratspräsidentin des Schweizer Presserats. Fehr ist für die Periode 2024 bis 2027 gewähltes Mitglied der Eidgenössischen Medienkommission.

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SwissMediaForum Sonderteil

YouMedia

«… dann wäre ich wohl eine Kettenraucherin»

Eben ist YouMedia gestartet. You steht für Youth und gleichzeitig für You. Der Slogan bringt die Initiative des unabhängigen und gemeinnützigen Vereins auf den Punkt: «Du und Medien. Medien und Du.»

Wir wollen junge Menschen erreichen – mit Social­Media­Accounts und einer Plattform, die im Sommer live gehen, und einem Jugendmedienpreis, der dann ebenfalls spruchreif sein sollte. Mit dem Ziel, junge Menschen im Umgang mit Medien zu stärken, kritisches Denken zu fördern, was in Zeiten von KI, Deep Fake und Fake News wichtiger ist denn je.

Der Ansatz ist Peer­to­Peer. Auf Augenhöhe. Deshalb werden junge Hosts engagiert, die dort aktiv werden, wo die Generation Z primär ist: in den sozialen Medien. Jenny Kitzka (22) ist die erste dieser Hosts. Sie hat auf TikTok und Instagram andere zum Mitmachen aufgerufen. Da bei YouMedia junge Menschen im Mittelpunkt stehen, will ich als Co­Founder von YouMedia nicht lange weiter erklären, sondern Jenny zu Wort kommen lassen.

seite, an mittelmässig unterhaltsames Radio auf langen Autofahrten und an Sendungen mit Werbepause. Das kommt mir als erstes in den Sinn – ironischerweise.

Warum «ironischerweise»?

Weil ich diese Mediengattungen und Angebote gar nicht konsumiere. Und trotzdem kommen sie mir als Erstes in den Sinn. Meine Generation und ich, wir konsumieren Inhalte auf den sozialen Medien. Wobei ich auch das Wort «konsumieren» irgendwie unpassend finde. Wir kommunizieren, bewegen und inszenieren uns auf den sozialen Medien. Warum das in meinem Kopf so verbunden ist, versuche ich mal zu erklären.

Bitteschön!

«TikTok und Instagram sind mehr als klassische Medien, sie sind für mich Netzwerke.»

Wenn du «Du und Medien» hörst, woran denkst du?

Wenn ich Medien höre, dann denke ich ironischerweise als Erstes an das klassische Fernsehen, das Radio und an physische Zeitungen. Dabei denke ich an Tageszeitungen mit «Kauf mich»­Schlagzeilen auf der Titel­

Man würde denken, dass TikTok und Instagram «top of mind» sind beim Stichwort Medien. Aber TikTok und Instagram sind eben mehr als klassische Medien. Diese Plattformen sind für mich Netzwerke, die nicht wie die klassischen Medien als Einbahnstrasse funktionieren. Die sozialen Medien sind unbegrenzte, verbindende Netzwerke, die mich inspirieren, unterhalten und informieren. Na ja, zumindest positiv gesehen. Sie können einen auch abschotten, radikalisieren und fehlinformieren. Aber können das nicht auch schon die klassischen Medien? Darüber liesse sich wohl diskutieren.

Du sprichst die positiven und negativen Seiten der Medien an. YouMedia tritt ja mit dem Anspruch an, die Kompetenz im Umgang mit

YouMedia und Jenny Kitzka

Der Journalist und ehemalige «Tagesschau»-Moderator Franz Fischlin will die Medienkompetenz von Jugendlichen fördern. Dazu lanciert er zusammen mit einem Projektteam die neue Initiative YouMedia und will dieser eigenen Angaben zufolge eine Stimme geben. Jenny Kitzka studiert momentan Kommunikationswissenschaften und Medienforschung an der Universität Zürich. Neben ihrem Studium ist die 28-Jährige als Social-Media-Managerin bei Ringier und TINGS tätig.

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Mai 2024

Medien zu stärken. Braucht deine Generation denn überhaupt Hilfe – und damit meine ich alle Medien?

Ganz ehrlich: Ich glaube ja. Wenn ich daran denke, wie oft ich «doom scrolle» und unnützes Zeug schaue, ist es mir schon etwas peinlich. Wäre jeder Griff zu den sozialen Medien äquivalent zum Zug an einer «Zigi», dann wäre ich wohl eine Kettenraucherin. Diesen Satz zu formulieren, hat mich gerade viel Überwindung gekostet.

Was zeigt das?

Dass es gar nicht so einfach ist, sich selbst seine Makel in der Mediennutzung einzugestehen. Hier geht’s auch darum, den eigenen inneren Schweinehund zu überwinden, der sich ständig die Dopamindusche wünscht. Als Folge (welch Überraschung) fühle ich mich dann oft reizüberflutet. Die Lust auf lange und informationsreiche Artikel hält sich dann in Grenzen, weil ich die kognitive Kapazität dafür nicht mehr habe. Ich bin mir fast sicher, dass es vielen anderen jungen Leuten gleich geht wie mir.

Du prägst YouMedia von Beginn weg mit. Was konkret möchtest du erreichen?

Ich wünsche mir, dass YouMedia ein Ort für einen ehrlichen, offenen Austausch wird, wo sich junge Erwachsene informieren können, ohne dass sie dabei von oben herab belehrt werden. Eine Plattform, die zeigt, wie wir die Medien konsumieren können und nicht die Medien uns. Genau das soll YouMedia sein. Eine Initiative, welche jungen Menschen Orientierung bietet im Meer aller Medien –und gleichzeitig ihre Kreativität und Innovationsfreude sichtbar macht und wertschätzt. Übrigens: Mit «wir» ist zurzeit ein 7­köpfiges Team gemeint. Neben Jenny und mir, Norbert Bernhard (Co­Founder), Priska Amstutz (Projektleiterin), Lea Fischlin (Design), Eva Gaudenz (Social­Media ­Strategie) und Andreas Läber (Web). In den nächsten Wochen dürften noch 2 bis 3 Social­MediaHosts dazukommen. Das Casting läuft. Finanziert werden wir von mehreren Stiftungen. Weitere Unterstützerinnen und Unterstützer sind aber natürlich herzlich willkommen.

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SwissMediaForum Sonderteil
Jenny Kitzka mit Franz Fischlin, Initiant YouMedia und «Tagesschau»-Legende.

Freiheit im Ohr

Podcasts sind das Format der Stunde. Doch es gibt ein Problem: Sie finden zwar ein grosses Publikum, lassen sich aber in vielen Verlagen nicht refinanzieren. Eine international bemerkenswerte Ausnahme gibt es in Polen: Kamila Ceran, Chefredaktorin von Radio TOK FM, hat es geschafft, Podcasts hinter der Paywall anzubieten.

Frau Ceran, warum lieben Sie das Podcast-Format?

Weil sie frei sind von den Einschränkungen der traditionellen Medien. Im Gegensatz etwa zum klassischen Radio bieten Podcasts eine Plattform, auf der Stille nicht gefürchtet wird, informelle Kommunikation erwünscht ist und fast jedes Thema offen erkundet werden kann. Die Zuhörerinnen und Zuhörer wiederum können den Podcast geniessen, wo und wann immer sie wollen. Wenn ich an Podcasts denke, denke ich an Freiheit – für die Zuhörer ebenso wie für die Macherinnen.

Wann halten Sie einen Podcast für gelungen?

Die Produktionsqualität ist wichtig, aber sie steht für mich im Vergleich zu inhaltlichen Fragen an zweiter Stelle. Die Ideen sind entscheidend. Ein perfekter Podcast verwebt faszinierende Erzählungen mit passenden Audioelementen, sodass Zuhörer jedem neuen Episodenstart gespannt entgegenfiebern.

Die meisten Podcasts werden durch Werbung finanziert, Sie haben es geschafft, auch Bezahlinhalte anzubieten. Wie gelang das?

Tja, der ewige Kampf zwischen Reichweite und gratis auf der einen Seite und eingeschränkter Verbreitung mit Paywall auf der anderen Seite … Ich glaube nicht, dass es ein einheitliches Erfolgsmodell gibt. Wir experimentieren ständig, zum Beispiel locken wir mit der Serie und geben die erste Episode kostenlos heraus, veröffentlichen sie auf den meisten Plattformen – und behalten den

* Patrik Müller ist Chefredaktor CH Media, Zentralredaktion und «Schweiz am Wochenende».

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Podcast
05 Mai 2024
Kamila Ceran, Chefredaktorin von Radio TOK FM.

Rest hinter der Paywall. Oder wir veröffentlichen Ausschnitte aus jeder Episode kostenlos, um den Appetit auf das Ganze zu wecken. Wir haben auch die «TOK FM Select»­Podcast­Playlist auf Spotify erstellt, die kostenlos verfügbar ist.

Was ist die Idee dieser Playlist?

Wir fügen jeden Tag eine Episode aus den aktuellen Programmen – die sonst hinter der Paywall liegen – hinzu, um dem Publikum zu zeigen, welche Art von Inhalten wir produzieren. Meine Reichweite im Radio beträgt ungefähr 40 Prozent. Wir müssen in der Lage sein, ein Publikum innerhalb der anderen 60 Prozent zu erreichen, die uns im Radio nicht empfangen können.

Journalisten in Polen arbeiten unter sehr schwierigen Bedingungen. Wie erleben Sie die Einschränkungen der Medienfreiheit? Radio, Fernsehen und neuerdings YouTube stehen unter der Kontrolle des Nationalen Rundfunkrats (KRRiT), der ein hochpolitisches Gremium ist. Seine Mitglieder werden vom Präsidenten (2 Mitglieder), vom Parlament (2) und vom Senat (1) gewählt. Derzeit repräsentieren seine Mitglieder die Vertreter der vorherigen rechtsgerichteten, populistischen Regierungsmehrheit (4), und nur ein Mitglied repräsentiert die aktuelle Mehrheit.

Was bedeutet das konkret?

Der Präsident des Rates ist ein HardcoreExtremist, der seine Macht nutzt, um die Meinungsfreiheit zu unterdrücken, und sehr hohe Geldstrafen für angebliche Vergehen verhängt, die seiner Meinung nach von den unabhängigen Medien begangen wurden. Ein Beispiel ist eine Geldstrafe von 500 000 Zloty (126 000 Schweizer Franken) für TVN, einen TV­Sender der Warner Bros. Discovery Group, weil in einer Dokumentation angedeutet wurde, dass Papst Johannes Paul II. von den Pädophilen in der römisch­katholischen Kirche gewusst hat und nichts unternommen hat, um sie zu stoppen.

Welche Folgen hat diese Einschüchterungspolitik?

Sie erzeugt Druck auf Journalisten, der zu Selbstzensur führen könnte, indem «riskante» Themen vermieden werden. Mein Radio wurde in den letzten zwölf Monaten zweimal

bestraft: einmal für den Vergleich eines homophoben, rassistischen, hasserfüllten Lehrbuchs mit nationalsozialistischer Propaganda und einmal für die Äusserung der Hoffnung, dass der polnische Präsident unabhängiger von der vorherigen Regierungsmehrheit wird. Wir legen gegen beide Strafen Einspruch ein. Es ist erwähnenswert, dass sie auf dem maximal möglichen Niveau liegen.

«Der jüngste Regierungswechsel in Polen ist Anlass sowohl für Optimismus als auch für Vorsicht.»

unerlässlich, um ein lebendiges und widerstandsfähiges mediales Ökosystem zu fördern. Und: Ich würde auch gerne in meinem Kampf ums Überleben gegen Giganten wie Google, Meta oder Spotify unterstützt werden.

Die Regierungspartei, die die Medienfreiheit zunehmend eingeschränkt hat, verlor die Wahlen. Haben Sie bereits Verbesserungen bemerkt?

Der jüngste Regierungswechsel in Polen ist Anlass sowohl für Optimismus als auch für Vorsicht. Während es Fortschritte bei der Eindämmung von Hassrede und Propaganda in den öffentlichen Medien gibt, bleiben Bedenken hinsichtlich des Missbrauchs von Macht bestehen. Unparteilichkeit und journalistische Integrität können nicht gesetzlich festgelegt werden; sie müssen durch ethisches Handeln und das Bekenntnis zur Wahrheit aufrechterhalten werden. Das Erbe der Slapp­Klagen stellt eine anhaltende Bedrohung für die Pressefreiheit dar. Diese Hunderte, wenn nicht Tausende von Klagen sind immer noch vorhanden, sie wurden von der neuen Regierung nicht zurückgezogen.

Was sind Ihre Hoffnungen als Journalistin in Ihrem Land?

Die Hoffnung ist eine Rückkehr zur Normalität. Wir wünschen uns eine Medienlandschaft, in der Transparenz, Rechenschaftspflicht und Unterstützung für unabhängige Stimmen vorherrschen. Politiker und Institutionen müssen die Rolle der Presse respektieren, damit diese die Mächtigen zur Rechenschaft ziehen und der Öffentlichkeit genaue, unvoreingenommene Informationen bereitstellen kann. Strategische Initiativen zur Stärkung der Medienbranche und zum Schutz vor monopolistischen Kräften sind

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Referentinnen und Referenten

Sie treten am SwissMediaForum auf

Spannende Persönlichkeiten aus der Welt der Medien, der Kommunikation und der Politik sind im KKL zu hören. Lassen Sie sich inspirieren!

Moderation

Maria Victoria Haas ist freie Moderatorin und dem breiten Publikum vor allem von der rätoromanischen Nachrichtensendung «Telesguard» auf SRF 1 bekannt, welche sie viele Jahre moderierte. Ursprünglich studierte sie klassischen Gesang an der Hochschule der Künste Bern, wo sie sowohl das Lehr­ als auch das Konzertdiplom erwarb. 2012 absolvierte sie an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW in Winterthur eine spezialisierte Weiterbildung in politischer Kommunikation. Aktuell studiert sie Theologie und Philosophie an der Uni Luzern.

Andrea Masüger ist Publizist, Verwaltungsrat von Somedia und Präsident des Verlegerverbandes SCHWEIZER MEDIEN (VSM). Zuvor war er während acht Jahren CEO von Somedia sowie insgesamt 17 Jahre Chefredaktor der Südostschweiz. Er war langjähriges Mitglied der Eidgenössischen Medienkommission EMEK sowie Vizepräsident der Schweizer Journalistenschule MAZ. Seit Herbst 2021 präsidiert er den Verlegerverband, welcher 1899 gegründet wurde und heute über 100 Medienunternehmen vereint.

23. MAI 2024 Ein Jahr nach der Zwangsübernahme der CS: Die UBS und die Schweiz

Sergio Ermotti ist seit April 2023 Group CEO der UBS Group AG und Präsident der Geschäftsleitung der UBS AG. Bereits von 2011 bis 2020 war er Group CEO. Er kehrte von Swiss Re, wo er bis Ende April 2023 Präsident des Verwaltungsrats gewesen war, zu UBS zurück. Bevor er 2011 zu UBS stiess, war er bei der UniCredit Group tätig, wo er von 2007 bis 2010 als Group Deputy Chief Executive Officer und Head of Corporate & Investment Banking and Private Banking arbeitete und davor als Head Markets & Investment Banking Division tätig war. Zwischen 1987 und 2004 arbeitete er in verschiedenen Positionen bei Merrill Lynch & Co. in den Bereichen Aktienderivate und Kapitalmärkte. 2001 wurde er Co­Head of Global Equity Markets und Mitglied des Executive Management Committee für Global Markets & Investment Banking.

Der Gaza-Krieg, Antisemitismus in der Schweiz und die Rolle der Medien

Botschafterin Ifat Reshef verfügt über einen LLB­ und einen LLM­Abschluss in Rechtswissenschaften. Sie ist seit über 30 Jahren Diplomatin im israelischen auswärtigen Dienst, aber die Schweiz ist ihr erster Posten als Missionschefin. Sie war zweimal in Kairo stationiert und diente auch in Rom und Washington D. C. Bevor sie 2021 zur Botschafterin Israels in der Schweiz und in Liechtenstein ernannt wurde, war sie zuletzt in Jerusalem Leiterin des Nahostbüros des Zentrums für Politikforschung des Außenministeriums.

01/02 Januar/Februar 2012
23. MAI 2024
05 Mai 2024 60
23. MAI 2024 125 Jahre Verlegerverband: Der Verlegerpräsident im Gespräch

23. MAI 2024 Die Kunst des Podcasts & Einschränkungen der Medienfreiheit in Polen

Kamila Ceran ist Chefredaktorin und Programmdirektorin von Radio TOK FM und Geschäftsführerin für News und Journalismus bei der Eurozet­Gruppe. Sie ist seit 1991 als Radiojournalistin tätig. Radio TOK FM ist Polens führender Nachrichten­ und Talk­Radiosender und erreicht täglich ca. 1 Mio. Hörerinnen und Hörer.

Im Jahr 2014 beschloss Radio TOK FM, sich auf On­Demand­Inhalte zu konzentrieren, die über die TOK FM­Mobil­App und die Website abrufbar sind. Derzeit zahlen mehr als 39 000 Hörer eine monatliche Gebühr, um Zugang zu mehr als 150 000 On­Demand­Audiodateien des Senders zu erhalten.

23. MAI 2024 Nach der AHV-Initiative, vor der Krankenkasseninitiative: Haben Medien und die «Elite» an Autorität verloren?

Pierre-Yves Maillard ist Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds SGB und Ständerat (SP/VD). Der studierte Geisteswissenschaftler unterrichtete zunächst Französisch, Geschichte und Geografie und war dann als Regionalsekretär der Unia­Vorgängergewerkschaft Smuv tätig. Von 1999 bis 2004 und von 2019 bis 2023 vertrat er die SP im Nationalrat. Dazwischen war er Waadtländer Staatsrat und leitete das Gesundheits­ und Sozialdepartement. Maillard ist verheiratet und Vater zweier Kinder.

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Felix Graf ist seit 2018 CEO der NZZ. Nach Studium und Doktorandenzeit an der ETH Zürich war er in verschiedenen leitenden Positionen für McKinsey, Swisscom, Teleclub und CKW tätig. Zuletzt amtete er vier Jahre als CEO der CKW und war gleichzeitig Mitglied der Konzernleitung der Axpo Holding AG. Graf verfügt über einen Masterabschluss der ETH Zürich in Physik und Chemie sowie einen Doktortitel in Physik. 2007 wurde er zum Young Global Leader des World Economic Forum (WEF) ernannt. Im November 2023 wurde er vom Branchenmagazin Schweizer Journalist:in zum Medienmanager des Jahres gewählt.

Pietro Supino ist seit 2007 Verleger und Verwaltungsratspräsident der TX Group. Unter seiner Führung entwickelte sich das Unternehmen mit der Übernahme von Espace Media und Edipresse Suisse sowie führenden Digitalplattformen wie Jobcloud und Ricardo zur grössten Mediengruppe der Schweiz. Nach einem Rechts­ und Ökonomie­Studium in St. Gallen erwarb Supino einen Master an der London School of Economics and Political Sciences sowie das Zürcher Anwaltspatent. 2006 besuchte er die Columbia School of Journalism in New York, deren Board of Visitors er seit 2012 angehört.

Michael Wanner ist seit 1. April 2023 CEO von CH Media. Davor leitete er das Newsportal watson. Als Geschäftsführer brachte er es in die schwarzen Zahlen und expandierte nach Deutschland und in die Westschweiz. Seinen Einstieg ins Mediengeschäft machte er beim deutschen Medienunternehmen Gruner + Jahr, für welches er in verschiedenen Funktionen tätig war. Michael Wanner verfügt über einen Master­Abschluss in Law and Economics der Universität St. Gallen sowie über einen Master in Public Administration der Harvard Kennedy School.

Gilles Marchand ist seit Oktober 2017 Generaldirektor der SRG SSR. Zuvor war er Direktor von Télévision Suisse Romande (TSR). Nach dem Abschluss seines Soziologiestudiums an der Université de Genève arbeitete Marchand ab 1988 unter anderem für die «Tribune de Genève» und in verschiedenen Kaderfunktionen bei Ringier Romandie. Gilles Marchand hat Mandate in den folgenden Verwaltungsräten und Institutionen: TV5 Monde (Verwaltungsrat), Union der Europäischen Rundfunkorganisationen (UER/EBU – Mitglied des Executive Board und Vorsitz des Audit­Komitees), Universität Genf (Mitglied im «Conseil d’orientation stratégique», dem Strategierat der Universität), SwissMediaForum (Verwaltungsrat).

Marc Walder ist CEO und Managing Partner der Ringier AG, des grössten international tätigen Schweizer Medienunternehmens. In den letzten fünfzehn Jahren hat Ringier über zwei Milliarden Schweizer Franken in die Digitalisierung investiert. Heute zählt Ringier rund 6500 Mitarbeitende in 20 Ländern. Marc Walder amtet in zahlreichen Verwaltungsräten. Zudem ist er Mitglied des Digitalen Beirates des Schweizer Bundesrates und Gründer der Standort­Initiative digitalswitzerland.

Christine Maier ist Beraterin und Führungscoach. Ihre Karriere begann sie als Moderatorin und Journalistin. So stand sie während 30 Jahren vor Kameras und auf Bühnen in der Schweiz (SRF) und im Ausland (BR, ZDF, ITV England). Bei SRF war sie unter anderem Redaktionsleiterin und Moderatorin des «Club» (2001 bis 2011) oder Newsanchor bei «10vor10». 2016 gründete die ehemalige Chefredaktorin des «SonntagsBlick» ihr eigenes Unternehmen. Seither berät sie Führungspersönlichkeiten als Kommunikationsexpertin, gibt Trainings im Bereich Auftritts­ und Medienkompetenz und moderiert Events.

01/02 Januar/Februar 2012 62 23. MAI 2024 Die
Elefantenrunde der Medienbranche: Wohin steuern die Unternehmen?
05 Mai 2024

24. MAI 2024 Künstliche Intelligenz und der Journalismus: Ein ganzer Tag Radio nur mit KI

Antoine Multone ist der Sendeleiter von Couloir 3, ein öffentlich­rechtliches Hörfunkprogramm von Radio Téléviosion Suisse (RTS). Nach Abschluss seines Studiums in Wirtschaft in Zürich und Zeitgeschichte in Fribourg absolvierte Antoine Multone eine Ausbildung zum Journalisten bei RTS. Anschließend war er als Chefredakteur für Konbini Suisse tätig, bevor er die Rolle des Sendeleiters bei Couleur 3 übernahm, wobei er sich auf die Erforschung technologischer Innovationen in der Medienbranche konzentrierte.

24. MAI 2024 Kommunikation, Geldpolitik und öffentliche Wirkung

Thomas J. Jordan ist Präsident des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Er promovierte 1993 an der Universität Bern zum Dr. rer. pol. Nach einem postdoktoralen Forschungsaufenthalt an der Harvard University trat er 1997 als wissenschaftlicher Berater in die SNB ein. An der Universität Bern wurde er 1998 Privatdozent und 2003 Honorarprofessor. Die Universität Basel verlieh ihm 2017 die Ehrendoktorwürde. Der Bundesrat ernannte Thomas J. Jordan 2007 zum Mitglied, 2010 zum Vizepräsidenten und 2012 zum Präsidenten des Direktoriums der SNB. Er ist Gouverneur des Internationalen Währungsfonds (IWF) für die Schweiz. Thomas J. Jordan ist Mitglied des Verwaltungsrates und Vorsitzender des Banking and Risk Management Committee der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel. Er vertritt die Schweiz im Plenary und Steering Committee des Financial Stability Board (FSB) und ist Vorsitzender des FSB Standing Committee on Budget and Resources (SCBR).

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24. MAI 2024 Correctiv – eine Recherche mit Wirkung

Jeannette Gusko ist seit September 2022 CoGeschäftsführerin und Managing Director des gemeinwohlorientierten Medienhauses Correctiv. Hier ist sie verantwortlich für robuste Strukturen, Fundraising, Strategie­, Organisations­ sowie Geschäftsfeldentwicklung. Sie wirkt als Unternehmerin, als führende Stimme der deutschen Wirtschaft, Speakerin und Autorin. Das Emotion Magazin hat sie 2023 mit dem «Diversity in Media»­Award ausgezeichnet.

Marc Engelhardt ist Geschäftsführer von Correctiv in der Schweiz und leitet die Redaktion in Bern. Davor hat der ausgebildete Rundfunkjournalist mehr als 20 Jahre als freier Korrespondent gearbeitet (unter anderem für Deutschlandfunk, NZZ und Aargauer Zeitung), zunächst in Nairobi, dann in Genf. Er ist ausserdem Autor zahlreicher Bücher.

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Peter Hossli leitet seit 2022 die Ringier Journalistenschule. Zudem ist er Mitglied der Chefredaktion von «Interview by Ringier». Zuvor war er Reporter bei der «NZZ am Sonntag» und Produzent und Moderator beim Club von SRF. Hossli gehörte 1995 zum Gründerteam des Nachrichtenmagazins «Facts» und arbeitete während 12 Jahre als freier Korrespondent in den USA. In Zürich hat er Geschichte und Filmwissenschaften studiert, in New York amerikanisches Recht.

Alexandra Stark bildet seit über 20 Jahren Journalistinnen und Journalisten aus. Sie arbeitet 40 Prozent als Studienleiterin am MAZ, bis im März 2024 war sie im Team der Diplomausbildung. Ihre Schwerpunkte sind Online/Multimedia und Datenjournalismus. Daneben ist sie bei CH Media Expertin für Künstliche Intelligenz. Alexandra Stark hat in St. Gallen Internationale Beziehungen studiert, die Ringier Journalistenschule absolviert, und sie hat einen Master in New Media Journalism der Universität Leipzig gemacht.

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Schweizer Mediengeschichte: Teil 3

Der Umsturz als Dauerzustand: die turbulenten Jahre seit dem Aufkommen des Internets

Seit der Jahrtausendwende sind die Medien mittendrin in der grundlegenden Erneuerung, genauer im Umsturz des Geschäfts. Die Digitalisierung hat alles verändert: die Gewohnheiten der Kunden, die Produkte und Dienstleistungen, ebenso die Berufsbilder. Der Verlegerverband geht mit der Zeit und passt seine Aktivitäten laufend an.

Text: Karl Lüönd Bilder: Keystone-SDA

Journalismus auf allen Kanälen: Mit dem Aufkommen von Internet, Smartphones und Social Media veränderte sich die Produktion und Verbreitung von journalistischen Inhalten radikal. (Newsroom von CH Media, 2019)

Der gewaltige technische Sprung von der Gutenberg­Galaxis ins digitale Zeitalter ist eine Überlebensübung für die meisten Verlage, nicht nur für die mittleren und kleinen. Alle und alles wurde in beispielloser Radikalität auf den Kopf gestellt, mental, finanziell und betriebswirtschaftlich.

Nehmen wir als Beispiel das Jahr 2008, als die weltweite Finanzkrise ausbrach. Schon damals, etwa acht Jahre nach dem ersten digitalen Blitzschlag, haben bereits 42 Prozent der befragten Lesenden die Nachrichten am Bildschirm bzw. am Mobiltelefon gelesen. Nicht alle Redaktionen haben dies sofort ge­

merkt und das Styling der Texte angepasst. Dennoch sind die Lesermärkte bemerkenswert treu geblieben. Insgesamt wurden im Jahr 2008 11,2 Milliarden Franken für PrintAbonnements, Einzelverkäufe, Downloads und andere digitale Darreichungsformen ausgegeben, das waren im Durchschnitt 3328

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Franken pro Haushalt. Dies ermittelte die im Jahr 2005 eingeführte jährliche Studie «Medienbudget.ch» des Verbandes Schweizer Medien.

2008 war sowieso ein historisches Jahr. Die Ausgaben der Endverbraucher für digitale Inhalte (IT, Telecom, Internet) machten einen riesigen Sprung von 28 Prozent zum Vorjahr und waren damit zum ersten Mal höher als die Ausgaben für die gedruckte Presse. IT/Telecom übertrifft im Schweizer Medienbudget die Inhaltslieferanten um 2,8 Prozent. Möglicherweise waren es noch mehr. Denn die Statistiken sind mit Vorsicht zu geniessen, da nicht alle neuen Mitspieler bereit sind, ihre Geschäftszahlen offenzulegen, vor allem manche ausländischen Online­Dienste nicht.

New kids in the block …

Der Verlegerverband schildert die Grosswetterlage in diesem wichtigen Jahr 2008 im Jahresbericht wie folgt: «Der Medienkonsum erhöht sich alle zehn Jahre um zehn Stunden pro Woche. Die Technik ermöglicht den schnellen Zugriff auf Inhalte über immer mehr Kanäle. Branchenfremde Global Players werden zu Konkurrenten der bisherigen Medienanbieter. Sicher geglaubte Marktstandards geraten durcheinander, und Wildwuchs macht sich breit.» Der Umgang mit sozialen Medien und Social Communities beansprucht kostbare Aufmerksamkeit, was sich sowohl bei den Mediennutzern wie auch den Werbeauftraggebern bemerkbar macht.

Sicher ist, dass die gedruckte Presse im Anzeigengeschäft in den zurückliegenden zwanzig Jahren massiv an Marktanteilen verloren hat. Aber noch immer können sich die Print­Verleger auf einen stabilen Lesermarkt verlassen. Der Ausgleich wurde mit einer steten Erhöhung der Abonnementspreise gesucht, zugleich aber in den meisten Betrieben mit einem harten Sparkurs, der zwangsläufig auf die Vielfalt des redaktionellen Angebotes zurückschlug.

Schon das hier näher betrachtete, lange zurückliegende Krisenjahr 2008 hat gezeigt, dass noch 58 Prozent der Einnahmen der gedruckten Presse aus der Werbung stammten. In den lang zurückliegenden «goldenen Zeiten» vor 1999 waren es an den meisten Orten 70 und mehr Prozent gewesen. Seither ist der Verlust an Anteilen am Anzeigenmarkt wei­

tergegangen; die Medien wurden noch stärker auf ihre wichtigste und stabilste Ertragsquelle zurückverwiesen: die zahlenden Endnutzer, auch Abonnenten genannt. Oder auf neue Geschäftsideen. Plötzlich begannen die Verlage Reisen zu organisieren oder Originalgrafik zu verkaufen oder wenigstens BioKonfitüre vom Hofladen.

Das Volk hilft nicht, so hilf dir selbst!

Die massiven Umwälzungen in der Medienbranchen haben auch Auswirkungen auf den Verlegerverband. Wie sehr sich dieser in diesen Krisenjahren verschlankt und auf das Wesentliche konzentriert hat, spiegelt sich allein schon im Umfang seiner Jahresberichte. Was früher ein opulentes vierfarbiges

«Print-Verleger können sich immer noch auf einen stabilen Lesermarkt verlassen.»

Medien im direktdemokratisch fundierten und föderalistisch organisierten Staat betont. Die Medien stellen sich sozusagen als die Antriebsmotoren des direktdemokratischen Betriebs dar; wer anders sollte den Stimmberechtigten wie auch der nachwachsenden Generation erklären, worum es bei den einzelnen Vorlagen geht? Dass dies nach integren, professionellen Regeln geschieht, ist quasi die freiwillige Selbstverpflichtung der Verleger, ungeachtet ihrer politischen Richtung. Mit erfolgreichen Initiativen – die letzte war «Was­lese­ich.ch» und richtete sich vor allem an die Schulen – wird das Bewusstsein der Staatsbürger für die Bedeutung der Medien aller Gattungen geschärft. Die direkte Begegnung von Schüler/­innen und Redaktor/­innen hat an Dutzenden von Orten Eindruck gemacht.

Presserat: Selbstkontrolle aus Überzeugung

Heft von über hundert Seiten gewesen ist, hat abgenommen und umfasst jetzt noch zwölf Seiten. Doch weniger ist oft auch mehr, und so erbringt der Verlegerverband heute nach wie vor essenzielle Dienstleistungen für die privaten Schweizer Medienunternehmen und ist Träger wichtiger Institutionen der Medienbranche.

Nach der für die Verleger schmerzlichen Niederlage an der Urne bei der Volksabstimmung über das Medienförderungspaket (54,6 Prozent Nein­Stimmen) vor zwei Jahren betont der neue Präsident Andrea Masüger umso mehr «die Kraft unserer Branche». Er sieht sie darin, «dass sich der VSM als Kompetenzzentrum mit aller Kraft für gute Rahmenbedingungen für die Schweizer Medien einsetzt». Die Schwerpunkte sind auch unter grundlegend veränderten Voraussetzungen die gleichen geblieben. Eine genauere Betrachtung dieser mit der üblichen Aktivität einhergehenden Säulen des Verbandstempels lohnt sich.

Medienkompetenz und Gattungsmarketing: Leistung und Nutzen der Medien betonen Immer wieder in seiner ganzen und manchmal turbulenten Geschichte hat der Verlegerverband die unersetzliche Bedeutung der

Der Presserat ist eine private, allein durch die Fachkenntnis und Erfahrung der aktiv Beteiligten legitimierte Beschwerdeinstanz. Je fundierter ihre Stellungnahmen sind, desto stärker werden sie beachtet. Der Presserat misst die Fälle, die ihm auf dem (kostenlosen) Beschwerdewege unterbreitet werden, am allgemein, auch international anerkannten Journalistenkodex, der – als Preis für die Rechte auf Information, Meinungsfreiheit und Kritik – auf dem Schutz der Privat­ und Intimsphäre ebenso besteht wie auf der zwingenden Verpflichtung der Journalistinnen und Journalisten, in strittigen Angelegenheiten allen Parteien mit ihren besten Argumenten das Wort zu geben. Die einzige Sanktion, die der Presserat verhängen kann, ist die öffentliche Stellungnahme zur Beschwerde. Der Presserat wurde 1972 vom damaligen Verein der Schweizer Presse (heute Impressum) gegründet und ist seit 2008 dank der Mitwirkung der Verleger und der SRG eine allgemein anerkannte moralische Instanz.

Medieninstitut: Aus- und Weiterbildung auf mehreren Gleisen Gerade weil der Journalismus und das Verlagswesen zu den wenigen staatlich nicht regulierten Berufsgattungen gehören, haben sich die darin engagierten Verbände seit den 1980er­Jahren intensiv um die berufliche Aus­ und Weiterbildung gekümmert. Es war

69 Sonderausgabe 125 Jahre VSM
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– in einer betont günstigen Konjunkturlage – die Zeit der Professionalisierung des publizistischen Gewerbes in allen seinen Schattierungen. Sie ging einher mit der schwindenden Bedeutung der parteigebundenen Presse und den wachsenden unternehmerischen Risiken für die Verleger. Mit der Gründung des Medieninstituts hat der damalige Verband Schweizer Presse einen wichtigen Schritt zur fachspezifischen Ausund Weiterbildung von Verlagsfachleuten getan, angefangen beim Einführungskurs für Neulinge bis zum Management­Kurs mit abschliessendem eidgenössisch anerkanntem Fachdiplom. Die Verleger, darunter nicht wenige freiwillige Gönner und auch die damalige Publicitas, sorgten für die Schulorganisation, die Entwicklung der Lehrgänge und vor allem für die als Dozenten und Prüfungsexperten benötigten Fachleute.

Das Medieninstitut führt auch regelmässig Fachtagungen durch, die stark beachtet werden, unter anderem für die Fach­ und Spezi­

gen, eine für Journalismus und eine für (zweck­ bzw. institutionsgerichtete) Kommunikation. Dies tut es vor allem aus wirtschaftlichen Gründen. Die Kommunikationsschiene subventioniert den Journalismusteil. Das MAZ erreicht auch deshalb einen für private höhere Fachausbildungsstätten ungewöhnlich hohen Eigenfinanzierungsgrad.

Bemerkenswert ist, dass sowohl Medieninstitut und MAZ aus eigenem, freiem Willen nicht dem staatlichen Fachhochschulsystem angehören wollen, obwohl sie die dafür erforderliche Qualifikation besässen. Die Abschlüsse beider Institutionen sind in der Branche allgemein anerkannt; das MAZ führt CAS­Lehrgänge (Certificate of Advanced Studies) zusammen mit der Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ) bzw. der Hochschule Luzern – Wirtschaft (HSLU Wirtschaft) durch.

Neue Probleme bedeuten auch neue Chancen, zum Beispiel für Nischenprodukte. Schon 1998 startete der Journalist Peter Knechtli die Basler Informationsplattform OnlineReports, die er für den Rest seines beruflichen Lebens (bis 2023) auch wirtschaftlich erfolgreich als Chefredaktor und Geschäftsführer in Personalunion betrieb und dann an jüngere Kollegen übergab. Weitere Nischenplattformen folgten auf nationaler und lokaler Ebene, wie die Onlineportale republik.ch, tsüri.ch oder bajour.ch. Im grösseren Stil, aber auch mit ungleich höheren Investitionen brachte es watson.ch gemäss eigenen Angaben nach sechs Jahren in die schwarzen Zahlen. Watson gibt es inzwischen auch in der Romandie und als Lizenzausgabe in Deutschland. Gegründet wurde die erfolgreiche Marke von Hansi Voigt; heute gehört sie zum CH­Media­Verbund der Familie Wanner.

«Am Ende des Tages kommt es auf den Inhalt an und nicht auf das Gefäss, in dem dieser dargeboten wird.»

almedien, die Lokalmedien und unter dem Label «KI­Kompass» auch zur Wissensvermittlung zu brennenden Themen rund um die künstliche Intelligenz. Die 1999 erstmals durchgeführte Dreikönigstagung, der traditionelle Jahresauftakt der Schweizer Medienbranche, hat 2024 zum 25. Mal stattgefunden. Der Anlass bringt die Entscheider aus Medien, Kommunikation, Politik und Wirtschaft zusammen und setzt die Themenschwerpunkte für das neue Medienjahr.

Medienausbildung: Lieber unabhängig als eingebettet

Auch das Medienausbildungszentrum MAZ in Luzern war eine Selbsthilfe­Organisation der Branche, durfte sich aber seit dem Beginn im Jahre 1984 der Hilfe von Stadt und Kanton Luzern erfreuen. Das MAZ wird getragen von einer Stiftung, deren Rückgrat die Journalisten­ und Verlegerverbände zusammen mit der SRG bilden. Das MAZ führt zwei voneinander getrennte Abteilun­

Die Zukunft liegt in den Nischen Im letzten Fünftel seiner 125­jährigen Geschichte hat der Verlegerverband Schweizer Medien die zerstörerische Kraft eines Tsunamis, aber auch die zähe Widerstandskraft des gewachsenen «Urwalds» erlebt. Verschärft wurde die wirtschaftliche Lage durch die Kleinheit des Marktes. Die deutsche Schweiz zählt etwa gleich viele lesefähige Einwohner wie ein Drittel von NordrheinWestfalen. Zugleich ist die Schweiz ein Land mit hohen Durchschnittslöhnen und entsprechenden Kosten.

Das Fixkostenproblem bremst manche Zeitungen und Zeitschriften und hat auch schon das Überleben gut gemachter und im Lesermarkt erfolgreicher Titel (z. B. «Cash», «Facts») verhindert. Als Folge des Internets ist die traditionelle Querfinanzierung vor allem der Lokalzeitungen durch Rubrikenanzeigen (Stellen, Wohnraum, Autos usw.) entfallen. Zugleich hat die rasante Verbreitung der Mobilkommunikation die Bereitschaft vieler Menschen, für Informationen zu bezahlen, gegen null gedrückt. Dies wiederum zwingt manche Anbieter zu äusserster Sparsamkeit vor allem beim Personal, wie die in den letzten Monaten verkündeten schmerzhaften Stellenreduktionen bei den grossen Medienhäusern exemplarisch aufzeigen. Neuerdings ist auch von der möglichen Schliessung von grossen Zeitungsdruckereien die Rede.

Jeder ein Verleger – oder beinahe … Seit zehn Jahren ist auch finews.ch auf dem Markt, die Gründung des Journalisten Claude Baumann, die sich heute «das Intranet der Schweizer Finanzbranche» nennt und mit hohem Aufwand Ware liefert, deren Qualität sich nicht an den Primeurs misst. Am anderen Ende des gleichen Spielfelds betreibt der Journalist Lukas Hässig seit 2011 die Internet­Zeitung «Inside Paradeplatz», die schon viele vermeintliche oder wirkliche Geheimnisse ausgegraben hat und offen von der Mitteilungsfreude von «Kanalratten» lebt, die ihr Insiderwissen wohlgetarnt nach aussen tragen.

Hässig und andere beweisen seit Jahren, dass man – mit Hilfe des Internets – Verleger sein kann, ohne hohe Investitionen riskieren zu müssen. Die Leitwährung ist die eigene Arbeit bis zur Selbstausbeutung. Eindrücklich ist das Echo, das diese Portale hervorrufen: 200, 300 Zuschriften auf einen «Aufreger» sind keine Seltenheit. Bei der gedruckten Presse sprach man bei fünf oder zehn Leserbriefen schon von einer «Flut». Unter dem Druck der Rechtsabteilungen ihrer Widersacher haben die neuen Internet­Verleger gelernt, dass auch die Wiedergabe von anonymen Werturteilen und Informationen unter die redaktionelle Verantwortung fällt. Mit anderen Worten: Am Ende des Tages kommt es auf den Inhalt an und nicht auf das Gefäss, in dem dieser dargeboten wird.

71 Sonderausgabe 125 Jahre VSM
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Förderung der Medienkompetenz

Der Kampf gegen Fake News beginnt in der Schule

Fake News und gezielte Desinformation stellen eine Gefahr für Demokratie und Rechtsstaat dar. Der Verlegerverband SCHWEIZER MEDIEN engagiert sich seit über 25 Jahren in der Förderung der Medienkompetenz bei Jugendlichen. Mit der Initiative «UseTheNews» soll dieses Engagement zusammen mit Keystone-SDA, der SRG und der Stiftung Mercator Schweiz massgeblich gestärkt werden. Damit leistet die Medienbranche einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Demokratie, wie ein Schulbesuch zeigt.

Text: Pascal Krauthammer Bilder: Ramon Lehmann

Förderung der Medienkompetenz: Journalistin Janine Zürcher sensibilisiert die Jugendlichen im kritischen Umgang mit Informationen und Nachrichten.

Seit dem Angriff der Hamas und dem Einmarsch der israelischen Armee im Gazastreifen laufen auch beim Dachverband der Lehrerinnen und Lehrer LCH die Telefonhörer heiss. Viele Lehrkräfte kommen in der Vermittlung des Konfliktes an Grenzen, denn die Stimmung ist seit dem 7. Oktober

2023 aufgeheizt. Die höchste Lehrerin, Dagmar Rösler, beobachtet, wie Kinder und Jugendliche im Netz oder auf den sozialen Medien teilweise falsche und unhaltbare Aussagen aufgreifen und weiterverbreiten. «Daraus können allein in einer Klasse schwierige Situationen entstehen», sagt Rösler. «Zum

Beispiel, wenn auf einer Plattform der Nahostkonflikt sehr einseitig dargestellt wird und Kinder diesen ungefiltert weitergeben, dann kann ein Gefühl von Hilflosigkeit, Ungerechtigkeit und persönlicher Angegriffenheit entstehen.» Junge Menschen seien besonders gefährdet, glaubt Rösler: «Für Schü­

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lerinnen und Schüler ist es häufig eine Glaubenssache, oder es hängt von der Gruppe oder von Freunden ab, ob Informationen wahr oder falsch sind. Sie müssen also zuerst noch lernen, etwas kritisch zu hinterfragen, zu hinterleuchten und entsprechend zu reflektieren.»

Fakten versus Fake News Pranvera stammt aus dem Kanton Aargau. Die 15­Jährige bestätigt die Beobachtung der höchsten Lehrerin. «Zurzeit sind es vor allem Informationen über den Nahostkonflikt, die mir auf den sozialen Medien ausgespielt werden», sagt Pranvera. «Es werden beispielsweise Kinder interviewt, oder ich erfahre, was im grössten Spital in Gaza­Stadt passiert.» Diese Flut an Informationen und Bildern sei teilweise nur schwer auszuhalten, erklärt Pranvera: «Wenn ich etwas anschaue, einen Post like oder nicht skippe, dann kommt sogleich das nächste Bild oder der nächste Film mit der gleichen Stossrichtung. Wenn es extrem wird, dann tut mir das nicht gut.» Mitschüler Tayler kennt diesen Effekt, den die sozialen Medien auf die Nutzenden haben. Auch er beschreibt, wie man sich plötzlich nur noch in Filterblasen bewegt und es gar nicht merkt. «Die meisten sind sich nicht bewusst, wie das mit dem Algorithmus funktioniert», sagt der 15­Jährige, der Nachrichten vor allem auf Instagram und TikTok konsumiert. «Irgendwann lässt man sich treiben, und Gedanken verfestigten sich. Wer sich ein Video anschaut und gleich nochmals eins ausgespielt bekommt, verliert alsbald das Interesse, die andere Seite verstehen zu wollen. Das ist ein Problem.» Vor allem dann, wenn die Informationen falsch oder unvollständig sind und so die Meinungsbildung von Jugendlichen beeinflussen. Tayler und Pranvera sind sich einig, dass Jugendliche, auch sie, dringend Wissen und Werkzeuge brauchen, um Fakten von Fake News unterscheiden zu können.

Ein Unfall aus verschiedenen

Perspektiven

Genau dies, Nachrichtenkompetenz, lernen die beiden Jugendlichen im «Newsroom»Workshop. Ermöglicht wird er durch die Burgergemeinde Bern, in Zusammenarbeit mit dem Medieninstitut des Verlegerverbandes SCHWEIZER MEDIEN und dem PolitForum Bern. An diesem Vormittag sind

Pranvera und Tayler zusammen mit rund dreissig Mitschülerinnen und Mitschülern aus dem Kanton Aargau im Polit­Forum Käfigturm der Stadt Bern zu Gast. Im Workshop stellt Janine Zürcher, die sonst für das «Thuner Tagblatt» schreibt, anhand konkreter Beispiele ihre journalistische Arbeit vor. Die Schülerinnen lernen in einem zweiten Block, sich kritisch mit Informationen auseinanderzusetzen und journalistische von nicht journalistischen Inhalten zu unterscheiden. Dabei hilft ein Beispiel aus der Praxis, ein Unfallhergang, der mit Fotos aus verschiedenen Perspektiven abgebildet wird. Mit jedem neuen Foto vervollständigt sich der Ablauf des Unfalls, und wie bei einem Mosaik entsteht dadurch erst ein vollständi­

«Überforderte Lehrkräfte,

überfor-

derte Schüler: Die neue Medien bringen neue Herausforderungen.»

«UseTheNews»: Desinformation gemeinsam bekämpfen

Der «Newsroom» im Polit-Forum ist eine von vielen Initiativen zur Stärkung der Nachrichtenkompetenz bei Schweizer Jugendlichen. Nachrichtenkompetenz meint die Fähigkeit, Nachrichten kritisch zu bewerten, Quellen zu überprüfen, Medien zu verstehen und Informationen sachgerecht zu analysieren, um sich eine eigene Meinung bilden zu können. Neu gibt es die Initiative «UseTheNews», die der Verlegerverband Schweizer Medien, die Schweizer Nachrichtenagentur Keystone-SDA und die SRG gemeinsam ins Leben gerufen haben. Die Initiative baut auf dem gleichnamigen internationalen Netzwerk auf. Die Erfahrungen aus anderen Ländern sind vielversprechend und haben die Schweizer Träger bewogen, hier den Schulterschluss zu wagen.

ges Bild. Auf diese Weise lernten die Jugendlichen, ihre schnellgefasste Meinung zu revidieren, sagt Journalistin Zürcher: «Ich möchte sie dazu anregen, kritisch zu denken und sich eine eigene Meinung zu bilden. So auch mit dem Unfall­Beispiel, das aufzeigt, dass gewisse Situationen aus verschiedenen Blickwinkeln ganz anders aussehen können.» Wer es gewohnt sei, Medien zu konsumieren, Tageszeitungen beispielsweise, beherrsche diese Fähigkeit. Bei vielen Jugendlichen fehle jedoch diese Kompetenz, weil sie kaum mehr einen Bezug zu den klassischen Medien hätten, konstatiert Zürcher: «Es wird von einer grossen Mehrheit, die sich vor allem in den sozialen Medien bewegt, kaum mehr hinterfragt, woher gewisse Informationen stammen. Gerade darum finde ich es wichtig aufzuzeigen, dass Informationen auch Macht sind und in diesem Sinn auch missbräuchlich verwendet werden können.» Hier müsse man dringend Gegensteuer geben, ist die Journalistin überzeugt: «Erkennen Jugendliche Fake News und können sie diese von Fakten unterscheiden, entwickeln sie ein Gespür dafür, welche wichtige Funktion Medien für unsere Demokratie und Gesellschaft haben.»

«UseTheNews» versteht sich als nationale Dachorganisation zur Stärkung der Nachrichtenkompetenz. Schon seit Jahrzehnten unterstützt und entwickelt der Verlegerverband im Rahmen seines Medieninstituts Formate, um die Medienkompetenz – insbesondere von Jugendlichen – zu fördern. Auch das Engagement bei «UseTheNews» ist somit ein Bekenntnis des VSM zur Befähigung der nächsten Generation von Medienkonsumentinnen und -konsumenten. Um deren Nachrichtenkompetenz zu fördern und die Desinformation zu bekämpfen, baut «UseTheNews» auf vier Säulen auf: Vernetzung und Information ermöglichen, Bildungsangebote bündeln, Veranstaltungen ausrichten sowie Medienforschung stärken.

Die drei Träger arbeiten in den kommenden Monaten die Initiative und deren Aktivitäten konkret aus. Ziel ist, weitere Partner aus Bildung und Zivilgesellschaft, aus der Wissenschaft sowie aus der Medienbranche einzubinden und so der Dachorganisation zu einer breiten Abstützung zu verhelfen. In engem Austausch mit Wissenschafts- und Bildungspartnern und in synergetischer Zusammenarbeit mit Anbietern, Institutionen und Organisationen wird Orientierung geschaffen und der Dialog mit Jugendlichen und anderen Bevölkerungsgruppen zur journalistischen Nachrichtenkompetenz gefördert. Die Lancierung und der Aufbau von «UseTheNews» werden in den ersten drei Jahren von der Stiftung Mercator Schweiz unterstützt.

Weitere Informationen: www.usethenews.ch

75 Sonderausgabe 125 Jahre VSM

Der zweistündige Workshop scheint seine Wirkung nicht zu verfehlen. Die Jugendlichen vertiefen sich unter der Anleitung der Journalistin in die Recherche, beginnen zu diskutieren und ihre vorgefassten Meinungen zu hinterfragen. Der 15­jährige Tayler glaubt, eine Veränderung beobachtet zu haben: «Viele wussten bis anhin nicht, wie man Informationen gewinnt und wie man sie auswertet. Dieser Kurs hat uns geholfen, in die­

Rösler: «Das Engagement der Verlagshäuser in Medienkompetenz ist ein langfristiges Engagement für die Gesellschaft.»

sem Punkt einen grossen Schritt vorwärts zu machen.» Und auch Pranvera ist überzeugt, durch den «Newsroom» profitiert zu haben: «Der Workshop hat mir persönlich geholfen, nochmals sensibler mit dem Thema Fake News umgehen zu können. Ich weiss jetzt, dass und wie man die Perspektiven ändern kann und dadurch ein klareres Bild bekommt.»

Nachrichtenkompetenz im Interesse der Schweizer Demokratie

Begrüsst werden Initiativen wie der «Newsroom» auch von Dagmar Rösler, Zentralpräsidentin des Dachverbandes Schweizer Lehrerinnen und Lehrer (LCH): «Es ist wichtig, dass junge Menschen schon früh die Fähigkeit besitzen oder erwerben, Desinformation zu erkennen.» Dabei geht es nicht nur um die Aktualität, den Krieg im Nahen Osten oder in der Ukraine. Für Rösler ist das Engagement der Verlagshäuser in die Medienkompetenz ein langfristiges Engagement für die Gesellschaft als Ganzes.

Jugendliche in entsprechenden Studien nur durchschnittlich ab. Viele haben wenig Vertrauen in die Politik. Zudem gewinnen autoritäre Denkweisen an Zuspruch. Es besteht also dringender Handlungsbedarf.» Die Initiativen der Verlagshäuser für mehr Nachrichtenkompetenz sei auch unter diesem Aspekt zentral, ist Rösler überzeugt.

Gerade auch angesichts der Tatsache, dass Demokratien weltweit unter Druck sind, auch in Europa, ist Rösler überzeugt, dass die Demokratie und die Grundrechte auch in der Schweiz keine Selbstverständlichkeit seien, sondern von jeder Generation aufs Neue erarbeitet und verteidigt werden müssten. «Eine zentrale Rolle dabei spielt die politische Bildung, durch die junge Menschen zu mündigen Bürgerinnen und Bürgern erzogen werden», sagt die höchste Lehrerin der Schweiz. «Doch trotz der grossen Bedeutung der politischen Bildung für die Schweizer Demokratie schneiden Schweizer Gemeinsam

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Dagmar Rösler, Zentralpräsidentin LCH.
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Schweizer Mediengeschichte: Teil 4

Die Zukunft ist digital –der Wert des Journalismus bleibt

Noch bedienen die Schweizer Verlage einen wesentlichen Teil ihrer Leserschaft mit gedruckten Zeitungen. Doch die Zukunft ist digital. Vor diesem Hintergrund investieren die Schweizer Verlage seit Jahren viele Millionen in die digitale Transformation. Die Herausforderungen sind riesig und viele Fragen noch ungeklärt. Nur eines ist klar: Das journalistische Handwerk und die verlegerische Verantwortung bleiben auch im Zeitalter von KI oberstes Gebot.

Text: Pascal Krauthammer Bilder: zVg

Die Transformation des Geschäftsmodells der Schweizer Verlage ist in vollem Gange. Dies zeigt sich exemplarisch bei 20 Minuten, das seit Jahren auf digitale Publizistik setzt und seit 2020 mehr Lesende online hat als im Print. Dennoch hat man bei 20 Minuten exakt vor einem Jahr nochmals in einen Re­

fresh der Zeitung investiert. Mit Erfolg: Gesamtschweizerisch lesen wieder über 1,3 Millionen die gedruckte Ausgabe, in der Deutschschweiz konnte die Zahl der Lesenden um 4,2 Prozent auf 900 000 gesteigert werden. «Print ist für uns nach wie vor wichtig, nicht zuletzt auch für die öffentliche

Wahrnehmung», betont Désirée Pomper, Chefredaktorin bei 20 Minuten. «Wir müssen gleichzeitig aber festhalten, dass die Pandemie, während derer uns plötzlich die Pendlerinnen und Pendler und damit die Lesenden fehlten, den strukturellen Wandel sicher beschleunigt hat.» Der Trend ist klar,

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Steffi Buchli, Chief Content Officer von Blick und Ringier Medien. Désirée Pomper, Chefredaktorin bei 20 Minuten.

alles geht Richtung Digitalisierung. Dieser Meinung ist auch Steffi Buchli, Chief Content Officer von Blick und Ringier Medien Schweiz (RMS). Schön gedruckte Magazine würden wohl noch lange auf Küchentischen, in Cafés, Arztpraxen und Haarsalons aufliegen, bei der Tageszeitung sehe dies aber anders aus. «Über kurz oder lang werden wir wohl News nicht mehr auf Papier drucken», ist Steffi Buchli überzeugt. Die Tageszeitung verlagert sich immer stärker ins Digitale. Und dies hat Folgen.

Gut ist, was gut ankommt

Denn während Medienschaffende früher ohne eigentliche Rückmeldung der Leserschaft Artikel veröffentlichten, werde heute alles gemessen und ausgewertet. Dies verän­

spricht dem Zeitgeist, denn heute sind journalistische Ressourcen ein knappes Gut. Entsprechend sollten wir unsere Arbeitsstunden für Storytelling aufwenden, das bei unseren Userinnen und Usern ankommt.»

Dies ist doppeldeutig gemeint, denn online muss nicht nur der Inhalt oder Content stimmen, sondern ebenso die Distribution sichergestellt sein. Entgegen der weitverbreiteten Meinung sei das Geschäft mit der fortschreitenden Digitalisierung nämlich nicht einfacher, sondern komplexer geworden, erklärt Steffi Buchli: «Distribution im Zeitalter von Print bedeutete: Zeitung aus der Druckerei in den Briefkasten abliefern, und damit war die Sache getan, eine verhältnismässig einfache logistische Aufgabe. Digitale Distribution ist ein sich ständig änderndes Fachgebiet, das Expertise braucht.» Vor diesem Hintergrund wurde im Jahr 2023 im Blick­Newsroom der Bereich Digital & Distribution geschaffen.

Geld verdienen und guter Journalismus finanzieren.

Andere Medien geben sich da zurückhaltender. Weltweit und auch in der Schweiz sind Bezahlzeitungen, die sich traditionell über Abos und Werbung finanzieren, unter Druck. Denn die grössten Teile der Werbebudgets fliessen heute zu den internationalen Plattformen. Und die lukrativen Abonnements im Print schwinden. Vor allem die kleineren Verlagshäuser haben im OnlineBereich diesen finanziellen Verlust noch nicht wettmachen können. Innovationen sind darum dringend notwendig. Die Zeit drängt.

Pomper: «Bereits 2021 hat man bei 20 Minuten eine Social-Media-firstStrategie eingeführt– mit Fokus auf Tik-Tok.»

dere zwingend die Art und Weise, wie über aktuelle Ereignisse berichtet werde, so Buchli: «Wir erzählen bei Blick Geschichten entlang des User Needs Model. In der Datenanalyse schauen wir uns auf Ressortebene an, welche Inhalte bei unseren Leserinnen und Lesern ankommen. Das Modell ent­

Die Frage der Distribution ist auch für 20 Minuten zentral, das eine junge und urbane Zielgruppe ansprechen will. Bereits 2021 hat man darum die Social­Media­first­Strategie eingeführt – mit einem Fokus auf TikTok. «In einem ersten Schritt ging es uns darum», so Chefredaktorin Pomper, «verifizierte News dorthin zu bringen, wo sich die Leute aufhalten. Dank Social Media konnten wir in den letzten drei Jahren 20 Minuten in der jungen Zielgruppe als Nachrichtenportal wieder sichtbar machen.» Inzwischen folgen auf diesen Plattformen allein in der Deutschschweiz über 2 Millionen Menschen 20 Minuten. Ein erfolgreiches TikTok­Format ist etwa «5 News des Tages», das dem jungen Publikum mit Nachrichten in einer Minute die wichtigsten Ereignisse des Tages aufzeigt. Doch damit ist es nicht getan. «Nach dem Reichweitenaufbau stehen nun die Conversions im Fokus. Das heisst, wir wollen die Nutzerinnen und Nutzer auf unsere eigenen Plattformen bringen. Einerseits damit sie weiter in die Welt der News eintauchen können. Und andererseits finanzieren wir unseren Journalismus ja rein über Werbeeinnahmen. Auch aus diesem Grund ist es wichtig, dass aus den neuen Usern regelmässige Nutzerinnen und Nutzer werden», so Pomper. Inzwischen erwirtschafte 20 Minuten dank einer konsequenten digitalen Transformation über drei Viertel des Umsatzes mit digitaler Werbung. Online lasse sich somit

Kleine Verlage schliessen sich zusammen «Ich nehme ein grosses Gefälle wahr zwischen den Grossverlagen, die richtig gut sind und die digitale Transformation bereits weit vorangebracht haben, und den kleineren Verlagen, die ganz am Anfang stehen», sagt Joachim Braun, Co­Leiter Chefredaktion und Leiter Redaktionelle Transformation der Südostschweiz. Das Problem der kleineren Medienhäuser liege in der Skalierbarkeit der Technologie. Allein sei die Digitalisierung kaum finanzierbar, aus finanziellen Gründen, aber auch weil die Experten fehlten. Aus diesem Grund müssten die kleinen Verlage in Sachen Technologie viel stärker zusammenarbeiten, ist Joachim Braun überzeugt. Die Südostschweiz etwa hat sich als erster Schweizer Verlag dem Projekt Drive angeschlossen. Im Zentrum dieser Kooperation von 27 Regionalzeitungen in Deutschland, Österreich und nun auch der Schweiz steht die Frage, wie man möglichst viele Digital­Abos verkaufen kann. Dazu gibt es einen permanenten Austausch, bei den Daten und zwischen den Redaktionen. So profitiert die Südostschweiz beispielsweise von den Erfahrungen der Badischen Zeitung oder der Neuen Osnabrücker Zeitung, die in der Digitalisierung bereits Jahre Vorsprung haben. In ländlich geprägten Regionen der

81 Sonderausgabe VSM/Swissmediaforum
Joachim Braun, Co-Chefredaktor Südostschweiz.

Schweiz zeige sich die Entwicklung Richtung Online zwar verzögert, aber das Nutzerverhalten sei auch dort nicht grundlegend anders als in den Agglomerationen.

Überalterung der Zeitungsleser ist ein weiteres Problem. «Wir müssen die digitale Transformation durchführen, weil uns die Abonnenten wegsterben. Geschätzt 30 bis 40 Prozent in den nächsten zehn Jahren.» Grund zur Resignation gebe es aber keinen, betont Braun. Skandinavische Verlage zeigten, dass auch kleinere Redaktionen durchaus eine Zukunft hätten. Verlags­ und Redaktionsstrukturen müssten hierzu aber sehr bald angepasst werden. Und: «Wenn wir irgendwann keine 28 Seiten mehr füllen müssen, sondern uns auf täglich ein, zwei lokale oder regionale Scoops im Digitalen konzentrieren können, wird es einfacher», ist Braun überzeugt. Helfen werde schliesslich auch die künstliche Intelligenz, die viele Routinearbeiten übernehmen könne. Hier stehe man erst ganz am Anfang eines rasanten Change­Prozesses, der weit über Verbesserungsempfehlungen für Titel und Vorspanne hinausgehe.

tomatische Untertitelung bisher zu einer langwierigen Arbeit gemacht hat. Wir haben nun ein Tool entwickelt, das mithilfe von KI Audioinhalte jeglicher Sprache präzise transkribiert und ins Deutsche übersetzt, auch aus einem Livestream. Dank dieser Technologie können die Journalisten viel schneller arbeiten und sich verstärkt auf die Inhalte konzentrieren. Bei Videos, Livetickern oder auch telefonisch geführten Interviews», so Chefredaktorin Pomper.

Journalistische Verantwortung steht über allem

KI und Journalismus: Forderungen und Empfehlungen des VSM

Die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten von KI beschäftigen auch den Verlegerverband SCHWEIZER MEDIEN. Er anerkennt die Möglichkeiten und Chancen, die generative KI dem Journalismus und den Medienunternehmen bietet. Dies bedingt allerdings, dass Entwickler und Betreiber von KI-Systemen das geltende Recht in der Schweiz beachten und einhalten. Es braucht klare Regeln für die Nutzung der journalistischen Inhalte durch KI-Systeme.

Braun: «Skandinavische Verlage zeigen, dass auch kleinere Redaktionen eine Zukunft haben.»

KI bringt nochmals neue Chancen –und Risiken

Bereits einen Schritt weiter ist man bei der Blick­Gruppe. Künstliche Intelligenz komme hier in verschiedensten Bereichen zum Einsatz, so Steffi Buchli: «Das klassische Transkribieren eines Interviews übernimmt schon heute KI. Wir werden bei SEO­Titeln und Titeln im Allgemeinen mit KI arbeiten. Es ist möglich, per Mausklick eine kurze Zusammenfassung eines längeren Artikels zu machen. Bald wird KI unseren Leserinnen und Lesern Artikel vorlesen.» In eine ähnliche Richtung geht man bei 20 Minuten: KI übersetzt Artikel in verschiedene Sprachen, stellt Newsletter nach persönlichen Interessen zusammen oder unterstützt beim Kommentar­Management. «Weiter haben wir das Problem der Schweizer Mundart gelöst, das die Transkription von Interviews und die au­

Auch Joachim Braun, der die redaktionelle Transformation bei der Südostschweiz vorantreibt, kennt die vielen Vorteile gegenüber künstlicher Intelligenz. Die Bevölkerung vertraue weiterhin dem Menschen weit mehr als der Maschine. Dies zeigt auch die aktuellste Untersuchung des Forschungszentrums Öffentlichkeit und Gesellschaft (Jahrbuch Qualität der Medien 2023). Demnach bevorzugen 84,3 Prozent der Befragten Medien ohne KI, und nur die Hälfte der Bevölkerung würde KI­unterstützte Medien nutzen wollen. Speziell Lokal­ und Regionalnachrichten oder Beiträge zu Schweizer oder internationaler Politik würden kaum gelesen, wenn sie von KI erstellt würden. Auch die Zahlungsbereitschaft nimmt gemäss der Untersuchung des fög deutlich ab, sobald KI im Spiel ist. Da generative KI aber demnächst allgegenwärtig sein wird, glaubt Braun: «Vielleicht gibt es ja dereinst das Qualitätssiegel ‹Produziert ohne KI›». Und überall dort, wo KI zum Einsatz komme, müsse schon jetzt sichergestellt werden, dass die Inhalte verifiziert seien. «Die Verifizierung von Inhalten wird die Herkulesarbeit in jedem Newsroom sein», prophezeit Steffi Buchli, und Désirée Pomper ergänzt: «Die aktuellen KI­Systeme sind bereits in der Lage, täuschend echte Fake News und Bilder zu produzieren. Auch ‹halluzinieren› die Modelle häufig auf den ersten Blick plausibel wirkende Falschinformationen. Für unsere Glaubwürdigkeit ist daher der journalistische Faktencheck umso entscheidender. Ohne diesen geht es im redaktionellen Umfeld nicht.»

KI-Manifest: Forderungen an KI-Systeme In seinem Manifest «Künstliche Intelligenz nur im Rahmen der Schweizer Rechtsordnung» formuliert der VSM dazu klare Grundsätze, welche von KI-Betreibern und KI-Entwicklern gemäss geltendem Schweizer Recht beachtet werden müssen. Die Einhaltung dieser Grundsätze ist massgeblich für den Erhalt der wirtschaftlichen Basis des Medienschaffens und für ein faires und funktionierendes Zusammenspiel von KI und Medien. Nur so kann auch in Zukunft das Vertrauen der Öffentlichkeit in Fakten, in den Journalismus und nicht zuletzt die direkte Demokratie erhalten werden.

Der Verlegerverband fordert von den KI-Betreibern und ihren Anwendungen:

• Berücksichtigung des Schutzes Geistigen Eigentums

• Fairness in Markt und Wettbewerb

• Transparenz über die Verwendung der Inhalte

• Qualität und Integrität der Inhalte

• Sicherheit und Verantwortung

• Kooperation zwischen KI-Betreibern und Medien

Handlungsempfehlungen für verantwortungsvollen Einsatz

Gleichzeitig mit den Forderungen an die KI-Betreiber gibt der VSM seinen Mitgliedern Handlungsempfehlungen für den Umgang von Medienunternehmen mit KI-Anwendungen bei der journalistischen Arbeit. Die Guidelines beschäftigen sich unter anderem mit Themen wie verantwortungsvollem Einsatz, Transparenz, publizistischer Kontrolle oder Schulung und Instruktion. Eine Studie des Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög) der Uni Zürich («KI im Journalismus») hat kürzlich gezeigt, dass die Bevölkerung eine gewisse Skepsis gegenüber dem Einsatz von KI in den Medien hat. Dies unterstreicht die Wichtigkeit eines verantwortungsvollen Einsatzes von KI-Anwendungen, wie ihn die Schweizer Medienunternehmen bereits heute pflegen. So führt das Zusammenspiel von Medienschaffenden und Anwendungen zu qualitativ noch besseren journalistischen Inhalten.

Weitere Informationen unter www.schweizermedien.ch

05 Mai 2024
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Herzlichen Glückwunsch

dem Verlegerverband

SCHWEIZER MEDIEN

zum 125-Jahr-Jubiläum.

Die Schweizerische Post wünscht weiterhin viel Erfolg!

Foto: KEYSTONE/Photopress-Archiv. Mehr auf www.keystone-sda.ch 125 JAHRE VSM: WIR GRATULIEREN! ≈

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