ChemieXtra 6/2020

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VERFAHRENSTECHNIK

Überschüssige Energie aus der Industrie

Vernetztes Heizen mit Abwärme Der Schweizer Gebäudepark könnte ökologisch viel nachhaltiger beheizt und gekühlt werden, als dies jetzt der Fall ist. Forschende der Hochschule Luzern schaffen im Auftrag des Bundesamtes für Energie (BFE) eine Plattform, die Wissen um die Technik der Thermischen Netze bündelt. Angesprochen sind Raumplaner, Investoren, Industrie sowie Energieplaner und -lieferanten. Sie sollen befähigt werden, sich an fundierten Methoden zu orientieren und so von einer höheren Planungssicherheit profitieren.

Wärme aus industriellen Prozessen Fernwärme nutzt zum Beheizen von Liegenschaften Abwärme von Kehrichtverbrennungsanlagen (KVA), Abwasser, industriellen Prozessen, Wärme­kraftkopplungs-­Anlagen oder Geothermie. In der nahen Zukunft wird wegen der Klimaerwärmung der Aspekt der Fernkälte immer wichtiger. Denn auch kaltes Wasser kann über Thermische Netze geleitet werden. Als Kältequellen stehen etwa See-, Fluss- und Grundwasser sowie das Geocooling zur Verfügung.

Wissen erarbeiten, sammeln und vermitteln Thermische Netze beziehen Wärme oder Kälte dort, wo sie ohnehin anfällt. Über ein Leitungsnetz mit warmem oder kaltem Wasser transportieren sie diese dorthin, wo sie genutzt wird. «So können Unterdeckungen an einem Ort mit Überschüssen 6/2020

Bild: Energie Schweiz

Der Schweizer Gebäudepark ist für rund 33 Prozent der CO 2 -Emissionen verantwortlich. Denn geheizt wird in rund 60 Prozent der Wohnbauten immer noch vor allem mit fossilen Energieträgern wie Heizöl oder Gas. Auch wenn die Heizungen ersetzt werden müssen, wird mehrheitlich wieder eine Öl- oder Gasheizung einbaut; Alternativen werden kaum je überprüft. Deshalb leistet das frisch gestartete Programm «erneuerbar heizen» von Energie Schweiz mit gezielten Beratungen einen Beitrag zur Förderung von Alternativen. Denn an vielen Orten können erneuerbare Energien wie Sonne, Erdwärme, Holz oder auch ein Fernwärmeanschluss installiert werden.

Thermische Netze: Fernwärme nutzt zum Beheizen von Liegenschaften Abwärme von Kehrichtverbrennungsanlagen (KVA), Abwasser, industriellen Prozessen, Wärmekraftkopplungs-­ Anlagen oder Geothermie.

an einem anderen Ort kompensiert werden», erklärt Prof. Joachim Ködel. Er leitet seit 2016 und noch bis 2021 das Programm «Thermische Netze» am Institut für Gebäudetechnik und Energie der Hochschule Luzern. Sein Team hat vom Bundesamt für Energie BFE den Auftrag bekommen, Wissen über die Technik der Thermischen Netze zusammenzutragen. Denn in der Schweiz wird an verschiedenen Orten bereits seit längerem mit Fernwärme, oder seit einigen Jahren auch mit Niedertemperaturnetzen, für Heizung und Kühlung gearbeitet oder zum Thema geforscht. Dies geschieht teilweise dezentral und auf kantonaler Basis. Das bedeutet: Zum Beispiel in Graubünden erworbenes Wissen dringt nicht nach Luzern oder Bern. Dieses Wissen wird nun gesammelt, systematisiert und in einem Handbuch

und weiteren Grundlangedokumenten allen Entscheidungsträgern in Sachen Wärme- und Kälteversorgung zugänglich gemacht. «Wichtig ist, dass die Entscheider mit Fakten operieren können und die Diskussion um die Technik versachlicht wird», sagt Ködel. Diese Informationen finden sich gesammelt auf der Projektwebsite www.hslu.ch/thermische-Netze.

Leitungsnetz ist Voraussetzung Damit Fernwärme und Fernkälte in einem Gebiet sinnvoll eingesetzt werden können, muss eine genügend hohe Wärmedichte vorhanden sein. Das ist vor allem in Stadtzentren, Mehrfamilienhausquartieren sowie in Gewerbezonen der Fall. In diesen Gebieten empfiehlt Ködel, Fern41


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