ZUM W ER K
GUSTAV M A HLER Adagietto
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GUSTAV M A HLER: ADAGIETTO
VON L E A VATER L AUS
«Die Fünfte ist ein verfluch tes Werk. Niemand capiert sie», beklagte sich ein Kriti ker nach einer Aufführung von Gustav Mahlers Fünften 1905 in Hamburg über das Werk. Dass der Aufbruch des Komponisten in eine neue Ära der Sinfonie beim damaligen Konzertpublikum eher auf Unverständnis stiess, lag wohl an der neuen musikalischen Sprache und der Verweigerung einer klaren Tonartenzuordnung, die sich Mahler insbesondere in seinen späteren Sinfonien immer mehr zu eigen machte.
Die 5. Sinfonie ist zwar kein Spätwerk, beschäftigte Gustav Mahler aber so lange wie keine andere Sinfonie: Bis zu seinem Todesjahr 1911 schliff der österreichische Komponist an der Instrumentation des Werks, das Richard Strauss bei der Uraufführung 1904 in Köln noch als «überinstru mentiert» eingestuft hatte. Wer Mahlers Fünfte hört, bleibt am berühmt gewordenen 4. Satz, dem Adagietto, hängen, das im Gegensatz zur Lebhaft igkeit der anderen Teile der Sinfonie einen Ruhepol im Werk markiert und nur für Streicher und Soloharfe konzipiert ist. Die Umstände seiner Entstehung umgeben den Satz mit einem Hauch Sentimentalität: Wenige Wochen vor der Komposition hatte Mahler seine zukünftige Frau Alma Schindler kennen gelernt, welcher er dann das Autograf des Adagietto als Liebeserklärung zusandte. Mahler markierte den 4. Satz zwar mit ‹sehr langsam›, dirigierte ihn aber im Vergleich zu späteren beinahe zwölfminütigen Interpretationen Abbados oder von Karajans fast in doppeltem Tempo. Im langsamen Tempo wirkt das Adagietto melancholisch und tragisch und erinnert an die Verwendung des Satzes in Viscontis 1971 entstandener Verfilmung von Thomas Manns Novelle Der Tod in Venedig – ein Werk, das der Schriftsteller selbst als «Tragödie einer Entwürdigung» beschrieb.