Theater vorgeführt Fotos: © Christian Schuller
>> Nicht nur große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Zur künstlerischen Einstimmung auf die Winterwerft, die kleine Fechenheimer Schwester des großen Sommerfestivals am Main, veranstaltet die Protagon eV. vom 24. Januar an ein Kollaboratorium für alle teilnehmenden Künstler. Vom 3. bis 13. Februar steht dann die 6. Ausgabe der Winterwerft an: An zwei langen Wochenenden von Donnerstag bis Sonntag finden auf dem Kulturgelände im Osten Frankfurts Darbietungen aus Theater, Performance und Musik unter dem Motto »Entangled« statt, die sich unkonventionell und kreativ mit Fragen der Zeit auseinandersetzen. >> Babylon-Fieber in Frankfurt: Vom 4. bis 8. Januar taucht die Revue »Berlin, Berlin« in der Alten Oper Frankfurt mit ihren Besuchern in die Goldenen Zwanziger Jahre: Dazu führen inklusive der Revuegirls mehr als 30 Akteure Musik von Marlene Dietrich über Josephine Baker und Kurt Weill bis zu den Comedian Harmonists auf. www.alteoper.de
Im freien Fall Theater Landungsbrücken zeigt »Zeit des Lebens« von Evelyne de la Chenelière Willkommen im Dschungel. Es braucht nicht lang, um festzustellen, dass die Suche nach einem Handlungsstrang in dem Stück »Zeit des Lebens« der Kanadierin Evelyne de la Chenelière vergeblich sein muss. Und dass es wohler tut, sich dem Lauf ihrer ungemein bilderreichen und geschmeidigen Sprache zu überlassen. Wir sehen ein Krankenhausbett im kahlen, leeren Raum auf der Parkettbühne. Und eine Figur, die sich in diesem Bett aufrichtet und als Jeanne vorstellt. Dass sie im Sterben liegt, lässt sich aus ihren Gedanken schließen, die sich in immer neuen Anläufen um Gott und den Glauben, um das Jenseits und um den Sinn des Lebens drehen. Und um das kaum lösbare Problem, die treffenden Worte für diese Gedanken zu finden. So einfach wie Der Liebe Gott in Bob Dylans »In The Beginning«, macht es sich das Alter Ego der Autorin nicht, die deren Rolle bei der Uraufführung des Originals »La vie utile« tatsächlich selbst übernahm. Jeannes immerwährend schürfenden Gedanken tauchen in die früheste Kindheit ein, bringen ihre Mutter ins Spiel, auch ihren jüngeren Männern verfallenen bisexuellen Vater, dem sie den Namen zu verdanken hat. Dieser hatte natürlich die große Heilige aus Domrémy im Sinne: wahrscheinlich, weil sie auf den Bildern wie ein Junge aussieht, meint die Tochter: »Ich hasse
sie dafür, dass sie meinem Vater gefiel, aber nicht ihrem eigenen«. Es gibt keinen Satz, der hier nicht zu verstehen wäre, sieht man von den Passagen auf Griechisch und Spanisch ab, die den Unkundigen als wohlintonierte Klanggemälde begegnen. Immer wieder aber geht es um den Sinn der hinter den vielen Worten steckt, die uns die Welt und das Leben erklären wollen Auch der Tod klopft bei Jeanne an, von dem sie sich aber noch etwas Zeit ausbedingt und erhält, um weiter nachzudenken und vielleicht doch noch herauszufinden, ob, warum und weshalb es ihrer bedurfte. Allmählich enthüllt sich, dass die Sterbende vom Pferd gestürzt ist und im Koma liegt. Dass der nicht endende Fall von einer in die andere und die nächste Welt, den sie uns schon schilderte, sich in diesem Fall widerspiegelt. Mit vier jungen, bestechend klar sprechenden Darstellern setzt Regisseur Kornelius Eich diese irrlichternde Wanderung durch ein Menschenleben in Szene. Marlene-Sophie Haagen gibt die bettlägerige Jeanne, AlexanderChico Bonet im offenen Hemd den Tod als Schönling, Jonathan Lutz erleben wir unter anderem als Vater, den Jeannes Sturz eher zu faszinieren als zu ergreifen scheint, während die groß aufspielende Antigone Akgün dieses Mal als Mutter imponiert. Wie diese pragmatischfürsorgliche Mama der Tochter die Vorzüge des Fensters im Kranken-
zimmer ausmalt, ist nachgerade zum Niederknien. Man muss nicht schlau werden, aus dem knapp 80-minütigen Abend, um sich gleichsam beschenkt zu fühlen. Dass sich Sprache und Spiel derart glücklich zusammenfügen, macht ihn zu einem Erlebnis, zu dem man auch den Landungsbrücken nur gratulieren kann. Es ist die deutschsprachige Erstaufführung des Werks einer hier noch kaum entdeckten Autorin. Auf einer Bühne, die immer wichtiger für Frankfurt wird. gt Termine: 29., 30. Januar, jeweils 20 Uhr www.landungsbruecken.org
DIE SCHMIERE
Satire & Kabarett seit 1950
Ein Strauß voller Narzissten Kabarett-Szenen 14. & 15. Januar 21. & 22. Januar
>> Back on the Map: Im September (1.–11.9.2022) feiert die Wiesbaden Biennale ihre Wiederkehr. Von Manfred Beilharz als Europa-Biennale schon in Bonn gegründet und 2004 nach Wiesbaden transferiert, mutierte das einstige Stelldichein der europäischen Dramatik zum postdramatischen Festival. Die neue Ausgabe bringt unter anderem das französische Kollektiv »SVPLMC« um den Regisseur Julien Gosselin mit seiner Arbeit »Le Passé« in die Landeshauptstadt. >> Rosas Rückkehr: Erst im Sommerbau, jetzt wieder im Bockenheimer Titania ist das faszinierende Doku-Stück »Ich werde sein« des Freien Schauspiel Ensembles zu sehen. Michaela Conrad, Naja Marie Domsel und Bettina Kaminski gehen unter der Regie von Reinhard Hinzpeter in einem aus Briefen, Essays und Reden entwickelten Stück der widersprüchlichen, schillernden, lebenshungrigen Persönlichkeit Rosa Luxemburgs nach. www.freiesschauspiel.de >> Tyll erobert Bagdad die Inszenierung »Tyll« des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden in der Regie von Tilo Nest nach dem Roman von Daniel Kehlmann hat beim 2. Bagdad International Theatre Festival (20.–26.11.2021) den Gesamtpreis für die beste Aufführung (Integrated Theatrical Perfomance Award) gewonnen. Die Auszeichnung beinhaltet die Preise für die jeweils Besten in Regie (Tilo Nest), Schauspieler (Rainer Kühn), Schauspielerin (Lina Habicht) und Nachwuchsschauspieler (Paul Simon).
jew. um 20 Uhr
Tickets und evtl. weitere Termine auf unserer Website
die-schmiere.de
www.strandgut.de | Strandgut 01/2022
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