BILD(1): DANIEL SPEHR, BILD(2): SCHWEIZERISCHES SOZIALARCHIV / GETRUD VOGLER, 1988, BILD(3): LISA SCHAEUBLIN, BILD(4): CHRISTIAN HELMLE, BILD(5): SEBASTIAN STADLER
Veranstaltungen Basel «Pedro Reyes. Return to Sender», bis So, 15. November, Di bis So 11 bis 18 Uhr, Museum Tinguely, Paul Sacher-Anlage 2. tinguely.ch
Der Mexikaner Pedro Reyes ist ein Weltverbesserer im schönsten Sinne. Der 48-Jährige ist ursprünglich Architekt (und gerade Städtebau hat viel mit sozialen Strukturen und daher auch mit einem nötigen Verständnis dafür zu tun) und hat eine dezidiert politische Haltung: radikal humanistisch bis marxistisch. Reyes arbeitet mit Mitteln der Architektur und Skulptur, mit Video, Performance und Partizipation, um die kollektive und individuelle Handlungsmacht in politischen, sozialen und ökologischen Situationen zu fördern. 2008 startete er mit den örtlichen Behörden im mexikanischen Culiacán eine Kampagne, um die Bewohner*innen dazu zu bringen, ihre Waffen abzugeben: Im Gegenzug erhielten sie dafür Haushaltsgeräte oder Elektronikprodukte. Auf diese Art wurden Waffen gesammelt, eingeschmolzen und zu 1527 Spaten gegossen, mit denen ebenso viele Bäume gepflanzt wurden. Später hat Reyes mit «Disarm» im Drogenkrieg konfiszierte Waffen in Musikinstrumente umgewandelt. Auch das Tinguely-Museum zeigt Klangkörper, die unangenehme Wahrheiten in sich tragen. DIF
Zürich «Drogenparcours – Auf der Suche nach dem ‹Stoff›», digitaler Parcours, bis Mi, 30. September, App Store und Platzspitz. drogenparcours.ch
«Öffentliche Geschichtsvermittlung und Geschichtsdidaktik» an der Universität Fribourg und der Pädagogischen Hochschule Luzern realisiert. Der Drogenparcours wird von «Einfach Zürich», einem Netzwerkprojekt zur Vermittlung von Zürcher Kulturgeschichte, angeboten. Zusätzlich finden am Donnerstag, 13. August, und Donnerstag, 24. September, je 18 bis 19 Uhr, dialogische Expert*innenführungen und Gespräche mit Zeitzeug*innen über den Platzspitz statt. DIF
Der Parcours, der aufs Handy geladen werden kann, führt vor Ort auf dem Platzspitz in die Drogenvergangenheit von Zürich in den 1980er- und 90er-Jahren. Die Besucher*innen werden mittels Informationsvideos und kleinen Porträts durch den Park geführt. Das mag sich im ersten Moment nach Infotainment mit Gamingcharakter anhören, doch Vera Baumann hat den Parcours als Teil ihrer Masterarbeit im Studiengang
Bern «Weltuntergang – Ende ohne Ende», Sonderausstellung, bis 2022, Mo 14 bis 17 Uhr, Di bis Fr 9 bis 17 Uhr, Mi bis 18 Uhr, Sa/So 10 bis 17 Uhr, Naturhistorisches Museum, Bernastrasse 15. nmbe.ch Christoph Beer, Direktor des Naturhistorischen Museums Bern, sieht Parallelen zwischen der Co-
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rona-Pandemie und dem Weltuntergang. Es sei nicht unwahrscheinlich, dass der Mensch aufgrund einer Pandemie ganz von der Bildfläche der Erde verschwinden könnte. Heitere Aussichten. Die wiedereröffnete Sonderausstellung «Weltuntergang – Ende ohne Ende» kümmert sich aber auch um fröhlichere Aspekte: Denn der Untergang beflügelt die Fantasie und ist in Prophezeiungen, in den Religionen und den Medien omnipräsent. Weltuntergangsfilme treffen in Bern auf eine Ton-Montage aus Endzeittexten, das Jüngste Gericht auf die Johannes-Apokalypse. Auch wird hier – so ein Unterthema – «das fröhliche Leben» gefeiert, und zwar mit der These: Die ständige Bedrohung sorgt nicht nur für Ängste, sie befördert auch Trotz, Verdrängung und Kreativität. Die NASA lanciert bereits Architekturwettbewerbe für Mars-Habitate. Die Aussicht auf die Apokalypse generiert Ideen wie Luxusbunker und andere praktische Utensilien, die sich (vor allem in den USA) die Prepper*innen – diese Spezies selbsternannter Endzeitflüchtlinge – gerne kaufen. DIF
Thun «Johannes Itten & Thun. Natur im Mittelpunkt», Ausstellung, 8. August bis 22. November, Di bis So 10 bis 17 Uhr, Mi bis 19 Uhr, Kunstmuseum Thun, Thunerhof, Hofstettenstr. 14. www.kunstmuseumthun.ch Was hat der Thunersee mit Bauhaus zu tun? Nun, der Schweizer Künstler Johannes Itten war eine der zentralen Figuren an Walter Gropius’ Weimarer Bauhaus und von der hiesigen Landschaftserfahrung geprägt. Aus ihr entwickelte er seinen Kunstbegriff weiter – bis hinein in die Abstraktion. «Entmaterialisation» nannte Itten das Bestreben, die subjektiv erlebte Natur in eine Kunstform zu bringen, die von objektiven Gesetzmässigkeiten bestimmt wird. Die Darstellung der Natur konnte so zur kontemplativen Baumstudie oder
aber ganz zur Abstraktion werden. Auch mittels ostasiatischer Kalligrafie und Tuschemalerei schuf Itten Landschafts-, Pflanzen- und figürliche Darstellungen in unterschiedlichen Abstraktionsstufen. Die Ausstellung in Thun hat ein Begleitprogramm mit Wanderungen, Tanz-Performances, Yoga und Atmungsübungen. Das hört sich fast nach Kunstunterricht der Zwanzigerjahre an. DIF
St. Gallen «another long evening», Ausstellungsprojekt des Kunstvereins St. Gallen, bis Mo, 31. August. another-long-evening.ch Kunstschaffende zeigen mitten in der Stadt Kunstwerke, die kürzlich – nämlich zu Zeiten des Corona-Lockdowns – entstanden sind. In den Schaufenstern der Altstadtgassen und der umliegenden Stras sen werden Skulpturen, Gemälde, fotografische und Videoarbeiten gezeigt. Gemeinsam Kunst zu erleben, ist gegenwärtig nur bedingt möglich, kulturelle Anlässe sind eingeschränkter und rarer als gewohnt. Die Zukunft ist kurzatmiger, das Schaffen einsamer geworden, aber reflektierend ist es geblieben. Die Absicht des Kunstvereins St. Gallen ist es, den Arbeiten, die in der Abkapselung entstanden sind, wieder eine Öffentlichkeit zu geben. Die Kunstwerke stehen für die unmittelbare Beschäftigung mit wiedergewonnener Freiheit und Zeit, aber auch für eine kritische Auseinandersetzung mit neuen Wirklichkeiten. DIF
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