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Strassenmagazin Nr. 532 26. Aug. bis 8. Sept . 2022 Bitte kaufen Sie nur bei Verkäufer*innen mit offiziellem Verkaufspass davon gehen CHF 3.–an die Verkäufer*innenCHFMenschen6.– pro Jahr begehen in derSuizidSchweiz Weitere 30 000 versuchen sich das Leben zu nehmen. Seite 8

NEUENUNDERLEBENSTADTRUNDGÄNGESOZIALESIEBASEL,BERNZÜRICHAUSEINERPERSPEKTIVE. Menschen, die Armut, Ausgrenzung und Obdachlosigkeit aus eigener Erfahrung kennen, zeigen ihre Stadt aus ihrer Perspektive und erzählen aus ihrem Leben. Authentisch, direkt und nah. Buchen Sie noch heute einen Sozialen Stadtrundgang in Basel, Bern oder Zürich. Infos und Terminreservation: www.surprise.ngo/stadtrundgang NEUE TOUR IN BASEL

Surprise 532/22 3 4 Aufgelesen 5 Vor Gericht Blöd gelaufen! 6 Verkäufer*innenkolumne ErrungenschaftRiesige 7 Die Sozialzahl SozialstaatfürBetreibungsferiendenSteuer-und 8 Suizid Wer zurückbleibt 11 Interview mit Jörg Weisshaupt 12 Rohstoffe Wem gehört das Lithium? 18 Erhebungen Wie zählen?Obdachlose 22 Umwelt Ölförderung in Syrien 24 Kunst «Es muss nicht mehr nach Herkunft gelabelt werden» 26 Veranstaltungen 27 Tour de Suisse Pörtner Ostermundigenin 28 PositiveSurPlus Firmen 29 Wir alle sind Surprise SurpriseImpressumabonnieren 30 Surprise-Porträt «Es ist fast wie im Paradies»

KLAUS PETRUS Redaktor

TITELBILD: GMBHBODARA

Editorial Darf man das? Seit es Menschen gibt, nehmen sich man che von ihnen das Leben. Mythologien und Religionen thematisieren den Suizid, bisweilen wird er verherrlicht, meistens aber verurteilt – vor allem von den Kirchen: Wer ist dieser Mensch, dass er sich erlaubt, etwas wegzuwerfen, das Gott ihm geschenkt hat? Tatsächlich haben bis heute Länder die niedrigste Suizidrate, in denen der «Selbstmord» für einen über wiegenden Teil der Bevölkerung als Tod sünde gilt. Was die Forschung auch zeigt: In kaum einer anderen Kultur ist der Suizid so verbreitet wie in der mitteleuropäischen. Entsprechend umfangreich sind die wissenschaftlichen wie künstlerischen Ausei nandersetzungen mit dem Thema: Es gibt Statistiken, Abhandlungen, Manifeste, Bilderzyklen und literarische Bestseller wie Goethes Roman über den unglücklich verliebten Werther. Für Gertrud Z. wurde der Suizid zur bitte ren Realität. Ihre Enkelin hat sich das Leben genommen, das warf sie für lange Zeit aus der Bahn, ab Seite 8. Im Gespräch sagte sie zu mir, sie sei oft wütend ge wesen auf ihre Enkelin – nicht nur, weil sie sich so etwas Kostbares wie das Leben nahm, sondern auch, weil sie ihrer Gross mutter dadurch so viel Kummer bereitete. «Oder ist das egoistisch?», fügte sie an. Mir ging die Frage lange nicht aus dem Kopf: Ja, jeder Mensch hat die Freiheit und das Recht, selbst zu bestimmen, wann dieses Leben nicht mehr erträglich oder sinnvoll ist, wann also Schluss ist. Auf der anderen Seite würden wir doch auch sagen: Jede Freiheit hat ihre Grenzen, und wo es Rechte gibt, gibt es auch Pflichten. Haben die, die sich für den Suizid entscheiden, eine Verant wortung gegenüber jenen, die zu rückbleiben? Und wie weit reicht diese Verantwortung – zählt sie mehr als alle Verzweiflung, wenn diese stärker ist als der Wille zu leben?

BILD(1,2,3): SYNDICATEPOSTERFRANCISCOSANTHEANDPROJECTADVOCACYREGIONALWESTERNTHEOFCOURTESY

Auf g Newselesenausden 100 Strassenzeitungen und -magazinen in 35 Ländern, die zum internationalen INSP gehören.

Netzwerk der Strassenzeitungen

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Kampagne gegen die Kriminalisierung von Obdachlosen

In den Vereinigten Staaten werden auf Geheiss von Städten und ganzer Bundesstaaten immer mehr Obdachlose von der Strasse oder aus Pärken vertrieben. So wurde in Tennessee ein neues Gesetz verabschiedet, welches das Übernachten auf öffentlichem Grund mit bis zu sechs Jahren Gefängnis bestraft. Das Western Regional Advocacy Project (WRAP) will nun mit einer Plakatserie im Rahmen einer landesweiten Kampagne gegen diese Kriminalisierung von Obdachlosen vorgehen. In den letzten vierzig Jahren sind in den USA zehn Millionen Menschen obdachlos geworden; einer der Hauptgründe besteht darin, dass die Bundesregierung den Wohnungsmarkt weitgehend privatisiert und nicht genug in den Sozialen Wohnungs bau investiert hat.

Anders als im Strafbefehl beschrieben sei von Sex nie die Rede gewesen und von Geld schon gar nicht, so der Mann. Sie hät ten sich dann in einen Hinterhof verdrückt, zum Küssen, wie er gehofft habe. Und –zack! – zückt die Frau stattdessen ihren Ausweis: Polizei.

Günstiger fahren Die plädiertWohnungslosenhilfeBundesarbeitsgemeinschaft(BAGW)füreineFortsetzungdes 9Euro-Tickets, das die Deutsche Bundesbahn dieses Jahr erstmals für eine befristete Zeit einführte. Fahrkarten zu Normalpreisen seien für armutsbetroffene und woh nungslose Menschen oft uner schwinglich, so die BAG W. Deswe gen müssten sich viele dem Risiko des Fahrens ohne Ticket aus setzen. GRAZ HINZ & KUNZT, HAMBURG BODO, BOCHUM/DORTMUND

Der Richter erklärt ihm in aller Ruhe den Ablauf des Verfahrens. Dass er zuerst zu seiner Person befragt werden wird, dann zur vorliegenden Sache: Ein Strafbefehl des Stadtrichteramts wegen fahrlässiger Zuwiderhandlung gegen die Prostitutionsgewerbeverordnung der Stadt Zürich (PGVO). 200 Franken Busse soll er bezah len, plus eine Kosten- und Gebührenpau schale von 450 Franken, weil er «in Kenntnis der geltenden Strassenstrichzonen einer Prostituierten Geld für sexuelle Dienstleis tungen anbot und sie in einen Hinterhof begleitete» – wo Strassenprostitution nicht zugelassen ist. Dagegen hat der Beschul digte Rekurs eingelegt, weshalb es zur heu tigen Hauptverhandlung komme.

MEGAPHON,

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Vor Gericht Blöd gelaufen!

Noch bevor der zuständige Einzelrichter so recht zu Wort gekommen ist, verkündet der Beschuldigte mit dickem Ostschweizer Akzent: Er habe schon auf dem Stadtrich teramt alles gesagt. Er werde keine weite ren Fragen beantworten. Es sei alles in den Akten. Ganz allein steht er da, auf den Bei zug eines Anwalts verzichtet er.

Den Strafbefehl handelte sich der Be schuldigte im April letzten Jahres ein, an einem Sonntag im Zürcher Ausgeh- und Rotlichtquartier. Ein Bier habe er dort ge trunken, auf der Strasse, dabei eine junge Frau kennengelernt. Man redete übers Rei sen, so der Mann, und flirtete.

All das erzählt er der Gerichtsreporterin, während sie vor dem Gerichtssaal auf die Urteilseröffnung warten. Vor Gericht hat er tatsächlich nur noch wenig gesagt. Auf die Frage des Richters, ob er sich unschul dig fühle: «Natürlich.» Er akzeptiere nur einen Freispruch, sonst werde er sogleich weiterziehen.Ausserdem will er mit mindestens 1000 Franken für seine Umtriebe entschädigt werden. Zwei Mal habe er aus dem Kanton St. Gallen nach Zürich fahren müssen, für die Einvernahme beim Stadtrichteramt und für die heutige Hauptverhandlung. Zudem verlangt er Ersatz von vier verpass ten Arbeitsstunden. Und dann die ganze Schreiberei! Die Briefe und Eingaben ans Gericht, fünf Stück, jedes Mal der Weg zur Post, die Einschreibegebühren. Das macht alles zusammen 25 Stunden à 40 Franken plusDerKilometerentschädigung.Einzelrichterbestätigt den Straf befehl des Stadtrichteramts. Der Sachver halt sei aufgrund der Aussagen der Zivil polizistin erwiesen. Sie sagt, er habe Blickkontakt aufgenommen, ihr zugenickt, sie habe ihn angelächelt, er habe sie ange sprochen. Was er denn wolle, habe sie ihn gefragt. Was denn die Preise seien, habe sich der Beschuldigte erkundigt. Es sei dem Mann klar gewesen, was Sache ist, so der Richter.Mitdem Schuldspruch kommen wei tere 400 Franken Gerichtskosten hinzu. Blöd gelaufen für den Beschuldigten, sagt der Richter noch und empfiehlt, sich vor der nächsten Instanz anwaltlich vertreten zu lassen.

ILLUSTRATION: WENGERPRISKA

YVONNE KUNZ ist Gerichtsreporterin in Zürich. Häusliche Gewalt 80 000 Jugendliche sterben in La teinamerika jedes Jahr an den Folgen häuslicher Gewalt. Laut Statistik der Vereinten Nationen liegen 43 der 50 gefährlichsten Städte der Welt in Lateinamerika. Der Alltag der Menschen ist von Gewalt geprägt, auch in der Erziehung der Kinder ist sie weit verbreitet. Organisationen aus der Zivilgesell schaft versuchen Kindesmisshandlung zu verhindern, indem sie Aufklärungsarbeit in den Fami lien betreiben, Anlaufstellen für Betroffene einrichten und von der Regierung entsprechende Gesetze einfordern. Grosse Armut Jede sechste Person in Deutschland ist von Armut betroffen, so der jüngste Bericht des denGruppen:vorvor600nenjahren.vergangenennie2021.WohlfahrtsverbandesParitätischenüberdasJahrDieArmutsquoteseinochsorasantgestiegenwieindenzweiPandemie-Bundesweitsind13,8Millio-Menschenarmutsbetroffen,000PersonenmehralsnochCorona.DieArmutwächstallemunterfolgendenzweidenRentner*innensowieSelbständigen.

Es begann am Anfang des 19. Jahrhun derts in England mit der Eisenbahn. Im Jahre 1847 wurde die erste Eisenbahnlinie der Schweiz eröffnet von Zürich nach Baden, wenig später folgten weitere Strecken, damals noch mit Dampf und Kohle. Im Jahre 1879 präsentierte die Firma Siemens die erste Elektrolokomotive. Kaum gab es elektrische Lokomoti ven, da wurden die ersten Linien schon Imelektrifiziert.Jahre1902 wurden in der Schweiz die meisten der verschiedenen Eisenbahnge sellschaften zur SBB zusammengelegt, es gab und gibt aber auch Privatbahnen. Weil die Schweiz keine Kohleproduktion hatte, lief hier die Elektrifizierung schnel ler als anderswo. Während der Weltkriege 1914–1918 und 1939–1945 wurde Kohle extrem teuer. 1946 kam die Re 4/4 I, die erste Elektrolokomotive, die man auch hinten anhängen konnte. Es wurden auch bald diverse technische Neuerun gen 1960nötig.waren alle Eisenbahnlinien der Schweiz elektrisch, Oberglatt–Niederwe nigen und Cadenazzo–Luino erhielten als letzte eine Oberleitung. Die Strecken Nyon–Divonne, Baden–Bülach und Etzwilen–Singen stellten Ausnahmen der Elektrifizierungen dar, weil hier teilweise eine Überschreitung der Grenze involviert war.

Verkäufer*innenkolumne Riesige Errungenschaft

Die Schweiz hat eines der dichtesten Eisenbahnnetze der Welt. 1435 Millimeter ist die normale Spur. Sie gibt es auch weltweit am häufigsten. Das ist die Vor aussetzung dafür, dass man von Neapel bis Dänemark durchfahren kann. Die Spurweiten haben kulturelle und wirt schaftliche Gründe, Schmalspurbahnen fahren leichter um Kurven, breite Spuren sorgen für mehr Personenkapazität in den Zügen. Auch andere Bahnen in der Schweiz ausser den SBB haben viel Meterspur, so die Rhätische Bahn, Chemin de fer du Jura, Aargau Verkehr, Zentralbahn, Mon treux–Berner Oberland-Bahn, Centoval li-Bahn, die ehemalige Chemin de fer Bière–Apple–Morges und die Jungfrau bahn mit dem höchstgelegenen Bahnhof Europas. Seit 2016 hat die Schweiz mit dem Gotthard-Basistunnel auch den längsten Eisenbahntunnel der Welt. Lei der werden mehrere wertvolle Bahn strecken wie Beinwil–Beromünster, Kob lenz–Laufenburg, Huttwil–Sumiswald, Solothurn–Lyss und Bellinzona–Mesocco heute nur noch auf Teilstrecken befahren oder für den Güterverkehr genutzt.

MICHAEL HOFER, 42, verkauft seit 2006 Surprise in Zürich Oerlikon und Luzern. Er besitzt etliche Bücher zur Geschichte der Eisenbahn und ist per Bahn durch Slowenien, Ungarn, Tschechien gefahren, in Italien vor allem durch Ventimiglia und Savona und von Deutschland bis ans DieMittelmeer.Textefür diese Kolumne werden in Workshops unter der Leitung von Surprise und Stephan Pörtner erarbeitet. Die Illu stration zur Kolumne entsteht in Zusammen arbeit mit der Hochschule Luzern – Design & Kunst, Studienrichtung Illustration.

6 Surprise 532/22 ILLUSTRATION: DEMIERREJULIA

Kurz: Das Schweizer Bahnnetz ist eine riesige Errungenschaft, in dem viel Wissen und Können steckt. Die Forderung der SP, Direktverbindungen und Nacht züge von der Schweiz aus nach ganz Europa auszubauen, unterstütze ich so fort. Ich habe die Idee eines Nachtzugs von der Schweiz nach London sogar vor her schon öffentlich thematisiert.

Trotzdem lösen sich auch verschuldete Personen von der Sozialhilfe ab, weil sie eine neue Anstellung gefunden haben, die ihnen ein existenzsicherndes Einkommen gewährt.

Die

Drei von fünf Personen, die Sozialhilfe beantragen, haben Schulden. Bei jenen, die nicht das erste Mal beim Sozialamt Unterstützung suchen, sind es sogar 68 Prozent. Schaut man sich das Profil der Personen an, die mit Schulden Hilfe beim Sozialdienst suchen, zeigt sich, dass Männer häufiger als Frauen verschuldet sind, Personen aus der Deutschschweiz öfter als jene aus der lateinischen Schweiz und er werbslose Arme häufiger als Working Poor. Die meisten Personen haben Schulden beim Steueramt und bei der Krankenversicherung: offene Steuerrechnungen (53 Pro zent) oder nicht bezahlte Prämien oder Arztrechnungen bei der Krankenkasse (40 Prozent). Der Steuer- und Sozialstaat ist also mit Abstand der bedeutsamste Gläubiger armutsbetroffe ner Schulden,Haushalte.sosollte man meinen, seien also ein wichtiges Thema in der persönlichen Beratung auf den Sozialdiensten. Eine Studie zeigt aber, dass dies selten der Fall ist. Die Sozialarbei tenden haben wenig in der Hand, um armutsbetroffenen und verschuldeten Menschen zu helfen. Der Weg aus Armut und Verschuldung ist vielen verbaut, weil keine Mittel vor handen sind, die zu einem – wenngleich minimalen – Abbau von Schulden herangezogen werden könnten. Es fehlt ein Restschuldbefreiungsverfahren, wie es die umliegenden Länder längst kennen.

Sozialzahl SozialstaatfürBetreibungsferiendenSteuer-und

Aber aufgepasst: Auch wer wieder auf eigenen Beinen steht, kann erneut betrieben werden. Dabei gibt es bei den wich tigsten Gläubigern markante Unterschiede. Die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe SKOS empfiehlt ihren Mitgliedern, zumindest für eine gewisse Zeit auf die Rückerstattung der Sozialhilfe zu verzichten. Anders der Steuerstaat und die Kran kenkassen. Sie schicken die Betreibungsbeamt*innen sofort los, um die ausstehenden Schulden einzutreiben. Dass sie damit eine erfolgreiche Ablösung von der Sozialhilfe gefährden, scheint sie nicht zu bekümmern. Doch was denkt sich wohl ein Betrieb, wenn noch in der Probezeit eine Lohnpfändung ins Haus flattert? In der erwähnten Studie werden darum «Betreibungsferien» nach der Ablösung von der Sozialhilfe gefordert. Diese Art Ferien sind nichts Neues. Artikel 56 des Schuldbetreibungsund Konkursgesetzes SCHKG sieht vor, dass in der Schweiz sie ben Tage vor und nach Ostern, während der Weihnachtszeit sowie jährlich vom 15. bis 31. Juli keine Betreibungen vorge nommen werden dürfen. Grosszügig angewendet wurde diese Regelung auch während der Corona-Pandemie. So wäre es auch eine hilfreiche Lösung, jenen Personen und Haushalten, die sich erfolgreich von der Sozialhilfe lösen konnten, Betrei bungsferien von einem Jahr zu gewähren; somit hätten sie nach der Bewältigung der Sozialhilfebedürftigkeit ausreichend Zeit, um eine Lösung mit den Gläubigern zu finden, also ins besondere mit dem Steuer- und Sozialstaat.

Anteil verschuldeter Personen an allen denjenigen, die einen Antrag auf Sozialhilfe stellen.

PROF. DR. CARLO KNÖPFEL ist Dozent am Institut Sozialplanung, Organisationaler Wandel und Stadtentwicklung der Hochschule für Soziale Arbeit der Fachhochschule Nordwestschweiz.

Surprise 532/22 7 Gesamt 18-25-Jährige 26-35-Jährige 36-45-Jährige 46-54-Jährige 55-64-Jährige erwerbstätig erwerbslos erwerbstätignicht Frauen Männer Deutschschweiz Westschweiz Tessin AntragErstmaliger AntragWiederholter 60.3 % 43.1 % 62.8 % 70.1 % 64.1 % 64.1 % 55.6 % 63.2 % 64.5 % 56.4 % 63.5 % 63.4 % 56.7 % 48.2 % 51.9 % 68.2 % INFOGRAFIK: BODARA; QUELLE: UREZZACAVIEZEL,VALENTIN;SCHNORRCARLO;KNÖPFEL,CHRISTOPH;MATTES, (2022) SOZIALHILFEDERIN: ERSCHEINEN.IMNATIONALFONDS.SCHWEIZERISCHENDESAUFTRAGIMSTUDIESCHULDEN.UNDSOZIALHILFEARMUT,BEIHILFEPROZESSE–VERFANGEN

8 Surprise 532/22 135 Menschen sind weltweit im Schnitt im Umfeld von einem Suizid betro en.

Suizid Wer freiwillig aus dem Leben geht, leidet meist an Depressionen.

Für viele Hinterbliebene ist die Entscheidung für den Tod trotzdem schwer zu akzeptieren.

TEXT KLAUS PETRUS 800 000 2190 91 Personen pro Jahr sich das Leben zu nehmen. pro Tag pro WeltweitStundeversuchen rund QUELLEN: TUCH,A.C.,PETER,2018;WHO (2019) NEUCHÂTEL.7/2019),BULLETIN(OBSANBEVÖLKERUNGSCHWEIZERDERINSUIZIDVERSUCHEUNDSUIZIDGEDANKEN:

Surprise 532/22 9 Woher sie nur wusste, wie man das macht, fragt sich Ger trud Z.* immer wieder. Sich das Leben nehmen. Und dann so, auf diese Weise: langsam und ganz bei Sinnen. Viel leicht wusste sie es aus dem Internet, hatte die Polizei gemutmasst. Gertrud Z. schüttelt den Kopf, als wolle sie sagen: «Wie kann man nur.» Doch sie sagt es nicht. Sie sagt stattdessen: «Hoffentlich hat sie es jetzt besser.» Sie, das ist Maria G.*, seit mehr drei Jahren tot. Am 13. Mai 2019 fand ihre Mutter Rita G.*, 46, geschieden und Lehrerin von Beruf, die 19-Jährige gegen 21 Uhr leblos in ihrem Einfamilienhaus am Rand einer Schweizer Gross stadt. Gertrud Z. erfuhr erst eine Stunde später davon, da war sie bei einer Freundin zum Abendessen, sie redeten über die kommende Abstimmung zur AHV-Reform. «Meine Tochter Rita rief mich an, sagte fast resolut: ‹Ma ria hat sich umgebracht!›, dann legte sie einfach auf und ich redete weiter, eine Minute lang, vielleicht auch zwei, ich weiss noch, wie ich ins Handy schrie: ‹Was hat die sich bloss dabei gedacht!›» Schon damals setzten sich die Bilder in Gertrud Z.s Kopf fest: Maria mit ihren schwarzen Locken, der spitzen Nase, den dunkelrot lackierten Fingernägeln, dem Jupe mit den bunten Mustern darauf, den braunen, abgewetz ten Lederschuhen mit Löchern hinten am Absatz, und wie man sie fand, wie sie dalag, jedes Detail stand in diesem Polizeibericht, den Gertrud Z. unbedingt lesen wollte. Tu es nicht, hatte ihre Tochter damals zu ihr gesagt. «Viel leicht hatte sie ja recht, es war grauenhaft», sagt die 78-jährige grossgewachsene, elegante Frau. «Ich wünschte, mein Kopf wäre leer.» Maria sei ein Mädchen gewesen wie andere auch, sagt Gertrud Z., aufgeweckt, mit Flausen im Kopf, manchmal ein bisschen vorlaut, aber nie frech. Als die Eltern sich scheiden liessen («Meine Tochter Rita hatte ständig Af fären»), war Maria neun Jahre alt und weinte viel. Zu ih rem Vater hatte sie danach kaum noch Kontakt, die Mut ter war häufig am Arbeiten, also war sie oft bei ihrer Grossmutter. «Als Maria fünfzehn wurde, machten wir unsere erste Städtereise, und dann jedes Jahr: München, Paris, Berlin, Prag. Wir verbrachten viel Zeit miteinander, redeten über alles, wir hatten auch Geheimnisse vor den anderen. Dass es ihr so schlecht geht, dass sie nicht wei terwusste – das hätte ich nie gedacht. Niemand hätte das gedacht. Erfahren haben wir es, als es zu spät war.» Das war vor einem Jahr, als Rita G. darauf drang, end lich die Sachen von Maria wegzuräumen. Damals ver brachte Gertrud Z. viele Stunden im Zimmer ihrer ver storbenen Enkelin, noch immer fiel ihr der Abschied schwer. So habe sie diese losen Blätter gefunden, rand vollgeschrieben in kleiner Schrift, etwa zehn an der Zahl, sie waren in ein Schulheft gelegt. Beim ersten Durchlesen sei ihr schwindelig geworden, sie habe sich erbrechen müssen; später brach Gertrud Z. zusammen. «Bei jedem Satz dachte ich, das kann nicht wahr sein, vielleicht wollte Maria ja bloss eine Erzählung schreiben, ein fiktives Ta gebuch. Ich habe mir das lange eingeredet.» «12.10.2018. Habe mit Hannah* (Freundin von Maria, Red.) über Freitod geredet. Stritten über das Wort. Sie meint, nur Kranke bringen sich um und die können halt nicht anders, also nichts von ‹frei›. Ich hielt dagegen: Jeder weiss selbst, wann genug ist. Ich jedenfalls werde es wis sen. Und mich dann entscheiden – dafür oder dagegen?» Maria und sie hätten oft über den Tod geredet, erzählt Gertrud Z. Etwa darüber, wie es ihr erging, als ihr Mann Erich schon mit Ende fünfzig an Krebs starb, ob ein Leben danach noch möglich sei, und wieso wir überhaupt derart am Leben festhalten, auch wenn es keinen Sinn mehr macht. Im Rückblick glaubt sich Gertrud Z. daran zu er innern, dass Maria einmal sagte, alle, die lebensmüde seien, hätten das Recht, dem Leben ein Ende zu setzen; sie jedenfalls würde das so machen. Überhaupt fielen ihr danach immer wieder Sätze und Szenen ein, die ein Zei chen hätten sein können – oder sein müssen, wie Gertrud Das Leben danach

Personen aktuell Suizidgedanken. versucht, das Leben letzten Jahr einen Suizidversuch

gemacht. Mehr als

Z. heute sagt: Marias abwesende Blicke bei Feierlichkeiten zum Beispiel, die zittrigen Hände beim Umblättern eines Magazins, der Schweiss auf der Stirn, ihr salopper Um gang mit Jungs, das stundenlange Kritzeln in einem Heft, das übertrieben kindliche Verhalten der Mutter gegenüber, die Weinkrämpfe aus heiterem Himmel, wie an der letzten Weihnacht. «Ich will leise gehen» «23.12.2018. Versuche alles zu verstecken, mich zu verste cken. Geht ganz gut. Meine Mutter interessiert sich nur für sich, die Oma ist alt. Meine Freunde haben andere Sorgen, ich mache den Clown. Oder lasse mich nicht bli cken. (...) Cécille* hat mich verlassen, jetzt habe ich nie manden mehr. Ich sehe nur noch schwarz, bin die ganze Zeit traurig, kann nicht schlafen, es dreht und dreht und dreht. (...) Die Pillen gehen mir aus. Am Ende wird alles ein Ende haben. Ein schnelles, leises Ende.» Fassungslos und wütend haben «Marias Zettel», wie sie in der Familie heissen, Gertrud Z. gemacht, vor allem aber wollte sie verstehen. «Ich habe alles über Suizide gelesen, über Motive und Arten und Anleitungen, habe Stunden im Internet auf Foren von Hinterbliebenen ver bracht, ich war wie besessen.» Eine Antwort auf Marias Tod war all das freilich nicht. Wieder und wieder las Ger trud Z. die Zettel, suchte nach Indizien, Andeutungen und Gründen. Heute ist sie überzeugt, dass ihre Enkelin an Depressionen litt und deswegen Schlafmittel nahm, dass sie unglücklich in eine Frau verliebt war und vielleicht von einem Jungen sexuell misshandelt wurde. «4.2.2019. Cécille spielt mit mir wie eine Katze mit der Maus. Ich verdiene das nicht. Aber gut, besser als wenn dich einer beschmutzt. (...) Ich fühle mich an wie ein Nichts. Kann sich das einer vorstellen? Du bist unsichtbar, bist gar nicht da, keiner sieht dich. Es spielt keine Rolle, ob es dich gibt. So ist das: ein Nichts zu sein.» Wie das eine mit dem anderen zusammenhing oder ob da noch etwas ganz anderes war, weiss Gertrud Z. nicht zu sagen. Vermutlich wird sie es nie wissen. Der Tochter wurde das Grübeln von Gertrud Z. zu viel. Seit Marias Tod reden sie kaum noch miteinander, Schuldzuweisungen und Scham vergifteten ihre ohnehin schwierige Bezie hung. Marias Vater wollte eine Kopie der Zettel, Tage spä ter schrieb er Gertrud Z. eine SMS mit dem Satz: «Es ist, als hätte jemand anders das geschrieben, nicht unsere Maria.»«22.1.2019. Niemand darf etwas erfahren. Sie würden mir zureden, auf mich einreden, mir Vorwürfe machen und mich abhalten wollen. Sie würden mich verurteilen, ohne zu verstehen. Dafür habe ich keine Kraft mehr. Ich will leise gehen, einfach so.» «Vermutlich habe ich alle Phasen der Trauer durchlebt, wie sie in einem Lehrbuch stehen: Wut, Verzweiflung, Scham, dann die Angstzustände, die Momente des Ab schieds, der Versuch, sich erneut zurechtzufinden in die sem Leben», sagt Gertrud Z. Inzwischen trifft sie sich wie der mit Freundinnen, sie liest viel, geht wandern, ordnet ihre Erinnerungen, sortiert das Gelebte, wie sie sagt. «Nach Erich war mir Maria das Liebste im Leben. Nun sind beide nicht mehr da. Da bleibt nicht mehr viel. Aber für mich muss es reichen, es geht noch ein Weilchen wei ter.» Ihre Psychologin – Gertrud Z. ist seit einem Jahr in Therapie – sage immer, bei einschneidenden Erlebnissen gebe es ein Leben davor und ein Leben danach. «Doch was ist dazwischen?», fragt Gertrud Z. «Und was ist dieses Dazwischen und wie lange dauert es? Hört es jemals auf?»

zu nehmen. haben im

* Name geändert

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Wir haben uns in diesem Beitrag an den Leitfaden der medialen Berichterstattung über Suizid gehalten und die Namen der Betroffenen geändert sowie weder Methode, Hilfsmittel noch den genauen Ort erwähnt. Auch haben wir darauf verzichtet, Fotografien von Marias Gegenständen oder ihren Zetteln zu zeigen. Die Auszüge aus «Marias Zetteln» wurden mit den Angehörigen abgesprochen und der gesamte Beitrag mit Gertrud Z. durchgegangen. Hilfestellung für Betroffene bietet u.a. die Dargebotene Hand: Telefon 143, oder Pro Juventute: Telefon 147; für Eltern und Familienangehörige Pro Juventute: 058 261 61 61, oder der Verein Trauernetz: www.trauernetz.ch.

Manchmal hat Gertrud Z. Tage, da macht sie sich keine Vorwürfe mehr, spielt in ihrem Kopf nicht mehr alle Sze nen durch, in denen sie etwas anderes hätte sagen oder tun sollen – als wäre Maria dann noch am Leben. An an deren Tagen nagt dieses Gefühl an ihr, sie hätte alles ver hindern können. Dann wünscht sie sich, ihre Enkelin hätte es aus einem Affekt getan – und nicht von langer Hand geplant. Doch Gertrud Z. weiss, dem ist nicht so.

in der Schweiz haben

500 000 20 0000 33 000

Personen in der Schweiz haben mindestens einmal

sich

Wenn sie mit Menschen reden können, die ähnliches erlebt ha ben. Sie machen oft die Erfahrung, dass ihr Umfeld dem Thema ausweicht oder nicht wenige schon nach kurzer Zeit vergessen, was ihnen widerfahren ist. Dadurch bekommen sie das Gefühl, sie müssten nach wenigen Wochen oder Monaten bereits wieder genauso funktionieren wie davor. Doch das können die wenigs ten. Einer Studie zufolge weisen «survivors», die alleingelassen werden, eine dreissigfach erhöhte Suizidalität auf als die restliche Bevölkerung. Deswegen ist nicht bloss die Suizidprävention so wichtig, sondern auch die Nachsorge für Hinterbliebene. Wir wissen heute, dass Hinterbliebene, auf die man unmittelbar nach einem Suizid proaktiv zugeht, bereits nach einem Monat Hilfe in Anspruch neben, sei es von Seelsorger*innen, Therapeut*innen oder in Selbsthilfegruppen. Andernfalls dauert das bis vierein halb Jahre. In dieser Zeit kann vieles passieren, was diese Men schen in ihrem Leben beeinträchtigt oder gar gefährdet.

In unserer Gesellschaft ist der Suizid ein No-Go. Das mag viel leicht noch mit der Kirche zu tun haben, welche die Selbsttötung lange Zeit als «Mord» verurteilt hat. Und das, obschon in der Bi bel selbst weder der Suizid noch die Person, die sich dafür ent scheidet, moralisch bewertet werden. Tatsache ist, beim Thema Suizid sind wir schnell beim Werten. Die einen sind der Meinung, suizidierte Menschen seien feige, weil sie ihr Leben nicht im Griff gehabt oder weil sie ihre Familie im Stich gelassen haben. Andere finden, sie selbst würden niemals den Mut haben, irgendwo run terzuspringen oder sich vor einen Zug zu werfen. Doch weder eine Verurteilung noch die Heroisierung ist hilfreich im Umgang mit Suiziden. Welche Rolle spielt die Verantwortung einer suizidalen Person gegenüber den Mitmenschen? Eine grosse, finde ich. Wir alle leben in einem Netz von Bezie hungen, was uns gerade jetzt, in Zeiten von Corona, wieder so richtig bewusst wird. Und das bedeutet eben auch, dass wir in vielen Fällen nicht einfach frei sind, rein egoistisch zu entschei den. Wir tragen eine Verantwortung gegenüber den Menschen, mit denen wir Beziehungen pflegen. Auch dann, wenn eine Per son sich entscheidet, ihrem Leben ein Ende zu setzen. Die Welt gesundheitsorganisation WHO hat vor nicht allzu langer Zeit eine Zahl veröffentlicht, die auch mich erstaunt hat: Pro Suizid gibt es im Schnitt 135 Menschen, die davon betroffen sind. Dazu ge hören fünf bis zehn Familienangehörige, aber auch Menschen aus dem näheren Umfeld, Mitschüler*innen, Arbeitskolleg*innen, Bekannte aus den Sozialen Medien – oder die Lokführerin sowie das Reinigungspersonal, falls sich eine Person vor den Zug ge worfen hat. In Berichten von Hinterbliebenen ist immer wieder von einem Schock die Rede, die ein Suizid bei ihnen ausgelöst hat. Es ist das Unfassbare, das kaum zu ertragen ist. Ist dies typisch für den Trauerprozess nach einem Suizid? Ja, der Schock sowie die «Warum»-Frage und Schuldgefühle ge hören zu den ersten Reaktionen. Tatsächlich verunmöglicht ein Suizid den Hinterbliebenen – in der amerikanischen Forschung werden sie «survivors», Überlebende, genannt –, Abschied zu nehmen, Antworten auf Fragen zu bekommen oder um Verzei hung zu bitten.

Jörg Weisshaupt, 65, arbeitete 30 Jahre als Jugendbeauftragter der reformierten Kirche Zürich, er ist Geschäftsführer des Vereins «trauernetz» und begleitet Selbsthilfegruppen in Bern, Zürich und St.Gallen. trauernetz.ch

Auf der anderen Seite leben wir in einer Gesellschaft, die psychi sche Krankheiten noch immer weniger ernst nimmt als körper liche Leiden. Kommt hinzu, dass viele, die einen Suizid begehen wollen, dies zu verbergen versuchen. Sie möchten ihr Umfeld nicht zusätzlich belasten oder sich von ihrem Vorhaben abhalten lassen. Grundsätzlich gefragt: Warum sollte man eine Person davon abhalten, sich das Leben zu nehmen? Ist das nicht ihr freier Entscheid?

FOTO: ZVG

Herr Weisshaupt, in der Schweiz nehmen sich mehr Männer das Leben als Frauen. Warum? Die Gründe dafür sind wissenschaftlich nicht erhärtet, aber man weiss, dass mehr Männer mit Waffen vertraut sind; in keinem anderen europäischen Land werden so viele Suizide durch Schusswaffen begangen wie in der Schweiz. Das bedeutet aller dings nicht, dass Frauen hierzulande weniger suizidgefährdet wären. Von 30 000 Menschen, die jährlich einen Suizidversuch begehen, sind 20 000 Frauen. Laut Statistik erfolgen Suizide nur selten aus einem Affekt heraus, sondern sind geplant. Wie lässt sich das erklären? Tatsächlich haben die meisten Suizide eine lange Geschichte. Man geht davon aus, dass in 90 Prozent der Fälle psychische Krankheiten im Spiel sind, 70 Prozent der Betroffenen litten an Depressionen, und das oft jahrelang. Auf der einen Seite kann das eine Chance sein, denn so merkt man oft, dass es einer Per son nicht gut geht, und man kann versuchen, auf sie einzugehen.

Hinterbliebene sollten mit ihren Fragen nicht alleingelassen werden, sagt Jörg Weisshaupt vom Verein Trauernetz.

INTERVIEW KLAUS PETRUS

Surprise 532/22 11 «Suizid ist in unserer Gesellschaft ein No-Go»

Was hilft den Überlebenden am meisten?

12 Surprise 532/22

So gewaltig das Getöse gewesen sein mag, unter dem damals die McDermitt-Caldera entstand, desto stiller ist es heute an ih rem Südzipfel. Hier liegt, eingefräst zwischen zwei rotbraunen Bergketten, der Thacker-Pass. In unzähligen Tupfen überzieht Wüstenbeifuss das Land: silbergrüne Sträucher, die nach Salbei und süssem Senf duften und in denen sich Gabelantilopen, Zwergkaninchen und Schlangen tummeln. «Dieses Land ist tief mit unserer Kultur und Religion verbunden», sagt Daranda Hin key. Die Pauite-Shoshonin ist eine von vielen Indigenen, Natur schützer*innen und Umweltaktivist*innen, die dieses entlegene Paradies vor den Baggerschaufeln bewahren wollen.

Wo heute Nevadas Grenze mit dem US-Staat Oregon im Wüs tenstaub verschwimmt, entlud sich vor rund sechzehn Millionen Jahren ein enormer Druck. Landmassen hoben sich, Magma drängte nach oben, bis die Kruste schliesslich aufplatzte und ein Supervulkan tausend Kubikkilometer Asche und Lava in den Himmel spie. Irgendwann später krachte das aufgetürmte Ge stein in sich zusammen und formte einen vierzig Kilometer lan gen, ovalen Kessel (im Spanischen «Caldera»).

Der gleiche Kampf wie in Chile, Spanien und Serbien Baggerschaufeln deshalb, weil unter den verschlungenen Wur zeln der Sträucher ein Schatz schlummert, der sich nach der Ent stehung der Caldera während Jahrmillionen gebildet hat: das grösste Lithiumvorkommen der USA. Das Leichtmetall ist ein unverzichtbarer Rohstoff für die Batterien von Elektroautos; sein Bedarf wird sich laut Schätzungen der Internationalen Energie agentur (IEA) bis zum Jahr 2040 vervierzigfachen. Auf dem Thacker-Pass will eine Minengesellschaft das «weisse Gold» nun heben.Was hier im Norden Nevadas ausgefochten wird, ist ein Kampf, der stellvertretend für viele weitere steht – in Chile, Spa nien oder auch in Serbien. Überall wirft der Streit dieselben wi dersprüchlichen Fragen auf: Gelingt die Rettung der Welt von morgen nur durch die Zerstörung der alten? Wer zahlt den Preis für unsere grüne Zukunft? Und ist die überhaupt grün? Wer auf dem Thacker-Pass nach Antworten sucht, findet sich auf einem Plateau wieder, von dem aus man die gesamte Wüs tenlandschaft überblicken kann. Im Herbst 2021 brennen hier Tabak und Zedernzweige in den Flammen eines kleinen Feuers, Trommeln und Gesänge schallen hinab ins Tal.

Daranda Hinkey steht umringt von hundert Indigenen und Um weltaktivist*innen in der sengenden Hitze. In einer Hand hält sie ein Mikro, in der anderen ihr Smartphone. «Der Tag brach gerade an, als wir das Indianerlager erblickten», liest Hinkey vom Dis play ab. «Alle schliefen. Wir schnallten unsere Karabiner ab, lo ckerten unsere Revolver und galoppierten ins Lager der Wilden, deren Wickiups wir im Ritt mit unseren Kugeln durchlöcherten.» Es sind die Erinnerungen eines Soldaten, der 1865 dabei ge wesen sein soll, als seine Einheit auf dem Gebirgspass mehrere Dutzend Pauite massakrierte. Nicht Thacker-Pass nennen Hin key und ihre Stammesmitglieder diese Gegend, sondern «Peehee Mu’huh» – verrotteter Mond. So überlieferten es ihre Vorfahren, als sie nach der Jagd ins Lager zurückkehrten und die Einge weide ihrer Frauen, Kinder und Alten im Wüstenbeifuss verstreut fanden. Im Erdreich, da sind sich viele Indigene sicher, lagert nicht nur Lithium. An diesem heiligen Ort sind auch die mal trätierten Knochen ihrer Ahnen vergraben. Und da sollen sie gefälligst bleiben, findet Hinkey. Es käme einer Friedhofsschän dung gleich, ausgerechnet hier einen 120 Meter tiefen Tagebau auszuheben.UmdasProjekt zu verhindern, ist Hinkey zurück ins 60 Ki lometer entfernte Fort-McDermitt-Reservat gezogen. Am Ort ihrer Kindheit hat die geplante Mine die 300 Reservatsbewoh ner*innen gespalten. Denn heilige Stätte hin oder her – die ka nadische Betreiberfirma Lithium Americas verspricht viele Jobs und will ihren Angestellten ein Jahresgehalt von umgerechnet 59 500 Franken zahlen. Das ist viel Geld im ländlichen Nevada, erst recht im Reservat Fort McDermitt, wo rund jeder Fünfte ar beitslos ist und nur die wenigsten einen Hochschulabschluss wie HinkeyLauthaben.Aussage von Lithium Americas sind fünfzig Reservats bewohner*innen bereit, sich auf diesen Deal einzulassen. Für Hinkey schreibt das Projekt hingegen die brutale Geschichte fort, in der ihre Vorfahren weissen Siedler*innen und deren Gier nach Bodenschätzen weichen mussten. Mit einigen Stammesmitglie dern hat Hinkey eine Interessenvertretung namens «People of Red Mountain» gegründet, die zu Protest- und Gedenkveranstal tungen aufruft. Unterstützt wurden sie dabei von Max Wilbert und Will Falk. Ausgestattet mit Zelten, Kochtöpfen und Plakaten besetzen die beiden Umweltaktivisten seit Januar 2021 mit Un terbrechungen das zukünftige Minenareal.

Das weisse Gold Rohstoffe Weil es ein Bestandteil von Elektroautos ist, gilt es als das Metall, das uns vor der Klimakatastrophe retten soll: Lithium. Doch es gibt Gründe für den Widerstand gegen den Abbau.

TEXT UND FOTOS ANNA-THERESA BACHMANN

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Deshalb verbrachte Anwalt Falk viel Zeit damit, schriftliche Beweise für das Massaker aufzuspüren. Dabei stiess er auf die Erinnerungen jenes Soldaten, der die Wickiups der Paiute mit seinem Revolver durchlöcherte. Die Zeilen hatte ein US-Gewerk schaftsführer in seiner Autobiografie niedergeschrieben, zusam men mit der Erzählung eines Paiute, der das Massaker überlebt haben soll. Die undatierten Berichte ähneln Zeitungsartikeln vom September 1865, die einen Angriff durch Kavalleriesoldaten auf Indigene in der Nähe des Gebirgspasses beschreiben. Von rund dreissig getöteten Paiute und etlichen Verletzten ist darin die Rede. Aber der historische Tatort könnte wortwörtlich hinter je dem Strauch liegen – inner- oder ausserhalb des 73 Quadratki lometer grossen Minenareals. Eine archäologische Untersuchung, die vor Baubeginn vor geschrieben ist, könnte Klarheit bringen. Doch davor haben viele Indigene Angst: Der heilige Boden könnte entweiht, die Knochen schlecht behandelt werden. Auf Anfrage von Surprise versichert Tim Crowley, Vizepräsident für Regierungsangelegenheiten und Gemeindebeziehungen bei Lithium Americas, dass Stammesmit glieder vom Fort-McDermitt-Reservat als Beobachter*innen bei den Grabungen hinzugezogen würden. Sollten »unerwartete Artefakte« zum Vorschein kommen, werde man sie den Native Americans übergeben. Bei der indigenen Opposition bleibt das Misstrauen dennoch gross. Ihre Versuche, die Grabungen per einstweiliger Verfügung zu stoppen und so Zeit im laufenden Verfahren zu gewinnen, sind jedoch gescheitert. Die vorgelegten Beweise für das Massa ker seien «zu spekulativ», entschied das Bundesbezirksgericht in Nevada.Nebender befürchteten kulturellen Zerstörung warnen Geg ner vor der hohen Umweltbelastung der Mine. Dabei verweisen sie auf Weltregionen wie das «Lithium-Dreieck» zwischen Boli vien, Argentinien und Chile, wo das Leichtmetall bereits im gros sen Stil abgebaut wird. Dort lagern rund 50 von insgesamt 89 Millionen Tonnen der weltweit vermuteten Ressourcen. Jedoch unterscheidet sich der Abbau je nach Vorkommen – und damit sind auch die Umwelteinflüsse nicht überall dieselben.

Dass Demokrat Biden gegen die Entscheidung seines Vor gängers angeht, wie er es bei anderen Projekten getan hat, ist unwahrscheinlich. Elektromobilität ist das Kernstück seiner Kli mastrategie, 2030 soll landesweit die Hälfte aller verkauften Au tos und Pickup-Trucks elektrisch fahren. Ein dichtes Netz aus Ladestationen und eine eigene Batterieproduktion sollen Verkauf und heimische Produktion ankurbeln (und nebenbei China vom Markt drängen). Weil dafür kritische Rohstoffe wie Lithium un abdingbar sind, will Biden neue Lizenzen an Bergbaugesellschaf ten vergeben – vorausgesetzt, ihre Förderung ist «nachhaltig» und «verantwortungsvoll», wie es aus dem Innenministerium heisst.

Vorwurf der Indigenen: Das BLM und das Unternehmen Lithium Americas hätten die Stämme, die in der Umgebung der geplanten Mine leben, nicht ausreichend konsul tiert. Erst nach der Genehmigung hätten viele Indigene von den Plänen erfahren – was wiederum sowohl die Bundesbehörde als auch die Minengesellschaft bestreiten. Auch um das Massaker im Wüstenbeifuss wird gestritten. Ob das vermeintliche Blutver giessen wirklich stattgefunden habe, wisse man nicht, sagen die einen. Die Geschichte sei von den Paiute schliesslich nur münd lich überliefert worden. Niemand habe sich die Mühe gemacht, den Hinweisen darauf nachzugehen, antworten die anderen.

Der Plan: die Abschaffung der industriellen Zivilisation

Die Aktivisten Falk und Wilbert sehen darin ein Paradox. Indus trien, die zum Grossteil zur menschengemachten Klimakrise beigetragen haben, können uns nicht retten, sagen sie. Auch nicht mit neuester Technologie und einer Portion Greenwashing. Beide haben sich der Umweltbewegung «Deep Green Resistance» (DGR) angeschlossen.«Wirredenuns ein, dass unser Leben mit all der Leichtigkeit und dem Komfort weitergehen kann», schreibt Wilbert in einem Buch, das er zusammen mit anderen DGR-Aktivist*innen veröf fentlicht hat. Windkraft, Solaranlagen – auch er habe sich lange daran festgeklammert. Doch wir müssten nicht unsere Art zu leben vor dem Untergang bewahren, sondern den Planeten, der unsere Existenz erst ermöglicht. Wilbert und Falks Plan zur Ret tung der Welt: die Abschaffung der industriellen Zivilisation. Autos kommen in diesem Szenario eher nicht vor, auch keine elektrischen mit Lithium-Ionen-Batterie. Das Versprechen vom emissionsfreien Fahren dient den DGR-Aktivist*innen vielmehr als Beleg für ihre Thesen. Online fordern sie Gleichgesinnte auf, sich ihnen anzuschliessen und den Thacker-Pass zu verteidigen. Notfalls, indem sie sich den Baggern in den Weg stellen. Zudem berät der studierte Jurist Falk die People of Red Mountain und Stammesmitglieder der Reno-Sparks Indian Colony, die ebenfalls historische Ansprüche auf den Thacker-Pass erheben, im Rechtsstreit gegen das Mega projekt.Eingemeinsamer

Im Lithium-Dreieck rings um die extrem trockene Ataca ma-Wüste wird das Leichtmetall aus Sole gewonnen. Das Salzwas ser wird dazu an die Oberfläche gepumpt und in Becken aufge fangen. Elemente wie Sulfate, Kali- und Magnesiumsalze werden ausgefällt, bis die nun lithiumreiche Sole zu Lithiumcarbonat und Lithiumhydroxid verarbeiten werden kann. Trotz Hitze dau ert die Verdunstung bis zu achtzehn Monate. Auch braucht man zur Lithiumaufbereitung aus Sole raue Mengen an kostbarem Süsswasser. Das Land ist heilig: Vor der Kolonialisierung Nordamerikas diente die Gegend um den ThackerPass indigenen Stämmen als Jagd- und Siedlungsgebiet (Bild 1). Daranda Hinkey ist nach ihrem Universitätsabschluss in Umweltwissenschaften zurückgekehrt, um zu kämpfen (Bild 2). Wüstenbeifuss und Chamisa-Sträucher bieten Lebensraum für Tiere (Bild 3). Indigene und Umweltaktivist*innen gedenken dem Massaker an den Paiute im Jahr 1865 (Bild 4).

14 Surprise 532/22 Damals, in den letzten Tagen der Trump-Administration, geneh migte das dem Innenministerium unterstellte Bureau of Land Management (BLM, Landverwaltungsamt) die Lithium-Mine auf dem Thacker-Pass. Es war nicht das einzige umstrittene Berg bau- und Energieprojekt auf öffentlichem Land, das kurz vor Joe Bidens Amtseinführung noch abgesegnet wurde.

Surprise 15 «Wir zuanderenaufhören,müssenIndigenenendlichunsvonausnutzenlassen.» DARANDA HINKEY 2 3 4

16 Surprise 532/22 «Es macht LuftoderBergeUnterschied,keinenobmanfürErdölLithiumindiesprengt.» MAX WILBERT 5 6 7

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Das meiste Lithium wird aber nicht in Südamerika, sondern in australischen Bergwerken gewonnen. Allein 2021 waren es 55 000 Tonnen. Die Weiterverarbeitung erfolgt meist in China, wozu neben jeder Menge Chemikalien Temperaturen von mehr als tausend Grad Celsius benötigt werden – und das in der Volksre publik mit ihrem Hang zu fossiler Energie. Wegen der grossen Nachfrage versuchen neben den USA der zeit weitere Länder ihre Lithium-Produktion hochzufahren oder selbst ins Geschäft einzusteigen, auch mittels unkonventioneller Vorkommen und Fördertechniken. In Deutschland will man Li thium etwa aus Thermalwasser im Oberrheingraben gewinnen –ein Plan, den die angrenzende Schweiz genau verfolgt. Auf dem amerikanischen Thacker-Pass lagert das «weisse Gold» wiederum im Tonboden – pro Jahr sollen hier 66 000 Tonnen Lithiumcar bonat-Äquivalent gehoben werden, das entspricht rund 12 000 Tonnen Lithiummetall. Weil die geplante Fördermethode der Thacker-Pass-Mine viel Schwefelsäure verschlingt, sollen davon täglich 5800 Tonnen in einer eigenen Fabrik auf dem Minenareal hergestellt werden. So steht es im Abschlussbericht über mögliche Umwelteinflüsse des Projekts. Mit überschüssiger Wärme aus der Säureproduktion wollen die Betreiber eigenen Strom erzeugen. Dennoch setzen die Produktionsschritte der Mine insgesamt mehr als 150 000 Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr frei – so viel wie 30 000 Schweizer*innen. Zudem verbraucht die Mine 12 200 Liter Was ser pro Minute. Und das bei einer Förderdauer von mehr als vierzig Jahren. Es droht giftiges Arsen im Grundwasser Solche Zukunftsaussichten treiben auch Edward Bartell um. Als der Viehzüchter seine Ranch vor dreizehn Jahren kaufte, glaubte er, endlich mehr Platz für sich und seine 600 Rinder gefunden zu haben. Als sich neue Nachbarn ankündigten, machte sich Bartell keine Sorgen. Das änderte sich, als ein Gutachter für Lithium Ame ricas ausrechnete, dass der Wasserstand in Bartells Brunnen um mehr als drei Meter absinken könnte. Im schlimmsten Fall könn ten Minenabfälle das Grundwasser für die nächsten 300 Jahre belasten, darunter mit giftigem Arsen. «Sie preisen die Mine als grünes Energieprojekt an», sagt Bartell. Mittlerweile ist der Ran cher vom Gegenteil überzeugt und sieht seine Existenz bedroht. «Was wir gerade mit Lithium erleben, wird als neuer Gold rausch bezeichnet. Das sollten wir als Warnung verstehen», sagt Kelly Fuller, die zum Zeitpunkt der Recherche für das Western Watersheds Project arbeitete. Die NGO ist Teil eines Natur schutz-Bündnisses, das neben den Indigenen und Rancher Bar tell vor Gericht gegen die auffahrenden Bagger auf dem Thacker-Pass kämpft. Das Bündnis kritisiert die aus seiner Sicht überstürzte Bewilligung der Mine. Auch der Standort sei fatal: Jedes Jahr im Frühling balzen in den Sträuchern Beifusshühner –fasanenartige Hühnervögel, deren Männchen für ihren tiefen Kullergesang bekannt sind. In den letzten Jahren wurden viele öffentliche Gelder in die Hand genommen, um die Tiere vor dem Aussterben zu retten. Diese Anstrengungen würden auf dem Thacker-Pass nun zunichte ge macht, sagt Fuller: «Während sich die Welt in einer Klimakrise befindet, schreitet gleichzeitig das Artensterben voran. Wir müs sen beide Krisen lösen, um einen bewohnbaren Planeten an zu künftige Generation übergeben zu können.» Deswegen sollten die Standorte neuer Bergbauprojekte gut überlegt sein, es müsste besser recycelt und mehr Geld in Forschung investiert werden, um Alternativen zu Lithium zu schaffen. Solche Alternativen gibt es bereits, zum Beispiel in Form von Natrium-Ionen-Akkus: Sie kommen neben Lithium auch ohne Kupfer, Kobalt, Nickel und Grafit aus. Doch bis grosse Automar ken Natrium-Ionen-Akkus verbauen, können noch Jahre verge hen – Zeit, die wir angesichts schmelzender Eisberge und lodern der Waldbrände nicht mehr haben, sagt Glenn Miller. Der emeritierte Chemiker an der Universität Reno in Nevada ist eigentlich kein Freund der Bergbauindustrie. Seit Jahrzehnten kritisiert Miller die Umweltbelastungen durch Nevadas Gold- und Kupferminen. Er war Mitbegründer einer der NaturschutzOrganisationen, die im Vierer-Bündnis gegen die Thacker-PassMine klagt. Doch inzwischen ist Miller ausgetreten. «Die ThackerPass-Mine ist eine der harmlosesten, die ich in 35 Jahren gesehen habe», sagt Natürlich,er.sagt Miller, sei so eine Mine ein massiver Eingriff in die Natur. Und Indigene müssten Gehör finden. Doch wenn Lithium nicht auf dem Thacker-Pass mit seinem reichen Vor kommen abgebaut werde, dann eben dort, wo man Umwelt- und Arbeitsstandards schlecht kontrollieren könne. Das sei unterm StrichDerschädlicher.Protestgegen das Projekt geht unterdessen weiter – auch wenn sich die People of Red Mountain und die Aktivisten aus dem Protestcamp mittlerweile zerstritten haben. Von «unüber brückbaren Differenzen» ist die Rede. In Zukunft wollen Daranda Hinkey und ihre Stammesmitglieder ohne Will Falk und Max Wilbert gegen den neuen Goldrausch ankämpfen. Kürzlich fan den in Nevada in der Nähe des Fort-McDermitt-Reservats wieder Probebohrungen statt. Das nächste Projekt. Diesmal war der Auf traggeber aber nicht Lithium Americas, sondern eine australische Minengesellschaft. Die will Lithium nicht nur im Süden der McDermitt-Caldera abzubauen; bald soll es auch am Nordzipfel damit losgehen.

Die Recherche zu diesem Artikel wurde durch ein «Transatlantic Media Fellowship» der Heinrich-Böll-Stiftung, Washington D.C, unterstützt.

Indigene tragen die Flagge des American Indian Movement (AIM), einer Graswurzel bewegung, die sich seit den 1960er-Jahren für die Rechte der Native Americans einsetzt (Bild 5). Umweltaktivist Max Wilbert will die Lithium-Mine verhindern, notfalls mit Gewalt (Bild 6). Gefragter Rohstoff: Im Tonboden rings um den ThackerPass vermuten Geolog*innen das grösste Lithiumvorkommen der USA (Bild 7).

Erhebungen Wer Obdachlosigkeit bis 2030 abschaffen will, wie es das Europaparlament vorsieht, muss wissen, um wie viele Betroffene es geht. Wie man diese zählt, ist jedoch umstritten. Ein Blick auf verschiedene Ansätze in Deutschland.

TEXT SARA WINTER SAYILIR ILLUSTRATION MARTINA PAUKOVA

Zudem vermeidet man den hohen Personalaufwand, den eine klassische Strassenzählung mit sich bringt, wie die Städte New York (seit 2005) und Paris (seit 2018) sie jähr lichDiedurchführen.Sozialforscher*innen in NRW kamen mit ihrer Methode denn auch auf eine deutlich höhere Zahl von Betroffenen: «Nach vorsichtigen Schätzungen betrug die Gesamtzahl der Personen ‹auf der Strasse› oder in Be helfsunterkünften in Nordrhein-Westfalen im Juni/Juli 2021 ca. 5300 Personen, also 3800 mehr als in der Lan desstatistik dokumentiert.» Noch immer existiere ein Dunkelfeld, wenn auch ein viel kleineres, wie Jutta Henke von GISS gegenüber dem Strassenmagazin Bodo sagte. Im Text der Studie heisst es dazu: «Zum einen beteiligen sich zwar viele, aber nicht alle Beratungsstellen in NRW an der Erhebung, zum anderen sind ambulante Struktu ren der Wohnungslosenhilfe in einigen Regionen nur schwach ausgebaut. Schliesslich dürfte mehr als unwahr scheinlich sein, dass sich alle Menschen, die in NRW keine Wohnung haben, an eine der 68 Fachberatungsstellen wenden.»

Surprise 532/22 19

Zu wenig Freiwillige, die mitmachen wollen In Berlin setzt man derweil darauf, eine 2020 durchge führte erste Strassenzählung zu wiederholen (siehe auch Surprise 470). Daneben soll es gemäss dem im vergange nen Jahr veröffentlichten «Masterplan zur Überwindung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit bis zum Jahr 2030» auch eine Wohnungsnotfallstatistik für das ganze Stadt gebiet geben. «Diese soll sowohl die öffentlich unterge brachten Wohnungslosen als auch die auf der Strasse le benden Menschen erfassen sowie eine erweiterte Räumungsstatistik enthalten, um ein möglichst umfas sendes Gesamtbild der Dimensionen von Wohnungslo sigkeit in Berlin zu erhalten», so der Plan. Bisher ist dies jedoch noch Zukunftsmusik. Dass der Faktor Personal aufwand tatsächlich ein Knackpunkt ist, zeigt sich denn auch am realen Beispiel: Rund zwei Wochen vor der Zählund Befragungsnacht im Juni hatte sich nur etwa die Hälfte der notwendigen Freiwilligen angemeldet. Die Ge flüchteten aus der Ukraine, der laufende Zensus, die Ab sorbierung der Student*innen mit ihrer Rückkehr an die Uni nach der Pandemie – all das arbeitete gegen den Plan, eine Berliner Sommerzählung durchzuführen.

Zählen – aber wie?

Fast 180 000 Menschen waren in der Bundesrepublik Deutschland am 31. Januar dieses Jahres wegen Woh nungslosigkeit vorübergehend untergebracht, vermeldete das dortige Statistische Bundesamt Mitte Juli. Endlich bundesweite Zahlen, was so weit erfreulich ist. Seit zwan zig Jahren fordert die Bundesarbeitsgemeinschaft Woh nungslosenhilfe eine solche Statistik. Zusätzlich hatte das Europaparlament im November 2020 erklärt: Bis 2030 solle Obdachlosigkeit in der EU abgeschafft sein. Zwar sind sich alle darüber im Klaren, dass dies wohl eher als Absichtserklärung zu lesen ist denn als Kampfansage. Dennoch, der Druck auf die Mitgliedsländer steigt. Und nicht mehr nur aus der Zivilgesellschaft. Nun sind die bundesweiten Zahlen trotzdem mit Vor sicht zu lesen, denn sie geben nur Auskunft über die Lage an jenem einen Stichtag; dabei wurden viele Betroffene gar nicht erfasst. Sinnvoll wären daher ergänzende Erhe bungen, wie sie mancherorts auch schon existieren. Weil die Bearbeitung von Obdach- und Wohnungslosigkeit auch in Deutschland Kommunen- und Ländersache ist, haben verschiedene Orte und Bundesländer unterschied liche Ansätze. Als vorbildlich gilt Nordrhein-Westfalen (NRW), dessen «Wohnungsnotfallberichterstattung» für die jetzige bundesweite Erhebung Pate stand. Seit 2011 werden dort an jedem 30. Juni «alle notdürftig und vor übergehend mit einem Dach über dem Kopf versorgten wohnungslosen Menschen in Nordrhein-Westfalen zu verlässig identifiziert». Das bedeutet: Alle Notschlafstel len melden dem Landesamt die Anzahl der Menschen, die in dieser Nacht bei ihnen unterkommen. Dass dies nicht für ein vollständiges Bild ausreicht, liegt auf der Hand. Nicht institutionell untergebrachte Wohnungslose ohne Kontakt zu Beratungsstellen werden nicht erfasst. Zudem lässt sich aus den Zahlen nichts über die vielfältigen Probleme und Bedürfnisse der Betroffe nen ablesen. Deshalb hat NRW nun nachgelegt und bei der Bremer Gesellschaft für innovative Sozialforschung und Sozialplanung e.V. (GISS) eine umfangreiche Studie inklusive Zählung in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse im März bekannt wurden. Methodisch entschieden sich die Forscher*innen für einen ähnlichen Ansatz wie bei der ersten schweizweiten Erhebung durch die Fachhoch schule Nordwestschweiz FHNW (siehe Surprise 525): Fra gebogenbefragungen in Anlaufstellen von Wohnungslo sen (Übernachtungsplätze, Essensausgaben, Tagesstätten etc.) über den Zeitraum von einer Woche – jener Woche nach dem Stichtag der Wohnungsnotfallberichterstattung NRW. Dabei nutzt man das Vertrauen der Befragten in die Anlaufstellen, um die Auskunftsbereitschaft zu erhöhen.

Das Ergebnis der Zählung 2020 – damals unter der Ägide der linken Sozialsenatorin Elke Breitenbach – hatte alle überrascht: Die erhobene Zahl obdachloser Menschen

Die 2017 verkündete Europäische Säule sozialer Rechte legt das Recht auf Wohnung beziehungsweise auf eine Unterkunft fest. 2013 2013 fordert die Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG W) Wohnungslosenhilfe Wohnungs notfall-Rahmenpläne zur Überwindung von Wohnungsnot und Armut in Deutsch land auf allen politischen Ebenen – in Bund, Ländern und Gemeinden.

Bundesstatistik zu Obdachlosigkeit Rund 178 000 Personen waren am 31. Januar dieses Jahres in Deutschland wegen Wohnungslosigkeit untergebracht. Das ist das Ergebnis der ersten landesweiten Statistik zu Obdachlosigkeit des Bundes. Dabei wurden alle Personen in Deutschland erfasst, denen aufgrund von Massnahmen der Gemeinden und Gemeindeverbände oder mit Kostenerstattung durch andere Träger von Sozialleistungen zum Stichtag wegen Wohnungslosigkeit Räume zu Wohnzwecken überlassen oder Übernachtungs gelegenheiten zur Verfügung gestellt wurden. Nicht einbezogen sind Personen, die bei Freunden, Familien oder Bekannten unterkommen, und Obdachlose, die ohne jede Unterkunft auf der Strasse leben. Auch Menschen, die in Einrichtungen untergebracht sind, deren Ziel nicht in erster Linie die Abwendung von Wohnungsoder Obdachlosigkeit ist, wie bspw. Pflegeeinrichtungen oder Suchtkliniken, bleiben unberücksichtigt. Darüber hinaus wird auch nicht erfasst, wer Beratungsangebote zum Thema Wohnungslosigkeit in Anspruch nimmt, aber am Stichtag nicht untergebracht ist, sowie Personen, die bspw. aufgrund einer angedrohten Zwangsräumung von Wohnungslosigkeit bedroht, aber (noch) nicht betroffen sind.

20 Surprise 532/22 in Berlin lag im Gegensatz zu NRW weit unterhalb der Schätzungen von Wohlfahrtsverbänden und Expert*in nen. Nun sollte man eigentlich meinen, das sei eine gute Nachricht. Doch Kritiker*innen vermuteten Fehler bei der Art der Erhebung: Der kurze Erhebungszeitraum von we nigen Stunden in einer Nacht begünstige eine hohe Dun kelziffer, zudem hätten sich viele absichtlich einer Erfas sung entzogen. Auch sei eine Zählung allein aufgrund äusserer Merkmale fragwürdig: Woran erkenne man denn Obdachlose auf der Strasse – am Schlafsack oder am Ge ruch?, so wurde polemisiert. Menschen, denen man ihre Betroffenheit nicht ansähe, würden nicht erfasst. Und jetzt drohe womöglich aufgrund der geringeren Betrof fenenzahl eine Kürzung der Mittel für die Wohnungslo senhilfe, befürchteten Aktivist*innen. Kürzungen schloss Breitenbach zwar aus, die Frage nach dem Dunkelfeld sowie das grundsätzliche Miss trauen gegenüber der Politik und der Strassenzählung aber blieb. Dann war Pandemie. Derweil zog sich Elke Breitenbach aus der Senatsverwaltung zurück und über gab ihr Amt der Nachfolgerin und Parteikollegin Katja Kipping. Die Trägerorganisation sowie das Team der Zäh lung und Befragung sind heute andere als 2020. Doch die Projektverantwortlichen Bálint Vojtonovszki und Stella Kunkat haben mit der ersten Zählung kein leichtes Erbe angetreten. Beide kommen aus der Gassenarbeit und ken nen die generellen Vorbehalte der Zielgruppe gegenüber Erhebungen. Was passiert später mit den Zahlen? Können diese polizeilich genutzt werden, um effizienter gegen Schlafende im öffentlichen Raum vorzugehen? Werden

Woran die Berliner Politik sich orientiert

2015 Die 2015 beschlossenen Nachhaltigkeits ziele der Vereinten Nationen verpflichten die Regierungen, Armut und Obdachlosig keit bis zum Jahr 2030 zu beenden. 2017

Hilfsgelder zurückgefahren? Und landen wirklich die Richtigen in der Statistik – da wird einer nach einer durch feierten Nacht auf der Parkbank vielleicht mitgezählt, was aber ist mit denen, die verdeckt wohnungslos sind oder die zufällig gerade in dieser Nacht einen Platz bei einem Freund gefunden, aber eigentlich keine Bleibe haben? «Kommunikation ist das A und O», sagt Vojtonovszki. Unter den verschiedenen Trägern der Wohnungslosen hilfe gebe es zahlreiche Befindlichkeiten und Vorbehalte.

Wer keinen Kontakt zu Institutionen hat und sich der Strassenzählung entzieht, wird weiter zum sogenannten Dunkelfeld gehören. Ganz ausleuchten kann man es wohl nicht. «Ideal wäre natürlich eine Kombination aus allen drei Methoden: die Landesstatistik, eine regelmässige Strassenzählung und Fragebogenbefragungen in den An laufstellen – dann hätten wir ein gutes Bild», sagt Vojto novszki. «Nun hoffe ich erst einmal, dass wir es schaffen, dass die Zählung im Winter klappt und dann auch regel

Und nicht zuletzt

Nicht alle sehen den Sinn der Zählung Trotzdem ist es bisher nicht gelungen, alle Beteiligten und Betroffenen rechtzeitig und ausreichend zu infor mieren sowie vom Sinn des Projektes zu überzeugen. «Wir haben alle Anlaufstellen, Notübernachtungen und sons tige Institutionen kontaktiert. Aber wenn Emails unbe antwortet bleiben oder niemand ans Telefon geht, dann können wir auch nicht mehr tun», sagt Vojtonovszki. Das Berliner Strassenmagazin Strassenfeger, zu dessen Verein Rande von der Zählung erfahren zu haben. Bei ihm stosse das Vorhaben auf Unverständnis: Statt nun nochmal zu zählen, wäre es doch viel sinnvoller, nun mal direkt in Wohnraum zu investieren – um zu sehen, dass es daran mangele, brauche es nun wirklich keine neuen Zahlen. Tatsächlich richtet sich der Unmut weniger direkt auf die Zählung an sich als auf die Politik. Bisher sei Housing First in Berlin immer noch an Bedingungen geknüpft, ärgert sich Bouallagui, zum Beispiel an einen Therapie wunsch. Dabei sei das Recht auf Wohnraum ein Men schenrecht und der Staat habe dafür Sorge zu tragen.

QUELLE: ZURMASTERPLANBERLINERALEXANDER:FISCHER,/ELKEBREITENBACH, 2021.BERLIN,2030.JAHRZUMBISOBDACHLOSIGKEITUNDWOHNUNGS-VONÜBERWINDUNG

Surprise 532/22 21 2020 Im November 2020 verabschiedet das Europaparlament eine Resolution, welche die Beendigung der Obdachlosigkeit bis 2030 als Ziel ausruft. Die Mitgliedsstaaten werden zum entschiedenen Vorgehen gegen die Obdachlosigkeit aufgefordert und abgestimmte nationale Strategien zum Erreichen dieses Ziels eingefordert.

... besteht im Land Berlin der Verfassungs auftrag, eine soziale Sicherung zu verwirklichen, die eine menschenwürdige und eigenverantwortliche Lebensgestaltung ermöglicht. Dazu gehört auch, dass jeder Mensch das Recht auf angemessenen Wohnraum hat.

Nicht ganz zufällig wurde das Projekt beim nicht aktiv in der Wohnungslosenhilfe tätigen Berliner Verband für sozio-kulturelle Arbeit (VskA) angesiedelt, um kein wei teres Misstrauen zu wecken. Das Ziel der Erhebung geht übrigens über die Generierung reiner Zahlen hinaus: Der Fachverband der Nachbarschaftsarbeit will das zivilge sellschaftliche Engagement im Bereich Obdachlosigkeit steigern – «ohne das und passende Daten werden wir uns dem Ziel 2030 nicht annähern können», so Vojtonovszki.

Für die Sommerzählung im Juni reichte die Zahl der Freiwilligen schliesslich nicht aus: 2400 Freiwillige hätte es gebraucht für die stadtweite Zählung und Befragung, die sich «Zeit der Solidarität» nennt, in Anlehnung an die «nuit de la solidarité» in Paris. Stattdessen gab es zwei, drei Tage lang «Zeit für Gespräche»: aufsuchende, stich probenartige Befragungen von Betroffenen, um einen ersten Eindruck der vielfältigen Problemlagen und Be dürfnisse zu bekommen.

Auf Pumpen gebaut Umwelt Provisorische Ölpumpen im Nordosten Syriens gefährden die Gesundheit von Mensch und Tier. Wer nicht geflohen ist, leidet nun unter den Langzeitfolgen des Krieges.

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Vergiftete Brunnen

Die kurdische Autonomieverwaltung be kommt die Probleme mit den irregulären Ölpumpen nicht in den Griff, obwohl das Gebiet seit 2017 unter ihrer Kontrolle steht. Kurdische Beamte sagen auf Nachfrage, dass aufgrund des Konflikts und ohne die politische Anerkennung Rojavas kein Öl unternehmen bereit sei, in der Region zu arbeiten. Die einzige Ausnahme bildete

TEXT KHABAT ABBAS FOTOS HISHAM ARAFAT Dreckig und gefährlich: Ölpumpe in der syrischen Provinz Raqqa.

Zehn Patienten behandelt die Krebsklinik im nordsyrischen Qamischli täglich. «Ich nehme jeden Tag fünf neue Fälle auf», be richtet Blenda Abdul-Rahman. Auf die etwa 200 000 Einwohner*innen der Stadt kom men 200 Krebsdiagnosen pro Monat – für die gesamte Region gar 1 500. «Solche Zah len waren früher unvorstellbar», sagt die Onkologin. «Was der Region helfen würde, wäre eine ordentlich funktionierende Öl raffinerie. Dann wären wir wenigstens nicht mehr so vielen schädlichen Abgasen ausgesetzt.»Rundum Qamischli stehen verstreut bis an die Grenzen zum Irak und zur Tür kei zusammengeschusterte Ölpumpstati onen. Sie sondern giftige Gase ab, darunter Schwefelwasserstoff, Methan und schwere nichtflüchtige Substanzen. Seit Ausbruch des Syrien-Krieges 2011 entstanden pro visorische Anlagen dieser Art in den Pro vinzen al-Hasakah, Deir ez-Zor und Raqqa. Die gesundheitlichen Langzeitschäden sind noch kaum beziffert. Bislang forderte allein der Krieg rund 600 000 Menschen leben und hat mehr als 13 Millionen in die FluchtDiegetrieben.Arbeiteran den Pumpen bekom men die Konsequenzen der unregulierten Erdölförderung unmittelbar zu spüren. «Früher hatten wir einmal im Jahr eine Er kältung, und die meisten von uns brauch ten nicht mal Medikamente», berichtet Fa hed, der sich auf einer der Anlagen verdingt und eine deutliche Verschlechterung sei nes allgemeinen Gesundheitszustandes spürt. «Heute leiden wir unter ständigem Husten und Juckreiz an Händen und Füs sen sowie unter Durchfall. Aber es gibt sonst keine Jobs.» Wer hier schuftet, hat kaum eine Wahl. Ein Arbeiter sagt: «Wer nicht an einer Krankheit stirbt, wird ver hungern.» Ein anderer, der wie sein Kol lege anonym bleiben möchte, ergänzt: «Wir sind uns der schädlichen Wirkungen bewusst. Die meisten von uns leiden unter Hautallergien und manchmal auch Atem not, aber solange wir uns auf den Beinen halten können, arbeiten wir weiter.»

Selbst Pflanzen, die unter diesen Umstän den noch wachsen, schaffen es nicht, sich zu vermehren. «Der Ölfilm bedeckt die Blü ten – und verhindert so die Bestäubung, weil der Pollen nicht von den Staubgefäs sen zur Narbe gelangt. Deshalb tragen die Blüten keine Früchte.» Er führt auch den Niedergang der Im kerei auf die Verödung infolge der Ölver schmutzung zurück. «Einst blühten hier Baumwolle, Sonnenblumen, Sesam und viele Gemüsesorten. Heute sind die Böden in der Umgebung unfruchtbar.» Viele Bie nenvölker im Nordosten Syriens seien voll ständig verschwunden – auch weil in den letzten Jahren die behördliche Aufsicht ge fehlt hat, die dem Einsatz verbotener Pes tizide Einhalt gebieten könnte. «Vor dem Krieg hatte ich Tausende Bienenzargen, in zwischen sind mir noch 150 geblieben.» Sterben die Bienen, wachsen auch Kulturund Wildpflanzen nicht mehr. «Im Gegen satz zu anderen anpassungsfähigen Insek ten fehlt den Bienen die genetische Resistenz gegen Umweltgifte», sagt Alqa sem. Dies sei der zweite Grund für die aus bleibende Bestäubung der Kulturpflanzen, «insbesondere in der Nähe der Ölförderan lagen». Alqasem zeigt dennoch Möglichkei ten auf, wie sich der Bienenbestand erholen könnte. «Dafür müssten Felder nahe der Türkei angelegt werden – die Bienen könn ten dann über die Grenze fliegen, um an Pollen zu gelangen.» Verödete Flächen in der Jazira wieder urbar zu machen, ist eine ungleich schwierigere Herausforderung. Neben der Belastung durch unabsichtlich versickerndes Öl und der maroden Infra struktur ist auch der am Ende entstehende Treibstoff minderwertig – und entspre chend giftig für Mensch und Natur. «In Qamischli sind mindestens fünfzig Gross generatoren täglich acht Stunden in Be trieb. Dazu kommen Tausende kleinerer Generatoren für den Hausgebrauch», be richtet ein Händler, der mit Import und Verkauf von Generatoren sein Geld ver dient. Zudem sind seit 2017 geschätzt 600 000 Kraftfahrzeuge nach NordostSyrien gebracht worden – sie tanken lokal produziertes Benzin und Diesel. Auch ohne Krieg und Umweltver schmutzung wäre Syriens Nordosten von den Folgen des Klimawandels stark betrof fen. Durch den Konflikt verschärft sich diese Entwicklung zusätzlich. Immer wie der sind Ölförderanlagen Ziel strategischer Angriffe, zudem verhindert die Sicher heitslage in umkämpften Gebieten eine sachgemässe und regelmässige Wartung der Infrastruktur – insbesondere des Lei tungsnetzes. So verschmutzt Öl, das beim Transport aus Pipelines oder Lastwägen austritt, Ländereien auch ausserhalb der Fördergebiete. Wenn es dann auch noch Feuer fängt, trägt der Wind giftigen Rauch übers Land – sobald die Partikel in höhere Luftschichten aufsteigen, richten sie über den Regen zusätzlichen Schaden an. Fast eine Viertelmillion Menschen flo hen 2013 bis 2015 in Richtung Irakisch-Kur distan, erst vor dem IS, dann vor russischen Kampffliegern. Interviews mit Geflüchte ten legen aber auch nahe, dass nicht nur die Gefechte, sondern auch die Verschlech terung der Lebens- und Arbeitsbedingun gen durch Umweltschäden als Fluchtursa che aus Nordost-Syrien bereits damals an Bedeutung gewannen. Diesen Schäden entgegenzuwirken, ist aber fast unmöglich angesichts des Konflikts. Dafür wäre viel mehr Zusammenarbeit und Koordination zwischen den verschiedenen Akteuren und Regionen Syriens erforderlich. «Das Min deste, was der Region helfen würde, wäre eine ordentlich funktionierende Ölraffine rie», findet Onkologin Blenda Abdul-Rah man aus Qamischli. «Dann wären wir we nigstens nicht mehr so vielen schädlichen Abgasen ausgesetzt.»

ANAS

«Einst blühten

Surprise 532/22 23 dank einer Ausnahmegenehmigung die US-Firma Delta Crescent Energy (DCE) –doch die Genehmigung liess die Regierung Biden Ende 2021 auslaufen. Vor der Macht übernahme durch die Kurden gab es rund 330 Orte mit provisorischen Pumpstatio nen in der von ihnen verwalteten Region –insgesamt bis zu 15 000 Förderanlagen unterschiedlicher Grösse. Heute sind öst lich von Qamischli, zwischen Qahtaniyah und Tal Hamis, wohl noch etwa 20 davon in Betrieb. Die prekäre Sicherheitslage macht die Erhebung exakter Daten in vie len Regionen Syriens unmöglich. «Vor einigen Jahren häuften sich etwa massiv Lebervergiftungen in einem Dorf bei Tel Hamis: 80 Fälle – bei gerade 500 Einwohnern», erinnert sich Akram Khalil. Der Internist praktiziert seit 25 Jahren ebenfalls in Qamischli und führt Vergif tungen wie diese auf Brunnen zurück, die nahe den provisorischen Ölförderanlagen liegen. «Auch die Verbrennungsabgase tra gen ihren Teil dazu bei, Luft, Wasser und Lebensmittel zu verschmutzen», sagt Kha lil. Er sieht darin eine Ursache für die eben falls zunehmenden Magen- und Darmer krankungen.Wiegeschädigt die Umwelt bereits ist, wird etwa dreissig Kilometer weiter ent fernt deutlich. Der nordöstliche Zipfel Sy riens, die Jazira, gehört traditionell zu den landwirtschaftlich ertragreichsten Kultur landschaften der Region. «Früher habe ich Baumwolle, Weizen und Gemüse ange baut», erzählt Bauer Bassem aus dem Dorf Beshayriya. Doch seit mehr als zwei Jahren liege sein vier Hektar grosser Acker brach. «Der Rauch der Verbrennungsanlagen hat den Boden schwarz gefärbt und das Brun nenwasser verseucht», beklagt er. Vor dem Krieg, erzählt Bassem, hätten etwa 3000 Menschen in seinem Dorf gelebt. Nur ein Drittel sei noch geblieben, und die Hälfte von ihnen habe Krebs. Im vergangenen Jahr sei auch bei seiner Frau Lungenkrebs diagnostiziert worden. Täglich machten sich die erkrankten Einwohner*innen aus Beshayriya auf den Weg zur Behandlung. «Einige von ihnen fahren in die Nach barstadt Al-Qahtaniyah, andere nach Qa mischli und wieder andere nach Damas kus», erzählt der Bauer. Und die Beiprodukte der provisori schen Ölförderung machen nicht nur Men schen krank. «Die nichtflüchtigen Sub stanzen in den Abgasen schweben für kurze Zeit in der Luft, sinken dann bei niedriger Temperatur aber auf die Bo denoberfläche und bilden dort einen öligen Film, der jegliches Leben abtötet», sagt Anas Alqasem. «So sterben die Mikroorga nismen ab, auf deren Mineralien die Pflan zenwurzeln angewiesen sind», seufzt der Landwirtschaftsingenieur, der auch als Im ker arbeitet und seit Jahren beobachtet, wie immer mehr Äcker in der Gegend veröden.

unfruchtbar.»HeuteSonnenblumen.hiersinddieBöden ALQASEM

Dieser Text wurde erstmals bei «zenith  Zeitschrift für den Orient» publiziert und erscheint mit freundlicher Genehmigung.

Kunst Die Ausstellung «The Other Kabul» mit afghanischen und internationalen Künstler*innen in Thun wurde vor der Regierungsübernahme der Taliban konzipiert. Kuratorin Susann Wintsch über schwierige Zuschreibungen, kuratorische Verantwortung und den Fokus auf das Schöne.

Wir verstehen den Garten als einen zu erschaffenden Mi krokosmos, der überall entstehen kann und entstehen sollte. Wie kann man es bewerkstelligen, dass eine Aus stellung mit afghanischen Künstler*innen nicht nur als Darstellung von Krieg, Elend und Flucht wahrgenommen wird, oder aber das Land, Afghanistan, und seine Kultur erklärt? Beides finde ich eine problematische Praxis. Wie also mit den Erwartungen, die da sind, brechen und neue Hori zonte eröffnen? Wird es nicht erst dann auch für die Künst ler*innen interessant, wenn das Thema offener ist? Wie versuchen Sie als Kuratorin diesen Kriegsfokus zu vermeiden?

ARTISTTHEOFCOURTESYAHMADI,BAQER

Susann Wintsch: Ein Garten ist ein anderes Universum, er ist nicht homogen oder geschlossen. Im Garten ist man anderswo, hat aber trotzdem Zugriff auf die Welt ausser halb. Hier kann man die Welt als etwas Schönes und Le bendiges anschauen; das ist für mich das Fantastische. Der Garten zeigt, was möglich wäre im Leben. Zudem ist Kabul als Stadt der Gärten bekannt. Der Garten muss Nah rung in extremen Temperaturen generieren und ist ar chitektonisch wichtiger Teil einer Wohnung. Während des ersten Talibankriegs Anfang der 1990er-Jahre wurde die berühmteste Gartenanlage, Bagh-e Babur, stark zerstört und abgeholzt. Heute ist sie wieder instandgesetzt und auf der Kandidatenliste fürs UNESCO-Weltkulturerbe. So nahmen wir den Garten als Werkzeug für ein «anderes Kabul», das überall sein kann: in Zürich, Südafrika, auf dem Mond. Es geht um eine Zukunftsprojektion, in der eine Gemeinschaft (wieder neu) entstehen kann.

Verstehen Sie das Motiv auch als Sinnbild der Realitäts flucht vor dem «ewigen Krieg»?

«The Other Kabul. Remains of the Garden», Sa, 3. Sept. bis So, 4. Dez., Kunstmuseum Thun, Hofstettenstrasse 14. Rundgang mit Susann Wintsch am So, 11. Sept. und So, 4. Dez., jeweils 11.15 bis 12.15 www.treibsand.chwww.kunstmuseumthun.chUhr

Wir gehen von der vorhandenen künstlerischen Position aus, lernen das Werk kennen, erklären den Fokus der Aus stellung und fragen, worauf die Künstler*innen Lust ha ben. Dafür lerne ich sie zunächst kennen. Für vorherige Projekte zu Ex-Jugoslawien, Iran und der Türkei ging ich auf Reisen, für diese Ausstellung allerdings fanden die Gespräche digital statt, erst wegen Corona, dann wegen der Machtübernahme der Taliban im letzten Sommer. Die Welt über Kunstwerke und Erläuterungen der Künstler*in nen wahrzunehmen, öffnet ganze Universen. Das Resul tat dieser Gespräche ist nun in Thun zu sehen. Sie waren noch nie in Kabul? Nein. Mich fasziniert, dass das Internet es möglich macht, dass zeitgenössische Kunst überall entstehen kann. Des halb nehmen neben den sieben Künstler*innen mit af ghanischem Hintergrund auch zehn weitere an der Aus stellung teil. Es muss nicht mehr mit verschiedenen Ellen gemessen und nach Herkunft gelabelt werden. Kunst aus entfernten Ländern ist nicht länger nur traditionell oder hinkt der Moderne hinterher. Es war im Übrigen gar nicht unsere Absicht, künstlerische Positionen nach der politi schen Aktualität auszuwählen. Wir wollten das Schwierige immer mit dem Schönen verbinden: Als universeller Weg in die Zukunft, plastisch formuliert, aber natürlich zer brechlich, wie alles Schöne.

Schönheit und Sinnlichkeit: Wie kreiert man so etwas angesichts von Chaos und Traumata? Alles präsentiert sich sehr zweiseitig, nicht unbedingt zwiespältig. Ein Beispiel: Der Künstler Baqer Ahmadi hat in Pakistan und dann in Kabul mit Videoarbeiten begon nen, in denen er seinen Körper einer Dusche mit Lebens mitteln aussetzt: So stäubt etwa Mehl auf seinen Kopf. Was erst andächtig und schön aussieht, wird zunehmend un angenehm, seine Nase und Augen verstopfen. Als Honig hinzukommt, wird es noch prekärer. Die Verschwendung des essbaren Goldes, das es vielleicht nicht mehr lange gibt, wird als reale Strafe am eigenen Leib gezeigt. Der Künstler aber lässt alles über sich ergehen, bleibt würde voll. Diese Arbeit generiert starke Bilder und subtile Fragen.

INTERVIEW KATJA ZELLWEGER BILD(1):

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ADVISORS,ARTAMERICAN-EURASIANANDARTISTTHEOFCOURTESYMENLIBAYEVA,ALMAGUL BILD(2): GAUSSIJEANNO BILD(3): DADI,ELIZABETH&DADIIFTIKHAR (4):BILD

«Es muss nicht mehr nach Herkunft gelabelt werden»

Susann Wintsch, Sie kuratieren die Ausstellung «The Other Kabul. Remains of the Garden». Was hat es mit dem Garten auf sich?

Von den afghanischen Künstler*innen lebt seit spätestens letztem Sommer niemand mehr in Kabul. War Ihnen das bei der Auswahl bereits bewusst? Nein. Niemand konnte wissen, was im Sommer 2021 ge schehen würde. Mittlerweile sind viele Künstler*innen aus Afghanistan geflüchtet. Dass dies für uns interessant ist, zeigt sich in Ausstellungen, die aus dem Boden wach sen. Alle wollen helfen, aber es ist heikel, wenn Künst ler*innen als Geflüchtete gelabelt werden. Wir starteten mit unserer Idee und der Planung bereits im Jahr 2019. Anstelle der flüchtigen Aktualität konzentrierten wir uns auf das Nachdenken über die Zukunft, unser aller Zukunft. Habe ich das richtig verstanden: Die ganze Kunstszene ist geflüchtet?

Ist ein ähnliches Verfahren auch bei einer anderen künstlerischen Position zu beobachten?

Die Taliban hatten gedroht, sich an Kollaborateur*innen des Westens zu rächen. Da viele Künstler*innen Kontakte ins Ausland haben, standen sie im Fokus. Einige vergru ben ihre Instrumente oder ihre gesamte Bibliothek, andere zerstörten ihre Kunstwerke. Frankreich startete damit, Künstler*innen und Intellektuelle auszufliegen. Das finde ich einzigartig in der Geschichte, dass erst Künstler*innen gerettet wurden. Anderntags haben auch wir Bundesrat Ignazio Cassis einen Brief geschrieben und gefordert, ebenfalls Künstler*innen herauszuholen, mit denen wir arbeiten. Was auch geschah. Sie wurden also über die Kunst hinaus aktiv? Man ist ja nicht nur für die Kunstwerke verantwortlich, die rechtzeitig im Museum landen sollen. Kunst besteht in der Zusammenarbeit mit Menschen. Susann Wintsch, 55, ist Kuratorin in Zürich. 2019 gründete sie den Verein «Treibsand», der in enger Zusammenarbeit mit Künstler*innen vor allem aus West- und Zentralasien Ausstellungen erarbeitet.

Shahida Shaygan hat in «The doll project» kleine Figuren aus dem Kabuler Strassenabfall gestaltet. Es sind Objekte entstanden, die an Puppen erinnern, aber eine eigene Geschichte haben. Eine sehr zeitgenössische Mischung aus Konzeptkunst und Arte povera. Als Shaygan nach Zü rich emigrierte, nahm sie die ersten Objekte in ihrem Rucksack mit. Dann hat sie das Kunstwerk mit hiesigem Abfall fertiggestellt – der Bruch des Lebensortes ist also sichtbar in ihren Objekten.

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FOTO: ZVG In Surprise 520 haben wir ausführlich über die Lebensund Fluchtgeschichte von Baqer Ahmadi und Shahida Shaygan berichtet.

26 Surprise 532/22 Zürich «White Flag», Theater, Mi, 31. Aug., Do, 1. bis So 4. Sept., Do, 8. Sept., jeweils 19.30 Uhr, Neumarkt 5. www.theaterneumarkt.ch

«Alles wird g ut, ein Neuanfan g steht uns bevor!», rufen die Götter und Göttinnen in den antiken My then, wenn sich das Ende einer Krise abzeichnet. Das macht nun auch Schauspieler und Regisseur Benny Claessens mit seiner Truppe und mit schmaz, dem schwulen Männerchor Zürich. Die Protago nist*innen besingen dafür aller din gs ekstatisch die Niederla ge, die Kapitulation als letzten Wider stand. In einer Mischung aus Per formance, Live-Film, Musik und Theater wird es um den gesell schaftlichen Zwang gehen, der uns dazu bringt, angesichts von Krisen «stark» sein zu müssen. Traditio nell männlich konnotierte Begriffe wie Stärke, Genialität und Helden tum werden um gemünzt, stattdessen wird eine radikale Softness und Zärtlichkeit auf der Bühne eta bliert. Schluss mit Genies und Heroen. Auf den kuscheligen Neu anfang in allem. DIF Zürcher Oberland «Kunstlokal Festival», Kunstfestival, Sa, 27. Aug. bis Sa, 8. Okt., diverse Museen und Orte in Pfäffikon, Uster, Wetzikon, Rüti, Wald u. v. m. www.kunstlokal-festival.ch Im Zürcher Oberland ist ein neues Festival entstanden, das Industrie kultur mit zeitgenössischer Kunst verknüpft. Und ein bisschen Standortförderung mit verschie denen Kunstschaffenden zusam menbringt, die einen frischen Blick auf die lokale Vergangenheit wer fen. Das Kunstlokal Festival vereint so ganz bewusst Kunst, Kultur, Geschichte und touristische Ange bote. So setzt sich etwa die Künst lerin Celia Längle – ganz ihrer ei genen künstlerischen Praxis treu bleibend – auf konzeptuelle Art und Weise mit den Musikautoma ten im Klang-Maschinen-Museum in Dürnten auseinander. Kira van Eijsden wiederum nähert sich mit feministischen Ansätzen der aktu ellen Ausstellung des Museums Wetzikon über die Fäden und Strümpfe der Idewe-Fabrik. Im Museum am Pfäffikersee schafft Leandra Agazzi eine ortsspezifi sche Intervention aus lokalen Wei denruten und verbindet lokales Handwerkswissen so mit den Tra ditionen und Geschichten, die im Museum konserviert werden. Und im Nähmaschinenmuseum er weckt Leonie Brandner den Lö wen(zahn) zum Leben. DIF Thun «Baubüro in situ  –  Die Ästhetik der Wiederverwen dung», Do, 25. Aug. bis Do, 13. Okt., Kunstraum Satellit, Scheibenstrasse 2 (keine Öffnungszeiten, der Schau raum gibt immer Einblick). www.satellit.space

Wir wissen unterdessen, dass Pet-Flaschen zu Pullovern werden können. In der Architektur kann ganz Ähnliches gemacht werden: Bauelemente, die noch jahrzehn telang halten, werden nicht zer stört, sondern für neue Bauten wiederverwendet. Das sogenannte zirkuläre Bauen ist derzeit ein viel beachtetes Phänomen. Es reduziert den Energieverbrauch und die Treibhausgasemissionen in der Erstellungsphase von Bauten. Und bringt viele neue Fragen auf den Tisch: technische, energetische, rechtliche, bis hin zu ästhetischen. Schon vor Jahrtausenden wurden verfallende Bauten für neue Bautä tigkeit wiederverwendet. Das Bau büro in situ und Zirkular, Fachpla nerin für Kreislaufwirtschaft und Wiederverwendung im Baube reich, engagieren sich seit 25 Jah ren im nachhaltigen Bauen. Und teilen ihre Erfahrungen nun in Form einer Ausstellung. DIF BILD(1): BILD(3):

HABIB,CHARLES BILD(2): KERCKHOVEN,VANANNE-MIE

Eine Ausstellung zu Verpflegung, Schlaf, Hygiene, Hilfe, Unterwegs sein, Rückzug: Vier Surprise-Stadtführer*innen beantworten Fragen zu Ob dachlosigkeit in Basel. Lilian, Heiko, Benno und Tito lebten insgesamt 14 Jahre lang auf der Strasse – unter Bäumen, in Garagen oder Notunter künften. Gemeinsam geben sie im Rahmen der Ausstellung Auskunft zu Fragen: «Wo konntet ihr gratis duschen? Wart ihr einsam? Welche Hilfe ist sinnvoll?» Sie sind jeden Tag persönlich vor Ort: Sonntag bis Freitag von 10 bis 13 Uhr, am Samstag von 13 bis 18 Uhr. Eröffnet wird die Aus stellung mit einer Podiumsdiskussion über Konzepte zur Überwindung von Obdachlosigkeit und darüber, was alltägliche Versorgung, Wohnen und Rückzugsmöglichkeiten mit Menschenwürde zu tun haben. Der Fo tograf Charles Habib begleitet seit 2018 Personen, die in Basel auf der Strasse leben. Er hat dabei über die Jahre viele Lebensgeschichten ken nengelernt und von Schicksalsschlägen erfahren. Im kHaus sind nun seine Bilder zu sehen, die von Menschen erzählen, die oft übersehen werden. «Leben am Limit» wurde vom International Network of Social Tours INST organisiert, dem internationalen Netzwerk von Sozialen Stadtrundgängen, zu dessen Gründungsmitgliedern Surprise gehört. DIF Wir sind für Sie da.

365 Tage offen von 8-20 Uhr St. Peterstr. 16 | 8001 Zürich | 044 211 44 77 www.stpeter-apotheke.com ganzheitlichgrundsätzlich

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ZVG

Basel «Leben am Limit – Obdachlos in Basel», Ausstellung, Fr, 2. bis Di, 20. Sept., 9 bis 18 Uhr, Podiumsdiskussion Do, 1. Sept., 18 bis 19.30 Uhr, anschliessend Ausstellungseröffnung; kHaus, Kasernenhof 8. www.khaus.ch

Veranstaltungen

STEPHAN PÖRTNER Der SchriftstellerZürcher Stephan Pörtner wieundSurprise-Verkaufsortebesuchterzählt,esdortsoist.

Hinter der Siedlung wähnt man sich be reits auf dem Land, steht am Rande eines Kornfeldes, im Hintergrund die bewal deten Hügel. Hier warten ein modernes, nicht allzu bequemes Bänklein und der nächste Posten des Begegnungsweges. Der Titel: «Ich fühle mich verpflichtet zu helfen». Ob Ostermundigen einen be sonders hohen Rentneranteil hat oder ob diese besonders gerne diesen Weg ent langgehen, lässt sich nicht feststellen, es sind allgemein wenig Leute unterwegs, am ehesten Frauen mit Kindern und Ein Waskaufstaschen.eshiermehrfach gibt, sind ein stöckige Bauten, in denen sich Ladenge schäfte aneinanderreihen, darunter meist ein sogenanntes Ankergeschäft, ein Discounter etwa, der das Publikum anzieht. Rundherum siedeln sich unabhängige Geschäfte an, etwa ein mediterraner Gemüsehändler, der das Angebot des Discounters ergänzt. Fachmännisch beklopft ein Kunde die Wassermelonen. Da ist ein kleines Café-Restaurant, an dessen Aussen tischen Betrieb herrscht, ein Flair von Grossstadt-Boulevard kommt auf, ein Ehepaar trinkt gepflegt einen kühlen Weissen, Männer, die von der Arbeit kommen oder gerade Pause machen, diskutieren lebhaft, ein Rentner trinkt Kaffee und raucht dazu. Die Leute flanieren vorbei, hier und da wird ge grüsst und geredet. Gegenüber steht ein kleines Einfamilien haus auf einer ungemähten Wiese ohne Zaun. Eine nicht optimale Ausnut zung des Bodens, die etwas aus der Zeit gefallen wirkt, ganz im Gegensatz zu der dahinterliegenden Siedlung, in der es einen Friseur- und Barbiersalon gibt. Sehr beliebt ist der Automat, der Geld verteilt, angebracht an einer Bank, die zu Werbezwecken eine Bank vor der Tür stehen hat, darauf das Motto: Die Bank von Ostermundigen. Darauf muss man erst mal kommen.

In Ostermundigen kommt vieles zusam men. Neben modernen Hochhäusern stehen alte Bauernhöfe, gegenüber dem Familienzentrum mit Ludo- und Bi bliothek die Gelateria und Crêperia, neben der wiederum sich das Kunstreich befindet, das Vergoldungen und Ein rahmungen anbietet. Auf der Quartier strasse ist Tempo 40 vorgeschrieben, eine selten gesehene Höchstgeschwin digkeit im Gegensatz zu Tempo 50 oder 30. An dieser Strasse befindet sich ein kleiner Park oder eher ein Platz, auf jeden Fall ist es eine Station des Begegnungsweges. Ein Plakat weist auf Unterstützung beim Bearbeiten der vielen Papiere für Menschen der Gruppe 60+ hin. Darauf ein Cartoon von einem Mann, der am Telefon versichert, er habe alle Rechnungen bezahlt, er sei frü her Führungskraft gewesen und halte

Surprise 532/22 27 Tour de Suisse

Pörtner in Ostermundigen

Ordnung. Der Tisch vor ihm ist voller Papiere, es soll wohl darstellen, dass der Mann die Sache nicht ganz so im Griff hat, wie er das vorgibt. Auf der Bank davor sitzt ein Mädchen, das solche Probleme, zumindest altersbedingt, noch lange nicht haben wird, und isst eine Glace. Die Strasse führt vorbei an einer Siedlung, die sich im Besitz einer Pensionskasse befindet und saniert wird. Interessant wäre zu wissen, ob den Bewohner*innen der Standard nicht mehr genügt hatte oder ob die Pensionskasse mehr Gewinn erzielen muss.

Surprise-Standorte: Verkaufsstelle Center Einwohner*innen: 18 044 Sozialhilfequote in Prozent: 7,0 Anteil ausländische Bevölkerung in Prozent: 31,0 Bauwerk: Der «Bäre-Tower» mit 100 Metern Höhe und 32 Stockwerken ist das höchste Wohnhaus im Kanton Bern.

Gemeinnützige Frauen Aarau Dipl. Steuerexperte Peter von Burg, Zürich Itsmytime.ch, Stefan Küenzi, Berlingen Beat Vogel - Fundraising-Datenbanken, Zürich Stadt Illnau-E GemeinnützigerretikonFrauenverein

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Der Weg in die Armut führte für Daniel Stutz über die Sucht. Als Jugendlicher rutschte der heute 48-Jährige in die Spielsucht und später in den Konsum harter Drogen. Dank einer Therapie schaffte er vor über 10 Jahren den Ausstieg. Geblieben ist dem Zürcher Surprise-Verkäufer und -Stadtführer ein Schuldenberg. «Den Weg aus der Sucht habe ich hinter mir, der Weg aus der Armut liegt noch vor mir», beschreibt Daniel seine Situation.

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Ständige Mitarbeit Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Simon Berginz, Monika Bettschen, Carlo Knöpfel, Yvonne Kunz, Isabel Mosimann, Fatima Moumouni, Stephan Pörtner, Priska Wenger, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Khabat Abbas, Hisham Arafat, Anna-Theresa Bachmann, Julia Demierre, Michael Hofer, Martina Paukova, Katja WiedergabeZellweger von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise, nur mit Geneh migung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird jede Haftung abgelehnt. Gestaltung und Bildredaktion Bodara GmbH, Büro für Gebrauchsgrafik Druck AVD Goldach Papier Holmen TRND 2.0, 70 g/m2, FSC®, ISO 14001, PEFC, EU Ecolabel, Reach Auflage 27 500 Abonnemente CHF 189, 25 Ex./Jahr Helfen macht Freude, spenden Sie jetzt. Spendenkonto: PC 12-551455-3 IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3 Rätsel aus Aus g abe 529 Lösungswort: SCHLEICHMODUS Die Gewinner*innen werden benachrichtigt. Rätsel aus Aus g abe 530 Lösungswort: MILCHSCHAUMMUENDER Die Gewinner*innen werden benachrichtigt.

Surprise 532/22 29 Wir alle sind Surprise Bitte heraustrennen und schicken an: Surprise, Münzgasse 16, CH-4051 Basel, info@surprise.ngo Vorname, Name Vorname, Name Datum,E-MailTelefonPLZ,PLZ,StrasseStrasseOrtOrtUnterschrift Ich möchte Surprise abonnieren Rechnungsadresse:25Ausgabenzum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.–) Verpackung und Versand bieten Strassenverkäufer*innen ein zusätzliches Einkommen Gönner-Abo für CHF Geschenkabonnement260.–für: 532/22 Imp ressum Herausgeber Surprise, Münzgasse 16 CH-4051 Basel Geschäftsstelle Basel T +41 61 564 90 90 Mo–Fr 9–12 info@surprise.ngo,Uhr surprise.ngo Regionalstelle Zürich Kanzleistrasse 107, 8004 Zürich T  +41 44 242 72 11 M+41 79 636 46 12 Regionalstelle Bern Scheibenstrasse 41, 3014 Bern T  +41 31 332 53 93 M+41 79 389 78 02 Soziale Stadtrundgänge Basel: T +41 61 564 90 rundgangzh@surprise.ngoZürich:rundgangbe@surprise.ngoBern:rundgangbs@surprise.ngo40T+41315585391T+41442427214 Anzeigenverkauf Stefan Hostettler, 1to1 Media T  +41 43 321 28 78 M+41 79 797 94 anzeigen@surprise.ngo10 Redaktion Verantwortlich für diese Ausgabe: Klaus Petrus (kp) Sara Winter Sayilir (win), Diana Frei (dif) Reporter*innen: Andres Eberhard (eba), Lea Stuber (lea) T +41 61 564 90 70 F +41 61 564 90 leserbriefe@strassenmagazin.chredaktion@strassenmagazin.ch99

V G J H V A L P O L I C E L L A M L L E R I E N R H A U S B A U M V R M I X E D S S P A M B E S T I E N M L I N C O L N I N C H C E M P O R A K I H S H I R T T A R G O S L U N T E P B E R R A H P U B I G E B E N M R O H E T E G E L S T U V A L U M A I L G H E U E T D D M M J E M E N I L O V E B E R E U E N F S C H E M E L L A R S R E I C H G R E T S U D A N H G A S S I F L I R T S E J U W E L M B E O A K U G E L L D A U I G R A M M D E R E I N S T M U C K H E R I N G E A S E SCHLEICHMODUS A A K M V E R S C H W I N D E N D U N A R O C H E D O P A M I N D Z H M I L O S R L I N O P E N A T E N R E R L E S E N U N A U N K R E T E M U N G S A M O A U O M E G A S E S A M R M I T R A I F C L C N A X O S N L E M H R H E I N B S A F A R I A R A S X P I L O T O S U U R E G A L J G L A S T E L E F O N P H U B R A U M R E N S D E M I S A T U T T E N O R L S C H O T R A T T A N L P F O T E D O D E L E M A I L U E I D A F A R C E L O E S C H E N M A A R O N A S S I S V B S MILCHSCHAUMMUENDER

Mihreteab Haileslassie verkauft Surprise im Berner Wittigkofen-Quartier und fühlt sich in der Nachbar gemeinde Gümligen nach acht Jahren wie zuhause. von ISABEL MOSIMANN

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Surp rise-Porträt «Es ist fast wie im Paradies»

Aufgezeichnet

Neben der Arbeit lerne ich mit dem Chef in der Küche jetzt auch noch Italienisch. Das ist lustig, denn eigentlich sollte und wollte ich ja noch mein Deutsch verbessern!

«Ich verkaufe seit gut drei Jahren Surprise. Davor hatte ich lange Zeit Mühe, eine Arbeit zu finden. Ich bin im Frühling 2014 in die Schweiz gekommen und habe hier Asyl beantragt, weil ich aus Eritrea geflüchtet bin, genauer gesagt: aus dem Militärdienst in Eritrea. Nach meiner Ankunft dauerte es einige Monate, bevor ich mit Deutschkursen beginnen konnte. Später absolvierte ich eine sechsmonatige Ausbildung im Bereich Reini gung. Trotzdem fand ich danach keine feste Arbeits stelle, sondern nur Temporär- und Praktikumseinsätze, mal in einer Wäscherei, mal in einem Altersheim. Weil ich aber unbedingt arbeiten wollte, habe ich schliesslich mit dem Verkaufen von Surprise angefangen. Auf die Idee brachte mich mein Bruder, der schon länger in der Schweiz lebt und auch eine Zeit lang Surprise verkauft Meinenhatte.

FOTO: PETRUSKLAUS

Aber nicht nur in Gümligen fühle ich mich wohl, die ganze Schweiz gefällt mir und hat viele gute Seiten, es ist fast wie im Paradies. Deshalb verstehe ich manchmal nicht, weshalb so viele Menschen im Tram oder auf der Strasse so böse oder traurig aussehen. Wenn man in einem solchen Land lebt, müssten die Menschen doch viel glücklicher sein!»

Verkaufsort beim Quartierzentrum Wittigkofen, am östlichen Stadtrand von Bern, habe ich selbst ge funden. Ich wohne ganz in der Nähe, in Gümligen, und habe gesehen, dass dort niemand Surprise verkauft. Also bin ich in die Migros gegangen und habe gefragt, ob es erlaubt ist, hier Hefte zu verkaufen. Als ich das Okay hatte, meldete ich mich im Surprise-Regionalbüro Bern und konnte schon bald mit dem Heftverkauf Imbeginnen.Wittigkofen-Quartier

hat es viele Hochhäuser, wo Leute aus der ganzen Welt wohnen. Das heisst, es gibt ziemlich viele, die nicht so gut Deutsch sprechen und sich deshalb nicht für das Heft interessieren. Ich habe es aber trotzdem geschafft, mir langsam eine Stammkundschaft aufzubauen. Der Kontakt zu den Menschen im Quartier und hier und da ein kurzes Ge spräch freuen mich sehr. Oft biete ich den Leuten, die vom Einkauf kommen, meine Hilfe beim Tragen der Taschen an. Die meisten lehnen dankend ab, doch einem Mann im Rollstuhl helfe ich regelmässig beim Einkaufen. Manchmal gehen wir danach noch Kaffee Seittrinken.drei Monaten bleibt mir für Surprise kaum noch Zeit, denn ich habe – zum Glück – eine Stelle gefunden. Ich arbeite als Küchenhilfe im ‹Il Grissino›, einem bekannten italienischen Restaurant in Bern. Die Arbeit ist streng, aber es gefällt mir sehr dort, wir haben ein gutes Team und helfen einander, wo es geht.

Seit ich diese Arbeit habe, geht es mir viel besser. Ich konnte mich endlich bei der Sozialhilfe abmelden und somit auch den Antrag für den Nachzug meiner Frau stellen. Wir kennen uns aus Eritrea. Sie lebt mittlerweile in Äthiopien und wartet darauf, dass sie in die Schweiz reisen darf. Weil sie hoffentlich schon bald kommt, suche ich eine grössere Wohnung. Ich lebe jetzt in einer Einzimmerwohnung und möchte eine Zwei- oder Dreizimmerwohnung, am liebsten in Gümli gen. Ich wohne seit bald acht Jahren hier und finde es super. Ich habe viele Kontakte in der Nachbarschaft, mit Leuten aus der Schweiz, aus Eritrea, aber auch aus anderen Ländern. Eine ältere, sehr nette Schweizer Frau hat mich schon öfter zum Kaffee eingeladen. Für mich ist klar, ich will einfach in Gümligen bleiben!

VOMCHEFINEpisodeAUFSTIEGEpisodeABSTURZEpisodeAufTITOSpotify,ApplePodcastsundwww.surprise.ngo/titoJETZTREINHÖREN123Episode4KOMPLIMENTEpisode5PREMIEREOBDACHLOSENZUMSTADTFÜHREREinePodcastserievonSurpriseinfünfTeilen Lebensfreude Zugehörigkeits-gefühlEntwicklungs-möglichkeitenUnterstützung ExpertenrolleJob SURPRISE WIRKT Surprise unterstützt seit 1998 sozial benachteiligte Menschen in der Schweiz. Unser Angebot wirkt in doppelter Hinsicht – auf den armutsbetroffenen Menschen und auf die Gesellschaft Wir arbeiten nicht gewinnorientiert, finanzieren uns ohne staatliche Gelder und sind auf Spenden und Fördergelder angewiesen. Spenden auch Sie. surprise.ngo/spenden | Spendenkonto: PC 12 551455-3 | IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3 Solidaritätsgeste Erlebnis Perspektiven-wechsel Kultur SoEntlastungzialwerke Information BEGLEITUNGUNDBERATUNG STRASSEN-FUSSBALL C STSURPRISEAFÉSOZIALEADTRUND-GÄNGESTRASSEN-STRASSEN-CHORMAGAZIN INS_Kurzportraet_GzD_Layout 1 09.05.17 15:43 Seite 1

Café Surprise – eine Tasse Solidarität Zwei bezahlen, eine spendieren. BETEILIGTE CAFÉS IN AARAU Rest. Schützenhaus, Aarenaustr. 1 | Rest. Sevilla, Kirchgasse 4 IN ARLESHEIM Café Einzigartig, Ermittagestrasse 2 IN BACHENBÜLACH Kafi Linde, Bachstr. 10 IN BASEL Bäckerei KULT, Riehentorstr. 18 & Elsässerstr. 43 | BackwarenOutlet, Güterstr. 120 | Bioladen Feigenbaum, Wielandplatz 8 Bohemia, Dornacherstr. 255 | Elisabethen, Elisabethenstr. 14 | Flore, Klybeckstr. 5 | frühling, Klybeckstr. 69 | Haltestelle, Gempenstr. 5 | FAZ Gundeli, Dornacherstr. 192 | Oetlinger Buvette, Unterer Rheinweg | Quartiertreff Kleinhüningen, Kleinhüningerstr. 205 | Quartiertreff Lola, Lothringerstr. 63 Les Gareçons to go, Bad. Bahnhof | L‘Ultimo Bacio, Güterstr. 199 | Didi Offensiv, Erasmusplatz 12Café Spalentor, Missionsstr. 1a | HausBAR Markthalle, Steinentorberg 20 | Shöp, Gärtnerstr. 46 | Tellplatz 3, Tellplatz 3 | Treffpunkt Breite, Zürcherstr. 149 Wirth‘s Huus, Colmarerstr. 10 IN BERN Äss-Bar, Länggassstr. 26 & Marktgasse 19 | Burgunderbar, Speichergasse 15 | Generationenhaus, Bahnhofplatz 2 | Hallers brasserie, Hallerstr. 33 | Café Kairo, Dammweg 43 | MARTA, Kramgasse 8 | MondiaL, Eymattstr. 2b | Tscharni, Waldmannstr. 17a | Lehrerzimmer, Waisenhausplatz 30 | LoLa, Lorrainestr. 23 Luna Llena, Scheibenstr. 39 | Brasserie Lorraine, Quartiergasse 17 | Dreigänger, Waldeggstr. 27 | Löscher, Viktoriastr. 70 | Sous le Pont, Neubrückstr. 8 Rösterei, Güterstr. 6 | Treffpunkt Azzurro, Lindenrain 5 | Zentrum 44, Scheibenstr. 44 | Café Paulus, Freiestr. 20 Becanto, Bethlehemstrasse 183 | Phil’s Coffee to go, Standstr. 34 IN BIEL Äss-Bar, Rue du Marché 27 | Inizio, Freiestrasse 2 | Treffpunkt Perron bleu, Florastrasse 32 IN BURGDORF Bohnenrad, Bahnhofplatz & Kronenplatz | Specht, Hofstatt 5 IN CHUR Café Arcas, Ob. Gasse 17 | Calanda, Grabenstr. 19 | Café Caluori, Postgasse 2 | Gansplatz, Goldgasse 22 | Giacometti, Giacomettistr. 32 | Kaffee Klatsch, Gäuggelistr. 1 | Loë, Loestr. 161 | Merz, Bahnhofstr. 22 | Punctum Apérobar, Rabengasse 6 Rätushof, Bahnhofstr. 14 | Sushi Restaurant Nayan, Rabengasse 7 | Café Zschaler, Ob. Gasse 31 IN DIETIKON Mis Kaffi, Bremgartnerstr. 3a IN FRAUENFELD Be You Café, Lindenstr. 8 IN LENZBURG Chlistadt Kafi, Aavorstadt 40 | feines Kleines, Rathausgasse 18 IN LIESTAL Bistro im Jurtensommer, Rheinstr. 20b IN LUZERN Jazzkantine zum Graben, Grabenstr. 8 | Meyer Kulturbeiz & Mairübe, Bundesplatz 3 | Blend Teehaus, Furrengasse 7 | Quai4-Markt, Baselstr. 66 & Alpenquai 4 | Rest. Quai4, Alpenquai 4 | Bistro Quai4, Sempacherstr. 10 | Pastarazzi, Hirschengraben 13 | Netzwerk Neubad, Bireggstr. 36 | Sommerbad Volière, Inseli Park | Rest. Brünig, Industriestr. 3 | Arlecchino, Habsburgerstr. 23 IN MÜNCHENSTEIN Bücher- und Musikbörse, Emil-Frey-Str. 159 IN NIEDERDORF Märtkaffi am Fritigmärt IN OBERRIEDEN Strandbad Oberrieden, Seestr. 47 IN RAPPERSWIL Café good, Marktgasse 11 IN SCHAFFHAUSEN Kammgarn-Beiz, Baumgartenstr. 19 IN STEIN AM RHEIN Raum 18, Kaltenbacherstr. 18 IN ST. GALLEN S’Kafi, Langgasse 11 IN WIL Caritas Markt, Ob. Bahnhofstr. 27 IN WINTERTHUR Bistro Dimensione, Neustadtgasse 25 | Bistro Sein, Industriestr. 1 IN ZUG Bauhütte, Kirchenstrasse 9 Podium 41, Chamerstr. 41 IN ZÜRICH Café Noir, Neugasse 33 | Café Zähringer, Zähringerplatz 11 | Cevi Zürich, Sihlstr. 33 | das GLEIS, Zollstr. 121 | Kiosk Sihlhölzlipark, Manessestrasse 51 | Quartiertr. Enge, Gablerstr. 20 | Quartierzentr. Schütze, Heinrichstr. 238 | Flussbad Unterer Letten, Wasserwerkstr. 141 jenseits im Viadukt, Viaduktstr. 65 | Freud, Schaffhauserstr. 118 | Kumo6, Bucheggplatz 4a | Sport Bar Cafeteria, Kanzleistr. 76 | Zum guten Heinrich Bistro, Birmensdorferstr. 431 Weitere Informationen: surprise.ngo/cafesurprise

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