Strassenmagazin Nr. 514 3. bis 16. Dezember 2021
CHF 6.–
Advent
Wild Alles auf den Kopf gestellt: Surprise-Verkaufende und -Stadtführer*innen machen ein Heft.
davon gehen CHF 3.– an die Verkäufer*innen
Bitte kaufen Sie nur bei Verkäufer*innen mit offiziellem Verkaufspass
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VOM OBDACHLOSEN ZUM STADTFÜHRER
TITO
JETZT N RE Ö H N I RE
Episode 1 | 10.11.21
ABSTURZ Episode 2 | 24.11.21
AUFSTIEG Episode 3 | 08.12.21
CHEFIN Episode 4 | 22.12.21
KOMPLIMENT Episode 5 | 05.01.22
PREMIERE 2Auf Spotify, Apple Podcasts und www.surprise.ngo/tito
Surprise S Sur Su urrpri rpr prise pri se 514/21 se 5114 514 5 14/21 /2
TITELBILD: TERSITO «TITO» RIES
Editorial
Auf den Kopf gestellt Mit diesem Heft wagen wir einen Perspektivenwechsel. Wir stellen unsere Sicht auf die Welt sozusagen auf den Kopf: Denn normalerweise sind es ja vor allem wir Journalist*innen, die den Blick und die Gedanken beim Lesen dieses Magazins lenken. Wir recherchieren nach, wir ordnen ein, wir geben Texte in Auftrag. Wir hoffen und wissen dank der Leserbriefe auch, dass Sie, liebe Leser*innen, sich Ihre eigenen Gedanken machen und auch nicht mit allem einverstanden sind – und wir sind froh drum und danken an dieser Stelle dafür.
Oder wie Opfer und Täter*innen sich begegnen können und was das auslöst. Unbeabsichtigt hat sich mit dem Gefängnisalltag ein kleiner Themenschwerpunkt herausgebildet. Sie werden denken: Zu Weihnachten! Aber weil es darum geht, über sein Leben nachzudenken, passen die Texte sogar sehr gut in die besinnliche Zeit.
Nun haben wir für dieses Heft die Autorenschaft fast ganz abgegeben – an SurpriseVerkäufer*innen und -Stadtführer*innen. Das ist nicht als nette Geste gemeint und nicht als lustige Spielerei. Der Gedanke dahinter ist: Die «Surprisler*innen» bringen andere Erfahrungen mit als wir selbst. Das kann Lebenserfahrung sein, Erfahrung auf der Gasse, mit Armut, Flucht, Ausgrenzung. Und es kann Wissen sein. Darüber, wie der Strafvollzug funktioniert.
Zugegeben – ein ganzes Heft mit Verkäufer*innen und Stadtführer*innen statt mit professionellen Journalist*innen und Fotograf*innen zu machen, war für uns ein ungewohnter und auch nicht ganz reibungsfreier Prozess. Wir finden aber, es hat sich gelohnt.
4 Aufgelesen 5 Was bedeutet eigentlich …?
Resozialisierung 5 Fokus Surprise
8 Gefängnis
Heiligabend hinter Gittern
Und auch das Interview mit Richard Brox, dem wohl berühmtesten ehemaligen Obdachlosen von Deutschland, lebt davon, dass Interviewer Hans Peter Meier aus eigener Erfahrung weiss, wovon Brox spricht.
DIANA FREI
Redaktorin
22 Obdachlosigkeit
26 Veranstaltungen
«Alleine bist du auf der Strasse ausgeliefert» 27 Tour de Suisse Pörtner in Höngg
12 Schenken
«Hände weg von Gäulen!»
28 SurPlus Positive Firmen
Dynamik im Betrieb 18 Lebensgeschichten 6 Verkäufer*innenkolumne
Unsere Schreibgruppe 7 Die Sozialzahl
Vom Renten- zum Referenzalter
Surprise 514/21
«Ich schaue ganz zufrieden auf dieses Jahr zurück»
29 Wir alle sind Surprise Impressum Surprise abonnieren 30 Kundinnen-Porträt
«Soziale Probleme zur Sprache bringen»
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Aufgelesen News aus den 100 Strassenzeitungen und -magazinen in 35 Ländern, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.
Trockener Fluss Der brasilianische Paraná-Fluss droht auszutrocknen, er führt so wenig Wasser wie zuletzt in der verheerenden Dürreperiode von 1944. Gründe dafür sind die intensive Abholzung durch die Agrarindustrie sowie gross angelegte Bauprojekte. Dadurch wird nicht allein die Natur unwiderruflich geschädigt, auch die Fischer, die am Paraná leben, verlieren nach und nach ihre Lebensgrundlage.
FOTOS: PEPE MATEOS
HECHO EN BS. AS., BUENOS AIRES
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Fakten zum Klimawandel Über die tatsächlichen Auswirkungen des Klimawandels wird immer wieder gestritten. Nun haben Berliner Forschende 102 000 Studien zum Thema ausgewertet. Das Resultat: 80 Prozent der weltweiten Landfläche sind bereits jetzt vom Klimawandel betroffen, sei es durch veränderte Ökosysteme, schmelzende Gletscher, steigende Seen oder Umweltmigration.
BODO, DORTMUND
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Surprise 514/21
Resozialisierung
FOTO: RUBEN HOLLINGER
Was bedeutet eigentlich …? «Surprise bleibt nahe dran – auch über die Festtage.» Jannice Vierkötter
Die Zeit im Gefängnis soll nicht nur Strafe sein – sondern auch dazu führen, dass Straffällige sich nach der Entlassung wieder in die Gesellschaft eingliedern. Die Idee, dass Freiheitsentzug einen humaneren, sinnvolleren Zweck als Vergeltung verfolgen sollte, existiert seit der Aufklärung. Die Resozialisierung wurde in der Schweiz 1942 als Ziel des Strafvollzugs im Gesetz verankert. Dieser solle «erziehend auf den Gefangenen einwirken und ihn auf den Wiedereintritt in das bürgerliche Leben vorbereiten». 2007 wurde das Strafgesetzbuch revidiert und die Formulierung abgeschwächt. Seither soll der Strafvollzug unter anderem «das soziale Verhalten des Gefangenen fördern, insbesondere die Fähigkeit, straffrei zu leben». Ob die Zeit hinter Gittern bei der Resozialisierung hilft, wird angezweifelt. Schliesslich wird in der Schweiz jede*r zweite Entlassene innerhalb von fünf Jahren erneut verurteilt. Zudem sitzen die allermeisten Straffälligen derart kurz im Gefängnis, dass keine Zeit für resozialisierende Massnahmen bleibt – in der Schweiz verbüssen vier von fünf Insass*innen eine Freiheitsstrafe von weniger als sechs Monaten. Kritiker*innen gehen davon aus, dass Strafvollzug eher zur Reproduktion von Kriminalität beiträgt. Der Gefängnisaufenthalt bringe negative soziale Folgen mit sich, während längst nicht alle Gefangenen Sozialisationsdefizite haben und auch nicht alle für entsprechende Massnahmen zugänglich ist. Ob die Zeit im Gefängnis mehr ist als nur Strafe hängt letztlich auch daran, ob die Gesellschaft bereit ist, sozialisierungswillige Straftäter*innen wohlwollend aufzunehmen. EBA Quelle: Claudio Besozzi: Resozialisierung. In: Wörterbuch der Schweizer Sozialpolitik. Zürich und Genf, 2020.
Surprise 514/21
Fokus Surprise
Wenn die Dynamik sich ändert Es gibt Menschen, die werden regelrecht vom Weihnachtstrubel eingenommen. Guetzli backen, dekorieren, grosse Pläne schmieden für das perfekte Familienfest. Andere wiederum merken erst kurz vor den Feiertagen, dass eine besondere Zeit ansteht. Und das auch nur, weil sich die Arbeitskolleg*innen mit frohen Wünschen in die Weihnachtsferien verabschieden. Bei Surprise ist die Weihnachtszeit stets aussergewöhnlich. Kaum jemand kann sich der Dynamik entziehen. Die Adventszeit beeinflusst den Strassenverkauf, den Chor, die Sozialen Stadtrundgänge oder den Strassenfussball auf ganz unterschiedliche Art. Fast das Gegenteil von dem, was der Chor jetzt erlebt, gilt für den Heftverkauf. In den drei Surprise-Regionalstellen in Basel, Bern und Zürich, wo die rund 450 Verkäufer*innen ihre Hefte beziehen und von den Sozialarbeiter*innen begleitet werden, bedeutet diese Zeit in erster Linie eins: reger Betrieb. Wie es von Spielzeugläden oder Buchhandlungen bekannt ist, steht auch für die Surprise-Verkäufer*innen das Weihnachtsgeschäft an. Die Anspannung darüber, ob das Weihnachtsgeschäft so ausfallen wird wie erhofft, ist jedes Jahr spürbar. Bei langjährigen Verkaufenden ebenso wie bei jenen, die noch nicht so viel Erfahrung im Verkauf haben. Im Vergleich zu den vorherigen Monaten herrscht in den Regionalstellen eine umtriebige Stimmung. Je näher die Festtage rücken, desto mehr löst ein Gefühl der Erleichterung die Unruhe ab. Erleichterung darüber, dass die Kundschaft – Sie, liebe Leserin, lieber Leser – interessiert und wohlwollend ist.
Ganz anders verhält es sich etwa im Surprise Strassenchor. Hier herrscht kein geschäftiger Tatendrang. Im Zentrum steht das Zusammensein, weit weg von der Hektik. Viele Mitglieder des Chors kämpfen mit der Einsamkeit. Deshalb hat sich das Weihnachtsessen des Chors für viele Sänger*innen zu einem regelrechten Lichtblick des Jahres entwickelt. Es gibt warme Suppe, alle bringen ein Wichtelgeschenk mit, man versammelt sich um das offene Feuer und singt zusammen Weihnachtslieder. Gegen Ende des Abends äussern alle ihren persönlichen Wunsch für die Zukunft. Meist geht es um die eigene Gesundheit, um den sozialen Anschluss und natürlich ums gemeinsame Singen. Die Sozialarbeiter*innen, Angebotsleiter*innen und Mitarbeiter*innen von Surprise sind bemüht, den unterschiedlichen Ansprüchen gerecht zu werden. Gleichzeitig gilt für Surprise, die Stabilität zu wahren und auch für das kommende Jahr parat zu sein. Die aktuelle Zeit mag aussergewöhnlich sein. Die Normalität, und dazu gehört die prekäre Lebenssituation armutsbetroffener und sozial benachteiligter Menschen, ist nicht weit entfernt: unbezahlte Rechnungen, der behördliche Streit um den Familiennachzug, die drohende Obdachlosigkeit oder die fehlende finanzielle Absicherung. Deshalb bleibt Surprise nah dran – über die Festtage und auch danach. Ich würde mich freuen, wenn Sie es auch bleiben. JANNICE VIERKÖT TER,
Co-Geschäftsleitung Surprise
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ILLUSTRATION: JULIA SAURER
Verkäufer*innenkolumne
Unsere Schreibgruppe Am Anfang existierte nicht viel mehr als die Idee von Surprise-Mitarbeiter*innen, dass es interessant wäre, wenn Verkäufer*innen Beiträge in Form von Kurzgeschichten – in der Schule haben wir Aufsatz dazu gesagt, hier nennt man es Kolumnen – schreiben würden. Da wusste noch niemand von uns Interessierten, wie so eine Geschichte genau aussehen soll – ausser Urs Habegger, der schon vorher viel geschrieben hatte. Urs verkauft Surprise beim Bahnhof Rapperswil und hatte schon damals, beim ersten Treffen, mehr als nur einen Text dabei, und das auch noch in der passenden Länge. Ich selber brachte zwei Geschichten mit. Die Idee war, dass wir Erfahrungen rund um den Verkauf von Surprise als Ausgangspunkt für unsere Texte nehmen, falls wir sonst keine Idee hätten. So erzählte ich in meiner ersten 6
Geschichte von einem Erlebnis beim Verkauf, die zweite handelte dann von etwas ganz anderem: nämlich vom Stricken und vom Verschwinden der Wullelädeli in der Stadt. Den Text habe ich in Zusammenarbeit mit dem Schriftsteller und Surprise-Kolumnisten Stephan Pörtner fertiggestellt, der unsere Arbeit mitbetreut. Was mich dann völlig überrascht und darum umso mehr erfreut hat, waren die vielen Reaktionen der Leser*innen. Ich war fast überfordert und konnte mich kaum richtig bedanken für all die grosszügigen und liebevollen Reaktionen. Daher heute nochmals vielen Dank an alle. Seit meiner Kolumne über die Wullelädeli habe ich nun schon zwei Pullover und ein Jäckchen gestrickt. Auch werde
ich weiter stricken. Ich bin daran, Muster auszuprobieren und Schnittmuster selbst zu zeichnen. So komme ich auf neue Ideen. Und auch auf neue Themen, die eine Kolumne wert wären. Sie können also auch weiterhin gespannt sein auf unsere Texte, denn wir machen alle weiter. Wir sind Originale – wie alle SurpriseVerkäufer*innen. Zudem sind wir weiterhin lernfähig und wissbegierig, eine tolle Gruppe, und ich gehöre dazu, obwohl ich sonst eher Einzelgängerin bin. KARIN PACOZZI, 55, verkauft Surprise in Zug. Sie macht viele kreative Arbeiten: Schreiben, Malen, Zeichnen, Basteln, Gestecke und Blumensträusse. Sie ist froh, dass sie gelernt hat, sich die Zeit so einzuteilen, dass sie sich all dem widmen kann.
Die Texte für diese Kolumne werden in Workshops unter der Leitung von Surprise und Stephan Pörtner erarbeitet. Die Illustration zur Kolumne entsteht in Zusammenarbeit mit der Hochschule Luzern – Design & Kunst, Studienrichtung Illustration.
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Die Sozialzahl
Vom Renten- zum Referenzalter Das Rentenalter war gestern, heute geht es um die Festlegung des Referenzalters. Das Referenzalter markiert den Zeitpunkt, an dem die Versicherten eine Altersrente bei der AHV und der beruflichen Vorsorge ohne Kürzung und ohne Zuschlag beanspruchen können. Das Referenzalter dient auch der Koordination mit anderen Sozialversicherungen, etwa der Arbeitslosenversicherung und der Übergangsleistungen. Im Moment liegt das Referenzalter in der Altersvorsorge für Frauen noch bei 64, für Männer bei 65 Jahren. Die neue Begrifflichkeit suggeriert eine gewisse Flexibilität beim Austritt aus dem Arbeitsmarkt. So gibt es Leute, die vor dem Referenzalter aufhören zu arbeiten und damit eine Kürzung der Rente in Kauf nehmen. Andere arbeiten über das Referenzalter hinaus und können von Zuschlägen profitieren. Die wenigsten beenden ihre Erwerbstätigkeit mit dem Erreichen des Referenzalters. Im Zeitraum 2018–2020 waren ein Jahr vor dem Erreichen des Referenzalters nur noch 56 Prozent der Männer im Arbeitsmarkt. Bei den Frauen lag der Anteil der noch Erwerbstätigen bei 52 Prozent. Demgegenüber waren im gleichen Zeitraum 36 Prozent der Männer und 28 Prozent der Frauen über das Referenzalter hinaus noch erwerbstätig.
Die Neurenten-Statistik für das Jahr 2019 erzählt aber eine andere Geschichte. So beträgt die mittlere monatliche Rente aus der beruflichen Vorsorge jener Männer, die vor Erreichen des Referenzalters in Pension gehen, trotz Kürzungen 2702 Franken; die Rente jener, die mit Erreichen des Referenzalters aufhören zu arbeiten, aber nur 1785 Franken. Offensichtlich muss man sich eine Frühpensionierung leisten können. Bei den Frauen sieht das anders aus. Je länger sie im Arbeitsmarkt verbleiben, desto höher ist die Rente aus der zweiten Säule. Frauen, die sich vor dem Referenzalter pensionieren lassen, erhalten eine mittlere Rente vom 1321 Franken, jene, die bei Erreichen des Referenzalters aufhören zu arbeiten, 990 Franken, und jene, die nach dem Referenzalter aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden, 1410 Franken. Im Vergleich der Renten aus der beruflichen Vorsorge zeigt sich nicht nur der sogenannte Gender-Pension-Gap, also der geschlechtsspezifische Unterschied, sondern auch der unterschiedliche Verlauf der Erwerbsbiografien von Frauen und Männern. Das hat offensichtlich mit den unterschiedlichen Rollen der Eltern in den Familien zu tun. Frauen haben bis heute mehr Unterbrüche in ihren Erwerbsverläufen, arbeiten öfter Teilzeit und treten häufiger als Männer vor Erreichen des Referenzalters aus dem Arbeitsmarkt aus, weil sie – unentgeltlich – ihre Enkelkinder hüten oder ältere Angehörige betreuen. Was wird passieren, wenn das Referenzalter für alle bei 65 Jahren festgelegt wird?
INFOGRAFIK: BODARA ; QUELLE: BUNDESAMT FÜR STATISTIK: NEURENTENSTATISTIK, 2019.
Wie zeigt sich diese Flexibilität im Arbeitsmarkt bei den Renten? Man würde es gerne sehen, dass Menschen mit besonders belastenden Erwerbsbiografien, die oft auch von tiefen Löhnen begleitet sind, eher aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden können als jene mit guter Ausbildung und hohem Erwerbseinkommen.
PROF. DR. CARLO KNÖPFEL ist Dozent am Institut Sozialplanung, Organisationaler Wandel und Stadtentwicklung der Hochschule für Soziale Arbeit der Fachhochschule Nordwestschweiz.
Mittlere monatliche Neurenten in der 2. Säule nach Bezugszeitpunkt und Geschlecht (2019); in CHF
2702.– 1321.– Erstbezug vor Erreichen des Referenzalters
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Frauen Männer
1785.– 990.– Erstbezug beim Erreichen des Referenzalters
2143.– 1410.– Erstbezug nach Erreichen des Referenzalters
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Heiligabend hinter Gittern Gefängnis Insgesamt vier Mal hat Tito Ries die Feiertage in Unfreiheit verbracht – und sehr unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Der Surprise-Stadtführer schildert seine Erinnerungen. TEXT TERSITO «TITO» RIES
2017 Vorzeitiger Vollzug im Bässlergut, Basel Nach drei Monaten U-Haft im Waaghof, mit unerträglichen Schmerzen in Bein und Gesässmuskel (konnte mich nur noch mit Stöcken fortbewegen) und Schlafstörungen auch infolge des Alk-Entzugs, beantragte ich eine Versetzung in den «vorzeitigen Vollzug». Zwei Wochen später landete ich im Bässlergut. Die Vorteile des «vorzeitigen Vollzugs» sind bemerkenswert: Die Zellentür bleibt den ganzen Tag offen, man kann tagsüber immer telefonieren, solange das Geld reicht. Zwei Mal pro Woche bekam ich Besuch von meiner Freundin Hirijet und meiner Familie. Die Zellen haben eine Dusche – ich liebe ausgiebiges Duschen und die Wärme. Und ich konnte arbeiten, was im Waaghof eher schwierig ist. Taschengeld ist wichtig. Wie schon die drei Monate zuvor im Waaghof kam ich in den Genuss einer Einzelzelle. Diesmal war’s mir nur recht, ich wollte einfach nur meine Ruhe haben. Mir war klar, dass ich’s diesmal wirklich selber verkackt hatte. Hirijet würde nun meinetwegen durch die Hölle gehen … ich brauchte nun echt viel Zeit für mich, das zu verarbeiten. Ich ging jede einzelne Situation der letzten Jahre nochmals durch. Meine Gedanken kreisten hauptsächlich um meine Liebste und wie ich dies alles wieder geradebiegen könne. Mir war bewusst, dass ich diesmal von der Justiz so richtig hart rangenommen werden würde, dass sie alle Trickkisten einsetzen würden, um mich möglichst lange festzuhalten. So ein Vollidiot, sagte ich mir, wie konnte ich mich nur derart gehen lassen? Vier Tage am Stück hatte ich mich mit Hochprozentigem volllaufen lassen, dazu gekifft und rumgetobt wie ein Irrer. Nun gab es nur einen Weg: Den Kontakt zur Gasse abbrechen und was Sinnvolles arbeiten, das Leben geniessen ohne Alk. Der erste Schritt war eine feste Tagesstruktur – Planung ist die halbe Miete. Training, Lesen, Stichworte aufschreiben, was ich besser machen kann/muss/will, und ab sofort umsetzen. Einen konstruktiven Austausch mit anderen Inhaftierten aufbauen. Arbeiten, alle Pendenzen der Reihe nach angehen – dabei immer positiv bleiben. Und an mir arbeiten, egal, wieviel Kraft es mich kostet. Die Anklageschrift rauschte in meine Zelle – oje, ich hatte es geahnt, diesmal würden sie mich richtig «ficken», wie wir es nannten, wenn sie einen hart bestrafen wollten. Fast gleichzeitig und zu meiner Überraschung kam der Chef vom Hausdienst auf uns zu: Wollt ihr an Weihnachten gemeinsam für die ganze Station kochen? Die Ablenkung kam gelegen. Allerdings war mir nicht ganz wohl bei der Sache. Lauter Kriminelle mit riesigen Messern allein in der Küche? Die meisten waren doch wegen Körperverletzung hier! Mein Stress hing direkt mit meiner Inhaftierung zusammen: Ich war auf der Strasse von zwei Typen angegriffen worden – einer davon stach zwanzig bis dreissig Mal mit einem Messer auf mich ein, doch die Polizei liess beide lau8
fen. Deshalb war ich damals vier Tage ausgerastet, meine Nerven lagen sowieso schon blank, weil mir zu dem Zeitpunkt erneut Obdachlosigkeit drohte. Und nun liess man uns mit Messern in der Küche rumhantieren. Zu meinem Erstaunen blieb alles ganz friedlich. Als wir das Essen servierten, fielen alle wie Raubtiere darüber her – doch es kamen keinerlei Festtagsgefühle oder Freude am Zusammensein auf. Jeder zog sich in seine Zelle zurück und war in Gedanken bei seinen Liebsten. Ein trauriges Festmahl, aber es hat wunderbar geschmeckt – und das zählt ja auch. Was mir Nähe gab, waren die täglichen Telefonate mit Hirijet. Mit meinen Söhnen und meinem Vater hatte ich auch oft Kontakt. Die vielen Besuche ohne Panzerglas und der Besuch vom Beistand meiner Liebsten sowie von der Gassenarbeit Schwarzer Peter gaben mir etwas Vertrauen, nicht ganz verloren und vergessen zu sein. Dies hat mir Kraft gegeben, weiter zu kämpfen und trotz aller Widrigkeiten zu versuchen, das Beste aus meiner Misere zu machen. 2018 Vollzug in Lenzburg Beim Betreten dieser Hardcore-Vollzugsanstalt bekam ich das allererste Mal seit Jahren weiche Knie … mir drehte es den Magen um. Dort kommt man durch einen unterirdischen Gang direkt ins Zentrum eines sternförmig angelegten Gebäudes. Erst glaubte ich mich in einem Albtraum, doch auch Augenreiben half nicht weiter. Der erste Typ, den ich zu sehen bekam, glich Godzilla mit seinen aufgepumpten Muskeln. Später lernte ich ihn als gemütlichen, hilfsbereiten Copain kennen, der mir im Fitness auf die Sprünge half. Der zweite Typ starrte mich mit durchdringendem Blick an. Dieselbe Figur wie der erste, und dieser Blick – war das ein Killer?, fragte ich mich. Später übte er mit mir Spanisch. Erstmal war ich froh, in meine Zelle eingeschlossen zu werden, 15 cm Stahl zwischen mir und allen anderen. Wo war ich hier bloss gelandet? Die Zelle war 7,5 m2 gross, zweckmässig, bis ins Detail durchdacht möbliert und erst kürzlich renoviert. Dort war ich zufrieden. Es erinnerte mich an meinen kleinen Camper – alles in unmittelbarer Reichweite, und zu putzen gab’s auch nicht viel. Auch zu essen gab es was Anständiges: Aufschnitt, Käse, Gurken, Eier. Ich war in Hochstimmung. Nun interessierten mich zwei Dinge brennend: die Hausordnung und das Freizeitangebot. Die Hausordnung las ich in einem Zug durch und fand darin den Schlüssel zum Aufgleisen meines schnellen Austrittes. Mein Ziel: in neun Monaten würde ich hier raus sein. (Ich brauchte letztlich fünf Tage länger.) Mein Plan: sechs Monate durchhalten, die Appellation zurückziehen (ansonsten würde es keine Vollzugslockerungen geben) und einen Antrag auf Versetzung stellen. Also Klappe halten, sagte ich mir, jeden Tag arbeiten, Freizeitaktivitäten buchen, soviel ich konnte, und mich von negativen Personen fernhalten. Punkt, Ende der Durchsage. Also zwei Mal FitSurprise 514/21
MARKUS CHRISTEN, 67, führte bis 2021
in Basel an die 600 Soziale Stadtrundgänge durch und widmet sich nun seiner neuen Leidenschaft, der Fotografie.
nesstraining, ein Spanischkurs, Tiffany-Arbeiten mit Glas und Yoga (mein Rücken und meine Seele «juckten»). Mit viel Glück und aufgrund meiner handwerklichen Kompetenzen ergatterte ich einen Superjob: alte Spielzeuge restaurieren, das älteste war von 1936 (wie mein Vater). Die Arbeit war sehr anspruchsvoll, das gefiel mir. Dann nahte Weihnachten, ich hatte die ersten sechs Monate hinter mir, und ich wusste nicht, ob meine Versetzung bewilligt werden würde. Ich blieb cool, was nicht einfach war. Für Weihnachten hatte ich etliche Briefe versandt und erhalten, die Telefonate waren beschränkt auf drei pro Woche je zehn Minuten (2x Hirijet, 1x Familie). Zu dieser Zeit hatte meine Ex-Frau und Mut-
Wenn du immer nur positiv bist, gehst du negativen Menschen massiv auf den Sack, und genau das wollte ich bewirken. ter meiner Söhne eine Brustkrebs-OP und war auch finanziell am Ende – mir stank gehörig, dass ich sie und die Kids nicht unterstützen konnte. Ich schämte mich in Grund und Boden. Unerwartet lud mich mein kongolesischer Zellennachbar zum Weihnachtsessen ein. Mit dabei war auch ein Schweizer mit palästinensischem Hintergrund. Wir genossen die wenigen Stunden, immer auf drei bis vier Sprachen gleichzeitig lachten wir unentwegt und vergassen für einen kurzen Moment, in welcher Situation wir uns befanden. Hast du gute Menschen um dich herum, spielt es keine Rolle, wo du bist. Anlässlich von Weihnachten nahm ich auch an zwei Veranstaltungen des Gefängnisses und der Seelsorgerin teil. Es war ungewöhnlich, nun mit den Angestellten bunt durchmischt am selben Tisch zu sitzen, ganz ungezwungen zu plaudern und Geschenke entgegenzunehmen – diese waren sehr grosszügig. Gleichzeitig freute es mich, die Jungs zu sehen, die ich sonst nur ab und zu bei den Freizeitaktivitäten treffen konnte, denn die einzelnen Flügel haben keinen Zutritt zueinander. Die Afrikaner waren unglaublich: Tabak, Paper, Filter … sie wussten genau, was ich dringend brauchte. So viel Herz. Ich war gerührt. Trotz der Härte des Regimes in dieser Anstalt und der vielen verwahrten Insassen kam Wärme, gegenseitige Anerkennung und Verständnis rüber. Man besann sich, dachte gemeinsam an die Familie und wie es sein würde, wenn man wieder draussen ist. Du schaffst das, erklärte man sich gegenseitig. Dann teilte uns die Seelsorgerin ihre Pensionierung mit, was mich etwas traurig stimmte. Lange hatte ich Hemmungen gehabt, mich auf ein Gespräch mit ihr einzulassen. Doch nach einigen witzigen Situationen mit ihr begann ich ihr zu vertrauen. Sie hat später in Bezug auf meine bedingte Entlassung im März 2020 indirekt sehr viel positiven Einfluss genommen. Sie hat ein goldenes Herz. 2019 im halboffenen Vollzug in Witzwil Weil ich mich gut verhalten hatte, wurde meinem Antrag auf Vollzugslockerung stattgegeben und ich kam in den halboffenen Vollzug nach Witzwil. Ein späteres Gesuch für ein Arbeitsexternat 10
wurde aber abgelehnt. Als es nicht bewilligt wurde, machte ich in Gedanken kurzen Prozess: Ich entschied mich, darauf vorbereitet zu sein, eventuell doch die gesamte Haftzeit absitzen zu müssen. Keine Bewährung, keine Diskussion und vor allem: keine falschen Hoffnungen mehr! Ich war sauer, und wie – und wenn ich sauer bin, dann geht’s ab. Ihr wollt mich ficken?, dachte ich im Stillen. Ok, dann finden wir mal heraus, wer mehr bestraft ist: Ich hier im Knast oder ihr hier mit mir? Diesen Satz platzierte ich immer und immer wieder. Oh ja, ich kann nerven. Und nun machte ich es mir zum ersten Mal so richtig gemütlich in meiner Zelle. Ich verschwendete keine Minute mehr. Mir war bewusst, dass ich damit nicht nur meine Laune wieder in Griff bekäme, sondern dass dies auch ein gutes Training für die Zeit nach meinem Austritt sein würde. Ich musste wieder lernen, alles selber in die Hand zu nehmen. Ich düste allen mit gefühlten 300 km/h um die Ohren, war quietschfidel und tat, als könnte nichts meine gute Laune trüben. Wenn du immer nur positiv bist, gehst du negativen Menschen massiv auf den Sack, und genau diesen Kollateralschaden wollte ich bewirken. So kam es innert kurzer Zeit so weit, dass meine Chefin meinte, so könne das nicht weitergehen. Da ich das provoziert hatte, antwortete ich: Ich schlage vor, Sie schmeissen mich raus, ich akzeptiere und der Fall ist erledigt. Ein ähnliches Prozedere spielte sich bei der Therapeutin ab. Sie schmiss mich raus mit den Worten: Ich werde dafür sorgen, dass Sie ewig hier bleiben. Doch Wochen später gab sie meinen Fall ab. Kurz darauf wurde ich entlassen – wer zuletzt lacht, lacht am besten. Am Mittwoch, den 18.12.2019, gab es ein Weihnachtsfest mit Gospel-Live-Gesang und ausgiebigem Menu, doch ich war nicht wirklich in Stimmung. Der erste und wichtigste Schritt war zwar geschafft: Jobwechsel, so gesehen das schönste Weihnachtsgeschenk der Angestellten von Witzwil! Doch mir war bewusst, dass ich noch einen weiten Weg bis zu meinem Austritt vor mir haben würde. Es kam keinerlei positive Stimmung auf, obwohl sich alle Mühe gaben. Am Heiligabend erfuhr ich, dass mein Papi operiert wurde. Mir steht jedes Mal das Herz still bei solchen News – und dann noch an Weihnachten, oh je. Aber er war bald schon wieder topfit und ich erleichtert. Am ersten Weihnachtstag fühlte ich mich total schlapp. Ich arbeitete zu der Zeit im Abwasch in der Küche. Mein neuer Chef war wie geschaffen für mich. Immer sympathisch lachend, meist einen guten Spruch auf Lager. Ich gab alles. Ich konnte den ganzen Tag rumwirbeln, das beste Training überhaupt. Dass der Chef meinen Einsatz entsprechend zu würdigen wusste, schätzte ich sehr. Doch total verschwitzt in die Rauchpause nach draussen zu gehen, war eine dumme Idee von mir. Schon am Tag darauf hatte ich abartigen Husten, erstickte nachts beinahe und fand keinerlei Schlaf. Die Medi-Station versorgte mich. Ich musste jedoch zurück an die Arbeit, ansonsten wäre am nächsten Tag der geplante Urlaub geplatzt . So ein Mist – sollen so meine Weihnachten enden? Einen Tag später trat ich nach der Arbeit den Hafturlaub an. Ich war kaputt, röchelte und rang bei jedem Atemzug nach Luft. Erst traf ich meinen jüngeren Sohn am Bahnhof in Basel. Dann den zweiten an der Busstation bei meiner lieben Hirijet, die ich abholen wollte. Den Abend verbrachten wir mit Freunden. In meinem letzten Hafturlaub hatte ich wegen des abgelehnten ArSurprise 514/21
beitsexternats kurz vor einem Nervenzusammenbruch gestanden, dieses Mal war ich total erkältet. Aber ich lebte und wir genossen den Abend, bevor wir uns ins Hotel zurückzogen. Mein Freund schenkte mir 200 Franken, «damit ich wenigstens finanziell etwas mehr Luft habe», wie er scherzend bemerkte. Mir hätte ein Beatmungsgerät besser geholfen, scherzte ich zurück. Wir kennen uns schon über vierzig Jahre, es gibt nicht viel, was wir noch nicht zusammen durchgemacht haben. Am 28.12.2019 besichtigten wir das Talhauscamping, da ich nach der Haft eventuell keine Wohnung finden würde. Dies könnte im Notfall (und nicht während des Winters) eine Alternative sein. Danach assen wir am Marktplatz eine Bratwurst. Am nächsten Tag versuchte ich auszuschlafen, doch mein Husten machte mich fertig. Zum Mittagessen trafen wir uns mit meinen Kids, meiner Schwester und ihren Söhnen bei meinem Vater. Wir genossen die Besuche bei meinem Vater. Er war mittlerweile im Altersheim, zwar nicht eingeschlossen wie ich im Knast, aber genauso von der Gesellschaft isoliert. Dann der Abgang: Hirijet – die wegen ihrer Multiple-Sklerose-Erkrankung im Rollstuhl sitzt – musste zurück ins betreute Wohnen und ich wieder in den Knast. Immerhin hatten wir Weihnachten und Neujahr zusammen mit der Familie geniessen können. Ein schönes Erlebnis für uns alle. Nach der Rückkehr war ich total krank, ich hatte starke Atemnot – Medis und ab ins Bett. Ich schämte mich ein wenig. Ich war im Urlaub gewesen und lag nun im Bett. Doch mein Chef beruhigte mich: Hauptsache, Sie hatten einen guten Urlaub. Erholen
Sie sich ein paar Tage, dann bin ich froh, wenn Sie wieder dabei sind. So ein Goldschatz. An Silvester arbeitete ich wieder. Ich rang zwar noch bei jedem Atemzug nach Luft, andererseits fühlte ich mich im Abwaschraum am wohlsten. Die warme und extrem feuchte Luft half mir, meinen trockenen Husten zu ertragen. Also hopp dr Bäse. Ich gab noch mehr Gas als zuvor und schwitzte den ganzen Dreck raus. Den Jahreswechsel habe ich dann verpennt – so liebe ich das: Es gibt nichts Wohltuenderes, als ins neue Jahr zu schlafen und dann wieder mit voller Energie zu starten. TERSITO «TITO» RIES, 58, war einst erfolgreicher Unternehmer, dann verschuldete er sich, verfiel dem Alkohol und wurde obdachlos. Heute ist er Surprise-Stadtführer in Basel.
Warum Tito Ries Gefängnisstrafen zu verbüssen hatte, möchte er in einem kurzen Text über Weihnachten nicht weiter erläutern. Für diese Geschichte bräuchte es mehr Platz, und er behält sich vor, irgendwann ein Buch darüber zu schreiben.
Camille Pissarro, Femme au fichu vert, 1893 Musée d’Orsay, Paris © Foto: RMN-Grand Palais, Franck Raux
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«Hände weg von Gäulen!» Schenken Weihnachtsgeschenke sind als Tradition einerseits fest etabliert, anderseits
ein oft umstrittener Brauch. Aber das Schenken hat noch viele andere Facetten.
Eine Verbindung zur Welt schenken Vor zwei Jahren habe ich das Projekt «Weihnachtsbescherung für die Inhaftierten der beiden Basler Gefängnisse» übernommen. Ins Leben gerufen wurde es 1978, zuvor gab es für die Insass*innen zu Weihnachten vom Gefängnis nur Zigaretten (auch für die, die nicht rauchten) und eine Schokolade. Unterstützt wird das Projekt bis heute von den Johanniter-Frauen in Basel, und der Inhalt der Päckli wurde immer wieder den Vorschriften und Gegebenheiten angepasst. Ich frage bei jedem einzelnen Produkt, ob es erlaubt ist oder nicht. Bei Bleistiften muss man darauf achten, dass kein Metall dran ist, also kein Radiergummi in Metallfassung, kein Spitzer. Keine Kugelschreiber, nichts, was sich zur Waffe umfunktionieren liesse. Ich organisiere den Inhalt der Päckli, verschicke «Bettelbriefe» an Coop, Migros, die reformierte und katholische Kirche, versuche bei Firmen Gratissachen zu bekommen, organisiere den Packraum, die freiwilligen Helfer*innen, kläre ab, wann die Gefängnisse die Pakete abholen und bespreche alles mit der Gefängnisseelsorgerin. Ich habe feste Ansprechpartner in den beiden Gefängnissen, mit denen ich in gutem Austausch bin. Sie finden das Projekt eine tolle Sache. Dieses Jahr wird es einen Weihnachtsbrief der Seelsorgerin im Paket haben, eine Taschenagenda vom Roten Kreuz oder von der Heilsarmee, ein Sudoku-Heft, einen Bleistift, einen Radiergummi, eine Schokolade, Nüsse, Blévita, zwei Fotokarten und eine Seife. Ich sammle das ganze Jahr über Fotokarten, damit die Inhaftierten ihren Familien zu besonderen Anlässen eine Karte schicken können. Viele von ihnen haben sonst keinen Kontakt und keine Verwandten, die sie besuchen. Geburtstags- und andere Glückwunschkarten haben am Gefängniskiosk handelsübliche Preise, das ist für viele Inhaftierte – offiziell nennt man sie «eingewiesene Personen» – ziemlich teuer. Im Bässlergut gibt es gar keine Karten im Sortiment. Die Inhaftierten haben im Allgemeinen wenig Geld zur Verfügung.
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Diejenigen im Strafvollzug müssen im Gefängnis zwar arbeiten, aber ein Drittel des Lohns kommt auf ein Sperrkonto, das erst beim Austritt ausbezahlt wird. Das ist als Massnahme für den Resozialisierungsprozess gedacht, damit die Menschen nicht ganz ohne eigenes Geld entlassen werden. Die Löhne sind aber nicht hoch. Ich versuche nun, mein Netzwerk an beteiligten Institutionen auszubauen. Die Reaktionen sind meistens positiv, in der Gesamtgesellschaft findet man das Projekt eine gute Idee. Für mich geht es um viel mehr als nur darum, Geschenke zu sammeln: nämlich um die Sensibilisierungsarbeit für den Resozialisierungsgedanken. Ich tue das alles, damit die Menschen draussen sich mit dem Rechtssystem und Fragen zu Recht, Unrecht, Strafe und Resozialisierung auseinanderzusetzen beginnen. Ich bin Gründungsmitglied eines Vereins, der sich für restaurative Justiz einsetzt. Wir machen Aufklärungsarbeit, die Opfer und Täter*innen zum Dialog zusammenführt und durch den Austausch Momente der Erkenntnis, des Lernens und der Verarbeitung auf beiden Seiten anstösst. Ich erlebe oft, dass Täter*innen erst in diesem Austausch erkennen, was sie einer Einzelperson und der Gesamtgesellschaft angetan haben. Und umgekehrt ist es für die Geschädigten einfacher, eine Tat und vielleicht auch ein Trauma zu verarbeiten, wenn greifbar wird, aus welchen Gründen die Täter*innen gehandelt haben. Für unsere Geschenkaktion zeichnen und malen jedes Jahr Schulklassen (die freiwillig mitmachen) Weihnachtskarten. Es ergeben sich dadurch oft gute Gespräche mit den Lehrpersonen. Vereinzelt kommt auf meine Anfrage schon auch die Frage: «Wie kann man nur Geschenke an Gefängnisinsass*innen machen wollen?!» Oder ein Einwand, es sei nicht angemessen, Kinder dafür zeichnen zu lassen. Ich antworte dann jeweils, dass ich früher auch anders darüber gedacht habe. Durch die OpferTäter-Dialoge habe ich aber erkannt, wie wichtig es ist, an der Resozialisierung zu arbeiten. Ziel des Dialogs ist, dass Opfer Surprise 514/21
LONGINUS CHIDI ONWEAGBA, 50, verkauft Surprise seit sechs Jahren in Baselland und übt sich gern in seinem Hobby, dem Boxen.
Fragen stellen können und Täter*innen dadurch ihre Taten reflektieren. Und Empathie für ihre ehemalige Opfer entwickeln. Diese Arbeit löst etwas aus – im Gegensatz dazu, dass man Menschen einfach wegsperrt. Irgendwann kommen die meisten Täter*innen raus, und die Resozialisierung ist auch wichtig, um weitere Taten zu verhindern. Viele Lehrpersonen nehmen den Moment wahr, um mit den Kindern über Kategorien wie Recht, Unrecht und Strafe zu reden. Die Karten werden an die Pakete gehängt, daran haben viele Inhaftierte wirklich Freude. Weil man im Gefängnis oft allein ist, habe ich begonnen, Sudoku-Hefte mit Bleistift und Radiergummi zu schenken. Die sind sehr willkommen und gut geeignet, weil sie nicht sprachgebunden sind. Ich beobachte den Gefängnisalltag, um darauf reagieren zu können. Ich bin in Kontakt mit vielen Inhaftierten, die ich aus dem Opfer-Täter-Dialog des Vereins kenne. Ich mache auch Einzelgespräche im Gefängnis und per Telefon und bin im Briefaustausch. Ich spüre aus den Gesprächen heraus, was ihnen fehlt, und versuche die Bedürfnisse zu erkennen. Der Austausch mit Inhaftierten bringt mir auch persönlich viel. Da ich selbst mal Opfer von schweren Straftaten war, habe ich mich jahrelang nur mit der Opferseite auseinandergesetzt. Dank der Vereinsarbeit sehe ich nun auch die andere Seite. Mit dem Projekt möchte ich den Menschen im Gefängnis vermitteln, dass es draussen Leute gibt, die an sie denken. Dass sie nicht weg vom Fenster sind. Ich möchte Weihnachtsstimmung ins Gefängnis bringen und eine Verbindung zum Leben draussen schaffen. DANICA GR AF, 46, ist seit 2018 Surprise-Stadtführerin in Basel. Auf ihrer Tour thematisiert sie unter anderem Frauenarmut und häusliche Gewalt.
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Durot Ein Spiel von
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issimo
Beziehung, nicht Gegenleistung Weihnachten steht vor der Tür. Für mich ist es eine Zeit, um nachzudenken. Eine stille, ruhige Zeit. Die Bäume und Blumen sind karg und im Winterschlaf. So wie viele Tiere. Weihnachtsgeschenke empfinde ich als Heuchelei. Weihnachtslieder sind für mich abgeänderte Schunkellieder. Innere Zufriedenheit ist das grösste Geschenk. Kinder werden das ganze Jahr verwöhnt und verhätschelt, aber es sind ja nicht sie selbst, die schuld daran sind. Es sind die Erwachsenen, die mit einem tollen Geschenk gutmachen wollen, dass sonst etwas fehlt. Gefühle und Beziehung an Materiellem festzumachen, führt zu nichts Gutem. Sondern zu Unzufriedenheit. Zu Selbstbezogenheit und Beziehungslosigkeit. Ich höre Menschen in der Adventszeit sagen: «Ich muss noch ein Geschenk für meine Nichte kaufen.» Was soll ich mit «müssen»? Ich will. Ich darf. Wenn man etwas muss, dann lässt man es lieber bleiben. Mein Vater sagte immer zu mir: «Sei zufrieden mit dem, was du jetzt gerade hast. Nicht mit dem, was du nie bekommst.» Einmal fragte ich meine Mutter, ob sie bestimmte Pralinés mag, weil ich ihr welche schenken wollte. Sie sagte: «Ja, aber du musst mir keine mitbringen. Sonst muss ich dir auch etwas kaufen.» Ein gekauftes Geschenk zieht schnell den Gedanken von Leistung und Gegenleistung mit sich. Viele kaufen auch einfach etwas möglichst Teures, um gut dazustehen. Schenken sollte aber Beziehung sein. Das grösste Geschenk für meine Mutter ist, wenn ich sie besuche und sie spürt, dass sie ein wichtiger Mensch ist für mich. Eine Umarmung ist ein Geschenk. Ich habe nicht grundsätzlich etwas gegen das Schenken. Es kann auch bedeuten, dass man sich in die Lage des Gegenübers versetzt. Dass man spürt, was jemand gerne hätte. Schenken verlangt Einfühlungsvermögen und Aufmerksamkeit. Wenn ich mit meiner Freundin an einem Schaufenster vorbeigehe und sehe, dass sie Freude an einer bestimmten Handtasche hätte, dann kann es gut sein, dass ich mich darum bemühe, sie zu kaufen. Ich nehme meine Freundin wahr, ich höre zu und weiss, dass ihr diese Tasche etwas bedeuten würde. Für mich ist das grösste Geschenk, dass ich so sein darf, wie ich bin. Kein Hochmut. Bin meistens tiefer gefallen, als ich wollte. Ende Sense. Gib mir äs Velo, dä gib i dir ä Volvo. HANS RHYNER , 66, ist Surprise-Stadtführer in Zürich zum Thema Sucht, schreibt Kolumnen für das Strassenmagazin und verkauft es in Zug und Schaffhausen.
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Wer schenkt wem was? Was an Weihnachten wieder aktuell ist: Was sollte man schenken – und wem? Viele Leute haben ja, was sie brauchen, und wenn ein Gegenstand im Haushalt fehlt, wissen es nur die wenigsten auch der nahestehendsten Menschen. Ich habe keine Idee, wem ich was schenken soll. Bringt Schenken Freude? Ja und nein. Oder: Zu geben ist schöner als zu nehmen, vor allem dann, wenn man sehen kann, dass die Gabe Freude gebracht hat. Eine Familie aus Tschechien, die nicht viel Geld hat, gab mir sehr viel, als ich bei ihnen war, so grosszügig sind Schweizer kaum. Weiter kommt mir eine Musikband in den Sinn, die mir viel gab und von mir zu wenig dafür bekam. Ich will nicht nur nehmen und auf Kosten anderer leben, so etwas tun Milliardäre. Jedes Mal, wenn ich die Steuererklärung ausfülle, dann sehe ich, wie viel Geld ich an wohltätige Organisationen gespendet habe. Ich schenke gern, wenn ich damit etwas Gutes bewirken kann. Und ich bekomme gern etwas geschenkt, wenn es von Herzen kommt. Und zu Herzen geht. MICHAEL HOFER, 41, verkauft Surprise in Zürich Oerlikon und Luzern und schreibt Kolumnen für das Strassenmagazin.
Die Tante, die ich hatte Schenken macht Freude. Oder gar glücklich. Wir haben es vernommen. Und es ist wahr. Wir wissen es aus eigener Erfahrung. Wir. Nicht so hingegen die Tante, die ich hatte. Sie war in dieser Sache vollkommen unwissend. Es dauerte allerdings ein paar Jährchen, bis wir ihr auf die Schliche gekommen sind. Der Anlass zu ersten Spekulationen ergab sich eher zufällig. Es war an einem Sommertag anno dazumal. Meine Mutter weilte für einen Tag bei der Tante, die ich hatte, um nach dem Rechten zu sehen, da dort die ganze Familie mit einer Sommer-Grippe im Bette lag. Am Abend erzählte uns meine Mutter, die Tante, die ich hatte, habe in einem Schrank, fein säuberlich in Weihnachtspapier verpackt, schon viele Weihnachtsgeschenke parat. Und das mit-ten im Sommer! Weiter meinte meine Mutter, sie habe ganz sicher das Geschenk erkannt, welches sie der Tante, die ich hatte, auf letzte Weihnachten geschenkt habe. Grösse und Form, Papier, den weihnächtlichen Zierrat auf dem Päckli, halt das ganze Aussehen sei unverkennbar, sie könne sich genau daran erinnern, sie sei sich da ganz sicher, sie könne sich da nicht irren. Wir zweifelten keinen Augenblick an der Wahrnehmungsfähigkeit und an der Kompetenz des Gedächtnisses meiner Mutter und stellten die skurrilsten Mutmassungen zu ihrer Entdeckung an. Denn Surprise 514/21
zugegeben, etwas sonderbar war die Tante, die ich hatte, ja schon. An Weihnachten desselbigen Jahres geschah das Malheur. Wie üblich gab es an Heiligabend ein Rollschinkli und Kartoffelsalat zum Abendessen, zum Dessert eine Eistorte. Danach schellte lieblich das Glöcklein, das Zeichen für uns Kinder, dass wir in die gute Stube durften. Der Christbaum festlich geschmückt, die Kerzen brannten froh, unter dem Baum die Geschenke, die allerdings noch eine geraume Weile warten mussten. Weihnachtslieder wurden gesungen, Flötenspiel meiner Schwester, Vorlesung der biblischen Weihnachtsgeschichte mit Maria und Joseph und dem Jesuskind im Stall, dann die drei Weisen aus dem Mor-genland mit ihren mitgebrachten Geschenken. Irgendwann waren dann unsere Geschenke an der Reihe. Und jetzt kommt das Malheur. Schenkt doch die Tante, die ich hatte, meiner Mutter genau denselbigen Knirps-Regenschirm, den meine Mutter der Tante, die ich hatte, auf vorige Weihnachten geschenkt hat. Die Empörung meiner Mutter war gross. Die nächsten Tage liefen die Telefondrähte heiss. Das stimmt so wortwörtlich, denn damals waren auf hohen Masten über das ganze Land noch Telefondrähte gespannt. Dabei stellte sich heraus: Eine andere Tante, die ich hatte, hat von der Tante, die ich hatte, auf Weihnachten das-selbige Seifenset geschenkt bekommen, das die andere Tante, die ich hatte, der Tante, die ich hatte, auf vorletzte Weihnachten geschenkt hat. Die Seife war dann auch schon etwas brüchig. Im Weiteren stellte sich heraus, dass die Tante, die ich hatte, seit Jahren alle Geschenke, die sie bekam, ohne sie auszupacken aufbewahrte, um sie dann bei Notwendigkeit weiterzuverschenken. Die Tante, die ich hatte, war nicht nur etwas sonderbar, sie war eben auch knausrig. Heja, warum Geld für Geschenke ausgeben. Es geht auch so. Das ging auch gut so, solange die Tante, die ich hatte, diesbezüglich fein säuberlich Buch führte. Aus Nachlässigkeit verlor die Tante, die ich hatte, dann aber die Kontrolle über ihre umfangreiche Geschenksammlung. So kam es zu diesen ersten Verwechslungen. Es sollten nicht die einzigen bleiben. Obwohl die Tante, die ich hatte, entlarvt wurde, liess sie sich in ihrem Tun nicht beirren. So hat die Tante, die ich hatte, mir, dem halbwüchsigen Jungen, der ich damals war, an Weihnachten danach aus ihrem erklecklichen Fundus an gesammelten Geschenken per Versehen ein Negligé geschenkt. Das war dann selbst der Tante, die ich hatte, peinlich. Wie viel Freude Schenken auch gerade dem/der Schenkenden machen kann, hat die Tante, die ich hatte, nie erfahren. Sie weiss nicht, was sie verpasst hat. Ein Sprichwort besagt: Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul. Damit hat die Tante, die ich hatte, aber so weit nichts zu tun. Was wäre gewesen, wenn die Tante, die ich hatte, damals der anderen Tante, die ich hatte, oder meiner Mutter oder mir aus purem Versehen einen Gaul zu Weihnachten geschenkt hätte? Dazu ist es nie gekommen. Aber mal angenommen, wenn. Was hätte zum Beispiel ich mit dem Gaul machen sollen? Meine Mutter hätte einen schönen Aufstand gemacht. Die Telefondrähte wären geschmolzen. Ehrlich gesagt und ganz nüchtern gesehen; das wäre eine schöne Schnapsidee gewesen, Versehen hin oder her. Ein Negligé ist leicht weiterzuverschenken. Hingegen ein Gaul! Wer von uns kann schon so ganz auf die Schnelle einen Gaul gebrauchen. Mit dem Gaul alleine ist es ja nicht getan. Wo soll er leben, dieser Gaul? Wir hatten kein Zimmer frei. Und wenn auch, da muss ein Stall her. Und Auslauf. Und eine Weide. Und Futter. Und ein Stallbursche. Es ist also gar nicht so einfach, je15
mandem einen Gaul zu schenken. Denn so ein Gaul braucht allerhand Equipment. Und sei der Wille noch so gross und die Motive noch so lauter: Wenn jemand jemandem einen Gaul schenken will, muss das schon gut überlegt sein, zum Wohlbefinden des Gauls und zum Wohlbefinden der frischgebackenen Gaulbesitzer. Aber wie gesagt; es muss ja nicht gleich ein Gaul sein. Ein handlicheres Geschenk tut’s auch. Wie sagt ein anderes Sprichwort doch so schön: Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft. Hingegen ein geschenkter Gaul kann eine Freundschaft schon ruinieren. Also Hände weg von Gäulen! Gäule sind als Geschenk tabu. Es gibt Geeigneteres. Vor etlichen Jahren befand sich in der Vorweihnachtszeit ein Geschenke-Prospekt der besonderen Art in meiner Post. Die Tante, die ich hatte, hat damit rein gar nichts zu tun. Aber der Titel des Prospektes weckte mein Interesse. «Die moderne Hausfrau» stand da auf Glanzpapier in grossen, gelben, schattierten Lettern, flankiert von Christbaum, Kerzen und Lametta. Als Junggeselle, der den Haushalt autonom, also ganz ohne Dienstboten besorgte, war es mein Bestreben, mich in die Geheimnisse der modernen Hausfrau einweihen zu lassen. Ausserdem war ich auf der Suche nach Geschenkideen für Weihnachten. Sie verstehen. So stöberte ich neugierig in besagtem Prospekt, den ich bis heute aufbewahrt habe. Ein wahrhaftiges Kuriositätenkabinett. Ein Sammelsurium von Kitsch, Ramsch und Klimbim. Aber köstlich amüsant. Gerne nehme ich besagten Geschenke-Prospekt hervor, blättere darin, stöbere, rapportiere dann, und lasse Sie so an meinem Amüsement teilhaben. Also, aufgepasst: Als Erstes lese ich vom ANZEIGE PILI FILMS
ET
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«Ein Zusammenhalt unter Frauen, der von einem unbändigen Emanzipationswillen zeugt.»
Winter-Lichterbaum aus Metall, der die Herzen der künftigen Besitzer mit drei Teelichtern in orangefarbenen Glasschälchen erleuchtet. Aber damit nicht genug, denn dessen Blättchen und Beeren aus Kunststoff beginnen im Lichterglanz wunderschön zu funkeln. Empfohlen wird, besonders den Feierabend im Glanz des Winter-Lichterbaums zu geniessen. Na also! Das ist doch schon mal was ganz Verlockendes, zumal das Ding ganz günstig zu haben ist. Schon auf Seite zwei wird mir Glückspilz ein «dekoratives Duftkännchen», dessen Potpourri an Düften die Sinne belebt, als zusätzliches Geschenk versprochen, wenn ich bestelle. Als Nächstes stolpere ich über Dekosteine und lese interessiert deren Begleittext, der da lautet: «Mit Fantasie bringen Sie die Steine ins Rollen! Sicher die meiste Zeit im Leben ist man damit beschäftigt, Steine aus dem Weg zu räumen. Doch wer kreativ ist, dreht den Spiess mit den Dekosteinen jetzt einmal um.» Wohl kann ich der Logik dieser Erläuterung nicht ganz folgen, aber was soll’s! Sie kosten ja fast nichts. Völlig überrumpelt werde ich von der Existenz der «Räucher-Pilze», die, wie ich lese, zur seltenen Gattung der Räuchermännchen gehören, die man heute, so steht es da geschrieben, leider nur noch in wenigen Gegenden findet. Das ist eigentlich höchst erstaunlich, denn wenn aus dem Schornstein im Hut des Räucher-Pilzes duftende Rauchwölkchen aufsteigen, zieht behagliche Gemütlichkeit in die Wohnung, deren glücklicher Mieter ich bin. Dann wird mir in kuriosen Worten die Puppe Xenia angeboten. Man stellt mir die Frage: «Bleibt in Ihrem Leben nur wenig Platz für Ihre persönlichen Sehnsüchte? In diesem Fall wünschen wir Ihnen, dass dieser Platz wenigstens gross genug für die Puppe Xenia ist!» Dann folgt der sicher gut gemeinte Ratschlag: «Warten Sie nicht, bis andere Ihre Wünsche erraten. Hören Sie auf Ihre innere Stimme und freuen Sie sich auf die Puppe Xenia». Na so was. Anschliessend lerne ich den Traumfänger kennen, der, oh Wunder, die schlechten Träume über dem Bette abfängt. Der Riesenschuhlöffel gestattet mir mit seinen genau achtundfünfzig Zentimetern Länge, dass ich bei dessen Gebrauch meinen geplagten Rücken nicht mehr krümmen muss. Die unsichtbare, aber wirkungsvolle Schondecke schützt mein Tischtuch vor Flecken jeder Art. Und schliesslich wird mir eine Schachtel mit achtzehn Stühlen à fünf Zentimetern Höhe angeboten, die ich dann zu einem Turm stapeln soll. Keine Ahnung. Obendrein erfahre ich, dass ich mir mit dem Armband-Fix ganz alleine, ohne jede fremde Hilfe, ein Armband ganz alleine anziehen kann. Super! Haben Sie sich gut amüsiert? Also zumindest für meine Tante, die ich hatte, genauer formuliert: für ihre Geschenkesammlung, die sie hatte, wären da ein paar schöne Stücke dabei. Das Gegenteil von Schenken ist Stehlen. Aber das tun wir nicht. Wir bleiben beim Schenken. Weil Schenken Freude macht. URS HABEGGER, 65, verkauft Surprise in der Bahnhofunterführung von Rapperswil, schreibt Kolumnen für das Strassenmagazin und gibt weitere seiner Texte in eigenen Büchlein heraus.
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JOSIANE GR ANER verkauft seit 2010 Surprise in Basel, sie lebt abgeschieden und macht gerne ausgedehnte Spaziergänge mit ihrem Hund.
KARIN PACOZZI, 55, verkauft Surprise in Zug und schreibt Kolumnen fürs Strassenmagazin. Künstlerischhandwerkliche Tätigkeiten schaffen ihr eine innere Struktur – gerade Strickmuster.
«Ich schaue ganz zufrieden auf dieses Jahr zurück» Lebensgeschichten Viele Surprise-Verkäufer*innen sind sich Höhen und Tiefen gewohnt. Wir haben
sie danach gefragt, was ihnen 2021 Gutes gebracht hat. Und bekamen Antworten.
Wiedersehen mit der Schwester Ich habe dieses Jahr etwas sehr Erfreuliches erlebt: Ich habe meine Schwester Karin nach 23 Jahren wiedergesehen. Unser Vater verliess früh die Familie, unsere Mutter starb, als ich vierzehn und Karin neun war, ich kam ins Kinderheim, sie in eine Pflegefamilie. Später lebte und arbeitete ich an zig verschiedenen Orten im Kanton Thurgau, in Zürich, im Bündnerland, durchlebte auch schwierige Zeiten, und irgendwann verloren wir uns aus den Augen. Als mich Karin dann vor ein paar Monaten in einem Surprise-Magazin sah, meldete sie sich bei Surprise und hinterlegte ihre Telefonnummer. Ich war überrascht, aber auch sehr erfreut, dass Karin mit mir Kontakt aufnehmen wollte, und rief gleich an. Seither ist sie schon zweimal aus der Ostschweiz gekommen und hat mich bei mir zuhause in Winznau besucht. Sie hat gesagt, sie komme dann vor Weihnachten nochmals, was mich sehr freut. Etwas anderes, das mich aufstellt, ist die Aussicht auf eine neue Wohnung: Ich werde im März zusammen mit meinem Kater «Turbo» nach Oensingen ziehen. Obwohl es mir in Winznau gut gefällt, brauche ich jetzt nach mehr als zwanzig Jahren am gleichen Ort mal eine Veränderung. In Oensingen kenne ich auch schon viele Leute, weil ich dort regelmässig in der Tagesstätte «Mittelpunkt» Zmittag esse. Nichts ändern will ich hingegen am Surprise-Verkauf. Mein Verkaufsort am Bahnhof Olten ist mir wichtig, weil ich mir dort in den letzten vier Jahren eine treue Stammkundschaft aufgebaut habe und der Verdienst für mich ein willkommener Zustupf zur IV-Rente ist. Was Ende Monat übrig bleibt, spare ich fürs Reisen – mein Traum ist und bleibt eine Reise in den Südpazifik, nach Bora Bora. DIETER PLÜSS, 55, hat Surprise zwei Jahre lang beim Sälipark Olten verkauft und steht nun nach einer Pause seit vier Jahren am Bahnhof Olten.
Baisse mit Highlights Das Jahr 2021 war ein bisschen mühsam für mich, weil die Stadtführungen wegen Corona für eine Weile runtergefahren wurden, und als es wieder losging, ging es so richtig los. Viele Leute wollten natürlich ihre abgesagte Führung nachholen. Dazu kam es bei uns im Team zu Ausfällen, so dass meine Tour 2 zum Thema Armut und meine Tour 4 zum Thema Sucht öfter als üblich gebucht wurden. Die rund vier Stadtrundgänge pro Woche empfinde ich aber nicht als Belastung, eher als kleine Highlights. So gesehen hatte ich 2021 also tatsächlich mehr davon. Weniger aufregend und abwechslungsreich sind meine vier Touren pro Woche, auf denen ich in Bern und Thun Zeitungen und Werbung vertrage, und der Surprise-Verkauf im Berner Hauptbahnhof. Wobei ich um beide Tätigkeiten in diesem Jahr enorm froh war, weil sie ohne Unterbruch weiterliefen, trotz Teil-Lockdown. Klar habe ich gemerkt, dass ich weniger Hefte verkaufe. Ich denke, viele Leute hatten weniger Geld zur Verfügung oder wollten es auch aus Vorsicht lieber nicht ausgeben. Aber eben, ich hatte dafür mehr Stadtführungen. Von daher schaue ich ganz zufrieden auf dieses Jahr zurück. Freuen tut mich auch, dass ich infolge der Stadtrundgänge mehr und mehr angefragt werde, um zum Beispiel an Schulen über meine Erfahrungen mit Alkoholsucht und Burnout zu sprechen. Diese präventive Arbeit finde ich wichtig. Neben meinen verschiedenen Jobs und Engagements schaue ich, dass ich genügend Erholung habe, und die finde ich unter anderem bei einer Zugfahrt. Meistens am Sonntag fahre ich irgendwo hin in der Schweiz, in eine Stadt oder wie kürzlich ins Wallis. Ich steige dann an meinem Ziel aus, gehe einen Kaffee trinken, lese den Sonntagsblick und fahre entspannt wieder heim. ÄNDU HEBEISEN, 52, verkauft Surprise seit sechs Jahren am Hauptbahnhof Bern und ist seit drei Jahren Surprise-Stadtführer.
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LUCA CALUORI, 42, verkauft seit 2019 Surprise in Buchs AG, Schaffhausen und Chur und wagt sich für seine Bilder auch schon mal in die Höhe.
Wohnung gefunden Ich bin sehr glücklich, dass mein 17-jähriger Sohn nun seit zwei Jahren bei mir in der Schweiz lebt. Ich selbst bin seit 2008 hier. Ich bin alleine aus Äthiopien geflüchtet, weil ich die gefährliche Reise nicht mit meinen beiden Töchtern und meinem Sohn machen wollte. Für mich war das Leben dort nie einfach, meine Eltern starben, als ich sieben Jahre alt war. Sie stammten aus Eritrea, das bis 1993 offiziell zu Äthiopien gehörte. Nach der Unabhängigkeit von Eritrea und dem Tod meines Mannes wurde mir als «Eritreerin» in Äthiopien das Leben schwer gemacht. Nach Eritrea konnte ich auch nicht, weil ich dort als Äthiopierin galt. Das ist der Grund, weshalb ich keine gültigen Ausweispapiere vorweisen konnte, als ich in die Schweiz kam, und lange Zeit als Staatenlose lebte. 2011 wurde mein Asylantrag negativ beantwortet. Um diesen Entscheid anzufechten, brauchte ich aber gültige Dokumente und reiste deshalb nach Genf zum äthiopischen Konsulat. Von dort wurde ich zum eritreischen Konsulat geschickt – wo ich wiederum an das äthiopische Konsulat verwiesen wurde. Schliesslich gewährte mir die Schweiz auch ohne gültige Papiere Asyl, und ich bekam die Aufenthaltsbewilligung F. Weil ich wusste,
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19. November 2021 – 9. Januar 2022
dass man Kinder nur mit dem Ausweis B im Familiennachzug in die Schweiz holen kann, bemühte ich mich umso mehr, meinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen, und löste mich von der Sozialhilfe. Als sich 2018 die Situation in Äthiopien und auch die Beziehung zwischen Äthiopien und Eritrea mit dem neuen äthiopischen Präsidenten verbesserten, unternahm ich einen erneuten Versuch, gültige Ausweispapiere zu bekommen, denn diese brauchte ich, um die Aufenthaltsbewilligung B zu beantragen. Ich hatte grosses Glück, man stellte mir einen äthiopischen Pass aus, und wenig später erhielt ich auch den B-Ausweis. Mit beiden Dokumenten war es endlich möglich, den Antrag auf Familiennachzug zu stellen. Für meine Töchter war es zu spät, weil sie schon volljährig waren, aber für meinen Sohn Yared konnte ich das Gesuch stellen. Und es hat geklappt, am 18. Dezember 2019 ist mein Sohn in der Schweiz angekommen! Bereits wenige Wochen nach seiner Ankunft konnte Yared mit der Schule beginnen. Wir sind beide so dankbar, dass uns das Zusammenleben doch noch ermöglicht wurde. Es geht ihm gut, er hat schnell Deutsch gelernt und hat Freunde gefunden in der Schule und auch im Fussball-Verein FC Breitenrain. Glück hatten wir 2021 auch bei der Wohnungssuche, nachdem wir eineinhalb Jahre zu zweit in meiner Studiowohnung leben mussten, weil wir keine andere Wohnung fanden. Dass wir die Dreizimmerwohnung in Bern-Bethlehem gefunden haben, verdanken wir vor allem Lukas, dem Zivi vom Surprise-Büro Bern. Das Einzige, was noch besser sein könnte, ist unsere finanzielle Lage. Ich will nach wie vor alleine für unseren Lebensunterhalt sorgen, und das geht mal besser, mal schlechter. Manchmal habe ich Arbeit in der Reinigung oder als Küchenhilfe, aber nichts Fixes. Und Surprise verkaufen ist seit Beginn von Corona und weil nun viele im Homeoffice arbeiten schwieriger denn je. Ich kann das beurteilen, ich verkaufe Surprise seit 2009. HAIMANOT GHEBREMICHAEL, 47, verkauft Surprise bei der Welle beim Hauptbahnhof Bern.
Weihnachtsausstellung mkb.ch
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Endlich Freunde einladen Im 2021 war es für uns gut, weil meine Mutter und ich in eine neue Wohnung umgezogen sind und drei Zimmer gekriegt haben. Und das war für uns wahnsinnig schön. Jetzt sind viele Sachen gut geworden, vor allem für mich. Zum Beispiel habe ich nun ein eigenes Zimmer, und endlich kann ich meine Freunde gemütlich einladen. Früher hatten wir nur ein kleines Studiozimmer gehabt, und damals bin ich nicht so zufrieden gewesen. Heute fühle ich mich in der Schweiz sehr wohl. Ich bin sehr dankbar dafür. YARED ASHEBER, 17, ist Haimanots Sohn. Er hat die Anfrage an die Mutter, sie solle erzählen, was 2021 Gutes gebracht habe, gleich selbst in die Hand genommen.
Dem Gletscher ganz nah Das Jahr 2021 war mein bestes Jahr in der Schweiz! Ich bin vor sieben Jahren mit meiner Familie aus Afghanistan geflüchtet und im November 2015 hier angekommen. 2021 ist viel passiert. Ich habe nach einem Jahr mit viel Mühe, Üben und Lernen die Fahrprüfung bestanden, ohne Fehler. Ich habe zwar kein Auto, aber ich kann das Motorrad meines Nachbarn brauchen, das ist super. Sehr glücklich gemacht hat mich, dass meine jüngste Schwester, ihr Mann und ihre Kinder es vor fünf Monaten endlich in die Schweiz geschafft haben. Davor mussten sie zwei Jahre lang im
Flüchtlingslager Moria auf der Insel Lesbos leben. Dort war es sehr schlimm für sie. Doch das beste Geschenk Gottes in diesem Jahr war und ist immer noch, dass mein Sohn Sorab im Sommer geboren wurde. Er ist gesund und fit auf die Welt gekommen. Der Sommer 2021 war meine Glücks-Jahreszeit, weil meine Schwester in die Schweiz und mein Sohn auf die Welt gekommen ist. Mit meiner Frau, dem Baby und den grösseren Kindern, die schon zehn, zwölf, vierzehn und sechzehn Jahre alt sind, habe ich dieses Jahr noch mehr erlebt, das uns glücklich macht. Wir sind zum Beispiel zum ersten Mal ins Wallis gefahren, zu den Gletschern. Wir waren mit einer Gruppe von mehr als zwanzig Personen aus unserem Dorf Walkringen unterwegs und haben im Pro Natura Zentrum Aletsch auf der Riederalp übernachtet. Das war die schönste Reise, die wir bis jetzt in der Schweiz gemacht haben. Meine Kinder hatten auch ein sehr schönes Jahr, sie konnten viel Neues erleben, wie eben zum Beispiel einen Gletscher von Nahem sehen. Auch Halloween war sehr schön mit meiner eigenen Familie und der von meiner Schwester. Die Kinder haben Süssigkeiten gesammelt, und wir haben Kürbisse geschnitzt. Leider habe ich die Prüfung für das Deutsch-Diplom nicht bestanden, aber ich werde mir Mühe geben, es nächstes Jahr zu schaffen. Deutsch sprechen kann ich schon recht gut, aber Lesen und Schreiben fällt mir schwer, weil ich vorher nie eine Schule besucht habe. Deshalb hat meine Tochter Mina diesen Text mit mir geschrieben. Sie besucht seit diesem Sommer das Gymnasium, ein weiteres erfreuliches Ereignis im Jahr 2021. FATA AYUBI, 47, verkauft Surprise seit zwei Jahren in Bern.
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THEATER
BASEL
ADVENTSKALENDER 1. – 23. Dezember 2021, 17:00 Uhr, CHF 5.– Jeden Tag ein neuer Beitrag aus Oper, Schauspiel, Ballett, Junges Haus und Gästen des Theater Basel. Alle Einnahmen fliessen in den Topf ‹Eins mehr›. Sie schenken damit ein Ticket an Menschen, die sich einen Theaterbesuch gerade selbst nicht leisten können.
theater-basel.ch/einsmehr Surprise 514/21
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«Alleine bist du auf der Strasse ausgeliefert» Obdachlosigkeit «Kein Dach über dem Leben» heisst die Biografie von Richard Brox,
die Günter Wallraff angestossen hat. Das Buch wurde ein grosser Erfolg. Heute lässt sich Brox nicht mehr durch die Medien schleifen. Aus gutem Grund. INTERVIEW HANS PETER MEIER
Herr Brox, Ihr Buch «Kein Dach über dem Leben: Biographie eines Obdachlosen» ist 2017 erschienen. Was hat sich seither verändert? Richard Brox: Im Grunde alles. Ich habe sehr viele Zuwendungen erhalten, sehr viele Menschen als neue Freunde dazugewinnen können. Aber ich habe auch sehr viel Missgunst und Ausgrenzung erfahren. Für viele war es so, dass ich zu viel aus der Szene heraus erzählt habe. Gleichzeitig wurde ich aber auch beglückwünscht dafür, dass ich anderen Türen geöffnet habe, damit auch sie ihre Lebensgeschichte erzählen und das Thema Obdachlosigkeit in die Mitte der Gesellschaft holen. Mein Leben hat sich natürlich auch konkret geändert. Ich bin nicht mehr obdachlos, ich muss keine Not leiden. Und ich bin durch die Lesungen an Orte gekommen, wo ich nie zuvor war. Sie kamen ja vor einiger Zeit zu uns zum Austausch mit den Surprise-Stadtführer*innen. Wir erzählen auf den Touren auch unsere eigenen Biografien. Sehen Sie es als Chance oder als Gefahr, sein eigenes Leben zu veröffentlichen? Mir bedeutet die Veröffentlichung viel. Ich gehe davon aus, dass das Buch und das Sprechen über Armut die Menschen sensibilisiert und auch Empathie auslöst. Das finde ich wichtig: Mitgefühl zu haben. Wenn du obdachlos bist, hast du keinen Schutzraum, du bist rechtlos, würdelos und auf Dauer sprachlos. Es war aus meiner Sicht richtig, das Buch auf den Markt zu bringen, um zu zeigen, dass Obdachlosigkeit – die eine extreme Form von Armut ist – ein Teil der Gesellschaft ist. Wenn nun die Gesellschaft bereit wäre, sich mit ihrer Armut zu beschäftigen, könnten viele Menschen wieder in ein bürgerliches Leben integriert werden.
Wie müsste man das angehen? Es ist wichtig, obdachlosen Menschen wieder Halt zu geben. Das geht über Resozialisierung. Man muss versuchen, die Menschen in die Gesellschaft zurückzuholen. Konkret über Reintegration in Wohnraum, das kann auch in einem betreuten Wohnprojekt sein. Aber auf jeden Fall ist der eigene Wohnraum viel sinnvoller, als es Notunterkünfte sind. Und dazu kommt die Rehabilitation, die Wiederherstellung der Gesundheit. Sehr viele obdachlose Menschen sind schwer krank. Sie haben oft chronische Erkrankungen wie Rheuma, Krebserkrankungen oder Borreliose durch einen Zeckenbiss. Wie kam es eigentlich zu dem Buch damals? Lebten Sie da auf der Strasse? Ja. Ich hatte zwar zum Schreiben kurzfristig mal einen Wohnraum, aber das war zeitlich befristet. 2009 war ich Protagonist in einer Fernsehreportage des Journalisten und Schriftstellers Günter Wallraff über den Winter von obdachlosen Menschen. Er sagte dann zu mir: «Richard, wenn das wahr ist, was du alles erzählst, dann muss man das veröffentlichen.» Da sagte ich: «Jawoll, dann machen wir das, aber unter der Voraussetzung, dass meine Tantiemen für Einrichtungen der Obdachlosenhilfe verwendet werden, wo schwer erkrankte Obdachlose betreut werden.» Ein Historiker kam dann dazu und hat im Auftrag von Wallraff und dem Rowohlt Verlag recherchiert, ob alles wahr ist, wie ich es erzähle. Alles, was in dem Buch steht, ist belegt. Das ist der Unterschied zu vielen anderen Biografien von Obdachlosen. Mittlerweile habe ich zwei weitere Bücher auf dem Markt. Sowohl mit Günter Wallraff als auch mit meinem Ko-Autor Albrecht Kieser bin ich heute eng befreundet, und ich bin beiden sehr dankbar, dass sie sich auf meine Geschichte und das Thema Obdachlosigkeit eingelassen haben.
«In der Notunterkun sind alle, die aus der Gesellschaft rausgeworfen wurden. Jene, die versorgt und entrümpelt wurden, damit die Gesellschaft fein dasteht.» RICHARD BROX wurde 1964 in Mannheim geboren. Er kam mit fünf Jahren in das erste Kinderheim, flüchtete vor sexuellen Übergriffen, verweigerte die Schule, galt als schwererziehbar. Nach einem Drogenentzug Mitte der 1980er-Jahre verbrachte er dreissig Jahre auf der Strasse.
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Sie haben eine Vergangenheit mit Heim-, Missbrauchs- und Gewalterfahrung. Und trotzdem hat sich Ihre Situation unterdessen stabilisiert. Wegen der Drogenerfahrungen, die ich als Jugendlicher gemacht habe, kann ich sagen: Es ging mir vor vielen Jahren sehr, sehr schlecht, wenn ich es mit heute vergleiche. Ich habe anschliessend dreissig Jahre lang auf der Strasse gelebt und war im gesamten deutschsprachigen Raum unterwegs. Heute bin ich in der Sterbebegleitung für ObdachSurprise 514/21
NEGUSSIE WELDAI, 62, ist seit 2016 Vertriebsmitarbeiter in der Regionalstelle Bern, verkauft seit 2010 am Berner Bahnhof Surprise und streift in seiner Freizeit mit der Kamera in der Stadt herum.
FABIAN SCHLÄFLI, 34, verkauft am Basler Bahnhof Surprise und wundert sich immer wieder darüber, wie schnell die Menschen an ihm vorbeihuschen.
lose und in Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe aktiv und versuche, die Rahmenbedingungen von Betroffenen zu verbessern. Deshalb bin dankbar für meinen Bucherfolg, ganz ehrlich. Wie wichtig ist es, in der eigenen Geschichte auch die strukturellen gesellschaftlichen Ursachen von Lebensbrüchen zu erkennen? Gerade der Machtmissbrauch in Heimen, den Sie erlebten, ist ja ein systemisches Problem. Das Vertuschen von Skandalen war damals üblich. In meiner Zeit, also in den 1970er- bis 1980er-Jahren, war es in Deutschland gang und gäbe, dass Kinder und Jugendliche in Kinderheimen sexuell drangsaliert wurden und seelischer Gewalt ausgesetzt waren. Dass sie gefügig gemacht wurden. Zur Strafe wurde das Essen verweigert, man hungerte. Zu meiner Zeit wurde in den Kinderund Jugendeinrichtungen massivste Gewalt ausgeübt. Heute spricht man öffentlich darüber. Was ich aber nicht verstehe ist, dass der Staat oder die jeweiligen Bundesländer diese Betroffenen trotz Beweisen für diese Verbrechen nicht finanziell entschädigt. Er lässt die Opfer von damals komplett im Stich. Solange der Staat Opfer von Gewalt und sexuellem Missbrauch nicht in Form von Einmal- oder Rentenzahlungen entschädigt, macht er sich mitschuldig. Solange trägt der Staat die Verantwortung dafür, was geschehen ist. Wann wurde Ihnen die Systematik des Missbrauchs bewusst? Brauchte es den Anstoss von aussen – vielleicht durch Günter Wallraff?
Wallraff hatte natürlich ein grosses Interesse zu sagen: Wir müssen das veröffentlichen, damit andere Menschen nicht das gleiche Schicksal erleben. Es ist enorm wichtig, dass man einen Grundstein legt für eine bessere Behandlung von Schutzbefohlenen. Schutzbefohlene Menschen – ob das nun Kinder sind, Menschen mit Beeinträchtigungen oder Menschen, die durch seelische Erkrankungen komplett aus der Bahn geworfen sind – auch noch zu missbrauchen und mit Gewalt zu überschütten, ist furchtbar. Man muss ihnen die Hilfe geben, damit sie in der Gesellschaft nicht ganz abrutschen und noch tiefer durchfallen. Das Beste ist, dass man diesen Menschen genau das gibt, was ihnen fehlt. In meinem Fall wäre das gewesen: eine Wohnung. Oder man gibt obdachlosen Menschen finanzielle Unterstützung, damit sie sich befreien können. Es wäre das wirksamste Mittel, aber der Staat und auch die Institutionen scheuen die politische Konfrontation in diesen Themen, weil sie mit solchen Forderungen keine Punkte sammeln. Damit würden es aber viele, die in Kinderheimen Gewalt erfahren haben, die eine seelische Erkrankung oder eine geistige oder körperliche Behinderung haben, schaffen, ein bürgerliches Leben zu führen. Sie meinen zum Beispiel das Konzept «Housing First»? Ja, Housing First ist auch in Köln, wo ich wohne, eine gute Lösung: leerstehenden Wohnraum anzumieten und diesen dann unterzuvermieten an Obdachlose, vielleicht sogar in einer betreuten Wohnform. Es kann so sein, dass eine Einrichtung oder der Sozialdienst der Wohnungslosenhilfe sich um die Menschen
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Danke! 24
Obdachlosigkeit gehört in die Vergangenheit. Surprise 514/21 Schreiben wir gemeinsam Geschichte.
Bei unserem Treffen vor ein paar Jahren hatte ich sehr stark den Eindruck: Je mehr Sie sich stabilisiert haben, desto stärker haben Sie begonnen, sich für andere einzusetzen. Woran arbeiten Sie zurzeit? Ich bin Berater in einzelnen Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe, in speziellen Wohnheimen. Ich unterstütze mehrere Institutionen auch finanziell mit Spendengeldern. Zum Beispiel das Wohnheim der Heilsarmee in Göttingen, ein Frauen- und Männerwohnheim für schwer erkrankte obdachlose Menschen oder eine Kirchengemeinde, die obdachlosen und in Armut lebenden Menschen eine neue Heimat gibt. Ich bin vereinzelt in Kontakt mit Journalist*innen, mache sie auf Missstände aufmerksam, und ich arbeite als Dozent und Referent an verschiedenen Fachhochschulen. Ich möchte mit meiner Arbeit zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beitragen.
Krankenhäusern. Ich bin bei Sozialdiensten in der Kartei, und sie rufen mich an, wenn ein Obdachloser auf der Station ist, der niemanden hat. Es kommt niemand zu Besuch, er bekommt keine frische Wäsche. Dann kümmere ich mich. Nun hat mir ein Journalist mal gesagt, Mensch, Richard, nimm mich doch mal mit, wenn du wieder mal so einen Sterbefall hast. Ich sagte ihm: Stell dir vor, du liegst im Krankenhaus im Sterbebett, du hast noch ein paar Tage zu leben und du hast nur noch einen Menschen, der zu dir kommt. Und nun stell dir vor, dieser eine Mensch bringt plötzlich Journalist*innen mit, die ein paar Fotos von dir machen und einen Bericht darüber schreiben, wie du gerade am Ableben bist. Das ist in meinen Augen das Geschmackloseste, was ich je gehört habe. Dieser Voyeurismus ekelt mich derart an, dass ich mit Medien nichts mehr zu tun haben will. Ich bin von den Medien abgeschreckt, weil ich festgestellt habe, dass sich die Armut verkaufen lässt. In Deutschland gibt es Fernsehsendungen, schmieriges Seifentheater, in denen Armut verkauft wird. Je stärker das passiert, desto mehr geht die Wahrheit darüber verloren. FOTO: ZVG
kümmert – aber sie haben wieder einen eigenen Schlüssel. Das hilft, seinen eigenen Alltag wieder besser zu bewältigen. Obdachlosen eine Wohnung zu geben, ist hundertmal besser als jede Notunterkunft, jeder Duschbus und jeder Tagesaufenthalt. Nur in einer Wohnung kannst du deine Batterien wieder aufladen. Kannst wieder am Leben teilhaben und hast die Chance, wieder zu dir selbst zu kommen. Und bist auf Dauer wieder für die Gesellschaft und für andere da.
Richard Brox: Kein Dach über dem Leben Biographie eines Obdachlosen. Rowohlt Taschenbuch 2017.
Gibt es auch eine Art Zusammenhalt auf der Strasse selbst? Ich sehe in Zürich jetzt in der Pandemie immer mehr Obdachlose, die auch in Gruppen übernachten. Das kannte ich vorher nur aus Deutschland. Dass sich Gruppen bilden, hat genau einen Grund, und das ist der Schutzfaktor. Alleine bist du auf der Strasse ausgeliefert. Als obdachloser Mensch hast du keine Würde mehr. Da du das weisst, bist du dir bewusst, dass du sehr schnell Opfer von Gewalt werden kannst. Prügeleien sind gang und gäbe, und wenn man in Notunterkünfte mit Mehrbettzimmern geht, muss man immer mit der Gefahr leben, dass man bestohlen oder auch mal sexuell belästigt wird. In der Notunterkunft sind alle, die aus der Gesellschaft rausgeworfen wurden. Jene, die versorgt und entrümpelt wurden, damit die Gesellschaft fein dasteht. Zu dem Zweck entsorgt man die Menschen mit ihren Problemen einfach. Deswegen sind Notunterkünfte keine sicheren Orte. Und deswegen bilden sich Gruppen – um sich vor Überfällen, Gewaltattacken bis hin zu Tötungsdelikten zu schützen. Das Leben auf der Strasse ist geprägt von Gewalt. So eine richtige Freundschaft gibt es da nicht, es gibt Notlösungen an Kameradschaften. Deswegen muss man sehr aufpassen, mit wem man Kontakt hat. Man sollte nicht zu redselig sein, nicht zu viel von sich erzählen. Man sollte seine eigenen Wege gehen. Auf der Strasse zählt das Recht der Stärkeren. Deswegen wäre es so wichtig, obdachlose Menschen von der Strasse zu holen. Sie sagen, Sie geben keine Interviews mehr, für uns machen Sie eine Ausnahme. Wieso haben Sie sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen? Ich war im November 2019 das letzte Mal im Fernsehen, weil ich diesem Showgeschäft einfach nichts abhaben kann. Ich ziehe mich auch zurück, weil ich festgestellt habe, dass es mir nicht behagt, eine Person des öffentlichen Lebens zu sein. Ein Beispiel: Ich mache auch Sterbebegleitung für Obdachlose in Kliniken und Surprise 514/21
HANS PETER MEIER, 63, verkauft seit 2009 am Bellevue Surprise. Vorher installierte er international Software-Standards, schulte IT-Personal und führte ein Jet-Set-Leben. Sein Alkoholkonsum begann kontinuierlich zu steigen, und nach dem Platzen der New-Economy-Blase verlor er 2003 seinen Job. Als Surprise-Stadtführer in Zürich erzählt er von Abwärtsspiralen und Solidarität.
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Bern/Birsfelden «Mawazo», Theaterperformance, Fr/Sa,, 3./4. Dez., Do/Fr/Sa, 9./10./11. Dez., je 20 Uhr, Schlachthaus Theater Bern, Rathausgasse 20/22; Mi/Do, 15./16. Dez., je 20 Uhr, Roxy Birsfelden, Muttenzerstrasse 6. schlachthaus.ch, theater-roxy.ch
«Mawazo» ist ein Kiswahili-Wort und bedeutet «Gedanken». Schwere Gedanken, die ermüden, aber auch leichte Gedanken, die aufrichten. «Mawazo» kann der Motor sein, der Menschen dazu bringt, zu performen, zu produzieren, zu reagieren, zu hinterfragen. Das Stück wirft einen Blick auf menschliche Träume und Hoffnungen in einer globalisierten Welt. Und es ist der Versuch, «Ubuntu» in der Welt zu fördern: eine Lebensphilosophie, die Menschlichkeit, Nächstenliebe und Gemeinschaft ins Zentrum von allem stellt. Es sollte also dringend wieder mehr Ubuntu ins Leben kommen in einer modernen Welt, in der alles Konsum ist – seien es Beziehungen, Informationen oder Unterhaltung. Der aus Malawi stammende und in Bern ansässige Theaterschaffende Mbene Mwambene und die in Sizilien geborene Choreografin Ivana Di Salvo stellen Fragen zum gemeinsamen Leben und Arbeiten. Bedingt durch die unterschiedlichen Biografien und künstlerischen Praxen ihres internationalen Ensembles werden die Antworten zu einem virtuosen und DIF dynamischen Abend.
Bern «Armut in der Schweiz», Generationentalk, Di, 21. Dez., 19 bis 20 Uhr, Berner Generationenhaus, Bahnhofplatz 2. generationentandem.ch Aus einer Maturaarbeit heraus ist 2012 «und – das Generationentandem» entstanden. Der Name ge-
hört einem Verein, der wiederum eine soziale, kulturelle, inklusive und journalistische Plattform betreibt, die Menschen verschiedener Generationen unabhängig von Familien- und Berufswelt miteinander verbindet. Jung und Alt engagieren sich freiwillig. So entstehen ein Magazin («und» online/Print) und Veranstaltungen («und»-live).
Im Dezember wird über Armut geredet – Surprise-Stadtführer Ändu Hebeisen ist als Gesprächsgast dabei (einen Text vom ihm finden DIF Sie auf S. 18).
Zürich «Aufbegehren eines Raums», Theater, So, 5. Dez., Do/Fr/Sa, 9./10./11. Dez., Mi/ Do/Fr, 15./16./17. Dez., So, 19. Dez., jeweils 20 Uhr, sonntags jeweils 16 Uhr, Theater Winkelwiese Zürich, Winkelwiese 4; weitere Vorstellungen im März 2022 im Theater im Burgbachkeller in Zug. winkelwiese.ch
views mit Expert*innen von der Opferhilfe Zürich und mit Fachleuten der Polizei des Kanton Zürich geführt. Dieses Gesprächsmaterial, Inspirationen aus dem Roman «Die VerkörperungEN» von Valerie Fritsch und Improvisationen von Anna Elisabeth Kummrow und Paulina Quintero wurden zu einem Text verdichtet. Ziel des Projekts ist letzten Endes, auch ausserhalb des künstlerischen Erzählraums eine Kultur des Sprechens über sexualisierte Gewalt an Frauen zu finden. Am 10., 15. bis 17. Dezember findet nach der Vorstellung deshalb ein Nachgesprächsformat mit Stift und Papier statt, die Teilnahme ist freiwillig. DIF
Der Raum: ein Badezimmer. Ein Ort, den alle kennen. Ein Ort, an dem wir mit uns und unserem Körper allein sein können. Hier wird Schweiss abgewaschen, der eigene Körper beäugt, gepflegt und hergerichtet. In ihrer vielschichtigen Reflexion über sexualisierte Gewalt an Frauen lässt die Gruppe suchende diesen intimen Rückzugsort öffentlich werden und deckt auf, was er über Generationen hinweg an Geschichten gespeichert hat. Das Badezimmer wird zum Erzählraum. Für das Projekt haben die Autorin Sabrina Fischer und die Dramaturgin Melanie Oşan Inter-
Raum Basel «Surprise Strassenchor», mehrere Konzerte, Sa, 4. Dez., 17 bis 17.30 Uhr, Adventskalender Theater Basel; Di, 7. Dez., 18 Uhr, Adventssingen am Münsterplatz; Sa, 11. Dez., 18 Uhr und So, 12. Dez., 10.15 Uhr, Konzerte römischkatholische Kirche Muttenz. Seit zwölf Jahren singen Surprise-Verkäufer*innen zusammen mit Sänger*innen von anderen Institutionen gemeinsam unter professioneller Leitung im Surprise Strassenchor. Das Üben zuhause, die regelmässigen Proben und öffentlichen Konzerte stärken das Selbstvertrauen und fördern soziale Kontakte und eine zuversichtliche Lebenseinstellung – scheinbar Selbstverständliches für die einen, hart Erarbeitetes für die anderen. Nun ist Weihnachtszeit natürlich Konzertsaison. Man kann also sagen: Der Advent ist ein einziges Highlight für das Selbstvertrauen und die Steigerung des Lebensmutes. DIF
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Surprise 514/21
BILD(1): YOSHIKO KUSANO, BILD(2): ARON MATTHIASSON
Veranstaltungen
chen zu müssen. Manchmal frage ich Leute, die das Heft kaufen, wenn ich eine Schlagzeile in der Zeitung nicht verstehe. Sie stellen mir Fragen zu meiner Herkunft und meinem Land und ich versuche, es ihnen zu erklären» An diesem Abend haben es die Leute eilig. Dubad teilt sich den Platz auf dem Trottoir mit den Pflanzengestellen, in denen kümmerliche Papyrusstauden und weisse Christrosen angeboten werden. «Früher stand ich wenn es ganz kalt war im Durchgang, aber irgendwann hat der Hausbesitzer reklamiert. Seither stehe ich immer auf dem Trottoir, aber auch das geht. Ich ziehe mich warm an und war noch nie krank.»
Tour de Suisse
Pörtner in Zürich Höngg Surprise-Standorte: Migros Einwohner*innen: 20 423 Sozialhilfequote in Prozent (Stadt Zürich): 3,1 Anteil ausländische Bevölkerung in Prozent: 24,7 Multikulti: In Höngg leben Ausländer*innen aus 120 Nationen
Die Filiale der Grossverteilers ist nach einer berühmten Höngger Wein- und Chipsdynastie benannt. Hier verkauft Dubad Cabdulahl, gebürtiger Somalier, der aus seiner Heimat flüchten musste und seit 2004 in der Schweiz lebt, Surprise. Vor über zehn Jahren hat er damit begonnen. Die Migros Höngg war der erste Standplatz, der ihm zugeteilt wurde. Bis heute ist er ihm treu geblieben. «Mir gefällt es, obwohl es natürlich Plätze gibt, auf denen man mehr Umsatz macht. Hier habe ich viele Stammkunden, es sind sogar welche darunter, die seit zehn Jahren kommen. Auch mit dem Team von der Migros habe ich ein gutes Verhältnis, einige kenne ich nun auch schon seit vielen Jahren. Wir helfen einander, wenn es etwas zu tun gibt.» Er selber wohnt allerdings nicht im Quartier, sondern im Zürcher Oberland. Surprise 514/21
An diesem eher kalten Herbstabend ist Dubad gut eingepackt, er steht den ganzen Tag hier. Wenn er einmal zur Toilette muss oder sich aufwärmen geht, lässt er seinen Rucksack und den Kessel mit den Surprise-Heften stehen. «Ich hatte hier keine schlechten Erlebnisse, die Leute sind nett. Es gibt natürlich auch solche, die seit zehn Jahren an mir vorbeigehen, ohne mich anzuschauen oder je ein Heft zu kaufen. Andere kaufen nur an Weihnachten oder wenn sie das Thema interessiert. Einmal gab es ein Heft zu einem Thema, das einem älteren Ehepaar nicht gefallen hat. Seither kaufen sie das Heft nicht mehr. Es gibt aber auch viele Leute, die mir sagen, dass sie das Heft interessant finden. So entstehen auch immer wieder Gespräche, und ich habe auf diese Weise Deutsch gelernt, ohne je einen Sprachkurs besu-
Ein Nachteil für Dubad ist das Parkhaus, über das die Leute in den Laden gelangen, ohne an ihm vorbeizukommen. In zehn Jahren hat er fast keine Ausgabe zu verkaufen verpasst. «Der Titel ist sehr wichtig. Beliebt sind im Sommer die Literaturausgaben mit den Kurzgeschichten, die nehmen die Leute mit in die Ferien.» Er selber nimmt seine Ferien im Frühling. «Meine Familie ist in Äthiopien und Kenia, meine Frau ist Äthiopierin, ich sehe sie und meine Kinder nur einmal im Jahr. Ich aber bin dort – wie hier – immer etwas am Arbeiten. Ich unterstütze meine Verwandten, zum Beispiel helfe ich ihnen, wenn sie krank werden, oder beim Renovieren ihrer Häuser. Der Frühling ist die schönste Zeit dort.» Noch aber ist es Winter in Zürich Höngg und eine Frau mit zwei Kindern will ein Heft kaufen. Ihr gefällt die Zeichnung auf dem Titel.
STEPHAN PÖRTNER
Der Zürcher Schriftsteller Stephan Pörtner besucht Surprise-Verkaufsorte und erzählt, wie es dort so ist.
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Die 25 positiven Firmen Unsere Vision ist eine solidarische und vielfältige Gesellschaft. Und wir suchen Mitstreiterinnen, um dies gemeinsam zu verwirklichen. Übernehmen Sie als Firma soziale Verantwortung. Unsere positiven Firmen haben dies bereits getan, indem sie Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Mit diesem Betrag unterstützen Sie Menschen in prekären Lebenssituationen dabei auf ihrem Weg in die Eigenständigkeit. Die Spielregeln: 25 Firmen oder Institutionen werden in jeder Ausgabe des Surprise Strassenmagazins sowie auf unserer Webseite aufgelistet. Kommt ein neuer Spender hinzu, fällt jenes Unternehmen heraus, das am längsten dabei ist.
SURPLUS – DAS NOTWENDIGE EXTRA Das Programm
Wie viele Surprise-Hefte müssten Sie verkaufen, um davon in Würde leben zu können? Hätten Sie die Kraft?
Wussten Sie, dass einige unserer Verkäufer*innen fast ausschliesslich vom Heftverkauf leben und keine Sozialleistungen vom Staat beziehen? Das fordert sehr viel Kraft, Selbstvertrauen sowie konstantes Engagement. Und es verdient besondere Förderung. Mit dem Begleitprogramm SurPlus bieten wir ausgewählten Verkäufer*innen zusätzliche Unterstützung. Sie sind mit Krankentaggeld und Ferien sozial abgesichert und erhalten ein Nahverkehrsabonnement. Bei Problemen im Alltag begleiten wir sie intensiv.
Eine von vielen Geschichten 01
iris schaad, zug & winti: shiatsu-schaad.ch
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AnyWeb AG, Zürich
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Gemeinnützige Frauen Aarau
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Breite-Apotheke, Basel
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Madlen Blösch, Geld & so, Basel
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spielraum.ch - Freiraumplanung für alle!
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Beat Hübscher, Schreiner, Zürich
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wag GmbH, www.wag-buelach.ch
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Martina Brassel - Graphic Design
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.flowScope gmbh.
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engler.design, Grafikdesign, Baden
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Sublevaris GmbH, Brigitte Sacchi, Birsfelden
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Coop Genossenschaft, Basel
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Beat Vogel, Fundraising-Datenbank, Zürich
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Omanut. Forum für jüdische Kunst & Kultur
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Arbeitssicherheit Zehnder, Zürich
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hervorragend.ch | Grusskartenshop
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Stoll Immobilientreuhand AG, Winterthur
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Irma Kohli, Sozialarbeiterin, Bern
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Anwaltskanzlei Fraefel, Zürich
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Scherrer & Partner GmbH, Basel
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Maya-Recordings, Oberstammheim
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tanjayoga.ch – Yoga in Lenzburg & Online
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Dipl. Steuerexperte Peter von Burg, Zürich
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TopPharm Apotheke Paradeplatz
Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende ab 500 Franken sind Sie dabei. Spendenkonto: PC 12-551455-3 IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3 Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma und Ihr gewünschter Namenseintrag Sie erhalten von uns eine Bestätigung. Kontakt: Caroline Walpen Team Marketing, Fundraising & Kommunikation T +41 61 564 90 53 I marketing@surprise.ngo
«Noch nie habe ich irgendwo länger gearbeitet als bei Surprise» sagt Roberto Vicini. Seit über 15 Jahren verkauft der 59-Jährige das Strassenmagazin in der Zürcher Innenstadt. Dabei nimmt er sich gerne Zeit für einen Schwatz und steckt seine Kundschaft mit seinem Lachen an. Er braucht nicht viel, lebt sehr bescheiden. Dennoch ist Roberto Vicini froh um die zusätzliche Unterstützung im SurPlus-Programm. Er ist viel mit dem ÖV unterwegs, um an seinen Verkaufsplatz zu kommen. «Obwohl es nur kurze Strecken sind, schlägt der Ticketpreis schnell auf mein kleines Budget». Neben dem Abonnement für den Nahverkehr erhält der Surprise-Verkäufer zudem 25 bezahlte Ferientage und ist bei Krankheit sozial abgesichert.
Weitere SurPlus-Geschichten lesen sie unter: surprise.ngo/surplus
Unterstützen Sie das SurPlus-Programm mit einer nachhaltigen Spende Derzeit unterstützt Surprise 16 Verkäufer*innen des Strassenmagazins mit dem SurPlus-Programm. Ihre Geschichten stellen wir Ihnen hier abwechselnd vor. Mit einer Spende von 6000 Franken ermöglichen Sie einer Person, ein Jahr lang am SurPlus-Programm teilzunehmen.
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Wir alle sind Surprise Rückmeldungen von Teilnehmer*innen der Sozialen Stadtrundgänge in Bern, Basel und Zürich.
«Ich habe grosse Hochachtung vor Lilian, wie sie den Tatsachen ins Auge schaut, die Dinge ungeschönt beim Namen nennt, gleichzeitig visionär ist und so viel Zuversicht und Vertrauen aus sich selbst schöpft. Grandios, diese Frau!» an Stadtführerin Lilian Senn, 1. Okt., Basel
«Daniel Stutz hat sehr ehrlich, persönlich und spannend durch die Stadt und sein Leben geführt. Da den richtigen Ton zu treffen, ist eine grosse Herausforderung. Ich war beeindruckt, wie gut er diesen schmalen Grat jederzeit trittsicher gefunden hat.» an Stadtführer Daniel Stutz, 28. Sept., Zürich
«Man lernt die Stadt aus einer völlig anderen Perspektive kennen. Armut kann jeden treffen. Was mich persönlich fasziniert hat, waren die Lebensratschläge von Leuten, die wirklich auf der Strasse gelebt haben.»
«Die persönliche Geschichte und die Art, wie diese erzählt wurde, hat uns sehr berührt. Wir haben auch Wochen danach immer wieder Diskussionen zum Thema und haben dabei viel gelernt.»
an Stadtführer Heiko Schmitz, 20. Okt., Basel
an Stadtführer Roger Meier, 12. Okt., Bern
«Sehr offen und ehrlich, selbstreflektiert, mit einer guten Prise Humor.» an Stadtführer Ändu Hebeisen, 28. Sept., Bern
«Die ehrliche und aufrichtige Art hat uns alle beeindruckt.» an Stadtführer Hans Rhyner, 24. Aug., Zürich
Impressum Herausgeber Surprise, Münzgasse 16 CH-4051 Basel Geschäftsstelle Basel T +41 61 564 90 90 Mo–Fr 9–12 Uhr info@surprise.ngo, surprise.ngo Regionalstelle Zürich Kanzleistrasse 107, 8004 Zürich T +41 44 242 72 11 M+41 79 636 46 12 Regionalstelle Bern Scheibenstrasse 41, 3014 Bern T +41 31 332 53 93 M+41 79 389 78 02 Soziale Stadtrundgänge Basel: T +41 61 564 90 40 rundgangbs@surprise.ngo Bern: T +41 31 558 53 91 rundgangbe@surprise.ngo Zürich: T +41 44 242 72 14 rundgangzh@surprise.ngo Anzeigenverkauf Stefan Hostettler, 1to1 Media T +41 61 564 90 90 M+41 79 797 94 10 anzeigen@surprise.ngo Redaktion Verantwortlich für diese Ausgabe: Diana Frei (dif) Klaus Petrus (kp), Sara Winter Sayilir (win) Reporter: Andres Eberhard (eba), Simon Jäggi (sim) T +41 61 564 90 70 F +41 61 564 90 99 redaktion@strassenmagazin.ch leserbriefe@strassenmagazin.ch
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Ständige Mitarbeit Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Simon Berginz, Monika Bettschen, Rahel Nicole Eisenring, Carlo Knöpfel, Yvonne Kunz, Isabel Mosimann, Fatima Moumouni, Stephan Pörtner, Priska Wenger, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Yared Asheber, Fata und Mina Ayubi, Luca Caluori, Longinus Chidi Onweagba, Markus Christen, Haimanot Ghebremichael, Danica Graf, Josiane Graner, Urs Habegger, Ändu Hebeisen, Michael Hofer, Hans Peter Meier, Karin Pacozzi, Dieter Plüss, Hans Rhyner, Tersito «Tito» Ries, Julia Saurer, Fabian Schläfli, Negussie Weldai Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird jede Haftung abgelehnt. Gestaltung und Bildredaktion Bodara GmbH, Büro für Gebrauchsgrafik
Ich möchte Surprise abonnieren 25 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.–) Verpackung und Versand bieten Strassenverkäufer*innen ein zusätzliches Einkommen Gönner-Abo für CHF 260.– Geschenkabonnement für: Vorname, Name
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Kundinnen-Porträt
«Soziale Probleme zur Sprache bringen» Katharina Hiller, evangelische Pfarrerin, ist mit ihrem Ehemann Eli und Tochter Marla 2007 aus Deutschland nach Rapperswil-Jona umgesiedelt. Tomma, die zweite Tochter, wurde in der Schweiz geboren. Unkompliziert, nahbar, vertrauenerweckend, den Glanz der Lebensfreude in den Augen und im Gesicht, so sitzt sie da, ruhig, selbstbewusst, erfahren. Dann ein entschlossenes Nein. «Der Wunsch, Theologie zu studieren, war nicht schon während meiner Kindheit oder frühen Jugend da. Der kam erst später. Aufgewachsen bin ich in einem Pfarrhaus. Kindheit und Jugend verbrachte ich also in unmittelbarer Nähe zur Kirche. Nach meinem Abitur wusste ich nicht, was ich studieren sollte, ob Medizin, Englisch oder was auch immer. So zog ich aus nach Kanada und arbeitete dort, auf ein Jahr befristet, als Nanny. In der Ferne, wohl auch durch den räumlichen und gedanklichen Abstand befeuert, wuchs in mir der Wunsch, mein Leben so zu leben, wie ich das von meinem Elternhaus gekannt habe. Zurück in Deutschland habe ich mich für das Theologiestudium eingeschrieben. Um mir ein Taschengeld zu verdienen, jobbte ich als Putzhilfe und auch mal in einer Bäckerei, vor allem aber spielte ich als Organistin die Kirchenorgel. Das entsprechende Diplom hatte ich schon in meinen Jugendjahren erworben. In meiner Heimatstadt Minden waren englische Soldaten stationiert. Bei diesen Soldaten habe ich meine ersten Gottesdienste als Organistin begleitet. Nach den ersten zwei Berufsjahren habe ich geheiratet. Mein Mann hatte soeben seinen Doktor als Maschinenbauingenieur gemacht und unsere Tochter Marla kam zur Welt. Nach Abschluss unserer Studien lebten wir in einer ziemlich freien Situation. Wir haben uns überlegt: Könnten wir auch anderswo als in Deutschland leben? Wir können, war die Antwort. Eli, mein Ehemann, fand eine attraktive Anstellung in der HSR in RapperswilJona und ich später als Pfarrerin. Wir fühlen uns hier wohl und haben diesen Schritt nie bereut. Das schönste Geschenk, das ich je bekommen habe: mit meinem Mann und unseren beiden Töchtern zu leben. Ich bin sehr froh, dass ich das einfach so habe. Und die Musik. Ohne Musik zu leben, geht für mich gar nicht. Ein Geschenk ist auch, dass mich meine Eltern in Freiheit erzogen haben und dass ich das tun darf, was ich für richtig halte. Und da ist natürlich der Glaube an Gott. Einfach spüren, dass Gott mit mir ist, ich bin begleitet, ich bin behütet, die Gewissheit zu haben, er ist da, es fühlen, dass er mein Leben mit mir teilt, das ist meine Kraftquelle. Gott macht mit in meinem Leben. 30
Katharina Hiller kauft Surprise in Rapperswil bei Urs Habegger und führt mit ihm jeweils gute Gespräche.
Surprise kaufe ich, weil ich das Heft einfach gut finde, die Qualität der journalistischen Arbeit und die Themenwahl. Soziale Probleme werden nicht gelöst, indem sie verschwiegen werden. Man muss sie zur Sprache bringen. Als Pfarrerin weiss ich um die Sorgen, Nöte und Ängste von sozial Benachteiligten. Ich kaufe Surprise natürlich auch, um euch Verkäufer*innen zu unterstützen. Denn das ist euer Lohn und Brot.» Als Verantwortliche für den Konfirmand*innenunterricht sagt Hiller auch: «Ich bin total begeistert von unserer Jugend. Ich erlebe oft, dass auch und gerade junge Menschen sensibel sind für soziale Ungerechtigkeit und Not. Für die Adventszeit wünsche ich mir, dass wir Menschen nicht weiter auseinanderdriften, sondern wieder zusammenfinden, zusammenkommen, dass wir uns besinnen, zur Gemeinsamkeit zurückfinden. Corona vergrössert die Kluft zwischen Menschen. Die Adventszeit bietet viele Möglichkeiten, sich zu finden, Gemeinsames zu erleben. Wir kommen nicht weiter, wenn wir gegeneinander argumentieren oder gar kämpfen. Frieden verbreiten: Ich glaube, das ist der Sinn der Adventszeit.» Text und Foto von URS HABEGGER
Normalerweise lesen Sie an dieser Stelle das Verkäufer*innenporträt. Wir haben diesmal die Perspektive umgedreht: Urs Habegger, 65, Surprise-Verkäufer in Rapperswil, porträtiert eine Stammkundin.
Surprise 514/21
Geb einen coolen Look: die SURPRISE-MÜTZE Geben und der SURPRISE-RUCKSACK
Gutes tun – sinnvoll schenken
Gibt andere Perspektiven: ein SOZIALER STADTRUNDGANG
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SOZIALE STADTRUNDGÄNGE Perspektivenwechsel
SURPRISE WIRKT Surprise unterstützt seit 1998 sozial benachteiligte Menschen in der Schweiz. Unser Angebot wirkt in doppelter Hinsicht – auf den armutsbetroffenen Menschen und auf die Gesellschaft. Wir arbeiten nicht gewinnorientiert, finanzieren uns ohne staatliche Gelder und sind auf Spenden und Fördergelder angewiesen. Spenden auch Sie. Surprise 514/21 surprise.ngo/spenden | Spendenkonto: PC 12-551455-3 | IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3 surprise.ngo/spenden | Spendenkonto: PC 12-551455-3 | IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3
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