The doggy telegraph Ausgabe 14

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HUNDEWISSEN

ZEN FA KTO R

HU ND TEXT: HANNA STEPHAN · FOTO: ALESSANDRA LEIMER

Die mentale Stütze einer warmen Hundenase ist unbezahlbar: Wir weinen in sein Fell, wenn wir Liebeskummer haben, flüstern ihm unsere intimsten Geheimnisse in die flauschigen Ohren und gehen mit ihm zusammen auf Entdeckungsreise, wenn uns zu Hause die Decke auf den Kopf fällt. Hunde sind etwas Besonderes, und das nicht nur, weil sie uns treu durchs L ­ eben begleiten, sondern weil sie für uns zum ­u nerschütterlichen Fels in der Brandung werden. ­ Gerade in schwierigen Zeiten wird mir selber das immer wieder bewusst, denn „wenn ich mal nicht weiterweiß, dann gucke ich zu meinem Hund. Der hat zwar selten eine Lösung. Aber er guckt so süß.“

Aber natürlich ist es nicht (nur) der süße Blick, dem wir dan-

hen zum Zeitungskiosk oder treffen unsere Nachbarn, können wir

ken. Es ist das Hundewesen selbst, das uns an seine tröstende

auch hier wir einem Thema nicht entkommen: Corona ist allge-

Pfote nimmt. Ein Hund wertet nicht, er lacht uns nicht aus, er

genwärtig. Wir werden an nahezu allen Stellen unseres Alltags

verstellt sich nicht und er geht nicht weg, wenn er gebraucht wird.

daran erinnert: Abstandhalten beim Bäcker, Schlangestehen vor

Ein Hund ist einfach da: pur, treu und voller Liebe.

dem Supermarkt, Maskieren in geschlossenen Räumen und aus-

Niemand auf der Welt kann sich so herzlich freuen, wenn wir nach

verkauftes Klopapier sprechen eine eindeutige Sprache.

Hause kommen, niemand schleckt einem so liebevoll die Hand,

Zuflucht vor diesem unfreiwilligen Sonderstatus unseres neu ge-

wenn wir verzweifelt sind, und keiner kann uns mit solcher Begeisterung vor die Tür locken, selbst wenn es draußen aus Kübeln regnet. Hunde lassen ihr Herrchen nicht in Trübsal versinken, denn sie leben den Moment und nehmen uns dabei einfach mit. Wie gut sie das können, haben sie uns dieses Jahr sehr deutlich bewiesen, seitdem die weltweite Corona-Pandemie die Welt lahmgelegt hat. Geschlossene Geschäfte, Restaurants und Büros, abgesagte Veranstaltungen, stillgelegte Sportplätze und Vereine. Was vorher den normalen Alltag ausmachte, gibt es nicht

EIN HUND IST EINFACH DA:

PUR, TREU UND VOLLER

LIEBE

wonnen „Alltags“ bieten uns unsere lieben Hunde. Für unseren Vierbeiner existiert Corona nicht. Wir müssen ihm nicht mit Gesichtsmaske begegnen, keine zwei Meter Abstand halten und dürfen ihn nach Herzenslust knuddeln. Er straft uns nicht mit Blicken, wenn wir mal niesen, und nimmt auch weiterhin sehr gerne Leckerlis direkt aus der Hand. Aber nicht nur seine wohltuende Nähe hilft uns durch diese Krise. Hunde geben unserem Alltag seine Struktur zurück. Gassi gehen, Fressnapf füllen, ausführlich toben – der Hund fordert seine Bedürfnisse auch in Krisenzeiten ein und lässt uns damit keine Zeit, in

mehr. In Corona-Zeiten ist soziale Distanz die neue Art, Nähe zu zeigen. Wenn man aus seinem Alltag in die eigenen

schlechten Gedanken zu versinken. Der Hund wird dadurch in

vier Wände verbannt wird, kann das über kurz oder lang ziemlich

der Krise immer mehr zum Vorbild. Zum Vorbild, den Moment zu

aufs Gemüt schlagen. Ein Glück, wenn da der treue Freund auf

genießen, nicht ständig über morgen zu grübeln und sich auch

vier Pfoten schon schwanzwedelnd an der Tür steht und einen

über kleine Dinge zu freuen.

weg von der Krise zieht, denn wenn zwischenmenschliche Kon-

Abraham Lincoln sagte einst, dass „die Welt nie eine gute Definiti-

takte untersagt werden, wird jeder Vierbeiner zum Service-Dog.

on für das Wort Freiheit gefunden hat“. Für mich ist diese Definition mein Hund. Mit meinem Hund gemeinsam kann ich wunderbar

Mein Hund – meine Definition von Freiheit

krisenfreie Räume finden und erkunden. Abseits von Menschen-

In der Corona-Krise werden normale Dinge zu moralisch anstößi-

schlangen, maskierten Zweibeinern und strengen Regeln kann

gen Handlungen: Darf ich meinem Kollegen noch die Hand ge-

auf offener Flur das eigene Stück Freiheit genossen werden. Aus-

ben, ist es verantwortungsvoll, meine Mutter zu umarmen, und

gedehnte Spaziergänge an schönen Naturschauplätzen machen

muss ich mich für meinen Heuschnupfen vor fremden Menschen

Herrchen/Frauchen und Hund gleichermaßen fit und glücklich. So

rechtfertigen, das sind Fragen, die uns in den Wahnsinn treiben

lassen sich auch die härtesten Zeiten gut überstehen. Ein Hoch

können. Schalten wir zur Entspannung den Fernseher ein, ge-

auf unsere wunderbaren Hunde – danke, dass es euch gibt. 16


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