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ÜBERSICHTSARBEIT
Wie geht es uns nach eineinhalb Jahren CoronaPandemie? Eine Bestandsaufnahme der Weleda Trendforschung 2021 Brigitte Söllner, Erlangen
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enngleich die Welt sich immer noch im Pandemie-Zustand befindet, ist die Gesamtsituation eine andere als letztes Jahr. Ob und wie sich diese andauernde und doch veränderte Corona-Lage auf den Einzelnen und die Gesellschaft auswirkt, hinterfragte die Weleda Trendforschung 2021 [1] in ihrer fünften repräsentativen Erhebung. Welches sind die größten Belastungsfaktoren? Wie äußern sich Stressbeschwerden? Wie empfinden die Deutschen momentan ihr soziales Leben? Wird weiter Distanz statt Nähe überwiegen, obwohl soziale Bindungen so wichtig für unser Wohlbefinden sind? Eines der zentralen Ergebnisse: Die Deutschen sind zwar durch die Pandemie weiterhin hoher Belastung ausgesetzt – doch es hat eine Verschiebung der Stressoren und Beschwerden stattgefunden. Insgesamt scheinen wir uns mit der Situation besser arrangiert zu haben als noch im letzten Jahr; eine Adaption an die Dauerbelastung scheint in vollem Gange. Dabei kommt intakten sozialen Beziehungen eine große Bedeutung zu, die aktuelle Strategie vieler Befragter heißt hier dennoch „Qualität vor Quantität“.
Belastungsfaktoren im zweiten Pandemie-Jahr: „Boreout“, FOMO & Co.
Weit fortgeschritten im zweiten Pandemie-Jahr ergibt sich die Frage, was die Deutschen im Vergleich zu 2020 besonders belastet. Zu den aktuellen Stressoren befragt, sagten 39 % der Deutschen, Angst vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 zu haben – das sind trotz fortgeschrittener Impfkampagne etwas mehr Menschen als letztes Jahr (32 %). Zukunftsängste, wie etwa die Angst vor Jobverlust, plagten besonders die Jüngeren (18 – 29 Jahre: 33 % vs. Gesamtschnitt: 19 %). 13 % der Deutschen mussten einen tatsächlichen Jobverlust bewältigen. Interessant: Letztes Jahr gaben noch 72 % an, im neuen CoronaAlltag genau das tun zu können, was sie sich vorgenommen hatten; 57 % sind Dingen nachgegangen, die sie erfüllen [2]. 2021 scheint dagegen im unfreiwilligen Leerlauf das Stichwort „Boreout“ in den Vordergrund gerückt zu sein: Mehr als jeder Fünfte (22 %) stimmte zu, Langeweile als (sehr) starke Belastung zu empfinden, bei den 18- bis 29-Jährigen sogar 42 %. Stress durch zu wenig Stimulati-
JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 5-6/2021 · 30. JAHRGANG
on und erfüllende Beschäftigung – geht das überhaupt? Prof. Dr. Sonia Lippke, Leiterin der Abteilung Gesundheitspsychologie und Verhaltensmedizin an der Jacobs University Bremen, bestätigt das: „Sinnvolle Beschäftigungen und Aufgaben sind für unser Wohlbefinden äußerst wichtig. Fehlen sie, fehlen damit oft auch wichtige Motivation und äußere Taktgeber, die unserem Alltag Struktur verleihen. Dann können sich ungesunde Gewohnheiten festsetzen und sogar Ängste und andere psychische Störungen verstetigen.“ Mit dem eintönigeren Alltag korreliert offenbar ein weiterer Belastungsfaktor, denn besonders diejenigen, die vom Boreout am stärksten betroffen sind (56 % der 18- bis 29-Jährigen gegenüber 30 % im Gesamtschnitt), gaben an, unter Motivationsverlust zu leiden. Vor allem der Wegfall von kurz- und auch langfristigen Lebenszielen wie Party, Reisen oder Arbeit ist – neben psychischer (Über-)Belastung und bestimmten Lebensstilfaktoren wie starkem Internetkonsum – für Lippke als Grund für den Motivationsverlust wahrscheinlich: „Vieles war ja aufgrund der Beschränkungen nicht so einfach möglich oder so© VERLAG PERFUSION GMBH