"die beste Zeit", April-Juni 2022

Page 32

Austausch und Teilhabe Interview mit Birte Fritsch und Matthias Rürup

Mit Matthias Rürup und Birte Frisch hat das Literaturhaus Wuppertal eine neue Leitung: Wohin die Reise in eine neue Literaturzeit gehen soll, darüber sprach Heiner Bontrup mit den beiden Vorsitzenden des Literaturvereins. die beste Zeit: Bevor wir zu den Perspektiven des Literaturhauses kommen: Wie sind Sie beide zur Literatur gekommen, was treibt Sie an, sich ehrenamtlich für die Literatur in Wuppertal zu engagieren? Birte Fritsch: Die Liebe zur Literatur begann für mich schon während der Schulzeit. Interessanterweise nicht nur im Deutschunterricht, sondern insbesondere über den Französischunterricht. Da eröffnete sich mir der Zugang zu einer neuen Kultur. Literatur lädt zu Perspektivwechseln an und weitet den Horizont ungemein. Diese Erfahrung intensivierte sich dann im Studium. Da begegnete ich dann neben der französischen auch der spanischsprachigen Literatur. Das war faszinierend, und ich hoffe, dass wir im Literaturhaus den Blick für die nicht-deutschsprachige Literatur offen halten können. Matthias Rürup: Literatur, das möchte ich vorausschicken, ist für mich eine eigene, kreative Tätigkeit. Ich komme vom Geschichten erzählen und selber schreiben. Das geht weit zurück bis in Vorschulzeit. Als stark stotterndes Kind wurde ich von der behandelten Ärztin zum Sprechen angehalten, indem mir Bilderkarten vorgelegt wurden. Später entdeckte ich, dass ich beim Schreiben und gerade auch Vortragen von Gedichten, meine Atemfluss immer besser kontrollieren konnte. Insofern ist meine Liebe zur Literatur vor allem eine zur geformten, nuanciert fließenden Sprache. Das zeichnet sicherlich auch die Autorinnen und Autoren aus, die ich über die Jahre für mich entdeckt und lieben gelernt habe. Und das ist sicher auch eine Erfahrung, die ich gerne weitergeben möchte. Das Literaturhaus feiert in diesem Jahr sein 25-jähriges Bestehen. Gegründet wurde es von der Kulturjournalistin, Filmemacherin und Publizistin Anne Linsel. Sie treten 30

mithin ein bedeutendes Erbe an. Was haben Sie an ihrer Vorgängerin besonders geschätzt, welche Traditionslinien möchten Sie unbedingt fortsetzen? Birte Fritsch: Anne Linsel hat bei den Anmoderationen sehr präzise, konzis formuliert. Wenige Worte genügten, schon standen Autor, Buch und Thema dem Publikum sehr genau vor Augen. Wie bei einer Portraitzeichnerin entstand mit wenigen Strichen ein genaues Bild. Anne Linsel hat sich zurückgenommen, nicht sie sollte strahlen, sondern die Autorinnen und Autoren. Und die Literatur. Das war vorbildlich. Mathias Rürup: Das habe ich genauso erlebt: eine besondere Fähigkeit zu konzentrierter Genauigkeit und Einfühlung. Und durchaus neidvoll blicke ich zurück auf die vielfältigen, guten und langjährigen Kontakte zu Autorinnen und Autoren aus ganz Deutschland und darüber hinaus, die Anne in das Programm des Literaturhauses einbringen konnte. Da ist eine beachtliche Liste an Namen und Veranstaltungen, die uns in unserer Arbeit auf jeden Fall Vorbild ist und Modell. Das Motto des Literaturhauses ist ja ein Wort der Elberfelder Dichterin Else Lasker-Schüler: Ich streite für mich und alle Dichter, vor allen Dingen für die Dichtung…. Birte Fritsch: Dem wollen wir treu bleiben. Literatur, das ist Freiheit. Freiheit von Weltanschauungen, Instrumentalisierungen, Festlegungen. Literatur, das ist um es in Abwandlung eines Wortes von Peter Kowald zu sagen: a open sky. Matthias Rürup: Dieses Motto gehört sicherlich auch in Zukunft zum Literaturhaus. Unbedingt. Es ist eine ideal zugespitzte Formulierung, für das, wofür wir stehen und arbeiten wollen. Dafür nämlich das Literatur Raum hat und Aufmerksamkeit findet, auch ohne eindeutig nützlich oder massentauglich zu sein. Literatur braucht in diesem Sinne besonderen Einsatz, Engagement und Kampf um Zeit, Anerkennung oder auch Geld. Das alles hat uns Else Lasker-Schüler sehr prägnant ins Stammbuch geschrieben. Die beste zeit: Sicherlich haben Sie sich, nachdem Sie den Vorsitz des Literaturhauses übernommen haben, zusammengesetzt und darüber nachgedacht, welche Perspektiven Sie für das Literaturhaus eröffnen wollen…


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.