Kontinuität und Aufbruch beim Tanztheater Wuppertal Pina Bausch Uraufführungen mit Choreografien von Richard Siegal und Rainer Behr
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- DbZ 1-21 - 44 Einzelform - 22.12.2020 - 08:06:53 - Yellow Black -- - E-Plott Cyan Magenta E-Plott -E-Plott E-Plott
Bettina Wagner-Bergelt, Intendantin des Tanztheater Wuppertal Pina Bausch, im Gespräch mit Dramaturg Stefan Dreher
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Frau Wagner-Bergelt, es gibt endlich im Tanztheater wieder eine Premiere, und zwar im März 2021 Ja, das ist richtig. Wir halten daran fest und ändern, wenn uns die Situation wieder einmal dazu zwingen sollte. Wir mussten ja coronabedingt die spannenden EncountersKreationen in der letzten Spielzeit absagen. Das war ein harter Schlag. Fünf Choreografen sollten an einem gemeinsamen Abend arbeiten, an einem künstlerischen Konzept, und neue, kooperative, demokratische Arbeitsformen ausprobieren. Ein aufregendes Konzept. Daraus hatte ich dann auch die Idee zur diesjährigen Premiere weiterentwickelt. Unter dem Stichwort „Kontinuität und Aufbruch“ wollte ich dem Ensemble die Möglichkeit geben, an Themen des Encounters-Abends mit zwei der fünf Choreografinnen und Choreografen weiterzuarbeiten, nämlich mit Richard Siegal und Rainer Behr. Ich bin kein Freund von Eintagsfliegen, ich denke immer konzeptionell und langfristig. Für das Ensemble wäre das eine Chance der Vertiefung gewesen, der Intensivierung und Weiterentwicklung von Themen wie Cultural Appropriation, die eine ganz zentrale Frage des aktuellen künstlerischen Diskurses – auch vor dem Hintergrund von Rassismus-Debatten – ist. Was gehört mir, was eigne ich mir an, wo beginnt das Aneignen, wo nehme ich illegitimerweise fremde Formen an? Das Aufeinandertreffen von Folkwangund Tanztheatertraditionen auf der einen und eher abstraktem, neoklassischem Tanz auf der anderen Seite bleibt uns jetzt auch mit dieser Doppelpremiere. Gleichzeitig sind es Arbeiten eines externen Choreografen und eines von mir sehr geschätzten Mitglieds des Tanztheaters, jemand aus den eigenen Reihen, der seit vielen Jah-
ren spannende Choreografien präsentiert hat, aber nie im Opernhaus mit einer eigenen Arbeit zu sehen war. Ist es nicht noch immer schwierig, Premieren zu planen? Viele Ihrer Kolleginnen und Kollegen haben Neuproduktionen für eine ganze Zeit ausgesetzt. Ja, das ist richtig. Wir können nicht davon ausgehen, dass wir im Februar normal proben werden wie vor Corona. Das heißt, es wird Tests geben müssen, eine Blase, in der nur diejenigen drin sind, die zusammenarbeiten, Tänzerinnen und Tänzer, Technik, Requisite, Kostüm, Maske etc.. Das haben wir ja wie alle Theater alles lange und erfolgreich durchgespielt, und bisher auch ohne eine einzige Ansteckung. So soll das auch bei dieser Premiere wieder funktionieren. Das heißt, es müssen noch immer extra Corona-Produktionen erarbeitet werden, die alle Vorschriften einhalten? Nein, nicht ganz. Aber wir werden statt eines Doppelabends, wie er geplant war, zwei Premierenabende herausbringen, einen mit der Uraufführung von Richard Siegal in einer Installation des englischen Bildhauers Anish Kapoor und mit einer Neukomposition von Alva Noto. Und zehn Tage später die Uraufführung von Rainer Behr, zum ersten Mal im Opernhaus, mit Michael Simon als Lichtdesigner. So bleiben die Gruppen kleiner und überschaubarer, und das Publikum kann sich auf zwei komplette Abende freuen – nach der langen Durststrecke vielleicht auch ein Geschenk. Also wird es kein geteilter Abend werden? Nein, es werden zwei Premieren mit je vier Vorstellungen in Wuppertal. Beide Choreografen haben einiges Gewicht, denke ich. Einerseits in ihrer künstlerischen Gegensätzlichkeit, andererseits auch im Kontext ihrer eigenen Werkgeschichte. Richard Siegal hatte sich zudem von Beginn unserer Produktionsgespräche an auf den Plan kapriziert,
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