zek Hydro - Ausgabe 6 - 2022

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GKI am Ende eines langen Weges KW Jettenbach-Töging rundum erneuert Neue fischfreundliche Turbine im Praxiseinsatz Walliser Gemeinde maximiert die Ökostromerzeugung HYDRO www.zek.at Verlagspostamt: 5450 Werfen · P.b.b. „03Z035382 M“ – 20. Jahrgang Fachmagazin für Wasserkraft DEZEMBER 2022
zek
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Kleine Wasserkraftwerke. Große Wirkung.

Fossile Rohstoffe sind endlich. Energiekosten steigen. Nutzen Sie die Gelegenheit, den regionalen Anteil an regenerativer Energie zu erhöhen. Wir sind Ihr erfahrener Partner für den Bau von Kleinwasserkraftwerken mit hunderten von erfolgreich realisierten Projekten. Profitieren Sie von unserer einzigartigen Kompetenz und optimieren Sie die Verfügbarkeit und Ertragskraft Ihrer Anlagen. E-Mail: energy.smallhydro.at@siemens-energy.com Internet: www.siemens-energy.com

WIR BRAUCHEN DEN MUT ZUR INITIATIVE

Ein durchaus spannendes Wasserkraftjahr neigt sich langsam dem Ende entgegen. Das alles dominierende Thema der letzten zwei Jahre, Corona und seine Folgen, ist etwas verblasst. Dafür sind in den letzten Monaten andere Aspekte in den Vordergrund gerückt: Mittlerweile dreht sich vieles um die Teuerungen am Materialund Rohstoffsektor, um Lieferengpässe aufgrund globaler Strukturprobleme und nicht zuletzt um lange, ja oft zu lange Behördenverfahren. Bis ein Kraftwerksprojekt heute grünes Licht von den zuständigen Behörden bekommt, ziehen zumeist Jahre ins Land, manchmal sind es sogar ein Jahrzehnt oder noch länger. Ein Missstand, der alle Forderungen nach einem raschen Ausbau der Erneuerbaren konterkariert – und daher völlig zurecht kritisiert wird. Dabei aber auf die Behördenvertreter zu schimpfen, greift schlichtweg zu kurz. Die allermeisten Behörden in unseren Breiten sind personell nicht sehr breit aufgestellt. Dass sich dann sehr schnell eine Situation verschärft, wenn die verantwortlichen Beamten – aus welchen Gründen auch immer – ausfallen, liegt auf der Hand. Und genau hier sollte die politische Verantwortung ansetzen. Selbstredend kann die Politik nicht von jetzt auf gleich die entsprechenden Planstellen vervielfachen und mit Top-Personal besetzen. Aber wie wäre es, einmal darüber nachzudenken, ob das Gros der Aufgaben im Genehmigungsprozedere nicht auch von externen, von gerichtlich beeidigten Sachverständigen durchgeführt werden könnten? Was spricht dagegen? Eine naheliegende Option, die aktuell scheinbar noch nicht auf der politischen Diskussionsagenda gelandet ist. Krisenzeiten erfordern besondere Maßnahmen – es braucht Mut zur Initiative. Denn, soviel ist klar: Die Wasserkraft kann hierzulande und im gesamten DACH-Raum noch einen wichtigen Beitrag zur dringenden Energiewende leisten. Es gibt noch Potenzial zu heben. Wie hat es der branchenbekannte Südtiroler Wasserkraftplaner Dr.-Ing. Walter Gostner unlängst auf einer Pressekonferenz zur Wasserkraftsituation in Südtirol so treffend formuliert: „Ganz abgesehen von bislang brachliegenden Gewässerstrecken gibt es noch zahlreiche andere Möglichkeiten: Dazu zählen die Modernisierung von bestehenden Wasserkraftwerken, die Mehrzwecknutzung von Trinkwasser-, Bewässerungs-, Beschneiungs- und Abwasseranlagen sowie Restwasserturbinen, die Neuausrichtung von Nutzungskonzepten, die Wiederertüchtigung von Anlagen sowie der Einsatz innovativer Technologien wie kinetische Turbinen oder Wasserräder.“ Diese Einschätzung kann man selbstredend nicht auf Südtirol beschränken, sie gilt für den ganzen Alpenraum. Projekte mit besonderem Innovationspotenzial vor den Vorhang holen, ist uns seit jeher ein Anliegen. Dazu zählt etwa auch das Beschneiungskraftwerk der Kapruner Gletscherbahnen. Ohne außergewöhnlichen technischen Aufwand – eine weitere Pumpturbine wurde im Sommer installiert – wird die kleine Anlage (S.25) nach und nach zu einem vollwertigen Pumpspeicherkraftwerk umgebaut. Für optimale technische Lösungen braucht es manchmal auch ein wenig Kreativität, immer technisches Verständnis und leider auch einen langen Atem. Letzteren bewiesen die Betreiber des GKI, die nach achtjähriger Bauzeit das neue Kraftwerk im österreichisch-schweizerischen Grenzgebiet in Betrieb (S.14) nehmen konnten. Ein Vorzeige-Kraftwerk, das einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leistet. Neben diesen beiden Projekten haben wir noch einige weitere besucht, die wir Ihnen in dieser Ausgabe ebenso vorstellen möchten wie einige neue technische Lösungen für unterschiedliche Aspekte der Wasserkraft. Ich möchte mich an dieser Stelle wieder bei allen bedanken, die uns im abgelaufenen Jahr die Treue gehalten und uns in vielfältiger Form unterstützt haben. Abschließend wünsche ich Ihnen allen erholsame Feiertage, einen guten Rutsch – und bleiben Sie gesund!

Ihr Mag. Roland Gruber (Herausgeber) rg@zekmagazin.at

Salzburg

Fachmesse für Wasserkraft

www.renexpo-interhydro.eu

HYDRO Zur Sache Dezember 2022 03
Messezentrum
30. – 31. März 2023

CleanTech istnichtnur einSchlagwort,es istunsereStrategie.

Wirstellenseitmehrals55JahrenelektrotechnischeAnlagen imBereichderEnergieerzeugungund-verteilungsowieder Umwelt-undWassertechnikher.Damitleistenwirbereitsseit vielenJahreneinensignifikantenBeitragzurTransformation unseresEnergiesystemshinzuerneuerbarenEnergieträgern undfürdieBereitstellungvonsauberemWasser. DaherfirmierenwiruntereinemneuenNamen: SchubertCleanTechGmbH

April 2016 05 schubert.tech/cleantech

Standpunkt 13 Falsch gerechnet: Die Unwägbarkeiten der Rentabilitätskalkulation PELIKAN

Projekte 14 Am Ende eines langen Weges: GKI feierlich eingeweiht GEMEINSCHAFTS-KW INN 28 Dritte Turbine eröffnet Gletscherbahnen neue Perspektiven KW GRUBBACH 31 Innkraftwerk erzeugt nun Strom für 200.000 Haushalte KW JETTENBACH-TÖGING 38 Neues Kraftwerk verstärkt Stromerzeugung am Hengstpass KW UNTERLAUSSA

41 Walliser Gemeinde maximiert ihre Energieproduktion KW GISENTELLA

Veranstaltung

44 Vorschau auf die Fachmesse für Wasserkraft in Salzburg RENEXPO INTERHYDRO 23

Projekte

Doppelkraftwerk in Georgien baut auf Tiroler Turbinentechnik KW AKHALKALAKI

Pfitschtaler Ökostrombilanz mit neuem Kraftwerk verbessert KW AUE

HYDRO Inhalt 06 Dezember 2022 14 GKI 31 KW TÖGING 41 KW GISENTELLA 45 KW AKHALKALAKI Projekte
Aktuell 08 Interessantes & Wissenswertes
03 Editorial 06 Inhalt 08 Impressum
45
48
SHORT CUTS

Veranstaltung 52 Gelungene Veranstaltung in Zell am See JAHRESTAGUNG KWK

Projekte 54 Neue Generator-Erregung für Traditionskraftwerk in NÖ KW BRUNNENFELD 56 Ein Stück Kraftwerksgeschichte wird erneuert KW ARNSTEIN

Technik 58 Anzahl der Installationen steigt weltweit an STREAMDIVER

Veranstaltung 60 Wasserkraft - Quo Vadis? Energie- und Umwelttage TAGUNG / SÜDTIROL

Technik

Entwicklung der fischfreundlichen Turbine JANK-SRA-TURBINE

Sediment-Wettbewerb in den USA gewonnen GUARDIANS OF RESERVOIR

Komplettsanierung von Wehranlage 1 an der Neuen Donau KORROSIONSSCHUTZ 68 Neue Schwebstoffkonzentrationsmessung mit Größenerkennung DURCHFLUSSMESSUNG

Anzeigen zek HYDRO 06/2022

Schubert Cleantech Opener Siemens Energy U2 Global Hydro U3 Geotrade U4

Aichner Richard 50

Amiblu 12 Andritz Hydro 37 Auma 11

BHM Ingenieure 10

Braun Maschinenfabrik 20 En-Co 49 Energie AG 9 Etertec 22

Exact Ingenieure 48

Gebr. Haider 40

Geppert Hydropower 47

GMT Wintersteller 35

Häny Austria 13

Hilti & Jehle 22

Hülskens Sediments 65

ILF Consulting Engineers 15 + 30

Jäger Bau GmbH 17

Jank Hydropower 63

Künz 19

Lauber IWISA Industrie 41

Litostroj Power 33

MBK Energietechnik 40

Muhr 27

Ossberger 11

Panolin/Ecofluid 36

Rembrandtin Coatings 67

Renexpo Interhydro 3

SBM Mineral Processing 16 Stahltec 43

SWIE Energie 33

TRM 53 Wild Metal 51

HYDRO Inhalt Dezember 2022 07 KW AUE 48 KW BRUNNENFELD 54 KW STREAMDIVER 58 SRA-TURBINE 61
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MODERNISIERUNG DES KRAFTWERKS YBBS-PERSENBEUG ABGESCHLOSSEN

Mit der Inbetriebnahme der neuen Maschine 1 wurde im Oktober eines der bedeutendsten Revitalisierungsprojekte der österreichischen Wasserkraft abgeschlossen. Im ältesten Donaukraftwerk Ybbs-Persenbeug wurden in den vergangenen acht Jahren alle sechs aus den 1950er-Jahren stammenden Turbinen und Generatoren durch moderne, hocheffiziente Maschinensätze ersetzt. VERBUND investierte hundert Millionen Euro in das Donaukraftwerk, das künftig jährlich etwa 1,4 Milliarden Kilowattstunden erneuerbaren Strom aus Wasserkraft zur Stromversorgung in Österreich bereitstellt. Mit dem Umbau wird sich die Erzeugung um mehr als 77 Mio. Kilowattstunden auf in Summe 1,4 Mrd. kWh erhöhen und die Zuverlässigkeit nochmals verbessern. Die damit erreichte Effizienzsteigerung von 6 Prozent entspricht dem Jahresstromverbrauch von 22.000 Haushalten und einer Einsparung von jährlich 62.000 Tonnen CO2-Emissionen. Und das alles, ohne baulich in die Umgebung eingreifen zu müssen. „Das hier erfolgreich umgesetzte Erneuerungsprojekt ist ein Musterbeispiel für unseren Kampf gegen die Klimakrise“, sagt Achim Kaspar, als Mitglied im Vorstand von VERBUND zuständig für Erzeugung, Digitalisierung und Nachhaltigkeit.

NEUE STUDIE: SÜDTIROLS WASSERKRAFTPOTENZIAL GILT ES ZU HEBEN

Die Wasserkraftnutzung zählt seit jeher zu den großen Stärken Südtirols. Dennoch war aufgrund des Gewässerschutzplans sowie des geltenden Wassernutzungsplans in jüngster Vergangenheit kaum mehr ein Neubau von Anlagen möglich. Eine Stagnation, die es in Zeiten hoher Energiepreise und des drängender Klimaschutzthemas zu hinterfragen galt. Zu diesem Zweck beauftragte der Südtiroler Energieverband (SEV) den bekannten Wasserkraftplaner Dr.-Ing. Walter Gostner von Patscheider & Partner mit der Erhebung des Potenzials für den Neubau von Wasserkraftanlagen in Südtirol. Parallel dazu wurden die Projektvorschläge vom WIFO einer Wirtschaftlichkeitsanalyse unterzogen. Das Fazit, das unlängst der Öffentlichkeit präsentiert wurde: Neun von zehn dieser Projekte sind wirtschaftlich rentabel. Mit der Umsetzung dieser Projekte – heißt es von Seiten des SEV – könnte Südtirol seine aktuelle Stromproduktion um zehn Prozent steigern. Der erfahrene Ingenieur Walter Gostner sieht neben dem Neubau von Anlagen auch Ausbauoptionen im Rahmen von Modernisierungen, Mehrzwecknutzungen verschiedener Wasseranlagen sowie der Wiederertüchtigung von Altanlagen.

Impressum

HERAUSGEBER Mag. Roland Gruber

VERLAG Mag. Roland Gruber e.U. zek-VERLAG Brunnenstraße 1, 5450 Werfen Tel. +43 (0)664-115 05 70 office@zek.at www.zek.at

CHEFREDAKTION Mag. Roland Gruber, rg@zek.at Mobil +43 (0)664-115 05 70

REDAKTION Mag. Andreas Pointinger, ap@zek.at Mobil +43 (0)664-22 82 323

ANZEIGENLEITUNG / PR-BERATUNG Mario Kogler, BA, mk@zek.at Mobil +43 (0)664- 240 67 74

GESTALTUNG Mag. Roland Gruber e.U. zek-VERLAG Brunnenstraße 1, 5450 Werfen Tel. +43 (0)664-115 05 70 office@zek.at www.zek.at

UMSCHLAG-GESTALTUNG

MEDIA DESIGN: RIZNER.AT Stabauergasse 5, A-5020 Salzburg Tel.: +43 (0)662/8746 74 E-Mail: m.maier@rizner.at

DRUCK Druckerei Roser Mayrwiesstraße 23, 5300 Hallwang Tel.: +43 (0)662-6617 37

VERLAGSPOSTAMT A-5450 Werfen

GRUNDLEGENDE RICHTLINIEN zek HYDRO ist eine parteiunabhängige Fachzeitschrift für kleine bis mittlere Wasserkraft im alpinen Bereich.

ABOPREIS

Österreich: Euro 78,00, Ausland: Euro 89,00 inklusive Mehrwertsteuer zek HYDRO erscheint 6x im Jahr. Auflage: 8.000 Stück ISSN: 2791-4089

08 Dezember 2022 HYDRO Aktuell
Foto: VERBUND Foto: VERBUND Foto: zek Foto: zek
Dr.-Ing. Walter Gostner ist überzeugt: „Ohne den Ausbau der Wasserkraft wird die Energiewende nicht gelingen. Südtirol hat noch Potenzial.“ Eines von wenigen neuen Kleinwasserkraftwerken in Südtirol: Das Kraftwerk Konfall in Schluderns. Einbau von einer der insgesamt sechs neuen Turbinen am Kraftwerk Ybbs-Persenbeug. Achim Kaspar, COO VERBUND, 2. Landtagspräsident Karl Moser und NRAbg. Alois Schroll (v.l.) nehmen gemeinsam die neue Maschine 1 in Betrieb.
201920025
Dem Ehrenkodex des Österreichischen Presserates verpflichtet

XXL-WASSERRAD FÜR SCHLEUSE IN DER LÜNEBURGER HEIDE

Die alte Technologie des Wasserrads hat Perspektive und durchaus Potenzial. Ein Beleg dafür ist das Projekt von Christian Seidel, einem Ingenieur der TU Braunschweig, der mit seinem Team ein Wasserrad für die Schleusenanlage Bannetze in einem Naturschutzgebiet in der Lüneburger Heide realisieren möchte. Wie der Deutschlandfunk unlängst in einem Report berichtete, scheint der Standort an der Aller neben einem 1,5 m hohen Stauwehr ideal für den Prototypen eines Hightech-Wasserrads zu sein. Konkret wurde dafür ein Rad mit 11 m Durchmesser, 12 m Breite und bestückt mit 60 Metallschaufeln entwickelt. Es soll maximal bis zu 500 kW liefern. Bei Fallhöhen von unter zwei Meter sieht der Forscher Vorteile für die Technik des Wasserrads. Und da es in Deutschland eine Vielzahl derartiger Standorte gibt, spricht Seidel von einem ungenutzten Potenzial von 2 – 3 GW. Dies entspricht zwei bis drei Atommeilern. Der XXL-Prototyp soll 2024 den Betrieb aufnehmen.

RUNDUMSERVICE FÜR KRAFTWERKE DER GEMEINDEWERKE TELFS

Die Gemeindewerke Telfs haben die bestmögliche Performance ihrer Erzeugungsanlagen im Blick. Um gleichermaßen Betriebssicherheit und Top-Wirkungsgrade der Maschinen in Zeiten hoher Strompreise zu gewährleisten, wurden zuerst die beiden kleineren Anlagen KW Strassberg und KW Angerbach einem umfangreichen Maschinenservice unterzogen. Unlängst waren die beiden größeren Kraftwerke Apfertal und Weiher an der Reihe. Zu diesem Zweck wurden die Turbinen ausgebaut und anschließend auch die Generatoren, die zu einer Spezialfirma nach Graz geliefert wurden. Dort wurden sie komplett zerlegt, gereinigt, auf Herz und Nieren geprüft und wieder zusammengebaut. Die Sanierungen dauern dabei jeweils rund 3 Wochen. Die Gemeindewerke betreiben sechs eigene Kraftwerke, die jährlich 13 Mio. kWh Strom liefern. Das reicht für rund 3.700 Durchschnittshaushalte.

HYDRO Aktuell Wir planen, errichten, reparieren und warten Kraftwerksanlagen sowie Strom-, Gas- und Datennetze. Über weitere Details informieren Sie gerne unsere Berater, Tel.: +43 5 9000-3177, E-Mail: techservices@energieag.at techservices.energieag.at Damit ihr Kraftwerk mit voller Kraft werkt Energie AG Oberösterreich Tech Services Tech Services
Dezember 2022 09
Entgeltliche Einschaltung Foto: zek Foto: zek Foto: pixabay Der Maschinensatz des Kraftwerks Apfertal in Telfs wurde einem umfassenden Rundumservice unterzogen. Eine Renaissance der Wasserräder könnte erheblichen Ökostromzuwachs in Deutschland bringen.

Seit dem 11. November 2022 fließt Strom über die ausgebaute Hochspannungsleitung zwischen Pradella und La Punt. Laut einer aktuellen Pressemeldung von Swissgrid wird damit ein Engpass im Schweizer Übertragungsnetz beseitigt. In den Jahren 2021 und 2022 baute Swissgrid die rund 50 Kilometer lange Hochspannungsleitung aus, wobei mehr als 90 der insgesamt 127 Masten ersetzt wurden. Die Strommasten der Leitung Pradella – La Punt waren bislang erst auf einer Seite mit einem 380 kV Stromsystem belegt. Neu tragen sie auf beiden Seiten des Masts je ein 380 kV System. Damit wird die Transportkapazität deutlich vergrößert, was die Versorgungssicherheit sowohl des Kantons Graubünden als auch der ganzen Schweiz stärkt. Das Projekt ist aber auch international von Bedeutung. Die Leitung stellt ein zentrales Bindeglied für den Stromaustausch zwischen Österreich, Italien und der Schweiz dar. Als Ersatzmaßnahme des Ausbaus unterstützte Swissgrid die Engadiner Kraftwerke (EKW) beim Ersatz der 60 kV Freileitung zwischen Pradella und Bever durch ein 110 kV Erdkabel. Die Landschaft wurde dadurch von 1.100 Masten entlastet.

STARTSCHUSS FÜR NEUES TRINKWASSERKRAFTWERK IM MONTAFON

Am 19. Oktober fand in der Vorarlberger Gemeinde St. Gallenkirch mit dem symbolischen Spatenstich der offizielle Startschuss für das neue Trinkwasserkraftwerk der Ortschaft statt. Diverse Vertreter von Bauherrschaft und den beteiligten Unternehmen hatten sich anlässlich des Projektbeginns bei der Baustelle eingefunden. In den kommenden Monaten wird in der Montafoner Gemeinde das neue Trinkwasserkraftwerk eine zuvor bestehende Druckreduzierungseinheit ersetzen. Der Zuschlag für die technische Ausrüstung ging an die Häny Austria GmbH, die bereits seit rund 30 Jahren ihr Know-how bei unzähligen Trinkwasserkraftwerksprojekten unter Beweis stellt. Die 1-düsige Peltonturbine der Anlage mit 55 kW Engpassleistung wird zukünftig bei einer Ausbauwassermenge von 34 l/s und einer Nettofallhöhe von 195 m im Regeljahr rund 480.000 kWh grünen Strom produzieren. Dieses Projekt ist ein ansehnliches Beispiel dafür, wie bestehendes hydroenergetisches Potential dank innovativer Technik genutzt werden kann.

HYDRO Aktuell 10 Dezember 2022 Wasserkraft Wärmekraft Biomasse Sonderprojekte BHM INGENIEURE Engineering & Consulting GmbH Europaplatz 4, 4020 Linz, Austria Telefon +43 732 34 55 44-0 office.linz@bhm-ing.com FELDKIRCH • LINZ • GRAZ SCHAAN • PRAG GENERALPLANER & FACHINGENIEURE Verkehr Industrie Kraftwerke ÖffentlicheSpezialthemenAuftraggeber Follow us on ZEK_D+E_58x262_2022_4C.indd 1 21.02.2022 11:32:24
ERNEUERTE HOCHSPANNUNGSLEITUNG ZWISCHEN PRADELLA UND LA PUNT IST IN BETRIEB Foto: Swissgrid Bei perfektem Herbstwetter wurde der symbolische erste Spatenstich für den Bau des neuen Trinkwasserkraftwerks in St. Gallenkirch gesetzt. Foto: Häny Vor dem Umbau waren die Strommasten zwischen La Punt und Pradella nur einseitig mit Hochspannungsleitungen bestückt. Nun tragen die Masten beidseitig je ein 380 kV-System.

Der Tiroler Landesenergieversorger TIWAG setzt im Zuge der Kraftwerkserweiterung im Kühtai auch zahlreiche Renaturierungsmaßnahmen im Ötztal um. In Summe werden rund 6 Mio. Euro für ein umfassendes Gewässerschutzpaket investiert. Gleich drei Vorhaben sind in der Gemeinde Längenfeld geplant. Am 17. November erfolgte dazu ein gemeinsamer Lokalaugenschein. TIWAG-Vorstandsdirektor Johann Herdina betonte: „Diese Maßnahmen wurden im Rahmen des UVP-Verfahrens als Ausgleich für unser Großvorhaben im Kühtai festgelegt und dienen dazu, einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Gewässerökologie im gesamten Ötztal zu leisten.“ Das größte Vorhaben betrifft die Neugestaltung des Gießensystems im Talbereich des Längenfelder Beckens. So werden die Einmündungen des Unterrieder Bach, Lehnbach, Hauerbach und Klammlasbach in die Ötztaler Ache künftig fischpassierbar gemacht. Eine weitere Maßnahme ist die Aufweitung der Ötztaler Ache zwischen den Weilern Espan und Dorf. Dazu wird das Gewässerbett auf einer Länge von ca. 200 m buchtenartig verbreitert und das angrenzende Gelände abgesenkt. Auf diese Weise entstehen naturnahe Uferböschungen und Bereiche, die bei höheren Wasserführungen wieder überflutet werden können. Eine zusätzliche Aufweitung ist bei Sautens an der Gemeindegrenze zu Ötz und Haiming vorgesehen. Außerdem wird ein historischer Seitenarm wiederhergestellt. In diesem Bereich hat TIWAG bereits 2021 beim Brunauer Wehr eine umfassende Sanierungsmaßnahme durchgeführt und damit neuen und hochwertigen Lebensraum für Fische und andere Wasserlebewesen erschlossen. Beide Maßnahmen an der Ötztaler Ache sollen bis zum 2023 abgeschlossen werden. Für die Niederwasserperiode 2023/24 ist dann noch ein Sanierungsprojekt am Fischbach oberhalb von Gries geplant. Hier soll der Bach auf einer Länge von ca. 500 m aufgeweitet und ein neuer Seitenarm mit Inselbereich geschaffen werden, der bei Hochwässern als Rückhaltebecken für Geschiebe dient.

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Foto: TIWAG Lokalaugenschein in Längenfeld für umfangreiche Gewässersanierungsmaßnahmen mit Vorstandsdirektor Johann Herdina, Bürgermeister Richard Grüner und TIWAG-Projektleiter Klaus Feistmantl (v.l.). MILLIONENSCHWERES GEWÄSSERSCHUTZPAKET FÜR DAS ÖTZTAL

ASFINAG STELLT ZWEITES KLEINWASSERKRAFTWERK FERTIG

Anfang Oktober hat die österreichische Autobahn- und Schnellstraßenbetreiberin ASFINAG ihr zweites Kleinwasserkraftwerk offiziell eingeweiht. Mit der Anlage wird der Jahresenergieverbrauch des Tunnels Semmering an der Schnellstraße S6 zu rund 45 Prozent auf nachhaltige Weise abgedeckt. Errichtet wurde das Kraftwerk im Bereich des Tunnel-Ostportals zwischen Mürzzuschlag und Ternitz. „Bei der Eigenstromerzeugung für unsere Standorte gehen wir mit Photovoltaikanlagen bereits einen sehr erfolgreichen Weg. Beim Tunnel Semmering setzen wir auf Wasser um saubere Energie zu erzeugen. Dafür verwenden wir im Kraftwerk die natürlich vorkommenden Bergwässer. Diese werden in nachhaltige saubere Energie für den Eigenverbrauch umgewandelt. Damit legen wir einen weiteren Meilenstein zur Erreichung unseres Ziels, bis 2030 bilanziell stromautark zu sein“, sagt ASFINAG-Vorstand Hartwig Hufnagl. Die Stollensickergewässer werden durch eine Druckrohrleitung zur Turbinierung ins Krafthaus geführt. Als Herzstück des Kraftwerks kommt eine Pelton-Turbine zum Einsatz, die im Regeljahr rund 490.000 kWh Strom erzeugen kann. Die erzeugte elektrische Energie wird mittels Erdkabel in die Tunnelwarte übertragen, dort in das Niederspannungsnetz eingeleitet und zu 100 Prozent für die Betriebs- und Sicherheitstechnik des Tunnels verwendet. In die Realisierung des Projekts investierte die ASFINAG rund 1,7 Mio. Euro. Ihr erstes Kleinwasserkraftwerk mit ca. 400.000 kWh Regelarbeitsvermögen hat die ASFINAG bereits im Oktober 2020 am Tiroler Autobahntunnel Flirsch in Betrieb genommen.

NEUES WASSERKRAFTWERK IM SALZBURGER LAND FIXIERT

Schon bald soll der Baustart für ein neues Wasserkraftwerk am Obersulzbach in der Salzburger Region Oberpinzgau erfolgen, berichteten die Salzburger Nachrichten am 15. November. Realisiert wird das Kraftwerk Sulzau vom Energieversorger Salzburg AG und der Gemeinde Neukirchen. Da der Wasserrechtsbescheid schon länger erteilt wurde und keine Einwände gegen die naturschutzrechtliche Genehmigung bis zum Ende der Frist einlangten kann das Projekt nun in die Realität umgesetzt werden. Bei der nächsten Aufsichtsratssitzung der Salzburg AG am 6. Dezember ist der Baubeschluss zu erwarten, der Beginn der Bauarbeiten soll im Frühjahr 2023 erfolgen. Bis zur Inbetriebnahme ist eine Bauzeit von ca. zwei Jahren avisiert. Von der Gemeinde Neukirchen wird das Projekt laut dem Zeitungsartikel nach Kräften unterstützt. „Das Wasser des Obersulzbachs wird bisher nicht genutzt. Das Kraftwerk kann 5.300 durchschnittliche Haushalte versorgen. Neukirchen hat etwa 1.000 Haushalte“, so Bürgermeister Andreas Schweinberger. Der Bürgermeister zeigte sich überrascht, dass schon im kommenden Frühling der Bau starten soll, man habe eigentlich erst im Herbst 2023 damit gerechnet. Konzipiert wurde das neue Kraftwerk nach dem klassischen Ausleitungsprinzip. An der Blauseesperre werden zukünftig maximal 9 m³/s Triebwasser gefasst und durch eine rund 2.000 m lange Druckrohrleitung über insgesamt 78 m Höhenunterschied zum Krafthaus geführt. Das Maschinengebäude mit zwei Turbinen wird an der Mündung des Obersulzbachs in die Salzach gebaut. Im Regeljahr wird der Neubau ca. 18,4 GWh Ökostrom erzeugen.

HYDRO Aktuell 12 Dezember 2022
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Falsch gerechnet

Bei einer Kraftwerksplanung sind drei wesentliche Faktoren wichtig: die technisch beste Lösung, die sozio-ökologische Umsetzbarkeit und die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit. Die technische beste Lösung ist oft nicht die komplizierteste, sondern eine sehr einfache, die auch wenige Ansatzpunkte für Versagen bietet. Die Verwendung des Begriffes „Resilienz“ ist in diesem Zusammenhang angebracht.

Die sozio-ökologische Umsetzbarkeit hängt eng mit verschiedenen Planungsentscheidungen zusammen und beeinflußt diese selbstverständlich auch. Sozio-ökologische Erfordernisse sind nicht als erzwungene „Schminke“ nachträglich dem Projekt aufzupfropfen, sondern sind Bestandteil der Projektentwicklung. Und letztlich die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit: Wem hilft ein technisch ausgereiftes und sozio-ökologisch vorbildliches Projekt, wenn es in ein wirtschaftliches Fiasko führt? Ein Kraftwerk zu bauen, das sich nicht in angemessener Zeit „rechnet“ ist nicht nur Unsinn, sondern auch ökologisch fragwürdig, da Ressourcen ohne Nutzen verwendet werden. Die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit ergibt sich trivialerweise aus einer Kosten-Nutzen-Betrachtung. Die Kostenabschätzung stellt für den planenden Ingenieur insbesondere in unserer Zeit eine nennenswerte Herausforderung dar, da nicht nur die Bauwirtschaft weder bereit noch in der Lage ist, auch nur kurzfristig verlässliche Kosten anzugeben.

Die andere Seite ist der mögliche Ertrag, dessen Ermittlung auch wieder ein Kunststück werden kann, solange die Energiepreise Kapriolen schlagen. Relativ einfach sollte hingegen die prognostische Berechnung der Stromerzeugung sein. Überraschend genug, dass auch in diesem Planungsschritt essentielle Fehler gemacht werden. Die Erzeugungsprognose basiert auf verlässlichen und langjährig aufgezeichneten Abflussdaten. Bei uns in Österreich und in vielen anderen mitteleuropäischen Ländern eine leichte Übung – auf manch anderen Kontinenten keinesfalls selbstverständlich. Aber gesetzt den Fall, die Daten sind vorhanden, wird nicht selten mit Abflussmonatsmittelwerten gerechnet. Weil’s einfach ist und auch rasch geht. Aber das ist falsch, da dadurch das Bild des Abflussregimes abgeflacht wird. Sowohl hohe als auch niedrige Werte werden vom Mittelwert „geschluckt“ und Abflussanteile als nutzbar betrachtet, die in Wirklichkeit nicht nutzbar sind. Das Ergebnis: die Prognose ist zu hoch. Es wird also eine Erzeugung „versprochen“, die nicht eintreten wird. Das kann für den Betreiber wirtschaftlich verheerende Folgen haben, da das Finanzierungskonzept auf tönernen oder schon zerbrochenen Beinen steht.

Die einzig richtige und verantwortungsvolle Berechnungsmethode muss auf täglichen Abflusswerten beruhen. Und es ist auch bei weitem nicht genug, nur mit einem „mittleren“ Jahr zurechnen, da die Schwankungsbreite der „Hydraulizität“ leicht einmal 20 Prozent in beide Richtungen betragen kann. Das heißt also – es müssen auch die potentiellen Erzeugungen für trockene als auch für nasse Jahre errechnet werden, um dem zukünftigen Betreiber reinen Wein einzuschenken. Wie leicht zu sehen ist – es bleiben mehr als genug Unwägbarkeiten im Zuge einer Wirtschaftlichkeitsberechnung übrig. So sollte man zumindest dort, wo es geht, möglichst genau sein. Das wünscht sich und Ihnen

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AM ENDE EINES LANGEN WEGES: GKI WIRD FEIERLICH ERÖFFNET

Ein Mammutprojekt in Sachen erneuerbare Energie ist geschafft. Mit dem Bau des Gemeinschaftskraftwerks Inn – kurz GKI – gelang der TIWAG gemeinsam mit den Engadiner Kraftwerken ein echter Meilenstein am Weg zur Energieautonomie von Tirol und Graubünden. Nach acht Jahren Bauzeit wurde die grenzüberschreitende Kraftwerksanlage am Oberen Inn nun am 4. November im Tiroler Prutz feierlich eröffnet. Das GKI, das eine installierte Leistung von 89 MW aufweist, wird in Zukunft Strom für rund 90.000 Haushalte liefern.

Bei nachmittäglichem Sonnenschein an einem Regentag hatte sich jede Menge Prominenz aus Politik und Wirtschaft vor dem Krafthaus des GKI in Prutz versammelt, um das neue Laufkraftwerk gebührend zu feiern. Angesichts einer Bauzeit von acht Jahren und einer gesamten Investitionssumme von 620 Millionen Euro zählt das Gemeinschaftskraftwerk Inn zu den größten und bedeutendsten Infrastruktur- und Energieprojekten Tirols sowie des Kantons Graubünden. Ein Projekt, das auch geprägt war von gravierenden baulichen Herausforderungen – wie etwa durch schwierige meteorologische, aber auch geologische Herausforderungen und Restriktionen während der Corona-Pandemie. Entsprechend groß waren die Erleichterung und die Freude, die den Verantwortlichen in ihren Festan-

sprachen anzumerken waren. „Heute ist ein großer Tag für die Wasserkraft. Das Gemeinschaftskraftwerk kommt in Zeiten drohender Strommangellagen genau zur richtigen Zeit. Das Projekt zeigt auf: Erneuerbare Stromproduktion aus Wasserkraft ist einer der zentralen Pfeiler der Energiesicherheit der Alpenländer“, sagte der Bündner Regierungsrat und Energiedirektor Mario Cavigelli in seiner Ansprache. Und GKI-Geschäftsführer und TIWAG-Vorstandsdirektor Johann Herdina betonte: „TIWAG und EKW haben dieses Großprojekt in vorbildlicher Zusammenarbeit realisiert, und wir sind in jeder Hinsicht stolz auf die erfolgreiche Umsetzung. In den kommenden Jahrzehnten werden wir ernten, was bereits 2003 – mit Beginn der konkreten Planungen des GKI – gesät wurde.“

14 Dezember 2022 Projekte HYDRO
Nach einer Bauzeit von acht Jahren konnte das richtungsweisende Grenzkraftwerk GKI (Gemeinschaftskraftwerk Inn) am 4. November feierlich eröffnet werden. Das harmonisch in die Landschaft integrierte Krafthaus ist im Tiroler Prutz situiert. Foto: zek Foto: zek Foto: zek Landesüblicher Empfang für die Festgäste. Musikalische Umrahmung durch die örtliche Trachtenmusikkapelle.

INTENSIVE PROJEKTIERUNGSPHASE

Die ersten Pläne für die Nutzung der Wasserkraft am Oberen Inn reichen zurück in die 20er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts, wie Johann Herdina im Gespräch erklärt. Das neue Projekt wurde im Rahmen der Neuauflage im Jahr 2003 an den neuesten Stand der Technik angepasst und ökologisch optimiert. Dem offiziellen Baustart im November 2014 ging eine intensive und sehr aufwändige Projektierungsphase voraus, die den Weg für eine zügige Realisierung des Projekts ebnen sollte. Seit 2003 arbeiteten die Projektbetreiber gemeinsam an der Planung und Umsetzung des Kraftwerks am Oberen Inn. Von April 2007 an durchlief das Projekt eine lange und hoch komplexe Prüf- und Genehmigungsphase mit zwei Umweltverträglichkeitsprüfungen, die schließlich 2013 in die rechtskräftigen Behördenbewilligungen diesseits und jenseits der Grenze mündete. Nach den erfolgten Vergaben der wesentlichen Baulose konnte bereits im Sommer 2014 mit den Vorbereitungsmaßnahmen für das Bauvorhaben, wie etwa Felssicherungs-, Rodungs- oder Baustelleneinrichtungsarbeiten, begonnen werden. Es war der Auftakt für ein Großprojekt, zu dessen Spitzenzeiten über

460 Fachkräfte vor Ort tätig sein sollten, die dementsprechend auch zur regionalen Wertschöpfung beitrugen. Am 14. November 2014 wurde der feierliche Spatenstich gesetzt, der die eigentlichen Bauarbeiten am seit vielen Jahren größten Flusskraftwerk Österreichs und Graubündens einläutete. Wirtschaftlich hatte die TIWAG die Führungsrolle eingenommen: 86 Prozent des GKI gehören heute der Tiroler Wasserkraft AG, 14 Prozent der Engadiner Kraftwerks AG. Die Kooperation sollte sich über die Jahre als ebenso erfolgreich wie belastbar beweisen, wie Vertreter beider Partner auch bei der Eröffnungsfeier betonten.

Geplant wurde die Anlage von einem Planungskonsortium. Integraler Teil dieses Planungskonsortiums war das Tiroler Planungsbüro ILF Consulting Engineers mit Sitz in Rum bei Innsbruck. Die Ingenieure von ILF zeichneten dabei für die Entwurfsplanung, die Variantenstudie hinsichtlich Krafthaus und Maschinenanzahl, die Variantenstudie bezüglich Unterwasserkanal sowie für die technische Einreichplanung für die Umweltverträglichkeitserklärung sowohl auf österreichischer als auch auf Schweizer Seite und für die Ausschreibungsplanung verantwortlich.

Von seinem Konzept her handelt es sich beim GKI um ein Ausleitungs-Laufwasserkraftwerk, das sich vom Ortsteil Martina der Schweizer Gemeinde Valsot aus über das Gebiet von sieben Tiroler Gemeinden erstreckt und das im Wesentlichen unterirdisch angelegt wurde. Grob umrissen besteht es aus den drei Hauptkomponenten Wehranlage mit Stauraum, dem Triebwasserstollen und dem Krafthaus in Prutz. Das Wehrbauwerk, das den Oberen Inn im schweizerisch-österreichischen Grenzgebiet auf einer Länge von 2,6 km aufstaut, wurde in Ovella errichtet. Hier werden bis zu 75 m3/s an

PLANUNG GEMEINSCHAFTSKRAFTWERK INN (GKI)

• Entwurfsplanung

Variantenstudie Maschinenanzahl

Variantenstudie UW - Kanal

Technische Einreichplanung für die Umweltverträglichkeitserklärung (UVE in Österreich bzw. UVS in der Schweiz)

Ausschreibungsplanung

HYDRO Projekte Dezember 2022 15
www.ilf.com
ENGINEERING EXCELLENCE.
23 KILOMETER DURCH DEN BERG Foto: zek Feierliche Stimmung in der neuen Maschinenhalle Foto: TIWAG Erich Entstrasser (Vorstandsvorsitzender TIWAG), Landeshauptmann Anton Mattle, Ständerat Martin Schmid (Präsident EKW AG) und Regierungsrat Mario Cavigelli (v.l.) nehmen gemeinsam die Maschinen des neuen GKI in Betrieb. Foto: zek Entspannte Gesichter vor der Einweihung: Bischof Hermann Glettler, Landeshauptmann Anton Mattle und Regierungsrat Mario Cavigelli (v.l.)

Die rund 380 Tonnen schweren Tunnelvortriebsmaschinen werden in Stellung gebracht. Im Sommer 2015 wird die erste angedreht.

Triebwasser entnommen und in den circa 23 km langen Triebwasserstollen geleitet, der an seinem unteren Ende in einen 17 Grad geneigten Schrägschacht übergeht. An dessen Ende befindet sich das Maschinenhaus, das ebenfalls zum größten Teil unterirdisch konzipiert wurde. Nur um wenige Meter ragt das Gebäude heute über das Geländeniveau hinaus. Im Krafthaus sind zwei leistungsstarke Francis-Maschinensätze untergebracht, die mit je einem direkt gekoppelten Generator die kinetische Energie des Inn in grünen Strom verwandeln. Dieser wird über das nahgelegene Umspannwerk des Kraftwerks Kaunertal ins Netz eingespeist. Das abgearbeitete Triebwasser fließt durch einen unterirdischen Rückgabekanal in den Inn zurück.

je nach Lage zwischen 130 m und 1.200 m tief unter der Oberfläche.

RIESIGE MASCHINEN IN STELLUNG GEBRACHT

Die Bauarbeiten in den Folgejahren sollten sich als äußerst anspruchsvoll herausstellen, auch wenn in den ersten Monaten nach Baubeginn alles noch auf einen zügigen Bauverlauf hindeutete. So wurde gerade einmal vier Monate nach dem Anschlag des Fensterstollens zum Triebwasserweg in Maria Stein der offizielle Baubeginn des 385 m langen Schrägschachtes in Prutz eingeläutet. Unmittelbar davor konnte mit der Baugrubenumschließung für das neue Kraftwerk begonnen werden. Vom Zugangsstollen aus wurde der eigentliche Triebwasserstollen mithilfe von zwei gewaltigen Tunnelvortriebsmaschinen – kurz TVM – ausgefräst, konkret über eine Länge von rund 12,7 km in Richtung Ovella und

circa 8,9 km in Richtung Prutz. Zudem wurde von beiden Enden ein Gegenvortrieb im konventionellen Sprengvortrieb eingerichtet. Nachdem die riesigen Maschinenkolosse ab Juni 2015 vor Ort auf die volle Länge von rund 200 m zusammengebaut worden waren, konnte die erste der beiden TVM beginnen, sich mit 3.500 kW Gesamtleistung durch den Fels zu fressen. Im Oktober folgte dann TVM2, die ihren Vortrieb in Richtung Prutz in Angriff nahm. „Dank genauester Dokumentation und strikter Einhaltung behördlicher Vorgaben kann man durchaus von einer ‚gläsernen‘ Baustelle sprechen. Aber darüber hinaus zeichnete sie sich auch durch ein effizientes und ressourcenschonendes Baustellenmanagement aus“, erklärt Vorstandsdirektor Johann Herdina, der im Rahmen der Einweihungsfeier als zentrale Triebfeder des Projekts bezeichnet wurde.

NUTZUNG EIGENER RESSOURCEN

Dass man zentrales Augenmerk auf einen besonders schonenden Umgang mit den gegebenen Ressourcen legte, zeigte sich nicht zuletzt auch

In Maria Stein wird eine Produktionsanlage für Tübbinge errichtet. Die Fertigteile aus Beton dienen der Auskleidung des Triebwasserstollens. Die eingesetzte mobile Mischanlage LINEMIX® 3000 von SBM Mineral Processing ermöglicht einen Festbetonausstoß von 90 m3/h.

16 Dezember 2022 Projekte HYDRO
bei der Fertigung und dem Einsatz der Stahlbe-
Foto: TIWAG
TIWAG
Das Triebwasser wird an der Wehranlage Ovella im schweizerisch-österreichischen Grenzgebiet gefasst und durch einen 23,2 km langen Triebwasserstollen zum Maschinenhaus im Tiroler Prutz geleitet. Der Stollen führt durch den Berg auf der orographisch rechten Talseite,
Foto: TIWAG
Grafik:
LINEMIX® 3000 410 H

ton-Tübbinge, die aus Kiesmaterial aus einer Nassbaggerung und der Kiesgewinnung durch die Hilti & Jehle GmbH gefertigt wurden. Zu diesem Zweck wurde an der Baustelle eine eigene Feldfabrik am Eingang zum Fensterstollen errichtet. Rund 50.000 Tübbinge mit einer Breite von 1,66 m und einer Dicke von 27 cm wurden für die Auskleidung des Triebwasserstollens verwendet, der letztlich einen Innendurchmesser von 5,76 m aufweisen sollte. Für die Betonproduktion vertraute das hierfür verantwortliche Bauunternehmen Hilti & Jehle GmbH auf das Know-how der oberösterreichischen SBM Mineral Processing und deren mobile Mischanlage LINEMIX® 3000. Diese leistungsstarke Anlage ermöglichte es, insgesamt 120.000 m³ Hochleistungsbeton für 50.000 Tübbinge mit über 7.300 Tonnen Bewehrungsstahl zeitgerecht und im 24-Stunden-Ganzjahresbetrieb herzustellen. In Summe fielen bei den gesamten Aushubarbeiten und vor allem den Tunnelbohrarbeiten circa 1 Mio. m3 Ausbruchsmaterial an. Ein Teil davon, der als geeignet eingestuft wurde, wurde der Tübbing-Herstellung zugeführt. Der größte Teil landete allerdings auf den vorgesehen Deponieflächen, wohin das Material über besonders geräuscharme Förderbänder verfrachtet wurde. Der Transport via Förderbänder brachte gegenüber jenem mit Schwerfahrzeugen den großen Vorteil mit sich, dass damit eine effiziente Minimierung der Staubentwicklung erreicht werden konnte.

MILLIMETERARBEIT AUF DER BAUSTELLE

Im Frühling 2016 waren die Arbeiten am Krafthaus so weit gediehen, dass die Saugrohre installiert werden konnten – ein weiterer Meilenstein im Bauverlauf. Rund 18 Tonnen bringen die beiden, 10 m langen und 6 m breiten Stahlbauteile auf die Waage. Im Hinblick auf bestmögliche hydraulische Bedingungen wurden sie bereits im Vorfeld in einem Modellversuch im Maßstab 1:6 optimiert. Sowohl die Fertigung als auch die Montage mussten in

Millimeterarbeit erfolgen. Aufgrund ihrer beachtlichen Abmessungen konnten die Bauteile nicht als Ganzes, sondern nur in Einzelsegmenten angeliefert und vor Ort wieder zusammengeschweißt werden. Ob der Überbreite stellte sich der Transport über den Reschenpass als besondere Herausforderung dar. Die Rohre wurden beim Branchenspezialisten Pelfa im italienischen Grumello del Monte im Auftrag des Wasserkraftspezialisten Voith Hydro gefertigt.

WEHR IN NASSBAUWEISE GEBAUT

Zu diesem Zeitpunkt waren die Arbeiten an anderer Stelle, rund 24 km davon entfernt an der Wehrbaustelle, ebenfalls erkennbar vorangeschritten. „Mitte März 2016 haben wir den Inn durch einen Ablenkdamm in das zuvor errichtete Ersatzflussbett umgeleitet, um die 50 m lange und 26 m hohe Wehranlage in einer ‚trockenen‘ Baugrube zu bauen“, erinnert sich Johann Herdina. Grundsätzlich wurde zuerst für den Bau

der Stauanlage der Inn umgeleitet. Danach wurde das Wasser durch die Wehrfelder der fertiggestellten Wehranlage geführt, um auf der anderen Seite „im Trockenen“ das Dotierkraftwerk inkl. Betriebsgebäude, den Triebwassereinlauf und die Fischwanderhilfen zu bauen. Für die Realisierung der Anlagenteile in Ovella wurden insgesamt rund 28.500 m³ Beton verbaut. An der Wehranlage wird nicht nur das Triebwasser bis max. 75 m3/s entnommen, sondern auch die behördlich vorgegebene Restwassermenge abgegeben. Während im Winter und in der Übergangszeit eine konstante, ökologisch angepasste Dotierwassermenge rückgeführt wird, sieht das dynamische Restwassermodell in den Sommermonaten eine Anpassung dieser Restwassermenge an das natürliche Wasserdargebot vor. Dabei wird auch dieses Wasser zur Stromerzeugung genutzt. Zu diesem Zweck wurde eine spezielle Dotierturbine installiert, die im Regeljahr rund 8 GWh Strom liefert.

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Wir denken in die Tiefe. jaegerbau.com
Für die Errichtung der Wehranlage werden rund 12.000 m3 Beton verbaut. Hinzu kommen ca. 16.500 m3 für das Dotierkraftwerk, den Triebwassereinlauf und die Fischwanderhilfe.
Im Sommer 2017 werden die mächtigen Turbinenspiralen eingehoben. Foto: TIWAG Foto: TIWAG

VERZÖGERUNGEN IM STOLLENBAU

Eine Zäsur im Bauverlauf markierte der Jahresbeginn 2017, als sich die Betreiber des GKI und das mit dem Tunnelvortrieb betraute Unternehmen einvernehmlich auf eine Beendigung des Vertrags einigten. Unvorhersehbare, vor allem geologische Schwierigkeiten hatten in den Monaten zuvor die Vortriebsleistung erschwert und in weiterer Konsequenz zu Verzögerungen geführt. Bereits kurze Zeit später sprang ein anderes Baukonsortium in die Bresche, das den Vortrieb für den Triebwasserweg in der Folge wieder aufnahm. Das neue Baukonsortium setzte sich aus der STRABAG AG, der Jäger Bau GmbH aus Schruns und der G. Hinteregger & Söhne Baugesellschaft zusammen.

Während im Berginneren die beiden TVM wieder langsam Fahrt aufnahmen, nahm das Maschinenhaus in Prutz bereits Formen an. Nur wenige Wochen nach der Firstfeier im April 2017 konnte langsam die Geländegestaltung umgesetzt werden. Und Ende Juli selbi-

gen Jahres stand bereits die Maschinenmontage auf dem Programm. Mit dem Einheben des ersten Rotors, im Übrigen der schwerste Bauteil mit 120 Tonnen, wurde somit ein weiterer Meilenstein erreicht. Mitte Oktober folgte schließlich die Montage des zweiten baugleichen Rotors. Einmal mehr zeichnete sich dabei das Montageteam durch Fingerspitzengefühl und technisches Know-how aus. Im Winter 2017/18 konnte in der Folge die wesentliche Maschinenmontage mit den Turbinen sowie den 90 Tonnen schweren Trafos abgeschlossen werden. Während also das Herz der Anlage sich bereits seiner Fertigstellung näherte, blieb der Stollenbau weiterhin im Zeitplan zurück.

EXTREME BEDINGUNGEN AN DER WEHRANLAGE

„Wir sind zu dieser Zeit immer wieder auf geologische Störzonen gestoßen, die den Stollenvortrieb bremsten und uns im Zeitplan zurückwarfen“, blickt Johann Herdina auf eine schwierige Bauphase zurück. Völliger Stillstand herrschte zu diesem Zeitpunkt gar an der

Wehranlage Ovella. Aufgrund extremer Schneebedingungen mussten die Bauarbeiten Ende Jänner 2018 sogar kurzfristig gestoppt werden. Sie konnten erst Anfang Mai wieder aufgenommen werden. Im Herbst des selben Jahres wurde schließlich der Inn erfolgreich umgeleitet, sodass die Baugrubenumschließung hergestellt und in weiterer Folge das Dotierkraftwerk integriert werden konnte. Während im Spätherbst 2018 die Arbeiten am Krafthaus in Prutz sich bereits ihrem Ende entgegenneigten und schon mit den Rekultivierungsarbeiten begonnen werden konnte, stieg die Vortriebsleistung untertage langsam wieder an. Zwei Drittel der gesamten Strecke waren zu diesem Zeitpunkt ausgebrochen. „Nach vielen Rückschlägen waren wir zu diesem Zeitpunkt wieder gut unterwegs. Den-

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Aufatmen bei allen Beteiligten. Im April 2019 gelang der Durchschlag der TVM Nord. Um an der Wehranlage Ovella ungefährdet von Steinschlag und Lawinen arbeiten zu können, wurden aufwändige Sicherheitsmaßnahmen umgesetzt. Nach Abschluss der Stollenbauarbeiten lag die volle Konzentration auf der Fertigstellung der Wehranlage Ovella. Geologische Störzonen im Berg bremsen den Schwung der beiden Tunnelvortriebsmaschinen. Im Sommer 2017 wird der erste der beiden je 120 Tonnen schweren Rotoren montiert. Der zweite folgte im Oktober.
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noch mussten wir unseren Zeit- und Kostenplan adaptieren. Der eingetretene Rückstand war einfach nicht mehr aufzuholen. So viel stand fest“, erinnert sich GKI-Geschäftsführer Johann Herdina.

ERFOLGREICHER TUNNEL-DURCHSCHLAG

Im April 2019 war es schließlich soweit: Der TVM Nord gelang der Durchschlag zum Gegenvortrieb im Bereich Prutz/Ried – ein weiterer wichtiger Meilenstein im Projektverlauf. Drei Monate später vermeldeten die Baumannschaften auch den erfolgreichen Durchschlag der „Südröhre“. Damit konnten die aufwändigen Vortriebsarbeiten abgeschlossen werden – ein Umstand, der Anlass für erleichtertes Aufatmen bei allen Beteiligten bot. Von da an galt die gesamte Aufmerksamkeit der Fertigstellung der Wehranlage Ovella.

Für Sorgenfalten sorgten dabei allerdings die außergewöhnlichen Witterungsverhältnisse, die das ganze Frühjahr über an der Wehrbaustelle herrschten. Was baulich realisiert wurde, konnte nur unter erschwerten Bedingungen durchgeführt werden, wie Johann Herdina betont: „Schneemassen mit permanent drohender Lawingengefahr, Steinschläge und sogar ein massives Hochwasser im Juni, das die Baustelle beinah überschwemmt hätte: Das Großprojekt blieb weiterhin eine Herausforderung.“

Um die Sicherheit der Bauarbeiter auf der Baustelle sicherzustellen, mussten noch umfangreiche Sicherungsmaßnahmen, wie etwa zusätzli-

che Steinschlagschutznetze am darüberliegenden Hang, umgesetzt werden. Der Sicherheit der Arbeiter wurde von Seiten der Projektleitung höchste Priorität eingeräumt. „Die gesamten zusätzlichen Maßnahmen im Umfang von über 2 Mio. Euro sind nicht ausschließlich in die Sicherheit der Arbeiter vor Ort, sondern auch für einen späteren reibungslosen Kraftwerksbetrieb gut investiert. Generell haben wir unser Gefahrenplanmanagement diesbezüglich laufend weiterentwickelt. Die Investitionen in die Sicherheit der Anlagen steigt stetig“, so der GKI-Geschäftsführer.

AUCH CORONA BREMST

Während 2019 noch bauliche Herausforderungen das Projekt beherrschten, trat 2020 ein anderes und nicht minder schwieriges Thema in den Vordergrund: die Corona-Pandemie. Zum einen galt es zügig ein funktionelles Hygiene- und Sicherheitskonzept für die Arbeiten zu entwickeln, zum anderen weiterhin die laufende Kooperation über eine Staatsgrenze hinweg aufrecht zu erhalten. Vor diesem Hintergrund wurden die Arbeiten im März 2020 für ein Monat unterbrochen, um sie danach unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen weiterzuführen.Besonders intensiv wurden in der Folge die Arbeiten am neuen 2,1 MW starken Dotierkraftwerk weiter vorangetrieben. Bis Ende August 2020 wurde die dafür erforderliche Baugrubenumschließung mit über 230 Bohrpfählen abgeschlossen, die bis zu 37 m tief im Boden

verankert wurden. Im Anschluss konnten die Betonierarbeiten für Einlaufbauwerk und Fischwanderhilfe in Angriff genommen werden. Daneben wurde der Großteil der Wehranlage in Ovella auf der orographisch linken Seite fertiggestellt. In weiterer Folge schritten die Arbeiten gut voran. Besonders der niederschlagsarme letzte Winter begünstigte den Baufortschritt.

LEISTUNGSSTARKE VERSCHLUSSSYSTEME

Spezielle Herausforderungen hielten die Arbeiten an der Wehranlage Ovella auch für den beauftragten Stahlwasserbauspezialisten Künz bereit, der dabei einmal mehr sein technisches Know-how und auch seine Flexibilität unter Beweis stellte. Konkret zeichnete das Vorarlberger Stahlbauunternehmen für die zwei Staubalken-Wehrverschlusssysteme mit je einem Drucksegment und einer Wehrklappe für die zweifeldrige Wehranlage, sowie für 11 Dammbalken und eine Dammtafel verantwortlich. Doch einfach sei dieser Auftrag nicht gewesen, wie die Künz-Projektleitung betonte: „Nicht vorherzusehende Naturereignisse und der alpine Standort mit seinen extrem beengten Platzverhältnissen hat unser Team immer wieder vor anspruchsvolle Herausforderungen gestellt.“ Erst im Mai dieses Jahres konnte die finale Montage der Wehrklappen abgeschlossen werden. Bei den beiden Verschlussorganen am Staubalkenwehr handelt es sich um Wehrsegmente mit auf einem dazwischen liegenden Staubalken aufgesetzter

INNOVATIONEN FÜR EINE NACHHALTIGE ZUKUNFT

HYDRO Projekte Dezember 2022 19 www.kuenz.com
Foto: Künz Foto: Künz Bei vollständiger Öffnung beider Wehrfelder kann das 1,5-Fache eines 1.000-jährlichen Hochwassers abgeführt werden. Als Verschlussorgane dienen zwei Drucksegmente sowie 2 auf einen Staubalken aufgesetzte Wehrklappen, geliefert vom renommierten Stahlwasserbauexperten Künz.

Klappe, die bei voller Öffnung das 1,5-Fache eines 1000-jährlichen Hochwasser abzuführen vermögen. Im Fall einer Blockade von einem der Verschlussorgane, ist immer noch die Abfuhr eines HQ1000 möglich. Die Segmente sind auf eine Belastung von 13,8 m Wassersäule ausgelegt. Dieses System stellt im Wesentlichen das Rückgrat der Betriebssicherheit an der Wehranlage dar.

PANZERTÜR VERSCHLIESST STOLLENABZWEIG

Für stahlwasserbauliche Sicherheit im Bereich Maria Stein, wo der Fensterstollen zur Aufnahme der Vortriebsarbeiten angelegt worden war, sorgt dagegen eine spezielle Panzertüre, die vom oberösterreichischen Stahlwasserund Maschinenbauspezialisten Braun Maschinenfabrik geliefert wurde. Die Panzertüre mit einer lichten Weite von 2,7 m und einer lichten Höhe von 4,0 m dient dem Verschluss der

Abzweigung des Fensterstollens vom Triebwasserweg. Sie ist als 2-teiliges Verschlussorgan mit separat zu öffnendem Ober- und Unterteil ausgeführt. Geöffnet kann die halbrunde Tür nur in Richtung Oberwasser werden. Sie ist auf einen Wasserdruck von 10,5 bar ausgelegt. Bei der Montage wurde vor allem die Einbringung der Bauteile im Stollen aufgrund der beengten Platzverhältnisse zur Herausforderung. Eine Gelegenheit, bei der das Montageteam von Braun sein bekanntes Know-how und seine Erfahrung unter Beweis stellen konnte. Letzteres floss auch in die Montage der beiden aus Niro-Stahl gefertigten Entleerschieber ein, die zum Öffnen und Schließen der 80 m langen Entleerungsleitung DN600 dienen. Die Entleerleitung wird für eine allfällige Stollenentleerung benötigt. Zu diesem Zweck wurde zusätzlich ein Energievernichtungsbauwerk errichtet.

EINLAUFSCHÜTZ DICHTET DOPPELT

Weitere wichtige Sicherheitsorgane an der Wehranlage Ovella sind die beiden Triebwassereinlaufschützen, die als Betriebs- und Revisionsschützen unmittelbar hintereinander angeordnet sind. Die ebenfalls von der Firma Braun gelieferten Verschlussorgane dienen dem Verschließen des Triebwassereinlaufs. Sie wurden als quadratische Rollschütze mit einer lichten Weite und Höhe von 5,8 m ausgeführt. Geliefert wurden die Tafeln jeweils als zweiteiliges Bauteil, das direkt vor Ort zusammengeflanscht wurde. Das Besondere an dem Betriebsschütz: Es weist eine beidseitige Dichtung auf, dichtet also sowohl gegen den Stauraum als auch gegen den Triebwasserstollen. Die 32,5 Tonnen schweren Bauteile wurden vom Montage-Team der Braun Maschinenfabrik in 18 m Tiefe montiert. In ebendieser Tiefe wurden auch die Einlaufverschlüsse für das Dotierkraftwerk an der

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Innovations for hydropower BRAUN Maschinenfabrik Ges.m.b.H. Gmundner Str. 76 4840 Vöcklabruck / AUSTRIA office@braun.at all over the world. Trash RackCleaningSystems HydroMechanicalEquipment www.braun-tech.com M A S C H I N E N F A B R K EINSCHALTUNG BRAUN-STWB 120x180 - 2021.qxp_EINSCHALTUNG STWB 122x90 20.10.21 13:26 Seite 2 Foto: Braun Foto: Braun Foto: Braun Die Panzertüre verschließt die Abzweigung des Fensterstollens vom Triebwasserweg.
Einbau des Entleerschiebers für die Stollenentleerleitung durch das Team der beauftragten Braun Maschinenfabrik
Montage des Einlaufschützes am Dotierkraftwerk Ovella

Wehranlage montiert. Dabei handelt es sich im Fall des Betriebsschiebers um ein Rollschütz, und beim Reserveschieber um ein Gleitschütz, das im Grunde eine Dammtafel darstellt. Beide Verschlüsse können ohne externe Energie bei einem Stromausfall mittels Eigengewicht selbsttätig schließen. Das Betriebsschütz ist mit einem eigenen Hydraulikantrieb ausgerüstet. Darüber hinaus lieferte der Stahlwasserbauspezialist aus Vöcklbruck auch den Auslaufschütz des Dotierkraftwerks mit einer Lichten Weite von 8,4 m und einer Lichten Höhe von 3,15 m sowie weitere 9 kleinere Schützen.

INBETRIEBSETZUNG KANN BEGINNEN

Noch vor dem Sommer dieses Jahres konnten auch die Bauarbeiten im Stauraum, der sich von der Wehranlage bis zur rund 2,5 km entfernten Innbrücke in Martinsbruck erstreckt, abgeschlossen werden. Damit stand dem für August geplanten ersten Aufstau des Inns nichts mehr im Wege. „Dieser Schritt erfolgte

schrittweise in mehreren Etappen und wurde von einem umfangreichen Messprogramm zur Sicherstellung der einwandfreien Funktion der Wehranlage begleitet“, erklärt Johann Herdina. Parallel dazu konnte mit den ersten Maschinentests im Trockenbetrieb begonnen werden. Wenig später gelangte schließlich das erste Wasser aus dem Inn auf die Laufräder des neuen Kraftwerks. Die Nassinbetriebsetzung konnte starten. Das umfangreiche Test- und Messprogramm im Rahmen des Probebetriebs erstreckte sich über mehrere Wochen und verlief zur Zufriedenheit der Projektbetreiber er-

folgreich. Die Weichen für die offizielle Inbetriebnahme Anfang November waren somit endgültig gestellt.

VERBESSERUNG DER ÖKOLOGIE

Ein wesentlicher Aspekt in der Realisierung des GKI lag in einer möglichst naturverträglichen Bauweise und der Intention, den ökologischen Zustand des Inn und seiner Uferbereiche zu verbessern. Zum einen sollte dies durch die Reduktion des bislang von bestehenden Kraftwerken verursachten Schwalls am Oberen Inn und zum anderen durch zusätzliche

Der Druckstollen wurde mit ca. 50.000 Tübbingen ausgekleidet. Er weist einen Durchmesser von ca. 5,8 m auf.

Mithilfe eines strömungsoptimierten Hosenrohrs wird das Triebwasser – max. 75 m3/s – auf die beiden Maschinensätze aufgeteilt.

HYDRO Projekte Dezember 2022 21
Foto: TIWAG
Foto: TIWAG
Foto: TIWAG Außergewöhnlichen Witterungsverhältnisse erschwerten die Bauarbeiten an der Wehrbaustelle Ovella. Um die 50 m lange und 26 m hohe Wehranlage errichten zu können, wurde der Inn zu Beginn umgeleitet, später konnte er durch die Wehrfelder geführt werden.

Ausgleichsmaßnahmen und Rekultivierungen gelingen. Generell wurden sämtliche vom Bau betroffenen Flächen im Nachhinein begrünt, bepflanzt oder aufgeforstet. Zudem wurde und wird der Lebensraum Inn durch unterschiedliche Maßnahmen aufgewertet. So wird etwa in Maria Stein ein weitläufiges Biotop mit neuen Lebensräumen für Fische und Kleintiere geschaffen, oder verschiedene Aufweitungen des Flussbetts vorgenommen, auch ein Auwald wurde angelegt. Auch auf Schweizer Seite konnte eine umfangreiche Ausgleichsmaßnahme unterhalb von Ramosch umgesetzt werden. Sämtliche ökologische Ausgleichsmaßnahmen sowie die Renaturierungen wurden von einer unabhängigen ökologischen Bauaufsicht überwacht.

FISCHABSTIEG

DURCH SPEZIELLE LEITUNG

Gleiches gilt natürlich auch für die Migrationsmöglichkeit für die Fische, die heute das komplexe Wehrbauwerk Ovella problemlos passieren können. Zu diesem Zweck wurde gemeinsam mit Experten und auf Basis neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse an der orographisch rechten Flussseite der Wehranlage

sowohl ein Fischauf- als auch ein Fischabstieg installiert. Flussaufwärts haben die Flussbewohner die Möglichkeit, das Querbauwerk über 81 treppenförmig angeordnete Becken zu überwinden, flussabwärts geht es durch eine speziell konstruierte Fischabstiegsanlage. Diese besteht im Wesentlichen aus einem speziellen Übernahmeteil und dem daran anschließenden Spezialrohr. Beide Teile wurden von der Etertec/JSW Handelsvertretung mit Sitz im Tiroler Thiersee geliefert. Im Querschnitt weisen sowohl das Sonderformstück zur Aufnahme als auch das 62 m lange Rohr DN 600/900 einen annährend eiförmigen Querschnitt auf. Der Grund dafür: Auf diese Weise kann auch bei geringerem Wasserdargebot eine gute Benetzung, bzw. ein höherer Wasserspiegel im Rohr sichergestellt werden. Während Etertec/ JSW Handelsvertretung die Rohrschüsse mit Sonderprofil in GFK-Ausführung lieferte, wurde der 4,6 m lange Erstbetonanschluss in Edelstahl ausgeführt. Um etwaige Setzungen und Bewegungen am Bauwerk zu kompensieren, wurde ein spezieller Klemmflansch vom Fabrikat Korema integriert. Gemäß behördlicher Vorgaben verbleiben mindestens 5,5 m³/s

Restwasser im Inn. Damit wird die Situation in der Restwasserstrecke bis zum Unterlieger verbessert.

STROM FÜR 90.000 HAUSHALTE

Das Gemeinschaftskraftwerk Inn stellte nicht nur eines der größten Infrastruktur-Projekte Tirols und Graubündens in den letzten Jahren dar. Das neue Grenzkraftwerk sollte darüber hinaus auch das größte Laufwasserkraftwerk in der jüngsten Vergangenheit auf beiden Seiten der Grenze werden. Trotz der unerwarteten Herausforderungen im Bauverlauf blickten die Verantwortlichen am Tag der feierlichen Eröffnung, am 4. November, mit Stolz und Zufriedenheit auf die vergangenen acht Jahre zurück. So meinte etwa Johann Herdina: „Wir sind stolz, diesen Meilenstein gesetzt und damit ein Vorzeigeprojekt im deutschsprachigen Raum geschaffen zu haben

22 Dezember 2022 Projekte HYDRO
Für die Fischabstiegsanlage an der Wehranlage Ovella kamen Rohre mit GF-UP EI-Profil, geliefert von Etertec/JSW Handelsvertretung, zum Einsatz.
▪Produktion Tübbingbeton 120.000 m³ ▪Lieferung Spritzbeton für Tunnelvortrieb ▪Lieferung Pfahlbeton für das Baulos Ovella ▪Deponierung des Tunnelausbruchmaterials hilti-jehle.at BAUEN FÜR MENSCHEN VON HEUTE UND MORGEN
Von dem speziellen Übernahme-Sonderformteil aus NIRO-Stahl gelangen die Fische in die 62 m lange Rohrleitung, die ein GF-UP EI-Profil aufweisen.

– und dies als grenzüberschreitendes Projekt harmonisch und gemeinschaftlich.“ Dabei habe es vor 10 Jahren auch genug Gegner gegeben, die das Projekt nicht zuletzt aufgrund der damals sehr niedrigen Strompreise gerne „beerdigt“ hätten. Dank der Ausdauer von Befürwortern wie etwa Ex-TIWAG-Vorstandschef Bruno Wallnöfer oder Johann Herdina blieb das Projekt dennoch auf Schiene. „Mit

der Inbetriebnahme des GKI haben wir einen großen Schritt auf dem Weg in eine nachhaltige, sichere und autonome Energiezukunft Tirols gemacht“, sagte TIWAG-Vorstandsvorsitzender Erich Entstrasser in seiner Festrede. Und Neo-Landeshauptmann Anton Mattle, der sich die Eröffnungsfeier ebenfalls nicht entgehen ließ, betonte die Bedeutung des neuen Kraftwerks: „Für den Ausbau der Energie-

autonomie und die Versorgungssicherheit Tirols leistet das GKI einen wichtigen Beitrag. Mit mehr als 440 Gigawattstunden pro Jahr kann das GKI den Bedarf von circa 90.000 Haushalten decken.“ Gegenüber einem konventionellen modernen Steinkohlekraftwerk spart die Anlage rund 322.000 Tonnen CO2 ein – und leistet somit einen wichtigen Beitrag für den Klimaschutz in der Region.

Technische Daten

• Brutto-Fallhöhe: 160,7 m

• Kraftwerkstyp: Ausleitungs-Kraftwerk

• Maschinensätze [Krafthaus]: 2 Stück

• Turbinen: 2 Francis-Spiralturbinen

• Ausrichtung: vertikalachsig

• Fabrikat: Voith Hydro

• Engpassleistung: 91,38 MW

• Gewässer: Inn

• Wassereinzugsgebiet: 1.960 km2

• Planung: Planungskonsortium

• E&G&A – oberirdisch: ILF-IUB

• E&G&A – unterirdisch: Bernard- Stucky

• Ausführ.planung: Tractebel & Partner

• Ausbauwassermenge: 75 m3/s [E&G&A = Entwurfs-

• Triebwasserweg: Länge: ca. 23,2 km

• Stollen: Durchmesser: ca. 5,8 m

• Ausbruchsmaterial: ca. 1 Mio. m3

• Tübbinge Anzahl: ca. 50.000

• Schrägschacht: Durchmesser: 3,8 m

• Schrägschacht: Neigung: 17 Grad

• Schrägschacht: Länge: 385 m

• Wasserdruck: 16 bar

• Panzertüre: LW: 2,7 m LH: 4,0 m

• Einlaufschütze: 5,7 m x 5,7 m

• Fabrikat: Braun

• Staulänge: ca. 2,6 km

• Max. Wassertiefe: ca. 15 m

• Nutzvolumen: ca. 500.000 m3

• Fischaufstiegshilfe: Vertical slot

• Beckenanzahl: 81 Becken

• Fischabstieg: Spezialrohr GFK

• Dimension: L: 62 m Ø DN 600/900

• Lieferung: Etertec / JSW HV

• Dotier-Kraftwerk: Rohrturbine

• Fabrikat: Voith Hydro

• Regelarbeitsvermögen: ca. 7,8 GWh

• Regelarbeitsvermögen: ca. 440 GWh

• Wehranlage: Staubalkenwehr

• Wehrfelder: Anzahl: 2

• Wehrverschlüsse: Segmente m. Klappe

• 2 Segmente: LH: 11,5 m LW: 4,3 m

• 2 Wehrklappen: LH: 11,5 m LW: 4,0 m

• Fabrikat: Künz

• Spezialrechen: LW20

• Rechenreinigung: M 3500

• Unterstützungsträger Fischbauchprofil

• Fabrikat: MUHR

• Inbetriebnahme: Herbst 2022

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und Genehmigungs und Ausschreibungsplanung]
Das perfekt in die Landschaft integrierte Maschinenhaus in Prutz: Für seine Errichtung wurden 17.000 m3 Erdreich ausgehoben und 16.000 m3 Beton sowie 2.800 Tonnen Stahl verbaut. Foto: TIWAG Foto: TIWAG Foto: TIWAG Im Maschinenhaus sind zwei moderne Francisturbinen mit direkt gekoppeltem Generator installiert, die auf eine Gesamtleistung von 89 MW kommen. Im Regeljahr liefern sie mehr als 400 GWh sauberen Strom. Die Francislaufräder weisen dank modernstem hydraulischen Design einen ausgezeichneten Wirkungsgrad auf. Über eine gemeinsame Welle wird der 120 to schwere Generator angetrieben. Foto: TIWAG

„MAN KANN NICHT ÜBER DIE MENSCHEN DRÜBERFAHREN“

Dipl.-Ing. Johann Herdina gilt als eine der wesentlichen Triebfedern des Gemeinschaftskraftwerks Inn. Mit seiner Erfahrung aus zahlreichen großen Infrastrukturprojekten in Österreich gelang es ihm auch beim Bau des GKI, die zahlreichen Hürden gemeinsam mit den Partnern zu meistern. Im Interview mit zek HYDRO klärt er auf, inwieweit die TIWAG bei den Bauverträgen Neuland betrat und damit in unseren Breiten Pionierarbeit geleistet hat.

zek: Was würden Sie im Nachhinein als die größten Herausforderungen in der Projektumsetzung sehen?

Herdina: Es beginnt damit, dass es sich um ein länderübergreifendes Projekt handelt –sogar über EU­Grenzen hinweg. Dafür braucht es einen Staatsvertrag. Die nächste: Es ist ein UVP­Projekt mit über 4.000 Auflagen und Nebenbestimmungen, die es einzuhalten gilt, ebenfalls grenzüberschreitend. Und dann kommen noch die baulichen Herausforderungen hinzu mit einer sehr schwierigen Geologie, wie sich herausstellte. Das Positive daran ist, dass wir das Projekt wirklich partnerschaftlich über die Grenzen hinweg abwickeln konnten. Und auch der erstmalige Einsatz von Allianz­Verträgen im infrastrukturellen Bereich hat sich bezahlt gemacht. Heute wird das Prinzip bereits mehrfach kopiert.

zek: Was ist unter diesen Allianz­Verträgen zu verstehen?

Herdina: Wir haben ja zum Jahreswechsel 2016/17 den Auftragnehmer beim Tunnelvortrieb gewechselt. Natürlich stellten wir uns die Frage: Wie am besten mit der Situation umgehen? Wir haben uns dann an die so genannten „Alliancing Contracts“ angelehnt, die in Australien üblich sind. Dabei handelt es sich um „Pain­and­Gain­Sharing“­Verträge, was nichts anderes bedeutet, dass eben eventuelle Mehrkostenaufwände ebenso geteilt werden wie Benefits aus einer erfolgreichen Umsetzung. Damit wird natürlich auch das Risiko auf mehrere Schultern verteilt. Auf diese Weise ist es uns gelungen, den Auftragnehmerwechsel innerhalb von sechs Wochen durchzuziehen. Große Player in Österreich und Deutschland sind mittlerweile auch dabei, Prototypen dieser Allianz­Verträge zu etablieren.

zek: Hatten Sie je Zweifel an der Durchführbarkeit des Projekts?

Herdina: Nein, seit ich dabei war – das war von 2012 an – war ich davon überzeugt, dass

es ein sehr gutes Projekt ist. Ich bin bei allen unseren Projekten überzeugt von der Umsetzbarkeit.

zek: Hätte man nach heutigem Wissensstand den Vortrieb durch die geologischen Störzonen anders oder besser gestalten können?

Herdina: In der Tat: Wir haben das Schneidrad, das zuvor zentrisch situiert war, im Rahmen der Möglichkeit um etwa 5 cm angehoben. Von diesem Zeitpunkt an sind wir ohne Probleme durchgefahren. Man hätte sich vielleicht früher überlegen können, die Maschinenkonfiguration ein wenig zu ändern. Wir haben diese Änderung entgegen dem Rat des Maschinenherstellers vorgenommen. Auch das ist nur in einem Allianz­Vertrag möglich, wenn das Risiko gemeinsam getragen wird.

zek: Hätte es zur Situierung der Wasserfassung eine Alternative gegeben? Herdina: Diese Frage hat sich sehr schnell gestellt. Es gab in der Vergangenheit viele Untersuchungen. Das erste Projekt stammt aus 1929. Und man überlegte, ob der Standort vielleicht etwas weiter flussaufwärts oder doch etwas flussabwärts besser gewesen wäre. Aber: Am Ende konnte es nur dieser Standort sein. Flussabwärts gibt es einen Bereich, in den immer Lawinen herunterkommen. Die würden den Stauraum verlegen. Das ging nicht. Weiter flussaufwärts wäre der Stauraum zu klein, um den Schwall­Sunk­Ausgleich durchzuführen. Die Pufferfunktion wäre damit nicht erfüllbar. Nach den Analysen mussten wir uns eingestehen: Man muss eben mit diesem Standort für die Fassung leben.

zek: Wie sehen Sie den Stellenwert des GKI für die TIWAG und für Tirol? Herdina: Das GKI kann ungefähr 8 Prozent des aktuellen Tiroler Stromverbrauchs erzeugen. Für die TIWAG machen die 86 Prozent Anteile am Kraftkwerk rund 10 Prozent unseres Erzeugungsvolumens aus. 10 Prozent, die

wir dazugewinnen. Wenn ich davon ausgehe, dass wir bis 2030 gemäß Regierungsplan 5 THW Wasserkraft zubauen müssen, wird das GKI wohl das einzige Kraftwerk dieser Größenordnung bleiben, das bis dahin realisiert werden kann. Ein anderes, das uns zusätzliche Erzeugungskapazitäten verschafft, geht sich zeitlich schon nicht mehr aus. So gesehen repräsentiert das GKI gerade einmal 10 Prozent dieses Ausbauziels.

zek: Wo kann man Ihrer Ansicht nach den Hebel für einfachere und raschere Projektrealisierungen ansetzen: Herdina: Ich bin seit 40 Jahren in Großprojekten tätig. Es braucht Genehmigungsverfahren, die intensiv und tief sind – und daher eine gewisse Zeit beanspruchen. Wichtig ist, dass man die Bevölkerung dabei mitnimmt. Man kann nicht über die Leute drüberfahren. Man muss sich die Zeit nehmen, um ihnen ein Projekt näherzubringen. Dass der Instanzenweg für manche Projekte heute zu lange dauert, weil die Gerichte nicht entsprechend ausgestattet sind, ist ein Problem. Aber das ist ein anderer Punkt. Schneller werden wir, wenn die weiteren Instanzen schneller entscheiden könnten. Aber ich darf ein aktuelles Gegenbeispiel erwähnen, in dem der Verwaltungsgerichtshof in nur vier Tagen eine Entscheidung getroffen hat. Ich glaube, da ist auch ein Wandel im Gange. Auch die Gerichte erkennen, wie wichtig die Klimaschutzprojekte für unsere Gesellschaft sind.

zek: Vielen Dank für das Gespräch.

24 Dezember 2022 Interview HYDRO
Foto: zek
GKI-Geschäftsführer und TIWAG-Vorstandsdirektor Dipl.-Ing. Johann Herdina bewies beim Kraftwerksprojekt GKI einen langen Atem.

HÖCHSTE ANFORDERUNGEN AN RECHENREINIGUNG ERFÜLLT

Ende Januar 2023 wird das Dotierkraftwerk Ovella, das immerhin rund 7,8 GWh im Regeljahr beisteuern wird, seinen regulären Betrieb aufnehmen. Für den Rechen und die Rechenreinigung wurden die Spezialisten der Muhr Gruppe beauftragt. Die Sondermaschinenbauer, deren Stammsitz sich im bayerischen Brannenburg befindet, brachten die nötige Erfahrung mit, um der Vielzahl von Anforderungen gerecht zu werden. Zu Muhrs Referenzen zählten zwei Rechenreinigungsmaschinen an den nahe gelegenen Innkraftwerken Gars und Töging.

Die alpinen Gesamtbedingungen vor Ort und die durch Flusslauf und Art des Bauwerks sehr beengte Einbausituation machten das Projekt anspruchsvoll. Hinzu kam die untypische, abfallende Geometrie des Einlaufkanals. Um auf die Bedingungen vor Ort optimal einzugehen, konnte die Muhr Gruppe auf jahrzehntelange praktische Projekterfahrung zurückgreifen: Bei früheren Großprojekten in den USA und Neufundland waren die Witterungsverhältnisse ähnlich oder sogar widriger. Mit der Entwicklung eines Rechenträgers, der auf die spezielle Geometrie des Einlaufkanals abgestimmt ist, betrat Muhr zwar Neuland, löste die Aufgabe aber zur Zufriedenheit aller Beteiligten. Die TIWAG als Hauptanteilseigner am GKI hat mit der Muhr Gruppe einen regionalen Partner gefunden, der durch seine Präsenz in Oberbayern schnelle Reaktionszeiten und zuverlässigen Service garantieren kann.

REIBUNGSLOSE ABLÄUFE DURCH GUTE VORBEREITUNG

TIWAG zeigte sich mit der Vorarbeit und den Reaktionszeiten von Muhr sehr zufrieden. Die hauseigenen Standards für alle Baugruppen der M-Serie Rechenreiniger erlaubten die modulare und damit besonders schnelle Auslegung der Teile für die Projekt-Anforderungen. Diesen Zeitgewinn reichte man an den Kunden weiter, der durch die schnelle Bereitstellung der Planunterlagen eigene Abläufe in der Projekt- und Gebäudeplanung besser planen und beschleunigen konnte.

Die im Vorfeld durchgeführte, umfangreiche Werksinbetriebnahme führte dazu, dass die finale Inbetriebnahme auf der Baustelle in kürzester Zeit erfolgen konnte. Neben einer effektiven Zeitersparnis bedeutete das für TIWAG und die Engadiner Kraftwerke eine noch größere Flexibilität bei der Einplanung der anderen Gewerke.

KOOPERATION MIT DER TU GRAZ

Der Einlaufrechen und die speziellen Unterstützungsträger wurden eigens für dieses Projekt entwickelt. Ein Teil der Datengrundlage kam von einem der Projektpartner, dem Institut für Hydraulische Strömungsmaschinen an der TU Graz, wo Strömungssimulationen durchgeführt wurden. Unter Berücksichtigung der Simulationen entwickelten die Konstrukteure von Muhr eine Trägerkonstruktion für den Rechen, die den Einlauf des Wassers minimal behindert und gleichzeitig allen auftretenden Belastungen gewachsen ist. Diese von Muhr neu entwickelte Konstruktion mit ihren zur Fließrichtung gedrehten Fischbauchträgern ist die strömungsgünstigste Lösung für die spezielle Geometrie des Einlauftrichters. An dieser Stelle konnte man die Erwartungen des Kunden sogar übertreffen: Der bemerkenswert schlanke Träger, der dennoch ausreichendes Widerstandsmoment be-

HYDRO Technik Dezember 2022 25
Foto: MUHR Alpine Bedingungen vor Ort und eine beengte Einbausituation durch den Flusslauf und die Art des Bauwerks gehörten zu den Herausforderungen des Projekts.

den werkseitig hohen Grad an Vormontage und die vollständige Prüfung vor der Auslieferung.

Aus den strengen öffentlichen Vorgaben ergab sich ein außergewöhnlich geringer Stababstand von LW 20 (lichte Weite).

sitzt, nimmt deutlich weniger Raum als ein herkömmlicher Träger ein. Dadurch war es möglich, den Triebwasser-Durchfluss um 6 Prozent zu erhöhen.

FISCHSCHUTZ- UND QUALITÄTSVORGABEN VOLL ERFÜLLT

Das Land Tirol und der Schweizer Kanton Engadin haben besonders strenge Vorgaben, wenn es um den Schutz von Gewässern und der darin lebenden Fische geht. Um diese Vorgaben zu erfüllen, wurde für den Rechen ein außergewöhnlich geringer Stababstand von LW 20 (lichte Weite) gewählt. Um den Rechen in der geforderten Qualität zu liefern, mussten sowohl die Teams in der Konstruktion als auch die Fertigung besonders hohe Qualitätsanforderungen erfüllen. Für die Befestigung des Rechens im Bauwerk wurde eine Verschraubung mit Materialtrennung zwischen Rechenfeldern und Rechengrundlage gewählt, die eine maximale Stabilität und Langlebigkeit, aber auch eine Reparatur ermöglicht.

Bei der Qualitätsabnahme im Werk zeigten sich sowohl Kunde als auch öffentliche Behörden sehr zufrieden mit der Qualität der Schweißnaht und der Beschichtungen.

SCHNELLE ANPASSBARKEIT

DURCH EINHEITLICHEN STANDARD

Für die Konstruktion der Rechenreinigungsmaschine griff Muhr auf seine vielfach bewährte M-Serie zurück. Für diese Serie hydraulischer Rechenreiniger hat Muhr 2015 einen einheitlichen Standard eingeführt, der auch bei der eingesetzten M 3500 Rechenreinigungsmaschine zum Einsatz kam. Durch die Standardisierung aller Baugruppen der M-Serie in Modulen konnte die Maschine noch schneller an projektspezifische Parameter – wie Einlaufgeometrie und -breite, Tiefe des Flus-

ses, Abwurf-Position, Verfahrweg und Gegebenheiten bei der Energiezuführung – angepasst werden.

Anders als der Rechenträger ist die Rechenreinigungsmaschine keine Neuentwicklung, dennoch muss sie bestmöglich an den Rechen angepasst werden. Denn nur wenn der Spezialrechen effizient abgereinigt wird, kommen seine besonders strömungsgünstigen Eigenschaften vollständig zum Tragen. Wegen der geringen lichten Weite von LW 20 muss der Rechen zuverlässig gereinigt werden, um ein

Auslegung von Bauteilen

Verklausen zu verhindern. Das mitgelieferte Steuerungssystem, bestehend aus Programmierung und Hydraulik, ermöglicht eine kraftvolle und behutsame Reinigung zugleich. Der Automatik-Betrieb versetzt das System in die Lage, selbst zu entscheiden, wann es abreinigen muss, und führt die Reinigung selbstständig durch.

WEITERE AUSSTATTUNGSMERKMALE DER RECHENREINIGUNGSMASCHINE

Die eingesetzte Reinigungsharke wurde anhand des zu erwartenden, vielfältig geformten

• Unterstützungsträger in strömungsgünstiger Form, mit hohem Widerstandsmoment. Zerlegbar konstruiert, für schnelleren Transport und Einbau.

• Vollständige Anpassung der Maschinen-Kinematik an das Bauwerk.

Anspruch

an Hydraulik

• Vielzahl der möglichen Bewegungsabläufe erlaubt das Ergreifen und Abtransportieren von allen Arten von Treibgut sowie eine Oberflächenreinigung.

• System mit Ölkühlung und -heizung für Sommer und Winter.

Materialien und Beschichtungen

• Einsatz von Stahl mit höherer Kerbschlagzähigkeit, um Stöße gegen das Rechenfeld besser aufnehmen zu können.

• Ausführung der Unterstützungsträger mit einer speziellen Stahlwasserbau-Beschichtung zur Erhöhung der Lebensdauer.

• Fertigung aller einbetonierten Teile in Edelstahl, für lange Unversehrtheit des Bauwerks.

Steuerungstechnik

• Fernwartungsfähigkeit über abgesichertem Remote-Zugriff im Störungs- oder Wartungsfall.

• Datenaustausch mit Leitwarte (Krafthaus) zur Überprüfung und Steuerung des Reinigungsverhaltens.

Generelle Sicherheitsanforderungen

• Erarbeitung eines kundenabhängigen Sicherheitskonzept nach aktuellem Stand der Technik, zusammen mit dem Kunden.

Hohe Effizienz bei

der

Planung der Baumaßnahmen

• Werkseitig hoher Grad an Vormontage und vollständige Prüfung vor Auslieferung, dadurch schnelle Montage und Inbetriebnahme vor Ort möglich.

• Geringe Baubehinderung anderer Gewerke bei der Fertigstellung.

• Sehr gute Planbarkeit aller eigenen Schritte und Maßnahmen in die Gesamtplanung des Baus.

26 Dezember 2022 Technik HYDRO
Die schnelle Montage und Inbetriebnahme vor Ort waren nur möglich durch Foto: MUHR Foto: MUHR

Grafik: MUHR

Die Muhr Rechenreiniger der M-Serie folgen hauseigenen Standards, was eine besonders schnelle Auslegung der Teile für die Projekt-Anforderungen ermöglicht.

und dimensionierten Treibguts ausgewählt. Durch den weiten Ausgriff werden sämtliche Arten organischen und anorganischen Treibguts erreichbar, können sicher gegriffen und zum Abwurfplatz befördert werden.

Damit das Personal vor Ort auch bei widrigen Bedingungen sicher arbeiten kann, wurden Sockel und Kabine umfassend ausgestattet: Die Kabine wurde mit Klimaanlage und gefedertem Sitz mit Sitzheizung geliefert, ein Sichtfenster nach unten auf den Rechen verringert die Notwendigkeit für die Bedienenden, die geschützte Kabine zu verlassen. Sollte das trotzdem notwendig sein, so muss dieser den Arbeitsbereich des Sockels nicht verlassen. Hydraulikschrank, Schaltschrank und Kabine sind kompakt angeordnet und durch einen besonderen Steinschlagschutz über den Schränken und der Kabine geschützt.

Für alle Komponenten der Anlage wurden höchsten Qualitätsanforderungen erfüllt. Alle Teile wurden nach den Qualitätsstandards der DIN EN 1090 bis EXC 3 gefertigt. Die Berechnungs- und Standfestigkeitsnachweise wurden nach DIN EN 1991, DIN EN 1992 und DIN EN 1991 ausgeführt.

EIN BEITRAG ZUR ENERGIEVERSORGUNG DER EIGENEN HEIMAT

„Seit langer Zeit hat es nun wieder einem Kraftwerks-Neubau am Inn gegeben. Für uns ist das ein klares Zeichen, dass Wasserkraft im Energie-Mix der Zukunft fest eingeplant ist,“ sagt Roland Muhr, Geschäfts-

Foto: MUHR

führer der Muhr-Gruppe. Der Wasserkraft ist die Muhr Gruppe durch ihre Wurzeln im Mühlenbau stets verbunden gewesen. Diese Beziehung ist auch eine emotionale, was bei diesem Projekt besonders zum Tragen kommt, so Roland Muhr: „Ein Kraftwerk am Inn, der Teil unserer Heimat ist und an unserem Stammsitz in Brannenburg vorbeifließt, ist für uns ein Herzensprojekt. Dass die Muhr Gruppe mit ihrer langen Firmenhistorie des Wasserbaus an den Flussläufen Süddeutschlands dabei ist, ist für uns ein großartiges Erlebnis und erfüllt uns mit Stolz.“

HYDRO Technik Dezember 2022 27 Nur eine effiziente Abreinigung des Spezialrechens führt dazu, dass dessen besonders strömungsgünstige Eigenschaften vollständig zum Tragen kommen. Mehr unter muhr.com +49 8034 90 720 info@muhr.com #RECHENREINIGUNGSSYSTEME #SCHWEMMGUTHANDLING #HOCHWASSERSCHUTZ #FISCHFREUNDLICHE GROB- UND FEINRECHEN #EXTRAUND ULTRAFEINE RECHEN #STAHLWASSERBAU MUHR M 7000 KT, der größte hydraulische Rechenreiniger der Welt (Muskrat Falls, Kanada).

DRITTE TURBINE ERÖFFNET GLETSCHERBAHNEN KAPRUN NEUE PERSPEKTIVEN

Nachhaltigkeit und ein sorgsamer Umgang mit dem Naturraum sind die zentralen Agenden der Gletscherbahnen Kaprun AG, dem Leitbetrieb der Region und eines der bekanntesten Gletscherskigebiete Österreichs. Vor der Kulisse des imposanten Kitzsteinhorns setzen die Verantwortlichen schon seit längerem auf die Nutzung der Wasserkraft. Im heurigen Jahr wurde das seit rund einem Jahrzehnt bestehende Pump-Kraftwerk Grubbach um eine weitere Pumpturbine erweitert, sodass die drei installierten Maschinensätze mittlerweile rund 1,3 Millionen kWh Ökostrom im Regeljahr liefern. Damit nicht genug: In einem nächsten Schritt soll die Anlage in Zukunft auch als vollwertiges Pumpspeicherkraftwerk eingesetzt werden können.

Von knapp 2.000 m bis hinauf auf über 3.000 m Seehöhe reicht Österreichs erstes Gletscherskigebiet, das zugleich zu den spektakulärsten zählt und Bergbegeisterte aus der ganzen Welt anlockt. Mit 23 modernen Seilbahnen und Liften erschließt die Gletscherbahnen Kaprun AG den Naturraum für Wintersportler, die 61 Pistenkilometer, mehrere Freeride- und Skitourenrouten oder auch eine Gletscherloipe nutzen können –um nur einige der Angebote zu nennen. Doch es sind längst nicht nur Wintersportenthusiasten, die auf das Kitzsteinhorn kommen. Heute ist die Bergwelt an 365 Tagen Anziehungspunkt für Naturliebhaber und Bergsportfreunde, die sich gerne in diesem einzigartigen Naturraum bewegen möchten. Die Grundlage dafür schaffen seit über 50 Jahren die Gletscherbahnen Kaprun AG mit über 290 Mitarbeiter. „Die Balance zwischen sorgsamem Umgang mit unserem hochalpinen Naturraum und den wirtschaftlichen Erfor-

dernissen steht im Zentrum unseres Handelns. Als touristischer Leitbetrieb leben wir regionale Verantwortung“, sagt der Vorstandsdirektor der Gletscherbahnen, Ing. Norbert Karlsböck. Als einzige Seilbahngesellschaft Österreichs kann die Gletscherbahnen Kaprun AG auf eine dreifache ISO-Zertifizierung für alle Betriebsbereiche verweisen. Zuletzt wurde das Unternehmen 2015 auch in dem Bereich Energie-Effizienz (ISO 50001) zertifiziert, was erst kürzlich wieder bestätigt wurde. Das Kitzsteinhorn arbeitet in enger Partnerschaft mit dem Nationalpark Hohe Tauern sowie mit mehreren internationalen Wissenschafts- und Forschungsprojekten.

EIGENE RESSOURCEN GENUTZT

Vor diesem Hintergrund ist es nur naheliegend, dass die Verantwortlichen der Gletscherbahnen schon seit Jahren auf den Ausbau erneuerbarer Energie und die Nutzung eigener Ressourcen setzen. Bereits 2012 wur-

de die erste Ausbaustufe eines kombinierten Pump-Wasserkraftwerks mit zwei Pumpturbinen in Betrieb genommen. Das Konzept dahinter, das gemeinsam mit dem renommierten Tiroler Planungsbüro ILF entwickelt wurde, ist einfach, aber überzeugend: Wird im Pumpwerk im Herbst der Hebel umgelegt, wird Wasser von den großen Hochgebirgsstauseen Mooserboden und Wasserfallboden über den Triebwasserweg zum VERBUND Kraftwerk „Kaprun Hauptstufe“ entnommen und durch eine Rohrleitung direkt zu den Beschneiungssystemen am Kitzsteinhorn gepumpt. Ein wesentlicher Vorteil dabei: Auf diese Weise mussten keine zusätzlichen Speicherteiche für die künstliche Beschneiung angelegt werden. Mit Anfang Mai nimmt das Wasser den Weg in umgekehrter Richtung. Das Schmelzwasser von den Pisten und das Regenwasser werden vom Auffangbecken Langwied aus über die 2 Kilometer lange Druckrohrleitung zum Kraftwerk geleitet.

28 Dezember 2022 Projekte HYDRO
Foto: Gletscherbahnen Kaprun 26.000 m3 fasst der Speicher Langwied, der 1999 auf rund 1.960 m Seehöhe angelegt wurde. Seit 2012 wird der Speicher sowohl für die Beschneiung als auch für die Stromerzeugung genutzt.

Bislang waren hier zwei Hochdruckpumpen, die eben auch als Turbinen verwendet werden können, im Einsatz. Im August dieses Jahres wurde eine dritte, baugleiche in Betrieb genommen. Das Maschinenensemble verwandelt somit in der warmen Jahreszeit diesen Abfluss effektiv in Ökostrom. Genehmigt wurde die dritte Pumpe bereits 2012.

ENERGIE AUS KREISLAUFSYSTEM

„Die Grundvoraussetzung für das Projekt war, dass uns VERBUND auf etwa 1.500 m Seehöhe das Schneiwasser zur Verfügung stellt. Die erforderliche Menge pumpen wir zu Beschneiungszwecken auf etwa 1.960 m in den Speicherteich Langwied. Und im Sommer nutzen wir diese Höhenlamelle zur Stromerzeugung“, umreißt Ing. Günther Brennsteiner, Technischer Leiter bei den Gletscherbahnen, das Konzept. Eine weitere Voraussetzung war der Bau des Speichers Langwied, dessen Schwergewichtsmauer bereits 1999 auf knapp 2.000 m Seehöhe errichtet wurde. Nachdem

13 Jahre später der Grundablass umgebaut und eine Bypass-Leitung integriert wurde, konnte der Speicher, der bis dahin ausschließlich als Beschneiungsteich genutzt wurde, schließlich auch für die Wasserentnahme im Turbinenbetrieb herangezogen werden. Die erforderliche Druckrohrleitung wurde mit duktilen Gussrohren aus dem Hause TRM (Tiroler Rohre GmbH) über eine Länge von 2 Kilometern in der durchgehenden Dimension DN400 unterirdisch verlegt. „Wir haben sie damals schon so dimensioniert, dass wir im Fall einer erweiterten Nutzung auch mehr Wasser zu den Maschinen bringen können“, erklärt Günther Brennsteiner. Bis zu 300 l/s können konzessionsgemäß über die 460 Höhenmeter zu den Maschinen geführt werden. „Im Grunde handelt es sich um ein annähernd geschlossenes System: Das Wasser, das wir für den Turbinenbetrieb nutzen, führen wir nach den Maschinensätzen über eine Rohrstrecke in den Triebwasserweg der VERBUND-Anlagen zurück. Konkret an der Wasserfassung

Grubbach – daher auch der Name Kraftwerk Grubbach. Von diesem Triebwasserweg aus pumpen wir im Winter dann das Wasser wieder hoch in den Speicher Langwied“, so der technische Leiter der Bergbahnen.

LÄNGERE NUTZUNGSDAUER ANGESTREBT

Die installierten Hochdruckpumpen sind dabei optimal auf den Pump- sowie auf den Turbinenbetrieb ausgelegt. Mit direkt gekoppelten Asynchrongeneratoren und modernen Frequenzumrichtern können sie im 4-Quadranten-Betrieb eingesetzt werden. Dieser definiert ein Servosystem, das zur Kontrolle von Geschwindigkeit und Drehmoment sowohl in positiver als auch negativer Richtung fähig ist. „Grundsätzlich sind für den erforderlichen Pumpbetrieb zwei Pumpen ausreichend. Mit dem nun installierten dritten Maschinensatz verfügen wir jetzt aber über die Möglichkeit, zusätzliche und Spitzenabflüsse energetisch nutzen zu können“, erklärt Günther Brennsteiner – und verweist in diesem Zusammenhang auf eine angestrebte Ausdehnung der Nutzungsdauer des Maschinenensembles. „Wir spüren hier natürlich auch den Klimawandel. Zuletzt hatten wir immer wieder Schmelzwasser im April, und auch in der zweiten Oktoberhälfte wäre zusätzliches Wasser aus Niederschlägen heute energetisch nutzbar. Daher arbeiten wir daran, die behördlich genehmigte Nutzungsdauer auf das gesamte Jahr auszudehnen.“ Doch damit nicht genug.

PUMPSPEICHERWERK IN AUSSICHT

Im Rahmen des dreijährigen Forschungsprojekts „Green Energy for Tourism“ wurden gemeinsam mit Partnern aus Wissenschaft und Forschung sowie der Salzburg AG Möglichkeiten ausgelotet, wie die Energienutzung und -effizienz am Kitzsteinhorn im Hinblick auf

HYDRO Projekte Dezember 2022 29
Foto: BRAUN
Foto: zek Foto: zek Foto: zek Ing. Günther Brennsteiner überprüft die wesentlichen Parameter über ein modernes Steuerungssystem. In diesem Jahr wurden die beiden Pumpturbinen mit je 250 kW Leistung um eine weitere baugleiche ergänzt. Zusammen liefern sie rund 1,3 GWh im Jahr. Das Pump- und E-Werk wurde vom Generalplaner ILF mustergültig in die Naturlandschaft auf circa 1.500 m Seehöhe integriert.

Technische Daten

• Typ: Pump-Kraftwerk

• Sommerbetrieb: Stromproduktion

• Winterbetrieb: Pumpstation zur Schneeproduktion

• Speicher: Fassungsvermögen: 26.000 m3

• Baujahr: 2012 (Erweiterung 2022)

• Ausbauwassermenge: 300 l/s

• Fallhöhe: 460 m

• Maschine: Pumpe (als Turbine) 3 Units

• Leistung im Turbinenbetrieb: je 250 kW

• Generatoren: Asynchrongenerator 3 Units

• Fabrikat: Siemens

• Druckrohrleitung: Guss

• Länge: ca. 2 km Ø DN400

• Fabrikat: Tiroler Rohre TRM

• Steuerung: Siemens

• Generalplanung: ILF CONSULTING ENGINEERS

• Regelarbeitsvermögen: 1,3 GWh

eine dekarbonisierte Zukunft optimiert werden kann. „Die spezielle Situation hier ermöglicht uns, dem Netz sogar negative Regelenergie zur Verfügung stellen zu können. Tatsächlich spricht technisch nichts dagegen, unsere Anlage als vollwertiges Pumpspeicherkraftwerk zu betreiben“, erklärt Günther Brennsteiner. Genau dieser Punkt wurde nun in dem Forschungsprojekt ausgetestet und erfolgreich bestätigt. Nicht nur die Pumpturbinen wären bereits für einen derartigen Betrieb ausgelegt, auch die von Siemens Österreich entwickelte Regeltechnik wäre soweit. So schalten die Pumpen etwa bei Erreichen von entsprechenden Grenzwerten über die Niveauregelung vollautomatisch ab, wenn das Stauziel im Langwied-Speicher erreicht ist. „Für uns spielt es im Prinzip keine Rolle, zu welcher Tages- oder Nachtzeit wir das Wasser in den Speicher Langwied einspeisen. Oder wann wir das Speicherniveau absenken, um Spitzenstrom zur Verfügung zu stellen. Theoretisch könnten

GESAMTPLANUNG SCHNEEANLAGE & KRAFTWERK GRUBBACH

wir tagsüber ohne weiteres das Speicherniveau um 4 bis 5 Meter absenken und in den Nachtstunden wieder heben. Es wäre somit auch die Möglichkeit gegeben, dass ein Direktvermarkter oder auch ein übergeordnetes Regelorgan die Pumpturbinen abhängig von Marktpreis und Netzsituation betreibt.“ Die Verantwortlichen in Kaprun rechnen mit der entsprechenden behördlichen Genehmigung in ein bis spätestens zwei Jahren.

WEITERER AUSBAU GEPLANT

Die Integration der dritten Pumpturbine sieht Vorstandsdirektor Norbert Karlsböck als weiteren Meilenstein auf dem Weg zur stetig verbesserten Nachhaltigkeit. „Durch die Verstärkung des Wasserkraftwerks mit der dritten Pumpturbine können wir nun ein Drittel des für die Beschneiung benötigten Stroms selbst erzeugen, ein positiver Beitrag zur Energiebilanz. Mit der dritten Turbine – alle drei haben eine Leistung von je 250 kW – erzeugen wir

nun in unserem Pumpkraftwerk im Schnitt 1,3 Millionen kWh im Jahr“, so Karlsböck. Etwa 110 Schneeerzeuger am Kitzsteinhorn und weitere 120 am Maiskogel benötigen selbstredend eine erhebliche Menge an Strom, wobei der konkrete Verbrauch – wie Günther Brennsteiner betont – natürlich vom Winter abhängt. „Heute erzeugen wir schon rund 30 Prozent des für die Beschneiung eingesetzten Stroms aus eigenen Ressourcen. Zu unserem Pumpkraftwerk und den bestehenden PV-Anlagen kommen in Kürze noch weitere PV-Kapazitäten in der Höhe von 300 kWpeak hinzu. Summiert man alle Maßnahmen, erreichen wir heute schon 1,4 bis 1,5 Millionen kWh im Jahr“, erklärt Günther Brennsteiner. Das Ziel, so der Technische Leiter, hat man allerdings mit 2 GWh definiert. Zu diesem Zweck könnte auch noch ein weiteres Kleinwasserkraftprojekt realisiert werden. Das Potenzial ist vorhanden – und erste Pläne dafür gibt es bereits.

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30 Dezember 2022 Projekte HYDRO
ENGINEERING EXCELLENCE.
Foto: zek Foto: zek
Im Sommerbetrieb dient der Langwied-Speicher der Stromproduktion, im Winter wird er für die Beschneiung benötigt.
Für
den Turbinenbetrieb wurde der Grundablass adaptiert. Das Steuerungs- und Leitsystem wurde von Siemens sowohl in digitaler Form als auch – zu Redundanzzwecken –noch in analoger Form realisiert.

NEUBAU VON KRAFTWERK JETTENBACH-TÖGING

ERZEUGT SAUBEREN STROM FÜR 200.000 HAUSHALTE

Mit einem Investitionsvolumen von ca. 250 Millionen Euro war der Neubau des Innkraftwerks Jettenbach-Töging in Oberbayern das größte Wasserkraftprojekt Deutschlands der vergangenen Jahre. Bei dem Projekt der VERBUND Innkraftwerke GmbH wurden die Wehranlage in Jettenbach und das Maschinengebäude in Töging neben dem denkmalgeschützten Altbestand völlig neu errichtet. Auch die Betondichtung des rund 20 km langen Ausleitungskanals der ursprünglich zwischen 1919 bis 1924 gebauten Anlage musste wegen der Stauzielerhöhung um 70 cm nach oben hin verlängert werden. Darüber hinaus umfasste das Großprojekt eine Vielzahl von ökologischen Ausgleichs- und Renaturierungsmaßnahmen sowie die Verbesserung des Hochwasserschutzes. Ende September wurde die Anlage nach einer Bauzeit von vier Jahren im Rahmen eines Festakts offiziell in Betrieb genommen. Durch die Erneuerung wurde die jährliche Energieproduktion um rund 25 Prozent gesteigert, womit das Kraftwerk Jettenbach-Töging nun den Jahresstrombedarf von ca. 200.000 Haushalten auf nachhaltige Weise abdeckt.

Bei der Fertigstellung im Jahr 1924 war die Anlage Jettenbach-Töging in Oberbayern das erste Wasserkraftwerk am Inn. Ursprünglich wurde es gebaut, um Strom für ein Aluminiumwerk in Töging zu erzeugen. Zum Aufstauen des Inns wurde in Jettenbach eine 6-feldrige Wehranlage errichtet, von welcher über den ca. 20 km langen Ausleitungskanal bis zu 340 m³/s Triebwasser zum Maschinengebäude nach Töging geführt wurden. Damit konnten im Krafthaus insgesamt 15 Francis-Turbinen angetrieben werden, die unter Volllast eine gemeinsame Engpassleistung von mehr als 85 MW erreichten. Bei einer 2003 durchgeführten Sanierung des Innkanals wurde festgestellt, dass sich durch den bei der Sanierung aufgetragenen glatteren Beton die Durchflusskapazität vergrößert hat-

te und somit während der Sommermonate eine Erhöhung der Stromproduktion möglich wäre „Im Interesse einer bestmöglichen Nutzung des bestehenden Kraftwerksstandortes

Dezember 2022 31 HYDRO Projekte
Das neue Maschinengebäude des Kraftwerks Jettenbach-Töging wurde direkt neben dem denkmalgeschützten alten Krafthaus errichtet. Im Regeljahr kann die komplett erneuerte Anlage der VERBUND Innkraftwerke GmbH ca. 700 GWh Ökostrom erzeugen. Foto: VERBUND Foto: VERVUND Im September 2021 wurden die Francis-Turbinen im alten Krafthaus endgültig stillgelegt.

und der Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Energie in Bayern haben sich der Freistaat Bayern und die VERBUND Innkraftwerke GmbH geeinigt, eine Revitalisierung des Wasserkraftwerks Jettenbach-Töging im Wege einer Erweiterung und Effizienzsteigerung umzusetzen“, heißt es in einer Projektbeschreibung von VERBUND, der die Anlage 2009 übernommen hatte. 2015 wurde die geplante Kraftwerkserweiterung, deren zentraler Parameter eine Erhöhung der Ausbauwassermenge auf 410 m³/s darstellte, beim Landratsamt Mühldorf eingereicht. Den positiven Baubescheid erhielt die Betreibergesellschaft schließlich im Juli 2019 vom Mühldorfer Landrat Georg Huber persönlich überreicht.

NEUBAU BESTE VARIANTE

„Vor der Einreichung wurden zwischen 2011 und 2014 mehrere Varianten der Anlagenerweiterung geprüft, wobei unter anderem auch die Adaptierung des alten Maschinengebäu-

des zur Debatte stand. Dies wurde aber wieder verworfen, weil dabei für mehrere Jahre nur ein sehr eingeschränkter Anlagenbetrieb inklusive erheblicher Erzeugungsverluste möglich gewesen wäre. Zudem steht das bestehende Gebäude unter Denkmalschutz, was eine technische Modernisierung im großen Umfang sehr kompliziert gestaltet hätte. Mit dem Neubau des Krafthauses neben dem Bestandsgebäude konnte die Altanlage bis zur Stilllegung im September 2021 auch während der Bauphase unbeeinträchtigt weiter produzieren“, erklärt VERBUND-Gesamtprojektleiter Bernhard Gerauer und ergänzt, dass das Genehmigungsverfahren im Projektvorfeld erheblichen Aufwand mit sich brachte. Eine weitere zentrale Maßnahme des Projekts war der Neubau der Wehranlage rund 50 m flussabwärts vom alten Standort. Die Stauzielerhöhung um 70 Zentimeter erforderte zudem eine Verlängerung der Betondichtung im Innkanal entlang der Ausleitungsstrecke. Die vorbereitenden Baumaßnahmen des Großpro-

jekts konnten bereits 2018 noch vor der endgültigen Genehmigung im Jahr 2019 starten. Für die Umsetzung der gesamten Hochund Tiefbauarbeiten beim Krafthaus und der Wehranlage sorgte das Unternehmen PORR, die Unternehmensgruppe Gebrüder Haider wurde als Subauftragnehmer für die Abbruchund Erdbauarbeiten engagiert. Die notwendige Adaptierung des Innkanals erledigten die Arbeitsgemeinschaft Ing. Hans Bodner und Hagn Umwelttechnik.

WEHRANLAGE EBENFALLS NEU

Das neue Wehrbauwerk in Jettenbach besteht prinzipiell aus vier Wehrfeldern mit jeweils 26 m Breite und 9 m Höhe. Den Zuschlag zur Fertigung der wesentlichen hydromechanischen Komponenten erhielt die Vorarlberger Künz GmbH, die im Rahmen des Auftrags ihre bislang größten Wehrverschlüsse lieferte. Im Betrieb müssen die als Drehsegmente mit aufgesetzten Klappen ausgeführten Absperreinrichtungen enormen Kräften standhalten. Die radialen Kräfte, die durch den Wasserdruck auf die beiderseitig positionierten Lager einwirken und von diesen in das Bauwerk abgegeben werden, betragen ca. 6.700 kN pro Lager, in axialer Richtung sind es ca. 1.600 kN pro Lager. Zur Optimierung der WehrFörderfähigkeit und des Spülvermögens der Anlage wurden von VERBUND gemeinsam mit der TU Graz Untersuchungen an einem maßstabsgetreuen Modell der Wehranlage durchgeführt. Die Ergebnisse des Modellversuchs bildeten die Basis für die Konstruktion der im Endzustand jeweils ca. 104 t schweren Drehsegmente. Auf der orographisch linken Seite der neuen Wehranlage wurde als Fischabstiegsmöglichkeit eine Wasserkraftschnecke mit sohlnahen bzw. oberflächennahen Einstiegsbereichen situiert. „Die mit 16,3 U/min langsam drehende Schnecke befördert die Fische in einem Wasserpolster sicher über 8,8 m Höhenunterschied ins Unterwasser. Bei einem Wehrüberfall können die Fische zudem direkt über das Wehr absteigen“, sagt Bernhard Gerauer. Durchströmt wird die Wasserkraftschnecke von 3 m³/s, womit sie ca. 200 kW Engpassleistung erzielt und im Regeljahr rund 1,5 GWh Strom erzeugen kann. Das bereits 2003 als Fischaufstiegsmöglichkeit angelegte Umgehungsgerinne wurde an das erhöhte Stauziel der neuen Wehranlage angepasst. Ebenfalls adaptiert wurde der Auslauf vom 2003 fertiggestellten Dotationskraftwerk mit zwei Kaplan-Rohrturbinen am Wehr, über das jahreszeitlich gestaffelt 35 bzw. 50 m³/s Restwasser in den Inn abgegeben werden. Die alte, ursprünglich ebenfalls unter Denkmalschutz stehende Wehranlage wird aus Hochwasserschutzgründen komplett rückgebaut.

32 Dezember 2022 Projekte HYDRO
Foto: VERBUND Der Neubau der Wehranlage in Jettenbach war ebenfalls ein zentraler Bestandteil des Projekts. Über den ca. 20 km langen Innkanal fließen nun maximal 410 m³/s Triebwasser zum Krafthaus nach Töging. Grafische Darstellung des gesamten Projektgebiets vor der Erneuerung Grafik: VERBUND

KOMPLEXE BAUGRUBENUMSCHLIESSUNG

Eine spezielle Herausforderung war laut Bernhard Gerauer die Erstellung der Baugrubenumschließung für das neue Krafthaus. „Die Geologie in diesem Bereich ist geprägt von Wechsellagen aus tertiären Kiesen und Sanden mit dichten Mergelschichten. Hinzu kommt eine besonders schutzwürdige Grundwasserschicht im 5. Grundwasserstockwerk, welche artesisch gespannt ist. Würde man diese Grundwasserschicht zum Setzen von herkömmlichen Verankerungen anbohren, würde das unter Druck stehende Wasser bis zu 9 m über die Geländekante rausspritzen.“ Um die Abdichtung der Baugrube ohne negative Einflüsse auf das Grundwasser herstellen zu können, wurden Schlitzwände bis in 70 m Tiefe in den Boden abgeteuft. Zur Bewältigung des artesischen Drucks diente beim Herstellen der Schlitzelemente eine Betonit-Suspension, die dem mit hohem Druck nach oben drängendem Wasser entgegenwirkte. Da die Dichtwand keine statische Funktion übernehmen kann, mussten zum Abstützen der Wände insgesamt 420 tragende Bohrpfähle gesetzt werden. Das Aushubvolumen für die Erstellung der Baugrube lag im Bereich von rund 100.000 m³ Erdreich. „Diese Abdichtungsvariante war in baulicher Hinsicht eines der Projekt-Highlights. Schlitzwände in einer derartigen Tiefe hat man in Deutschland nach meinem Wissen erst wenige realisiert, die Lösung ging an die Leistungsgrenzen von Menschen und Maschinen“, so Bernhard Gerauer.

SEGELBETRIEB GEWÄHRLEISTET SICHERHEIT

„Die Sicherheitsthematik spielte bei der Konstruktion der drei vertikalachsigen Kaplan-Turbinen eine große Rolle“, betont VERBUND-Maschinenbau-Teilprojektleiter Christian Weichselbraun: „Im Kern ging es darum, wie die Maschinen bei einer Netzstörung bzw. einem großflächigen Blackout reagieren müssen, wenn wir den Strom nicht mehr ins Netz abgeben können. Wenn die Leitapparate der Turbinen während des Volllastbetriebs innerhalb von Sekunden schlössen, würden im

schlimmsten Fall 410 m³/s Triebwasser eine rücklaufende Welle erzeugen und zu Überflutungen entlang der Ausleitungsstrecke führen. Um diese Problemstellung zu bewältigen, wurde der sogenannte Segelbetrieb implementiert.“ Beim Segelbetrieb handelt es sich zusammengefasst um die Wasserabfuhr durch die drehende Turbine ohne Leistungsabgabe des Generators ins Netz. Dazu wird das Laufrad komplett geöffnet, und die Durchfluss- und Drehzahlregelung erfolgt durch den Leitapparat. Aufgrund der bremsenden Wirkung des offenen Laufrads erfolgt eine Drehzahlsteigerung auf bis zu 120 Prozent der Nenndrehzahl. Das Abführen des Energiepotentials erfolgt durch Druckpulsationen in der Turbine, die durch Wirbelbildungen im schaufellosen Raum zwischen Laufrad und Leitapparat entstehen. „Die Verwirbelungen führen zu starken Vibrationen und bewirken vor allem am Saugrohr, Laufrad, Welle, unterem Turbinen-Führungslager und Turbinen-Deckel große Belastungen. Somit mussten die Maschinen entsprechend

Dezember 2022 33 HYDRO Projekte Hydraulische Turbinen & Hydromechanische Ausrüstung Neue Anlagen | Überholungen | Schlüsselfertige Lösungen Lieferant der neuen Kaplan Turbinen für Kraftwerk Töging am Inn www.litostrojpower.com Litostroj_inz90x125.indd 1 11.11.2022 10:12:16
Foto: GMT
Die GMT Wintersteller GmbH aus Salzburg lieferte das gesamte Stahlwasserbauequipment für das Maschinengebäude. Im Bild die Montage eines Einlaufrechens, links daneben ein gesetzter Dammbalkenverschluss. Foto: VERBUND Für die Baugrubenumschließung des neuen Maschinengebäudes wurden abdichtende Schlitzwände 70 m tief in den Boden abgeteuft.

konstruiert und ausgelegt werden, damit im Anlassfall keine Schäden entstehen“, so Christian Weichselbraun und ergänzt, dass die Testläufe des Segelbetriebs mit allen drei Maschinen über einen Zeitraum von zehn Stunden im Rahmen der Inbetriebnahme anstandslos bestanden wurden.

HOCHEFFIZIENTE KAPLAN-TURBINEN

Am Einlaufbereich des Krafthauses werden die Turbinen durch drei separate Rechen mit vertikalem Stabprofil vor Treibgut geschützt. Die Entfernung des angeschwemmten Materials an den Einlaufrechen mit jeweils 110 mm Stababstand übernimmt eine auf Schienen verfahrbare Rechenreinigungsmaschine vom Hersteller Muhr. Nach den Schutzrechen fließt das Triebwasser durch drei Druckleitungen mit einem Durchmesser von jeweils ca. 10 x 8 m direkt zu den horizontal angeströmten Turbinen, die für Wartungs- oder Sanierungszwecke mittels Dammbalken ein-

zeln abgesperrt werden können. Geliefert wurde das Stahlwasserbauequipment im Krafthaus von der bewährten Salzburger GMT Wintersteller GmbH. Dazu zählten unter anderem die drei Einlaufrechen mit jeweils 15,1 m Höhe und 14 m Breite. Jedes Rechenfeld besteht aus 18 vor Ort zusammengefügten Rechenelementen und wiegt jeweils 45 t. Für den stabilen Halt der Rechenfelder sorgen jeweils drei Fischbauchträger, die mit je 40 t Beton gefüllt wurden. Komplettiert wurde der Lieferumfang von GMT durch sämtliche Damm- und Zangenbalken sowie den dazugehörigen Armierungen im Ober- und Unterwasserbereich des Maschinengebäudes. Die drei doppelt-regulierten Kaplan-Turbinen stammen vom slowenischen Hersteller Litostroj Power. Jede der identisch konstruierten Maschinen wurde auf eine Ausbauwassermenge von 136,7 m³/s und 35,5 m Nettofallhöhe ausgelegt, womit diese unter Volllast jeweils 46,2 MW Engpassleis-

tung erreichen. Dank der doppelten Regulierfähigkeit durch die verstellbaren Laufradflügel und Leitapparate können die Turbinen auch bei verringertem Wasserdargebot ein Maximum an Effizienz über ein breites Betriebsband hinweg generieren. Die 6-flügeligen Laufräder bestehen aus hochwertigem Edelstahl und rotieren im Regelbetrieb mit 166,7 U/min, im Segelbetrieb steigt die Drehzahl auf 200 U/min. Der Einbau der Turbinen-Komponenten knüpfte an die jeweiligen Baufortschritte im Krafthaus an und erfolgte in mehreren Schritten. Beim millimetergenauen Einheben der großformatigen Bauteile wie den Stützschaufelringen war der frühzeitig installierte Hallenkran mit einer Traglast von bis zu 120 t sehr nützlich. „Die enge Verstrickung der Bau- und Betonierarbeiten mit der Montage der elektromaschinellen Ausrüstung war generell ein wichtiger Punkt, damit der Zeitplan des Projekts eingehalten werden konnte“, bekräftigen die beiden Projektleiter.

UMWELTSCHONENDE SCHMIERSTOFFE

Zur optimalen Schmierung der Turbinen setzen die Betreiber auf das speziell für den Wasserkraftbereich entwickelte Hochleistungsöl der Schweizer PANOLIN AG. Der österreichische Vertriebspartner ECOFLUID Handels GmbH war von Beginn an in das Projekt involviert und klärte mit den Herstellern und Zulieferern technische Details und Materialverträglichkeiten ab. In Summe lieferte ECOFLUID für die drei Turbinen ca. 35 t PANOLIN TURWADA SYNTH in der Viskositätsklasse 46, das in zwei Tranchen befüllt wurde. Dabei handelt es sich um ein umweltschonendes Turbinenöl auf Basis gesättigter synthetischer Ester, das mit seiner herausragenden Alterungs- und Oxidationsstabilität überzeugt, und darüber hinaus keine Ablagerungen an den Schmierstellen verursacht. Bei der Wehranlage kommen ebenfalls PANOLIN-Schmierstoffe zum Einsatz, konkret das optimal für den Stahlwasserbau geeignete HLP SYNTH in der Viskositätsklasse 15. Die Flüssigkeit basiert ebenfalls auf gesättigter synthetischer Ester, bewirkt keine Ablagerungen im Hydrauliksystem und wurde speziell für den umweltsensiblen Bereich, auch unter härtesten Einsatzbedingungen, entwickelt.

MODERNE TECHNIK IM EINSATZ

Vervollständigt wurden die drei Maschinensätze im Krafthaus durch drei von Voith Hydro gefertigte Synchron-Generatoren mit jeweils 55 MVA Nennscheinleistung, die direkt mit den Laufrädern der Turbinen gekoppelt sind. In logistischer Hinsicht stellte die Anlie-

34 Dezember 2022 Projekte HYDRO
Foto: VERBUND Die Montage der Turbinen-Komponenten orientierte sich am Fortschritt des Baugeschehens. Foto: VERBUND Der Transport der Generatoren-Komponenten zur Baustelle stellte eine logistische Herausforderung dar. Im Bild die Anlieferung eines Generator-Stators mit ca. 90 t Gewicht.

Technische Daten

• Ausbauwassermenge: 410 m³/s

• Nettofallhöhe: 35,5 m

• Ausleitungsstrecke: ca. 20 km

• Wehranlage: 4 Wehrfelder

• Turbinen: 3 x Kaplan

• Wellen: Vertikal

• Drehzahl: 166,7 U/min

• Engpassleistung gesamt: 120 MW

• Hersteller: Litostroj Power

• Generatoren: 3 x Synchron

• Nennscheinleistung: 3 x 55 MVA

• Kühlsystem: Wasser

• Hersteller: Voith Hydro

• Elektro- und Leittechnik: Andritz Hydro

• Regelarbeitsvermögen: ca. 700 GWh/a

ferung der Generator-Komponenten – Rotoren mit je 115 t, Statoren mit je 90 t Gewicht – eine eigene Herausforderung dar. Die optimale Temperierung der Generatoren, Lagerungen und Transformatoren gewährleistet ein geschlossener Wasserkühlkreislauf, dessen Plattenwärmetauscher bei den Turbineneinläufen positioniert wurden. Das wesentliche elektrotechnische Equipment wie Generatoren-Schutz- und Erregungseinrichtungen, Mittelspannungsschaltanlagen und Niederspannungsverteilung sowie die Leittechnik der Anlage stammt von Andritz Hydro. Für die Elektroinstallation im Krafthaus und der Wehranlage sorgte das oberösterreichische Unternehmen Swietelsky Energie GmbH. Der Auftrag erstreckte sich von den Anschlüssen der Mittelspannungsschaltanlage über die

Foto: VERBUND

Verkabelung sämtlicher Anlagenteile bis zur Montage der Sicherheitstechnik wie Brandmelde-, Notlicht-, Objektfunk- und Zutrittsanlagen. Über den neu errichteten Damm an der Unterwasserseite des Maschinengebäudes wurden 52 Kabel mit ca. 18.000 m Gesamtlänge für die Schutz- und Leittechnik zum Umspannwerk gezogen und in den Steuerhäusern der Bayernwerk AG angeschlossen. In Summe wurden an den beiden Bauwerken ca. 8.000 m Kabeltrassen und -leitern installiert, die Gesamtlänge aller verlegten Kabel und Leitungen beträgt rund 270.000 m.

ERFOLGREICHE INBETRIEBNAHME

Ein Meilenstein des Projekts war die Einstellung der Stromproduktion im alten Krafthaus am 21. September 2021, womit die fast 100

Jahre in Betrieb stehenden Maschinen endgültig in Rente geschickt wurden. „Auf dieses Datum hatte man die Jahre zuvor hingearbeitet. Mit der Stilllegung der alten Maschinen war der Weg frei für die finalen Bau- und Betonarbeiten beim Einlaufbereich vom neuen Krafthaus“, sagt Bernhard Gerauer. Damit die Arbeiten im Trockenen durchgeführt werden konnten, wurde rund 200 m oberhalb der Töginger Brücke ein Querdamm aufgeschüttet. Spannend wurde es wenige Monate darauf, als am 1. Februar 2022 die Nassinbetriebnahme der neuen Anlage startete: „Es war schon ein besonderer Moment, als die Maschinen das erste Mal angelaufen sind. Es wäre durchaus möglich gewesen, dass am Bauwerk oder an den vielen Dichtungen Wasser austritt. Glücklicherweise blieben wir von größeren

Dezember 2022 35 HYDRO Projekte
Die von Litostroj Power gefertigten Turbinen wurden auf eine Ausbauwassermenge von jeweils 136,7 m³/s und 35,5 m Nettofallhöhe ausgelegt, womit sie unter Volllast je 46,2 MW Engpassleistung erreichen.

Leckagen verschont und konnten uns über eine erfolgreiche Inbetriebnahme freuen“, so Christian Weichselbraun. In den folgenden Monaten wurde die neue Anlage ausgiebig getestet und diverse „Kinderkrankheiten“, die bei einem Projekt dieser Größenordnung unweigerlich auftreten, beseitigt, Mitte Juni konnte die Anlage bereits in den Regelbetrieb übergehen. Bernhard Gerauer lässt nicht unerwähnt, dass das Projekt auch eine ganze

Reihe von Hochwasserschutzmaßnahmen beinhaltete. Dazu zählten im rund zehn Kilometer langen Stauraum Jettenbach, der bis zum Oberliegerkraftwerk Gars reicht, die Optimierung von Abdichtungen an bestehenden Hochwasserdämmen und die Errichtung von zwei neuen Pumpwerken. In ökologischer Hinsicht wurde ein ganzes Paket an Maßnahmen geschnürt, beispielsweise vorgezogene Artenschutzmaßnahmen für Zaunei-

dechse, Schlingnatter und die Schmetterlingsart Wiesenknopfameisenbläuling. Der landschaftspflegerische Begleitplan beinhaltete 20 Maßnahmen auf knapp 20 Hektar Fläche. Dazu zählen die Gestaltung eines Altarms mit der Entwicklung von Röhricht und Weidengebüsch im Unterwasserbereich des neuen Maschinengebäudes, die Entwicklung von artenreichem Extensivgrünland, die naturnahe Gestaltung von Dammböschungen und das Anlegen von Magerrasen und Magerwiesen. Zu den gewässerökologischen Maßnahmen gehören die Herstellung von Kiesbänken im Stauraum Jettenbach und die Entwicklung von Kleinstrukturen in der Ausleitungsstrecke.

ERNEUERUNG MACHTE SICH BEZAHLT

Beide Projektleiter ziehen im Gespräch mit zek HYDRO ein durchwegs positives Fazit über das Projekt. „Gerne wieder“, so Bernhard Gerauer: „Wir hatten definitiv das Glück der Tüchtigen. Das Projekt konnte im veranschlagten Kosten- und Zeitrahmen abgeschlossen werden, was keine Selbstverständlichkeit darstellt. Erfreulich und wichtig war auch, dass während der Bauphase keine schweren Unfälle geschehen sind.“ Christian Weichselbraun fügt an, dass der Projekterfolg einer vorbildlichen Teamleistung zu verdan-

36 Dezember 2022 Projekte HYDRO
Blick in die Maschinenhalle bei der offiziellen Inbetriebnahme des Kraftwerks Ende September. Foto: zek

ken ist. „Sowohl das VERBUND-Team als auch die Lieferanten und Baufirmen haben untereinander sehr gut zusammengearbeitet. Sämtliche Terminkollisionen und eine Vielzahl von technischen bzw. baulichen Problemen konnten stets kooperativ gelöst werden.“ Rund vier Jahre nach Beginn der ersten Bauarbeiten wurde die Anlage am 30. September 2022 feierlich in Betrieb genommen. Dazu hatten sich eine Vielzahl von hochrangigen Vertretern aus Politik und Wirtschaft zum Festakt in Töging eingefunden. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder betonte in seiner Rede die Spitzenposition seines Bun-

deslands bei den erneuerbaren Energien: „Wasserkraft ist echte Heimatenergie. Hier entsteht in einem Jahrhundert-Bauwerk ökologischer Strom für 200.000 Haushalte. Bayern ist Land der Wasserkraft: Insgesamt erzeugen 4.200 kleine und große Anlagen Strom für vier Millionen Haushalte. Wir glauben fest an die Wasserkraft und bauen sie weiter aus.“ Achim Kaspar, Aufsichtsratsvorsitzender der VERBUND Innkraftwerke, betonte welch hohen Stellenwert die Ökologie und Effizienz bei VERBUND einnimmt: „Wir haben auch hier in Bayern gezeigt, dass die Wasserkraft nicht nur Tradition sondern auch

Zukunft hat: Ein bestehendes Kraftwerk ohne weiteren Eingriff in die Natur und Umwelt signifikant zu verbessern war eine Meisterleistung, plus 25 Prozent zusätzliche jährliche Stromerzeugung zeigen uns, dass die Wasserkraft eine verlässliche und starke Partnerin für die erneuerbare Energiezukunft in Bayern ist.“ Obwohl im historischen Krafthaus nun kein Strom mehr erzeugt wird, hat es noch lange nicht ausgedient. Das Gebäude wird von VERBUND zukünftig als Kompetenzzentrum Wasserkraft genutzt, es wird genügend Raum für die bayerischen Fachabteilungen und die Lehrlingsausbildung bieten.

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maßnahmen können signifikante Verbesserungen der Jahreserzeugung und die ökologische Kompatibilität von langjährig im Einsatz befindlichen Kaplanturbinen erzielt werden.

Dezember 2022 37 HYDRO Projekte
An der feierlichen Eröffnung nahmen eine ganze Reihe von hochrangigen Vertretern aus Politik und Wirtschaft teil. Foto: VERBUND Als Turbinenregler kommt das digitale System HIPASE-T von Andritz Hydro zum Einsatz. Foto: Andritz
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WASSERKRAFTWERK UNTERLAUSSA VERSTÄRKT SAUBERE STROMERZEUGUNG AM HENGSTPASS

Ihr bereits 23. Kleinwasserkraftwerk hat die Unternehmensgruppe Gebr. Haider kurz vor dem vergangenen Jahreswechsel im oberösterreichisch-steirischen Grenzgebiet in Betrieb genommen. Das Kraftwerk Unterlaussa nutzt das hydroelektrische Potential des Laussabachs, aus dem von der Wehranlage bis zum Krafthaus über eine Strecke von ca. 3.000 m maximal 3,5 m³/s Triebwasser entnommen werden. Eine wesentliche Herausforderung des Projekts war die Verlegung der GFKDruckrohrleitung, deren Verlauf die Erstellung eines rund 180 m langen Stollens notwendig machte. Zur Stromproduktion kommen im Krafthaus zwei vertikalachsige Francis-Turbinen mit direkt gekoppelten Synchron-Generatoren zum Einsatz. Das jährliche Regelarbeitsvermögen der neuen Ökostromanlage mit 1,7 MW Engpassleistung liegt im Bereich von ca. 7 GWh sauberer Energie.

Der Hengstpass an der Grenze zwischen Oberösterreich und Steiermark war in vergangenen Zeiten eine wichtige Verbindung in der bundesländerübergreifenden Region „Eisenstraße“. Schon im 16. Jahrhundert war die alte Hengstpassstraße von großer Bedeutung für den Transport von Eisen und Lebensmitteln. Auch die Bäche und Wasserläufe in der niederschlagsreichen Gegend dienten schon früh der Wirtschaft, indem Handwerker die Kraft des Wassers durch Wasserräder zum Antrieb mechanischer Transmissionen an Mühlen, Schmieden oder Hammerwerken nutzten. Mit der Einführung der Elektrizität wurden viele Standorte nach und nach schließlich für die Erzeugung von Strom umgerüstet. So auch am Grenzgewässer Laussabach, an dem eine ganze Reihe von Kleinwasserkraftwerken sauberen Strom produzieren. Das jüngste Kraftwerk am Hengstpass wurde von der Unternehmensgruppe Gebr. Haider realisiert und ging im Dezember 2021 erstmals ans Netz

GRENZÜBERSCHREITENDES PROJEKT

Die von den Gebr. Haider gebündelten Unternehmen betätigen sich primär in den Bereichen Bau, Industrie, Handel, Energie und Forst, hinzu kommen eine Vielzahl zusätzli­

Foto: zek

cher Aktivitäten und Beteiligungen. Im Energiesektor nehmen in der Unternehmensgruppe die Errichtung und der Betrieb von Wasserkraftwerken seit Jahrzehnten eine tragende Rolle ein. Mittlerweile betreiben die Gebr. Haider in Österreich und Rumänien insgesamt 25 Kleinwasserkraftwerke, wovon 18 Anlagen zur Gänze im Eigenbesitz stehen. Beim Kraftwerk Unterlaussa sind die Gebr. Haider mit 95 Prozent die Mehrheitseigentümer, die restlichen Gesellschaftsanteile gehören der steirischen Marktgemeinde St. Gallen. Die für das Kraftwerk namensgebende Streusiedlung Unterlaussa erstreckt sich vom oberösterreichischen Weyer über die Landesgrenze bis in die Steiermark und gehört dort zur Marktgemein­

de Sankt Gallen. „Die Aufteilung auf zwei Bundesländer, wobei der Großteil der Anlageninfrastruktur in der Steiermark liegt, war der Grund für das lange Genehmigungsverfahren“, sagt Haider­Energie Bereichsleiter Christian Mandl: „Die steirischen Behörden stellten die Bewilligungen für das Projekt bereits 2014 aus. In Oberösterreich dauerten die Verhandlungen um einiges länger, dort wurde die ebenso erforderliche naturschutzrechtliche Genehmigung erst im Dezember 2017 erteilt.“ Im Frühjahr 2021 konnte das Projekt schließlich in die Bauphase übergehen, wobei die Gebr. Haider selbstverständlich den Großteil der Hoch­ und Tiefbauarbeiten sowie die Rohrverlegung in Eigenregie durchführten.

Foto: zek

38 Dezember 2022 Projekte HYDRO
An der Grenze zwischen Oberösterreich und der Steiermark ging das Kleinwasserkraftwerk Unterlaussa im Dezember 2021 erstmals in Betrieb. Rund 7 Millionen kWh saubere Energie kann die neue Ökostromanlage der Unternehmensgruppe Gebr. Haider im Regeljahr produzieren. Das Krafthaus direkt neben der Landesstraße grenzt an eine steile Böschung. Den Großteil der Hoch- und Tiefbauarbeiten sowie die Verlegung der ca. 3.000 m langen Druckrohrleitung erledigten die Gebr. Haider in Eigenregie.

Projekte

OPTIK NICHT VERNACHLÄSSIGT

Das Kraftwerk wurde als klassische Ausleitungsanlage konzipiert, wobei für das Aufstauen des Laussabachs eine massive Wehrklappe in Fischbauchausführung zum Einsatz kommt. Neben der einseitig angetriebenen Wehrklappe befindet sich der Grundablassschütz mit aufgesetzter Klappe zur Abfuhr von Treibgut. Die Ausleitung des Triebwassers erfolgt mittels Seitenentnahme auf der orographisch linken Bachseite. Danach strömt das Triebwasser direkt in das aus zwei getrennten Kammern bestehende Entsanderbauwerk. Am Ende des Entsanders befindet sich vor dem Beginn der Druckrohrleitung der Feinrechen mit vertikalem Stabprofil inklusive dazugehöriger Rechenreinigungsmaschine. Das von der Putzharke entfernte Geschwemmsel wird über eine Rinne direkt in das Bachbett zurückgespült. Sämtliche Absperr­ und Regulierorgane der Wasserfassung werden wie der Rechenreiniger von einem Hydraulikaggregat angetrieben. Die dynamisch festgelegte Restwasserdotation beträgt mindestens 20 Prozent des jeweiligen Wasserdargebots und bewegt sich zwischen 600 und 875 l/s. Von der gesamten Restwassermenge werden 250 l/s für die Dotation des naturnah gestalteten Fischaufstiegs verwendet. Im unteren Bereich überwinden die Gewässerbewohner das Querbauwerk durch einen naturnahen Beckenpass, der weiter oben in ein Umgehungsgerinne übergeht. „Der Bau des Kraftwerks Unterlaussa war das letzte größere Projekt eines Gebr. Haider­Poliers vor seiner Pensionierung. Dabei war es ihm ein wichtiges Anliegen, das Kraftwerk und im Speziellen den Fischaufstieg optisch möglichst ansehnlich zu gestalten. Wie man an der fertigen Anlage sieht, ist das Vorhaben sehr gut gelungen“, bekräftigt Christian Mandl.

Foto: Gebr. Haider

Laufräder: 520 mm

• Drehzahl: 1.000 U/min

• Engpassleistung: 2 x 850 kW

• Hersteller: Global Hydro Energy

• Generatoren: 2 x Synchron

• Nennscheinleistung: 2 x 1.030 kVA

• E-Technik/Steuerung: MBK Energietechnik

• Regelarbeitsvermögen: ca. 7 GWh

Bis auf den ca. 180 m langen Stollenabschnitt wurde die Druckrohrleitung komplett unterirdisch verlegt. Geliefert wurden die GFK-Rohre der Marke

AUFWÄNDIGE DRUCKROHRLEITUNG

Wegen der durchwegs anspruchsvollen geologischen Bedingungen war die Verlegung der rund 3.000 m langen Druckrohrleitung, die zu ca. 90 Prozent in der Steiermark verläuft, eine zentrale Herausforderung des Projekts, so Christian Mandl: „An der Sohle der Rohrgräben haben wir hartes Konglomeratgestein vorgefunden, das mit schwerem Gerät ausgeschrämt werden musste, teilweise waren auch Lockerungssprengungen notwendig. Zudem erforderte der Trassenverlauf den Ausbruch eines rund 180 m langen Stollenabschnitts mit ca. 4,2 m Querschnitt. “ Die Topographie entlang der Rohrtrasse resultierte in jeweils zwei Hoch­ und Tiefpunkten der Druckrohrleitung, die dort mit entsprechenden Be­ und Entlüftungsventilen sowie Entleerungsmöglichkeiten ausgestattet wurden. Bei der Materialauswahl entschieden sich die Betreiber für glasfaserverstärkte Kunststoffrohre (GFK) der Marke SUPERLIT, die inklusive Sonder­

formstücken vom oberösterreichischen Vertriebsspezialisten Geotrade Tiefbauprodukte GmbH geliefert wurden. Um die Transportkosten zu reduzieren, wurde der Kraftabstieg jeweils gedrittelt in den Dimensionen DN1500/1400/1300 ausgeführt, wodurch eine „Rohr in Rohr“­Anlieferung möglich wurde. Die GFK­Rohre überzeugen mit einem vergleichsweise geringen Gewicht und dem anwenderfreundlichen Muffensystem sowie mit ihrem hohem Abriebwiderstand und den hervorragenden Fließeigenschaften durch eine extrem glatte Innenfläche. Verlegt wurde die Druckrohrleitung fast zur Gänze unterirdisch. Die Ausnahme bildete der Stollenabschnitt, in dem die Rohre freiliegend auf Sätteln montiert wurden.

EFFIZIENTE FRANCIS-ZWILLINGE

Laut Christian Mandl war auch die Erstellung der Baugrube für das Krafthaus nicht ganz einfach umzusetzen. Die größte Herausforde­

Die beiden jeweils für 1,75 m³/s Ausbauwassermenge konstruierten Francis-Turbinen vom Wasserkraftallrounder Global Hydro Energy sorgen im Maschinengebäude für ein Maximum an Effizienz. Bei vollem Durchfluss erreicht jede Turbine 850 kW Engpassleistung.

Dezember 2022 39 HYDRO
Technische Daten • Ausbauwassermenge: 3,5 m ³ /s • Nettofallhöhe: 55 m • Druckrohrleitung: ca. 3.000 m GFK • Ø: DN1500/1400/1300 • Hersteller: SUPERLIT • Turbinen: 2 x Francis • Ø
SUPERLIT von der oberösterreichischen Geotrade Tiefbauprodukte GmbH.
Foto: zek

rung stellte dabei die beschränkte Fläche des Baufelds zwischen einer steilen Böschung auf der Rückseite des Gebäudes und die an die Krafthausfront angrenzende Landesstraße dar. Die Herzstücke des neuen Kraftwerks bilden zwei identisch konstruierte Francis­Turbinen vom oberösterreichischen Wasserkraftallrounder Global Hydro Energy. Das international renommierte Unternehmen hatte schon zuvor mehrere Anlagen der Gebr. Haider mit ihren bewährten Lösungen ausgestattet und setzte sich beim Kraftwerk Unterlaussa erneut mit einem überzeugenden Konzept gegenüber den Mitbewerbern durch. Wegen der begrenzten Platzverhältnisse im Krafthaus wurden die auf jeweils 1,75 m³/s Ausbauwassermenge und 55 m Nettofallhöhe ausgelegten Maschinen in vertikalachsiger Bauform gefertigt. Damit erreicht jede Turbine bei vollem Wasserdargebot 850 kW Engpassleitung. Die Laufräder mit 520 mm Durchmesser drehen mit exakt 1.000 U/min und treiben zwei direkt gekoppelte Synchron­Generatoren in wassergekühlter Ausführung an. Für die Kühlung der auf 1.030 kVA Nennscheinleistung und 690 V Spannung ausgelegten Generatoren sorgt ein im Unterwasserbereich der Turbinen platzierter Wärmetauscher. Die Rückleitung des abgearbeiteten Triebwassers in den Laussabach erfolgt durch zwei unterhalb der Landesstraße verlegte GFK­Rohre.

Das elektro­ und leittechnische Equipment der Anlage stammt von der steirischen MBK Energietechnik GmbH, die ihre Kompetenz bereits bei einer Vielzahl von Gebr. Haider­Wasserkraftwerken unter Beweis stellen konnte, sagt MBK­Geschäftsführer Christian Mund: „Unser Lieferumfang für das Kraftwerk Unterlaussa erstreckte sich über die gesamte elektrotechnische Ausrüstung und beinhaltete unter anderem die gasisolierte 30 kV­Mittelspannungsanlage sowie die Fernanbindung. Aufgrund der zwei Maschinensätze ist bei dem Projekt der Energieteil und die Adaptierung der elektrotechnischen Komponenten an den beschränkten Platz im Krafthaus hervorzuheben.“ Lieferengpässe während des Projekts stellten für MBK im Hinblick auf die Materialbeschaffung eine große Herausforderung dar, so Christian Mund: „Das größte Problem bereitete uns der Lieferverzug des Transformators. Glücklicherweise ist es uns gelungen, einen annähernd passenden Transformator (Baujahr 1981) aufzutreiben, und mit diesem einen provisorischen Betrieb über die Wintermonate zu ermöglichen.“ Christian Mandl lässt die aufwändige Energieableitung des Kraftwerks nicht unerwähnt: „Obwohl direkt vor dem Krafthaus eine 30 kV­Leitung der Energie AG Oberösterreich verläuft, durften wir aufgrund

der Konzessionsgrenzen dort keinen Einspeisepunkt erstellen. Schließlich musste ein ca. 1,1 km langes Erdkabel talauswärts zu einer Trafostation der Energie Steiermark verlegt werden.“

GELUNGENES PROJEKT

Nach einer Bauzeit von ca. neun Monaten ging das Kraftwerk am 22. Dezember 2021 das erste Mal ans Netz. Die Fertigstellung des Fischaufstiegs und die Umsetzung diverser Rekultivierungsarbeiten erfolgten im heurigen Frühjahr. Beim Lokalaugenschein von zek HYDRO kann Christian Mandl ein durchwegs positives Fazit über das Projekt ziehen: „Die Anlage läuft seit der Inbetriebnahme sehr zufriedenstellend und hat trotz der trockenen Sommermonate das prognostizierte Regelarbeitsvermögen bislang sogar übertroffen. In ökologischer Hinsicht freut es uns, dass der Beckenpass an der Wehranlage von den Fischen gut angenommen wird. Man sieht, dass es sich trotz der langen Verfahrensdauer im Projektvorfeld doch ausgezahlt hat und eine für alle Beteiligten gute Lösung realisiert wurde.“ Abschließend bestätigt Christian Mandl, dass die Gebr. Haider den Ausbau des heimischen Wasserkraftpotentials weiter vorantreiben wollen und dafür aktuell das eine oder andere Projekt ins Auge gefasst haben.

40 Dezember 2022 Projekte HYDRO
MBK LIEFERTE KOMPLETTPAKET Christian Mandl hat als Bereichsleiter Energie bei den Gebr. Haider das Projekt von Beginn an begleitet. Foto: zek Die steirische MBK Energietechnik lieferte das elektro- und leittechnische Equipment.

KRAFTWERK GISENTELLA MAXIMIERT ÖKOSTROMPRODUKTION VON WALLISER GEMEINDE BLATTEN

Mit dem Neubau des Wasserkraftwerks Gisentella in der Walliser Gemeinde Blatten wird das hydroenergetische Potential des Gebirgsbachs nun vollständig ausgereizt. Realisiert wurde das Projekt von der Gemeinde und der Genossenschaft Elektrizitätswerk Blatten, die mit ihren insgesamt vier Kleinkraftwerken im Lötschental nun alljährlich ca. 20 GWh Ökostrom erzeugen. Das jüngste Kraftwerk an der Gisentella mit 2,1 MW Engpassleistung wurde als Erweiterung einer bestehenden Anlage konzipiert und nutzt 800 l/s Ausbauwassermenge und knapp 300 m Fallhöhe. Im Krafthaus sorgt eine 4-düsige Pelton-Turbine in vertikalachsiger Ausführung mit direkt gekoppeltem Synchron-Generator für ein Maximum an Effizienz. Dank günstiger Witterungsbedingungen und dem vorbildlichen Einsatz der beteiligten Unternehmen konnte das Kraftwerk schon etwas mehr als ein Jahr nach dem ersten Spatenstich im Mai 2022 den Betrieb aufnehmen.

Im Oberwalliser Lötschental, das wegen seiner malerischen Landschaft bei Natur- und Bergliebhabern große Wertschätzung genießt, wurde der Ausbau des Wasserkraftpotentials in den vergangenen zehn Jahren bemerkenswert vorangetrieben. Gleich vier neue Wasserkraftwerke wurden seit 2012 in der zum UNESCO-Weltnaturerbe zählenden Region errichtet. So hat die BKW Energie AG im Herbst des vergangenen Jahres gemeinsam mit den namensgebenden Gemeinden Wiler und Kippel am Gewässer Lonza das Kraftwerk Wiler-Kippel in Betrieb genommen. Auf dem Gebiet der Gemeinde Blatten wurde 2012 das Kraftwerk Wolfrätsch fertiggestellt, 2019 folgte die Inbetriebnahme der Anlage Breithorn. Im Frühjahr 2022 ging mit dem Kraftwerk Gisentella die dritte Ökostromanlage, die innerhalb einer Dekade in Blatten realisiert wurde, erstmals ans Netz.

Andreas Ritler, Mitglied des Verwaltungsrats der KW Gisentalla AG, bekräftigt, dass die Stromgewinnung aus Wasserkraft im Lötschental einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor darstellt. „Bei rund 300 Einwohnerinnen und Einwohnern sind die Steuereinnahmen in Blatten überschaubar. Durch die Vermarktung des selbst erzeugten Stroms werden luk-

rative Erlöse erzielt, die der Gemeinde und verschiedenen Infrastrukturprojekten zugutekommen.“

ERSTES WASSERKRAFTWERK IM LÖTSCHENTAL

Andreas Ritler fährt fort, dass die Stromerzeugung aus Wasserkraft in Blatten eine lange Tradition besitzt: „Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts hat ein Elektroingenieur aus Basel um eine Konzession zum Bau eines Wasserkraftwerks in Blatten angesucht. Vom damaligen Gemeinderat wurde dieses Ansuchen allerdings abgelehnt, um die Wertschöpfung der wertvollen Ressource nicht aus der Hand zu geben.“ 1916 wurde schließlich durch die Blattener „Gesellschaft für elektrisches Licht“ das erste elektrische Wasserkraftwerk im Lötschental an der Gisentella in Betrieb genommen. Im Laufe der darauffolgenden Jahrzehnte wurde das Leistungs- und Erzeugungspotential der Pionieranlage sukzessive gesteigert. 1951 wurde die ursprüngliche Gesellschaft aufgelöst und die „Genossenschaft Elektrizitätswerk Blatten“ gegründet, die das bestehende Kraftwerk in den Jah-

ren 1953, 1984 und 1994 ausbaute bzw. erneuerte. Um das hydroelektrische Potential der Gisentella voll auszuschöpfen, planten die Gemeinde und das Elektrizitätswerk Blatten ein neues Kraftwerk wobei auch die Altanlage miteinbezogen wurde. „Das Projekt wurde sowohl von behördlicher als auch von umweltschutzrechtlicher Seite gut akzeptiert. Anders als beim Kraftwerk Breithorn, das erst nach jahrelangen Gerichtsprozessen die Bewilligung erhalten hatte, wurde die Genehmigung für das Kraftwerk Gisentella vergleichsweise schnell erteilt“, so Andreas Ritler. Während die Bestandsanlage weiterhin ganzjährig betrieben wird, ist der Neubau – je nach Wasserdargebot – für den Betrieb zwischen April und November konzipiert.

Dezember 2022 41 HYDRO Projekte
Die Wasserfassung des Kraftwerks Gisentella auf der Tellialp wurde mit Einbezug der bestehenden Anlage umfassend erweitert. Über das Tiroler Wehr werden nun maximal 980 l/s Ausbauwassermenge für die beiden Kraftwerke eingezogen.
Foto: zek
Stark in industriellen Anlagen und Maschinen.
Effizient, sicher und umweltfreundlich.

WASSERFASSUNG MIT HSR-ENTSANDER

Im April 2021 ging das Projekt mit den Bauarbeiten an der Wasserfassung auf der Tellialp in die Realisierungsphase über, kurz danach startete die Verlegung der Druckrohrleitung und die Errichtung des neuen Maschinengebäudes. Die Wasserfassung, an der für das alte Kraftwerk zuvor maximal 180 l/s ausgeleitet wurden, sollte im Zuge der Erneuerung umfassend erweitert werden. Der Einzug von nun 980 l/s erfolgt mit einem klassischen Tiroler Wehr, das vom Walliser Branchenexperten Stahltec GmbH geliefert wurde. Nach der Ausleitung fließt das Wasser in ein rund 30 m langes Entsanderbauwerk, das von Stahltec mit dem patentierten HSRSedimentabzugsystem ausgestattet wurde.

Das Patent des innovativen Sand- bzw. Kiesabzugs, der sich vor allem durch seinen geringen Spülwasserverbrauch auszeichnet, wurde von Stahltec übernommen und kommt mittlerweile bei mehr als 50 Standorten im Inund Ausland zum Einsatz. Komplettiert wurde der Stahltec-Lieferumfang an der Wehranlage durch einen dreireihigen Beruhigungsrechen, die Spülleitung, die Prallwand und den Grundablassschütz inklusive dem dazugehörigen Hydraulikaggregat. Gleich nach dem Entsander strömt das Triebwasser weiter zu den beiden Druckrohrleitungen, wobei für den unveränderten Kraftabstieg des Altkraftwerks ein neuer Anschluss hergestellt wurde. Andreas Ritler macht auf eine Besonderheit der Wasserfassung aufmerksam: „In unmittelbarer Nähe der Wehranlage befindet sich eine ergiebige Trinkwasserquelle der Gemeinde. Deren überschüssiges Wasser fließt über eine Rohrleitung in das Entsanderbauwerk und kann somit ebenfalls für die Stromproduktion genutzt werden.“

ROHRTRANSPORT MIT HELIKOPTER

Bei der Materialauswahl der insgesamt 985 m langen Druckrohrleitung DN600 entschieden sich die Betreiber für duktile Gussrohre, deren robuste Eigenschaften bei Wasserkraftprojekten im gesamten Alpenraum geschätzt werden. Aufgrund des anspruchsvollen Terrains wurde die Druckrohrleitung zur Gänze in schub- und zuggesicherter Ausführung hergestellt. Die Verlegungsarbeiten des komplett unterirdischen Kraftabstiegs wurden synergetisch genutzt, indem im gleichen Rohrgraben auch eine Abwasserleitung sowie ein Stromkabel zur Erhöhung der Versorgungssicherheit

der Tellialp mitgeführt wurden. Durchgeführt wurde die Rohrverlegung von der ebenfalls im Wallis ansässigen Lauber IWISA AG, die bei dem Projekt einmal mehr ihre Kompetenz im Wasserkraftsektor unter Beweis stellen konnte. Zur digitalen Kommunikation zwischen Wasserfassung und Zentrale wurde zudem ein Lichtwellenleiterkabel mitverlegt. Da die Trassenführung der Druckrohrleitung teilweise über äußerst steiles Gelände führt, wurde zur Anlieferung der massiven Rohre Luftunterstützung angefordert. Mittels Transporthelikopter wurden die Rohre eingeflogen und in Funkabstimmung mit den Monteuren am Boden punktgenau zugestellt. Die Montage der mit einem verlegefreundlichen Muffensystem ausgestatten Druckrohre erfolgte im Steilgelände mithilfe eines Schreitbaggers.

HERZSTÜCK STAMMT AUS SÜDTIROL

Die Zentrale des Kraftwerks Gisentella wurde im östlich von Blatten gelegenen Ortsteil Fuchsloch errichtet. Für die Gestaltung des Gebäudes, dessen Formgebung vom umliegenden Bergpanorama inspiriert wurde, sorgte der aus Blatten stammende Architekt JeanLuc Bellwald. Als Herzstück der Anlage kommt eine vertikalachsige Pelton-Turbine von der Südtiroler Troyer AG zum Einsatz, die einen direkt gekoppelten Generator antreibt. Die Kleinwasserkraftspezialisten waren bereits für die elektromechanischen Ausstattungen der Anlagen Wolfrätsch und Breithorn sowie das BKW-Kraftwerk Wiler-Kippel zuständig und schnürten für das Kraftwerk Gisentella erneut ein leistungsstarkes Paket, das die Betreiber sowohl in wirtschaftlicher als auch in technischer Hinsicht überzeugte. Mit den insgesamt vier innengeregelten Düsen, die von einem Hydraulikagg-

Technische Daten

• Ausbauwassermenge: 800 l/s

• Nettofallhöhe: 293 m

• Druckrohrleitung: 985 m / duktiler Guss

• Ø: DN600

• Turbine: 4-düsige Pelton

• Turbinenwelle: vertikal

• Drehzahl: 1.000 U/min

• Engpassleistung: 2.102 kW

• Hersteller: Troyer AG

• Generator: Synchron

• Spannung: 6.000 V

• Nennscheinleistung: 2.500 kVA

• Kühlung: Wasser

• Hersteller: Hitzinger Electric Power GmbH

• Regelarbeitsvermögen: ca. 2,1 GWh

42 Dezember 2022 Projekte HYDRO
Die duktilen Gussrohre für den 985 m langen Kraftabstieg DN600 wurden im Steilgelände von einem Transporthubschrauber eingeflogen. Umgesetzt wurde die Rohrverlegung von der Walliser Lauber IWISA AG. Den kompletten Stahlwasserbau für die Wasserfassung lieferte die Walliser Stahltec GmbH. Der ca. 30 m lange Entsander wurde mit dem patentierten HSR-Sedimentabzugsystem ausgestattet.
Foto: zek Foto: Gemeinde Blatten

regat gesteuert werden, kann die Maschine auch bei verringerten Zuflüssen über ein breites Betriebsband hinweg effizient Strom erzeugen. Konzipiert wurde die Turbine für eine Ausbauwassermenge von 800 l/s und 293 m Nettofallhöhe, womit das Kraftpaket unter Volllast 2.102 kW Engpassleistung erzielt. Vervollständigt wird der Maschinensatz durch den Synchron-Generator vom oberösterreichischen Traditionshersteller Hitzinger. Der Generator dreht wie die Turbine mit exakt 1.000 U/min und wurde auf eine Spannung von 6.000 V und 2.500 kVA Nennscheinleistung ausgelegt. Ein mit Wasser gefüllter Kühlkreislauf um den Generatormantel, der an den Wärmetauscher im Unterwasserbereich der Maschine angeschlossen ist, gewährleistet optimale Temperaturen und sorgt für ein leises Betriebsgeräusch. Ebenfalls im Troyer-Lieferumfang enthalten war das elektro- und leittechnische Equipment der Anlage. Dem Stand der Technik entsprechend funktioniert

die Stromproduktion natürlich vollautomatisch. Mittels Online-Anbindung kann das Kraftwerk von den Betreibern rund um die Uhr aus der Ferne überwacht und geregelt werden.

ERFOLGREICHES PROJEKT

Der erzeugte Strom wird zur Gänze ins örtliche Mittelspannungsnetz eingespeist, wofür eine neue 16 kV-Energieableitung erstellt wurde. Darüber hinaus wurden parallel zum Bau des Kraftwerks diverse Maßnahmen zur Verstärkung des Stromnetzes von der Gemeinde Wiler nach Blatten umgesetzt. Das von der Turbine abgearbeitete Triebwasser fließt über einen Unterwasserkanal im Bereich einer Grüngutdeponie ins Gewässer Lonza. Als ökologische Ausgleichsmaßnahme wird dieser Bereich noch revitalisiert und als Erholungsraum für die Bevölkerung aufgewertet. „Dank der günstigen Witterungsbedingungen im Vorjahr konnten die wesentli-

chen Bauarbeiten und die Rohrverlegung noch vor dem Wintereinbruch abgeschlossen werden. Bereits Mitte Mai 2022 speiste die Anlage im Rahmen des Probebetriebs erstmals ins Netz ein. Wegen eines äußerst heftigen Unwetters Ende Juli, das an der Wasserfassung erhebliche Schäden verursachte, musste die Anlage kurz nach der Erstinbetriebnahme wieder abgestellt werden. Glücklicherweise konnte das Bauwerk innerhalb weniger Wochen entsprechend verstärkt instandgesetzt und die Stromproduktion wieder aufgenommen werden. Die ersten Betriebserfahrungen mit dem neuen Kraftwerk sind sehr positiv, die Anlage ist auch im Hinblick auf das Bestandskraftwerk sehr gut abgestimmt“, resümiert Andreas Ritler. Mit dem Neubau kann das hydroenergetische Potential des Gebirgsbachs nun ganzjährig effektiv genutzt werden. Im Regeljahr wird das Kraftwerk Gisentella ca. 6,8 GWh sauberen Strom im Lötschental erzeugen.

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& Lieferung • von HSR Entsander (Patent) • von Sonderkonstruktionen im Stahlwasser- und Maschinenbau www.stahltec.ch Stahltec_WEL_mmd.indd 1 17.07.2020 11:52:18 Foto: zek Foto: zek Foto: zek
Im Volllastbetrieb erreicht die mit vier innengeregelten Düsen ausgestatte Pelton-Turbine von der Troyer AG 2,1 MW Engpassleistung. Ein direkt mit dem Laufrad gekoppelter Synchron-Generator von Hitzinger dient dem Maschinensatz als wirkungsgradstarker Energiewandler.
Engineering
Kraftwerkswärter Stefan Ebner und Verwaltungsrat Andreas Ritler (v.l.) beim zek HYDRO Lokalaugenschein in Blatten Anfang September. Das Maschinengebäude des neuen Kraftwerks wurde von dem aus Blatten stammenden Architekten Jean-Luc Bellwald gestaltet.

Fachmesse für Wasserkraft

Renexpo Interhydro in Salzburg

Aktueller könnte der Bedarf an nachhaltiger Energieversorgung im Moment nicht sein. Weltpolitische Ausnahmesituationen und Krisen befeuern aktuell die Diskussion und das Bedürfnis nach unabhängiger, regionaler Energieversorgung und Versorgungssicherheit. Die Fachmesse für Wasserkraft am 30. und 31. März im Messezentrum Salzburg bietet eine notwendige europäische Plattform für zukunftsweisende Produkte, Projekte und Dienstleistungen der sauberen Energiequelle.

Innovations- und Zukunftspotential

Die Renexpo Interhydro gilt als Branchentreffpunkt der Wasserkraft, als nachhaltiger und verlässlicher Energieträger. Unternehmer und Vertreter aus den verschiedenen Zweigen der Wasserwirtschaft schätzen die hohe Kontaktqualität und den praxisorientierten Austausch mit Kollegen und Entscheidungsträgern. Planer, Betreiber, Energieversorger, Investoren und Projektentwickler fühlen sich genauso angesprochen wie Verbände, Behörden, Politik und Wissenschaft. Es werden aktuelle Trends und Themen in den Fokus gesetzt und aktives Networking betrieben. Es geht darum, den Status Quo kritisch zu hinterfragen und gemeinsam weiterzudenken.

Wasser ist Programm

Ende März 2023 darf in Salzburg alles fließen. Technisches Knowhow, politisches Engagement genauso wie praktischer Erfahrungsschatz aus Produktion und Wirtschaft. Ergänzend zum dicht getakteten Bühnenprogramm, wo unter anderem Molekularbiologe und Science Buster, Martin Moder, in einer Keynote das Thema Wasserkraft auf eine neue und unkonventionelle, aber nicht weniger wissenschaftliche Art und Weise beleuchten wird, finden verschiedene Side-Events statt. So bereichern unter anderem der „Betreiber- und Planertrag Wasserkraft“ in Kooperation mit dem Land Salzburg, sowie mehrere Seminare zum Thema „Small Hydropower in Europe“ der EREF (European Renewable Energies Federation) die beiden Messetage im Zeichen der zukunftsträchtigen Energiequelle Wasser.

RENEXPO INTERHYDRO

Fachmesse für Wasserkraft 30. – 31. März 2023

Messezentrum Salzburg www.renexpo-interhydro.eu

44 Dezember 2022 Projekte

DOPPELKRAFTWERK IN GEORGIEN VERTRAUT AUF TIROLER TURBINENTECHNIK

In der südgeorgischen Region Samtskhe-Javakheti wurde kürzlich ein Doppel-Kraftwerk in Betrieb genommen, das Ökostrom aus zwei Flüssen generiert. Die Maschinenhäuser, beide unweit des Zusammenflusses errichtet, wurden dabei mit leistungsstarken Francisturbinen österreichischer Provenienz ausgerüstet. Der erfahrene Tiroler Wasserkraftspezialist Geppert lieferte insgesamt 4 moderne Francis-Maschinensätze inklusive den direkt gekoppelten Synchrongeneratoren. In Summe erzeugen sie im Regeljahr rund 50 GWh Ökostrom. Damit zählt das neue Doppel-Kraftwerk Akhalkalaki, das von einem isländisch-US-amerikanisch-georgischen Konsortium realisiert wurde, zu den wichtigsten neuen Energieprojekten der Region, das darüber hinaus von einigen sozialen Infrastrukturmaßnahmen durch das Konsortium flankiert wurde.

Georgien verfügt weder über große Erdgas- noch Erdölressourcen. Doch das Land im Kaukasus, das in etwa so groß ist wie die Republik Irland, hat sich zu einem echten „Big Player“ in Sachen erneuerbare Energien gemausert. Vor allem die Nutzung der Wasserkraft spielt eine zentrale Rolle in der staatlichen Energiestrategie. Bereits im Jahr 2010 wurde von Seiten der georgischen Regierung verlautbart, dass Strom aus Wasserkraft in den nächsten Jahren zum größten Exportprodukt werden sollte. Das verwundert nicht. 87 Prozent des Landes werden von Gebirgen und Vorgebirgen bedeckt, die höchste Erhebung reicht bis hinauf auf über 5.000 Meter. Zwar ist der Niederschlag sehr ungleich über

das Land verteilt, doch zahlreiche Gewässer sorgen – verbunden mit der Topographie – für ausgezeichnete Wasserkraft-Voraussetzungen. Rund 26.000 Flüsse gibt es in Georgien, 300 gelten als höchst geeignet für die hydroelektrische Nutzung. Aktuell wartet der Kaukasus-Staat mit etwas mehr als 4.500 MW (Quelle: ESCO, 2021) an installierten Wasserkraftkapazitäten auf. Das staatliche Ziel bis zum Jahr 2025 wurde sogar auf 6.600 MW festgelegt. Und Georgien ist auf einem guten Weg, dieses Ziel zu erreichen. Im Elektrizitätsmix des Landes macht die Wasserkraft 66 Prozent aus und kann somit mit Fug und Recht als Rückgrat der georgischen Elektrizitätsversorgung bezeichnet werden.

ZWEI FLÜSSE GENUTZT

Georgien hat sich in den letzten Jahren auch den Ruf als stabiler politischer Partner erarbeitet. Nicht zuletzt dank der Liberalisierung des nationalen Energiemarkts zwischen 2017 und 2020 wurde das Land am Kaukasus auch für internationale Investoren attraktiv, die sich für Wasserkraft interessieren. Das Interesse an Wasserkraft steckt auch in der DNA des Unternehmenskonsortiums AIS LLC. Sämtliche Partner in dem Konsortium, die aus den USA, Island und aus Georgien selbst stammen, verweisen zum Teil auf umfangreiche Erfahrung in der internationalen und nationalen Projektentwicklung von Wasserkraftwerken. Gegründet wurde AIS LLC zum Zweck der Errich-

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Foto: GEPPERT Drei moderne Francis-Spiralturbinen aus dem Hause Geppert stellen das Herz des neuen Kraftwerks Akhalkalaki1 dar. Im Regeljahr erzeugen sie rund 39,2 GWh Ökostrom.

tung des Kraftwerks Akhalkalaki in der gleichnamigen georgischen Region im Süden des Landes, nicht allzu weit entfernt von den Grenzen zur Türkei und Armenien. Streng genommen handelt es sich um ein Doppel-Kraftwerk an zwei unterschiedlichen Gewässern, deren Triebwässer in zwei separaten Maschinenhäusern abgearbeitet werden. Was sie verbindet sind im Grunde nur die gemeinsame Energieableitung auf der 35 kV-Mittelspannungsfreileitung und natürlich der Name: KW Akhalkalaki1 und Akhalkalaki2.

UNTERSCHIEDLICHE WASSERFASSUNGEN

Die Planungen für das Projekt reichen in etwa ein Jahrzehnt zurück. 2016 lagen die behördlichen Genehmigungen durch das georgische Umwelt- und Landwirtschaftsministerium vor, sodass weitere Schritte in Richtung internationale Ausschreibungen und diverse Vorarbeiten folgen konnten. Am 26. Oktober 2020 war es schließlich soweit: Die Bauarbeiten am Doppelkraftwerk konnten beginnen. Und sie endeten vor kurzem mit der Inbetriebnahme und der Aufnahme des Probebetriebs im Herbst dieses Jahres.

Von ihrem Konzept her handelt es sich um zwei Ausleitungskraftwerke. Während KW Akhalkalaki1 das Wasser des Paravani nutzt, treibt jenes des Korkhistali – einem rechtsufrigen Zubringer des Paravani – die Maschinen in KW Akhalkalaki2 an. „Am Paravani wurde ein Wehrbauwerk mit drei Wehrfeldern und einem seitlichen Einzug über zwei Feinrechen, die mit Teleskoparm-Rechenreinigungsmaschinen ausgestattet wurden, angelegt. Nach dem direkt angeschlossenen Entsandungsbecken erstreckt sich die GFK-Druckrohrleitung in den Dimensionen DN3000/DN2800 über eine Länge von 3,3 km bis zum Maschinenhaus“, erklärt der Projektleiter der Firma Geppert, Ulrich Ruggenthaler. Das Tiroler Wasserkraftunternehmen zeichnete für die komplette elektromechanische Ausrüstung beider Kraftwerke verantwortlich, entsprechend gut kennt

der erfahrene Wasserkraft-Fachmann die Eigenheiten des Doppel-Projekts. Etwas anders stellt sich die Triebwasserentnahme beim KW Akhalkalaki2 dar: Hier wurde ein klassisches Tirolerwehr installiert. Der Triebwasserweg besteht ebenfalls aus einer GFK-Druckrohrleitung mit einer Länge von 1,93 km und einer Dimension von DN1200.

MODERNE FRANCIS-SPIRALTURBINEN

Vergleichbar sind die beiden Anlagen in der genutzten Fallhöhe, die bei KW Akhalkalaki1 62 m und bei Akhalkalaki2 72 m beträgt. Ein Fallhöhenbereich, der sich geradezu optimal für den Einsatz von modernen Francis-Spiralturbinen eignet. Der entsprechende Auftrag für die maschinelle Ausrüstung ging an die erfahrenen Tiroler Wasserkraftexperten von Geppert, die nicht nur national, sondern auch in vielen Ländern weltweit ihre Kernkompetenz unter Beweis stellen konnten. Konkret lieferte Geppert drei baugleiche horizontalachsige Francisturbinen inklusive direkt gekoppelte Synchrongeneratoren vom Fabrikat Koncar für das KW Akhalkalaki1 und eine ebenfalls hori-

zontalachsige Francisturbine sowie den zugehörigen Synchrongenerator für das Kraftwerk am Korkhistali. Die Francisturbinen aus dem Hause Geppert zeichnen sich durch hohe technische Ausgereiftheit und ihre bekannte Robustheit aus. Wie auch die anderen Turbinentypen werden sie beim Tiroler Wasserkraftspezialisten permanent im Rahmen von Modellversuchen weiterentwickelt, sodass optimale hydraulische Eigenschaften der Turbinen garantiert werden können. Das Francislaufrad wird vor Ort direkt an die Generatorwelle montiert. Dank dieser 2-Lager-Anordnung wird einerseits der Einsatz einer Kupplung oder anderer Verschleißteile vermieden und andererseits durch eine optimierte Kompaktheit die Kubatur des Maschinenhauses minimiert. Auf diese Weise punkten die Maschinen in wirtschaftlicher Hinsicht gleich doppelt.

46 Dezember 2022 Projekte HYDRO
Höchste Effizienz dank permanenter Weiterentwicklung: Francis-Spiralturbinen aus dem Hause Geppert Wasserfassung am Paravani: Hier werden über die zwei Rechenfelder bis zu 15 m3/s Triebwasser entnommen und dem Kraftabstieg zugeführt. Einbausituation der drei Maschinensätze im KW Akhalkalaki1 inklusive strömungsoptimertem Verteilrohr. Foto: GEPPERT Grafik: GEPPERT Foto: GEPPERT

VOLLLAST AN 110 TAGEN IM JAHR

Konkret sind die drei Maschinensätze im KW Akhalkalaki1 auf ein Schluckvermögen von jeweils 5 m3/s ausgelegt. Bei einer Fallhöhe von 62 m erreichen sie eine Nennleistung von jeweils 2,55 MW. Die Engpassleistung der Anlage liegt bei 7,5 MW. Das kleinere KW Akhalkalaki2 am Korkhistali beherbergt eine 1,7 MW starke Francis-Spiralturbine mit einem Schluckvermögen von 2,8 m3/s. An rund 110 Tagen im Jahr arbeiten die Maschinen im Schnitt unter Volllast. Für die Jahreserzeugung der beiden Anlagen bedeutet das einen jährlichen Output bei KW Akhalkalaki1 von 39,2 GWh sowie 9,8 GWh bei KW Akhalkalaki2 im Regeljahr. Der in den Kraftwerken erzeugte Strom wird über eine 35-kV-Freileitung ins nationale Stromnetz Georgiens eingespeist. Seit Herbst dieses Jahres sind die Maschinensätze nun im Einsatz und bewähren sich seit-

dem im täglichen Einsatz. Dass die Umsetzung letztlich durchaus herausfordernd war, kann Ulrich Ruggenthaler nur bestätigen: „Was vor allem eine zentrale Rolle bei Auslieferung, Montage und Inbetriebsetzung spielte, war die Situation aufgrund von Covid 19, die sowohl die Projektleitung als auch uns als Maschinenlieferanten immer wieder vor Herausforderungen stellte. Zum Glück konnten wir dank Flexibilität und Know-how sämtliche Hürden meistern.“

EIN PROJEKT MIT VIELEN GEWINNERN

Für das etablierte Wasserkraftunternehmen Geppert stellt das Doppel-Kraftwerk Akhalkalaki den ersten Einsatz in Georgien dar. Dank des ausgezeichneten Feedbacks von Seiten der Auftraggeber sollte damit ein erfolgreicher Markteinstieg in das vielversprechende Wasserkraftland gelungen sein.

Technische Daten

KW Akhalkalaki1

• Ausbauwassermenge: 15 m3/s

• Fallhöhe: 62 m

• Turbinen: 3 x Francis-Spiralturbinen

• Nennleistung: je 2,55 MW

• DRL: Länge: 3,3 km Ø DN3000/DN2800 GFK

KW Akhalkalaki2

• Ausbauwassermenge: 2,8 m3/s

• Fallhöhe: 72 m

• Turbinen: 1x Francis-Spiralturbine

• Nennleistung: 1,7 MW

• DRL: Länge: 1,93 km Ø DN1200 GFK

• Regelarbeitsvermögen: 9,8 GWh

• Turbinen-Fabrikat: Geppert

• Generatoren-Fabrikat: Koncar

Für die Region Samtskhe-Javakheti repräsentiert das erfolgreich umgesetzte Projekt mehr als nur ein Wasserkraftwerk, vor allem weil sich die Betreiber von AIS LLC auch sehr stark für soziale Begleitmaßnahmen engagierten. Unter anderem wurden in den angrenzenden Dörfern eine 400 kW Pumpstation für die Bewässerung der Felder errichtet, eine neue Trinkwasserleitung verlegt, zwei Schwimmbäder und eine Sporthalle gebaut, sowie mehrere Straßen saniert und neu asphaltiert. Diese Maßnahmen wurden unter der Richtlinie des projektbetreibenden Konsortiums gesetzt, wonach man im Rahmen des Gesamtprojekts auch die nachhaltige Entwicklung der vom Wasserkraftwerk tangierten Region durch soziale und infrastrukturelle Entwicklungsprojekte fördern möchte. Ein weiterer Aspekt, warum das neue Doppel-Kraftwerk positive Schlagzeilen machen wird.

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▷ Aufnahme des aktuellen Anlagenzustandes ▷ Ausarbeitung eines Revitalisierungskonzeptes ▷ Wirkungsgradsteigerung ▷ Teil- oder Vollautomatisierung ▷ Revitalisierung unabhängig vom ursprünglichen Hersteller GEPPERT ALS REVITALISIERUNGSPARTNER Geppert Hydropower Geppert GmbH Geppertstrasse 6 | 6060 Hall in Tirol | Austria T +43 5223 57788 | www.geppert.at
Das Maschinenhaus von KW Akhalkalaki1 kurz vor der Fertigstellung. Es wurde unweit des Zusammenflusses der Flüsse Paravani und Korkhistali situiert. Foto: GEPPERT

SÜDTIROLER KLEINWASSERKRAFTWERK AUE TREIBT PFITSCHTALER ÖKOSTROMBILANZ WEITER NACH OBEN

Seit gut 15 Monaten ist das Kleinwasserkraftwerk Aue in der Südtiroler Gemeinde Pfitsch offiziell am Netz. Realisiert wurde der Neubau von der Aue St. Jakob GmbH, die mit dem Neubau erstmals das hydroelektrische Potential des Überwasserbachs zur Stromgewinnung nutzt. Für den Einzug von maximal 210 l/s Ausbauwassermenge sorgt das patentierte Coanda-System GRIZZLY vom Südtiroler Stahlwasserbauallrounder Wild Metal GmbH, das in der Branche aus guten Gründen hohe Wertschätzung genießt. Auch bei der Umsetzung der anspruchsvollen Bau- und Rohrverlegearbeiten und der Auswahl des elektromechanischen Equipments setzten die Betreiber vorwiegend auf die Kompetenz heimischer Unternehmen. Im Krafthaus kommt eine 2-düsige Pelton-Turbine mit direkt gekoppeltem Synchron-Generator zum Einsatz, die bei vollem Wasserdargebot über 330 kW Engpassleistung erzielt. Das Regelarbeitsvermögen der vorbildlich realisierten Anlage im Pfitschtal liegt bei ca. 1,3 Millionen kWh Ökostrom.

Das Pfitschtal im Norden von Südtirol erfreut sich aufgrund seiner malerischen Landschaft und der beeindruckenden Bergkulisse bei Touristen und passionierten Wanderfreunden großer Beliebtheit. Zudem bietet die Region mit ihrem Wasserreichtum und der günstigen Topographie ideale Verhältnisse zur Stromgewinnung aus Wasserkraft. Die leistungsstärkste Anlage im Pfitschtal, das 1927 fertiggestellte Kraftwerk Wiesen, befindet sich in der namensgebenden Pfitscher Gemeindefraktion Wiesen am Talausgang vor dem Sterzinger Becken. Im Regeljahr produziert das Großkraftwerk mit 21,7 MW Engpassleistung, das einen ca. 400.000 m³ fassenden Stausee als Reservoir nutzt, rund 81 GWh Strom. Hinzu kommen eine Vielzahl von Kleinkraftwerken, die in dem rund 23 km langen Tal saubere Energie erzeugen.

48 Dezember 2022 Projekte HYDRO
Das patentierte GRIZZLY Coanda-System mit Selbstreinigungsfunktion vom Branchenexperten Wild Metal GmbH sorgt beim Kleinkraftwerk Aue für den Einzug von maximal 210 l/s Triebwasser. Foto: zek Foto: Tötsch Der knapp 1 km lang Kraftabstieg besteht zur Gänze aus duktilen Gussrohren DN400 vom Hersteller Tiroler Rohre GmbH.

BETREIBER BEWEISEN LANGEN ATEM

Zu den jüngsten Anlagen im Pfitschtal zählt das Kleinwasserkraftwerk Aue am Überwasserbach, das in der Gemeindefraktion St. Jakob von der lokalen Agrargemeinschaft realisiert wurde. Bis das Kraftwerk ans Netz gehen konnte, galt es einen langen Atem zu beweisen, erklärt Willi Tötsch, Präsident der Betreibergesellschaft Aue St. Jakob GmbH: „Eine günstige Voraussetzung des Projekts war, dass sich alle Grundstücke entlang des Projektgebiets – Maschinengebäude inklusive Rückleitung, Druckrohrleitung und Wasserfassung –im Besitz der Agrargemeinschaft befinden. Der Konzessionsantrag für den Neubau wurde 2011 bei der zuständigen Behörde in Bozen gestellt, im selben Jahr wurde als rechtlicher Rahmen die Aue St. Jakob GmbH gegründet. Das Genehmigungsverfahren inklusive diverser aufwändiger Gutachten dauerte bis zum Erhalt der Konzession bis 2015.“ Willi Tötsch fährt fort, dass zu diesem Zeitpunkt wegen der anhaltend niedrigen Strompreise kein wirtschaftlicher Betrieb des Kraftwerks möglich gewesen wäre: „Deswegen musste des Projekt weiter aufgeschoben werden, um die Zusage zur Gewährung des geförderten italienischen Stromtarifs für eine Laufzeit von 20 Jahren abzuwarten. Obwohl der Förderungsbescheid im Sommer 2019 noch immer ausständig war, haben wir uns dennoch dazu entschieden das Projekt zu starten, weil ansonsten die Baugenehmigung verfallen wäre.“ Die Ausschreibung der Bauund Techniklose erfolgte durch den Generalplaner Christian Leitner vom Planungsbüro Exact – Ingenieure aus Brixen. Für die Umsetzung der gesamten Bauarbeiten und der Verlegung der Druckrohrleitung wurde die

beauftragt: „Wir haben uns bei der Vergabe vorwiegend für regionale Unternehmen entschieden, um bei Problemen schnell eine Lösung bzw. Ansprechpartner parat zu haben. Außerdem sind in der Region ja eine ganze Reihe von kompetenten Unternehmen ansässig, und die heimische Wirtschaft wurde mit dem Projekt auch gefördert“, so Willi Tötsch.

GRIZZLY FASST WASSER

Wegen der Höhenlage des Projektgebiets zwischen ca. 1.630 und 1.450 m ü. M. sollte die Bauphase möglichst schnell realisiert werden, um Verzögerungen durch frühen Schneefall, der im Pfitschtal prinzipiell schon ab Oktober möglich ist, zu vermeiden. Anfang August 2019 starteten parallel zum Aushub des Maschinengebäudes die Holzschlägerungen für die Verlegung der Druckrohrleitung. Die Schneise durch den Wald war auch die Voraussetzung, um mit den schweren Baumaschinen zum Standort der Wehranlage zu gelangen. Den kompletten Stahlwasserbau inklusive Hydraulikaggregat sowie Absperrund Regulierorgane lieferte der Südtiroler Branchenexperte Wild Metal GmbH aus der nur 25 km entfernten Gemeinde Ratschings. Für die Ausleitung von 210 l/s sorgt das im Alpenraum mittlerweile mehr als 500­mal eingesetzte Coanda­System GRIZZLY. Beim GRIZZLY handelt es sich um einen von Wild Metal selbst entwickelten und patentierten Schutzrechen für Wasserkraft­ und Trinkwasseranlagen, der sich funktionsbedingt größtenteils selbst reinigt. Der GRIZZLY in der Ausführung „Protec“ besteht im Wesentlichen aus einem massiven feuerverzinkten Stahlgitter zum Schutz vor groben Steinen

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Südtiroler Tiefbau Aichner Richard GmbH Das massive Stahlgitter des GRIZZLYS auf der Oberseite schützt das darunterliegende Feinsieb, von dem das Geschwemmsel weitgehend durch den Wasserstrom automatisch abgespült wird. Foto: zek Foto: Tiefbau Aichner Richard Der Trassenverlauf der Druckrohrleitung erforderte die Herstellung einer Bachunterquerung. Für die professionelle Verlegung des Kraftabstiegs sorgte die Südtiroler Tiefbau Aichner Richard GmbH.

oder Schwemmholz auf der Oberseite und einem darunter angeordneten Feinsieb. Durch den namensgebenden Coanda­Effekt werden feine Partikel und Geschwemmsel durch den Wasserstrom automatisch vom Feinsieb, dessen Spaltmaß beim Kraftwerk Aue 0,6 mm beträgt, abgespült und der Sandeintrag in die Wasserfassung minimiert. Während der kalten Jahreszeit bei stark verringertem Zufluss erfolgt der Wassereinzug durch einen separaten Wintereinlauf neben dem GRIZZLY. Nach der Ausleitung strömt das Triebwasser in den Entsander, in dem durch eine Dotationsöffnung die ganzjährig konstante Restwasserabgabe von mindestens 20 l/s ins Bachbett erfolgt. An das Entsanderbecken angrenzend befindet sich vor dem Beginn der Druckrohrleitung die ebenfalls unterirdische Schieberkammer für das elektrotechnische und hydraulische Equipment der Wasserfassung.

Aufgrund der anspruchsvollen geologischen Bedingungen und des im oberen Trassenverlauf steilen Geländes entschieden sich die Betreiber bei der Materialauswahl des Kraftabstiegs für duktile Gussrohre vom Hersteller Tiroler Rohre GmbH. Die robusten Rohre in der durchgängigen Dimension DN400 kommen auch mit extremen Belastungen bestens zurecht und hinterlassen durch ihre Fertigung aus 100 Prozent Recyclingmaterial in ökologischer Hinsicht einen grünen Fußabdruck. Hinzu kommen die bekannten Vorzüge von duktilen Gussrohren wie Langlebigkeit, hervorragende Festigkeit und optimale Fließbedingungen durch die hochglatte Zementmörtelbeschichtung. In Summe erstreckt sich die in schub­ und zuggesicherter Ausführung verlegte Druckrohrleitung von der Wasserfassung bis zum Eintritt ins Krafthaus über knapp 1 km Länge. Der möglichst linear gewählte

Technische Daten

• Ausbauwassermenge: 210 l/s

• Nettofallhöhe: 179 m

• Druckrohrleitung: ca. 1.000 m

• Material: Duktiler Guss

• Ø: DN400

• Hersteller: Tiroler Rohre GmbH

• Wasserfassung: Coanda-System GRIZZLY

• Hersteller: Wild Metal GmbH

• Turbine: 2-düsige Pelton

• Drehzahl: 1.000 U/min

• Engpassleistung: 332,7 kW

• Hersteller: SORA GmbH

• Generator: Synchron

• Spannung: 400 V

• Nennscheinleistung: 400 kVA

• Hersteller: AEM Dessau GmbH

• Regelarbeitsvermögen: ca. 1,3 GWh

Trassenverlauf orientierte sich in erster Linie an den Geländebedingungen und erforderte die Herstellung einer Gewässerunterquerung.

EFFEKTIVER MASCHINENSATZ

Das zweckmäßig gestaltete Maschinengebäude der Anlage wurde in der Nähe des Pfitscher Bachs errichtet, in den das abgearbeitete Triebwasser durch eine Betonrohrleitung DN500 eingeleitet wird. Zur Stromgewinnung kommt im Krafthaus eine 2­düsige Pelton­Turbine in horizontalachsiger Bauform von der Südtiroler SORA GmbH zum Einsatz. Unter Volllast schafft die auf 210 l/s Ausbauwassermenge und 179 m Nettofallhöhe ausgelegte Maschine 332,7 kW Engpassleistung. Die beiden elektrisch geregelten Pelton­Düsen gewährleisten der Turbine auch bei verringerten Zuflüssen einen effizienten Betrieb über ein breites Teillastspektrum hinweg. Als Energiewandler dient dem Maschinensatz

50 Dezember 2022 Projekte HYDRO
KRAFTABSTIEG AUS DUKTILEN GUSSROHREN Betonbau der Wasserfassung kurz vor der Montage des GRIZZLY. Zwei elektrisch angetriebene Stellmotoren sorgen für die exakte Regelung der beiden Pelton-Düsen. Das Pelton-Laufrad wird mit rund 18 bar Druck angetrieben. Foto: zek Foto: zek Foto: Tötsch

Projekte

ein direkt gekoppelter Synchron­Generator vom deutschen Hersteller AEM Dessau GmbH. Der wassergekühlte Generator dreht wie die Turbine mit exakt 1.000 U/min und wurde auf eine Nennscheinleistung von 400 kVA ausgelegt. Die elektrotechnische Ausstattung der Anlage stammt vom Südtiroler Unternehmen EN­CO, das eng mit dem Turbinenbauer SORA zusammenarbeitet. Der Lieferumfang umfasste das komplette elektround leittechnische Equipment des Kraftwerks inklusive Mittelspannungsanlage und Transformator. Die Steuerung sorgt für den vollautomatischen Betrieb des Kraftwerks und ermöglicht via Online­Anbindung über PC oder Smartphone umfangreiche Fernwirk­ und

Kontrollmöglichkeiten. Ins öffentliche Netz gelangt die erzeugte Energie durch ein neu verlegtes Erdkabel.

MEHR ÖKOSTROM FÜR PFITSCHTAL

Nachdem die meisten Bauarbeiten dank günstiger Witterungsbedingungen noch im Herbst 2019 abgeschlossen wurden folgte in den darauffolgenden Winter­ und Frühlingsmonaten der elektromechanische Ausbau im Krafthaus. „Wir haben die Anlage zwar im Sommer 2020 provisorisch in Betrieb nehmen können, durften aber aus rechtlichen Gründen wegen der noch ausständigen Zusage für die Tarifförderung keinen Strom einspeisen, weil wir ansonsten den Förderungsanspruch verloren hätten“,

erklärt Willi Tötsch. Der Eintrag ins Förderregister erfolgte ca. ein Jahr später und das Kraftwerk ging schließlich im Juli 2021 offiziell ans Netz. „Die gesammelten Erfahrungen seit dem Start des Vollbetriebs sind grundsätzlich positiv. Mit den an der Umsetzung beteiligten Unternehmen und Lieferanten waren wir sehr zufrieden, diese haben vorbildlich zusammengearbeitet und bei unterschiedlichen Problemen stets schnell und kompetent reagiert“, betont Willi Tötsch. Rund 1,4 Millionen Euro investierte die Aue St. Jakob GmbH in die Realisierung ihres Kleinwasserkraftwerks, das mit seinem Regelarbeitsvermögen von ca. 1,3 Millionen kWh die Ökostrombilanz im Pfitschtal weiter verbessert hat.

Dezember 2022 51 HYDRO
Willi Tötsch, Präsident der Betreibergesellschaft Aue St. Jakob GmbH beim zek HYDRO Lokalaugenschein im Pfitschtal. Bei vollem Wasserdargebot erreicht die horizontalachsige Pelton-Turbine mit direkt gekoppeltem Synchron-Generator über 330 kW Engpassleistung. Foto: zek
Foto: zek

GELUNGENE JAHRESTAGUNG VON KLEINWASSERKRAFT ÖSTERREICH IM SALZBURGER LAND

Am 13. und 14. Oktober ging die Jahrestagung des Vereins Kleinwasserkraft Österreich im Ferry Porsche Congress Center im Salzburger Zell am See über die Bühne. Wie gewohnt hatten die Veranstalter hochkarätige Referentinnen und Referenten eingeladen und ein attraktives Rahmenprogramm mit interessanten Exkursionen organisiert. Im Fokus der Vorträge standen Zukunftsthemen wie das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG), Energiegemeinschaften, die Digitalisierung im Energiesektor und die Rolle der Kleinwasserkraft in einem energieunabhängigen Österreich.

Nach der Kärntner Hauptstadt Klagenfurt 2021 fand die heurige Jahrestagung des Vereins Kleinwasserkraft Österreich Mitte Oktober im Bundesland Salzburg statt. Als ideale Örtlichkeit des zweitägigen Branchentreffs diente 2022 das Ferry Porsche Congress Center im schönen Zell am See. Die Organisatoren hatten erneut ein spannendes Programm auf die Beine gestellt und freuten sich über eine Vielzahl von Besucherinnen und Besuchern. Zudem nutzen eine ganze Reihe von führenden Unternehmen aus dem Wasserkraftsektor die Fachveranstaltung zum Präsentieren und Netzwerken. Offiziell eröffnet wurde die Jahrestagung von Vereinspräsident Christoph Wagner sowie der Salzburger Landessprecherin Sophie Uitz, der Vizebürgermeisterin von Zell am See Anneliese Reitsamer und den beiden Salzburger Landtagsabgeordneten Josef Scheinast und Hans Scharfetter. Einen spannenden Einstieg bot Reinhard Steurer mit seinem Vortrag über den aktuellen Stand der Klimakrise bzw. des Klimanotstandes, sowie den Bemühungen, diesem entgegenzuwirken. In der anschließenden Podiumsdiskussion wurde das von Steurer angesprochene Thema des Scheinklimaschutzes von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern aufgegriffen und ausführlich besprochen.

SPANNENDE VORTRÄGE UND EXKURSIONEN

Nach der Mittagspause eröffnete Artur Egger, Geschäftsführer der Hall AG, das Nachmittagsprogramm mit seinem Vortrag über Wandlungserscheinungen der Energiewirtschaft. Daran anschließend stellte der Politik­

wissenschafter Franz Kok von der Universität Salzburg das Praxisbeispiel einer Energiegemeinschaft anhand eines neuen Kleinwasserkraftwerks mit Wasserkraftschnecke am Almkanal in der Stadt Salzburg vor, das 2023 in Betrieb gehen wird. Den nächsten Vortrag mit dem Titel „REPowerEU – Eine Chance für die Kleinwasserkraft“ hielt der Rechtsanwalt Florian Stangl, der darin die potentielle Beschleunigung von Behördenverfahren im Hinblick auf einen Plan der Europäischen Kommission unter die Lupe nahm. Im Anschluss ging es weiter mit dem OeMAG­Workshop und den Exkursionen. Der Workshop fand im Veranstaltungszentrum statt und ermöglichte den Interessierten ihre Fragen zum Thema des Erneuerbaren­Ausbau­Gesetzes (EAG) an die Fachleute der OeMAG zu richten. Beim Exkursionsprogramm standen

mehrere sehenswerte Destinationen zur Auswahl. Für viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer stellte etwa die Besichtigung des Großkraftwerks Kaprun mit dem dazugehörigen Stausee ein Highlight der Jahrestagung dar. Auch die Exkursion zum Trinkwasserkraftwerk Mittersill und dem Speicherkraftwerk Hollersbach war gut besucht. Als dritte Option stand ein Rundgang durch die historische Altstadt von Zell am See mit anschließender Schifffahrt über den Zeller See auf dem Programm. Einen entspannten Ausklang fand der erste Veranstaltungstag schließlich bei einem gemütlichen Abendessen in lockerer Atmosphäre.

GELUNGENER BRANCHENTREFF

Am Freitagvormittag stand der für den Kleinwasserkraftsektor zunehmend an Bedeutung

52 Dezember 2022 Veranstaltung HYDRO
Das Ferry Porsche Congress Center im Salzburger Zell am See war der Mittelpunkt der Kleinwasserkraft Österreich Jahrestagung 2022. Fotos:
zek
Vereinspräsident Christoph Wagner am Podium bei der Eröffnungsrede. Prof. Reinhard Steurer beschäftigte sich im ersten Vortrag der Jahrestagung mit der Klimakrise.

gewinnende Themenkomplex Digitalisierung im Fokus. Im ersten Vortrag behandelte der Siemens Key Accout Manager Thomas Drees die vielfältigen Digitalisierungsoptionen der Branche. Über die Cyberrisiken in der Kleinwasserkraft referierte als nächstes Nikolaus Dürk, Geschäftsführer der X­Net Services GmbH & X­Net Technologies GmbH. Der Area Manager Michael Zellinger vom Kompetenzzentrum BEST erörterte danach die Anwendungsmöglichkeiten von Künstlicher Intelligenz in der Energieversorgung. Anschließend war Markus Matschl, Leiter der

Erneuerbaren Erzeugung bei der Salzburg AG, an der Reihe, der einen Vortrag über Digitalisierung im Betrieb und in der Instandhaltung hielt. Nach der Kaffeepause behandelte der Rechtsanwalt Berthold Lindner unterschiedliche rechtliche Herausforderungen bei Behördenverfahren in der Wasserkraft. Zu regen Diskussionen bei der anschließenden Fragerunde führte der Vortrag vom BOKU­Universitätsdozenten Helmut Mader, der den umstrittenen Leitfaden zu Fischaufstiegshilfen „Woschitz et. al. 2020“ zum Thema machte. Den abschließenden Vortrag mit

dem Titel „Zwischenbericht ÖkoResch“ hielt der Forscher Franz Greimel. Dabei stellte Greimel die ersten Ergebnisse seines mehrjährigen Forschungsprojekts zur Erreichung eines guten ökologischen Zustands in Schwallund Restwasserstrecken im Hochgebirge vor. Eine Rede von Vereinspräsident Christoph Wagner und das gemeinsame Mittagessen bildeten den Ausklang der gelungenen Jahrestagung 2022. Im kommenden Jahr zieht der Branchentreff weiter Richtung Osten und wird in der Bundeshauptstadt Wien stattfinden.

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Dezember 2022 53 HYDRO Veranstaltung
Der Ausstellungsbereich war von den Ständen führender Branchenunternehmen flankiert. Der Erfahrungsaustausch und das Netzwerken zwischen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern waren traditionell wichtige Bestandteile der Jahrestagung.

TRADITIONSKRAFTWERK BRUNNENFELD IN NÖ MIT NEUER GENERATOR-ERREGUNG FIT FÜR DIE ZUKUNFT

Das 1924 erstmals in Betrieb genommene EVN-Kleinwasserkraftwerk Brunnenfeld im südlichen Niederösterreich hat im Frühjahr 2022 ein elektrotechnisches Update erhalten. Dabei wurde das fast 100 Jahre alte Erregungssystem des Synchron-Generators, der beidseitig von zwei Francis-Turbinen angetrieben wird, auf eine statische externe Erregung umgerüstet. Durch den Umbau wurde ein fortwährend störungsfreier Betrieb gewährleistet, da das alte Erregungssystem bereits fortgeschritten sanierungsbedürftig war. Verantwortlich für die Modernisierung war die niederösterreichische SCHUBERT Cleantech GmbH, die bei dem Projekt einmal mehr ihre Kompetenz im Revitalisierungssektor unter Beweis gestellt hat. Das neue digitale System konnte innerhalb kurzer Zeit installiert werden, wodurch sich der Erzeugungsausfall des Kraftwerks auf ein Minimum beschränkte.

Die EVN AG ist der größte Strom- und Wärmeversorger des Bundeslands Niederösterreich und darüber hinaus auch im Ausland aktiv. Bei der Stromerzeugung setzt die evn naturkraft Erzeugungsgesellschaft m.b.H., eine Tochtergesellschaft der EVN AG, auf die erneuerbaren Quellen Sonne, Wind und Wasser. Aktuell betreibt evn naturkraft fünf Speicherkraftwerke und 67 Wasserkraftwerke unterschiedlicher Bauart und Leistungsklassen in Niederösterreich und der Steiermark, mit denen der jährliche Strombedarf von rund 87.000 Haushalten auf nachhaltige Weise abgedeckt wird. Am Kehrbach südlich von Wiener Neustadt erzeugen insgesamt sieben EVN-Kleinwasserkraftwerke sauberen Strom. Beim Kehrbach handelt es sich um einen 16 Kilometer langen Ausleitungskanal des Gewässers Schwarza, der in historischen Aufzeichnungen bereits im 12. Jahrhundert erwähnt wurde. „Der Kehrbach besitzt einen hohen Stellenwert für das Gewässersystem Schwarza – Leitha, weil die Naturstrecken der Gewässer extrem hohe Versickerungsraten aufweisen. Ohne die vergleichsweise dichte Wasserführung im Kehrbach würden in Niederwasserperioden weite Strecken flussabwärts trockenfallen“, erklärt evn naturkraft-Teamleiter Daniel Selb. Eines der ältesten Anlagen am Kehrbach ist das 1924 erstmals in Betrieb genommene Kraftwerk Brunnenfeld. Das Triebwasser der Anlage im Ausmaß von maximal 7 m³/s wird beim Wasserschloss aus dem Kanal entnommen und über eine ca. 1,7 Kilometer lange Druckleitung zum Krafthaus geführt. Im Maschinengebäude

treiben zwei horizontalachsige Francis-Spiral-Turbinen in baugleicher Ausführung einen in der Mitte positionierten Synchron-Generator mit 1.200 kVA Nennscheinleistung über eine gemeinsame Welle an.

ZEIT FÜR E-TECHNIK UPDATE

Anfang 2022 war es für das bald 100 Jahre in Betrieb stehende Kraftwerk mit ca. 950 kW Engpassleistung an der Zeit für eine elektrotechnische Modernisierung, so Daniel Selb: „Im Kern ging es bei dem Projekt um die Erneuerung der Generator-Erregung. An der alten, noch manuell zu bedienenden Erregermaschine waren die Kollektoren bereits stark verschlissen. Die mehrwöchige Reparatur des Erregers wäre mit einem längeren Anlagenstillstand einhergegangen und hätte somit deutliche Erzeugungsverluste bewirkt. Stattdessen wurde der komplette Ersatz durch ein statisches Erregungssystem beschlossen, das innerhalb kurzer Zeit installiert werden konnte.“ Im Rahmen der Ausschreibung wurde der Modernisierungsauftrag im Herbst des Vorjahres der niederösterreichischen SCHUBERT Cleantech GmbH (vormals

54 Dezember 2022 Technik HYDRO
Das bald 100 Jahre alte Wasserkraftwerk Brunnenfeld in Niederösterreich deckt den Jahresstrombedarf von rund 1.400 Haushalten. Im Frühjahr 2022 wurde das Erregungssystem des Synchron-Generators von der SCHUBERT Cleantech GmbH umfassend modernisiert. Foto: EVN

SCHUBERT Elektroanlagen GmbH) erteilt. Die Branchenexperten, die mit der Namensanpassung ihr Engagement im Bereich der erneuerbaren Energien hervorheben, sorgten schon in den 1980er Jahren für die Automatisierung von EVN-Wasserkraftanlagen und konnten beim Kraftwerk Brunnenfeld erneut ihr Know-how bei der Revitalisierung von Altanlagen unter Beweis stellen.

SICHERES SYSTEM

Die wesentliche Herausforderung des Projekts stellte laut SCHUBERT-Projektleiter Andreas Griessler das Aufrechterhalten der Generator-Erregungsleistung für die Gewährleistung der Funktion des Tauchwiderstands dar. Beim Tauchwiderstand handelt es sich um eine vor allem bei älteren Anlagen gängige Sicherheitseinrichtung für den Fall einer Netzstörung. Wenn die Anlage wegen eines akuten Lastabwurfs keine Leistung mehr ins Netz abgeben kann, wird ein Fliehkraftregler ausgelöst und drei Elektroden tauchen in ein Wasserbad. Durch diese Methode der Energievernichtung wird in weiterer Folge die langsame und geregelte Stillsetzung der Maschine eingeleitet. Damit ist sichergestellt, dass kein Druckstoß entsteht und der nicht auf Überdrehzahl ausgelegte Generator be-

schädigt wird. Um eine zuverlässige Bremswirkung zu erzielen, benötigt der Generator ein kontinuierlich erregtes Feld, da die Bremsleistung ansonsten ausfällt bzw. stark geschwächt wird. Die alte Erregermaschine drehte konstruktionsbedingt mit dem Generator mit und hielt somit automatisch die notwendige Spannung und das Erregerfeld aufrecht. „Bei der neuen statischen externen Erregung wird die redundante Spannungsversorgung des Generators durch ein Noterregungssystem mittels 24 V-Batterieanlage gewährleistet. Zum Einsatz kommt die Noterregung bei direkten Störungen am digitalen Erreger, dem Erreger-Trafo oder der SPS-Steuerung“, so Andreas Griessler.

ANLAGE WEITER AUTOMATISIERT

Zur korrekten Auslegung einzelner Komponenten des neuen Systems wurde von SCHUBERT-Technikern Anfang des Jahres eine Versuchsreihe im Krafthaus durchgeführt. Daran anschließend konnte Ende März die praktische Umsetzung erfolgen. „Wie wir es im Vorfeld geplant hatten, wurde das Equipment innerhalb von drei Tagen im Maschinengebäude installiert. Am vierten Tag wurde die Anlage abgestellt und die neue Erregung angeklemmt, bereits am Nachmittag war das

Kraftwerk wieder am Netz, diverse Feinjustierungen wurden am darauffolgenden Tag vorgenommen. Die alte Erregermaschine wurde bewusst nicht entfernt, sondern nur mechanisch entkoppelt. Sollte es jemals notwendig sein, könnte die alte Erregung kurzfristig wieder reaktiviert werden“, sagt Andreas Griessler. Für die komfortable Bedienung des neuen Systems sorgt ein Touchpanel, über das verschiedene Informationen zu Temperaturen oder Systemstörungen sowie Erregungsstromund Spannungsverläufe abgerufen werden können. Die Spannungs- und Blindleistungsregelung des Erregungssystems erfolgt nun komplett automatisiert – bis auf die nach wie vor manuell durchzuführende Netzsynchronisation kann das Traditionskraftwerk nun nahezu vollautomatisch betrieben werden.

„Der Umbau ging wie geplant in kurzer Zeit über die Bühne und hat somit nur einen kurzen Anlagenstillstand notwendig gemacht. Im Hinblick auf die nützlichen Features des modernen Erregungssystems kann man definitiv von einem erfolgreichen Projekt sprechen“, resümiert Daniel Selb und merkt an, dass das Kraftwerk Brunnenfeld mit entsprechender Wartungsfrequenz an der elektromechanischen Ausstattung noch viele Jahrzehnte sauberen Strom am Kehrbach erzeugen kann.

Dezember 2022 55 HYDRO Technik
Innenansicht des neuen statischen Erregungssystems beim Zusammenbau in der SCHUBERT-Zentrale im niederösterreichischen Ober-Grafendorf. Ein Touchpanel an der Schaltschrankfront ermöglicht die komfortable Bedienung des neuen Systems. Der Synchrongenerator in der Mitte der Maschinengruppe wird von zwei Francis-Turbinen angetrieben. Mit dem neuen digitalen Erregungssystem wurde die Stromerzeugung der Traditionsanlage ein Stück weiter automatisiert. Foto: SCHUBERT Foto: SCHUBERT
Foto: SCHUBERT
Foto: SCHUBERT Das Tauchbecken der Anlage sorgt bei einer Netzstörung als Sicherheitseinrichtung für ein bewusst langsames Bremsen der Maschinengruppe.

KRAFTWERK ARNSTEIN – EIN STÜCK ÖSTERREICHISCHE KRAFTWERKSGESCHICHTE

WIRD ERNEUERT

Zwischen Herbst 2020 und Frühjahr 2022 gelang es Österreichs größtem Wasserkraftbetreiber, der Verbund Hydro Power GmbH, mit dem Kraftwerk Arnstein eines seiner ältesten und traditionsreichsten Speicherkraftwerke zu modernisieren. Im Zuge dieses Ertüchtigungsprojekts wurden einerseits die bestehenden drei Francis-Spiralturbinen mit einer Engpassleistung von 30 MW auf zwei neue Turbinen und Generatoren mit je 15 MW umgebaut. Andererseits konnte die komplette Leittechnik inklusive Visualisierung und Schutz erneuert werden. Ein Auftrag, den die Wasserkraftwerksspezialisten der Siemens Energy Austria GmbH aus Salzburg trotz der schwierigen Covid-Situation in diesem Zeitraum optimal meisterten.

Versteckt im malerischen Teigitschgraben im weststeirischen Bezirk Voitsberg liefert das denkmalgeschützte Speicherkraftwerk Arnstein seit circa 100 Jahren sauberen Strom aus Wasserkraft. Errichtet in den 1920er Jahren strahlt die Anlage, immerhin eines der ersten Speicherkraftwerke des Landes, einen nostalgischen Charme aus. Sein Triebwasser bezieht es aus dem rund 500 Meter höher gelegenen Speicher Langmann, der einen Nutzinhalt von 0,32 Mio. m³ aufweist. Mittels einer ca. 26 m hohen Gewichtsstaumauer wird hier die Teigitsch aufgestaut. Durch den mehr als 5 km langen Triebwasserstollen wird das Wasser zum Schieberhaus und von dort mittels zweier historischer, genieteter 690 m langer Druckrohrleitungen zu den Turbinen geführt. Überwacht und ferngesteuert wird die Anlage von der Zentral-

warte in Pernegg und bei Bedarf von der Warte Arnstein aus. Der Kraftwerksbetrieb erfolgt dabei hauptsächlich über einen Fahrplan im Leistungsbetrieb. Die Sollwerte des Fahrplanes werden dabei an die Wartenleitsysteme übertragen. Diese senden die jeweiligen Sollwerte über eine zentrale redundante Wasserwirtschaftskomponente im KW Arnstein und über unterschiedliche Schnittstellen weiter an die Maschinensteuerungen der KW-Gruppe Teigitsch.

SIEMENS ENERGY AUSTRIA GMBH ALS SYSTEMLIEFERANT

Die Großrevision des Traditionskraftwerks nahm ihren Anfang im Herbst 2020. Im Hinblick auf die elektromaschinelle Ausrüstung sollten die drei bestehenden Francis-Spiralturbinen mit horizontaler Welle und einer Engpassleistung von 30 MW ersetzt werden durch zwei moderne Francis-Spiralturbinen und direkt gekoppelte Generatoren, die jeweils auf 15 MW Nennleistung ausgelegt sind. Der dritte Maschinensatz bleibt als „Museumsstück“ dem Kraftwerk und interessierten Besuchern erhalten.

Im Zuge dieser Großrevision wurden für die Erneuerung der prozessnahen Leittechnik der Maschinensätze mit der zugehörigen Allgemeinen Leittechnik sowie der Wasserwirtschaftskomponenten inklusive der Kraftwerksvisualisierung und der Erneuerung des elektrischen Maschinen- und Reserveschutzes sowie der Hilfsbetriebeverteiler die Wasserkraftwerksspezialisten der Siemens Energy Austria GmbH aus Salzburg beauftragt. Dabei wurde durch das Salzburger Kompetenzzentrum für Wasserkraft die bestehende Leittechnik aus dem Jahre 2003, vorwiegend in der Technik AK/SK/AM/AMC/TC/BC 1703 ausgeführt,

HYDRO Technik 56 Dezember 2022
Foto: VERBUND Trotz allen Widrigkeiten durch Corona konnten im Frühjahr dieses Jahres die umfangreichen Sanierungsmaßnahmen am Traditionskraftwerk Arnstein abgeschlossen werden. Neben den Maschinenkomponenten hat man auch die Leittechnik sowie Schutz erneuert und modernisiert. Einmal mehr vertraut die VERBUND AG auf das Know-how von Siemens Energy Austria GmbH aus Salzburg. Das denkmalgeschützte Maschinengebäude des Kraftwerks Arnstein stammt noch aus der ersten Ausbaustufe und nahm erstmals 1925 den Betrieb auf. Foto: VERBUND

Spezialisten vom Salzburger Kompetenzzentrum für Wasserkraft der Siemens Energy Austria GmbH haben die bestehende Leittechnik aus dem Jahre 2003 durch eine neue SICAM A8000 Steuerung in Verbindung mit einer ZENON-Visualisierung ersetzt.

entsprechend ausgebunden und durch eine neue SICAM A8000 Steuerung in Verbindung mit einer ZENON-Visualisierung ersetzt. Die einzelnen Komponenten sind untereinander mit einem KW-Prozess-LAN (Ethernet TCP/IP) verbunden. Die Visualisierung wurde sowohl dezentral auf Vorortbedienstationen (Touchpanels) für die beiden Maschinen als auch auf einem redundanten KW-Überwachungssystem (Industrie PC mit Bildschirmen in der Warte) realisiert.

ALTES KRAFTWERK TRIFFT NEUE TECHNOLOGIE

Das Herzstück der Anlage bilden, als jeweils eigene Komponente ausgeführt, die Funktionsbereiche Maschinensteuerung und Turbinenregler sowie die Allgemeine Leittechnik, die redundanten Wasserwirtschaftskomponenten und die Eigenbedarfsumschaltautomatik (EB-UA). Die eingesetzte SICAM A8000 verfügt über hohe Funktionalität und Flexibilität, was wiederum eine Vielzahl an Kombinationen von Automatisierungs-, Fernwirk- und Kommunikationsaufgaben erlaubt. Ergänzt um die skalierbare Leistungsfähigkeit und verschiedene Redundanzkonfigurationen wird eine optimale Anpassung an die jeweiligen Anforderungen des Prozesses im Wasserkraftsegment erreicht. Vor allem in Hinblick auf die immer größer werdenden Heraus- und Anforderungen an die Cyber Security sowie an das Schnittstellen- und Kommunikationsmanagement ist die A8000 aus der SICAM Familie den anderen eingesetzten Produkten am Wasserkraftmarkt weit voraus.

WASSERKRAFT IN SALZBURG

Im Rahmen der Umsetzung entpuppten sich die Anbindungen der Außenstellen über unterschiedliche Schnittstellen an die redundant aufgebauten Wasserwirtschaftskomponenten für die automatischen Regelfunktionen der Kraftwerksgruppe als besondere Herausforderungen. Auch die Schnittstelle zum Netzbetreiber Energie Steiermark ist in der Komponente Wasserwirtschaft ausgeführt. „Generell musste bei der Umsetzung des neuen Leittechnikkonzeptes auf sämtliche Schnittstellen von verschiedenen Gewerken wie z.B. 6,6 kV Schaltanlage, Transformatoren, Erregung, Notstromdiesel, Schieberhaus, DC-Versorgung, Wechselrichter, etc. geachtet und leittechnisch entsprechend korrekt verarbeitet werden“, so der Projektleiter der Siemens Energy Austria GmbH Christian Ott.

Um die Anlage bestmöglich weiterhin am Netz zu halten und in der Umbauphase dennoch einen maximalen Energieertrag zu erwirtschaften, wurde die Projektumsetzung in vier Umbauphasen unterteilt. Die erste Umbauphase beinhaltete die Erneuerung des ersten Maschinensatzes sowie der allgemeinen Leittechnik, des Kraftwerküberwachungssystems und des Schieberhauses. Die zweite und dritte Umbauphase wurde mit der Ertüchtigung der Eigenbedarfsumschaltung, der Erneuerung des zweiten Maschinensatzes sowie der Ausbindung der Maschine 3

fortgesetzt. Die vierte und letzte Umbauphase schloss das Projekt nach einer circa 1½-jährigen Laufzeit mit der neuen Wasserwirtschaftsregelung ab. Die Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber Verbund Hydropower gestaltete sich von der Projektierung bis zur Fertigstellung und Übergabe der Anlage in höchstem Maße kooperativ, angenehm und vor allem in Zeiten permanenter Belastungen auch menschlich sehr positiv.

ERFOLGSGESCHICHTE AUS SALZBURG

Die Wasserkraftspezialisten der Siemens Energy Austria aus Salzburg konnten mit ihrer Leistung sowie der Flexibilität der Mitarbeiter besonders in Krisenzeiten einen weiteren Kunden in höchstem Maße zufrieden stellen. Das Kraftwerk Arnstein war ein weiteres Beispiel für eine erfolgreiche, nachhaltige Zusammenarbeit zwischen Verbund Hydro Power und Siemens Energy Austria. Die Wasserkraftwerksspezialisten von Siemens Energy Austria GmbH aus Salzburg können auf jahrzehntelange Erfahrung und auf Hunderte erfolgreich umgesetzter Kleinwasserkraftwerke in der ganzen Welt verweisen. Das Unternehmen ist bekannt für seine technologische Kompetenz und das fundierte Know-how für die Errichtung und Modernisierung von Wasserkraftwerken sowie für seinen hervorragenden Service. Als Systemanbieter hat Siemens Energy umfassende Kenntnisse bei der Realisierung schlüsselfertiger Projekte. Der Betreiber profitiert von hoher Profitabilität und Anlagenverfügbarkeit sowie von geringen Betriebskosten.

Die neu eingesetzte SICAM A8000 Steuerung verfügt über hohe Funktionalität und Flexibilität, was wiederum eine Vielzahl an Kombinationen von Automatisierungs-, Fernwirk- und Kommunikationsaufgaben erlaubt.

HYDRO Technik Dezember 2022 57
SIEMENS ENERGY AUSTRIA GMBH MIT DEM KOMPETENZZENTRUM FÜR Foto: VERBUND Foto: VERBUND Foto: Siemens Energy Von den drei bestehenden Francis-Spiralturbinen wurden zwei erneuert. Der dritte Maschinensatz bleibt als „Museumsstück“ im Krafthaus erhalten. Die

ZAHL DER STREAMDIVER INSTALLATIONEN WELTWEIT STEIGT KONTINUIERLICH AN

Seit der Markteinführung ist die Zahl der Installationen kontinuierlich gestiegen, nicht zuletzt, weil sich der StreamDiver kostengünstig in bestehende Dämme und Wehre integrieren lässt. Um diese Integration und komplett neue Projekte weiter zu erleichtern, hat Voith Hydro die Kompaktturbine zu einer ganzen Produktfamilie erweitert. Wasserkraft-Betreibern stehen nun insgesamt sieben Varianten mit einer Leistungsabgabe von circa 50 kW bis 2.000 kW pro Unit zur Verfügung.

Im Jahr 2019 wurde der Unternehmer Appalachian Hydro Associates (AHA) bei einer Messe auf Voith Hydro‘s StreamDiver Modell aufmerksam. Die vielen Vorteile dieser Kompaktturbine sowie die Erfahrung des Unternehmens führten dann auch zur Projektpartnerschaft. An Lock and Dam 14 in Heidelberg, einer ländlichen Gemeinde im

westlichen Lee County, Kentucky, soll ein neues Wasserkraftwerk errichtet werden. Voith Hydro wurde mit der Lieferung von sechs StreamDiver Einheiten für dieses neue Wasserkraftwerk beauftragt, vier mit 642 kW und zwei mit 222 kW installierter Leistung. Fertigung, Zusammenbau und Prüfung der Einheiten wird im Small Hydro Kompetenz-

zentrum in Sankt Georgen, Österreich erfolgen.

DIE GESCHICHTE DES KENTUCKY RIVERS

Der Kentucky River umfasst 14 aktive und geschlossene Schleusen und Dämme zwischen Carollton und Beattyville, Kentucky, USA. Diese wurden zwischen 1836 und 1917

58 Dezember 2022 Technik HYDRO
Foto: Voith Hydro StreamDiver Unit bei der Fertigung in Sankt Georgen, Österreich

gebaut. Zunächst in der Nähe des Ohio River und dann stromaufwärts, um Kohle und Eisen aus dem östlichen Kentucky zu transportieren. Die Staudämme wurden in den letzten Jahren nur zur Wasserversorgung und Erholung genutzt.

Im Mai 2021 vollendeten das Berea College und die Appalachian Hydro Associates an Lock 12 dann das erste Kleinwasserkraftprojekt in Kentucky seit fast 100 Jahren.

30 PROZENT MEHR ENERGIE

Die Voith Hydro Experten haben – im Vergleich zum ersten Projekt – ein neues Designkonzept entwickelt, mit dem 30 Prozent mehr Energie erzeugt werden kann. Durch die Umstellung der Turbinenmontage von vertikal auf horizontal wird auch der Betonbedarf um 2/3 reduziert. Das neue Wasserkraftwerk wird in der bestehenden Schleusenkammer untergebracht. Dank der enormen Flexibilität des Systems kann die Technik ohne großen Aufwand auch in bestehende Kraftwerke und Wehre integriert werden und bietet gleichzeitig wegen seiner komplett öl- und fettfreien Kraftwerkstechnologie ein Höchstmaß an ökologischer Verträglichkeit.

STROMERZEUGUNG FÜR GUTEN ZWECK

Wenn das Projekt abgeschlossen ist, wird der Stromverbrauch des Berea College mehr als vollständig durch Wasserkraft ausgeglichen werden, womit die Verpflichtung des Colleges zu ökologischer Nachhaltigkeit erfüllt wird. Darüber hinaus werden die Einnahmen aus dem Projekt dazu beitragen, die Mission von Berea zu unterstützen, Schüler mit begrenzten finanziellen Mitteln auszubilden.

WELTWEIT INSTALLIERTE ANLAGEN

Durch die Reduktion aufwändiger Technik konnte gleichzeitig eine kompakte Baugröße und eine äußerst wartungsfreundliche und robuste Maschineneinheit konzipiert werden, die sich in den letzten Jahren Schritt für Schritt auf dem globalen Wasserkraftmarkt mit weltweiten Referenzen etabliert hat. Heute beweisen Anlagen von Österreich bis Indonesien, von Schweden bis Brasilien die Effizienz dieses Ansatzes.

PROJEKT NOGUEIRA

Vor einiger Zeit hat der brasilianische Spezialist für Kleinwasserkraftwerke Energias Renováveis MAZP Brasiliens erstes StreamDiver Kraftwerk in Betrieb genommen. Das auf umweltfreundliche Kleinwasserkraftwerke spezialisierte Unternehmen entdeckte im Bundesstaat Parana ein natürliches Gefälle, welches durch die stabile Wasserversorgung aufgefallen ist. Die Suche nach einer technischen Lösung,

die sowohl ökologische als auch ökonomische Bedürfnisse abdeckt, begann. Die Antwort: Der StreamDiver von Voith Hydro. In weniger als einem Jahr wurden die sieben Turbinen in Österreich gefertigt, montiert und vorab getestet, bevor sie den Weg ins Kraftwerk nach Brasilien fanden. Der Vorteil der Technologie liegt unter anderem in der Kompaktheit und dem vergleichsweise geringen Gewicht der Geräte.

PROJEKT SOUTH BEND

Im Rahmen dieses Projekts lieferte Voith Hydro 10 StreamDiver-Turbinen-Generatoren Einheiten und die dazugehörige Steuerungstechnik, die jeweils 250 kW sauberen und erneuerbaren Strom produzieren können, an den Campus Notre Dame. Die Anlagen wurden direkt in einem Park im bewohnten Gebiet installiert.

Voith Hydro erhielt den Procurement Partner Sustainability Award von der University of Notre Dame für die Innovationen, Produkte und Dienstleistungen, die zum Hydro-Projekt der Universität beigetragen wurden.

Paul Kempf, Assistant Vice President for Utilities and Maintenance, University of Notre Dame: „Die StreamDiver-Einheiten ermöglichen eine jährliche CO2-Reduktion von 10.000 Tonnen, was erheblich ist.“

STREAMDIVER IN EINEM STOLLEN

In einem Kraftwerk in Südtirol, Italien, werden drei Peltonturbinen aus einem Stausee gespeist und erzeugen je 30 MW Leistung. Das Kraftwerk ist im Besitz eines Familienun-

ternehmens, welches in der Entwicklung, Umsetzung und im Betrieb von Wasserkraftanlagen tätig ist. Einer der Zuflüsse ist ein natürliches Gefälle in einem Stollen. Das Unternehmen suchte nach einer geeigneten Lösung, um dieses Gefälle ebenfalls nutzbar zu machen. Voith Hydro‘s Experten boten nach genauer Begutachtung und Analyse die StreamDiver Lösung an. Die Turbinen werden in einem Stollen eingebaut, und sollen bereits ab Februar 2024 Strom erzeugen. Zusätzlich wird die elektrotechnische Ausrüstung vom Voith Tochterunternehmen Sintaksa direkt mitgeliefert.

VORTEILE DES STREAMDIVERS

• Unter Wasser installiert, geräuscharm

• Senkung der Baukosten durch innovative Anlagenlayouts

• Flexible und einfache Integration in bestehende Wehre und Dämme

• Wassergeschmierter Antriebsstrang

• Lange und vereinfachte Serviceintervalle, minimierter Wartungsaufwand

• Umweltfreundlich durch ölfreien Betrieb

Mehr dazu unter: www.voith.com/streamdiver

HYDRO Technik Dezember 2022 59
Foto: BRAUN Grafik: Voith Hydro StreamDiver: kompakt, flexibel, wartungsarm und umweltfreundlich

INTERALPINE ENERGIE- UND UMWELTTAGE MALS 2022 WASSERKRAFT – QUO VADIS?

Unter dem Titel „Wasserkraft – Quo Vadis“ gingen im Südtiroler Mals am 27. und 28. Oktober die branchenbekannten Interalpinen Energie- und Umwelttage über die Bühne. Unter der Ägide des IBI-Euregio Kompetenzzentrums spürte man in diesem Jahr der Frage nach: Wie ist es um das Innovationspotenzial der Wasserkraft bestellt? Hochkarätige Referenten und das entspannte Umfeld in einem überschaubaren Rahmen machten die Veranstaltung einmal mehr zu einem thematischen Branchen-Highlight 2022.

Zu einer echten Institution am Kalender der Wasserkraft-Interessierten sind die Interalpinen Energie- und Umwelttage geworden, die auch in diesem Jahr wieder in der sonnenreichsten Gemeinde Südtirols, im Vinschgauer Mals, stattfanden. Politiker, Branchenvertreter, Energieexperten und Interessierte hatten sich am 27. Oktober im Malser Kulturhaus eingefunden, um sich den brisanten Themen der erneuerbaren Energien im Allgemeinen und natürlich der Wasserkraft im Speziellen zu stellen, sich auszutauschen und neue Kontakte zu knüpfen.

Die Wasserkraft gilt als die bei Weitem älteste Form der Nutzung erneuerbarer Energien. Dennoch sind sich Fachleute dahingehend einig, dass im Hinblick auf die EU-Klimaschutzziele auch im Alpenraum noch ein erhebliches Ausbaupotenzial zu heben wäre. Was es dafür braucht und wie man es am besten erschließen könnte, war eines der zentralen Themen der Veranstaltung. In der Fach-

diskussion setzten sich die Experten und Expertinnen, gemeinsam mit dem Auditorium, mit der Frage auseinander, ob die alte Technologie Wasserkraft denn überhaupt noch innovativ sein könne.

INNOVATIONSPOTENTIAL AUSGELOTET

Zu diesen Aspekten vermittelten international bekannte Branchenexperten aus Wissenschaft und Praxis spannende Perspektiven auf neue Entwicklungen und Möglichkeiten, die sowohl das Klima als auch die ökologischen Auswirkungen berücksichtigten. Mit dabei waren in diesem Jahr: Anton Schleiss (em. Univ.-Prof. ETH Lausanne), Thomas Schleker (Policy Officer Europäische Kommission), Jeffrey Tuhtan (Uni Tallin), Magdalen-

Neuhauser (Hydro Analytics, ANDRITZ Hydro AG), Emil Bieri (Axpo Power AG) –um nur einige zu nennen.

Walter Gostner von Patscheider & Partner GmbH Mals, Verwaltungsrat des IBI-Euregio Kompetenzzentrums und Mitorganisator der Fachtagung zeigt sich äußert zufrieden: „Das überaus aktuelle Thema hat auch bei dieser fünften Auflage für einen voll besetzen Saal, viele Fachexperten und einen spannenden Austausch gesorgt. Wir als Organisatoren sind mit dem Verlauf überaus zufrieden. Die Wasserkraft ist eine notwendige und nachhaltige Energiequelle, die absolutes Innovationspotential hat. Mit dieser Veranstaltung haben wir wieder neue Erkenntnisse gewonnen und sind umso mehr überzeugt, dass durch Netzwerke und die Einbindung der Bevölkerung, zukunftsträchtige und sinnvolle Projekte umgesetzt werden können.“ Die Tagung wurde in bewährter Manier von Patscheider & Partner GmbH, der Anwaltskanzlei GEISSELER LAW, dem IBI-Euregio-Kompetenzzentrum, der TIQU – Tiroler Qualitätszentrum für Umwelt, Bau und Rohstoffe sowie dem Südtiroler Energieverband SEV organisiert. Für sie alle ist die Verbindung von Theorie und Praxis grundlegend. Den Abschluss der Interalpinen Energie- und Umwelttage Mals 2022 bildete ein Exkursionstag mit Besichtigung der im Jahre 2022 in Betrieb gegangenen Kraftwerke Konfall in Schluderns und Suldenbach in Prad.

60 Dezember 2022 Veranstaltung HYDRO
Foto: IBI Foto: IBI Walter Gostner (Patscheider & Partner GmbH.), Bettina Geisseler (GEISSELER LAW), Rudi Rienzner (Südtiroler Energieverband SEV), Anton Schleiss (Ecole polytechnique fédérale, Lausanne), Alexander Speckle (zuk. Vorstandsdirektor TIWAG), Dietmar Thomaseth (GF TIQU-Tiroler Qualitätszentrum für Umwelt, Bau und Rohstoffe) (v.l.) Auch in diesem Jahr lockten die Interalpinen Energie- und Umwelttage ein zahlreiches Fachpublikum ins Südtiroler Mals.

ERFOLGREICHE ENTWICKLUNG DER NEUEN FISCHFREUNDLICHEN JANK-TURBINE

Mit dem Ausbau der Wasserkraft vor 120 Jahren wurden bereits die ersten kritischen Stimmen zur Fischschädigung an Wasserkraftwerken laut. Aktuell gibt es wohl keine Wasserkraftwerksprojekte, bei denen der Fischschutz nicht zumindest ein Thema ist. Daher ist bei neuen Entwicklungen im Bereich der Wasserkraft diesen Anforderungen Rechnung zu tragen.

Auch wenn in den Broschüren der Hersteller meist von fischfreundlichen Turbinen die Rede ist, muss insgesamt festgestellt werden, dass die derzeitig untersuchten Wasserkraftmaschinen mehr Schadensbegrenzung als Fischfreundlichkeit betreiben. Betroffen sind praktisch alle bekannten Wasserkraftmaschinen mehr oder weniger stark: Turbinen, Wasserkraftschnecken, Wasserräder usw. Fakt ist, dass Fische an Wasserkraftwerken geschädigt werden. Eingriffe der Menschheit in die Natur bleiben eben auch niemals folgenlos.

FISCHSCHUTZ AN WASSERKRAFTWERKEN

Fischschutz an Wasserkraftanlagen erfolgt derzeit hauptsächlich mit zwei Methoden: Barrieren verhindern einerseits das Einschwimmen von Fischen und verhindern so einen Durchgang durch die Turbinen und vermeiden an dieser Stelle eine Schädigung derselben. Mit der Erfindung des Horizontalrechenreinigers für die Wasserkraft durch die Firma Jank vor rund 35 Jahren konnte sich ein System etablieren, das einen Großteil der Fische am Anschwimmen zu den Turbinen hindert. In Deutschland ist daher auch mittlerweile der Name Fischschutzrechen ein Synonym für dieses System. Fische, die durch die Barrieren gelangen, werden durch den Einsatz fischfreundlicher Turbinen möglichst ohne Schädigung durch die Wasserkraftanlage geleitet. In letzter Zeit konnten durch Optimierungen an bestehenden Turbinentypen Verbesserungen erzielt werden. Jank Hydropower hat sich entschlossen einen gänzlich neuen Turbinentyp zu entwickeln.

ZIELE FÜR EINE FISCHFREUNDLICHE TURBINE

Es liegt nun auf der Hand, eine Wasserkraftmaschine zu entwickeln, die möglichst fischschonend ist. Dennoch darf auf keinen Fall die Wirtschaftlichkeit einer Anlage außer Acht gelassen werden. Die aktuelle Energie­

Fotos & Grafiken: Jank

krise und die damit verbundene Strompreisentwicklung erfordert es geradezu, jedes vorhandene Potential am Kraftwerksstandort zu verwerten. Die Wirtschaftlichkeit ist eng mit der Zuverlässigkeit und den Wirkungsgraden einer Anlage verknüpft. Hohe Wirkungsgrade, vergleichsweise niedrige Betriebskosten und Verlässlichkeit für viele Jahrzehnte ist man in der Wasserkraft gewohnt. Als Zielvorgabe wurde festgelegt, dass die Turbine für Fallhöhen von 1­15m zum Einsatz kommen kann, sowie möglichst einfach und optimal für Kleinwasserkraftwerke geeignet sein soll. Die Eigenschaften der Turbine, wie Wirkungsgrad und Kavitationsanfälligkeit, sollten daher nach den höchsten technischen Standards, der Modellversuchsnorm IEC 60193, ermittelt und geprüft werden.

VERMEIDUNG VON FISCHSCHÄDIGUNGEN IN WASSERKRAFTMASCHINEN

Die Schädigung von Fischen beim Durchgang durch Wasserkraftmaschinen erfolgt

meist durch Kollision mit der Beschaufelung, Verletzung an scharfen Kanten und Spalten oder durch schnelle Druckänderungen, Scherkräfte und Turbulenzen. Daher galt es nun, die Schädigung aufgrund dieser bekannten Einflüsse zu minimieren.

VON DER IDEE ZUM

MODELL

Nach einer umfangreichen Recherche und einem ausgiebigen Ideenfindungsprozess konnte ein System gefunden werden, das die oben beschriebenen Erwartungen möglichst gut erfüllt. Es ist bekannt, dass im Bereich der Niederdruckanlagen die Axialturbinen wie z.B. Kaplan­ und Rohrturbinen die höchsten Wirkungsgrade liefern. Durch ein schrittweises Reduzieren der Beschaufelung auf ein notwendiges Minimum konnte zuerst die Kollisionswahrscheinlichkeit gesenkt werden: Es entstand ein Turbinentyp mit lediglich einem verstellbaren Propellerlaufrad ohne jegliche Leitschaufeln. Die Regelung des Durchflusses kann nur über das Laufrad erfolgen.

Dezember 2022 61 HYDRO Technik
Zur Minimierung der Verletzungswahrscheinlichkeit werden weder Stütz- noch Leitschaufeln verbaut. Die oberösterreichische Jank GmbH ist in der Kleinwasserkraftbranche für ihre innovativen Lösungen bekannt. Zu den jüngsten Entwicklungen der Wasserkraftallrounder zählt die fischfreundliche Jank-Turbine.

Hinsichtlich des Verletzungsrisikos am Laufrad gibt es Erfahrungswerte von Kaplanturbinen. Durch eine entsprechende Konstruktionsweise mit einem vollkugeligen Laufradring und einer vollkugeligen Laufradnabe werden Spalträume zwischen drehenden und stehenden Komponenten vermieden. Die Verminderung von hohen Druckdifferenzen, Scherkräften und Turbulenzen erfolgt durch exzessive Optimierung mit Strömungssimulation (CFD). Hier ist zu erwähnen, dass ein optimales Druckfeld in einer Turbine nicht nur fischschonend ist, sondern auch hohe Wirkungsgrade beschert. Am Ende der umfangreichen Simulationsarbeit und Optimierung lag ein vielversprechendes Design vor.

MESSUNG UND KONTROLLE DER WIRKUNGSGRADE

Der Goldstandard für die Überprüfung und Kontrolle von Wirkungsgraden, Kavitationsverhalten und Einsatzparameter von Wasserturbinen ist ein Modellversuch nach IEC 60193. Hierzu wurde ein vollständig maßstabgerechtes Turbinenmodell mit einem Laufraddurchmesser von 340mm angefertigt und am Turbinenprüfstand der TU München installiert und geprüft. Mit zahlreichen Versuchen wurde das Modell umfangreich vermessen und die optimalen Betriebsbereiche gefunden. Die ermittelten Kennwerte können problemlos für

größere Anlagen in die Praxis umgelegt werden. Hierzu gibt es umfangreiche Erfahrung.

VERGLEICH MIT ETABLIERTEN TURBINENTYPEN

Die spannende Frage vor Beginn der Modellversuche war, ob sich die vielversprechenden Werte aus der vorgenommenen Simulation auch wirklich in den Ergebnissen des bereits sehr praxisnahen Versuches widerspiegeln werden. Nach Auswertung der Versuchsdaten konnte festgestellt werden, dass die erzielten Wirkungsgrade äußerst gut mit den Werten aus der Simulation zusammenpassten. Viel wichtiger war jedoch die erfreuliche Erkenntnis, dass der Spitzenwirkungsgrad und der Wirkungsradverlauf im Bereich aktueller Kaplanturbinen liegen.

PRÜFUNG DER PRAXISTAUGLICHKEIT

Neue Entwicklungen bei Jank müssen sich erst in der Praxis bewähren, bevor sie bei Kundenprojekten eingesetzt werden. Der Platzbedarf der Turbine entspricht dem einer aktuellen Kaplanturbine. Der erste Prototyp wurde daher in einem eigenen Kraftwerksprojekt in St. Pölten installiert und im Mai 2022 in Betrieb genommen, worüber auch zek HYDRO in ihrer Juni­Ausgabe 2022 berichtet hat. Die Anlage liefert bei einer Fallhöhe von 2,7m und einer Wassermenge von 5m³/s eine Leistung von 120kW elektrisch. Ende Mai 2022 wurden umfangreiche Abnahmeprüfungen nach IEC 62006 durchgeführt und alle Erwartungen aus der Entwicklung wurden erfüllt. Die Anlage läuft seit der Inbetriebnahme ohne Störung im Dauerbetrieb.

62 Dezember 2022 Technik HYDRO
Maßstabsgetreues Modell der Turbine am Prüfstand der TU München. Die Vermeidung von Spalträumen sowie die Verminderung von hohen Druckdifferenzen, Scherkräften und Turbulenzen stand im Mittelpunkt der Entwicklung. Wirkungsgradvergleich mit etablierten Turbinentypen nach Raabe Beim Jank-Eigenkraftwerk in Niederösterreich wurde die fischfreundliche Jank-Turbine erstmals in der Praxis erprobt.

VORTEILE GEGENÜBER ANDEREN WASSERKRAFTMASCHINEN

Im Vergleich zu Wasserkraftschnecken und Wasserrädern besticht die neue Turbine durch einen deutlich besseren Wirkungsgrad. Eine höhere Drehzahl ermöglicht meist einen Direktantrieb des Generators und vermeidet daher die Nachteile von Getrieben. Das einzig bewegliche Bauteil der Turbine ist das Laufrad. Dadurch lässt sich die Turbine günstiger als die meisten anderen Wasserkraftmaschinen herstellen. Zu verstellbaren Propellerlaufrädern liegen durch die Kaplanturbinen knapp 100 Jahre Erfahrungen vor. Hier kann also auf erprobte Technik zurückgegriffen werden. Ein weiterer Vorteil des Modells ist die einfache Regulierbarkeit im Vergleich zu einer klassischen Kaplanturbine. Es muss lediglich das Laufrad verstellt werden. So kann es zu keinem Wirkungsgradverlust aufgrund fehlerhaftem Leit­/Laufradzusammenhang kommen. Zurzeit laufen ebenfalls Versuche zur Ermittlung der Verschmutzungsanfälligkeit des neuen Turbinenmodells. Durch den Wegfall von Stützschaufel und Leitapparat gibt es an dieser Stelle keine Einbußen mehr durch Schwemmgut und es ist wahrscheinlich, dass das neue Turbinenmodell in der Praxis dadurch eine noch höhere Jahreserzeugung als andere Turbinentypen aufweist.

FAZIT

Es konnte eine fischschonende Turbine entwickelt werden, die zudem in wirtschaftlicher Hinsicht absolut wettbewerbsfähig zu den etablierten Turbinentypen ist. Durch bewährte Technik gibt es geringe Risiken bei der Installation und im Betrieb. Die ersten Kundenanlagen sind bereits in der Montage und gehen demnächst in Betrieb.

Dezember 2022 63 HYDRO
Technik
High-End-Design
in Perfektion www.jank.net
Bald werden die fischfreundlichen Turbinen auch bei Jank-Kundenanlagen sauberen Strom produzieren.
Turbinenbau
Autor: Jank-Konstruktionsleiter Dipl.-Ing. (FH) Siegi Jank MSc. / E-Mail: siegi@jank.net

D-SEDIMENT UND HÜLSKENS SEDIMENTS GEHEN ALS SIEGER

BEI US-WETTBEWERB HERVOR

D-Sediment und Hülskens Sediments haben sich gegenüber 77 weiteren Bewerbern im der „Guardians of the Reservoir Challenge“ durchgesetzt. Die beiden kooperierenden Umwelttechnikunternehmen haben gemeinsam einen der wichtigsten Technologie-Wettbewerbe der vergangenen Jahrzehnte im Wasserbereich gewonnen. Die „Guardians of the Reservoir Challenge“ war von den beiden bedeutendsten U.S.-Staudammbetreibern, dem „Bureau of Reclamation“ und dem „U.S. Army Corps of Engineers“ ausgerufen worden, um die massiven Sedimentationsprobleme in den USA zu lösen.

Beide großen Betreiber hatten einen Innovationswettbewerb gestartet, um die zunehmende Verlandung ihrer Stauseen aufzuhalten und wichtiges Speichervolumen zurückzugewinnen. Eine entsprechende Technologie wird gerade vor dem Hintergrund des Klimawandels und der Bevölkerungsentwicklung immer wichtiger. Unter ursprünglich 77 Bewerbungen hatten sich D-Sediment und Hülskens Sendiments in einem dreistufigen, über zwei Jahre andauernden Auswahlverfahren einschließlich praktischer Demonstrationen am Ende mit großem technischen Vorsprung durchgesetzt.

Die Jury, die sich aus maßgeblichen Betreibern von Stauseen und Wasserkraftanlagen sowie aus Umwelt- und Sedimentationsexperten zusammensetzte, zeigte sich von der entwickelten Technologie beeindruckt.

Ein wesentlicher Grund für den Erfolg liegt in der Vielseitigkeit der Lösung, der hohen Wirtschaftlichkeit für Betreiber und den inzwischen weit entwickelten technischen Stand. Kern des neu entwickelten Verfahrens ist ein „autonomes Dredging“, das vollautomatisiert Sediment im Stausee aufnimmt und weiterfördert. Das aufgenommene Sedi-

ment wird entweder im Sinne einer ökologischen Sedimentdurchgängigkeit durch die Turbinen oder direkt ins Unterwasser geführt, so dass Sediment dort wieder in naturnahen Mengen vorhanden ist. Die entwickelte Technik passt Art und Menge des Sedimenttransfers an den jeweiligen Abfluss des Gewässers an. Damit wird die passende Menge je nach Wasserdargebot vom Fluss weitertransportiert.

Die Betriebsdaten werden fortlaufend in einer Cloud gespeichert. Damit ist das Verfahren für Betreiber und Behörden transparent.

SCHUTZ DER GEWÄSSER VOR ERROSION

Dr. Michael Detering, Inhaber von D-Sediment: „Die World Commission on Dams schätzt, dass bereits 2050 ein Viertel aller Stauseen weltweit nicht mehr betriebsfähig sein wird und viele weitere in ihrer Funktion deutlich eingeschränkt sein werden. Gleichzeitig wächst der Bedarf Wasser zu speichern

immer weiter an. Dies gilt nicht nur für die Bereitstellung von Wasser, sondern umgekehrt auch für den Hochwasserschutz. Die Verlandung von Stauseen hat dabei noch eine andere verhängnisvolle Wirkung und zwar, dass unterhalb der Stauseen das natürlicherweise transportierte Sediment fehlt. Die nachfolgenden Gewässer erodieren, fast jeder große Fluss hat inzwischen ein dramatisches Sedimentdefizit. Der Mangel an Sediment in allen Korngrößen geht bis in die Ozeane hinein, so dass selbst der Küstenschutz betroffen ist. Mit unserem Verfahren lösen wir dieses Umweltproblem.“

Wo eine Weitergabe an das anschließende Gewässer nicht möglich ist, kann das Sediment zur weiteren Behandlung auch kontrolliert an Land gefördert werden. Das Verfahren ist auch hierbei regelbar, kann mit einem Sedimenttransfer und sogar mit konventioneller Bagger- und Aufbereitungstechnik gekoppelt werden.

HYDRO Technik 64 Dezember 2022
Fotos: D-Sediment/ Hülskens Funktionsbeschreibung: Die innovativen Lösungen von D-Sediment und Hülskens Sediments ermöglichen einen kontinuierlichen Sedimenttransfer zur Wiederherstellung der Sedimentdurchgängigkeit.

Thomas Groß, Geschäftsführer von Hülskens Sediments: „Dabei können wir die Technik fast beliebig in der Größe skalieren und darüber hinaus arbeiten die Geräte erstaunlich leise und gleichmäßig. Durch die Automatisierung sind wir außerdem wesentlich wirtschaftlicher als mit konventionellen Nassbaggern oder anderen Verfahren.“

Michael Detering: „Im nächsten Schritt schauen wir, mit welchen Partnern und potenziellen Investoren wir in die weitere Umsetzung gehen und wo wir in den USA eine technische Basis errichten.“ Die Entwicklungen gehen aber bereits jetzt weiter. Zusammen mit der TH Köln hat D-Sediment ein Verfahren aufgesetzt, mit dem Methanemissionen aus

Stauseen während des Sedimenttransfers aufgefangen und genutzt werden. Auf diese Weise wird mit der Sediment-Lösung auch ein Großteil der Klimawirkung von Stauseen gleich mit kompensiert.

Für die bisherige Entwicklung und auch die „Methan-Ernte“ liegen erteilte Patente sowie weitere Patentanmeldungen vor.

Der Wettbewerbsbeitrag ist online unter:

Thomas Groß . Geschäftsführer (CEO)

Hülskens Sediments GmbH

Hafenstraße 3, 46483 Wesel, Germany

Tel.: +49 281 204-218 E-Mail: thomas.gross@huelskens.de Web: www.huelskens-sediments.de

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Sustainable Sediment Management for Reservoirs WE CLEAN NATURALLY sediments@huelskens.de | www.huelskens-sediments.com In ongoing operations According to the EC WFD Low investment and operating costs Continuous (24/7) sediment transport from top to tailwater No landfill and downtime costs WINNER OF THE GUARDIANS OF THE RESERVOIR CHALLENGE 2022 Ansprechpartner: Dr. Michael Detering . Generalbevollmächtigter Gesellschafter
Sediments GmbH / D-Sediment GmbH
59368 Werne, Germany
+49 177 8531100, Tel.: +49 2389 927671
michael.detering@huelskens.de . m.detering@d-sediment.com Web: www.huelskens-sediments.de . www.d-sediment.com
Hülskens
Weberstr. 10,
Mobil:
E-Mail:

KORROSIONSSCHUTZ FÜR DEN HOCHWASSERSCHUTZ KOMPLETTSANIERUNG DER WEHRANLAGE 1

– NEUE DONAU

Stahlwasserbauten sind extremen Bedingungen ausgesetzt, vor allem der ständigen Belastung durch Wasser und Atmosphäre. Da diese Bauten wichtige Sicherheitsfunktionen für die Infrastruktur und den öffentlichen Raum erfüllen, hat ihre Standsicherheit und ihr Schutz besonders hohe Priorität. Das Entlastungsgerinne an der Neuen Donau in Wien beispielsweise wurde vor vielen Jahren zum Schutz der Stadt vor Hochwasser errichtet. Dank der Sanierung mit einem optimal abgestimmten Korrosionsschutzsystem ist das Wehr für viele Jahre geschützt und das Entlastungsgerinne für die nächsten Jahrzehnte für die Sicherheit im Einsatz.

Die so genannte „Neue Donau“ in Wien ist ein künstlich geschaffenes Entlastungsgewässer für den Hochwasserschutz. Dieses rund 20 km lange Gerinne bietet abgesehen vom Hochwasserschutz viele weitere Vorteile. Es wurde eine bessere Verbindung der beiden Stadteile links und rechts des Donauufers geschaffen. Der Grundwasserhaushalt im Bereich der Alten Donau und der Lobau konnte positiv beeinflusst werden und nicht zuletzt: Die bekannte und beliebte Donauinsel wurde als weitläufiges Erholungsgebiet neu geschaffen. Im Falle eines Hochwassers kommen die Wehranlagen im Entlastungsgerinne zum Einsatz. Sie werden bei Hochwasser geöffnet und entlasten den Hauptstrom, sodass es zu keinen Überschwemmungen kommen kann. Die Beschichtung des Wehr 1 musste kürzlich zur Aufrechterhaltung seiner Funktion saniert werden. Die Gemeinde Wien hat die KBB/MEISSL Oberflächentechnik Produktions GmbH mit der Komplettsanierung des Wehrs beauftragt, und das Projekt wurde von Juli bis November 2020 erfolgreich umgesetzt.

NEUSANIERUNG VON 9.000 M2 MIT HÖCHSTER KOMPLEXITÄT

Für die Sanierung wurde das Wehr 1 zunächst komplett eingehaust. Die Altbeschichtung wurde durch Strahlentrostung entfernt. Durch eine luftdichte Einhausung der einzelnen Wehrsegmente konnten Luft- und Wasserverunreinigun-

gen vermieden werden. Die Gesamtkonstruktion des Wehr 1 ist äußerst umfangreich und komplex. Sie besteht aus 5 Wehröffnungen mit je 24 Metern Breite, 5 Wehrfelder getrennt durch 20 Pfeiler mit je 4 Metern Breite, Segmentschützen mit einer Verschlusshöhe von rund 6 Metern und einer Haubenbreite von rund 4 Metern. Dementsprechend aufwändig und schwierig gestaltete sich die Sanierung. Insgesamt wurden 9.000 m² Stahlfläche mit einem speziellen Korrosionsschutzsystem komplett saniert. Wichtig war der Gemeinde Wien ein durch die Bundesanstalt für Wasserbau (BAW - Deutschland) geprüftes Korrosionsschutzsystem, um einen besonders langlebigen Schutz für die Wehranlage gewährleisten zu können.

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Das Wehr 1 mit 5 Wehrfeldern wurde für den Hochwasserschutz installiert und hat eine Länge von 24 Metern. Bei den umfangreichen Revisionsarbeiten an der Neuen Donau in Wien wurde der Korrosionsschutz der Wehranlage 1 wieder für viele Jahre sichergestellt.

Die ausführende Korrosionsschutzfirma hat dieses Sanierungsprojekt mit einem hochwertigen High-Solid Korrosionsschutzsystem des österreichischen Industrielackspezialisten Rembrandtin Coatings GmbH ausgeführt. Mit einer Gesamtschichtdicke von 500 μm liefert das Korrosionsschutzsystem eine neue Standzeit von rund 40 Jahren. Das Remoplast Mehrschichtsystem hat eine Tropfzeit von rund 100 Minuten und gewährleistet eine einfache Verarbeitung. Darüber hinaus ist der Auftrag von hohen Nassschichtdicken von bis zu 600 μm in einer Schicht möglich.

Aufgrund der großen Fläche wurde die Deckbeschichtung im Farbtonwechsel (grau, schwarz) schichtweise aufgetragen, um sicherzustellen, dass alle Flächen richtig beschichtet wurden. Die Beschichtung eignet sich auch für den Auftrag auf besonders komplexen Objekten, wie es hier der Fall war. „Hänger“ und „Läufer“ treten aufgrund der besonderen Lackeigenschaften nicht auf.

WERTE SCHÜTZEN – ZUKUNFT SICHERN: KORROSIONSSCHUTZ VON REMBRANDTIN

Rembrandtin sagt Korrosion den Kampf an, sowohl bei neuen Konstruktionen als auch bei der Renovierung bestehender Objekte. Die Korrosionsschutzlacke des Beschichtungsexperten schützen, was viele Jahre überdauern soll. Die Beschichtungssysteme sollen auch zukünftigen Anforderungen entsprechen und werden daher laufend weiterentwickelt. Umweltfreundlichkeit und Nachhaltigkeit spielen dabei eine zentrale Rolle. Die Beschichtungssysteme basieren auf den hohen Qualitätsstandards der EN ISO 12944 – „Korrosionsschutz von Stahl durch Beschichtungssysteme“.

Weitere Infos unter. www.rembrandtin.com

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LANGLEBIGE STANDZEITEN DER SANIERTEN WEHRANLAGE
www.rembrandtin.com Rembrandtin Coatings GmbH T: +43(0)1 277 02-0| E: office@rembrandtin.com Member of KANSAI HELIOS. Part of KANSAI PAINT. SPEZIALBESCHICHTUNGEN FÜR DEN STAHLWASSERBAU • Exzellenter Korrosionsschutz • Einfache Verarbeitung • Reduzierter VOC-Gehalt • BAW-geprüfte Systeme Aufgrund der hohen Belastungen durch äußere Einflüsse ist die Materialbeschaffenheit der Stahlwasserbaukomponenten an der Neuen Donau in punkto Korrosionsschutz ein wesentlicher Faktor im Hinblick auf die Betriebssicherheit. Die Spezialisten von KBB/MEISSL Oberflächentechnik Produktions GmbH haben ein hochwertiges High-Solid Korrosionsschutzsystem des österreichischen Industrielackspezialisten Rembrandtin Coatings GmbH aufgetragen. Das von der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW - Deutschland) geprüfte Korrosionsschutzsystem von Rembrandtin hat eine Gesamtschichtdicke von 500 μm und verlängert dadurch die Standzeit der Wehrfelder um rund 40 Jahre. Die Beschichtungssysteme sind für extremste Wettereinflüsse, Umweltbedingungen und Belastungsgrade ausgelegt und basieren auf den hohen Qualitätsstandards der EN ISO 12944. Foto: shutterstock_1918822124 Foto: Rembrandtin Foto: KBBMEISSL Foto: KBBMEISSL

NEUE SCHWEBSTOFFKONZENTRATIONSMESSUNG MIT INTEGRIERTER GRÖSSENKLASSENERKENNUNG

Die diesjährige massive Gletscherschmelze hat uns deutlich aufgezeigt, welchen großen Veränderungen hochalpine vergletscherte Gebiete unterliegen. Durch den Rückgang der Gletscher werden immer größere alpine Flächen freigelegt, von denen bei Niederschlag Sedimente in die Bäche und somit in die Wasserfassungen der Kraftwerke gelangen. Diese mineralischen Schwebstoffe, welche im Triebwasser der Wasserkraftanlagen suspendiert sind, verursachen massiven hydro-abrasiven Verschleiß an exponierten Turbinenbauteilen. Eine Abnahme des Wirkungsgrades der Turbinen und steigende Betriebskosten durch häufigere und umfangreichere Revisionsarbeiten sind die Folgen. [Abgotspon et al., 2022]. Um in der Lage zu sein, diese Schäden zu minimieren, ist ein Schwebstoffmonitoring notwendig, welches nicht nur aus der Messung der Schwebstoffkonzentration besteht, sondern auch Aussagen über die Größenverteilung der Schwebstoffe macht [Abgottspon et al. 2016].

Die Kraftwerke Mattmark AG betreibt in Stalden VS/Schweiz ein Wasserkraftwerk mit zwei Maschinensträngen, welche aus jeweils zwei Peltonturbinen bestehen und eine Gesamtleistung von 185.000 kW erreicht. Das Einzugsgebiet des Kraftwerkes liegt größtenteils in von Gletschern beeinflussten Gebieten. Daher hat sich die Kraftwerke Mattmark AG bereit erklärt, als Pilotprojekt im Frühjahr 2022 ein neues Messsystem zur Erfassung der Schwebstoffkonzentration und deren Größenverteilung zu installieren. Ziel ist es, in der Lage zu sein, bei sehr hohen Schwebstoffkonzentrationen das zufließende Wasser direkt bei den Wasserfassungen auszuleiten, gleichzeitig bei Rückgang der Schwebstoffkonzentrationen das Wasser wieder sofort einleiten und turbinieren zu können.

MESSMETHOTIK UND MESSBEREICH

Das dem Multifrequenz-Echo-Verfahren zugrundeliegende Messprinzip basiert auf der Rückstreuung und Dämpfung von Ultra-

schallwellen an in fließenden Medien mitgeführten Partikeln. Dazu wird im Puls-Echo-Verfahren ein akustischer Puls in das Medium gesendet und die Intensität des rückgestreuten Signals gemessen. Dieser Prozess wird mit verschiedenen Frequenzen, welche durch insgesamt 4 Schallwandler emittiert werden (Abbildung 2), wiederholt, um Streusignale von Partikeln unterschiedlicher Größe zu erhalten. Ziel ist es, hierbei den Mittelwert und die Standardabweichung für den Rückstreukoeffizienten und die effektive Dämpfung des Ultraschallpulses durch das Medium zu erhalten. Die Partikelkonzentration und -größenklassenverteilung wird dann aus diesen Daten mit Hilfe komplexer

mathematischer Gleichungen ermittelt. Das System kann bis zu einer maximalen Schwebstoffkonzentration von 6.000 mg/l kalibrationsfrei messen. Konzentrationen größer 6.000 mg/l werden zwar erkannt, können jedoch auf Grund der dann eintretenden Mehr-

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Abbildung 1: Installation des Sensors Fotos: WATEC Foto: Kraftwerke Mattmark AG Abbildung 2: Sensor des Konzentrationsmesssystems Foto: NIVUS GmbH

fachstreuung nicht mehr genau ermittelt werden. Somit kann bei Schwebstoffkonzentrationen > 6.000 mg/l nur noch eine qualitative Messung durchgeführt werden. Um die Messunsicherheit bei höheren Konzentrationen zu reduzieren, kann jedoch im System eine Abgleichkurve aus Labormessungen mit repräsentativen Sedimentproben hinterlegt werden. Die Partikelgröße wird in fünf Größenklassen angegeben: < 63 µm, 63 – 100 µm, 100 – 200 µm, 200 – 400 µm sowie 400 – 1000 µm.

analoge Signale die Partikelkonzentration, der Wasserstand und die Wassertemperatur an das Leitsystem der Kraftwerke Mattmark AG weitergegeben. Die Inbetriebnahme des Systems erfolgte im Juli 2022.

MESSERGEBNISSE UND DISKUSSION

Die folgende Analyse bezieht sich auf Daten, welche zwischen dem 29. Juli und 1. Oktober 2022 aufgezeichnet wurden. Zu den Daten des Partikelkonzentrationsmesssystems, welches neben der Partikelkonzentration und die Größenklassenverteilung auch noch den Wasserstand und die Wassertemperatur erfasst, wurden für die weitere Betrachtung noch Durchflussdaten des Wasserkraftwerkes Stalden mit einbezogen. In diesem Zeitraum kam es zu vierzehn Ereignissen mit einer Schwebstoffkonzentration > 4.000 mg/l. Zwei dieser Ereignisse hatten eine Dauer von mehr als einer Stunde (Mittelwert: 29 min, Median: 17 min).

Abbildung 3: Tagesverlauf bei hohem Durchfluss

INSTALLATION

Der Sensor kann direkt im Gerinne oder Rohr installiert werden und benötigt keine aufwendige Montage mittels Bypass und/oder Pumpensteuerung. Darüber hinaus ist der Betrieb des Sensors weitgehend wartungsfrei.

In Saas-Fee wurde der Sensor bei Niedrigwasser im Februar 2022 direkt vor dem Einlaufrechen der Wasserfassung im Gerinne des Gebirgsbaches Saaser Vispa installiert (Abbildung 1). Damit kann bei Überschreitung eines Schwellenwertes von 4.000 bis 6.000 mg/l eine Alarmierung erfolgen und das Wasser gezielt ausgeleitet werden. Gleichzeitig kann der Abfall der Sedimentkonzentration in Echtzeit erfasst werden, um bei ausreichend niedriger Konzentration den Volumenstrom wieder zur Energiegewinnung umzuleiten, ohne Schäden an den Turbinen zu verursachen.

Der Sensor wurde so installiert, dass die Ultraschallsignale mit der Strömungsrichtung in das Gewässer emittiert werden. So wird ausgeschlossen, dass Treibgut oder Geröll auf die Schallwandler des Sensors aufprallen und diese beschädigen. Um den Sensor und das Sensorkabel vor Treibgut und Geröll zu schützen, wurden diese von Mitarbeitern der Kraftwerke Mattmark AG mit massiven Stahlplatten eingefasst. Verwirbelungen, welche hinter dem Sensorschutz im Blickfeld des Sensors entstehen, haben keine Auswirkung auf die Messung. In dem Sensorkörper ist neben den Ultraschallwandlern noch eine Drucksonde zur Höhenstandserfassung verbaut. Diese ist für die Schwebstoffkonzentrationsmessung nicht zwingend notwendig, vereinfacht aber die nachträgliche Auswertung der Daten. Der Messwertumformer wurde 60 m entfernt im Wärterraum installiert. Von hier werden über

Bei einer ersten Auswertung der Daten fallen die periodischen Schwankungen aller Messwerte im Tagesverlauf auf. Der Sommer 2022 war, bedingt durch sehr hohe Temperaturen und nur sehr wenig Niederschlag, gekennzeichnet durch eine massive Gletscherschmelze. So sind deutlich die Zu- und Abnahmen des Durchflusses im Tagesverlauf zu erkennen, welche erwartungsgemäß einhergehen mit einer Zu- und Abnahme der Schwebstoffkonzentration (Abbildungen 3 und 5). Der Transport von gröberen Partikeln (Feinsand und Mittelsand) nimmt dabei mit zunehmender Fließgeschwindigkeit zu (vgl. Abbildungen 4 und 6). Ab dem 8. September sinken die Wassertemperatur und der Durchfluss. Die Gletscherschmelze nimmt ab. Damit wird kaum noch Fein- und Mittelsand transportiert und es dominiert Silt (vgl. Abbildung 6).

Am 25. August wurden über einen Zeitraum von ca. 41 Minuten Sedimentkonzentrationen deutlich über 6.000 mg/l gemessen (Abbildung 8). Somit überschritten diese Werte den maximalen Messbereich des Sensors und waren dadurch mit einer deutlich höheren Messunsicherheit behaftet. Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass es sich hierbei um ein Ereignis mit der innerhalb dieser Messkampagne höchsten detektierten Sedimentkonzentration (> 6.000 mg/l) gehandelt hat. Eine nähere Betrachtung der Partikelgrößenverteilung für dieses Ereignis (Abbildung 9) zeigt die zeitliche Abfolge der einzelnen Größenklassen, beginnend mit Silt, gefolgt von Feinsand bis 100 µm, geringe Konzentrationen von Fein- und Mittelsand bis 400 µm und ein in Relation großer Anteil von Sand bis 1000 µm. Diese Aufeinanderfolge der einzelnen Größenklassen und auch die Unterreprä-

Abbildung 4: Größenklassenverteilung bei hohem Durchfluss

Abbildung 5: Tagesverlauf bei niedrigem Durchfluss

Abbildung 6: Größenklassenverteilung bei niedrigem Durchfluss

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Vorteile des Systems: - Einfache Installation ohne Bypass oder Pumpen - Auflösung der Größenverteilung - Kalibrationsfrei - Wartungsfrei

Anwendungsmöglichkeiten des Systems:

- Reduzierung des hydro-abrasiven Verschleiß durch kontrolliertes Ausleiten

- Schwebstoffmonitoring für effiziente Turbinenwartung

- Monitoring von (kontinuierlichen) Stauraumspülungen

- Nachhaltiges Sedimentmanagement

sentation der Größenklassen bis 200 µm und 400 µm ist in allen Ereignissen wiederzufinden. Davon abweichend wurde am 27. August für Größenklasse bis 400 µm ein Fraktionsanteil von 20 % und bis 200 µm von immerhin 6 % detektiert. Diese Abfolge der Größenfraktionsanteile innerhalb eines Ereignisses steht im Gegensatz zu den Beobachtungen einer langjährigen Studie zum hydro-abrasiven Verschleiß an Peltonturbinen im Kraftwerk Fieschertal (ca. 40 km Luftlinie von Saas-Fee entfernt). In dieser Studie wurde der d50 Parameter der Größensummenverteilungskurve bestimmt. Die Ergebnisse aus dieser Studie zeigten, dass der d50 Wert zum Beginn der Ereignisse (ansteigender Ast der Konzentrationsganglinie) höher war als bei Ereignisende (absteigender Ast der Konzentrationsganglinie) (vgl. Abbildung 7). Der Grund hierfür ist, dass für diese Studie die Messsysteme nach dem Speicherstollen installiert waren. Dadurch wird die Schwebstoffkonzentration durch Absetz- und Resuspensionsprozesse bei unterschiedlichen Wasserständen während des Betriebes des Speicherstollens beeinflusst (Felix, 2017).

In den Ganglinien der Konzentrationsereignisse ist zusätzlich (z.B. Abbildung 3) ein periodisches Ereignis mit starkem, pulsartigen Konzentrationsanstieg, verbunden mit einem drastischen Abfall des Durchflusses, zu erkennen. Hier handelt es sich um einen Spülvorgang des Rechens im Einlauf der Wasserfassung. Durch das Öffnen des Schiebers hinter der Wasserfassung wird schlagartig eine große

Autoren:

Menge Wasser und Treibgut, welches sich vor dem Rechen gesammelt hat, ausgeleitet. Dabei kommt es vor allem zur Resuspension von Partikeln > 200 µm, welche sich zuvor vor der Wasserfassung abgesetzt hatten (vgl. Abbildung 10).

FAZIT

Die Messdaten dieser Messkampagne zeigen, dass bei bestimmten Ereignissen, welche durch Schnee- und Gletscherschmelze, Starkniederschläge oder auch durch gezieltes Spülen von Speichern verursacht werden, große Mengen von sehr kleinen als auch sehr großen Partikeln verfrachtet und zu den Turbinen geführt werden. Eine Abscheidung von Silt und Feinsand (< 200 µm) durch Entsander ist in den meisten Fällen nicht mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand möglich. Doch auch kleine Partikel verursachen bei hohen Fließgeschwindigkeiten und starken Umlenkungen der Strömung hydro-abrasiven Verschleiß an den Turbinen (Abgottspon et al., 2016). Inwieweit die großen Mengen Sand (> 400 µm), wie bei dem Ereignis am 25. August aufgetreten (Abbildung 9), durch den Entsander abgeschieden werden, kann nur durch eine Schwebstoffkonzentrationsmessung nach dem Entsander ermittelt werden.

AUSBLICK

Um das Verhalten des Entsanders bei hohen Schwebstoffkonzentrationen besser zu verstehen, aber auch um Wartungsintervalle an den Turbinen effizienter terminieren zu können, wird die Kraftwerke Mattmark AG im kommenden Winter ein zweites Schwebstoffkonzentrations-Messsystem am Ende vom Entsanderbecken, beim Überlauf zum Druckstollen, installieren. Auf diese Weise wird zum einen die tatsächliche Schwebstoffkonzentration und -größenverteilung des turbinierten Wassers erfasst, welche letztendlich zu hydroabrasiven Verschleiß an den Turbinen führt. Zum anderen erhält die Kraftwerke Mattmark AG damit Informationen über das Absetzverhalten im Becken bei unterschiedlichen Zuflussmengen.

Sebastian Scheffler, Nivus GmbH, Im Täle 2, 75031 Eppingen Dr. Asmorom Kibrom, Nivus GmbH, Im Täle 2, 75031 Eppingen

Quellen:

Abgottspon, A., Felix, D., Boes, R, Staubli, T. (2016): Schwebstoffe, hydro-abrasiver Verschleiß und Wirkungsgradänderungen an Peltonturbinen - Ein Forschungsprojekt am KW Fieschertal. Wasser Energie Luft, 108. Jahrgang, Heft 1: 9–24.

Abgottspon, A., Felix, D., Staubli, T., Boes, R. (2022): Betriebs- und Unterhaltungsoptimierung von beschichteten Peltonturbinen mit hydro-abrasiven Verschleiss – Erkenntnisse aus einem Forschungsprojekt am KW Fieschertal. Wasser Energie Luft, 114. Jahrgang, Heft 2: 105-117.

Felix, D. (2017): Experimental investigation on suspended sediment, hydro-abrasive erosion and efficiency reductions of coated Pelton turbines. VAW-Mitteilungen 238 (Boes R., ed.) und Dissertation 24145, ETH Zürich.

Abbildung 7: Verteilung d50 Wert während der Ereignisse im Fieschertal (Felix, 2017)

Abbildung 8: Konzentrationsereignis 25. August

Abbildung 9: Größenklassenauflösung des Konzentrationsereignis 25. August

Abbildung 10: Größenklassenverteilung einer Spülung am 2. September

HYDRO Technik 70 Dezember 2022

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