Pandora Neue Linie von Simon Gietl und Vittorio Messini an der Pordoi-Westwand
Foto: Simon Gietl
Dass an der steilen Wandflucht der Pordoi-Westwand im Winter immer wieder beeindruckende Eisforma tionen entstehen, war uns schon vor einigen Jahren aufgefallen. Unser Freund und Bergführerkollege Isidor Poppeler kontaktierte uns Anfang Dezember 2019 und schwärmte von einer schier unglaublichen Eisspur im oberen Teil der Wand, die sich leicht links der bekannten Niagara-Führe gebildet haben soll.
U
ns war von Anfang an klar, dass es sich dabei um eine außerge wöhnlich steile und anspruchs volle Eiskletterei handeln würde. Dar über hinaus kamen Ausgesetztheit, Länge und Logistik dazu, die das gan ze Vorhaben zusätzlich erschweren sollten. Es war uns zeitlich allerdings nicht möglich, sofort das Projekt zu
starten. Am 10. Dezember schließlich konnten Vittorio und ich das erste Mal in die Westwand einsteigen. Erkundungstag In erster Linie wollten wir uns an die sem Tag eine Übersicht verschaffen, die Bedingungen testen und eine mögliche und insbesondere logische Linie auskundschaften. Im Mittelpunkt unseres Projektes stand stets das ein drucksvolle Eisgebilde, das sich schät zungsweise 450 Meter über den Boden gebildet hatte. Bereits beim Zustieg entdeckten wir eine Seilschaft, die augenscheinlich denselben Plan hatte. Speziell bei den herrschenden Tem peraturen und Wetterverhältnissen an diesem Tag waren wir ziemlich verwun dert. Ein scharfer, kräftiger Nordwind ließ die ohnehin schon tiefe Tempera tur um vieles kälter wirken. Trotzdem
stiegen wir wie geplant die ersten Seil längen hoch. Beim Hinaufblicken zum Eisgebilde realisierten wir sofort, dass es überaus anspruchsvoll werden wird. Ob wir nun als erste oder zweite Seil schaft die Eisformation bzw. die Route klettern, war für uns in diesem Moment unbedeutend. Da wir diesen 10. Dezember nur als Erkundungstag einer möglichen Route wählten, hatten wir weder Material zum Biwakieren noch ausreichend Verpfle gung dabei. Nach knappen 150 Metern fixierten wir unsere Seile und seilten ab. Kurz darauf seilte auch die andere Seil schaft ab. Unser Vorhaben war es nun, in den nächsten Tagen nochmals einzu steigen und die Route fertig zu klettern. Wie bereits erwähnt, legten wir dabei unseren Fokus auf die ca. 150 steilen Meter im oberen Teil, die entlang die ser imposanten Eisfigur führen sollten. Bergeerleben 01/20
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