Unterwegs
Gewürzt mit Tiefblicken Durch die Droites-Nordwand 10. Jänner 2020: Mein Kumpel Chris aus Innsbruck und ich sind gerade eine kombinierte Linie auf dem Sellapass geklettert und nun auf dem Heimweg. Begeistert erzählt er mir von einer bayrischen Seilschaft und ihrem geglückten Durchstieg einer 4000er-Nordwand in Chamonix.
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3. Jänner 2020: Nach einigen we nigen Stunden Schlaf im Winter raum des Refuge d’Argentière bin ich bereits vor 2 Uhr wach. Wie immer aus Angst, den Wecker zu verpassen. Gerade jetzt wäre es unter der warmen Decke am „angenehmsten“… Nach einem kargen Frühstück verlassen wir unser Lager und fahren auf das große Plateau des Argentièregletschers ab. Während dem Auffellen blicke ich nochmals zurück zur futuristischen Hütte, die in der hellen Mondnacht wie ein Schloss hoch über dem Gletscher thront und erst noch vor wenigen Stun den Stützpunkt einer spektakulären Hubschrauberrettung aus der benach barten Courtes-Nordwand war, die wir hautnah miterlebt hatten. Nach kurzer 50
Bergeerleben 01/20
Zeit befinden wir uns schon auf dem Ausläufer der Droites und steigen der Nordwand durch etwas Spaltengewirr entgegen. Das immens aufragende, tausend Meter hohe Platten- und Eis schild über uns wirkt erdrückend und die steilen Eisfälle im unteren senk rechten Wandteil glänzen im Mond licht und wirken einschüchternd und unheimlich. In der „taghellen“ Nacht können wir unsere Route schon von Weitem gut erkennen, dennoch ge staltet sich die Orientierung am brei ten Wandfuß zu Beginn nicht ganz einfach. Wir nehmen kurz die Fotos zur Hand, die wir während des Zustiegs zur Hütte am Nachmittag zuvor ge macht hatten. Die Überschreitung der Randspalte sollte laut Bericht der bayrischen Seilschaft relativ einfach über eine gute Eisauflage zu meistern sein. Unspektakulär, anscheinend „a g’mahte Wiesn!“ Viel Luft unter den Füßen Anhand der Fotos und einiger Steig eisenspuren finden wir den Einstieg relativ rasch. Allerdings führen die Spuren nach rechts in plattiges Gelän
Die Nordwand der Droites schon im Blick beim Hüttenzustieg über den Argèntieregletscher Foto: Chris Hiller (gopro5)
de, wo sich das ganze gute Eis durch die hohen Temperaturen der letzten Tage abgelöst und in den Schlund der Randspalte verabschiedet hat. Für ei nen direkten Anstieg auf den rund vier Meter hohen, überhängenden Berg schrund ist der Schnee definitiv zu weich. Wir wissen beide, dass es nur einen Weg über die mächtige Rand spalte gibt. Dieser führt wohl oder übel ausschließlich über die athleti sche Mixedkletterlänge! Gesagt, ge tan! Im abschüssigen und nicht absi cherbaren Plattengelände kämpfen wir uns mit unseren Eisgeräten an den kleinen Felsstrukturen etwa 30 Meter empor. Den Funken zufolge sollten unsere Steigeisen nach dieser Länge für den Tag bestens geschärft sein. Gewürzt mit einem eindrücklichen Tiefblick in den Rachen der Spalte können wir die vermeintlich einfachen Meter hinter uns bringen, die sich in