Unterwegs
„Zeig mir meinen Silberstreifen“ Im Rollstuhl durch die Dolomiten Sechs Freunde, ein Rollstuhl, die Dolomiten – ein Traum. Der Traum davon, die Dolomiten zu überqueren. Sarah Braun ist 27 Jahr alt und lebt mit der Diagnose ALS. Sie wird bald sterben – sagen die Ärzte. Wir schieben dich, egal wohin – sagen die Freunde und ihr Bruder und erfüllen ihr den Wunsch, die Kraft der Berge noch einmal zu spüren. Sarah Braun hat die dreitägige Wanderung durch die Dolomiten niedergeschrieben. Es ist eine Geschichte über das Mögliche im Unmöglichen, über Freundschaft und was sie imstande ist, zu bewegen. 56
Bergeerleben 01/20
D
ie Tropfen fallen schwer vom Himmel. Meine rote Baumwoll kletterhose saugt jeden einzel nen Tropfen gierig auf und färbt sich sofort einen Ton dunkler. Die Beine vor mir, die mich ziehen, heben sich nur noch langsam. Es ist, als würden sie auf flüssigem Beton gehen. Jeder Schritt scheint schwerer zu werden. Der Atem, der mich schiebt, geht so schnell, ich kann den Takt kaum mit zählen. Ich frage mich, was wir hier ei gentlich machen. Sind wir alle kom plett verrückt geworden? Mein Oberkörper schmerzt mit jeder Er schütterung mehr. Mein Kopf fällt im
mer wieder zur Seite. Ich bin zu er schöpft, um ihn noch aus eigener Kraft zu halten. Wir alle sind stumm und lau schen nur den angestrengten Atemzü gen der anderen. Einzig ganz vorne zieht eine schier unerschöpfliche Ener gie, die unsere Karawane in Bewegung hält. Seit über neun Stunden nähern wir uns nun den majestätischen Anfän gen der Dolomiten. Die Dolomiten zu überqueren, war mein Traum gewesen. Die fünf Menschen um mich, wollen ihn mir erfüllen. Früher wäre ich selbst gegangen. Heute kann ich es nicht mehr. Doch dies ist erst der Anfang unseres Abenteuers. Wir sind am ers