Unterwegs
Wenn Wissenschaftler wandern
Auf den Spuren des Klimawandels zwischen Vent und Matsch Wissenschaftler sind scheue Wesen und nur selten in freier Wildbahn anzutreffen. Meist arbeiten sie zurückgezogen in Labors und wagen sich höchstens zur Probennahme ans Tageslicht. Vergangenen September jedoch haben sich einige auf Wanderschaft begeben. In fünf Tagen haben 15 Forscher die beiden Bergsteigerdörfer Vent und Matsch durchwandert und dabei Höhenmeter, Staatsgrenzen und 62
Bergeerleben 01/20
manchmal auch sich selbst überwunden. Die wichtigsten Erkenntnisse dabei: 1. Dies- und jenseits der Weißkugel sind die Heraus forderungen für Berggebiete dieselben. 2. Klima ist nicht gleich Wetter, aber beides ändert sich rascher als erwartet.
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as erste Tagesziel der Wander gruppe ist bescheiden: Es gilt möglichst klimaschonend mit
In fünf Tagen haben 15 Forscher die Bergsteigerdörfer Vent und Matsch durch wandert – bei wechselhaftem Wetter Fotos: EURAC
den Öffis nach Obergurgl zu gelan gen. Von dort hat sich die Gruppe eine mehrtägige Überschreitung des Alpenhauptkamms von Vent über Schnals ins Vinschger Matschertal vor genommen. Dabei geht es einerseits um den Wissensaustausch mit Fach kollegen; zum anderen wollen wir Messstationen besichtigen, die auf dieser Route liegen, und mit der Aktion die ökologischen Forschungs arbeiten besser bekannt machen. Außerdem soll unser Weg die beiden Bergsteigerdörfer Vent und Matsch miteinander verbinden. Das Netzwerk Im Ötztaler Längenfeld wird ein kurzer Zwischenstopp im Naturparkhaus ein gelegt. Anschließend schlängelt sich der Bus die vielen Kurven hoch nach Obergurgl. Die Gruppe drängt ins Freie: Botaniker aus dem Apennin, Bodenkundler aus Bozen, Hydrologen aus Innsbruck, sogar eine Meeresbio login aus Ischia und ein Limnologe aus Dänemark. Das vereinende Element dieser so unterschiedlichen Gruppe ist ihre Zugehörigkeit zum LTER-Netzwerk (Long Term Ecological Research), einem weltweiten Verbund von For schungsstandorten, an welchen Lang zeitbeobachtungen durchgeführt werden. Auf über 1.900 Metern Mee reshöhe befindet sich der österreichi sche Standort Obergurgl. Von der Universität Innsbruck werden hier seit 1953 eine Reihe von Wetterstationen betrieben sowie die Bereiche Vegeta tionsökologie, Klimageschichte oder auch Gletschersukzession und Boden untersucht. Am nächsten Morgen geht es mit dem Bus noch weiter ins Bergsteiger dorf Vent, den eigentlichen Start punkt. „Wechselhaft“ hatte der Wet terbericht die bevorstehenden Tage beschrieben, und er sollte recht be halten.