Reisemagazin Bregenzerwald - Winter 2020-21

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Zauber der Symmetrie Susil Kannangara aus Sri Lanka, ein ausgebildeter Hotelfachmann, sieht seine wahre Berufung in der Ayurveda-Lehre. Er verbindet sie mit seiner Gabe, Schiefstellungen des menschlichen Körpers erkennen und behandeln zu können – seit 2015 auch in seiner ­Ayurveda-Praxis in Egg

Es ist ein idyllischer Platz an einer Stelle, wo man ihn nicht sofort vermuten würde. Am Ortsanfang von Egg, in diesem tiefen, dunklen, zugebauten Tobel, geht es links steil den Berg hinauf. Nach nur wenigen Kurven liegt am Hang das Haus von AyurvedaTherapeut Susil Kannangara und seiner Bregenzerwälder Ehefrau Cornelia. Das gleißend-fahle Licht eines Januar­ morgens blendet durch die Fensterfront des Wohnzimmers und eröffnet ungewohnte Blicke auf den mittleren Bregenzerwald. Susil Kannangara ist in einem kleinen Ort nahe der sri-lankischen Hauptstadt Colombo aufgewachsen. Sein Vater war Lehrer, die Familie katholisch. Susil ist zwölf, als seine Mutter 1976 schwer erkrankt und ihr der linke Lungenflügel entfernt werden muss: „Ich habe ihren Arzt damals gefragt, warum die Lunge nur links beschädigt war. Er wusste keine Antwort.“ Die Krankheit war der Auslöser für Susils lebenslange Beschäftigung mit Symmetrien und Schieflagen des menschlichen Körpers: „Atmung, Durchblutung, Verdauung, die Versorgung mit Nährstoffen und der Abtransport von Abfällen: Unser ­Körper kann nur richtig funktionieren, wenn wir uns gerade halten.“

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Eigentlich ist der 55-Jährige gelernter Hotelfachmann: „Zimmerjunge, Koch und Kellner, Handelsvertreter und selbstständiger Reiseleiter – ich war schon alles.“ In den 1990er Jahren wird der Tourismus in Sri Lanka von der ersten kommerziellen AyurvedaWelle erfasst. In den Zentren, in denen Susil arbeitet, kommt er in Kontakt mit hochangesehenen Ayurveda-Ärzten und beginnt, sich deren umfangreiches Wissen anzueignen: „Ayurveda ist keine Wunderheilkunst, sondern die Anleitung für ein Leben im körperlichen und geistigen Gleichgewicht: Erkenntnisse, die in allen Kulturen der Welt existieren und sich aus jahrtausendelangen Erfahrungen speisen. Das Wissen, für das man in Mitteleuropa Frauen einst als Hexen verfolgt hat, das sich aber auch bei Hildegard von Bingen findet.“ Der enormen Kommerzialisierung des Ayurveda steht Susil Kannangara kritisch gegenüber. Das, was heute in vielen Zentren in Indien und Sri Lanka angeboten werde, sei meist sehr profitorientiert: „Man will Touristen anlocken und Geld verdienen. Aber Ayurveda heißt einfach, vernünftig mit seinem Körper umzugehen. Dafür braucht es nicht unbedingt Kur-Programme, sondern oft nur gesunden Menschenverstand.“ Man ahnt, dass Susil Systeme unerbittlich hinterfragt, sobald er Heuchelei wittert: „Stimmt!“, bekennt er lachend, „‚Warum?‘ war schon immer meine Lieblingsfrage!“ Über den österreichischen Besitzer des Hotels Lotus Villa, in dem er Mitte der 1990er Jahre arbeitet, knüpft Susil Kontakte nach Vorarlberg. 1996 reist er erstmals nach Europa. Nicht in den Bregenzerwald, wohin ihn seine Freude eingeladen hatten, sondern in die Schweiz. Denn nur dort bekommt er eine Aufenthaltsgenehmigung für drei Monate: „Damals kam ein neunjähriger Bub aus Mellau zu mir,

dessen verkrümmte Halswirbelsäule schwere Sehstörungen verursachte.“ Susil gelingt es, ihm zu helfen und eine schwere Operation zu vermeiden. Noch heute ist er mit der Familie befreundet. Obwohl er nie geplant hatte, nach Europa zu ziehen, ist Susil in den letzten zwei Jahrzehnten zu einem Wanderer zwischen den Welten geworden. Ab 1998 lebt und arbeitet er als Ayurveda-Therapeut in Deutschland, auf Kreta, Ischia und Mallorca. Viel kann er erzählen vom stetigen Kampf um Aufenthalts- und Arbeitsbewilligungen, von Beharrlichkeit, Widerstandsfähigkeit und Geduld. 2008 zieht er nach Österreich, wo er in einem Hotel nahe Wien sein eigenes Ayurveda-Programm verantwortet, kehrt aber wegen der Weltwirtschaftskrise 2010 nach Sri Lanka zurück. Den Kontakt zum Bregenzerwald hat er nie verloren: „Ich habe immer eine besondere Verbindung zu diesem Ort empfunden und seltsame Dinge erlebt, die mich hierher zurückgeführt haben.“ Seit 2015 lebt er mit seiner zweiten Frau Cornelia in Egg: „Es fühlt sich an, als hätte ich immer schon hierher gehört. Wer weiß, ob ich nicht schon in einem früheren Leben im Bregenzerwald gewohnt habe?“ Im Dezember 2018 ist sein erstes Buch „Ayurveda & Körperlesen“ erschienen. Sein Talent, Schiefstellungen des Körpers erkennen und behandeln zu können, empfindet Susil weniger als Geschenk denn als Aufgabe: „Mein Leben ist davon bestimmt, dass ich Menschen helfen kann, ihnen aber auch helfen soll. Die ewige Rückkehr in den buddhistischen Lehren überzeugt mich sehr. Daher versuche ich, meine Verpflichtungen in diesem Leben zu erfüllen, um eine spätere Rückkehr zu verhindern.“ Babette Karner


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